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1 Erfahrungsbericht zum Auslandssemester an der Stellenbosch University im WS 2012/13 Von Eugenia Matz; Master Kultur- und Sozialanthropologie Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen aus meinem Auslandssemester in Südafrika mit euch teilen und euch auch ermutigen diese tolle Erfahrung selbst zu machen. Ich habe mich für Südafrika entschieden, da ich zunächst gerne an einer afrikanischen Universität studieren wollte und sich im Studium auch ein Interesse für dieses Land entwickelt hat. Aufgrund der schwierigen Geschichte des Landes, sowie auch der Stadt Stellenbosch (6 Premierminister des Apartheid Regimes waren Absolventen der Universität) hatte ich einige Bedenken, ob dieses Land, diese Stadt und diese Universität wirklich das Richtige für mich sind. Nachdem ich nun ein halbes Jahr dort gelebt und studiert habe, hat sich meine Perspektive für diese Probleme enorm erweitert und ich kann absolut jedem empfehlen, gerade auch denen die ähnliche Bedenken teilen wie ich sie hatte, den Schritt zu wagen, diese komplexe Gesellschaft und das atemberaubende Land kennenzulernen. Die Vorbereitung Das Semester in Südafrika ist anders aufgeteilt als in Deutschland. Es gibt das erste Semester das von Januar bis Juni geht und das zweite Semester, welches im Juli beginnt und zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember endet. Die Vorlesungszeit endet zum Beispiel im zweiten Semester am 30.10., allerdings werden Klausuren, je nach Seminar im November geschrieben und Nachschreibetermine (was euch sicher nicht betreffen würde ;-)) wären im Dezember. Daher endet das Semester offiziell am 15.12. Es ist unter Umständen ein wenig kompliziert das erste Semester wahrzunehmen, da sich die Semesterzeiten überschneiden, doch das kann man z.B. mit seinen Dozenten in Marburg besprechen und Prüfungen früher oder nachträglich absolvieren. Mir hat es besser in den Studienplan gepasst mich für das zweite Semester zu bewerben. Allerdings muss man dabei bedenken, dass die Bewerbungsfrist nur einmal jährlich wahrzunehmen ist, was also bedeutet, dass ich bereits im April 2011 angefangen habe, die umfangreichen Bewerbungsunterlagen zusammenzutragen, um mich im Juni 2011 für das 2. Semester in Stellenbosch 2012 bewerben zu können. Es ist definitiv viel Arbeit alle nötigen Dokumente, Empfehlungsschreiben usw. zu organisieren, daher sollte man damit am besten 1-2 Monate vor dem Ende der Bewerbungsfrist beginnen. Doch der Aufwand lohnt sich so sehr, dass ich wirklich jedem empfehlen kann sich davon nicht abschrecken zu lassen. Sobald man in Marburg für das Auslandssemester zugelassen wurde, werden die Unterlagen an die Universität Stellenbosch weitergeleitet, da man natürlich auch von der Stellenbosch University für das Austauschprogramm angenommen werden muss. Sofern nichts dazwischen kommt, ist eine Zusage der Stellenbosch University sehr wahrscheinlich, wenn man in Marburg zugelassen wurde. Im Anschluss erhält man per E-Mail eine Studienbestätigung der Universität in Stellenbosch und kann dann sein Studentenvisa beantragen. In meinem Fall war

Erfahrungsbericht zum Auslandssemester an der … · Allerdings muss man dabei bedenken, dass die Bewerbungsfrist nur einmal jährlich wahrzunehmen ist, was also bedeutet, dass ich

