87
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Fakultät für Bauingenieur-, Geo- und Umweltwissenschaften Institut für Regionalwissenschaft Regionalwissenschaftliche Exkursion Vorarlberg, Österreich 19. bis 23. September 2011

Exkursionsprotokoll2011

  • Upload
    jamilbd

  • View
    131

  • Download
    5

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Exkursionsprotokoll2011

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Fakultät für Bauingenieur-, Geo- und Umweltwissenschaften

Institut für Regionalwissenschaft

Regionalwissenschaftliche Exkursion Vorarlberg, Österreich

19. bis 23. September 2011

Page 2: Exkursionsprotokoll2011

1

EXKURSIONSTEILNEHMER

Exkursionsleiter/Referenten: Herkunftsland

Prof. Dr. J. Vogt (Leiter IfR) Deutschland

Dr. A. Megerle (Wiss. Mitarbeiter IfR) Deutschland Studenten:

Adebi, Yasmina Benin

Burkart, Sven Deutschland

Edea, Emile Benin

Gustiana, Nina Indonesien

Heckner, Ralf Deutschland

Herrera, Rocio Juliana Argentinien

Islam, Md. Shamimul Bangladesh

Koukoubou, Aymar Godfried Benin

Porst, Luise Deutschland

Soares Rocha, George Ronesle Brasilien

Youssouf, Mamoudou Ag Mali Doktorandinnen (IfR):

Moncada, Patricia Honduras

Rahadini, Ari Indonesien

Page 3: Exkursionsprotokoll2011

2

INHALTSVERZEICHNIS

I. Einführung – Der Zweck regionalwissenschaftlicher Exkursionen 4

1. Exkursionstag 1 7

1.1. Fahrt zum Exkursionsziel – Routenbeschreibung 7

1.2. Literaturverzeichnis Exkursionstag 1 16

1.3. Abbildungsverzeichnis Exkursionstag 1 17

2. Exkursionstag 2 18

2.1. Begründung und Methodik der Landesgeschichte im Kontext

regionalwissenschaftlicher Exkursionen 18

2.2. Die Walser in Vorarlberg im europäischen historischen Kontext 20

2.3. Die Besiedlungsgeschichte der Alpen 21

2.4. Der Kernsiedlungsraum der Walser in Vorarlberg 27

2.4.1. Laterns 27

2.4.2. Bad Innerlaterns 28

2.4.3. Maiensäss und Alp- bzw. Almwirtschaft 29

2.4.4. Am Furkajoch 30

2.4.5. Damüls 31

2.4.6. Biosphärenpark Großwalsertal 32

2.4.7. Faschinajoch 34

2.4.8. Raggal 35

2.5. Literaturverzeichnis Exkursionstag 2 35

2.6. Abbildungsverzeichnis Exkursionstag 2 36

3. Exkursionstag 3 38

3.1. Die Entstehung der Alpen 38

3.2. Alpen: Pleistozäne und holozäne Überprägung 42

3.3. Höhenstufen und Lebensräume 44

3.4. Literaturverzeichnis Exkursionstag 3 49

3.5. Abbildungsverzeichnis Exkursionstag 3 49

4. Exkursionstag 4 51

4.1. Einleitung 52

4.2. Dornbirn 52

4.3. inatura 52

4.3.1. Geschichte des Standorts von inatura 52

4.3.2. inatura heute 53

4.4. Fußexkursion entlang des Steinebachs/Fischbachs in Dornbirn 55

4.5. Flora und Fauna im Steinebach/Fischbach und Uferbereich 56

4.6. Naturschutzprojekt Fischbach 62

4.7. Besuch eines Walserhauses in Laterns 64

4.8. Literaturverzeichnis Exkursionstag 4 68

4.9. Abbildungsverzeichnis Exkursionstag 4 69

Page 4: Exkursionsprotokoll2011

3

5. Exkursionstag 5 70

5.1. Fahrtroute 70

5.2. Beschreibung des Bodenseeraums 71

5.3. Der Bodensee: unterschiedliche Nutzungen, vielfältige Nutzungskonflikte 73

5.3.1. Siedlungsraum 73

5.3.2. Der Bodensee als Trinkwasserspeicher 75

5.3.3. Industrieraum 76

5.3.4. Fischerei 77

5.3.5. Landwirtschaft 78

5.3.6. Tourismus 79

5.3.7. Der Bodensee als Verkehrsraum 80

5.4. Natur- und Wasserschutz 81

5.5. Internationale Kooperation 82

5.6. Literaturverzeichnis Exkursionstag 5 84

5.7. Abbildungsverzeichnis Exkursionstag 5 84

6. Fazit aus Sicht der Exkursionsteilnehmerinnen und –teilnehmer 86

Die Quellennachweise der Abbildungen und Graphiken finden sich am Ende des jeweiligen

Kapitels

Redaktion: Prof. Dr. J. Vogt, Dr. A. Megerle, Luise Porst

Page 5: Exkursionsprotokoll2011

4

I. Einführung – Der Zweck regionalwissenschaftlicher Exkursionen

Joachim Vogt, Exkursionsleiter

Es sollte – zumindest im akademischen Umfeld - eine Selbstverständlichkeit sein, sein jeweiliges

Handeln rational begründen und es gegen sachlich vorgebrachte Zweifel verteidigen zu können,

gegebenenfalls mit der Bereitschaft, es aufgrund begründeter Kritik zu ändern. Dies muss besonders

für universitäre Lehrveranstaltungen gelten und selbstverständlich auch für eine universitäre

Exkursion. Es ist um so notwendiger, je mehr Exkursionspunkte in landschaftlich schönen

Erholungsgebieten liegen, denn dies nährt den Verdacht, eine Ausflugsfahrt zu unternehmen, wie

dies auch während der Exkursion unter dem Stichwort des Tourismus beobachtet und analysiert

wird.

Es muss also einleitend die Frage nach dem Ziel und Zweck einer regionalwissenschaftlichen

Exkursion gestellt und beantwortet werden. Dies kann nur unter Rückgriff auf das Ziel der

Regionalwissenschaft erfolgen, wie es dem Masterstudiengang am Karlsruher Institut für

Technologie, der ehemaligen Universität Karlsruhe, zugrunde liegt. Die notwendige Kürze einer

solchen Erklärung an dieser Stelle ist nur mit Verweis auf die entsprechenden ausführlichen

Begründungen in den Vorlesungen zu rechtfertigen.

Jedes Projekt, also eine zu lösende Planungsaufgabe, und jedes zu analysierende Problem, ist durch

Rahmenbedingungen bestimmt und so von diesen abhängig. Daher ist es nur unter Einbeziehung

dieser zu erklären und zu lösen, und jede Lösung hat Wirkungen auf die Rahmenbedingungen und

entfaltet dort – oft unerwartete oder unerwünschte – Wirkungen. Dies nennen wir das

Kontextproblem und fragen danach, welcher Art diese Kontexte sind und wie sie systematisch in die

Analyse mit einbezogen werden. Es sind drei Dimensionen, in denen dies erfolgen muss,

• fachlich, indem unterschiedliche Fachgebiete der spezialisierten Wissenschaft mit berührt und

damit mit einbezogen werden müssen (dies begründet den interdisziplinären Ansatz der

Regionalwissenschaft),

• räumlich, indem jedes Projekt in eine räumliche Situation eingebunden ist und mit ihr in

Wechselwirkung steht (dies begründet u.a. die Zuordnung der Regionalwissenschaft zu den

Raumwissenschaften einschließlich der Bearbeitung von raumtheoretischen Überlegungen) und

• zeitlich, indem jede Maßnahme eine vergangene Entwicklung mit all ihren sichtbaren und nicht

sichtbaren aktuellen Folgen fortsetzt und damit – bewusst oder unbewusst – Brüche, also

Konflikte erzeugen kann, aber auch, indem eine Maßnahme die zukünftigen Möglichkeiten in

mehr oder weniger engem Rahmen begrenzt.

Die fachliche Kontextualisierung wird offensichtlich mit der Vergegenwärtigung des Problems, dass

wir in der Wissenschaft unsere Beobachtungen, die wir an einem Ort und zu einer Zeit

zusammenhängend machen, Fächern zuordnen, welche eigene Methoden und Techniken als

Erkenntnispfade entwickelt haben und diese gegeneinander abgrenzen, so dass der Zusammenhang,

der offenkundig vorhanden ist, verloren geht. Die Wissenschaft schafft also (mit zunehmender

Tendenz) künstliche Grenzen, welche zwar einerseits in spezialisierten Themenfeldern Erkenntnisse

ermöglichen, deren Zusammenhänge mit anderen Themenfeldern aber immer weiter in den

Hintergrund drängen. Ähnliche Probleme bestehen bei zeitlichen und räumlichen Kontexten.

Page 6: Exkursionsprotokoll2011

5

Es ist also stets die Aufgabe, in einer Analyse diese Dimensionen des Kontextes zu erfassen und die

Konsequenzen für die Lösung von Problemen daran auszurichten (Abb. I).

Abb. I: Kontexte eines Projekts (einer Planung, eines Untersuchungsobjekts) in der regionalwissenschaftlichen Analyse

Schließlich versteht sich Regionalwissenschaft als handlungsorientierte Wissenschaft, die den Zweck

der Anwendung ihrer Ergebnisse in den räumlichen Planungen verfolgt. Damit hat das Fach folgendes

Selbstverständnis:

Die Regionalwissenschaft untersucht mit sozialwissenschaftlichen, ökonomischen und

naturwissenschaftlichen Methoden, welche sie den Nachbarwissenschaften entlehnt, regionale

Verteilungsmuster, Prozesse und Konflikte (Regionalanalyse), um Regelhaftigkeiten zu ermitteln,

künftige Entwicklungen abzuschätzen (Regionalprognostik) und die ablaufenden Prozesse zu

beeinflussen (Regionalpolitik und Regionalplanung).

Die Vermittlung der theoretischen und fachlichen Grundlagen für die Regionalanalyse sind Themen

der Vorlesungen und Seminare, ebenso die Vermittlung von Methoden und Techniken der

räumlichen Planung. Dabei muss notwendigerweise ein separativer Ansatz verfolgt werden, bei

welchem die Inhalte zwar in logischer Folge, aber nacheinander und voneinander getrennt

dargestellt werden. Die anschließend notwendige Integration muss projektbezogen exemplarisch

erfolgen. Dem dient eine Exkursion. Dabei werden möglichst unterschiedliche Untersuchungsobjekte

besucht, um sie in ihren jeweiligen Begründungszusammenhängen, den fachlichen, räumlichen und

zeitlichen Kontexten zu erfassen und sie sowie mögliche Maßnahmen in ihren erwünschten und

unerwünschten Wirkungen zu bewerten.

Dazu ist es in der täglichen Praxis der Regionalwissenschaft erforderlich, die Grundlagen der Analyse

zu erarbeiten, ein häufig aufwändiger und schwieriger Vorgang. Während einer Exkursion kann dies

Page 7: Exkursionsprotokoll2011

6

durch Vorbereitung nur teilweise erfolgen, zu breit gestreut sind die Themen und zu begrenzt die

Zeit. Daher übernehmen die Lehrkräfte, unterstützt durch externe Fachleute, diese Aufgabe. Die

Studierenden haben nun nicht etwa die Aufgabe, dieses Wissen nur abfragbar zu protokollieren und

zu aggregieren, sondern es zu verarbeiten, indem Kontexte hergestellt und Wechselwirkungen

überprüft werden. Daher beschränkt sich das Protokoll auch nicht auf die Wiedergabe des jeweils

Gehörten, sondern auf die Verarbeitung und integrierende Analyse des Gehörten, Beabachteten,

Gewussten und Erschlossenen.

Abweichend von der logisch-systematischen Sequenz der Inhalte in den Vorlesungen werden die

Inhalte auf der Exkursion objektbezogen zusammengefasst, also in einer anderen Folge erarbeitet,

die sich aus den konkreten sachlichen Voraussetzungen sinnvoll ergibt.

Da auf vorausgesetztem Wissen, insbesondere den Inhalten vorbereitender Lehrveranstaltungen,

aufgebaut wird, haben die Ausführungen vor Ort ergänzenden Charakter. Dies gilt besonderes für die

fachlichen und räumlichen Kontexte. Da die zeitlichen Kontexte (im speziellen Curriculum in

Karlsruhe) nicht systematisch erarbeitet wurden, hat die Darstellung der zeitlichen Kontexte, also der

historischen Wurzeln der untersuchten Probleme in den untersuchten Räumen (Orte, Landschaften,

Regionen) und ihre spezifische Konstruktion und Darstellung mehr grundlegenden Charakter. Dabei

wird versucht, die historischen Bedingungen gegenwärtigen Wahrnehmens und Handelns zu

begreifen sowie die Bedingungen und Wechselwirkungen zwischen lokaler, regionaler, nationaler

und auch globaler Ebene zum jeweiligen Zeitpunkt aufzuzeigen. Es wird auch danach gefragt, wie und

mit welchem Ziel das jeweils für verbindlich erklärte Konstrukt der Geschichte definiert, als

verbindlich dargestellt und durchgesetzt wurde und wie es als wesentliche Legitimation des

gesellschaftlichen Handelns instrumentalisiert wurde und wird.

