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I Tensoranalysis
1 Gradient, Divergenz und Rotation
Im hier beginnenden Teil I werden notwendige mathematische Grundlagen zusam-
mengestellt. Dabei geht es vor allem um die Tensoranalysis, die die Differenziation
und Integration von Tensorfeldern behandelt.
Kapitel 1 führt die koordinatenunabhängigen und anschaulichen Definitionen
der Vektoroperationen Gradient, Divergenz und Rotation ein. In Kapitel 2 wer-
den Tensorfelder formal durch ihr Verhalten unter orthogonalen Transformationen
definiert; außerdem wird das praktische Rechnen mit den Vektoroperationen de-
monstriert. In Kapitel 3 wird die δ-Funktion eingeführt, die Beziehung �(1/r) =−4π δ(r) abgeleitet und ein Vektorfeld durch seine Quellen und Wirbel dargestellt.
Kapitel 4 befasst sich mit Lorentztensorfeldern.
Wir betrachten ein beliebiges skalares Feld Φ(r) und ein beliebiges Vektorfeld
V (r) im dreidimensionalen Raum. Die formale Definition der Eigenschaften Ska-lar und Vektor wird in Kapitel 2 nachgeholt. Wir setzen die Differenzierbarkeitder auftretenden Funktionen voraus. Für die im Folgenden untersuchten partiellen
Ortsableitungen spielt eine eventuelle Zeitabhängigkeit inΦ(r, t) und V (r, t) keine
Rolle; sie wird daher in der Notation unterdrückt.
Wir definieren folgende Differenzialoperationen:
1. Der Gradient eines skalaren Felds Φ wird mit gradΦ bezeichnet. Die Kom-
ponente des Vektorfelds gradΦ in Richtung eines beliebigen Einheitsvektors
n wird durch
n · gradΦ(r) = limΔr→0
Φ(r + nΔr)−Φ(r)
Δr(1.1)
definiert. Die Größe n · gradΦ ist die Ableitung von Φ in dieser Richtung.
Die geometrische Bedeutung des Gradienten ist in Abbildung 1.1 illustriert.
3
T. Fließbach, Elektrodynamik, DOI 10.1007/978-3-8274-3036-6_2© Springer-Verlag Berlin Heidelbcrg 2012
4 Teil I Tensoranalysis
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.
grad Φ
Φ = const.
Abbildung 1.1 Die Abbildung zeigt
einige Höhenlinien Φ(x, y) = const.
Im Dreidimensionalen werden diese
Höhenlinien zu den Flächen Φ(r) =Φ(x, y, z) = const. Der Gradient von
Φ steht senkrecht auf diesen Flächen.
Er zeigt in die Richtung des stärksten
Anstiegs von Φ; sein Betrag ist pro-
portional zu diesem Anstieg.
2. Die Divergenz eines Vektorfelds V wird mit divV bezeichnet. Das skalare
Feld divV wird durch
divV (r) = limΔV→0
1
ΔV
∮ΔA
dA · V (1.2)
definiert. Hierfür wird ein Volumenelement1 ΔV bei r betrachtet; über seine
Oberfläche ΔA wird das Skalarprodukt V · dA aufsummiert. Die geometri-
sche Bedeutung der Divergenz ist in Abbildung 1.2 illustriert.
3. Die Rotation eines Vektorfelds V wird mit rotV bezeichnet. Die Komponen-
te des Vektorfelds rotV in Richtung eines beliebigen Einheitsvektors n wird
durch
n · rotV (r) = limΔA→0
1
ΔA
∮ΔC
dr · V , n = ΔA
ΔA(1.3)
definiert. Hierfür wird ein Flächenelement ΔA ‖ n bei r betrachtet; über sei-
nen Rand ΔC wird das Skalarprodukt V · dr aufsummiert. Die geometrische
Bedeutung der Rotation ist in Abbildung 1.3 illustriert.
Die Definitionen (1.1) – (1.3) haben folgende Vorteile:
• Sie machen die Bedeutung der Differenzialoperationen für physikalische Fel-der deutlich.
• Sie sind unabhängig von der Koordinatenwahl.
• Aus ihnen folgen sofort wichtige Integralsätze.1In der Regel wird das Volumen mit dem Buchstaben V bezeichnet. In Formeln, in denen ein
Vektorfeld V oder seine Komponenten Vi auftreten, verwenden wir jedoch den etwas anderen Buch-
staben V für das Volumen.