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Erfahrungsbericht zum Auslandssemester an der Stellenbosch University im WS 2012/13 Von Eugenia Matz; Master Kultur- und Sozialanthropologie Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen aus meinem Auslandssemester in Südafrika mit euch teilen und euch auch ermutigen diese tolle Erfahrung selbst zu machen. Ich habe mich für Südafrika entschieden, da ich zunächst gerne an einer afrikanischen Universität studieren wollte und sich im Studium auch ein Interesse für dieses Land entwickelt hat. Aufgrund der schwierigen Geschichte des Landes, sowie auch der Stadt Stellenbosch (6 Premierminister des Apartheid Regimes waren Absolventen der Universität) hatte ich einige Bedenken, ob dieses Land, diese Stadt und diese Universität wirklich das Richtige für mich sind. Nachdem ich nun ein halbes Jahr dort gelebt und studiert habe, hat sich meine Perspektive für diese Probleme enorm erweitert und ich kann absolut jedem empfehlen, gerade auch denen die ähnliche Bedenken teilen wie ich sie hatte, den Schritt zu wagen, diese komplexe Gesellschaft und das atemberaubende Land kennenzulernen. Die Vorbereitung Das Semester in Südafrika ist anders aufgeteilt als in Deutschland. Es gibt das erste Semester das von Januar bis Juni geht und das zweite Semester, welches im Juli beginnt und zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember endet. Die Vorlesungszeit endet zum Beispiel im zweiten Semester am 30.10., allerdings werden Klausuren, je nach Seminar im November geschrieben und Nachschreibetermine (was euch sicher nicht betreffen würde ;-)) wären im Dezember. Daher endet das Semester offiziell am 15.12. Es ist unter Umständen ein wenig kompliziert das erste Semester wahrzunehmen, da sich die Semesterzeiten überschneiden, doch das kann man z.B. mit seinen Dozenten in Marburg besprechen und Prüfungen früher oder nachträglich absolvieren. Mir hat es besser in den Studienplan gepasst mich für das zweite Semester zu bewerben. Allerdings muss man dabei bedenken, dass die Bewerbungsfrist nur einmal jährlich wahrzunehmen ist, was also bedeutet, dass ich bereits im April 2011 angefangen habe, die umfangreichen Bewerbungsunterlagen zusammenzutragen, um mich im Juni 2011 für das 2. Semester in Stellenbosch 2012 bewerben zu können. Es ist definitiv viel Arbeit alle nötigen Dokumente, Empfehlungsschreiben usw. zu organisieren, daher sollte man damit am besten 1-2 Monate vor dem Ende der Bewerbungsfrist beginnen. Doch der Aufwand lohnt sich so sehr, dass ich wirklich jedem empfehlen kann sich davon nicht abschrecken zu lassen. Sobald man in Marburg für das Auslandssemester zugelassen wurde, werden die Unterlagen an die Universität Stellenbosch weitergeleitet, da man natürlich auch von der Stellenbosch University für das Austauschprogramm angenommen werden muss. Sofern nichts dazwischen kommt, ist eine Zusage der Stellenbosch University sehr wahrscheinlich, wenn man in Marburg zugelassen wurde. Im Anschluss erhält man per E-Mail eine Studienbestätigung der Universität in Stellenbosch und kann dann sein Studentenvisa beantragen. In meinem Fall war

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es so, dass ich mich ja so früh in Marburg bewerben musste und daher bekam ich die Unterlagen der Gasthochschule erst ein dreiviertel Jahr nach meiner Bewerbung, also im März 2012, was zeitlich aber völlig ausreichend ist, um sich dann entsprechend bis Juli das Visum zu besorgen, den Flug zu buchen und sich um eine Wohnung zu kümmern. Wenn man sich im Juni für das Semester im Januar des Folgejahres bewirbt, erhält man die Bestätigung entsprechend im Herbst. Visum Sobald man seine Studienbestätigung hat, sollte man so bald wie möglich sein Visum beantragen, da auch dort wieder viele Dokumente gefordert werden, die man erst mal zusammentragen muss (http://www.suedafrika.org/downloads/Studienerlaubnis.pdf) So braucht man z.B. ein Lungenröntgen, welches ausschließt, dass man Tuberkulose hat. Aber keine Sorge, es ist weniger aufwändig als es sich zunächst anhört. So bin ich mit einer Überweisung meines Hausarztes einfach ohne Termin (für Röntgen gibt es jeden Tag offene Sprechstunden sozusagen) ins Evangelische Krankenhaus in Gießen gefahren und nach einer Stunde war alles erledigt und ich hatte die nötige Bescheinigung fürs Visum. Allerdings ist das wieder mit Kosten verbunden, da die Krankenkasse Lungenröntgen für Visa-Zwecke nicht übernimmt. Die Kosten für das Visum setzen sich also folgendermaßen zusammen:

- Antragsgebühr: 52€ - Röntgen: 30-40€ - Barhinterlegung: 767€ - Porto zum versicherten Versenden des Reisepasses (2x hin und zurück): 14€

Die Barhinterlegung erhält man zurück, sobald man das Land wieder verlassen hat und seinen Reisepass mit dem Ausreisestempel nochmal an die Botschaft schickt. Sehr wichtig ist, dass man die Bestätigung der Barhinterlegung, die man zusammen mit der Visa-Ausstellung per Post erhält, nicht verliert, da einem sonst das Geld nicht zurückgezahlt wird. Wenn man alle nötigen Dokumente zusammen hat, schickt man diese an die Botschaft und es dauert zwischen einigen Tagen und 2 Wochen, bis man seinen Reisepass mit dem Studentenvisa per Post zurückerhält. In meinem Fall hat es nur 3 Tage gedauert bis ich mein Visum erhalten habe, doch sollte man dennoch nicht zu lange warten. Es gab einige Auslandsstudenten, die wieder abreisen mussten, da sie zu spät dran waren mit dem Studentenvisum und erst mal mit Touristenvisum eingereist sind, in der Hoffnung das Studentenvisum noch vor Ort organisieren zu können— leider ist dies absolut ausgeschlossen. Flug Ich denke mal die meisten von euch wissen, wie man im Internet an günstige Flüge kommt. Ich habe über http://www.swoodoo.com/de/flugsupermarkt gebucht, da das viele Suchmaschinen abdeckt. Ich war relativ überrascht wie teuer die Flüge waren (zumindest als

