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EUROPÄISCHEN - uni-muenchen.de · 2006. 12. 18. · Preise zu gewöhnen. Dafür gäbe es noch ... sich mit den Großen der Welt verhandeln und die paar Großen Europas bekämen zu

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Welche Weitsicht!Aus der Pers-pektive der Globalisierung, der welt-

weiten Vernetzung von Wirtschaft undGesellschaft, blickt Europa heute zurückauf die Fünfzigerjahre des letzten Jahr-hunderts: Die Gründung eines gemein-samen Marktes durch den Abschluss derRömischen Verträge im März 1957 er-scheint heute visionär. Doch diese Erin-nerung der Europäer wird geprägt vomGefühl der Selbstverständlichkeit – es istdas „sozialpsychologische Missgeschick“,wie der Politikwissenschaftler WernerWeidenfeld es genannt hat, dass EuropasErfolge konsumiert sind und keine neueZustimmung mehr auszulösen vermö-gen.

Das kühne Konzept der Inte-gration ist in der Banalität des Alltäg-lichen angekommen. Sicher verlangt eszuviel von Politikern, Journalisten undBürgern, stets die Frage nach der Idee Eu-ropas mit zu bedenken, wo es doch umden dritten Absatz eines Paragraphender Dienstleistungsrichtlinie oder die 45.Revision der Zuckermarktordnung geht.

Es fällt nicht leicht, den Wald zu erken-nen, wenn man inmitten der Bäumesteht. In dieser Lage steckt auch eineChance, nämlich die der Wiederentde-ckung Europas, jenseits der lorbeer-baumumstandenen Feierstundenlyrik,des Streichquartetts und Chorgesangsvoll Freude schöner Götterfunken.

Was wäre denn, wenn es diesesEuropa, wenn es diesen Vertragsschlussnie gegeben hätte? Es gäbe den Euronicht und nicht die ganze Mühe, sich andie neue Währung, die Münzen und diePreise zu gewöhnen. Dafür gäbe es nochdie Schublade mit den gesammeltenMünzen und den inzwischen abgelaufe-nen Banknoten aus den Sommerurlau-ben der letzten 20 Jahre, es gäbe wahr-scheinlich häufige Währungsturbulen-zen, wohl mehr Inflation und eine höhe-re Staatsverschuldung. Wenn es die Eu-ropäische Union (EU) nicht gäbe, hättenwir auch den Binnenmarkt nicht, son-dern würden uns wahrscheinlich über diekürzliche Abschaffung der Zollschrankenfreuen, aber mit einer Fülle von Hemm-

nissen leben, über die jeder Produzentvon Waren und Dienstleistungen klagenwürde – kurz, jede Volkswirtschaft würdenach dem Motto leben: So viel Export wienur möglich, aber so viel Import wie ge-rade eben nötig. Vieles wäre teurerwegen der höheren Kosten und des Auf-wandes im Handel, aber das würden wiroft nicht bemerken wegen der Schwan-kungen der zahlreichen Währungen. Esgäbe auch die Freizügigkeit der Men-schen nicht. Wander- und Gastarbeiterwürden von den Regierungen kontin-gentiert, die Anerkennung von Ausbil-dungs- und Hochschulabschlüssen an-derswo wäre die Ausnahme, die ‚Florida-risierung‘ Spaniens ein Fremdwort, dennweder hätten britische, deutsche oder dä-nische Rentner ein Aufenthaltsrecht imSüden, noch könnten sie einfach so ihreRente dorthin mitnehmen.

Wenn es die Römischen Verträ-ge nie gegeben hätte, gäbe es auch kei-ne Handelsmacht EU. Jeder würde fürsich mit den Großen der Welt verhandelnund die paar Großen Europas bekämen

zu spüren, dass sie selbst relativ kleinerwerden. Dafür könnten sie vielleichtnoch auf ihre Nachbarn herabblicken,denn ohne Europa hätte es den AufstiegNorditaliens, das Wirtschaftswunder inIrland und Spanien oder die wirtschaft-liche Wende Finnlands wohl nicht gege-ben. Ohne den Binnenmarkt hätten dieEuropäer auch dessen Wachstumseffek-te nicht ernten können. Vielleicht wärenicht einmal die demokratische Stabi-lität im Süden Europas zu halten gewe-sen, wenn sich die damals jungen neuenDemokratien Griechenland, Portugalund Spanien nicht hätten einordnen undfesthalten können in ein System des stän-digen Interessenausgleichs, der gemein-samen Politik und des für alle geltendenRechts.