Wenn erforderlich, werden auch zu den Lehrveranstaltungen komplementäre fachliche Grundlagen

vermittelt, beispielsweise bei der Geologie, ohne deren Grundverständnis räumliche

Zusammenhänge – besonders im Alpenraum – nicht erfasst werden können.

Das Ziel der Regionalwissenschaft, dies alles in der erforderlichen Tiefe zu verwirklichen, ist

anspruchsvoll, der Weg dorthin jedoch auch sehr erkenntnisreich und befriedigend. Auch wenn –

gerade bei studentischen Versuchen – das Ziel nicht ganz erreicht wird, so hat doch auch der nur

teilweise zurückgelegte Weg seinen Wert.

Eine letzte Bemerkung erfolgt bezüglich des Untersuchungsraumes. Es handelt sich, wie einleitend

bemerkt, um touristisch beliebte Erholungsräume, den Bodensee, das Alpenrheintal und Vorarlberg.

Jedoch ist nicht der touristische Wert die Begründung für die Wahl des Ziels, sondern seine

naturräumliche, politische, ökonomische und kulturelle Vielfalt. Im Vierländereck aus der Schweiz,

Österreich, Liechtenstein und Deutschland (aus bayerischer Perspektive wäre möglicherweise auch

von einem Fünfländereck zu sprechen) überlagern sich sehr unterschiedliche Kulturen

grenzüberschreitend und legen eine kulturvergleichende und interkulturell vermittelnde Analyse

nahe, wie sie dem internationalen Studiengang entspricht.

In den von den Walsern besiedelten Hochlagen Vorarlbergs sollen zudem die historischen und

aktuellen Anpassungsformen im Höhengrenzsaum der Ökumene besprochen werden. Dort fanden

sich in der Vergangenheit ähnliche Aufgabenstellungen, wie sie in vielen Mangelökonomien der Erde

aktuell bestehen. Hier wie bei anderen Themen bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, konkrete

Inhalte zu abstrahieren, daraus allgemeines Wissen zu erhalten und dies in andere Räume der Erde

zu übertragen. Die Unterbringung in einem ehemaligen Walserhaus in Laterns ist daher kein Zufall,

sondern bewusst erfolgt.

Page 8: Exkursionsprotokoll2011

7

1. EXKURSIONSTAG 1, Montag 19.09.2011 Godfried Koukoubou, Sven Burkart

Programm

Abb. 1.1: Fahrtroute zum Exkursionsziel Laterns, mit Zwischenstopp am Gehrenberg bei Markdorf

Zeit Ort/Themen/Aktivitäten Beteiligte/Referenten

08:30 – 09:30 Uhr Vorbesprechung (KIT) Alle

09:30 – 12:30 Uhr Karlsruhe – Gehrenberg bei Markdorf (Bodensee)

12:30 – 14:00 Uhr

Begehung des Aussichtsturms und der Umgebung:

Naturräumliche Kontextualisierung (Geologie,

Vegetation, Nutzungen) und Einführung in den

Bodenseeraum: Eiszeiten,

Kulturlandschaftsgeschichte, etc.

J. Vogt

A. Megerle

14:30 – 16:45 Uhr Gehrenberg – Laterns (über Rankweil)

16:45 – 17:30 Uhr Ankunft Seminarhaus fibe Alle

20:00 – 21:15 Uhr Reflexion des ersten Exkursionstags Alle

Page 9: Exkursionsprotokoll2011

8

1.1 Fahrt zum Exkursionsziel – Routenbeschreibung

Abb. 1.1 zeigt die in süd-südöstliche Richtung verlaufende Fahrtstrecke von Karlsruhe zum Bodensee.

Die Fahrtroute führte zunächst auf der A 5 bis zum Autobahndreieck Karlsruhe, danach auf der A 8

Richtung Stuttgart. Kurz nach dem Wechsel der Autobahnen wurde der Naturraum „Oberrheinische

Tiefebene“ verlassen, was u. a. an den Buntsandsteinaufschlüssen links der Autobahn deutlich

wurde.

Der Buntsandstein bildet die erste Schichtstufe der südwestdeutschen Schichtstufenlandschaft. Er

besteht vor allem aus rötlichen Sandsteinformationen. Abgelagert wurden diese vor etwa 251 Mio.

Jahren in flachen Becken von Flusssystemen (vgl. HUTH/JUNKER 2004: 13). Buntsandstein stellt einen

wichtigen Baustoff dar, der u.a. zur Errichtung diverser großer Bauwerke in der Region diente, wie

bspw. beim Schloss Heidelberg oder dem Freiburger Münster.

Kurz vor Pforzheim macht sich die Muschelkalk-Hauptschichtstufe an einer starken und langen

Steigungsstrecke bemerkbar. Der Muschelkalk stellt die chronologisch zweitälteste Sedimentschicht

der Schichtstufenlandschaft dar. Ihre Ablagerung vollzog sich im Mittleren Trias (bis vor ca. 235 Mio.

Jahren). Die bis zu 200 m mächtige Muschelkalkschicht besteht in der oberen Lage vorwiegend aus

grauen Kalksteinen, in der Mitte herrschen Dolomite, Tonsteine, Gipse und Steinsalze vor. Auf dem

Muschelkalk konnten sich meist sehr fruchtbare Böden entwickeln (Lößauflage), welche intensiver

ackerbaulicher Nutzung zugeführt werden (HENNNGSEN/KATZUNG 2006: 110).

Die Entstehung der Schichtstufenlandschaft begann vor ca. 65 Mio. Jahren (Ende des Mesozoikums).

Damals standen hier Sedimentgesteine des Buntsandsteins, des Muschelkalks, des Keupers und des

Jura in einer Mächtigkeit von 2000m an (vgl. AHNERT 2003: 317ff.). Durch den Einbruch des

Oberrheingrabens im frühen Tertiär wurden Schwarzwald und Vogesen als Pultschollen hoch

gehoben, so dass diese Sedimentgesteine schräg gestellt wurden und durch nachfolgende

Abtragungsprozesse Schichtstufen entstanden. Seit dieser Zeit werden diese Schichtstufen durch

weitere Abtragung nach Südosten verlagert, so dass die höchste Schichtstufe des Jura sich heute im

Raum Reutlingen befindet (Trauf der Schwäbischen Alb).

Die nördlich an Pforzheim, was seiner Schmuckindustrie wegen als „Goldstadt“ Bekanntheit erlangte,

vorbeiführende A 8 verläuft in etwa entlang der Naturraumgrenze zwischen dem Kraichgau (nördlich)

und dem Nördlichen Schwarzwald (südlich).

Kurz vor dem Autobahnkreuz „Stuttgarter Kreuz“ mit der A 81 wird eine dritte mächtige Schichtstufe

erreicht, die Keuperstufe. Keuper bezeichnet die Schichtstufe des Späten Trias (vor ca. 235 – 200

Mio. Jahren). Sie stellt die lithologisch abwechslungsreichste Gruppe des Mesozoikums dar, was sich

insbesondere durch die unterschiedliche Färbung der Tonsteine (rotbraun, grün, grau, gelblich und

schwarz) bemerkbar macht, aber auch durch das Vorkommen verschiedener Sandstein-, Dolomit-

und Kalksteinbänken (vgl. GEYER/GWINNER, 2011). Die Mächtigkeit des Keupers ist im

Südwestdeutschen Schichtstufenland am größten. Erwähnenswert ist der innerhalb der Schichten

liegende sog. Stubensandstein, welcher v.a. früher als Streu- und Scheuersand für Straßen und

Holzfußböden genutzt wurde (vgl. MINISTERIUM FÜR UMWELT, KLIMA UND ENERGIEWIRTSCHAFT BADEN-

WÜRTTEMBERG 2011).

Am Autobahnkreuz Stuttgart wurde die A 8 in Richtung Süden verlassen und auf die

Page 10: Exkursionsprotokoll2011

9

„Bodenseeautobahn“, die A 81 gewechselt.

Kennzeichnend für den Großraum Stuttgart ist insbesondere die Automobilindustrie und deren

Zulieferbetriebe, was v.a. beim Passieren der Stadt Sindelfingen sichtbar wird (Werke der Daimler

AG). Kurz darauf wurde der ca. 15.600 ha große „Naturpark Schönbuch“ in einem Tunnel

durchfahren (vgl. NATURPARK SCHÖNBUCH 2011). Bedingt durch seine Geologie (Dominanz relativ

nährstoffarmer Keupersandsteine wie dem Stubensandstein) und seine Nutzungsgeschichte (früherer

Jagdbann der württembergischen Territorialherren) zeichnet sich dieser Naturpark durch seinen sehr

hohen Waldanteil und eine geringe Besiedlung aus. Insbesondere für die Kurzzeit- und Naherholung

der Bevölkerung aus den umliegenden stark besiedelten Gebieten besitzt dieser Naturpark eine

große Bedeutung.

Nach Passieren des Schönbuch-Tunnels kamen bereits die Juraschichtstufen der Schwäbischen Alb

und ihres Vorlandes in Sicht.

Der Jura wird normalerweise in drei verschiedene Gesteinsformationen untergliedert:

Schwarzer Jura (Lias): Diese zu Beginn des mittleren Mesozoikums (vor etwa 200 Mio. – 175 Mio.

Jahren) entstandene Schichtstufe besteht vornehmlich aus dunklen Tonsteinen (vgl. HENNINGSEN

/KATZUNG 2006: 110). Beim Abbau von Mergel-Zwischenlagen (Mergel = Sedimentgestein aus einem

Gemisch aus Ton und Kalk) aus dieser Gesteinsschicht stieß man auf darin befindliche fossile Reste,

beispielsweise in der Nähe des Ortes Holzmaden. Dabei handelt es sich u. a. um versteinerte Skelette

von Meeressauriern, u.a. Ichthyosaurus (Stenopterygius quadriscissus, GEYER/GWINNER 2011: 220ff.).

Brauner Jura (Dogger): Die Sedimente des Braunen Jura, welche aus dem mittleren Mesozoikum (vor

ca. 175 Mio. – 150 Mio. Jahren) stammen, überlagern die Gesteinsschicht des Schwarzen Jura und

treten in einer Mächtigkeit von bis zu 280m auf (vgl. HUTH/JUNKER 2004: 14), im mittleren und

nördlichen Oberrheingraben auch bis zu 400m (vgl. GEYER/GWINNER 2011: 246). Die

landwirtschaftliche Nutzung der darauf entstandenen Böden paust häufig die Eigenschaften der

Gesteine durch. So finden sich Wiesen und Streuobstwiesen über tonreichen, Ackerflächen hingegen

über sandreicheren Formationen (vgl. HENNINGSEN /KATZUNG 2006: 110).

Weißer Jura (Malm): Die oberste Gesteinsschicht des mittleren Mesozoikums, der Weiße Jura bzw.

Malm lässt sich hinsichtlich seiner Ablagerung in den Zeitraum vor 150 Mio. – 135 Mio. Jahren

einordnen. Insbesondere auf der Schwäbischen Alb finden sich teilweise bis zu 400m mächtige

Schichten (vgl. GEYER/GWINNER 2011). Diese verwitterten Kalksteinformationen sind als Ablagerungen

des damaligen Jurameeres entstanden, worauf auch Überreste riffartiger, von Schwämmen, Algen

und Bakterien erzeugter Gebilde hinweisen (vgl. HENNINGSEN /KATZUNG 2002 2002: 110).

Während der Kreidezeit (vor ca. 135 Mio. – 65 Mio. Jahren) erfolgte dann die Aufwölbung der

Gesteinsschichten aus dem jurazeitlichen Meer, womit die Bildung des Süddeutschen

Schichtstufenlandes begann (s.o.). Aus dieser Zeit sind in Südwestdeutschland bislang keine

Ablagerungen nachgewiesen, wohl eine Folge der Tatsache, dass diese Region damals

Abtragungsgebiet war.

Weitere hervorzuhebende Orte vor dem Erreichen des Bodenseeraums sind die Städte Oberndorf am

Neckar (Waffenindustrie) und Trossingen (Musikinstrumente). Kurz nach Erreichen des durch

Page 11: Exkursionsprotokoll2011

10

herauspräparierte Vulkanschlote geprägten Hegaus unweit von Singen im Hohentwiel wurde auf die

A 98 gewechselt.

Infolge vulkanischer Aktivitäten vor etwa 15 Mio. Jahren im Mittelmiozän sowie im Alttertiär bildeten

sich im Hegau über 300 Einzelschlote heraus, von denen allerdings viele die Oberfläche nicht

erreichten. Erst im Zuge der Erosionsprozesse, vor allem während der glazialen Überprägung

während der letzten Eiszeit, wurden diese Gesteinskuppen freigelegt und bilden heute die

Vulkankegel im Hegau (vgl. EBERLE et al. 2010: 51).

Die A 98 endet hinter Stockach. Dieses Phänomen und die vielen Grünbrücken über die an die A 98

anschließende B 31 sind Indikatoren für die starken Konflikte zwischen den Belangen des

Fernstraßenbaus und des Naturschutzes in dieser sensiblen Landschaft.

