5
Seite IV www.wila-arbeitsmarkt.de Was mache ich, wenn etwas schief gegangen ist, und der Kunde ruſt bei mir an? „Dann ist Empathie gefragt. Sie müssen auf den Kun- den eingehen, versuchen, die Sachlage zu klären und dabei gleichzeig Unternehmens- interessen nicht aus den Augen verlieren. Am Ende sollte das Problem gelöst und die Kundenbindung gestärkt sein“, so Sieber. Al Weckert, Trainer für empathische Kom- munikaon, weiß: „Es gibt nichts, was mehr über das Gelingen zwischenmenschlicher Kommunikaon entscheidet als die Fähigkeit zur Empathie“. Doch wozu braucht man sie im Job? „Mehr als viele glauben“, berichtet Weckert. „Ich arbeite gerade in einem Groß- unternehmen, das Gutachten mit kranken Empathische Kommunikaon – das klingt nach einer der vielen Soſt Skills, die man im Bewerbungsgespräch erwähnen sollte, die aber im Job selbst eine eher unterge- ordnete Rolle spielen – oder? Tatsächlich ist Empathie ein wichger, nicht wegzuden- kender Bestandteil unseres Berufsalltags. Die Vorgesetzte braucht sie, um Mitarbeiter gut führen zu können, der Sozialarbeiter um seine Kliennnen gut zu beraten und die Markengexpern, um sich in die Kaufmove ihrer Kunden hineinzuversetzen. Empathisch zu kommunizieren bedeutet allerdings mehr, als gut reden zu können. Empathie bezeich- net die Fähigkeit und Bereitschaſt, Gedanken und Emoonen einer anderen Person zu er- kennen und sie zu verstehen. Eine wichge Grundlage dafür ist schon die Selbstwahr- nehmung: Wer seine eigenen Gefühle gut kennt, kann die der anderen besser deuten. Gerade bei Konflikten kann eine empathische Haltung von Vorteil sein. „In einer Konfliktsi- tuaon im Job ist der erste Schri immer die Selbstklärung“, erklärt Barbara Sieber. „Ich nehme mich kurz aus dem Geschehen raus und überlege: Wie geht es mir gerade? Was brauche ich? Wenn ich weiß, was ich brau- che, kann ich auch besser erkennen, was der andere braucht. Wie geht es ihm?“. Die Be- triebswirn war lange in der Unternehmens- beratung zum Thema kundenorienerte Un- ternehmensführung täg. Der Umgang mit Konflikten ist hier ein prominentes Thema: Empathie als Erfolgsfaktor Verbraucher/innen und Arbeitnehmer/innen werden anspruchsvoller, die Arbeitsstrukturen kom- plexer. Immer mehr Jobs erfordern daher ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen. Doch lässt sich Empathie lernen? Text: Sarah Kröger

Empathie als Erfolgsfaktor - Sarah Krögersarah-kroeger.de/.../Empathie-als-Erfolgsfaktor-2.pdf · triebswirtin war lange in der Unternehmens-beratung zum Thema kundenorientierte

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Empathie als Erfolgsfaktor - Sarah Krögersarah-kroeger.de/.../Empathie-als-Erfolgsfaktor-2.pdf · triebswirtin war lange in der Unternehmens-beratung zum Thema kundenorientierte

Seite IV www.wila-arbeitsmarkt.de

Was mache ich, wenn etwas schief gegangen ist, und der Kunde ruft bei mir an? „Dann ist Empathie gefragt. Sie müssen auf den Kun-den eingehen, versuchen, die Sachlage zu klären und dabei gleichzeitig Unternehmens-interessen nicht aus den Augen verlieren. Am Ende sollte das Problem gelöst und die Kundenbindung gestärkt sein“, so Sieber.