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ich im April/ Mai für Juli gesucht habe) und der günstigste Flug, den ich kriegen konnte war für 850€ mit Air Namibia. Allerdings kann man auch Glück haben und für rund 600€ fliegen, aber es ist ja immer nicht ganz klar, wovon nun solche Angebote abhängen. Wohnung Während der Vorbereitung des Auslandssemesters empfand ich die größte Unsicherheit in Bezug auf die Wohnungssuche. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Stellenbosch zu wohnen, wie auch in jeder anderen Studentenstadt: Entweder im Studentenwohnheim oder privat in einer eigenen Wohnung oder WG. Auf der Homepage der Universität kann man sich für das Wohnheim bewerben, sobald man seine Studienzusage hat: http://www0.sun.ac.za/international/accommodation-a-arrival Es gibt drei Studentenwohnheime (Academia, Concordia und Metanoia), wobei Academia und Concordia auf demselben Gelände liegen und da daher kein großer Unterschied besteht. Beide Komplexe sind nah an der Universität und sehr sicher. Der Grund warum ich nicht ins Studentenwohnheim ziehen wollte war hauptsächlich der Preis. Dafür, dass die Unterkunft und die Zimmer sich nicht von denen in deutschen Wohnheimen unterscheiden, ist der Preis extrem hoch (um die 400€ monatlich) und es ist wesentlich günstiger sich privat eine Unterkunft zu suchen. Ich hatte viele Freunde, die im Wohnheim gewohnt haben und wenn der Preis für einen nicht ausschlaggebend ist, ist es eigentlich auch sehr nett, weil man mit so vielen Studenten zusammen ist und sehr schnell viele Leute kennenlernt. Jedenfalls war ich sehr unsicher, wie ich eine private Unterkunft im Voraus finden soll, ohne vor Ort zu sein. Viele Studenten fliegen einfach 1-2 Wochen bevor die Uni losgeht nach Südafrika und schlafen im Hostel in Stellenbosch, bis sie vor Ort eine Wohnung gefunden haben. Das funktioniert auf jeden Fall und ist viel weniger problematisch als man denkt. Allerdings sind da oft die günstigsten Gelegenheiten schon weg (aber unter 400€ findet man immer was ;-)) Ich wollte allerdings gerne schon eine Wohnung haben, wenn ich in Südafrika ankomme und so habe ich mich vorher auf die Suche begeben. Zunächst einmal macht es wirklich Sinn Mitglied in Facebook Gruppen für internationale Studenten in Stellenbosch zu werden. Dort kann man Wohnungsgesuche posten, oder auf Anfragen antworten und wenn es um eine WG geht, per Skype Bewerbungstermine ausmachen (http://www.facebook.com/groups/212846915789/) Weiterhin werden auf der accommodation Homepage der Universität private Wohnungen angeboten, sowie nützliche Links zur Wohnungssuche. Wie das oft so ist, war der ganze Stress, den ich mir wegen der Wohnung gemacht habe völlig unbegründet und ich würde jedem empfehlen, nicht das Erstbeste zu nehmen. Hier einige Tipps:

- Auf jeden Fall sollte man darauf achten, dass die Wohnung zentral liegt. Obwohl man mit dem Fahrrad super von A nach B kommen kann, ist es für spontane Treffen mit Freunden und wenn man feiern gehen will schon viel schöner, wenn man nachts nicht noch 30 Minuten Fahrrad fahren muss :-). Man kann sagen, dass die meisten Wohnungen unter 300€ monatlich zu weit vom Zentrum liegen. Weil man

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Entfernungen immer so schlecht einschätzen kann, habe ich mal auf einer Karte eingezeichnet, was meiner Meinung eine zentrale Lage in Stellenbosch wäre. Der pinke Punkt ist meine Wohnung in Stellenbosch. Bis zur Uni waren es da z.B. 10-15 Minuten Laufweg oder 5 Minuten mit dem Fahrrad.