Klimatisch bedingt weist die Bodenseeregion eine Vielfalt an Sonderkulturen auf. So finden sich hier

v.a. Obstplantagen (Äpfel, Birnen, Kirschen), im westlichen (Raum Meersburg - Hagnau) und östlichen

Teil des Bodenseenordufers (Raum Kreßbronn) findet sich Weinanbau. Dazu kommt Hopfenanbau im

Raum Tettnang – Kreßbronn und weitere Sonderkulturen wie Erdbeeranbau. Der Bodensee mit

seinen Anrainergemeinden besitzt außerdem eine hohe Bedeutung als Tourismusdestination, sowohl

hinsichtlich Tages- als auch Übernachtungsgästen (vgl. HUTH/JUNKER 2006: 8).

Der erste Zwischenstopp der Exkursion erfolgte gegen Mittag am Gehrenberg bei Markdorf, wo sich

auf einer Höhe von 704 m ü. N.N. ein stählerner Aussichtsturm befindet. Aus 30m Höhe lässt sich ein

Eindruck gewinnen von der umgebenden Landschaft, Relief und Vegetation, der Siedlungsstruktur

sowie der Vielfalt der vorhandenen z.T. miteinander in Konkurrenz stehenden Nutzungen des

Raumes. Vor allem die Konflikte zwischen landwirtschaftlichen Nutzungen, Naturschutz und

Nutzungen für Industrie und Gewerbe im Zuwanderungs- und Verdichtungsraum entlang des

nördlichen Bodenseeufers werden deutlich. Auch kollidieren die Ansprüche der Nutzung des

Bodensees als Trinkwasserspeicher immer wieder mit den landseitigen Nutzungsansprüchen von

Verkehr, Siedlung und Landwirtschaft.

Die Bedeutung des Raumes als Industriestandort lässt sich beispielhaft an der Stadt Friedrichshafen

erkennen, welche ein Zentrum der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie darstellt. Eine der wichtigsten

Wurzeln dafür sind die rund um die Planung und den Bau von Zeppelinen entstandenen

Industriebetriebe. 1900 startete der erste Zeppelin (LZ 1) in der Manzeller Bucht bei Friedrichshafen

(vgl. SEIBOLD 2009: 473). Exemplare der neuen Generation dieser Flugkörper sind als „Zeppelin NT“

immer wieder während ihrer touristischen Rundflüge über dem Bodensee sichtbar.

Unweit des Aussichtsturmes befindet sich eine Hangrutschung (siehe Abb. 1.2 bzw. 1.3), deren

Auftreten sich auf ein Erdbeben am 16.11.1911 zurückführen lässt. Es handelt sich um eine

Translationsrutschung von eiszeitlichen Ablagerungen sowie Molasseablagerungen über tonreichen

Molassesedimenten, die als Gleitschicht fungieren. Charakteristikum eines solchen Phänomens sind

immer wieder nachrutschende Gleitschollen, die zum Teil nach hinten kippen, so dass Quellwasser

nicht mehr abfließen kann und sich Stautümpel bilden. Ein so sich selbst erhaltender Lebensraum

entspricht dem neuen Naturschutz-Leitbild des Erhalts von Dynamik, die sich durch das

Page 12: Exkursionsprotokoll2011

11

Vorhandensein verschiedener Pioniervegetationsgesellschaften, aber auch seltener Faunenelemente

(Beispiel: Ahlenlaufkäfer) zeigt. Aus diesem Grund stellen solche Rutschungsflächen häufig

Vorranggebiete für Naturschutznutzungen dar (BERAN/GITTNER/LÖDERBUSCH 1988).

Als Molasse bezeichnet man das während der Spätphase der Orogenese (im Falle der Alpen Miozän

und Pliozän des Tertiärs1) abgelagerte Material eines Gebirges. Vornehmlich umfasst dies

gröberklastische, in flachmarinen und terrestrisch-fluviatilen Bereichen entstandene Gesteine

(Schuttsedimente; Nagelfluh2, Sandsteine, Flinz), welche sich nach Beendigung der Flysch-

Sedimentation (tiefer-marin und turbiditisch) ablagerten (vgl. BAHLBURG/BREITKREUZ 2008: 273; LESER

2001: 25). Das asymmetrisch aufgebaute, also vom nördlichen bis zum Alpenrand an Mächtigkeit der

Sedimentschichten zunehmende süddeutsche Molasse-Becken (nördliches Vorlandbecken der Alpen)

ist von unten nach oben in Untere Meeresmolasse, Untere Süßwassermolasse, Obere

Meeresmolasse und Obere Süßwassermolasse gegliedert (vgl. EBERLE et al. 2010: 47). In den tertiären

Sand- und Kalksteinen finden sich aufgrund deren Kluft- bzw. Matrixporosität mancherorts geringe

Erdöl- und –gasreserven, welche deshalb auch kaum noch gefördert werden (vgl.

HENNINGSEN/KATZUNG 2006: 144). Außerdem enthalten die unter der Molasse vorkommenden

Oberjura-Schichten (Malm-Karst3) beträchtliche Vorkommen gering mineralisiertes und ausreichend

hoch temperiertes Grundwasser, welches zur Gewinnung von Thermalwasser (Thermalbäder in

Überlingen, Aulendorf, Bad Saulgau etc.) bzw. Erdwärme eingesetzt werden kann (vgl. ebd.). Als

weitere großflächig vorkommende geologische Ressource des Molasse-Beckens sind tertiär- vor

allem aber eiszeitliche Kiese und Sande zu nennen (vgl. HENNINGSEN/KATZUNG 2006: 145).

Die Hangrutschung am Gehrenberg zerstörte einen ursprünglich dort stehenden Aussichtsturm aus

Holz, so dass der heutige Nachfolgebau aus Eisen errichtet wurde. Finanziert wurde der Neubau

durch über eine Spendenaktion des örtlichen „Verkehrs- und Verschönerungsvereins“. Diese

Phänomene auf dem Gehrenberg sind kein Einzelfall: Aussichtstürme wurden Ende des 19.

Jahrhunderts in vielen deutschen Regionen erbaut. Sie sind sicher im Zusammenhang mit dem von

vielen Akteuren damals geförderten „Nationalbewusstseins“ zu sehen, wie auch der frühere Name

„Großherzog-Friedrich-Warte“ für den Gehrenbergturm zeigt. Aussichtstürme gehören zu den ersten

touristischen Infrastrukturelementen des aufkommenden Tourismus im 19. Jahrhundert in Europa.

Wie auch im vorliegenden Fall waren die Eisentürme der Schwäbischen Alb (Lemberg) häufig Vorbild

für etliche in dieser Zeit gebaute Türme in Baden-Württemberg. Vielerorts spielten bei ihrem Bau

1 Beim Tertiär handelt es sich um eine Periode (neben dem Quartär) der die letzten 70 Mio. Jahre der Erdgeschichte umfassenden Erdneuzeit (Känozoikum). Im heutigen Bodenseeraum herrschte damals ein wärmeres Klima, Flora und Fauna wiesen eine hohe Vielfalt auf (vgl. Kommission Kultur der Internationalen Bodenseekonferenz 2000: 14). Gebirgsbildungsprozesse, insbesondere die Entstehung der Faltengebirge der Erde, lassen sich in diese Phase einordnen (vgl. LESER 2001: 878).

2 Unter Nagelfluh versteht man relativ harte Gerölle, die in einer relativ weichen Matrix (Kalk) betonartig zusammen gebacken sind und wie „Nägel“ aus einer Felswand (alemannisch „Fluh“) herausragen (vgl. HENNINGSEN/KATZUNG 2006: 141ff.).

3 Karst bezeichnet Prozesse und Formen der Lösungsverwitterung von leicht durch kohlensäurehaltiges Wasser löslichen Gesteinen wie Kalk (CaCO3), Dolomit [CaMg(CO3)2] Sulfat- oder Salzgesteine (vgl. AHNERT 2003: 332)

Page 13: Exkursionsprotokoll2011

12

Verschönerungsvereine eine wichtige Rolle. In solchen Vereinen schlossen sich insbesondere am

Tourismus interessierte, örtliche Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe zusammen. Nicht nur als

Denkmal der Tourismusgeschichte, auch als Baudenkmal ist der Aussichtsturm heute geschützt

(BARTH 2003).

Bei einer kurzen Wanderung zeigten sich Belege eiszeitlicher Gletschertätigkeiten wie alpine

Geschiebe (Flysch, Gneise), erratische Blöcke (Gneis, Meeresmolasse) und einem Toteisloch

(Erklärungen siehe unten, Abb. 1.4). Die Gneise stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der

Silvrettaregion und wurden vom Rheingletscher bis hierher transportiert. Alle diese Phänomene

weisen darauf hin, dass der Gehrenberg noch vor ca. 25.000 Jahren von einem ca. 950 m mächtigen

Gletscher überzogen war. Erst vor ca. 18.000 Jahren war er wieder eisfrei (BARTH 2003).

Abb. 1.2: Schematisches Blockbild der Gehrenbergrutschung, Abb . 1.3: 2-fach überhöht Gehrenbergrutschung: Seitenansicht der

Abrissnische

Page 14: Exkursionsprotokoll2011

13

Abb. 1.4: Toteisloch am Gehrenberg bei Markdorf, morphologisch, vegetationskundlich und über die Nutzung (Brache) erkennbar

Abb. 1.5: Der kantengerundete Gneis zeigt einen kleinen fluviatilen Transportweg an. Er stammt wahrscheinlich aus dem Silvrettagebiet; Fundort: Gehrenberg bei Markdorf

Page 15: Exkursionsprotokoll2011

14

Abb. 1.6: Findling (Erratiker) aus Meeresmolasse vom Gehrenberg bei Markdorf

Abb. 1.7: Typische Ablagerungsformen eines Gletschers

Ursache dieser Vergletscherung war ein eiszeitliches Klima. Bereits vor ca. 2 Mio. Jahren kam es zu

einem massiven Rückgang der durchschnittlichen jährlichen Temperatur bei gleichzeitiger Zunahme

der Niederschläge, so dass sich auch die Inlandgletscher ausgehend von den Hochgebirgen stark

ausbreiten konnten. Der Schnee sammelte sich in Mulden und erlangte angesichts ungenügend

hoher Sommertemperaturen zunehmend größere Mächtigkeit und Festigkeit (vgl. KOMMISSION KULTUR

DER INTERNATIONALEN BODENSEEKONFERENZ 2000: 14). Das Eigengewicht des Schnees sorgte für die

Komprimierung und Vereinigung der Schneekristalle, was allmählich zur Umwandlung des Schnees in

Firn führte. Im Laufe der Zeit vollzog sich die weitere Verdichtung dieses Firns, die Zwischenräume

verkleinerten sich bis zur Entstehung reinen Eises. Infolge des Einsetzens einer plastischen

Abflussbewegung schob sich dieses Eis als Gletscher talabwärts (vgl. KOMMISSION KULTUR DER

INTERNATIONALEN BODENSEEKONFERENZ 2000: 14). Die Gesamtheit derartiger Phänomene fasst man unter

dem Begriff „Eiszeit“ zusammen. In der zeitlichen Reihenfolge ihres Auftretens im Alpenraum und

Alpenvorland unterscheidet man verschiedene Eiszeiten. Die letzte Eiszeit ist das Würm-Glazial

(beginnend vor ca. 800.000 Jahren und etwa vor 12.000 Jahren endend), welche die Landschaft des

Page 16: Exkursionsprotokoll2011

15

heutigen Bodenseeraums sowie der Alpen selbst (vgl. Kapitel 3) bis heute stark prägt (vgl. PFIFFNER

2010: 326).

Das glazial entstandene, von Gletschern transportierte und sedimentierte in schlechter Sortierung

vorliegende Gesteinsmaterial bezeichnet man als Moräne (vgl. LESER 2001: 530), wobei folgende

Ausprägungen zu unterscheiden sind (vgl. AHNERT 2003: 364 bis 371; s. Abb. 1.7):

Bei der Grundmoräne handelt es sich um an die Gletscherbasis bzw. unterhalb des Gletschers

transportiertes, zerkleinertes und abgelagertes Material (vgl. ZEPP 2003: 197), während Endmoräne

jene vor dem Gletscher sedimentierte Gesteinsansammlungen bezeichnet, was sich auf einen

Gletschervorstoß (Vorstoßmoräne) oder Eisrückzug (Rückzugsmoräne) zurückführen lässt bzw. auch

bei stationären Gletschern entsteht. Ablagerungen der glazialen Schmelzwässer im Vorland der

Gletscher und Inlandeismassen heißen Sander. Sander oder Schwemmflächen bestehen meist aus

Sand und Kies und können große Gebiete bedecken.

Diese glazialen Ablagerungen schufen die Oberflächengestalt des Bodenseeraumes sowie die Form

des Bodensees selbst (Zungenbecken, vgl. ZEPP 2003: 195), der zudem auch noch fluviatil ausgeräumt

wurde. Aufgrund der großen Masse eines hohen Gletschers verdichtet und erodiert dieser seinen

Untergrund (glaziale Erosion). Die Gletscher erreichten eine maximale Mächtigkeit von bis zu 1.000

m. Ihre letzte maximale Ausbreitung hatte die eiszeitliche Vergletscherung vor ca. 18.000 Jahren

bevor vor etwa 11.000 Jahren eine Warmzeit einsetzte (Holozän), was zum weitgehenden Rückzug

der Gletscher führte. In der Folge wurden riesige Schmelzwassermengen frei, deren Abfluss durch die

Eismassen oder Moränen teilweise versperrt war, was die Herausbildung von Eisstauseen nach sich

zog, die heute weitgehend vermoort sind.

