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10 Zylindersymmetrische Probleme Mit Hilfe der Legendrepolynome geben wir die allgemeine zylindersymmetrische Lösung der Laplacegleichung an. Damit behandeln wir eine Reihe konkreter Bei- spiele (Punktladung, homogen geladener Ring, leitende Kugel im homogenen Feld). Allgemeine zylindersymmetrische Lösung Wir benutzen die Kugelkoordinaten r , θ und φ. In einem zylindersymmetrischen Problem hängt das elektrostatische Potenzial Φ nicht von φ ab. Aus der Laplace- gleichung Φ(r,θ) = 0 mit Φ(r,θ) = U(r) r P(cos θ) (10.1) folgen (9.19) und (9.20) mit m = 0. Die Differenzialgleichung (9.20) wird durch die Legendrepolynome P = P l (cos θ) (l = 0, 1, 2,...) (10.2) gelöst. Die noch verbleibende Radialgleichung (9.19) lautet r 2 U d 2 U dr 2 = l (l + 1) (10.3) Da die Lösung von l abhängt, bezeichnen wir sie mit U l . Man überprüft leicht, dass U l (r) = a l r l +1 + b l r l (10.4) eine Lösung ist. Da diese Lösung zwei unabhängige Konstanten enthält, ist sie die allgemeine Lösung der gewöhnlichen Differenzialgleichung zweiter Ordnung. Mit dem Ansatz (10.1) haben wir Lösungen der Form Φ = P l U l /r erhalten. Da die Laplacegleichung linear in Φ ist, ist auch jede Linearkombination hiervon wieder eine Lösung (Superpositionsprinzip): Φ(r,θ) = l = 0 a l r l + b l r l +1 P l (cos θ) Allgemeine zylinder- symmetrische Lösung der Laplacegleichung (10.5) 89 T. Fließbach, Elektrodynamik, DOI 10.1007/978-3-8274-3036-6_11 © Springer-Verlag Berlin Heidelbcrg 2012

Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

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Page 1: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

10 Zylindersymmetrische Probleme

Mit Hilfe der Legendrepolynome geben wir die allgemeine zylindersymmetrische

Lösung der Laplacegleichung an. Damit behandeln wir eine Reihe konkreter Bei-

spiele (Punktladung, homogen geladener Ring, leitende Kugel im homogenen Feld).

Allgemeine zylindersymmetrische Lösung

Wir benutzen die Kugelkoordinaten r , θ und φ. In einem zylindersymmetrischen

Problem hängt das elektrostatische Potenzial Φ nicht von φ ab. Aus der Laplace-

gleichung

�Φ(r, θ) = 0 mit Φ(r, θ) = U(r)

rP (cos θ) (10.1)

folgen (9.19) und (9.20) mit m = 0. Die Differenzialgleichung (9.20) wird durch

die Legendrepolynome

P = Pl(cos θ) (l = 0, 1, 2, . . . ) (10.2)

gelöst. Die noch verbleibende Radialgleichung (9.19) lautet

r2

U

d2U

dr2= l (l + 1) (10.3)

Da die Lösung von l abhängt, bezeichnen wir sie mit Ul. Man überprüft leicht, dass

Ul(r) = al rl+1 + bl

rl(10.4)

eine Lösung ist. Da diese Lösung zwei unabhängige Konstanten enthält, ist sie die

allgemeine Lösung der gewöhnlichen Differenzialgleichung zweiter Ordnung.

Mit dem Ansatz (10.1) haben wir Lösungen der Form Φ = Pl Ul/r erhalten.

Da die Laplacegleichung linear in Φ ist, ist auch jede Linearkombination hiervon

wieder eine Lösung (Superpositionsprinzip):

Φ(r, θ) =∞∑l=0

(al r

l + bl

rl+1

)Pl(cos θ)

Allgemeine zylinder-symmetrische Lösungder Laplacegleichung

(10.5)

89

T. Fließbach, Elektrodynamik, DOI 10.1007/978-3-8274-3036-6_11© Springer-Verlag Berlin Heidelbcrg 2012

Page 2: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

90 Teil II Elektrostatik

Wir begründen, dass dies die allgemeine zylindersymmetrische Lösung ist: We-gen der Vollständigkeit der Legendrepolynome lässt sich jede zylindersymmetri-

sche Funktion gemäß

Φ(r, θ) =∞∑l=0

Al(r)

rPl(cos θ) (10.6)

entwickeln. Hierauf wenden wir den Laplaceoperator an, wobei wir (9.20) berück-

sichtigen,∞∑l=0

(d2

dr2− l (l + 1)

r2

)Al(r) Pl(cos θ) = 0 (10.7)