Kapitel 1 Gradient, Divergenz und Rotation 5
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divV = 0 divV > 0 divV groß
Abbildung 1.2 Zur Berechnung der Divergenz (1.2) wird ein kleines Volumen ΔV be-
trachtet (hier speziell kugelförmig). Wenn das Vektorfeld V im Bereich des Volumens kon-
stant ist (links), verschwindet die Divergenz. Nimmt V dagegen in Feldrichtung zu (Mitte),
so ist divV positiv. Die Divergenz wird maximal, wenn das Vektorfeld durchweg parallel
zum Flächenvektor dA der Oberfläche von ΔV ist (rechts). Das Vektorfeld hat hier eine
Quelle; allgemein ist divV ein Maß für die Quellstärke des Felds.
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n · rotV = 0 n · rotV > 0 n · rotV groß
Abbildung 1.3 Zur Berechnung der Rotation (1.3) wird eine kleine Fläche ΔA (hier spe-
ziell kreisförmig) mit dem Normalenvektor n (senkrecht zur Bildebene) betrachtet. Wenn
das Vektorfeld V im Bereich der Fläche konstant ist (links), verschwindet die Rotation.
Nimmt V dagegen quer zur Feldrichtung zu (Mitte), so ist n · rotV ungleich null. Die Rota-
tion wird maximal, wenn das Vektorfeld durchweg parallel zum Wegelement dr des Rands
von ΔA ist (rechts). Das Vektorfeld hat hier einen Wirbel; allgemein ist |rotV | ein Maßfür die Wirbelstärke des Felds.
6 Teil I Tensoranalysis
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ex
ez ey
ΔA = −ex Δy Δz
V (x, y, z)
ΔA = ex Δy Δz
V (x +Δx, y, z )
(x +Δx, y +Δy, z +Δz)
(x, y, z)
Abbildung 1.4 Zur Berechnung von divV in kartesischen Koordinaten wird ein quader-
förmiges Volumen ΔV = Δx Δy Δz gewählt. Die Beiträge aller sechs Seitenflächen zum
Flächenintegral∮dA · V werden aufsummiert und durch ΔV geteilt.
Kartesische Koordinaten
Für kartesische Koordinaten lautet der infinitesimale Ortsvektor
dr = dx ex + dy ey + dz ez (1.4)
Diese Größe wird auch als Wegelement bezeichnet.Wir werten die Definitionen (1.1) bis (1.3) für kartesische Koordinaten aus. In
(1.1) wählen wir n = ex ; dann gilt dr = dx ex . Außerdem setzen wir Φ(r) =Φ(x, y, z) ein:
ex · gradΦ = Φ(x + dx, y, z)−Φ(x, y, z)
dx= ∂Φ
∂x(1.5)
Dies ist die x-Komponente des Vektors gradΦ. Insgesamt erhalten wir
gradΦ = ∂Φ
∂xex +
∂Φ
∂yey +
∂Φ
∂zez (1.6)
Im Folgenden verwenden wir auch die abkürzende Schreibweise
∂xΦ =∂Φ
∂xoder ∂x =
∂
∂x(1.7)
Durch
∇Φ(r) ≡ gradΦ(r) (1.8)
definieren wir den Nabla-Operator ∇. Der Vergleich mit (1.6) ergibt
∇ = ex ∂x + ey ∂y + ez ∂z (1.9)
Kapitel 1 Gradient, Divergenz und Rotation 7
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ex
ey
Δr = ex Δx
Δr = −ex Δx
V (x, y +Δy, z)
V (x, y, z)
(x +Δx, y +Δy, z)
(x, y, z)
Abbildung 1.5 Zur Berechnung von ez · rotV in kartesischen Koordinaten wird eine
Rechteckfläche ΔA = Δx Δy gewählt. Die Beiträge aller vier Seiten zum Linienintegral∮dr · V werden aufsummiert und durch ΔA geteilt.
Zur Auswertung von divV betrachten wir das in Abbildung 1.4 gezeigte Volumen-
elementΔx Δy Δz bei r := (x, y, z). Wir werten∮dA ·V für die in der Abbildung
markierten Flächen aus:∮dA · V = Δy Δz
(Vx(x +Δx, y, z )− Vx(x, y, z )
)+ . . . (1.10)
Der Integrand [Vx(x + Δx, y, z) − Vx(x, y, z)] wurde vor das Integral gezogen.Nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung ist er dann an einer geeigneten (un-
bekannten) Stelle y, z im betrachteten Integrationsbereich zu nehmen. Wir realisie-
ren den GrenzfallΔV → 0 durchΔx → 0,Δy → 0 undΔz→ 0. Dann gehen die
unbekannten Argumente y und z gegen y und z und wir erhalten
1
Δx Δy ΔzΔy Δz
(Vx(x +Δx, . . .)− Vx(x, . . .)