- Ich habe in einem privaten Wohnkomplex für Studenten in der Paul Kruger Street gewohnt (http://www.plum-bago.co.za/) und war absolut zufrieden. Die Wohnungen sind genauso neu und schick wie auf den Bildern und es ist einfach alles ganz fantastisch gewesen für den Preis (R3150/ 300€ monatlich). Man erhält den Vertrag per email und schickt ihn ausgefüllt an Petro (die Hausverwalterin). Dann muss man 2 Monatsmieten Kaution auf das Konto der Wohnungsgesellschaft überweisen und damit wird der Vertrag wirksam. Die Kaution erhält man bei Auszug bar oder per Überweisung auf ein südafrikanisches Konto zurück, sofern man nichts im Zimmer zerstört hat :-). Im Preis inbegriffen ist ein laundry service (alle 2 Wochen), eine Reinigungskraft (1x wöchentlich und sehr ungewohnt für uns :-)) und Kleinigkeiten, wie Braai Mitbenutzung und Parkplatz usw. Der Strom wird in Südafrika immer im

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Prepaid-System extra bezahlt. Das bedeutet man kauft an der Tankstelle Stromguthaben und gibt das Guthaben im Stromzähler zuhause ein. Ich habe meine Wohnung mit 3 weiteren Mitbewohnern geteilt und wir bezahlten monatlich etwa 15 € pro Person für den Strom.

- Leider ist das Internet in Südafrika immer noch sehr teuer und auch nicht so toll. Man hat meist die Wahl Data Bundles zu kaufen und diese mit einem Internet-Stick zu nutzen oder W-lan, sofern es in eurer Wohnung angeboten wird. Ich habe für eine W-lan Flaterate in meiner Wohnung etwa 27€ monatlich bezahlt (was sehr viel ist) und das Internet war auch nicht besonders schnell.

Leben in Stellenbosch Stellenbosch ist eine wunderschöne kleine Stadt mit etwa 100.000 Einwohnern. Vergleichbar mit Marburg oder Gießen ist die Studentendichte prozentual sehr hoch und es gibt viele Einkaufsmöglichkeiten im Zentrum, Bars, Cafés und Diskos. Das Herzstück des Campuslebens ist das Nelsie Gebäude auf dem Campus. Es ist eine Art Studenten Mall mit Geschäften für Bürobedarf, Schnellrestaurants, Apotheken, Banken und allem was das Studentenherz noch so begehrt. Wenn man in Stellenbosch und auf dem Campus ankommt, fällt einem zunächst die wahnsinnig schöne Natur auf. Die Stadt ist umgeben von Weinfarmen und Bergen und sehr sauber und herausgeputzt:

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Mobilität Es gibt keinen richtigen öffentlichen Verkehr innerhalb Stellenboschs, daher ist es das Beste man besorgt sich ein Fahrrad vor Ort. Entweder man nutzt den Service der Universität und besorgt sich ein Maties Bike (man zahlt R1000 um das Fahrrad zu erhalten und erhält R600 zurück, wenn man es am Ende des Semesters wieder abgibt) oder man kauft sich ein gebrauchtes Fahrrad im Fahrradgeschäft neben dem Pick & Pay Supermarkt auf der Bird Street, welches man am Ende des Semesters ebenfalls für den halben Preis wieder an den Laden zurückverkaufen kann. Der öffentliche Verkehr in Stellenbosch beschränkt sich auf Minibusse (so genannte „Taxis“) mit denen man zu verschiedenen Städten in der Umgebung kommt (auch nach Strand, der nahste Ort am Strand heißt Strand :-)) und den Zug mit dem