Wir multiplizieren dies mit Pn, integrieren über θ und verwenden die Orthogonalität

der Legendrepolynome. Damit erhalten wir

d2An

dr2− n(n+ 1)

r2An(r) = 0 (10.8)

Die allgemeine Lösung dieser Differenzialgleichung ist An = an rn+1 + bn r

−n.Damit wird (10.6) zu (10.5). Die Argumentation (10.6) – (10.8) ist eine alterna-

tive Ableitung von (10.5), die keine Einschränkung an Φ (wie den Separations-

ansatz) enthält. Sie setzt allerdings die Kenntnis der Pl und ihrer Eigenschaften

(Vollständigkeit und Orthogonalität) voraus.

Partielle, lineare Differenzialgleichungen haben in der Regel unendlich viele

Lösungen, f1, f2, f3, . . .. Die allgemeine Lösung ist dann eine Linearkombination

f = ∑anfn. Die hier auftretenden Strukturen kommen daher in vielen Anwen-

dungsbereichen vor.

Die Laplacegleichung wird durch (10.5) mit beliebigen Koeffizienten al und blerfüllt (diese Aussage wird im nächsten Absatz etwas eingeschränkt). Die Koef-

fizienten werden durch die Randbedingungen festgelegt. Allgemein gilt, dass die

Lösung nicht durch die Differenzialgleichung allein, sondern erst durch die Diffe-

renzialgleichung und die Randbedingungen (und/oder Anfangsbedingungen, wenndie Zeit als Variable auftritt) festgelegt wird.

Berechnet man �Φ für den Ausdruck (10.5), so führen die Terme mit bl zu

δ-Funktionen und ihren Ableitungen bei r = 0. Physikalisch entspricht dies punkt-förmigen Ladungsverteilungen bei r = 0. Sofern r = 0 zu dem Volumen V gehört,in dem �Φ = 0 gilt, gibt es keine solchen Ladungen, und es muss bl = 0 sein.

Sofern sich das Volumen bis r = ∞ erstreckt, führen die Terme mit al und l ≥ 1 zuSingularitäten. Für Φ(∞) = const. muss für diesen Bereich al = 0 für l ≥ 1 sein.In konkreten Anwendungen gilt die Laplacegleichung immer nur in Teilbereichen.

Wenn nämlich�Φ = 0 überall gilt, dann istΦ ≡ 0 (für Φ(∞) = 0) die eindeutigeund uninteressante Lösung.

Für θ = 0 ist Pl(1) = 1. Damit wird (10.5) zu

Φ(r, 0) =∞∑l=0

(al r

l + bl

rl+1

)=

∞∑l=0

(al z

l + bl

zl+1

)(10.9)

Page 3: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

Kapitel 10 Zylindersymmetrische Probleme 91

In zylindersymmetrischen Problemen kann man das Potenzial auf der z-Achse, also

Φ(r, 0), oft einfach angeben. Dann können aus (10.9) die Koeffizienten al und blder allgemeinen Lösung bestimmt werden.

Punktladung

Am Beispiel einer Punktladung bei r0,

�(r) = q δ(r − r0) (10.10)

studieren wir, wie sich die bekannte Lösung Φ = q/|r − r0| in der Form (10.5)

schreiben lässt. Dazu legen wir das Koordinatensystem so, dass die z-Achse parallel

zu r0 ist (Abbildung 10.1). Der Abstand |r−r0| kann durch r0, r und θ ausgedrücktwerden:

Φ(r, θ) = q

|r − r0|= q√

r2 + r 20 − 2 r r0 cos θ(10.11)

Das Potenzial Φ(r, θ) ist zylindersymmetrisch. Sofern die Laplacegleichung gilt,

ist Φ(r, θ) daher von der Form (10.5). Dies ist mit Ausnahme der Stelle der Punkt-

ladung überall der Fall. In den verwendeten Koordinaten sparen wir die Stelle der

Punktladung aus, indem wir uns entweder auf r < r0 oder auf r > r0 beschränken.

Damit gilt die Laplacegleichung in zwei getrennten Bereichen V1 und V2:

�Φ(r) = 0 für

{V1 = {r : r < r0}V2 = {r : r > r0}

(10.12)

Für jeden dieser Bereiche gibt es eine Entwicklung der Form (10.5). Wir bestimmen

die Koeffizienten al und bl dieser Entwicklungen.