In der überformten, umgestalteten Landschaft hinterließen Gletscher riesige Eisbrocken, deren

Schmelzdauer sich aufgrund ihrer Bedeckung mit Geröll und Gesteinsschutt verzögerte. Dies zog die

Entstehung wassergefüllter Vertiefungen im Boden nach sich, welche als Toteislöcher bezeichnet

werden (s. Abb. 1.4, vgl. KOMMISSION KULTUR DER INTERNATIONALEN BODENSEEKONFERENZ 2000: 15f.).

Als weitere charakteristische eiszeitliche Hinterlassenschaften gelten Findlinge (Erratiker, s. Abb. 1.5

und 1.6). Die Oberflächen solcher mitunter riesigen Gesteinsbrocken weisen mitunter mit Kritzungen

oder Striemungen auf die Bewegungsrichtung des darüber geflossenen Gletschers hin (vgl. LESER

2001: 267). Die Abfolgen fluvioglazialer Erosion und die dabei geschaffenen das heutige Georelief

prägenden Formen, fasst man unter dem Begriff glaziale Serie zusammen (vgl. LESER 2001: 276).

Der Wasserhaushalt des Bodensees ist mit den nahen Alpen und ihren Gletschern, die mit ihrem

Schmelzwasser besonders im Hochsommer und Herbst den Zufluss über den Rhein aufrecht erhalten,

eng verbunden. Mit einer Fläche von 536 km² stellt der Bodensee den zweitgrößten Alpensee dar.

Seine Uferlänge beträgt 273 km und seine maximale Tiefe 254 m. Die mittlere Jahrestemperatur des

Bodenseewassers liegt bei 8,6°C. Über den Rhein erfolgt der Transport von Sedimenten in den

Bodensee, welcher aufgrund dessen langsam verlandet (vgl. http://www.igkb.de/html/geschichte/

con tent_05.html; http://www.ziele-am-bodensee.de/de/bodensee-allgemeine-info.htm).

Die Route des zweiten Fahrtabschnitts zum Exkursionsziel in Laterns im österreichischen Bundesland

Vorarlberg führte zunächst wieder auf der B 31 in südöstlicher Richtung, sowie, ab Sigmarszell,

nördlich der sich bereits im Freistaat Bayern befindlichen Stadt Lindau, auf der A 96 in Richtung

Bregenz, welche bei Grenzüberfahrt nach Österreich zur A 14 wird. Markant an diesem zu Vorarlberg

Page 17: Exkursionsprotokoll2011

16

gehörenden Streckenabschnitt sind nach der Durchfahrt des Pfändertunnels (Länge ca. 6,7 km) der

Eintritt in das Alpenrheintal, welches einen dichten Siedlungsraum, und, v.a. ersichtlich in den

mittelgroßen Städten Dornbirn und Feldkirch, auch in bedeutendem Ausmaß Industrieansiedlungen

aufweist.

Abb. 1.8: Schematische Darstellung eines eiszeitlich entstandenen Hängetals

Die Anfahrt zum Exkursionsziel Laterns führte ab der Autobahnausfahrt Rankweil durch den

gleichnamigen Ort in östlicher Richtung hoch hinauf in das Laternsertal.

Entlang dieses Streckenabschnitts wurde auch ein Hängetal überquert. Der Lauf der Frutz, ein Zufluss

des Alpenrheins, ist hier Bestandteil dieser geologischen Besonderheit. Die auf die eiszeitliche

Vergletscherung zurückzuführende Entstehung von Hängetälern vollzieht sich aufgrund der stärkeren

Eintiefung der Haupttäler im Gegensatz zu den Seitentälern (unterschiedlich mächtige Gletscher und

damit unterschiedlich starke Abtragungskräfte), so dass Letztere nach Abschmelzen der Gletscher in

einer gewissen Höhe über dem Haupttal in selbiges einmünden, also eine Geländestufe sowie eine

Schlucht zurückbleiben, häufig mit Wasserfällen (vgl. HUTH/JUNKER 2004: 16; s. Abb. 1.8). Hängetäler

gehören damit zu den potenziell bedeutsamen Biotoplagen wie auch zu den potenziellen

touristischen Sehenswürdigkeiten.

1.1. LITERATURVERZEICHNIS Exkursionstag 1

AHNERT, F. (2003): Einführung in die Geomorphologie. Stuttgart, UTB.

BAHLBURG, H.; BREITKREUZ, C. (2008): Grundlagen der Geologie. Spektrum Akademischer Verlag

BARTH, R. (2003): Die hohe Mitte des Kreises: Der Gehrenberg und sein hundertjähriger Aussichtsturm, in:

Leben am See, 20, S. 241 – 250

BEARN, F.; GITTNER, T.; LÖDERBUSCH, W. (1988): Ein Paradies auf den zweiten Blick: Die Gehrenbergrutsche

entwickelt sich zu einer Art Urlandschaft, in: Leben am See, 6, S. 81 - 87

BROGGI, M.F. und G. GRABHERR (1991): Biotope in Vorarlberg. Endbericht zum Biotopinventar Vorarlberg.

Dornbirn, Vorarlberger Verlagsanstalt.

EBERLE, J., B. EITEL, W.D. BLÜMEL und P. WITTMANN (2010): Deutschlands Süden vom Erdmittelalter zur

Gegenwart. Heidelberg, Spektrum Akademischer Verlag.

Page 18: Exkursionsprotokoll2011

17

GEYER, O.F., T. SCHOBER und M. GEYER (2003): Sammlung Geologischer Führer (94). Die Hochrhein-Regionen

zwischen Bodensee und Basel. Berlin, Stuttgart, Gebr. Borntraeger.

GEYER, O.F. und M.P. GWINNER (2011), M. Geyer, E. Nitsch und T. Simon (Hrsg.): Geologie von Baden-

Württemberg. Stuttgart, Schweizerbart.

HENNINGSEN, D. und G. KATZUNG (2002): Einführung in die Geologie Deutschlands. Heidelberg, Berlin,

Spektrum Akademischer Verlag.

HENNINGSEN, D. und G. KATZUNG (2006): Einführung in die Geologie Deutschlands. München, Spektrum

Akademischer Verlag.

HUTH, T. und B. JUNKER (2004): Geotouristische Karte von Baden-Württemberg 1 : 200.000. Schwarzwald mit

Umgebung. Erläuterungen. Freiburg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau.

HUTH, T. und B. JUNKER (2006): Geotouristische Karte von Baden-Württemberg 1 : 200.000.Südost.

Erläuterungen. Freiburg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau.

INTERNATIONALE GEWÄSSERSCHUTZKOMISSION FÜR DEN BODENSEE (2011): URL:

http://www.igkb.de/html/geschichte/content_05.html (Zugriff: 18.10.2011)

KOMMISSION KULTUR DER INTERNATIONALEN BODENSEEKONFERENZ (2000), Hrsg: Feuer, Eis und Wasser.

Streifzüge durch die Landschafts- und Entstehungsgeschichte der Bodenseeregion. Konstanz.

LERNSTUNDE (2011): URL: http://www.lernstunde.de/thema/gletscher/grundwissen.htm (Zugriff: 18.10.2011)

LESER, H. (2001), Hrsg.: DIERCKE-Wörterbuch Allgemeine Geographie. Braunschweig, Deutscher Taschenbuch

Verlag und Westermann Schulbuchverlag.

MINISTERIUM FÜR UMWELT, KLIMA UND ENERGIEWIRTSCHAFT BADEN-WÜRTTEMBERG (2011): URL:

http://themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de/servlet/ is/8538/?path=4422;6277; &partId

=11&part=9011&slideID=1 (Zugriff: 18.10.2011).

NATURPARK SCHÖNBUCH (2011): URL: http://www.naturpark-schoenbuch.de/naturpark/ index.shtml (Zugriff:

14.10.2011)

PFIFFNER, 0.A. (2010): Geologie der Alpen. Bern, Haupt Verlag.

SEIBOLD, G. (2009): Zeppelin: ein Name wird zum Begriff; 100 Jahre Luftschiffbau Zeppelin GmbH.

Friedrichshafen, Gessler.

ZEPP, H. (2003): Geomorphologie: eine Einführung. Grundriss Allgemeine Geographie. Paderborn, Verlag

Ferdinand Schöningh GmbH.

ZIELE AM BODENSEE (2011): URL: http://www.ziele-am-bodensee.de/de/bodensee-allgemeine-info.htm

(Zugriff: 18.10.2011)

ZITZLSPERGER, H. (1994): Der „Eiserne“ auf dem Gehrenberg. Gedanken zum Turm auf dem Markdorfer

Hausberg. Bermatingen.

1.2. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Exkursionstag 1

Abbildung 1.1: http://maps.google.com/9. Zugriff und Bearbeitung: Burkart, 29.09.2011

Abbildung 1.2: nach BERAN, GITTNER, LÖDERBUSCH 1988

Abbildung 1.3: Sven Burkart, 19.09.2011

Abbildung 1.4: Sven Burkart, 19.09.2011 Abbildung 1.5: Godfried Koukoubou, 19.09.2011 Abbildung 1.6: Godfried Koukoubou, 19.09.2011

Abbildung 1.7: http://www.lernstunde.de/thema/gletscher/grundwissen.htm, Zugriff 18.10.2011

Abbildung 1.8: http://www.geodz.com/deu/d/images/2159_trogtal.png, Zugriff: 18.10.2011

Page 19: Exkursionsprotokoll2011

18

2. EXKURSIONSTAG 2, Dienstag, 20.09.2011

Ralf Heckner, Emile Edea (ab 2.3.)

Programm

Zeit Themen/Aktivitäten Referenten/Beteiligte

8.00 - 9.00 Uhr Frühstück fibe Alle

9.00 - 17.30 Uhr

Rundfahrt durch den Kernsiedlungsraum der Walser

in Vorarlberg: Laterns – Damüls – Großes Walsertal –

Laterns: drei Naturräume – drei Planungsräume?

Rundfahrt mit kleineren Fußwanderungen

J. Vogt

A. Megerle

19.45 - 21.00 Uhr Reflexion des zweiten Exkursionstages Alle

Abb. 2.1: Exkursionsroute Tag 2

2.1. Begründung und Methodik der Landesgeschichte im Kontext regionalwissenschaftlicher

Exkursionen

Joachim Vogt

Objekte der regionalwissenschaftlichen Exkursion werden auch in einen historischen Kontext gestellt

und darüber erklärt. Dazu ist ein Rückgriff auf die Landes- und Ortsgeschichte erforderlich, wozu

zuweilen in erheblichem Umfang fachliche Grundlagen zu legen sind. Damit wird die thematische

Bandbreite regionalwissenschaftlicher Themen erweitert, was einer Begründung bedarf.

Page 20: Exkursionsprotokoll2011

19

Eine sehr einfache Begründung ist, dass das von uns Beobachtete stets auch mit einer genetischen

Erklärung erschlossen werden kann: Es ist so, weil es so unter verschiedenen geschichtlichen

Einflussfaktoren so geworden ist oder so gestaltet worden ist. Dies ist zweifellos zutreffend, reicht

allein jedoch zur Begründung nicht aus.

In einem konstruktivistischen Ansatz wird Geschichte als kognitives Konstrukt verstanden. Jede Zeit

und jede Gesellschaft wählt aus den Hinterlassenschaften (mündlich, textlich, baulich, archäologisch

usw.) Bausteine aus, interpretiert sie und fügt sie zu einem Bild der Vergangenheit zusammen. Auch

jede Person tut dies, indem sie ihre eigenen Erinnerungen, übermittelte Erfahrungen und

Interpretationen verarbeitet und dabei zu einem eigenen Geschichtsbild zusammenbaut. Das

Ergebnis ist ein Konstrukt, das sehr stark von der Person und ihren eigenen Erfahrungen, Kenntnissen

und Bewertungen und auch vom sozialen und kulturellen Hintergrund abhängig ist. Geschichte ist ein

individuelles und durch die gesellschaftliche Kommunikation über die Geschichte ein kollektives

Konstrukt. Geschichte ist aber auch ein Machtfaktor, weil sie regelmäßig zur Legitimation

gegenwärtiger Machtverhältnisse herangezogen wird. Daher wird die Konstruktion von kollektiver –

meist staatlicher – Geschichte nicht dem Einzelnen überlassen, sondern beeinflusst und gesteuert.

Gesellschaften und Staaten legitimieren sich historisch, ihre Gebietsansprüche, ihre Ressourcen oder

hierarchische Beziehungen untereinander. Dabei wird auf einzelne Ereignisse Bezug genommen,

wobei diese so dargestellt und interpretiert werden, dass der Zweck damit erreicht wird. Geschichte

wird konstruiert und dient der Herstellung von gemeinsamer Identifikation, der kollektiven

Selbstvergewisserung ebenso wie der Legitimation gesellschaftlicher Bewertung und von

Machtausübung.