Al Weckert, Trainer für empathische Kom-munikation, weiß: „Es gibt nichts, was mehr über das Gelingen zwischenmenschlicher Kommunikation entscheidet als die Fähigkeit zur Empathie“. Doch wozu braucht man sie im Job? „Mehr als viele glauben“, berichtet Weckert. „Ich arbeite gerade in einem Groß-unternehmen, das Gutachten mit kranken

Empathische Kommunikation – das klingt nach einer der vielen Soft Skills, die man im Bewerbungsgespräch erwähnen sollte, die aber im Job selbst eine eher unterge-ordnete Rolle spielen – oder? Tatsächlich ist Empathie ein wichtiger, nicht wegzuden-kender Bestandteil unseres Berufsalltags. Die Vorgesetzte braucht sie, um Mitarbeiter gut führen zu können, der Sozialarbeiter um seine Klientinnen gut zu beraten und die Marketingexpertin, um sich in die Kaufmotive ihrer Kunden hineinzuversetzen. Empathisch zu kommunizieren bedeutet allerdings mehr, als gut reden zu können. Empathie bezeich-net die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken und Emotionen einer anderen Person zu er-kennen und sie zu verstehen. Eine wichtige

Grundlage dafür ist schon die Selbstwahr-nehmung: Wer seine eigenen Gefühle gut kennt, kann die der anderen besser deuten.

Gerade bei Konflikten kann eine empathische Haltung von Vorteil sein. „In einer Konfliktsi-tuation im Job ist der erste Schritt immer die Selbstklärung“, erklärt Barbara Sieber. „Ich nehme mich kurz aus dem Geschehen raus und überlege: Wie geht es mir gerade? Was brauche ich? Wenn ich weiß, was ich brau-che, kann ich auch besser erkennen, was der andere braucht. Wie geht es ihm?“. Die Be-triebswirtin war lange in der Unternehmens-beratung zum Thema kundenorientierte Un-ternehmensführung tätig. Der Umgang mit Konflikten ist hier ein prominentes Thema:

Empathie als ErfolgsfaktorVerbraucher/innen und Arbeitnehmer/innen werden anspruchsvoller, die Arbeitsstrukturen kom-plexer. Immer mehr Jobs erfordern daher ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen. Doch lässt sich Empathie lernen?

Text: Sarah Kröger

Page 2: Empathie als Erfolgsfaktor - Sarah Krögersarah-kroeger.de/.../Empathie-als-Erfolgsfaktor-2.pdf · triebswirtin war lange in der Unternehmens-beratung zum Thema kundenorientierte

WILA Arbeitsmarkt ‒ Infodienst für Berufe in Bildung, Kultur und Sozialwesen 46|2016 Seite V

qualifikation

Versicherten und Unternehmen, die sie betreuen, erstellt. Die Mitarbeiter, die die Gutachten durchführen, müssen mit den unterschiedlichsten Personen arbeiten. Sie untersuchen Menschen in verwahrlosten, dunklen Wohnungen mit Kampfhunden. Sie führen Gespräche mit hochqualifizierten Chefärzten, die ganze Krankenhäuser leiten. Das sind sehr oft Stresssituationen für die Leute, die interviewt werden. Die Chefärztin muss ihre Zahlen offen legen und reagiert genauso verärgert wie der Kranke, der von jemandem Fremdes in seiner herunterge-kommen Wohnung untersucht wird. Diese Mitarbeiter werden teilweise beschimpft und bedroht. Wie sollen sie darauf reagieren? Sie müssen ja ihren Job erfüllen und die Leute ir-gendwie dazu bringen zu kooperieren. Das ist echt anspruchsvoll. Wenn sie raus sind, müs-sen sie wiederum ihre eigenen Emotionen regulieren, um den Ärger nicht zum nächsten Klienten mitzunehmen oder nach Hause.“ So ist das in vielen Jobs, erzählt Weckert. Der Umgang mit dem eigenen Ärger und den Aggressionen anderer im Job ist immer ein großes Thema. Doch wer es gelernt hat, empathisch zu sein, kann auf die Menschen eingehen, zwischen ihnen vermitteln und gleichzeitig dabei selber gesund bleiben.