Wir entwickeln das Potenzial (10.11) auf der z-Achse, um das Ergebnis mit

(10.9) zu vergleichen. Zunächst gilt

∣∣r − r0∣∣θ = 0 =

√(r − r0)2 =

{r0 − r (r < r0)

r − r0 (r > r0)(10.13)

..................................................................................................................................................................................

...................................................................................... ...................................................................................... ............................................................................................................................................................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

......................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................

............................................................................................................................................................................

..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

��������������������q

r, θ

r0 r

|r − r0|z

x

θ

Abbildung 10.1 Eine Ladung q bei

r0 = r0 ez erzeugt bei r := (r, θ) das

Potenzial Φ(r, θ) = q/|r − r0|. DieEntwicklung vonΦ(r, θ) nach Legen-

drepolynomen erfolgt getrennt für die

Bereiche innerhalb und außerhalb der

Kugel r = r0 (als gestrichelter Kreis

eingezeichnet).

Page 4: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

92 Teil II Elektrostatik

Damit erhalten wir für das Potenzial auf der z-Achse

Φ(r, 0) =

⎧⎪⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎪⎩

q

r0 − r= q

r0

1

1− r/r0= q

r0

∞∑l=0

rl

r l0(r < r0)

q

r − r0= q

r

1

1− r0/r= q

r

∞∑l=0

r l0

rl(r > r0)

(10.14)

Der Vergleich mit (10.9) ergibt

al = q/rl+10 , bl = 0 (r < r0)

al = 0 , bl = q r l0 (r > r0)(10.15)

Mit diesen Koeffizienten wird (10.5) zu

Φ(r, θ) = q

|r − r0|=

⎧⎪⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎪⎩

∞∑l=0

qrl

r l+10

Pl(cos θ) (r < r0)

∞∑l=0

qr l0

r l+1Pl(cos θ) (r > r0)

(10.16)

Mit den Definitionen

r> = max (r, r0) und r< = min (r, r0) (10.17)

können wir beide Entwicklungen in einer Form zusammenfassen:

Φ(r, θ) = q

|r − r0|= q

∞∑l=0

r l<

r l+1>

Pl(cos θ) (10.18)

Erzeugende Funktion der Legendrepolynome

Der Abstand |r − r0| ist durch r , r0 und θ = <) (r, r0) festgelegt, Abbildung 10.1.

Das Ergebnis (10.18) kann daher unabhängig von der Orientierung des Koordina-

tensystems (bisher r0 ‖ ez) für zwei beliebige Vektoren r und r ′ verwendet werden:

1

|r − r ′| =1√

r2 + r ′2 − 2r r ′ cos θ=

∞∑l=0

r l<

r l+1>

Pl(cos θ) (10.19)

Hierbei ist θ = <) (r, r ′), r> = max (r, r ′) und r< = min (r, r ′). Im Zwischenaus-druck wurde der Cosinussatz |r − r ′| =

√r2 + r ′2 − 2 r r ′ cos θ für das in Abbil-

dung 10.1 eingezeichnete Dreieck (mit r0 = r ′) verwendet.

Page 5: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

Kapitel 10 Zylindersymmetrische Probleme 93

Wir multiplizieren (10.19) mit r , führen t = r ′/r ein und betrachten den Fallt < 1:

1√1+ t2 − 2 t cos θ

=∞∑l=0

cl(θ) tl =

∞∑l=0

Pl(cos θ) tl (t < 1) (10.20)

Der zweite Ausdruck ist die allgemeine Form einer Entwicklung nach Potenzen von

t . Wie man sieht, sind die Entwicklungskoeffizienten cl gleich den Legendrepolyno-

men Pl. Die Entwicklung der linken Seite von (10.20) nach Potenzen von t erzeugt

also die Legendrepolynome. Die linke Seite von (10.20) heißt daher erzeugendeFunktion der Legendrepolynome.

Homogen geladener Ring

Wir betrachten einen geladenen Kreisring mit dem Radius a, Abbildung 10.2. Der

Kreis liege parallel zur x-y-Ebene und habe den Mittelpunkt (x, y, z) = (0, 0, b).