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man von der Stellenbosch Train Station nach Kapstadt kommt. Ich bin jede Woche mehrmals mit dem Zug gefahren, um nach Lynedoch zu meiner Projekt-Arbeit zu kommen (davon berichte ich im Weiteren) und am Wochenende nach Kapstadt. Es ist absolut sicher tagsüber mit dem Zug zu fahren, auch alleine als Frau. Die Fahrt nach Kapstadt dauert eine Stunde und kostet 17 Rand. Zwar fahren praktisch keine weißen Südafrikaner mit den lokalen Bussen, aber diese Sicherheitsbedenken basieren größtenteils auf unbegründeten Vorurteilen. Wir sind oft mit diesen Taxis sowohl in Stellenbosch, als auch in Kapstadt gefahren und es ist eine tolle und günstige Möglichkeit von A nach B zu kommen und ich habe mich auch alleine immer sicher gefühlt. Es gibt eine große Minibus-Station direkt im Obergeschoss des Hauptbahnhofes in Kapstadt und eine Busstation für große Stadtbuse direkt neben dem Haupteingang. Dort fragt man einfach nach, welchen Bus man nehmen soll um z.B. nach Camps Bay (einem der schönsten Strände Kapstadts) oder zu Waterfront (schöner Hafen mit vielen Einkaufsmöglichkeiten) zu kommen. So eine Stadtfahrt kostet 7 Rand und es ist eine schöne Möglichkeit die hilfsbereiten und netten Bewohner Kapstadts kennenzulernen. Zum Reisen und um die Umgebung zu erkunden ist es zudem sehr empfehlenswert ein Auto zu mieten. Das ist in Südafrika recht günstig (ca. 25€ pro Tag), gut organisiert und unkompliziert. Sicherheit Wenn man in Südafrika lebt ist Sicherheit zweifellos ein großes Thema und sicherlich großer Teil des Kulturschocks. Die Schere zwischen Arm und Reich ist riesig in Südafrika und Stellenbosch ist dafür ein besonderes Beispiel. Es gibt sehr viele, sehr reiche Einwohner und viele sehr arme Einwohner, die meist Arbeiter auf den umliegenden Weinfarmen sind. Obwohl Stellenbosch eine sehr sichere Stadt in Südafrika ist, sieht man sich als ausländischer Student sehr schnell mit ungewohnten Einschränkungen konfrontiert. Für mich war es zunächst sehr schwierig, die Unterschiede zwischen Sicherheits-Paranoia der weißen südafrikanischen Bevölkerung und den „realen“ Gefahren zu unterscheiden. Man muss ein eigenes Gespür entwickeln für das soziale Leben in Südafrika und niemand kann einem wirklich sagen, wie gefährlich es nun wirklich ist. Aus diesem Grund kann ich einfach die Art und Weise beschreiben, wie ich persönlich diese Fragen für mich geklärt habe. So denke ich, dass man (vor allem als Frau) nicht nach 21 Uhr allein nach Hause laufen sollte, wenn man nicht absolut im Zentrum wohnt. Da es in Südafrika recht früh dunkel wird (zwischen 18:30-20:00) habe ich mich in der ersten Woche sehr eingeschränkt gefühlt, weil ich mich abends nicht so frei bewegen konnte. Allerdings löst ein Fahrrad diese Probleme! Mit dem Fahrrad ist man nachts recht sicher unterwegs, auch alleine und auch als Frau. Ich bin zu allen Nachtzeiten mit dem Fahrrad gefahren, genauso wie alle meine Freunde und niemandem ist je irgendwas passiert. Ich habe von Überfällen in Stellenbosch gehört, dabei ging es um Situation wo jemand allein (und meist betrunken) nachts zu Fuß unterwegs war und ausgeraubt wurde. So würde ich sagen, dass das (Un-)Sicherheitslevel in Stellenbosch mit dem einer europäischen Großstadt zu vergleichen ist. In Kapstadt würde ich sagen, dass

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generell gilt, dass man nach Einbruch der Dunkelheit außerhalb von sehr belebten Gegenden nicht mehr zu Fuß unterwegs sein sollte. Finanzen Zunächst würde ich jedem empfehlen kostenlos ein Konto und eine Kreditkarte bei der DKB zu eröffnen. Mit der Kreditkarte kann man ohne Einschränkungen überall im Ausland und auch in Deutschland an jedem Automaten kostenlos Geld abheben. In Stellenbosch kann man sich zudem bei der ABSA Bank kostenlos ein Studentenkonto eröffnen. Für den Fall, dass man keine Kreditkarte hat, mit der man kostenlos Geld abheben kann, ist das die beste Möglichkeit. Finanzielle Unterstützung für das Auslandssemester kann man über Auslands-Bafög bekommen oder über Stipendien. Ich habe mich für das Promos-Teilstipendium beworben und eine Förderung erhalten, die mir geholfen hat einen Teil der Kosten zu decken. Die Lebenshaltungskosten in Stellenbosch sind etwa dieselben wie in Deutschland. Viele Dinge sind zwar viel günstiger, wie zum Beispiel öffentlicher Verkehr oder Gastronomie, doch sind zum Beispiel die meisten Produkte im Supermarkt teurer als in Deutschland. Zudem geht man im Auslandssemester natürlich öfter aus und macht mehr Unternehmungen als zuhause. Hier eine kleine Liste von Kosten:

- Semesterbeiträge: 250€ in Marburg und R5500 (500€) in Stellenbosch - Anmeldegebühr 150€ (wird erstattet sobald man das Semester erfolgreich

abgeschlossen hat) - Eigenbeteiligung für das Auslandsstudium in Stellenbosch: 770€ - Auslandskrankenversicherung: 170€ (z.B.

http://www.hansemerkur.de/produkte/reiseversicherung/langzeit-auslandsaufenthalt/studenten-schueler-versicherung)

- Flug 600-1000€ - Visum 52€ - Wohnung + Strom 300-400€ monatlich - Lebenshaltungskosten würde ich zwischen 300 und 500€ monatlich zurechnen zur

Miete, je nachdem wie sparsam man ist und wie viele Unternehmungen man macht - Wenn man es schafft, sollte man sich ein Reisebudget ansparen, damit man nach dem

Studium noch 1-2 Monate reisen kann durch Südafrika oder in andere Länder. Es ist eine tolle Gelegenheit mit seinen Freunden eine einmalige Zeit zu verbringen nach dem Studium und ich hätte es sehr bereut, wenn ich gleich nach dem Ende des Semesters abgereist wäre.