Das Miteinander erleichtern

Ulrike Stauch ist der Meinung, dass empa-thische Kommunikation in jedem Berufsfeld eine wichtige Rolle spielt: „Sie verändert die Kommunikation grundsätzlich. Sie hilft ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass es mehrere Realitäten gibt, nicht nur meine persönliche Wahrnehmung. Dass der andere die gleiche Situation aus einem anderen Blickwinkel vielleicht ganz anders sieht und dass es nicht richtig oder falsch ist. Diese Erkenntnis verbessert Kommunikation, völ-lig unabhängig vom beruflichen Kontext." Stauch ist Herstellungsleiterin in einem Verlag und arbeitet nebenberuflich als Erleb-nispädagogin für Kinder und Jugendliche. In ihren Reflexionsrunden mit den Jugendlichen kommt empathische Kommunikation immer wieder zum Einsatz: „Sie sollen versuchen nachzufühlen, wie es jemandem anderen geht, wenn es zu Konflikten kommt. Gefühle wie Wut, Ärger oder Unzufriedenheit kennt ja jeder. Ich möchte ihnen helfen, ein Bewusst-sein dafür zu bekommen, dass es sich nicht nur um ihre eigene Wahrnehmung dreht. Sie sollen verstehen, dass eine Gruppe nur dann

funktioniert, wenn sich jeder wohlfühlt und es kein Ungleichgewicht gibt“, erklärt sie. Stauch bietet auch Fortbildungen für Lehrer/innen an. Denn auch im Schulkontext ist eine empathische Haltung wichtig. Die Zeit ist knapp, die Schulklassen sind viel zu groß – längst nicht alle Bedürfnisse lassen sich unter einen Hut bekommen. „Wenn dann ein Leh-rer methodisch geschult ist und eine empa-thische Haltung bei sich etabliert hat, geht er ganz anders mit der Schulklasse um. Wurden dann auch noch die Schülerinnen und Schü-ler in empathischer Kommunikation gestärkt, kann sich das ganze Klassenklima von Grund auf verändern“, erzählt Stauch. „Empathische Kommunikation gewinnt im-mer mehr an Bedeutung“, berichtet Weckert. Das hat seiner Meinung nach mehrere Ursa-chen. Ein Grund ist, dass die Verbraucher/in-nen immer anspruchsvoller werden. Ist dann der Kundenservice nicht gut, egal ob es sich zum Beispiel um einen Telefonanbieter oder einen Modeversand handelt, sind die Kunden und Kundinnen schnell verärgert. Auch bei firmeninternen Serviceleistungen, wie zum Beispiel bei der IT-Abteilung, gibt es heutzu-tage höhere Erwartungshaltungen. Früher war die wichtigste Aufgabe der IT-Mitarbei-ter/innen, dass sie den Computer wieder in Gang brachten. Heute müssen sie darüber hinaus auch verständnisvoll sein und auf die jeweilige Person eingehen. Sprüche wie „Das Problem sitzt VOR dem Computer“ sind tabu. „Wenn Sie das heute in Gegenwart eines Mit-arbeiters bringen, dann haben sie am nächs-ten Tag eine Beschwerde auf dem Tisch“, erzählt Weckert. Diese neuen Anforderungen sind ein großes Problem für Fachabteilungen, denn die Menschen erwarten nicht mehr nur einen funktionierenden Computer, sondern auch eine entsprechende kundenorientierte Haltung. Dafür braucht man aber neben der Fachkompetenz auch weitere soziale Fähig-keiten, wie eben Empathie. Die IT-Mitarbei-terin sollte zum Beispiel erkennen, dass der Kundenberater am Telefon in Panik ist, weil er gleich ein Gespräch mit einem Klienten hat und die Eingabemaske nicht funktioniert. Auf diese Panik sollte sie erst einmal eingehen, bevor sie nach der technischen Lösung sucht.

Einfühlsame Führungskräfte

Ein weiterer Grund für den Mehrbedarf an Empathie ist die häufigere Arbeit in inter-disziplinären Teams. In einem solchen Team