Die Ladung q sei gleichmäßig auf den Umfang 2πa verteilt. Dann ist die Ladungs-

dichte

�(r) = q

2πaδ(ρ − a) δ(z − b), ρ2 = x2 + y2 (10.21)

Wir berechnen zunächst wieder das Potenzial Φ(r, 0) für einen Punkt r = r ez auf

der z-Achse. In Abbildung 10.2, rechts, ist der Abstand d zu einem beliebigen Punkt

des Kreisrings eingezeichnet. Für das eingezeichnete Dreieck ergibt der Cosinussatz

d =√r2 + r 20 − 2 r r0 cosα , r 20 = b2 + a2 (10.22)

Jedes Ladungselement dq gibt den Beitrag dq/d zum Potenzial. Auf der z-Achse

ist das Potenzial daher

Φ(r, 0) =∫

dq

d= q

d= q√

r2 + r 20 − 2 r r0 cos α(10.23)

In d = |r − r0| sind r und r0 zwei Vektoren, die den Winkel α miteinander ein-

schließen. Hierfür verwenden wir (10.19),

Φ(r, 0) = q

|r − r0|= q

∞∑l=0

r l<

r l+1>

Pl(cos α) (10.24)

Dabei ist r> = max(r, r0) und r< = min(r, r0). Es handelt sich wieder um zwei

getrennte Entwicklungen; die eine gilt im Bereich r > r0, die andere im Bereich

r < r0.

Aus dem Vergleich von (10.24) mit (10.9) können wir die Koeffizienten al und

bl ablesen. Wir setzen diese Koeffizienten in (10.5) ein:

Φ(r, θ) = q

∞∑l=0

rl<

rl+1>

Pl(cos α) Pl(cos θ) (10.25)

Page 6: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

94 Teil II Elektrostatik

��

�������

�����

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..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

b

z

r0

y

x

� �

�r

r0

d

z

a ρ

α.........................................................................................................................................

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 10.2 Ein homogen geladener Kreisring ist links perspektivisch und rechts in

einer Seitenansicht gezeigt. Alle Ladungselemente des Rings haben von einer festen Stelle

auf der z-Achse denselben Abstand d. Daher ist das Potenzial an dieser Stelle gleich Φ =q/d, wobei q die Gesamtladung des Kreisrings ist.

Die Pl(cosα) sind Bestandteil der Koeffizienten; die Pl(cos θ) geben die Winkel-

abhängigkeit an. Das Ergebnis ist eine Entwicklung nach Potenzen von r/r0 oder

r0/r; sie ist unbrauchbar bei r = r0 und schlecht in der Nähe dieses Radius. Für

große Abstände lauten die führenden Terme

Φ(r, θ)r→∞−→ q

r

(1+ r0 cosα

rcos θ +O

(r 20 /r

2)) ≈ q

r(10.26)

Bei sehr großem Abstand wirkt die Ladungsverteilung also wie eine Punktladung

bei r = 0. Der nächste Term wird in Kapitel 12 als Dipolfeld klassifiziert.

Leitende Kugel im homogenen Feld

Wir betrachten eine leitende Kugel in einem statischen elektrischen Feld, das in

großer Entfernung von der Kugel homogen ist. Das Feld könnte durch die Platten

eines Kondensators erzeugt werden, Abbildung 10.3.

Die Kugel (Radius R) stellt einen Faradayschen Käfig dar; die Lösung im In-

neren ist Φ(r) ≡ Φ0 = const. Gesucht ist das Potenzial außerhalb der Kugel. Das

Potenzial muss der Laplacegleichung

�Φ = 0 in V = {r : |r | > R} (10.27)

und den Randbedingungen genügen. Auf der Metallkugel ist das Potenzial konstant:

Φ(R, θ) = Φ0 (10.28)

Das äußere homogene Feld zeige in z-Richtung, also E = E0 ez. In großem Ab-

stand von der Kugel ist das Feld ungestört. Für das Potenzial bedeutet dies

Φ(r, θ)r→∞−→ −E0 z+ const. = −E0 r cos θ +Φ1 (10.29)

Page 7: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

Kapitel 10 Zylindersymmetrische Probleme 95

���

.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

+ + + + + + + + + + + +

− − − − − − − − − − − −

+ ++

− −−

Φ = const.

�E0

ρ

z

E

Abbildung 10.3 Ein Plattenkonden-

sator erzeugt ein homogenes elektri-

sches Feld E0. Dieses Feld influen-

ziert Ladungen auf der Oberfläche ei-

ner leitenden Kugel. Das resultieren-

de elektrostatische Feld E ist schema-

tisch skizziert.

Im Gegensatz zu den bisher betrachteten Beispielen geht das Feld im Unendlichen

nicht gegen eine Konstante oder null. Dies liegt an der Idealisierung „homogenes

Feld“, also der Annahme eines unendlich ausgedehnten, konstanten Felds.