Studium Eine Woche bevor das Studium losgeht nimmt man als Auslandsstudent an einer Einführungswoche teil. Diese sollte man wirklich nicht verpassen, da man sehr viele Informationen rund um das Leben und Studieren in Stellenbosch erhält. Die Universität

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organisiert zum Beispiel einen Tagesausflug nach Kapstadt, sowie ein großes Dinner für alle Auslandsstudenten. So lernt man schon viele Leute kennen und man erhält einen Überblick über die Kurse die man belegen kann. Bei der Kurswahl hat man die Wahl zwischen so genannten Mainstream Kursen und IPSU Kursen. Man kann sich die jeweiligen Semesterpläne schon vorab auf der Homepage der Uni runterladen, um einen Überblick zu erhalten. Mainstream Kurse sind die ganz normalen Kurse für südafrikanische Studenten und IPSU Kurse sind speziell konzipierte Kurse für Auslandsstudenten. Bei den regulären Kursen muss man darauf achten, dass viele Bachelor Kurse nur in Afrikaans angeboten werden. Master-Kurse werden alle in Englisch unterrichtet. Allerdings gibt es auch Bachelorkurse in Englisch, sowie Kurse in der T-Option, die in beiden Sprachen (aber meistens in Englisch) unterrichtet werden. Grundsätzlich würde ich wirklich Mainstream Kurse empfehlen, da diese ein höheres Niveau haben und man außerdem mit südafrikanischen Studenten studiert. Die IPSU Kurse haben den Vorteil, dass sie inhaltlich und formal Rücksicht auf Auslandsstudenten nehmen. So konzentrieren sie sich oft (zumindest in Sozialwissenschaften) auf Themen, die einem Ausländer einen wichtigen Überblick über spezifische südafrikanische Kontexte geben und die Klausuren werden schon gleich zum Ende der Vorlesungszeit geschrieben, sodass man früh fertig ist. Außerdem kann man Sprachkurse in Afrikaans oder isiXhosa belegen oder so lustige Sachen, wie Photographie oder Schmuck Design. Übrigens kosten IPSU Kurse für Teilnehmer von Austauschprogrammen nichts, das ist ein bisschen missverständlich auf dem Kursplan. Man darf in einem Semester maximal 30 ECTS machen (das sind 60 CP an der SU). Normalerweise erhält man für Bachelorkurse jeweils 6 CP, bei Masterkursen sind es mehr. Ich habe einen Mainstream Kurs belegt (Theories and Debates in Social Anthropology), einen IPSU Kurs (Sociology: Politics and Cultural Change in Contemporary South Africa) und zudem habe ich am Programm „Learning for Sustainable Community Engagement“ teilgenommen. Letzteres ist ein spezielles Programm für Auslandsstudenten und eine atemberaubende Erfahrung. Bei diesem Kurs handelt es sich um ein duales Seminar, indem man in einer benachteiligten Schule in der Nähe von Stellenbosch montags selbst unterrichtet und freitags Theorieveranstaltungen hat. Das Seminar ist sehr arbeitsaufwendig (man erhält 18CP), aber eine einmalige Erfahrung, die ich jedem Auslandsstudenten, der sich für die sozialen Probleme Südafrikas interessiert empfehlen würde. Man muss nicht unbedingt einen sozialwissenschaftlichen Studiengang studieren, um an diesem Programm teilzunehmen, aber es ist natürlich von Vorteil. Gerne stehe für weitere Infos zum Programm zur Verfügung und kann Interessierten auch den Online-Zugang zu einem Video schicken, welches wir über das Projekt erstellt haben. Man muss sich bereits im Vorfeld bewerben für das Programm, aber auch hier zahlt sich der Aufwand wieder sehr aus: http://www0.sun.ac.za/international/come-to-su-whats-on-offer/community-engagement Zudem war ich sehr vom Mainstream Kurs angetan, das Niveau war hoch und die Betreuung durch die Dozentin unglaublich intensiv. Generell wird man beeindruckt sein von der persönlichen und extrem hilfsbereiten Betreuung durch die Dozenten und das administrative Personal in Stellenbosch, wenn man den universitären Kontext in Deutschland gewöhnt ist.