Ohne Europa gäbe es keinenGrund, über die Fülle europäischerRechtsvorschriften zu klagen, doch es be-stünde auch kein vergleichbarer Rechts-schutz für Produzenten, Investoren,Händler oder Reisende. Es gäbe auch kei-ne gemeinsame Sprache gegenüber Kon-

In Rom unterzeichnen die sechs EGKS-Staatendie Verträge zur Gründung der EUROPÄISCHEN

WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT (EWG)und der Europäischen Atomgemein-

schaft (Euratom), die als die RÖMISCHENVERTRÄGE bekannt geworden sind.

1957

Die Römischen Verträge treten inKraft. Die Gemeinschaften EWG,

Euratom und EGKS ha-ben zwei gemeinsame Or-

gane: den Gerichtshof und dieParlamentarische Versammlung.Sie hat zu diesem Zeitpunkt 142Abgeordnete und nennt sichvon 1962 an EUROPÄISCHESPARLAMENT.

1958

Aus Rat und Kommission, die bisdahin noch für jede der drei Ge-meinschaften getrennt aufgetre-

ten waren, werdenEINHEITLICHE ORGANE.

1967

Die Abgeordneten des EUROPÄ-ISCHENPARLAMENTSwerden zum

ersten Mal direktgewählt.

1979

Die Europäische Gemeinschaft wächstvon sechs auf neun Staaten: DÄNE-

MARK, GROSSBRITANNIENund IRLAND treten ihr bei.

1973

Die Gemeinschaft wird nach Süden er-weitert: GRIECHENLAND wird Mitglied.

1981

VON JOSEF JANNING AM 25. MÄRZ 2007 JÄHRT SICH DIE UNTERZEICH-NUNG DER RÖMISCHEN VERTRÄGE ZUM 50. MAL. SIE GELTEN ALS DIE „GEBURTSUR-KUNDE“ DER EUROPÄISCHEN UNION. AUS DEM EUROPA DER SECHS GRÜNDERSTAATEN

IST HEUTE EINE GEMEINSCHAFT VON 27 LÄNDERN GEWORDEN, EIN ERFOLGREICHES

MODELL FÜR REGIONALE KOOPERATION UND WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG.

1957 BIS 2007: FÜNFZIG JAHRE RÖMISCHE VERTRÄGEDIE IDEE EUROPA

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10 Deutschland 6/2006 Deutschland 11

flikten und Krisen, die Europa betreffen– das Gegeneinander im Irak-Krieg wäredie Normalität. Es gäbe keine Verzah-nung von Sicherheit, dafür aber mehrSoldaten, mehr Grenzen, aber wenigerInstrumente gegen grenzüberschreiten-de Kriminalität.

Wenn es dieses Europa nichtgäbe, gäbe es auch das Vertrauen nicht,das durch Zusammenarbeit, gemeinsa-me Entscheidungen und gemeinsame In-stitutionen entsteht. Sicher bestündenauch ohne Europa gute oder sogar engeBeziehungen zwischen Nachbarn, dochwer glaubt, deutsche und französischeSpitzenpolitiker würden sich alle sechsWochen zu Arbeitssitzungen treffen,wenn es nicht um Interessen und Ent-scheidungen im EU-Rahmen ginge, derirrt gründlich. Ohne Europa würdenichts mit Mehrheit verabschiedet undvieles würde nie gemeinsam entschie-den. Ohne Europa hätte es den Fall derBerliner Mauer auch geben können, ob-gleich man selbst daran zweifeln kann.Ganz sicher wären die jungen Demokra-tien nicht dort, wo sie heute stehen, viel-leicht hätte es Rückschläge und Sonder-