Wegen der Zylindersymmetrie ist das gesuchte Potenzial von der Form (10.5).

Die Koeffizienten al und bl werden durch die Randbedingungen (10.28) und (10.29)

festgelegt. Aus (10.28) folgt

Φ(R, θ) =∞∑l=0

(al R

l + bl

Rl+1

)Pl(cos θ) = Φ0 = Φ0 P0(cos θ) (10.30)

Dabei haben wir P0(cos θ) = 1 mit angeschrieben. Wir multiplizieren (10.30) mit

Pn, integrieren über θ und verwenden die Orthogonalität der Legendrepolynome.

Daraus erhalten wir

n = 0 : a0 + b0/R = Φ0 , also b0 = R (Φ0 − a0)

n �= 0 : an Rn + bn/R

n+1 = 0 , also bn = −an R2n+1(10.31)

Die Randbedingung (10.29) ergibt

∞∑l=0

(al r

l + bl

rl+1

)Pl(cos θ)

r→∞−→ −E0 r P1(cos θ)+Φ1 (10.32)

Dabei haben wir P1(cos θ) = cos θ verwendet. Wir bilden wieder das Skalarproduktmit Pn und erhalten

n = 0 : a0 + b0/rr→∞−→ Φ1, also a0 = Φ1

n = 1 : a1 r + b1/r2 r→∞−→ −E0 r, also a1 = −E0

n > 1 : an rn + bn/r

n+1 r→∞−→ 0, also a2 = a3 = . . . = 0(10.33)

Page 8: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

96 Teil II Elektrostatik

Damit wird (10.31) zu

b0 = R(Φ0 −Φ1

), b1 = E0R

3, b2 = b3 = . . . = 0 (10.34)

Wir setzen die Koeffizienten al und bl in (10.5) ein und erhalten

Φ(r, θ) = Φ1 +(Φ0 −Φ1

) Rr− E0

(r − R3

r2

)cos θ (r ≥ R) (10.35)

Der zweite Term ist das Feld einer möglichen GesamtladungQ der Kugel,

Q = (Φ0 −Φ1

)R (10.36)

Das zugehörige Feld ist relativ uninteressant. Wir vereinfachen daher die folgende

Diskussion durch die Annahme Q = 0; dies ist gleichbedeutend mit der Speziali-

sierung Φ1 = Φ0 in der Randbedingung. Damit wird (10.35) zu

Φ(r, θ) = Φ0 − E0 r cos θ + E0R3

r2cos θ (10.37)

Der erste Term ist eine unwesentliche Konstante. Der zweite Term beschreibt das

von außen angelegte, homogene elektrische Feld, siehe (10.29). Der dritte Term

wird durch die Ladungen auf der Kugel erzeugt.

Wir diskutieren den Verlauf der Äquipotenzialflächen Φ = const.. Aus (10.37)folgt, dass die Äquipotenzialfläche Φ = Φ0 aus der Kugel r = R und der x-y-

Ebene (θ = π/2) besteht. In Abbildung 10.3 ist die Kugel als Kreis und die Ebene

als ρ-Achse dargestellt. Die Äquipotenzialflächen Φ = Φ0 ± δΦ (mit kleinem

konstanten δΦ) liegen dann dicht darüber oder darunter. Für r � R ist der dritte

Term in (10.37) klein; damit nähern sich die Äquipotenzialflächen den Ebenen z =const. an.

Wir berechnen die Oberflächenladung σ auf der Kugel:

σ = − 1

∂Φ

∂n

∣∣∣∣R

= − 1

∂Φ

∂ r

∣∣∣∣r=R

= 3

4πE0 cos θ (10.38)

Es handelt sich um Influenzladungen, die durch das äußere Feld hervorgerufen (in-

fluenziert) werden. Das äußere Feld übt Kräfte auf die Ladungen im Metall aus;

dadurch verschieben sich die freibeweglichen Ladungen (die Elektronen im Lei-

tungsband des Metallgitters). Konkret tendieren die beweglichen Elektronen dazu,

sich in Richtung auf die positiv geladene Kondensatorplatte (Abbildung 10.3) zu

verschieben. Dadurch ist der untere Teil der Kugel negativ geladen (Überschuss an

Elektronen), der obere dagegen positiv (Defizit an Elektronen). Die Summe dieser

Ladungen (10.38) ist null.