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Der IPSU Kurs war auch sehr interessant im Sinne eines sinnvollen Überblicks, allerdings ist das Niveau nicht sehr hoch, da Studenten aus allen möglichen Studiengängen in den Seminaren sitzen und es daher nicht sehr fachspezifisch zugeht. Der quantitative Arbeitsaufwand ist für alle Kurse weitaus höher als an deutschen Universitäten. Allerdings würde ich sagen, dass das qualitative Niveau in Deutschland im Allgemeinen höher ist. Ich hatte das Gefühl, dass ich für 30CP quantitativ dreimal so viel tun musste im Vergleich zu meinem Studium in Deutschland. Dadurch, dass die qualitativen Ansprüche weniger hoch sind, kann man aber trotz „Sprachbarriere“ sehr gute Ergebnisse erzielen (je nach Ehrgeiz ☺). Die Noten werden im Allgemeinen in Stellenbosch wirklich nicht verschenkt und man muss wirklich Leistung bringen, um eine 1 zu bekommen. Benotet wird in Prozent von 0-100%. Allerdings erhält man niemals 100% und 70% gilt schon als überdurchschnittlich. Glücklicherweise wird das in der Umrechnung der Noten ins deutsche System berücksichtigt. So sind 78-80% eine 1,0. Wenn man nicht 30 CPs machen muss und vielleicht lieber eher Spaß haben möchte, anstatt viel zu lernen, würde ich empfehlen nicht mehr als 24 CPs zu machen (einfach wegen den quantitativen Anforderungen). Ich würde allerdings keinen der Kurse missen, die ich belegt habe. Ich habe mein Englisch allein durch das Studium enorm verbessert und unglaublich viel gelernt. Freizeit Man hat in und um Stellenbosch sehr viele Möglichkeiten sich das Leben neben dem Studium zu versüßen. Neben den unzähligen Societies, denen man beitreten kann für sportliche oder kulturelle Aktivitäten, hat man die unglaubliche Berglandschaft und die endlosen Weinfelder direkt vor der Haustür, sowie eine große Anzahl an Cafés und sehr guten Restaurants. Man kann also durchaus einfach jeden Tag wandern, zu Weinproben fahren und essen gehen ☺.

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Mein Tipp wäre außerdem auf jeden Fall das Kino im Nelsie Zentrum. Dort werden jeden Tag alte und alternative Filme gezeigt und der Beitrag für ein ganzes Semester ist nur 14€. Weiterhin finde ich den Maties Underwater Club empfehlenswert. Wenn man dieser Society beitritt, kann man günstig einen Tauchschein machen. In der Einführungswoche könnt ihr euch auch für viele Ausflüge und Freizeitangebote anmelden, die günstig von ISOS (Internation Student Organisation Stellenbosch) organisiert werden. Ich könnte noch 10 weitere Seiten schreiben, über die ganzen Aktivitäten, die man in Stellenbosch machen kann. Zudem hat man Kapstadt direkt um die Ecke sozusagen, was nochmal wohl einer der schönsten Orte weltweit ist. Dementsprechend kann ich nur sagen, dass wirklich jeder auf seine Kosten kommt, ob Sport-, Natur-, Party- oder Kultur-interessiert. Zudem kann man sich auch eine tolle Zeit freuen, wenn die Uni vorbei ist. Die meisten Auslandsstudenten reisen kreuz und quer durchs südliche Afrika (Die Wüste in Namibia, Viktoria Falls in Zimbabwe/Sambia, die Traumstrände in Mozambique). Ich bin z.B. mit einer Freundin mit dem Nachtzug von Kapstadt nach Johannesburg gereist (sehr günstig, sicher und ein tolles Abenteuer) und von dort mit dem Bus nach Maputo in Mozambique (www.intercape.co.za) und dann zum Backpacker-Strand in Tofo, wo wir dann viele Leute aus Stellenbosch wiedergesehen haben. Was soll man mitnehmen? Grundsätzlich kann man wirklich fast alles, was es in Deutschland gibt auch in Südafrika bekommen. Allerdings sind Kosmetikartikel teilweise recht teuer. Aber auf jeden Fall gilt: weniger ist mehr, da man definitiv noch Sachen in Südafrika kauft und diese auch wieder ins Gepäck kriegen muss. Für diejenigen, die im 2. Semester nach Stellenbosch gehen möchten: Im Winter ist es sehr kalt—weniger draußen, als drinnen. Dadurch dass es grundsätzlich keine Heizungen in Wohnungen gibt, wird es ungewohnt kalt nachts. Das heißt man sollte sich definitiv warme Pullover mitnehmen, eine Regenjacke!, allgemein Wind- und Wetter-feste Kleidung und sich gleich vor Ort eine Wärmflasche, eine dicke Decke und einen kleinen Heizer kaufen (kostet nur 10€ im Elektroshop neben dem Pick&Pay in der Bird Street). Aber das ist nicht so schlimm wie es sich anhört, denn tagsüber wird es meist sonnig und wieder heiß, es ist also Zwiebellook angesagt. Man sollte außerdem auf jeden Fall einen Schlafsack mitnehmen, da das fürs Reisen natürlich sehr praktisch ist, genauso wie feste Wanderschuhe. Alles andere (z.B. Mückenzeug für den Sommer, Steckdosenadapter) kann man sich wirklich alles günstig vor Ort besorgen! Noch ein paar abschließende Tipps: Es ist zwar natürlich schön im ersten Semester zu studieren und direkt aus dem deutschen Winter in den heißen südafrikanischen Sommern zu reisen. Allerdings hat es auch durchaus Vorteile im zweiten Semester nach Südafrika zu kommen. Erstens ist es durchaus nicht schlecht für die Lern-Motivation, wenn es während des Semesters nicht 30 Grad und Sonnenschein draußen sind. Zweitens beginnt der Sommer genau dann, wenn die Uni endet