wege gegeben. Für Polen, Ungarn und al-le anderen waren die EU-Beitrittskrite-rien, die EU-Standards und die EU-Bei-trittshilfe wie ein beidseitiges Geländerauf steiler Stiege. Sicher wäre auch derProzess der deutschen Einheit anders ver-laufen, denn ohne Europa hätte das Miss-trauen gegenüber Deutschland freieBahn haben können. Überhaupt: OhneEuropa hätte es Deutschland, mit seinerGeschichte, seiner Größe und Lage, sei-ner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeitschwerer gehabt. Ihr relatives Überge-wicht hätte die Deutschen belastet, siehätten mit Abwehrreflexen umgehenmüssen und wirtschaftlich unter dieserWahrnehmung gelitten.

Ohne Europa fehlte viel vondem, was unseren Alltag prägt, Wohl-stand schafft und Sicherheit bewahrt.Wenn es also Europa nicht gäbe, so müs-ste es unverzüglich erfunden werden –doch würde es das? Würde unter denheutigen Bedingungen ein solcher Kraft-akt noch einmal gelingen können, wodoch die Politikmüdigkeit groß, derAtem der Akteure kurz und die Symbol-kraft der Nationalstaaten wiederaufge-

blüht ist? Vielleicht nicht, weil das Be-wusstsein der Herausforderung fehlt.Wahrscheinlich doch, denn ohne Euro-pa würde uns die mangelnde Problem-lösungsfähigkeit unserer kleinen Staatensehr viel klarer werden. Wahrscheinlichwürde es deshalb zu einer zumindestähnlichen Form der Integration kom-men, um den Verlust an eigener Gestal-tungskraft in der Globalisierung aufzu-fangen.

Die im März 1957 geschlosse-nen Römischen Verträge setzten sich zu-nächst die Bildung eines gemeinsamenMarktes zum Ziel. Die Wirkung diesesAnsatzes war nicht vorherzusehen, dennseine Dynamik entfaltete sich über dieJahre in den Phasen des Entstehens die-ses Marktes, in der Abschaffung der Zöl-le und mengenmäßigen Beschränkun-gen, in der Vereinheitlichung des Außen-zolls, in der Entwicklung eines europäi-schen Wettbewerbs- und Kartellrechtsbis zum Binnenmarkt und seinen zahl-reichen Folgefragen. Was in der Europa-wissenschaft als „spill-over“ bezeichnetwird, hier war es zu besichtigen: Die Ab-schaffung der Beschränkungen führte zu

DIE INTERESSEN UND D IE S ICHERHEIT EUROPAS IN DIESER WELT ZU WAHREN, DIE VERFLECHTUNG

MIT DER WELT INFOLGE DER GLOBALISIERUNG ZU GESTALTEN UND DAS GLEICHGEWICHT MIT DEN ANDEREN GROSSEN MÄCH-TEN DER INTERNATIONALEN POLITIK ZU HALTEN WERDEN DIE NÄCHSTEN SCHRITTE DER EUROPAPOLITIK SEIN, AN DENEN SICH

DER ZUSAMMENHALT DER EUROPÄER BEWEISEN MUSS.

Mit der Einigung auf die EINHEITLICHE EUROPÄISCHE AKTEwird die Grundlage für die Vollendung des Binnenmarkts und für

den Einstieg in die Europäische Politische Zusammenarbeit ge-schaffen. Die „Süd-Erweiterung“ wird 1986 mit den Beitritten vonSPANIEN und PORTUGAL fortgesetzt.

1986

Durch den VERTRAG VON MAASTRICHT wird dieEuropäische Union (EU) gegründet. Das „Ge-

meinschaftssystem“ erstreckt sichseitdem auch auf die Zusammenar-

beit zwischen den Regierungen der Mit-gliedstaaten auf den Gebieten „Gemeinsa-me Außen- und Sicherheitspolitik“ sowie„Justiz und Inneres“.