arbeiten zum Beispiel das Marketing, die Fachabteilung und die IT-Leute eng zusam-men. Sie alle brauchen viel Verständnis fürei-nander, damit die Zusammenarbeit gut funk-tioniert. Und sie brauchen eine empathische Teamleitung: „Wenn Sie ein solches Team führen möchten, müssen Sie verschiedene Fachsprachen sprechen, unterschiedliche So-zialisationen berücksichtigen und diverse Ar-beitsstile verzahnen. Sie sind damit beschäf-tigt, Vorurteile abzubauen, zu übersetzen, zu verhandeln und gute Lösungen für das ganze Team zu finden“, beschreibt Weckert die Anforderungen. Gerade Führungskräfte verwenden immer mehr Zeit damit, Kommu-nikationsaufgaben zu bewältigen und immer weniger damit, fachliche Fragen zu beant-worten. Weckerts Einschätzung nach werden Geistes- und Sozialwissenschaftler, die von der Universität kommen und als Führungs-kraft arbeiten wollen, unzureichend darauf vorbereitet. Im Studium haben sie zwar ge-lernt, sich in Gruppen zu orientieren und zu lernen. Aber Konflikte zu erkennen, zu lösen und mit den unterschiedlichen Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern im Austausch zu blei-ben, das lernen die meisten nicht im Hörsaal. Im Führungsalltag nimmt es dann aber 60 bis 70 % der Arbeitszeit ein. Die unzureichende Vorbereitung ist Weckert zufolge auch eines der Hauptprobleme in Unternehmen: Viele Führungskräfte können mit Störungen und Problemen nicht angemessen umgehen. Die Problematik verschärft sich noch durch den schnellen technischen Wandel, denn die Führungskräfte sind vor allem damit beschäftigt, diesen Wandel zu organisieren. Sie kaufen sich Spezialist/innen ein, die in das stark interdisziplinäre Team integriert werden müssen, das möglicherweise sogar noch weltweit verteilt sitzt. Je flexibler das Unternehmen strukturiert ist, desto mehr sind Führungskräfte damit beschäftigt, einen geregelten Ablauf im Team zu gewährleisten. Auch im Recruiting ist immer mehr Einfüh-lungsvermögen gefragt, denn die Arbeit-nehmer/innen werden anspruchsvoller, be-richtet Weckert: „Angenommen ich arbeite als Sozialwissenschaftler im Personalbereich und soll neue Bewerberinnen und Bewerber akquirieren. Früher waren die Interessen-ten sehr ehrfürchtig, sie kamen im Anzug und Kostüm und waren dankbar, weil man sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte“. Heute informieren sich die Interes-senten im Internet über die Konkurrenz. Sie

Page 3: Empathie als Erfolgsfaktor - Sarah Krögersarah-kroeger.de/.../Empathie-als-Erfolgsfaktor-2.pdf · triebswirtin war lange in der Unternehmens-beratung zum Thema kundenorientierte

Seite VI www.wila-arbeitsmarkt.de

qualifikation

verhandeln, sind anspruchsvoll und nehmen nicht jede Stelle an, besonders in speziel-len Branchen, in denen Fachkräftemangel herrscht oder in bestimmten Regionen, wie zum Beispiel Baden-Württemberg.

Selbstempathie

Doch nicht nur im Umgang mit Klient/innen, Verbraucher/innen oder dem eigenen Team ist Empathie wichtig. Selbstempathie trägt dazu bei, sich im Job wohler zu fühlen und seine Rolle zu finden. „Empathische Kom-munikation hilft, sich im Job zu behaupten und sich besser für sich selbst einzusetzen“, meint Stauch. Gerade Berufseinsteiger/innen können ihrer Meinung nach von ei-ner empathischen Haltung nur profitieren. Sie lernen mehr Verantwortung für sich zu übernehmen und nicht die anderen für ih-ren Zustand verantwortlich zu machen. Sie haben ein stärkeres Bewusstsein für das, was gut läuft und merken auch, was gerade nicht läuft und warum. „Wenn ich lerne, für das einzutreten, was ich brauche und es anzusprechen, dann verändert sich viel. Das erleichtert mir beim Berufseinstieg die Be-gegnung mit den anderen Kollegen und so entstehen auch weniger Konflikte“, erklärt Stauch. Ihrer Erfahrung nach können beruf-liche Konflikte durch empathische Kommu-nikation grundlegend verändert werden.

Sie selbst hatte lange Zeit Konflikte am Ar-beitsplatz, ohne genau zu wissen warum. Dann erkannte sie, dass ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung als Führungskraft mit dem Bedürfnis ihres Vorgesetzten, sie zu unter-stützen, kollidierte. „Seit ich meine eigenen Bedürfnisse kenne, kann ich viel besser für sie eintreten, ohne dabei meinen Vorgesetz-ten in Frage zu stellen. Auch kann ich ihn nun besser verstehen und gehe nicht mehr auf Konfrontationskurs, wenn nicht alles so läuft, wie ich es gerne hätte. Seit ich nicht mehr so verbissen auf meinem Standpunkt beharre, sondern meinen Vorgesetzten frage, worum es ihm geht, können wir viel besser Wege finden, die für uns beide gut zu gehen sind“, berichtet Stauch. Sie ist froh, dass sich die Situation am Arbeitsplatz entschärft hat und sie ihre Energie für die Arbeit statt für das Austragen von Konflikten einsetzen kann.