Ausgewählte archäologische Objekte werden museal inszeniert und öffentlichkeitswirksam

hervorgehoben, Schriftdokumente werden ausgestellt und publiziert, Zeitzeugen dürfen öffentlich

berichten und erfahren große publizistische Aufmerksamkeit, Denkmälern wird – häufig durch

Beschriftung mit Erläuterungen – eine verbindliche Deutung zugewiesen usw. Was häufig vergessen

wird, ist das parallele Verstecken von Denkmälern und sonstigen Zeugnissen, das Unterschlagen oder

auch Fälschen schriftlicher Quellen und das Verbieten abweichender Interpretationen von Quellen

oder Meinungen. Geschichte ist damit auch die mehr oder weniger verbindliche Interpretation (und

Auswahl, manchmal sogar bewusste oder unbewusste Fälschung!) von Zeugnissen der Vergangenheit

mit meist eindeutigen Zielen. Das ist nicht schwer zu realisieren, denn alle historischen Zeugnisse

bedürfen einer Interpretation. Diese kann jedoch nicht als historische Tatsache gesetzt sein, sie muss

kritisch hinterfragt werden: Warum steht an diesem Objekt diese und keine andere Erklärung?

Warum ändern sich die Einordnungen und Erläuterungen, die zu Zeugnissen gegeben werden, mit

der Zeit? Die jeweils gegebenen – auch als verbindlich formulierten – Erklärungen und

Geschichtsinterpretationen dürfen also nicht als feststehendes Faktum gelesen werden, so wie sie

sich geben, sondern als wiederum interpretationsbedürftiges Zeugnis, mit dem ein Dokument in

gesellschaftliche Zusammenhänge eingeordnet wird – auch wenn es mit dem Anspruch der absoluten

Verbindlichkeit erfolgt.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen. Der Holocaust ist für den Staat und die Gesellschaft Israels von

so überragender Bedeutung, dass seine verbindliche Interpretation national wie international

höchsten Stellenwert hat und Abweichungen davon nicht toleriert werden können. Deshalb gibt es

zahlreiche Holocaust-Museen auf der ganzen Welt. Doch muss derjenige, der das Holocaustmuseum

in Washington zum Beispiel besucht hat, natürlich auch die Frage stellen und beantworten, warum es

kein derartiges Museum für die ausgerotteten Indianervölker oder die Millionen Opfer der farbigen

Page 21: Exkursionsprotokoll2011

20

Sklaven Nordamerikas gibt. Parallele Fragen stellen sich überall auf der Welt, die Antworten sagen

mehr über die Staaten und Gesellschaften aus als über das Ereignis, welches dargestellt und ins

Bewusstsein gebracht wird. Das tatsächliche historische Ereignis spielt nur insofern eine Rolle, als

dass es als Aufhänger dient und Widersprüche mit anderen Darstellungen oder zu einzelnen Quellen

unangenehm sind. Daher sind Auseinandersetzungen üblich, wenn mehrere Akteure Deutungsmacht

oder Deutungsmonopole beanspruchen.

Ein anderes Beispiel ist die Frage, wer Kriege, die allgemein mit Leid verbunden sind und geächtet

werden, angezettelt hat. Die Antwort ist recht schnell zu finden. Es ist immer derjenige, der den Krieg

verloren hat. Er bekommt neben Reparationen, Gebietsabtretungen (also Raub) und anderen

Leistungen und Demütigungen auch die moralische Last der Kriegsschuld aufgebürdet.

Dass zu allen Zeiten – bis in die Gegenwart – Menschen wegen abweichender Interpretationen der

Geschichte bestraft werden, von öffentlicher moralischer Verurteilung bis hin zu Haftstrafen, sollte

zu denken geben und die machtpolitischen Implikationen der Geschichte bis in die Gegenwart

deutlich machen.

Die gesellschaftliche Konstruktion von Geschichte sagt also viel über die gegenwärtige Gesellschaft

aus. Ein dekonstruktivistischer Ansatz muss diese Zusammenhänge durchleuchten und wird damit

aus der jeweiligen Darstellung der Geschichte sehr viel über die gegenwärtige Gesellschaft, ihr

Selbstverständnis und die Ziele der Meinungsführer, lernen können.

Die verschiedenen Interpretationsebenen historischer Zeugnisse und die Dekonstruktion ihrer

verschiedenen Deutungen durch unterschiedliche gesellschaftliche Akteure ist ein wesentliches Ziel

derjenigen Teile der Exkursion, die sich mit diesen Quellen auseinander setzen. Dazu ist es

erforderlich, in einem ersten Schritt den geschichtlichen Rahmen zu setzen, die Landesgeschichte

und teilweise auch die Ortsgeschichte des untersuchten Raumes darzustellen. Auch das ist ein

Konstrukt, das damit jedoch in eine Beziehung zu wahrgenommenen anderen Konstrukten gesetzt

werden kann.

Dieser Prozess ist anspruchsvoll und setzt eine beträchtliche Kenntnis verschiedener Quellen und

unterschiedlicher Perspektiven voraus. Er kann nur – als ein erster Schritt – an einigen Stellen

angerissen werden. Auf der Exkursion werden daher zunächst die notwendigen fachlichen

Grundlagen gelegt, ohne die noch nicht einmal die einfache chronologische Einordnung eines

Zeugnisses, viel weniger noch der erzielte Dekonstruktionsvorgang möglich ist.

2.2. Die Walser in Vorarlberg im europäischen historischen Kontext

Mit einem historischen Überblick, der die Geschichte des Siedlungsraums Vorarlberg und seiner

Volksgruppen in einen mitteleuropäischen Kontext stellte (zur zeitlichen Kontextualisierung in der

Regionalwissenschaft vgl. Kapitel I.), begann der Tag auf den Spuren der Walser.

Versteht man die Geschichte als eine Legitimationswissenschaft, die der Macht von Gruppen oder

des Staates dient, so wird klar, dass es nur viele unterschiedliche Geschichten geben kann. Die

Geschichte eines Raumes setzt sich aus vielen Perspektiven zusammen. Hinter den verschiedenen

Konstruktionen von Geschichte verbergen sich unterschiedliche Interessen. Die Geschichte wird

meist aus der Perspektive der Sieger geschrieben, um Machtansprüche, die das Ergebnis von

Konflikten sind, zu rechtfertigen und langfristig zu sichern. Geschichte als Konstrukt kann durch

Perspektivenwechsel besser verstanden, „dekonstruiert“ werden. Dies gilt allgemein, jedoch in

einem Überschneidungsbereich verschiedener Kulturen und Machtsphären, z.B. im Dreiländereck des

Exkursionsgebietes, besonders. Wie sehen sich die Vorarlberger? Woher kommt ihr

Page 22: Exkursionsprotokoll2011

21

Selbstverständnis? Wie sehen sich die verschiedenen Gruppen im Land, und wie sehen sich die

Walser in Vorarlberg oder im mitteleuropäischen Kontext?

2.3. Die Besiedlungsgeschichte der Alpen

Die Auseinandersetzung mit dem Besiedlungsprozess des Großwalser- und Laternsertals, setzt eine

Beschäftigung mit den Völkern dieses Raumes und ihrer Geschichte voraus. Mit seiner spezifischen

geographischen Lage stellt der Alpenraum schon immer ein bedeutendes Bindeglied zwischen Süd-

und Mitteleuropa dar.

Die ersten Menschen folgten vor ca. 8000 Jahren dem Jagdwild in die höher gelegenen Flächen des

heutigen Vorarlbergs. Dies war erst möglich geworden nach dem Ende der letzten großen Eiszeit vor

ca. 12.000 Jahren. Zeugen dieser ersten Besiedlung sind bearbeitete Feuersteine, die beispielsweise

beim Sünser Joch (Damüls), also auf über 1500 Metern ü. N.N. gefunden wurden. Eine dauerhafte

Besiedlung seit der Jungsteinzeit ließ sich in Bartholomäberg (Nähe Schruns/Tschagguns)

nachweisen. Im letzten vorchristlichen Jahrtausend besiedelten die Kelten ganz Zentraleuropa. Diese

Großkultur entstand vermutlich durch kulturelle Evolution aus Stämmen der Urnenfelderzeit (1200

bis 750 v. Chr.; letzter Abschnitt der Bronzezeit). Die Kelten besaßen hohe handwerkliche

Fertigkeiten, vor allem bei der Weiterverarbeitung von Eisenerzen zu Eisenwaren. Ihre Waffen waren

effektiv und so gelangten sie im 4. und 3. Jh. v. Chr. durch Kriegszüge bis nach Kleinasien und

Griechenland. Die Kelten vom Stamm der Vindeliker errichteten auf dem Stadtgebiet des heutigen

Bregenz eine Stadtbefestigung namens Brigantium.

Abb. 2.2: Karte mit der Verbreitung keltischer Stämme. Zu erkennen ist das Gebiet der Vindeliker nordöstlich des Bodensees

Page 23: Exkursionsprotokoll2011

22

Ihr südlicher Nachbarstamm, die Räter, bewohnten den Alpenraum bis nach Verona. Als aber die

römischen Truppen unter der Führung von Kaiser Augustus weiter nach Norden expandierten, wurde

dieses Gebiet Teil des Römischen Reiches. Die Brigantier wurden ebenfalls assimiliert, also in die

griechisch-römische Kultur eingeführt (Schrift, Gesetze, Straßenbau u.a.) (nachdem sie 15 v. Chr. in

einer Schlacht den Römern unterlagen) und es entstand eine für die Römer enorm wichtige Süd-

Nord-Verbindung von Mailand über Como, Chur, Feldkirch und Lindau nach Augsburg. Die

verkehrstechnische Erschließung beschränkte sich allerdings auf günstig gelegene Räume, wovon

also bspw. die Hochtäler der Alpen ausgenommen blieben. Durch die anschließende Teilung in ein

West- und Ostreich entstanden zwei Provinzen. Zum einen die Provinz Raetia prima mit der

Hauptstadt Chur und zum anderen die Provinz Raetia secunda mit Augsburg als Hauptstadt.

Den Alemannen gelang es immer wieder den rätischen Limes zu durchbrechen und so fielen sie in

mehrere Provinzen ein und zerstörten im Jahre 233 unter anderem auch die römische Siedlung

Brigantium (Bregenz). Als das Weströmische Reich u.a. aufgrund der germanischen

Wanderungsbewegungen zerfiel, geriet Rätien in den Einflussbereich der Ostgoten, welche damit

begannen, auf dem Boden des Imperium Romanum eigene Reiche zu gründen.

Abb. 2.3: Provinz Raetia vor der Teilung, bei den Orten „Augusta Vindelicum“ handelt es sich u das heutige Augsburg, bei „Castra Regina“ um das heutige Regensburg

Die Alemannen wurden – nachdem sie nach dem Niedergang des weströmischen Reiches 454/455

die Zeit ihrer größten Ausdehnung erlebt hatten (vgl. GEUENICH 2005: 163) – von Norden her

zunehmend von den erstarkten Franken bedrängt. Dadurch wurden die Alemannen im Süden

(Voralpengebiet) gezwungen, sich dem Schutz der Ostgoten unter Theoderich dem Großen zu

unterstellen, so dass Raetien bis an den Lech und die heutige Nordschweiz alemannisches Gebiet

wurde (vgl. POSTEL 2004: 80), wobei das Protektorat über sie bereits im Jahr 537 an die fränkischen

Merowinger abgegeben wurde, unter deren Oberherrschaft ab diesem Zeitpunkt alle Alemannen

innerhalb festgelegter Grenzen standen (vgl. GEUENICH 2005: 89/92; POHL 2005: 174).

Nichtsdestotrotz siedelten also ab etwa der Mitte des 5. Jh. n. Chr. Alemannen im heutigen

Vorarlberg.

Page 24: Exkursionsprotokoll2011

23

Der ab 482 herrschende Frankenkönig Chlodwig trat 497 zum Christentum über – der Legende nach,

um die Schlacht gegen die Alemannen zu gewinnen (vgl. KNEFELKAMP 2002: 33; GEUENICH 2005: 79).

(Womöglich bedurfte es angesichts der drohenden Niederlage gegen die Alemannen der

Unterstützung durch Äbte und Bischöfe zur Aufrechterhaltung der Regierungsfähigkeit des

Frankenkönigs Chlodwig). Die Eroberung der Alemannen durch die Franken, angeführt von Chlodwig,

erfolgte in mehreren Schlachten zwischen 496 und 511 (Todesjahr Chlodwigs), die letztlich den

Verlust der politischen Unabhängigkeit der Alemannen zur Folge hatten (vgl. POHL 2005: 178; POSTEL

2004: 81). Beispielsweise mit der Gründung des Bistums Konstanz um das Jahr 600 drangen die

Franken zunehmend auch in die inneralemannischen Gebiete ein und vermochten so, auch dort ihre

Herrschaft auszuüben (vgl. POSTEL 2004: 84). Im Jahr 746 mit der von Karlmann4 abgehaltenen

Versammlung bei Cannstatt, infolge dessen Niederschlagung eines alemannischen Aufstandes,

erfolgte schließlich die Auslöschung der gesamten älteren herzoglichen Führungsschicht der

Alemannen durch die Franken im sog. ‚Blutgericht von Cannstatt‘ (vgl. GEUENICH 2005: 116/ 167;

POSTEL 2004: 85). Zudem vollzog sich der allmähliche Übergang des alemannischen Adels in das Reich

der Karolinger durch Heirat (vgl. GEUENICH 2005: 108).