1992

Die Gemeinschaft wächst auf 15 Staaten: FINN-LAND, ÖSTERREICH und SCHWEDEN treten bei.

1995

Der EURO wird offiziell in elf Mitglied-staaten als Buchgeld eingeführt, 2002

kommt er auch als Bar-geld in Umlauf. Im Mai tritt

der VERTRAG VON AMSTERDAM inKraft. Die Befugnisse des Europäi-schen Parlaments werden erneutbedeutend erweitert.

1999

Der Konvent zur Zukunft Europaslegt einen Entwurf des Vertrages

über eine VERFASSUNGFÜR EUROPA vor.

2003

Mit dem VERTRAG VON NIZZA bereitet sich die Euro-päische Union auf die Aufnahme von zehn weite-

ren Beitrittsländern vor. Er sieht zu-dem neue Regeln für die Organe der Eu-

ropäischen Union und ihre Funktionsweisevor. GRIECHENLAND tritt als zwölfter Staat derEuro-Zone bei.

2001

Die OST-ERWEITERUNG der EU: Am 1. Mai treten Est-land, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, die Slo-

wakei, Slowenien, Ungarn sowie Mal-ta und Zypern der EU bei. Mit mehr als

450 Millionen Einwohnern und einer Wirt-schaftskraft von 10,7 Billionen Euro ist die EUdamit der größte Binnenmarkt der Welt. Am29. Oktober 2004 unterzeichnen die Staats-und Regierungschefs in Rom den Vertragüber eine Verfassung für Europa.

2004

einem rasanten Wachstum des innerge-meinschaftlichen Warenverkehrs, dieswiederum ließ die nicht-tarifären Han-delshemmnisse zur Wachstumsbremsewerden; deren Abschaffung wiederumbedeutete, dass zwar die Waren, abernicht die Transporteure ohne Kontrolledie Grenzen passieren durften, was mitAbschaffung der Personenkontrollen ge-mäß Schengener Abkommen gelöst wur-de, nun aber eine stärkere Verzahnungder inneren Sicherheit zur Abwehrgrenzüberschreitender Kriminalität be-dingte. Wirkungsketten dieser Art lassensich dutzendfach aufzeigen – sie allekennzeichnet eine gemeinsame Basis:die Gründung der Europäischen Wirt-schaftsgemeinschaft (EWG) durch dieRömischen Verträge.

Die Attraktivität dieses Mo-dells in wirtschaftlicher wie politischerHinsicht spiegelt seit Jahrzehnten die Er-weiterung der Integration. Weder dieEWG noch die Europäische Gemein-schaft (EG) oder die Europäische Unionhaben je eine aktive Erweiterungspolitikbetrieben, sondern vielmehr dem Druckder Beitrittsbegehren nachgegeben: zu-p

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12 Deutschland 6/2006

erst aus den Staaten der Efta, einem Frei-handelsverbund, dann vonseiten derneuen Demokratien im Süden, dann wie-der durch den Beitritt weiterer Efta-Staa-ten und schließlich in der Öffnung nachOsten und zum Balkan. Die Fragen derReform und der politischen Ordnung derEU, die die europäische Politik heute be-stimmen, sind direkte Konsequenz derEntfaltung des gemeinsamen Marktesund der Aufnahme neuer Mitglieder. Dieheutige Krise, ausgelöst durch die beidennegativen Referenden zum Verfassungs-vertrag, hat etwas von einer Wohl-standskrankheit. Sie ist das Ergebnis desgroßen Erfolgs und der Anziehungskraftder Europäischen Union, die Europastark und seine Nationen selbstbewusstgemacht hat. Ohne diesen Erfolg hätte esdes Verfassungsvertrages nicht bedurft,ohne die Verfassung jedoch steht derkünftige Erfolg in Frage.