Selbstempathie hilft auch, sich im Job ab-zugrenzen, wenn viel von einem gefordert wird. „Gerade Personen, die erfolgreich in Projekten arbeiten, kommen schnell dahin, dass sie immer die Fehler der anderen aus-bügeln wollen, viele Überstunden machen und sich nicht abgrenzen können“, berich-tet Weckert. Es ist gar nicht zu leicht, sich abzugrenzen, ohne den Projekterfolg zu gefährden. Es ist dabei nicht nur wichtig die anderen zu verstehen, sondern auch sich selbst emotional regulieren zu können. Dazu gehört auch das Neinsagen und das Achten auf die eigene Psychohygiene. „Das wird für viele immer schwieriger, da sie auf mehre-ren Hochzeiten gleichzeitig tanzen und viel zu viel parallel machen. Sie können sich nicht gut entspannen und müssen lernen, wieder runterzukommen. Selbstempathie hilft dabei“, so Weckert. Lässt sich Empathie lernen?

Es gibt ja Menschen, die von sich aus sehr empathisch sind und andere, denen das eher schwer fällt. Bedeutet das für sie un-gleiche Vorausetzungen in der alltäglichen Kommunikation im Job? „Es gibt Menschen, die haben einen leichteren Zugang zu em-pathischer Kommunikation. Sie können sich gut in andere Menschen einfühlen und fin-den intuitiv die passenden Worte für eine Si-tuation. Aber Empathie kann jeder lernen“, sagt Ulrike Stauch. Dabei kann es passieren, dass eine Person empathischer wird und trotzdem nicht immer die richtigen Worte findet. Aber die Grundhaltung stimmt dann und das wirkt sich aus.

Ähnlich sieht es auch Barbara Sieber: „Je-der, der offen ist, kann lernen, empathisch zu sein“. In ihrem Job als Unternehmens-beraterin lag ihr Fokus vor allem auf der Optimierung der Abläufe und Prozesse in

Keine leichte Übung: Die Emotionen der anderen registrieren und richtig interpretieren – und dabei das Konzept nicht verlieren. © www.clipdealer.de

...........................................................................................................

WEITERBILDUNGEN EMPATHISCHE/GEWALTFREIE KOMMUNIKATION

● Der Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e.V. listet alle vom Verband anerkannten und geprüften Trainer/innen auf, die Seminare zum Thema in Deutschland anbieten: www.fachverband-gfk.org

● Das Center for Nonviolent Communication hilft bei der weltweiten Suche von Weiterbildungen. Im Online-Shop kann neben (Hör-)Büchern auch Material (wie z.B. Spiele) für Schulungen gekauft werden: www.cnvc.org

Page 4: Empathie als Erfolgsfaktor - Sarah Krögersarah-kroeger.de/.../Empathie-als-Erfolgsfaktor-2.pdf · triebswirtin war lange in der Unternehmens-beratung zum Thema kundenorientierte

WILA Arbeitsmarkt ‒ Infodienst für Berufe in Bildung, Kultur und Sozialwesen 46|2016 Seite VII

qualifikation

der Kundenbetreuung. Mit dem Kommu-nikationsbereich hatte sie sich bis dahin weniger beschäftigt. Irgendwann wechselte sie und fing an, Psychologie zu studieren. Eine Freundin empfahl ihr die Seminare zur Empathischen Kommunikation von Al Weckert. Das erste Seminar war für sie ein Schlüsselerlebnis und das fehlende Verbin-dungsstück zwischen der Kundenorientie-rung und ihrem Psychologiestudium: „Ich kannte den Spruch ‚Hinter jedem Gefühl steckt ein Bedürfnis‘. Er war für mich pri-vat und beruflich eine wichtige Grundlage. Aber komplett habe ich ihn erst durch das Seminar verstanden. Hier habe ich erlebt, dass sich Konfliktsituationen auflösen, weil ich sehr präzise bestimmen kann, welches Bedürfnis hinter den jeweiligen Gefühlen steckt. Das Seminar hat meine komplette Lebenseinstellung und mein Menschenbild verändert“, erzählt Sieber begeistert.