)ΔV→ 0−→ = ∂Vx
∂x(1.11)
Die in (1.2) verlangte Summation über alle Flächen ergibt somit
divV = ∂Vx
∂x+ ∂Vy
∂y+ ∂Vz
∂z= ∇ · V (1.12)
Die Divergenz kann also durch das Skalarprodukt mit dem Nabla-Operator ausge-
drückt werden; dabei wirken die Differenzialoperatoren in∇ auf alle rechts stehen-
den Größen.
Zur Auswertung von rotV betrachten wir das in Abbildung 1.5 gezeigte Flä-
chenelement ΔA = Δx Δy ez bei r := (x, y, z). Wir werten∮dr · V die in der
Abbildung markierten Randstücke aus:∮dr · V = Δx
(Vx(x, y, z)− Vx(x, y +Δy, z)
)+ . . . (1.13)
8 Teil I Tensoranalysis
Dabei wurde wieder der Mittelwertsatz der Integralrechnung verwendet. Geteilt
durch ΔA = Δx Δy und im Limes Δx → 0 und Δy → 0 ergibt der angeschriebe-
ne Term −∂Vx/∂y. Insgesamt erhalten wir
(rotV )z =∂Vy
∂x− ∂Vx
∂yund rotV = ∇ × V (1.14)
Die Rotation kann durch das Vektorprodukt mit dem Nabla-Operator (1.9) ausge-
drückt werden.
Orthogonale Koordinaten
Die Definitionen (1.1) – (1.3) sind koordinatenunabhängig; sie lassen sich daher für
beliebige Koordinaten auswerten. Ein praktisch wichtiger Fall sind orthogonale Ko-
ordinaten; hierzu gehören Kugel-, Zylinder- und elliptische Koordinaten. Für kar-
tesische, Zylinder- und Kugelkoordinaten sind die expliziten Formen der gängigen
Differenzialoperatoren in Anhang C angegeben.
Wir bezeichnen die Koordinaten mit q1, q2 und q3. Von lokal orthogonalen
Koordinaten sprechen wir, wenn die drei infinitesimalen Vektoren dr , die vom
Punkt (q1, q2, q3) jeweils nach (q1 + dq1, q2, q3) und (q1, q2 + dq2, q3) und
(q1, q2, q3 + dq3) zeigen, ein orthogonales Dreibein aufspannen. Wir definieren
e1, e2, e3 als die orthonormierten Basisvektoren dieses Dreibeins; für Kugelkoordi-
naten sind dies die Vektoren er , eθ und eφ . Der wesentliche Unterschied zu karte-
sischen Koordinaten besteht darin, dass diese Basisvektoren von dem betrachteten
Punkt, also von den Koordinaten q1, q2, q3 abhängen; daher spricht man von lokalorthogonalen Koordinaten. Kartesische Koordinaten sind dagegen global orthogo-
nal.
Definitionsgemäß zeigt e1 von (q1, q2, q3) nach (q1+ dq1, q2, q3). Das zugehö-
rige Wegelement ist proportional zu dq1 e1; den Proportionalitätsfaktor bezeichnen
wir mit h1. Das Wegelement dr von (q1, q2, q3) nach (q1+dq1, q2+dq2, q3+dq3)ist dann von der Form
dr =3∑
i=1hi dqi ei (1.15)
Speziell für kartesische (x, y, z), Zylinder- (ρ, ϕ, z) und Kugelkoordinaten (r , θ , φ)
lautet das Wegelement
dr =
⎧⎪⎨⎪⎩dx ex + dy ey + dz ez
dρ eρ + ρ dϕ eϕ + dz ez
dr er + r dθ eθ + r sin θ dφ eφ
(1.16)
Hieraus lesen wir die hi ab:
(h1, h2, h3) =
⎧⎪⎨⎪⎩(1, 1, 1) (Kartesische Koordinaten)
(1, ρ, 1) (Zylinderkoordinaten)
(1, r, r sin θ ) (Kugelkoordinaten)
(1.17)
Kapitel 1 Gradient, Divergenz und Rotation 9
Die Felder werden in den jeweiligen Koordinaten und Basisvektoren ausgedrückt:
Φ(r) = Φ(q1, q2, q3) , V (r) =3∑
i=1Vi(q1, q2, q3) ei (1.18)
Die Ableitung der Vektoroperationen aus (1.1) – (1.3) erfolgt analog zu der in karte-
sischen Koordinaten. Wegen der lokalen Orthogonalität kann ΔV in (1.2) als Qua-
der und ΔA in (1.3) als ein Rechteck gewählt werden. Die Seitenlängen sind durch
hi dqi gegeben. Die Ergebnisse dieser Verallgemeinerung sind:
gradΦ = ∇Φ =3∑
i=1
1
hi
∂Φ
∂qiei (1.19)
divV = 1
h1h2h3
[∂(h2h3V1)
∂q1+ ∂(h1h3V2)