Die Ladungsdichte der Oberflächenladung ist durch

�(r, θ) = σ(θ) δ(r − R) mit σ(θ) = 3

4πE0 cos θ (10.39)

Page 9: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

Kapitel 10 Zylindersymmetrische Probleme 97

gegeben. Das gesamte Potenzial kann in der Form

Φ(r) = Φ0 +Φhom +Φσ (10.40)

geschrieben werden. Dabei ist Φhom = −E0 r cos θ das Feld der Ladungen auf denKondensatorplatten (Abbildung 10.3),Φσ ist das Feld der Oberflächenladungen auf

der Kugel. Wir vergleichen (10.40) mit dem oben berechneten Ergebnis (Φ(r) ≡Φ0 für r ≤ R und (10.37) für r ≥ R) und erhalten:

Φσ(r, θ) ={

E0 r cos θ = −Φhom (r ≤ R)

E0 (R3/r2) cos θ = Φdip (r ≥ R)

(10.41)

Die Oberflächenladungen ordnen sich so an, dass der Innenbereich r ≤ R feldfrei

ist; die Metalloberfläche schirmt das äußere Feld vollständig ab. Dies gilt für jede

geschlossene Metallfläche (Faradayscher Käfig, Kapitel 7).

Im Außenbereich r ≥ R ergeben die Oberflächenladungen ein Dipolfeld Φσ =Φdip; Multipolfelder (wie Dipolfeld und andere) werden in Kapitel 12 eingeführt.

Dieses Feld kann in der Form

Φdip = E0R3

r2cos θ = p · r

r3(10.42)

geschrieben werden. DasDipolmoment p der Kugel ist proportional zum angelegtenFeld:

p = E0R3 ez (10.43)

Das Verhältnis αe = p/E0 wird als (elektrische) Polarisierbarkeit bezeichnet. Fürdie leitende Kugel gilt

αe = R3 (10.44)

Page 10: Elektrodynamik || Zylindersymmetrische Probleme

98 Teil II Elektrostatik

Aufgaben

10.1 Homogen geladener Kreisring

Die Ladungsdichte eines Kreisrings (Radius R,

Ladung q) lautet in Zylinderkoordinaten

�(r) = q

2πRδ(ρ − R) δ(z − b)

Berechnen Sie das Potenzial Φ auf der z-Achse

mit der Integralformel. Drücken Sie das Ergeb-

nis durch den Abstand |r ez − r0 | aus. GebenSie das volle Potenzial Φ(r, θ) in der allgemei-

nen zylindersymmetrischen Form an.��

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�����.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

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......

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......

.......................

.......................

......

......................

.......................

.......

.......................

.........b

z

R

r0

y

x

α

10.2 Zwei parallele Kreisringe

Zwei parallele Kreisringe (beide mit dem Radius R) sind homogen mit q und − q

geladen. Die Kreise sind parallel zur x-y-Ebene und haben ihre Mittelpunkte bei

(x, y, z) = (0, 0, b) und (0, 0,−b). Berechnen Sie das elektrostatische Potenzial.Zeigen Sie, dass der für r →∞ führende Beitrag die Form eines Dipolfelds hat.

10.3 Homogen geladene Kreisscheibe

Eine Kreisscheibe (infinitesimal dünn, Radius R) ist homogen geladen (Gesamt-

ladung q). Geben Sie die Ladungsdichte an, und berechnen Sie damit das Potenzial

auf der Symmetrieachse. Geben Sie dann das volle elektrostatische Potenzial für

folgende Fälle an:

(i) r � R bis zur Ordnung r2 und (ii) r � R bis zur Ordnung 1/r3

10.4 Homogen geladenes Rotationsellipsoid

Ein homogen geladenes Rotationsellipsoid mit den Halbachsen a = b > c trägt die

Gesamtladung q. Verwenden Sie Zylinderkoordinaten (c-Achse gleich z-Achse),

und berechnen Sie das Potenzial Φ(ρ, z) zunächst auf der z-Achse. Bestimmen

Sie daraus die ersten beiden führenden Terme des Potenzials für große Abstände.

Zeigen Sie, dass das Potenzial im Innenraum von der Form

Φ(ρ, z) = A+ B z2 + Cρ2 (Innenraum) (10.45)

ist, und bestimmen Sie die Konstanten A, B und C. Gehen Sie hierfür von dem

zuvor bestimmten Potenzial Φ(0, z) und von der Poissongleichung aus. Berechnen

Sie die Feldenergie der Ladungsverteilung.