Gerade lässt sie sich zur systemischen Be-raterin und Therapeutin ausbilden. Dann möchte sie mit Suchtkranken arbeiten.

„Hier werde ich die empathische Kommu-nikation viel einsetzen können“, erklärt sie. Ihrer Meinung nach eignen sich prinzipiell alle Seminare im Bereich Gewaltfreie/Em-pathische Kommunikation, um einen ersten Überblick über das Thema und einen Orien-tierungsrahmen zu bekommen.

Allerdings sollte man die klassischen Kommunikations-Seminare vermeiden: „Ich kenne von meiner Tätigkeit in der Unterneh-mensberatung Kommunikations-Trainings, die die Kommunikation mit dem Kunden verbessern sollen. Diese Seminare haben bei mir nie einen Aha-Effekt ausgelöst. Da lernt man schematische Fallbeispiele, die meist sehr spezifisch sind“, berichtet Sieber. Klassische Seminare trainieren vor allem Handlungsstrategien. Zum Beispiel erfahren Ingenieure etwas über die verschiedenen Sprachebenen ihrer potenziellen Kunden und lernen unterschiedliche Verhandlungs-techniken kennen. „Das schult aber nur die Technik, nicht die empathische Grundhal-tung“, meint Sieber. Empathie zu trainieren

sei viel nachhaltiger: Während Technik nur als Ergänzung auf bisherige Verhaltenswei-sen „aufgesetzt“ wird, sei Empathie wie ein gepflanzter Baum, der tief in der Erde wur-zelt und letzten Endes in allen Kontexten funktioniert. Eine neue Grundhaltung

Das bestätigt auch Al Weckert. In seinen Seminaren trainiert er eine einfühlsame Grundhaltung und zeigt den Teilnehmen-den, wie sie in einem Konflikt bedürfniso-rientiert kommunizieren und authentisches Vokabular verwenden. Sie erfahren, wie sie mit Gefühlsausbrüchen anderer umgehen können und lernen die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erkennen. Auch Mimik rich-tig zu interpretieren wird geübt. Weckert trainiert mit seinen Teilnehmenden bei-des: Die empathische Grundhaltung und die Technik. „Das ganze Methodik-Wissen nützt aber nichts, wenn die Personen nicht die entsprechende Haltung haben“, unter-streicht er.

Al Weckert (v.r.) mit Manager/innen in der Weiterbildung. Auf dem Lehrplan: Vermittlung im Konfliktfall, empathische Gesprächsführung, Moderation, Umgang mit Widerständen und starken Emotionen. © Al Weckert ‒ http://www.empathie.com

Page 5: Empathie als Erfolgsfaktor - Sarah Krögersarah-kroeger.de/.../Empathie-als-Erfolgsfaktor-2.pdf · triebswirtin war lange in der Unternehmens-beratung zum Thema kundenorientierte

Seite VIII www.wila-arbeitsmarkt.de

qualifikation

Wila Arbeitsmarkt: Herr Weckert, wozu brauche ich Empathie im Berufsalltag?Menschen, die empathisch sind, können mit anderen besser kommunizieren. Im Kundenservice zum Beispiel wird Empathie immer wichtiger. Auch in interdisziplinären Teams, wenn die Marketing-Abteilung mit der Fachabteilung zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen soll, braucht es Empathie. Oder: Möchten Sie als Führungskraft neue Fachkräfte akquirieren, ist es schwerer als früher. Auch die Bewerber sind gut infor-mieren und nehmen nicht jede Stelle an. Um sie zu gewinnen, ist es von Vorteil, wenn Sie empathisch sind und auf die Bedürfnisse der Bewerber eingehen. Gleichzeitig hilft Selbst-empathie aber auch, dass die Menschen ihre Ressourcen besser steuern können und sich im Job besser abgrenzen. Das wirkt sich sogar positiv auf ihre Gesundheit aus.