∂q2+ ∂(h1h2V3)
∂q3
](1.20)
rotV = 1
h2h3
[∂(h3V3)
∂q2− ∂(h2V2)
∂q3
]e1 + zyklisch (1.21)
Aus (1.19) folgt der Nabla-Operator
∇ =3∑
i=1ei1
hi
∂
∂qi(1.22)
Alle Vektoroperationen können durch den Nabla-Operator ausgedrückt werden:
gradΦ = ∇Φ , divV = ∇ · V , rotV = ∇ × V (1.23)
Da die Operationen auf den rechten Seiten (wie zum Beispiel das Vektorprodukt)
koordinatenunabhängig definiert sind, genügt es, die Gültigkeit dieser Aussagen für
kartesische Koordinaten zu zeigen; dies wurde oben gemacht. Für beliebige Koordi-
naten ist (1.23) so zu verstehen, dass durch die erste Relation (mit dem Gradienten
aus (1.1)) der Nabla-Operator definiert wird. Dann können die Divergenz und die
Rotation gemäß (1.23) mit diesem Operator definiert werden (anstelle von (1.2) und
(1.3)). Wenn man diese Form benutzt, muss man allerdings beachten, dass die par-
tiellen Ableitungen ∂/∂qi auch auf die Basisvektoren in V wirken; im Gegensatz
zu kartesischen Koordinaten gilt im Allgemeinen ∂ei/∂qj �= 0.Im Folgenden werden wir die beiden Seiten der Gleichungen in (1.23) gleich-
wertig nebeneinander benutzen. Im amerikanischen Sprachraum wird fast immer
die Schreibweise mit den Nabla-Operator benutzt. Im deutschen Sprachraum über-
wiegt die Schreibweise mit grad, div und rot. In konkreten Rechnungen verwendet
man aber auch hier meist die Schreibweise dem Nabla-Operator.
Ein weiterer wichtiger Differenzialoperator ist der Laplace-Operator
� = div grad = 1
h1h2h3
[∂
∂q1
(h2h3
h1
∂
∂q1
)+ zyklisch
](1.24)
10 Teil I Tensoranalysis
Durch � = div grad ist der Laplace-Operator koordinatenunabhängig definiert.
Aus (1.19) und (1.20) folgt die angegebene Form für orthogonale Koordinaten.
Vektoroperationen (wie das Skalar- und Vektorprodukt, der Gradient, die Di-
vergenz und die Rotation) können koordinatenunabhängig definiert werden. Daher
sind Vektorgleichungen (zum Beispiel rot gradΦ = 0 für beliebiges Φ) invariant
gegenüber Koordinatentransformationen. Zum Beweis einer solchen Gleichung ge-
nügt es dann, ihre Gültigkeit für spezielle Koordinaten zu zeigen. Man wählt dazu
die Koordinaten, für die der Beweis am einfachsten zu führen ist; dies sind meist
kartesische Koordinaten. In Kapitel 2 wird das Rechnen mit dem Nabla-Operator in
kartesischen Koordinaten noch näher beschrieben.
Integralsätze
Aus der Definition der Divergenz (1.2) folgt durch Integration über ein endliches
Volumen V ∫V
dV divV =∮A
dA · V Gaußscher Satz (1.25)
Hierbei ist A = A(V) der (glatte) Rand des Volumens V.
Aus der Definition der Rotation (1.3) folgt durch Integration über eine endliche
Fläche A ∫A
dA · rotV =∮C
dr · V Stokesscher Satz (1.26)
Dabei ist C = C(A) der (glatte) Rand der Fläche A. Zur Ableitung von (1.25)
denken wir uns das Volumen V in kleine Teilvolumina zerlegt:∫V
dV divV =∑i
ΔVi divV (r i) =∑i
∮ΔAi
dA · V (1.27)
Der erste Schritt folgt aus der Bedeutung des Integrals, der zweite aus (1.2). Im
letzten Ausdruck tritt jede Fläche, die zwischen zwei Teilvolumina liegt, zweimal
auf, und zwar mit jeweils unterschiedlicher Orientierung. Diese Flächenbeiträge
heben sich daher auf; übrig bleibt nur die Außenfläche A des Volumens V, also die
rechte Seite von (1.25). Die Ableitung von (1.26) erfolgt entsprechend, wobei (1.3)
anstelle von (1.2) betrachtet wird.