Im Zuge der Christianisierung wurden die irischen Wandermönche Columban und Gallus zunehmend

bedeutend für den Bodenseeraum, die versuchten, die heidnischen Alemannen zum Christentum zu

bekehren. Während Columban nach Italien weiterwanderte, ließ sich Gallus südlich des Bodensees

nieder, wo er auch starb. An der Stelle seines Grabes gründete etwa hundert Jahre später der

rätische Priester Otmar (ein bekehrter Alemanne) die Benedektinerabtei St. Gallen (719), deren

Mönche zunächst Räter waren, später allerdings vornehmlich Alemannen. Als Gegenpol zu St. Gallen

gründeten die Franken (unter dem Hausmeier Karl Martell) 724 ebenfalls im noch überwiegend

heidnischen Alemannien das Benediktinerkloster Reichenau (vgl. GEUENICH 2005: 105f.), aus

welchem auch die ersten Mönche der 731 gegründeten Benediktinerabtei Pfäfers kamen. Die

damaligen Klostergründungen erfüllten keinesfalls ausschließlich geistliche Zwecke, sondern dienten

ebenso der Festigung territorialer Macht sowie der Schaffung von Innovationszentren. Die

Entwicklung neuer Heilverfahren (Pflanzenheilkunde) vollzog sich in Klöstern, Landwirtschaft und

Handwerk wurden darin betrieben sowie finanzielle Geschäfte (Lehn, Geldverleih) abgewickelt.

Klöster stellten also insgesamt kulturelle, politische sowie wirtschaftliche Machtzentren dar.

Angesichts ihrer gewaltigen Bedeutung wurden viele Klöster von den Landesherren gestiftet, woher

auch der Begriff Stift rührt.

Pippin, Vater Karls des Großen, gelang es, immer mehr Vertreter der gesellschaftlichen Schichten,

auch des Adels, in seinen Dienst zu stellen. Nach der Machtübernahme Karls des Großen, begann

dieser mit der Erweiterung seines Reiches (von der Nordsee bis nach Mittelitalien) durch Kriegszüge

sowie geschicktes politisches Handeln. Im Jahre 843 erfolgte die Teilung des fränkischen Reiches, das

zuvor unter der Herrschaft Karls des Großen (†814) stand, welche nach dessen Tod an seinen Sohn

Ludwig den Frommen überging. Der Teilungsvertrag von Verdun (843) legte die Aufteilung des

Reiches in drei Teile fest. An Karl fielen die Gebiete westlich der Schelde, Maas, Saone und Rhone,

während Ludwig den Teil östlich von Aare und Rhein erhielt sowie Mainz, Speyer, Worms und Lothar 4 Karlmann hatte 741 den Herrschaftsanspruch über das Gebiet Alemannien von seinem Vater Karl Martell erhalten, der das Frankenreich unter seinen Söhnen aufteilte (Karlmann und Pippin, vgl. POSTEL 2004: 84)

Page 25: Exkursionsprotokoll2011

24

sollte als Kaiser das neu geschaffene Mittelreich (Italien, Porvence bis Friesland) regieren (vgl.

KNEFELKAMP 2002: 83; HARTMANN 2002: 82/97).

Das Herzogtum Alamannien stellte den Vorläufer des späteren Herzogtums Schwaben (sog.

‚jüngeres‘ alemannisches Herzogtum, vgl. GEUENICH 2005: 116) dar, welches sich im Süden bis zum

Gotthardpass erstreckte und ab ca. 1000 eine vorherrschende Stellung einnahm. Im 10. Jahrhundert

wurde Raetia Curiensis (Churrätien) dem Herzogtum Schwaben und somit dem deutschen Reich

angeschlossen. Die sich verstärkenden germanischen Einflüsse fanden ihren Niederschlag auch in der

Sprache. „Viele Deutsche der Ober- und Mittelschicht, die sich in Rätien niedergelassen hatten,

hielten die romanische Umgangssprache einfach für eine arg entstellte Form des Lateins, der

jegliches Prestige der klassischen Sprache, aus der sie hervorgegangen war, abging - wenn sie

überhaupt mit dem Latein in Verbindung gebracht wurde“ (BILLIGMEIER 1983: 54). Die geographische

Lage und kulturelle Tradition sorgten dafür, dass sich die Durchmischungs- bzw.

Assimilierungsprozesse in Rätien wesentlich langsamer vollzogen, wozu sicherlich auch das Gefühl

der Abgeschiedenheit in den Alpentälern beitrug. Der Stauferkönig Friedrich I., genannt Barbarossa,

wurde 1152 gewählt und versuchte seine Dynastie zu stärken. Auch die St. Peterspfarrei in Rankweil

war stauferisch.

Abb. 2.4: Karte der Reichsteilung von Verdun (Maßstabsangabe ungültig!)

Page 26: Exkursionsprotokoll2011

25

Abb. 2.5: Lage der wichtigsten Walsersiedlungen

Etwa im 13. Jahrhundert begann eine ausgedehnte Bevölkerungsbewegung, die sog. Walserzüge, aus

dem Oberwallis, in das u.a. Alemannen im 8. Jh. eingewandert waren, so dass dort als Sprache der

Walser das Höchstalemannisch vorherrschte. Über mehrere Generationen breiteten sie sich weiter

aus, wanderten südwärts bis in italienische Gebiete, aber vor allem nordostwärts über das Gebiet des

heutigen Kantons Uri und Graubünden hinaus bis nach Liechtenstein und Vorarlberg (Abb. 2.5).

Die Ursache dieser Wanderungsbewegung bleibt ungeklärt, vermutlich lässt sie sich aber mit einem

starken Bevölkerungswachstum infolge des hochmittelalterlichen Klimaoptimums begründen,

welches Platz- und Nahrungsmittelengpässe nach sich zog. Daher bestand zunächst der Zwang zur

Spezialisierung auf alpine Hochlagen, also die Schaffung einer Existenzgrundlage durch transhumante

Viehwirtschaft. Schließlich erfolgte zusätzlich eine Ausbreitung der Besiedlung über den Kernraum

der Walliser hinaus nach Osten (s.o.), wo ebenfalls die Hochlagen mittels Weidewirtschaft besiedelt

und kultiviert wurden.

Die Lebensbedingungen in den Bergen zeichneten sich durch ihre ausgesprochene Härte aus, zu

deren Widerstehen es eines hohen Maßes an Fleiß und Ausdauer bedurfte. Angekommen im bereits

dicht besiedelten Alpenrheintal, waren die Walser auf die Zuweisung landwirtschaftlich nutzbarer

Flächen durch den Adel angewiesen. Insbesondere die Seitentäler, welche für die Adligen aufgrund

ihrer Abgeschiedenheit ohnehin kaum von Interesse waren, erwiesen sich dabei für die Walser als

geeignet, sodass sie diese zugesprochen bekamen. Das dabei entstandene vertragliche Abkommen

gewährte etliche Sonderrechte, darunter auch das frei vererbbare Nutzungsrecht am Land, die

Ausnahme von der Leibeigenschaft, das Recht auf freie Heirat, die Steuerbefreiung, aufgrund der

schwierigeren Bedingungen in den alpinen Hochlagen (vgl. BILLIGMEIER 1983: 67).

Die bedeutenden wirtschaftlichen Tätigkeiten der Walser umfassten insbesondere Forst- und Alp-

wirtschaft mitsamt ihrer weiter-verarbeitenden Produktion (Milch, Käse, Butter, Fleisch usw.). Mit

Page 27: Exkursionsprotokoll2011

26

diesen Produkten führten die Walser Tauschhandel und versorgten so die Siedlungen im Rheintal mit

Milcherzeugnissen und gleichzeitig sich selbst mit Getreide, Mehl und Gemüse. Es entwickelte sich

folglich eine wirtschaftliche Interdependenz, welche in Einklang mit dem Konzept der ‚Cohabitation‘

stand, das über den wirtschaftlichen Austausch zwischen Tal- und Bergbevölkerung hinaus die

Autonomie der einzelnen Volksgruppen (Alemannen, Rätoromanen, Walser) vorsah.

Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Seitentälern erwiesen sich allerdings als äußerst

schwierig. Allen voran harte Winter sowie das Fehlen jeglicher Annehmlichkeiten (fließendes Wasser,

Warmwasser und Elektrizität), welche den Alltag hätten erleichtern können, trugen dazu bei. Dies

erforderte ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, Kreativität, Selbstständigkeit bei der Herstellung

von Unterkünften und Geräten sowie Sparsamkeit im Umgang mit den vorhandenen Ressourcen.

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts breiteten sich die Habsburger Richtung Ostalpen aus und kauften

u.a. die Grafschaften Feldkirch, Bludenz sowie die Südhälfte der Herrschaft Bregenz. Durch Heiraten

und Erbschaften entwickelten sich die Habsburger zu einer großen Dynastie mit hohen Ansprüchen.

So kam es, dass sie mit Karl V. 1519 den deutschen König und den römischen Kaiser stellten. Dies

steigerte die Rivalität zu Frankreich und den Türken und führte letztlich auch zu territorialen

Machtkämpfen. Nach dem von Napoleon diktierten Frieden musste Österreich in der Folge des

Friedensschlusses von Pressburg im Dezember 1805 u.a. die Grafschaften Vorarlberg und Tirol an das

Königreich Bayern als Verbündete Frankreichs abgeben (vgl. ERBE 2000: 169).

Die Vorarlberger wehrten sich zunächst gegen die Besatzer, ihnen gelang sogar die Zurückdrängung

der Bayern bis auf die Höhe des Bodensees, doch nach kurzer Zeit verlor der Widerstand an Kraft,

weshalb sich die Lage wieder beruhigte. Die feudale Struktur Vorarlbergs blieb erhalten und die

Reformen verliefen humaner als erwartet. Nach den napoleonischen Kriegen ging Vorarlberg 1814

wieder an Österreich. Im April 1848 erreichte die Märzrevolution Vorarlberg. Landtage wurden

gestürmt, Forderungen nach einer Demokratisierung der Wahlen gestellt sowie die Abkopplung

Vorarlbergs von Tirol (bajuwarisch) verlangt. 1861 erlangte Vorarlberg schließlich seine

Eigenständigkeit als Land mit Landtag in Bregenz. Die Pariser Vorortverträge von 1919 sahen

allerdings wiederum den Anschluss Vorarlbergs an eine Republik Österreich an, woraufhin sich die

Vorarlberger zwar stattdessen für die Zugehörigkeit zur Schweiz aussprachen, was allerdings keine

Zustimmung fand. Vorarlberg gehört somit seit 1919 als Bundesland zu Österreich.

Wie eingangs dargelegt trägt dieser die Region entscheidend prägende historische Hintergrund eine

wesentliche Bedeutung auch hinsichtlich raumplanerischer Ansätze und Eingriffe, welchen schließlich

stets ein umfassendes Verständnis dessen vorausgehen muss, was hinter dem Konstrukt Region

steckt, was zu dessen Erschaffen beitrug und welche Deutungsmuster vorherrschen.

Page 28: Exkursionsprotokoll2011

27

2.4. Der Kernsiedlungsraum der Walser in Vorarlberg

2.4.1. Laterns (Pfarrkirche)

Abb. 2.7: Gedenkstein in der Fassade der Laternser Kirche: ‘Gott zum Gruss aus der alten Heimat Vallis’

Abb. 2.8: Inschriften an der Südwestecke der Laternser Kirche

Die Besiedlung des heutigen Laternsertals durch die Walser begann im Jahr 1313. Diese kamen aus

dem Gebiet des heutigen Kanton Wallis. Vorher waren in diesen Hochtälern nur temporäre

Siedlungen, welche nun durch Dauersiedlungen ersetzt wurden. Die Besiedlung erfolgte zunächst

überwiegend auf den süd-exponierten Hängen, auf welchen günstigere (meso-) klimatische

Bedingungen zur Bewirtschaftung herrschten. Durch Abholzung schafften die Walser freie Flächen in

den Hochlagen, die sog. Almen oder Alpen, welche ausschließlich im Sommer als Weideflächen für

das Vieh genutzt wurden. Zwischen diesen beiden Begriffen besteht lediglich ein etymologischer

Unterschied: während Alpe alemannischen Ursprungs ist, stammt der Begriff Alm aus dem

Bajuwarischen.

Die Walser besaßen die Fähigkeit, diese Flächen zu bewirtschaften, wodurch sie gleichzeitig eine

neue Kultur in diese Regionen einführten. Überdies behielten sie auch andere Traditionen bei, ehrten

u.a. weiterhin ihre eigenen Heiligen. So ist in den meisten Walserkirchen bspw. eine Statue zu finden,

welche den heiligen Theodul, den Schutzheiligen der Walser aus Sitten in Wallis, darstellt. Nicht nur

dies unterstreicht das Bestreben der Walser zu kultureller Eigenständigkeit, zur Aufrechterhaltung

Page 29: Exkursionsprotokoll2011

28

ihrer eigenen Identität, sondern z.B. auch ein in der Fassade der Laternser Pfarrkirche befindlicher

Stein, der auf die Ankunft der Walser im Jahre 1313 hinweist (Abb. 2.7), sowie an der Westseite der

Kirche in die Mauer eingelassene Inschriften (Abb. 2.8), welche ebenfalls auf die Verbindung zur alten

Heimat Wallis hindeuten. In einer stark religiös geprägten Gesellschaft besitzen Gotteshäuser bzw. in

diesem Fall die Kirche eine immense Bedeutung für das Selbstverständnis der Volksgruppe, weshalb

es für die Auseinandersetzung mit einer Region von so entscheidender Bedeutung ist, sich mit

solchen Orten vertraut zu machen.