Kann man das lernen? Solange man keinen Schaden am Frontalhirn hat, kann jeder seine Empathie-Fähigkeit ver-bessern. Wie weit, das hängt von vielen Fak-toren ab, zum Beispiel wie viel man investiert. Eine Verbesserung der Empathie-Fähigkeit kann vor allem über einen längeren Zeit-

raum erreicht werden. Allerdings zeigen zum Beispiel bereits dreitägige Trainings schon Wirkung. Das haben wir mal vom Excellenz-cluster Languages of Emotions der FU Berlin untersuchen lassen. Aber ich weiß auch, dass es nach einem solchen Training erst richtig anfängt: Entweder man trainiert die neue Sichtweise weiter, oder man verliert sie wie-der. Hier gilt dann die Faustregel: „Use it or lose it“. Der Mensch kommt als empathisches Wesen auf die Welt. Je nachdem, wie sich sein Umfeld gestaltet und seine Bezugsper-sonen agieren, stabilisiert sich das Empathie-Vermögen, oder die Person verliert es. Man-gelnde Empathie zeigt sich zum Beispiel bei Selbstmordattentätern oder bei Parteien, die sich sehr einseitig für ein bestimmtes Klientel einsetzen: Sie alle stellen vor allem sich selbst in den Mittelpunkt. Wie sind solche Seminare gestaltet?Ich biete zum Beispiel einen dreitägigen Basiskurs in „Gewaltfreier Kommunikation“ an, der das Prinzip der Empathie erklärt. In diesem Seminar geht es um das Erkennen eigener und fremder Bedürfnisse. Es wird eine einfühlsame Grundhaltung trainiert und authentisches Vokabular für bedürfnisorien-

tiertes Sprechen und Verhandeln vermittelt. Die Teilnehmenden erfahren zum Beispiel, wie sie mit Gefühlsausbrüchen anderer umgehen können. Sie lernen, dass sie starke Emotionen in dahinter liegende Bedürfnisse übersetzen können – auch wenn die Anliegen in sehr schmutziger Verpackung vorgetragen werden. Wir machen auch Übungen zur Mimik-Reso-nanz: Wie kann ich meinem Gegenüber aus dem Gesicht ablesen, wie es ihm geht? In Se-minaren für Führungskräfte geht es dann zum Beispiel darum, wie man Konflikte in Gruppen löst oder Entscheidungen moderiert. Hier trai-niere ich zwei Dinge. 1. Die Haltung: Was will der andere? Was will ich? 2. Die Technik. Wie moderiere ich eine Gruppe von Leuten? Wie verhandle ich richtig? Das ganze Methodik-Wissen nützt aber nichts, wenn die Personen nicht die entsprechende Haltung haben.

Bringen Geistes- und Sozialwissenschaftler eine solche Haltung grundsätzlich mit? Ha-ben sie vielleicht sogar Vorteile?Grundsätzlich stelle ich bei den Studienfä-chern keine großen Unterschiede fest, was die Empathie-Fähigkeit betrifft. Nicht alle tun sich leicht mit dem Thema. Psychologen begegnen mir zum Beispiel häufig mit der Einstellung: „Was soll ich hier eigentlich? Das hatte ich doch schon alles im Studium.“ Doch schon bei der ersten Übung beobachte ich, dass Empathie mit Diagnosen und Suggestiv-fragen verwechselt wird. Auch Ärzte haben aus unterschiedlichen Gründen manchmal Schwierigkeiten sich einzulassen. Dabei wurde nachgewiesen, dass allein schon eine empathische Gesprächsführung den Hei-lungsverlauf messbar verkürzt. Sozialwissen-schaftler hingegen sind Empathie-Trainings meiner Erfahrung nach überwiegend offen gegenüber eingestellt. Viele haben an der Universität schon mal ein Seminar in Ge-waltfreier Kommunikation gemacht, das ist gerade groß in Mode. Aber natürlich gibt es in jeder Berufsgruppe solche und solche.

Emotionen erst nehmen und interpretierenEmpathische Kommunikationsfähigkeit ist mehr als gut zuhören können. Es geht um die Emotionen des anderen und die dahinter liegenden Bedürfnisse. Wer diese zulässt und richtig interpretieren kann, genießt Vertrauen und erreicht mehr.

Interview: Sarah Kröger

Al Weckert ist Diplom-Volkswirt, Organi-sationsentwickler, zertifizierter Mediator und Ausbilder für Gewaltfreie Kommuni-kation und Mediation (BM). www.empathie.com Bildquelle: Privat