Für ein Vektorfeld ist Wirbelfreiheit gleichbedeutend mit der Wegunabhängig-
keit des Linienintegrals:
rotV = 0 ←→∫ 2
1
dr · V = wegunabhängig (1.28)
Die linke Seite soll in einem einfach zusammenhängenden Bereich gelten (zum Bei-
spiel im gesamten Raum). Die im rechten Teil betrachteten Wege sollen in diesem
Kapitel 1 Gradient, Divergenz und Rotation 11
Bereich liegen. Zum Beweis betrachtet man zwei Wege C1 und C2, die von 1 nach
2 führen. Wenn die Wege verschieden sind und sich nicht überschneiden, schließen
sie eine Fläche A ein, so dass∮Rand von A
dr · V =∫ 2
1,C1
dr · V −∫ 2
1,C2
dr · V (1.29)
Ist nun rotV = 0, dann ist nach dem Stokesschen Satz die linke Seite null; also
sind die Linienintegrale für beliebige Wege C1 und C2 gleich. Ist andererseits das
Linienintegral für beliebige Wege gleich (rechte Seite von (1.28)), dann folgt aus
(1.29) für eine beliebige infinitesimale Fläche∮
V · dr = 0; nach der Definition
(1.3) impliziert dies dann rotV = 0. Damit sind beide Schlussrichtungen in (1.28)gezeigt. Falls die beiden Wege sich überschneiden, ist (1.29) für jeden Teilbereich
zwischen zwei Schnittpunkten zu verwenden.
Greensche Sätze
Wir betrachten zwei beliebige skalare Funktionen Φ(r) und G(r) und setzen das
Vektorfeld V = Φ (∇G) in den Gaußschen Satz ein:∫V
dV
((∇Φ
) · (∇G)+Φ�G)=∮A
dA ·Φ (∇G) (1. Greenscher Satz)
(1.30)
Dabei wurde ∇ · (Φ ∇G) = (∇Φ) · (∇G) + Φ�G verwendet. Wir schreiben das
entsprechende Ergebnis für V = G(∇Φ) an und subtrahieren beide Gleichungen
voneinander. Dies ergibt∫V
dV(Φ �G−G�Φ) =
∮A
dA · (Φ ∇G−G∇Φ)
(2. Greenscher Satz)
(1.31)
Dabei ist A = A(V) die (zumindest stückweise glatte) Oberfläche des Volumens
V. Es wird vorausgesetzt, dass die zweiten partiellen Ableitungen der Funktionen
Φ und G stetig sind.
12 Teil I Tensoranalysis
Aufgaben
1.1 Verifikation des Stokesschen Satzes
Verifizieren Sie den Stokesschen Satz für das Vektorfeld
V = (4x/3− 2y) ex + (3y − x) ey
und die Fläche
A = {r : (x/3)2 + (y/2)2 ≤ 1, z = 0}
1.2 Verifikation des Gaußschen Satzes
Verifizieren Sie den Gaußschen Satz für das Vektorfeld
V = a x ex + b y ey + c z ez
und die Kugel x2 + y2 + z2 ≤ R2.
1.3 Elliptische Zylinderkoordinaten
Durch die Transformation
x = q1q2 y =√(
q 21 − �2)(1− q 22
), z = q3 (1.32)
sind die elliptischen Zylinderkoordinaten qi definiert. Die Transformation hängt von
einem Parameter � ab; die Koordinatenwerte sind durch q1 ≥ � > 0, |q2| ≤ 1,
|q3| <∞ eingeschränkt.
Skizzieren Sie die Koordinatenlinien q1 = const. und q2 = const. in der x-y-
Ebene. Zeigen Sie, dass es sich um orthogonale Koordinaten handelt. Geben Sie h1,
h2, h3 an, und drücken Sie die Einheitsvektoren e1, e2, e3 durch ex , ey , ez aus.
1.4 Rotation für orthogonale Koordinaten
Gehen Sie von der Definition (1.3) der Rotation aus. Zeigen Sie für orthogonale
Koordinaten
rotV = 1
h2h3
[∂(h3V3)
∂q2− ∂(h2V2)
∂q3
]e1 + zyklisch
1.5 Divergenz für orthogonale Koordinaten
Gehen Sie von der Definition (1.2) der Divergenz aus. Zeigen Sie für orthogonale
Koordinaten
divV = 1
h1h2h3
[∂(h2h3V1)
∂q1+ ∂(h3h1V2)
∂q2+ ∂(h1h2V3)
∂q3
]