2.4.2. Bad Innerlaterns

Der heutige Ortsteil Bad Innerlaterns stellte früher ein Maiensäss entsprechend des oben

geschilderten dreigliedrigen Almwirtschaftssystems dar (vgl. Abb. 2.11 und nachfolgendes

Unterkapitel).

Im 19. Jahrhundert erhielt der (Bäder-)Tourismus Einzug in Vorarlberg. Da der Maiensäss Bad

Innerlaterns eine Schwefelquelle besaß, erfuhr dieser Ort eine zeitweise Nutzung als Kurstätte (vgl.

http://www.heimatschutz.ch/uploads/media/15_11_2005_d.pdf).

Abb. 2.9: Gasthaus in Bad Innerlaterns

Page 30: Exkursionsprotokoll2011

29

Abb. 2.10: Partielle Siedlungswüstung Bad Innerlaterns: Das alte Schindelhaus wird nur noch extensiv genutzt

Inzwischen besitzt Bad Innerlaterns hauptsächlich eine geringe Bedeutung für touristische Nischen

wie Biker- oder Angelausflügler, welchen die noch vorhandenen ehemaligen Wirtschafts- und

Wohngebäude als Gastwirtschaft dienen. Das Entwicklungspotential dieses Ortes bewegt sich

allerdings in eher engen Grenzen, was auch dessen Attraktivität für Investitionen einschränkt.

2.4.3. Maiensäss und Alp- bzw. Almwirtschaft

Der Maiensäss bezeichnet eine niedrige, also auf dem Weg zur Sommerweide in geringerer Höhe

gelegene Alpe oder Alm, welche lediglich einer temporären Nutzung – im Mai – zugeführt wurde.

Diese Fläche wurde bestoßen, sobald das eingelagerte Viehfutter sich dem Ende neigte und der

Schnee in den höher gelegenen Regionen zu schmelzen begann. Ein solcher Maiensäss umfasste als

temporäre Siedlung auch Wohngebäude, da das Vieh dort stets bewacht wurde (Abb. 2.11).

Page 31: Exkursionsprotokoll2011

30

Abb. 2.11: Maiensäss (eigene Darstellung Emile Edea)

Die erste Stufe beschreibt die Viehwirtschaft im Tal von Oktober bis April. Gehen die Futtervorräte im

Tal zu Ende, in den Hochlagen liegt allerdings noch Schnee, treibt man das Vieh zunächst auf der

Maiensäss. Sofern die Hochalmen schneefrei sind, werden sie bestoßen. Dort verbringt das Vieh die

Sommermonate. Bei der Verbindung von Stufe eins zu Stufe drei handelte es sich ursprünglich um

einen Fußweg. Heute wird diese Nutzung des Maiensäss meist ausgelassen, da Straßen es

ermöglichen, das Vieh direkt bis ganz hinauf zur Hauptalpe zu treiben.

2.4.4. Am Furkajoch

Das Furkajoch stellt den Übergang zum Bregenzerwald dar, der Ausbau des Saumpfades zur Straße

erfolgte 1970. Sie verbindet die Walserorte Laterns und Damüls. Im Namen Furkajoch steckt zweimal

dieselbe Bedeutung: sowohl Furka als auch Joch bezeichnen einen kleinen Pass. Die heutige

Passstraße ersetzt den alten Saumpfad, welcher die traditionelle Verbindung zwischen den

Siedlungen Laterns und Damüls darstellt.

Page 32: Exkursionsprotokoll2011

31

Abb. 2.12: Passstraße von Laterns nach Damüls über das Furkajoch

Der Saumpfad (Saum = Last) war für Lasttiere passierbar und spielte ursprünglich eine wichtige Rolle

beim Transport von Waren und anderen Gütern im Rahmen der Almwirtschaft. Die Bauern im

Alpenrheintal verkauften den Walsern Getreide und kauften im Gegenzug Milch und Käse von den

Walsern, die diese Produkte selbst herstellten, sodass sich wirtschaftliche und soziale Beziehungen

zwischen Laterns und Damüls herausbildeten. Über das Furkajoch war so auch Damüls mit dem

Handel im Alpenrheintal verbunden. Zudem diente der Saumpfad dem Auf- und Abtrieb des Viehs im

Frühjahr bzw. Herbst.

Die aus armen Bergbauernfamilien stammenden, sogenannten „Schwabenkinder“ oder Hütekinder,

liefen ebenfalls diesen Fußweg über das Joch, um dann auf Kindermärkten hauptsächlich in

Oberschwaben als saisonale Arbeitskräfte an wohlhabende Bauernfamilien „vermietet“ zu werden.

Bis ins 19. Jh. hielt diese Form des wirtschaftlichen Austauschs zwischen Oberschwaben und

Vorarlberg an. Infolge des Baus befestigter, befahrbarer Passstraßen ging die Bedeutung der

Saumpfade zurück. Heute, zumal durch zusätzliche Belebung mittels der Errichtung von

Gastwirtschaften entlang der Wege, erfüllen sie hauptsächlich touristische Zwecke (vgl. EBERLE 2010).

2.4.5. Damüls

Die 324 Einwohner (Stand 30. Juni 2011) zählende ursprüngliche Walsersiedlung Damüls stellt eine

der lediglich zwei vom (vornehmlich Ski-)Tourismus als wichtigstem Wirtschaftsfaktor stark

geprägten Vorarlberger Gemeinden dar (vgl. Protokoll Regionalwissenschaftliche Exkursion 2010).

Allein durch Investitionen innerhalb der letzten zwei Jahre wurde das Angebot an Gästebetten um ca.

2000 aufgestockt. Während der Wintersaison 2008/2009 hatte Damüls 214.000 Übernachtungen zu

verzeichnen (http://de.wikipedia.org/wiki/Dam%C3%BCls, 24.10.2011). Durch die Erweiterung der

touristischen Infrastruktur (Hotels, Restaurants, Gasthäuser, Aufstiegshilfen usw.) lässt sich eine

weitere Belebung des Ortes als Urlaubsdestination feststellen. Der im Dezember 20095 vollendete

5 vgl. http://www.cusoon.at/skigebiet-damuels-at, Zugriff 12.11.2011

Page 33: Exkursionsprotokoll2011

32

Bau der Gipfelbahn hatte durch die damit geschaffene Verbindung zum Skigebiet Mellau eine

erhebliche Vergrößerung des einstigen Skigebiets zur Folge.

Neben dem wirtschaftlichen Erfolg für die Region birgt der Skitourismus jedoch Risiken sowohl für

den Naturhaushalt als auch für das soziale Gleichgewicht der betroffenen Gemeinden. So steigern die

Veränderung des Reliefs durch die Planierung der Skipisten sowie die Entfernung der Vegetation auf

einigen Hängen die Gefahr des Abgangs von Lawinen; kleinräumige Habitate verschwinden oder

erfahren deutliche Beeinträchtigungen, sodass die Verdrängung bestimmter Arten droht (Bsp.

Bergmolch). Eine weitere Belastung stellen die Wasserver- sowie Abwasserentsorgung dar, deren

Gewährleistung bei der beträchtlichen Anzahl an Übernachtungsgästen jedes Jahr erforderlich ist.

Der Wasserverbrauch steigt zudem immens aufgrund des Einsatzes von Beschneiungsanlagen im

Skigebiet.

Ferner besteht durchaus angesichts eines hohen Touristenaufkommens eine Tendenz einerseits zur

Herausbildung bzw. Verstärkung sozialer Disparitäten sowie andererseits zum Verlust der Identität

und lokaler kultureller Besonderheiten.

In Damüls erinnern noch einige denkmalgeschützte Objekte an die Kulturgeschichte der Walser,

worunter eines die Pfarrkirche St. Nikolaus ist, welche einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der

Walserkultur leistet. Wie bereits angedeutet, spielt die Kirche für die Selbstdefinition christlich

geprägter Volksgruppen eine wichtige Rolle. Wie alle heiligen Stätten bildet auch die St. Nikolaus-

Pfarrkirche die politische, soziale und ökonomische Geschichte dieser Region ab. Die Kirche,

umgeben von einem Friedhof, befindet sich in exponierter Lage über der Siedlung. Sie wurde im Jahr

1484 im gotischen Baustil von Rolle Maiger aus Röthis errichtet und später im Barockstil erneuert. In

der Kirche finden sich etliche Hinweise zur Kulturgeschichte, so die Wappen der Habsburger und der

Grafen von Montfort (s. Abb. 2.14). Letztere entstammten dem heutigen Vorarlberg, besaßen ab

etwa 1200 Herrschaften u.a. in Gebieten um Feldkirch, Bludenz und Bregenz bis ins 14. bzw. 16.

Jahrhundert hinein, wodurch sie als Adelsgeschlechter großen Einfluss in Österreich ausübten. Sie

wurden im 14. Jh. durch die Habsburger als Lehnsherren beerbt. Des Weiteren fällt auch hier an der

rechten Seite vor dem Chorraum eine Statue des Walserpatrons Theodul aus dem Jahre 1460 ins

Auge.

2.4.6. Biosphärenpark Großes Walsertal

Einer der wichtigen Inhalte der Exkursion bestand in der Auseinandersetzung mit der Frage nach

einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Naturschutz und ökonomischer Leistungsfähigkeit einer

Region. In diesem Zusammenhang gerät unweigerlich der seit 2000 bestehende UNESCO

Biosphärenpark Großes Walsertal in den Fokus der Betrachtung, welcher die sechs Gemeinden

Thüringerberg, St. Gerold, Blons, Raggal, Sonntag sowie Fontanella umfasst

(http://www.walsertal.at/ biosphaerenpark).

Page 34: Exkursionsprotokoll2011

33

Abb. 2.13 (links): St. Nikolaus-Pfarrkirche in Damüls Abb. 2.14 (rechts): Wappen der Grafen von Montfort

Unter einem Biosphärenreservat versteht man im Allgemeinen eine international repräsentative

Modellregion, in welcher die Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung im Mittelpunkt steht. Zu den

wichtigsten Zielen von Biosphärenreservaten zählen Naturschutz, Forschung, Umweltmonitoring und

-bildung (vgl. PROTOKOLL REGIONALWISSENSCHAFTLICHE EXKURSION 2009).

Im Großen Walsertal, welches sich auf einer Fläche von ca. 200 km² ausdehnt, leben ca. 4000

Menschen (AMT DER VORARLBERGER LANDESREGIERUNG 1996), was 1% der gesamten Wohnbevölkerung

Vorarlbergs ausmacht. Diese geringe Besiedlungsdichte des Großen Walsertals und die

naturbelassenen Biotopstrukturen haben eine große Dichte und sehr enge Verzahnung der einzelnen

Lebensräume zur Folge. Mangelnde Vernetzung und das Vorhandensein passender und genügend

großer Flächen stellen kein Problem dar. Die naturräumliche Gliederung und die Naturausstattung

sind ganz wesentlich durch die Geologie des Tales charakterisiert. Seit der Besiedelung durch die

Walser im 13. und 14. Jahrhundert ist das Große Walsertal bergbäuerliches Kulturland. Die

wichtigsten ökonomischen Aktivitäten umfassen Landwirtschaft, insbesondere Viehzucht, Tourismus

und, in kleinerem Umfang, Kleinindustrie sowie Handwerk. Zur Erreichung der Ziele der

Biosphärenreservatrichtlinien, erfolgt deren Unterteilung in vier Zonen:

1. In der Kernzone können sich nur die natürlichen Ökosysteme ohne menschlichen Eingriff

entwickeln (BIOSPHÄRENPARK GROßES WALSERTAL, 2010).

2. Die Pflegezone umfasst diejenigen Flächen, die besonders schützenswerte und

pflegeabhängige Kulturlandschaft beinhalten.

3. In den Entwicklungszonen soll eine nachhaltige Nutzung und Entwicklung erfolgen.

4. Die Regenerationszonen stellen großräumige renaturierungsbedürftige Gebiete dar

(BIOSPHÄRENPARK GROßES WALSERTAL, 2010).

Diese Zonierung ist als ein wichtiges Planungsinstrument für den Biosphärenpark Großwalsertal

anzusehen und soll zur Lösung der Raumnutzungskonflikte zwischen Naturschutz, Landwirtschaft,

Forstwirtschaft und Tourismus beitragen.