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und man anfängt zu reisen (im Gegensatz zum ersten Semester). Wenn also Ende Oktober die Uni vorbei ist, beginnt langsam der Sommer und im November ist es schon richtig heiß, wenn man jeden Tag am Strand in Kapstadt liegt. Ich würde es jedem empfehlen zu versuchen nicht nur mit deutschen Auslandsstudenten anzubandeln. Dass oft nur ein paar Marburger Studenten nach Stellenbosch gehen (ich war die einzige in meinem Semester) sollte nicht darüber hinwegtäuschen, was einen in Stellenbosch erwartet: Es gab in meinem Semester über 100 deutsche Studenten. Ich hatte das „Glück“ dass ich die einzige Deutsche in dem Community Development Projekt war und mein Freundeskreis am Ende größtenteils aus Amerikanern und Skandinaviern bestand. Allerdings habe ich es oft gesehen, dass deutsche Studenten nur unter sich sind und das führt natürlich dazu, dass man die Möglichkeit eines interkulturellen Austauschs verpasst und außerdem sein Englisch nicht so stark verbessert. Hier ein paar weitere Sachen:

- Zum Einkaufen in Stellenbosch würde ich den Farmers Market gegenüber vom Pick&Pay empfehlen. Dort kann man günstig Früchte und Gemüse kaufen.

- Das Restaurant Hussar Grill in Stellenbosch (http://www.hussargrill.co.za/): Das beste Steak das ihr jemals gegessen habt! Und man kann wirklich in jedes noch so schicke Restaurant in Südafrika seine eigene(n) Flasche(n) Wein mitnehmen (es wird eine kleine Gebühr für die Öffnung berechnet, allerdings nicht bei Hussar Grill ☺) und immer kostenlos tab water bestellen zum Essen.

- Wein- und Schokoladen-Probe auf dem Lanzerac Weingut (http://www.lanzerac.co.za/)

- In Kapstadt: Die Longstreet (10 min. vom Hauptbahnhof) und der Stadtteil Observatory für Partyfreunde. Tagsüber ist die Longstreet auch ein schöner Ort, um die Seele baumeln zu lassen, z.B. auf dem Balkon des Blue Mountain Backpackers oder im Pan-African-Market (und vor allem im Cafe im 2. Stock).

- An der Kreuzung Long St/ Strand St fahren Minibusse den ganzen Tag über nach Camps Bay für R7 und auch wieder zurück (auch wenn Taxifahrer einem erzählen, dass man nur mit dem Taxi da hin kommt)

Abschließend kann ich sagen, dass ich mein Leben in Stellenbosch sehr vermisse und wünschte, ich hätte zwei Semester dort studiert. Dadurch das Stellenbosch eine sehr konservative Umgebung ist, wird man mit den sozialen Problemen und den „race issues“ wohl viel stärker konfrontiert im Vergleich zur progressiven Atmosphäre in Kapstadt. Ich fand das zwar oft sehr schwierig, doch dieser ständige innere Konflikt mit Stellenbosch und einem Teil seiner Anwohner hat mich sozusagen „re-politisiert“ und zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Land geführt (hier ein offener Brief eines Studenten an den Präsidenten der Universität: http://bonfiire.com/stellenbosch/2012/08/06/open-letter-to-professor-botman-vice-chancellor-and-rector-of-stellenbosch-university/) Bitte schreibt mir, falls ihr irgendwelche Fragen habt und ich wünsche euch eine wunderschöne Zeit in Stellenbosch (und die werdet ihr sicher haben ☺)

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