Europas Politikern bleibt zutun, was sie seit Aushandlung der Römi-schen Verträge immer wieder zu tun hat-ten: einen anderen Weg, eine andereStrategie oder einen neuen Ansatz zu fin-den, wenn das Projekt der Integration indie Krise gerät. Wie die Bürger Europasauch tun sich die Europapolitiker schwermit der Größe der heutigen EU, der Viel-falt der Interessen ihrer Mitglieder und

der Umständlichkeit ihrer Verfahren. Esgelingt bisher nicht, eine neue Balancezwischen groß und klein, reich und armzu finden. Die Integration ist seit ihrenAnfängen auch ein soziales Projekt, einInteressenausgleich zwischen industriel-lem Wachstum und Freihandel auf dereinen Seite und Einkommenssicherungund Entwicklung für die Landbevölke-rung auf der anderen Seite. Seit ihren An-fängen haben die einkommensstarkenRegionen der Gemeinschaft die einkom-mensschwächeren gestützt und vor al-lem zum Ausbau der Infrastrukturen imländlichen Raum beigetragen. Auch die-ses Bündnis ist in der EU der 27 in Bezugauf die heutigen sozialen Fragen neu zubestimmen.

In der Welt zählt die EuropäischeUnion zu den Akteuren mit weltpoliti-schem Potenzial. Doch Europa ist verletz-lich; seine Lebensadern verlaufen weitjenseits seiner Grenzen und seine Nach-barschaft ist unruhig. Von den Migra-tionswellen aus Nordafrika im Südwes-

ten, dem Nahost-Konflikt, der Lage imIrak und im Iran, den Konflikten des Kau-kasus und Zentralasiens reicht der Bogender Herausforderungen bis nach Moskauund zu den nuklearen Hinterlassenschaf-ten der Sowjetunion auf dem U-Boot-Friedhof bei Murmansk im Nordosten. Zu-nehmend wird Europa zum direktenNachbarn dieser Konflikte sowie zumAdressaten der Wünsche und Forderun-gen anderer Staaten und Regionen.

Die Interessen und die Sicher-heit Europas in dieser Welt zu wahren,die Verflechtung mit der Welt infolge derGlobalisierung zu gestalten und dasGleichgewicht mit den anderen großenMächten der internationalen Politik zuhalten werden die nächsten Schritte derEuropapolitik sein, an denen sich der Zu-sammenhalt der Europäer beweisenmuss. Dazu bedarf es einer neuen Ideefür Europa, die nicht weniger ambitio-niert ausfallen sollte als die Gründungs-idee, einen gemeinsamen Markt zuschaffen.

Deutschland übernimmt im ersten Halb-jahr 2007 die EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT.

BULGARIEN und RUMÄNIENtreten der Europäischen Union

bei und erhöhen damit die Zahl derMitgliedsländer auf 27. In SLOWENIENwird der Euro eingeführt.

2007

WAS IST EIGENTLICH DIE EUROPÄISCHE RATSPRÄSIDENTSCHAFT?Der Begriff der Ratspräsidentschaft steht für den Vorsitz im Rat der Europäischen Union

(Ministerrat, siehe Seite 16), der alle sechs Monate auf ein anderes Mitgliedsland wechselt. Die

Regierungsmitglieder des Landes, das die Präsidentschaft innehat, bestimmen während eines

halben Jahres die europäische Tagesordnung und leiten die Sitzungen des Ministerrats. Zu den

Aufgaben des Ratsvorsitzes gehören außerdem die Organisation und Vorsitzführung bei allen

Treffen des Europäischen Rates, den so genannten „Gipfeltreffen“ der Staats- und Regierungs-

chefs, und der dem Ministerrat zuarbeitenden Ausschüsse und Arbeitsgruppen sowie die Ver-

tretung der EU in internationalen Organisationen und gegenüber Drittstaaten. Die Reform des

Vorsitzes im Ministerrat ist eine viel diskutierte Frage, bei der es vor allem darum geht, wie die

Arbeiten des Rates inhaltlich kontinuierlicher über einen längeren Zeitraum gestaltet werden

können. Zum zwölften Mal seit 1958 übernimmt Deutschland am 1. Januar 2007 die EU-Rats-

präsidentschaft, vom 1. Juli 2007 an folgt Portugal und in der ersten Jahreshälfte 2008 – als

erster der am 1. Mai 2004 beigetretenen neuen Mitgliedstaaten – Slowenien.

Im April werden die Beitrittsverträge mit BULGARIEN und RUMÄNIEN unterzeich-net. Am 29. Mai und 1. Juni stimmt die Bevölkerung in Frankreich und den Nieder-

landen gegen den Verfassungsvertrag. Die negativen Referenden lö-sen eine Reflexionsphase über die Zukunft der Union aus. Im Oktober

nimmt die Europäische Union Beitrittsverhandlungen mit der TÜRKEI undKROATIEN auf.

20051 Schweden 2 Finnland 3 Irland4 Vereinigtes

Königreich5 Dänemark6 Estland7 Lettland8 Litauen9 Polen10 Deutschland11 Niederlande12 Belgien13 Luxemburg14 Tschechien15 Slowakei16 Österreich17 Ungarn18 Slowenien19 Malta

20 Frankreich21 Portugal22 Spanien23 Italien24 Rumänien25 Bulgarien26 Griechenland27 Zypern

Beitrittsver-handlungenaufgenommen:

28 Kroatien29 Türkei

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HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH, EUROPA!

Im Jahr 2007 feiert Europa den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen

Verträge, der „Geburtsurkunde“ der EU. In Berlin findet am Jahrestag, dem 25. März,

ein Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs statt. In einer „Berliner Erklä-

rung“ sollen die Ziele der EU bekräftigt werden. Welcher Ort wäre unter der deutschen

Präsidentschaft besser geeignet, um die Zukunft der europäischen Einigung zu disku-

tieren? Schließlich gilt Berlin überall als ein Symbol für die Überwindung der Spaltung

des Kontinents. Das Logo zum Jahrestag entwarf der polnische Designstudent Szy-

mon Skrzypczak. Er gewann den ersten Preis eines Wettbewerbs der EU-Kommission.

27 LÄNDER – EINE UNION

JOSEF JANNING GEHÖRT DER GESCHÄFTSLEITUNG DER

BERTELSMANN STIFTUNG AN. DER POLITIKWISSENSCHAFTLER IST

ZUDEM STELLVERTRETENDER DIREKTOR DES CENTRUMS FÜR ANGE-WANDTE POLITIKFORSCHUNG (CAP) AN DER LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN.

Der EU-Binnenmarkt Zahlen & Fakten

Der Begriff „Binnenmarkt“ bezeichnet einen Wirt-

schaftsraum ohne Grenzkontrollen und Zollschran-

ken. Als Eckpfeiler des seit Januar 1993 bestehen-

den europäischen Binnenmarktes gelten die „Vier

Freiheiten“ – der freie Verkehr von Personen, Waren,

Dienstleistungen und Kapital. Diese Freiheiten sind

im Vertrag zur Gründung der EU festgeschrieben.

Konkret bedeutet das für die Bürgerinnen und Bürger

der EU, dass sie in allen Ländern der Union leben,

arbeiten, studieren und ihren Geschäften nachgehen

können. Die Einführung des Euro im Jahr 2002 war

ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem

einheitlichen Markt.

Mit 27 Ländern und rund 480 Millionen Verbrauchern

ist der europäische Binnenmarkt der größte Markt

der Welt. Die Pluspunkte sind klar: Ohne die Zoll-

schranken ist ein intensiverer Wettbewerb unter den

Firmen und Dienstleistern der einzelnen Länder

möglich – und das kann den Verbrauchern zugute

kommen, in Form von einer größeren Auswahl, nie-

drigeren Preisen und auch im Verbraucherschutz.

Trotz seiner Erfolge ist der Binnenmarkt immer noch

nicht vollendet. Da die EU nicht über ein gemeinsa-

mes Gesellschaftsrecht verfügt, muss der europäi-

sche Binnenmarkt über von allen Mitgliedern aner-

kannte Richtlinien reguliert werden. Darin besteht,

gegenüber den ökonomischen Vorteilen, die größte

Herausforderung des gemeinsamen Marktes.Ber

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