Page 35: Exkursionsprotokoll2011

34

Das Konzept des besagten Biosphärenparks sieht des Weiteren zur Nutzung der diversen

vorhandenen Naturraumpotentiale eine Überlagerung unterschiedlicher Nutzungen vor, da diese

(Tourismus, Wasserwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft) nicht ausschließlich in Konflikt miteinander

stehen, sondern auch nebeneinander ohne gegenseitige Schädigung existieren können. Zweifelsohne

treten dabei ebenfalls Nutzungsausschlüsse auf (z.B. Weidewirtschaft in Konkurrenz zur

Neubesiedlung von Großraubtieren wie Bär oder Wolf etc.), was allerdings am Leitbild des

Biosphärenparks – Vereinbarung von Kulturlandschaft (Alpwirtschaft) mit Naturkonservierung und –

wiederherstellung – nichts ändert. Der wirtschaftende Mensch (Sennerei, Weidewirtschaft) ist in

diesem Raum durchaus erwünscht, da er damit u.a. für die Freihaltung von Flächen sorgt, was

wiederum auch dem Skitourismus zuträglich ist. Zudem betreibt man Naturschutz im Sinne des

Menschen (anthropozentrische Absicht), weshalb die Vertreibung des Menschen wenig Sinn ergibt

und ohnehin existieren im Biosphärenpark Großes Walsertal kleine von menschlicher Nutzung

vollkommen unberührte Flächen, auf welchen folglich ausschließlich Naturschutz ohne

anthropogenen Einfluss erfolgen kann.

2.4.7. Faschinajoch

Ein weiterer Gebirgspass, das Faschinajoch, verbindet das Großwalsertal mit dem Bregenzer Wald.

Das Dorf Fontanella Faschina, deren Erreichbarkeit ursprünglich ausschließlich über Saumpfade

erfolgen konnte, geht ebenfalls auf die Besiedlung durch Walser zurück.

Heute besitzt der Ort Fontanella Faschina eine nicht unwesentliche touristische Bedeutung als

Skigebiet. Während der Sommermonate zieht ins-besondere die Passstraße auch etliche Motorrad-

sportler an.

Abb. 2.15: Lawinensicherung in Faschina

An einem Seitenhang des Faschinajochs fällt hier die Lawinensicherung mit Hilfe von Doppel-T-

Trägern und Eisenbahnschienen auf (Abb. 2.15).

Page 36: Exkursionsprotokoll2011

35

2.4.8. Raggal

Raggal, ein Walserdorf mit 824 Einwohnern (Stand 30. Juni 2011), gehört dem Bezirk Bludenz an und

liegt mitten im Großen Walsertal auf einer Hochterrasse. Architektonisch ist der Ort gekennzeichnet

durch eine Vermischung der typischen Walsergebäude mit rätoromanischen Hauselementen. Die

drei Haupterwerbszweige bilden Landwirtschaft, Fremdenverkehr sowie Forstwirtschaft (47% der

Gemeindefläche sind bewaldet). Infolge der Fremdenverkehrsentwicklung setzte in der jüngeren

Vergangenheit eine starke Bevölkerungszunahme ein.

Abb. 2.16: Blick auf Raggal

Die Entwicklung des Ortes basiert auf einem eher konservativen Planungsansatz, welcher den Erhalt

der Kulturlandschaft, also Land- (Südhang) und Forstwirtschaft (Schatthang), beinhaltet. Das

Planungsziel besteht folglich im Erhalt der Attraktivität der Landwirtschaft mit dem Ansinnen, eine

übermäßige Abwanderung der Bevölkerung in die umliegenden Industriestandorte (Ludesch,

Bludenz) zu verhindern. Nach dem II. Weltkrieg erfolgte daher der Bau befestigter Straßen zur

Sicherstellung einer besseren Erreichbarkeit bzw. Erschließung der Hochtäler sowie einzelner Höfe

und Streusiedlungen. Eine weitere Maßnahme zur Vermeidung von Wüstungen in derartigen

Hochlagen umfasst die Schaffung von Zwergschulen.

2.5. LITERATURVERZEICHNIS Exkursionstag 2

AMT DER VORARLBERGER LANDESREGIERUNG, Abteilung VIIa – Raumplanung und Baurecht (Hrsg.):

Strukturdaten Vorarlberg. Bregenz. 1996

BILLIGMEIER, R. H. (1983): Land und Volk der Rätoromanen. Eine Kultur- und Sprachgeschichte mit einem

Vorwort von Iso Camartin. Frauenfeld

BULLINGER, J. (2002): Die ersten Menschen im Alpenraum. Von 50000 bis 5000 vor Christus. Zürich

Page 37: Exkursionsprotokoll2011

36

DEPLAZES, G. (1991): Die Rätoromanen. Ihre Identität in der Literatur. Disentis

ERBE, M. (2000): Die Habsburger 1493-1918. Eine Dynastie im Reich und in Europa. Kohlhammer, Stuttgart

GEUENICH, D. (2005): Geschichte der Alemannen. Kohlhammer, Stuttgart

HARTMANN, W. (Hrsg.) (2002): Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Bd. 1. Frühes und hohes

Mittelalter 750-1250. Reclam, Stuttgart.

KNEFELKAMP, U. (2002): Das Mittelalter. Geschichte im Überblick. UTB, Paderborn

KUHN, M. (2005): Eine kurze Geschichte Vorarlbergs. Ereignisse, Persönlichkeiten, Jahreszahlen. Wien

POHANKA, R. (2008): Die Völkerwanderung. Wiesbaden

POHL, W. (2005): Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration. Kohlhammer, Stuttgart

POSTEL, V. (2004): Die Ursprünge Europas. Migration und Integration im frühen Mittelalter. Kohlhammer,

Stuttgart

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

BIOSPHÄRENPARK GROSSES WALSERTAL (2010): Daten zur Region. Online unter

http://www.grosseswalsertal.at/ (Zugriff: 20.10.11)

BISCHOF, G.; STAUDINGER, M. (2009): Aktualisierung des Biotopinventars Vorarlberg – Gemeinde Damüls. In:

Vorarlberger Landesregierung Abteilung Umweltschutz (IVe), AVL Arge Vegetationsökologie und

Landschaftsplanung (Hrsg.): Biotopinventar Vorarlberg. (online verfügbar, www.vorarlberg.at, Zugriff

25.10.2011)

BRUNS, S.: Alpenpässe. Die Pässe zwischen Bodensee und Comer.

http://www.walsertal.at/biosphaerenpark Zugriff: 30.10.2011

BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (2010): Zonierung der UNESCO-Biosphärenreservate. Online unter

http://www.bfn.de/0308_zonen.html (Zugriff: 22.10.11)

EBERLE, K. (2010): Schwabenkinder. Online unter

http://www.alpic.net/region/history/schwabenkinder.php

MAURER, P. (2005) : Maiensäße – Kulturlandschaft zwischen Zerfall und Umbau!

http://www.heimatschutz.ch/uploads/media/15_11_2005_d.pdf Zugriff : 25.09.11

http://de.wikipedia.org/wiki/Furkajoch 25.09.11

PROTOKOLLE DER REGIONALWISSENSCHAFTLICHEN EXKURSIONEN DES INSTITUTS FÜR

REGIONALWISSENSCHAFT (KIT) 2009, 2010

2.6. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Exkursionstag 2

Abbildung 2.1: Google Earth, Zugriff 24.10.2011

Abbildung 2.2: http://www.prenna-touta.de/mediapool/83/830093/resources/10250301.jpg, Zugriff

16.10.2011

Abbildung 2.3: http://www.antikefan.de/kulturen/rom/raetia.html, Zugriff 22.10.2011

Abbildung 2.4: http://www.forestarius.de/images/reichsteilungen_843.jpg, Zugriff 18.10.2011

Abbildung 2.5: http://www.walserweg.ch/besiedlung.html, Zugriff 19.10.2011

Abbildung 2.6: http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten /phil_Fak_III/Geschichte/w98vsmm42.htm,

Zugriff 19.10.2011

Abbildung 2.7: http://www.laternsertal.at/nexus3 /WebObjects/nexus3.woa

/wa/article?id=12803&ru bricid=751&menuid=796&back=rp, 26.10.11

Abbildung 2.8: http://www.laternsertal.at/laterns/images/large/2001/laterns20010920000022L.jpeg,

Zugriff 18.10.11

Abbildung 2.9: Emile Edea

Abbildung 2.10: Emile Edea

Abbildung 2.11: Emile Edea

Page 38: Exkursionsprotokoll2011

37

Abbildung 2.12: http://www.alpentourer.de/alpenpaesse/region1/furkajoch/karte_furkajoch/karte_ furkajoch.html

Abbildung 2.13: Emile Edea

Abbildung 2.14: http://de.wikipedia.org/wiki/Montfort_(Adelsgeschlecht), Zugriff 12.11.2011

Abbildung 2.15: Luise Porst

Abbildung 2.16: Luise Porst

Page 39: Exkursionsprotokoll2011

38

3. EXKURSIONSTAG 3, 21.09.2011

Mamoudou Ag Youssouf, George Ronesle Soares Rocha

Programm

Zeit Ort/Themen/Aktivitäten Referenten/Beteiligte

8.00 - 8.45 Uhr Frühstück Fibe Alle

8.45 - 9.30 Uhr Einführung in die Orogenese und Geologie der Alpen J. Vogt, A. Megerle

10.00 - 17.30 Uhr

Alpintour (Wanderung) Portlahorn:

„Ökologie als Wirkfaktor regionalwissenschaftlichen

Kontextualisierens am Beispiel der Höhenstufen in

den Alpen“

J. Vogt

A. Megerle

17.30 - 18.30 Uhr Ankunft im Seminarhaus Fibe und Pause

18.30 - 19.30 Uhr Abendessen im Seminarhaus Fibe

20.00 - 21.00 Uhr Reflexion, Planspiel: Planungsausschusssitzung

Alle

Der dritte Exkursionstag umfasste eine etwa sechsstündige Rundwanderung vom Furkajoch (auf 1759

m ü. N.N.) über das Portlahorn (2010 m ü. N.N.) und die Sünser Alp zurück zum Ausgangspunkt,

welche unter dem Thema „Ökologie als Wirkfaktor regionalwissenschaftlichen Kontextualisierens am

Beispiel der Höhenstufen in den Alpen“ stand. Zudem wurden einige wichtige Gesichtspunkte der

Geologie und Morphologie der Alpen besprochen.

Abb. 3.1: Exkursionsroute

3.1. Die Entstehung der Alpen

Während die eigentliche Herausbildung der Alpen als Gebirge während des Tertiärs erfolgte, liegt die

Entstehung der Gesteine der heutigen Alpen mehr als 200 Mio. Jahre zurück. Zu dieser Zeit (am Ende

Exkursionsroute

Page 40: Exkursionsprotokoll2011

39

der Trias) befand sich im späteren Sedimentationsraum der Alpen ein Meeresbecken, die Tethys, in

dem sich über einen langen Zeitraum hinweg die Ablagerung und Bildung mariner Karbonatgesteine

der alpinen Trias (Riffkalk, Dolomit) unter tropischen Klimaverhältnissen6 vollzog. Dazu kommen

kreidezeitliche Flysch-Gesteine (Tiefseebildungen mit Wechsel tonig-mergeliger und sandig-kalkiger

Bänke) und kalkig-sandige Flachwasserbildungen des Randmeeres (helvetische Fazies) sowie

vereinzelt noch Molasseablagerungen, die dann später (im Tertiär) das Ausgangsmaterial für die

alpine Orogenese bildeten. Infolge der Konvergenz der eurasischen und afrikanischen Platte (inkl. der

dieser vorgelagerten adriatischen Platte) kam es zur intensiven Auffaltung der mächtigen

Sedimentschichten und zur Überschiebung der verschiedenen Gesteinspakete

(Deckenüberschiebungen), folglich auch zu deren Transport über z.T. mehrere hundert Kilometer,

sodass die ursprünglich triassischen Meeressedimente heute die nördlichen und südlichen Kalkalpen

bilden (vgl. AHNERT 2009: 255; HENNINGSEN/KATZUNG 1992: 139ff.).

Abb. 3.2: Geologischer Schnitt durch die westlichen Ostalpen und Südalpen

Ein Profil von Norden nach Süden umfasst also heute folgende Gesteinsformationen:

Im Norden, im Alpenvorland, liegt die gerade noch durch die Alpenfaltung beeinflusste

Faltenmolasse (Abtragungsmaterial), nach Süden hin schließen sich helvetische Decken an

(Helvetikum, unter flachmarinen Bedingungen abgelagertes Gestein), dann das Penninikum

(Tiefseefazies, Turbidite, Flysch, Kalzite), teils überschoben von kristallinem Gestein. Noch weiter

nach Süden hin schließt sich dann das Südalpin (Kalk) an (vgl. AHNERT 2009: 255), gefolgt vom

Kristallin. Es handelt sich dabei angesichts der Faltungen und Überschiebungen selbstverständlich

nicht um glatte Decken, auch das Kristallin (der variszischen Orogenese vor 330 Mio. Jahren im

Karbon und Perm) ist nicht mehr als Sockel, sondern als Decke zu bezeichnen, da sich jüngere

Schichten (Penninikum, Südalpin) darunter schoben und es vom Sockel abriss. Generell stimmt die

horizontale Gliederung der Gesteinsschichten nicht mit der zeitlichen Folge ihrer Ablagerung überein,

sondern infolge der Überschiebungen können jüngere Sedimente durchaus unter älteren

Gesteinsschichten liegen (siehe dazu Abb. 3.2).

6 Das Gebiet der heutigen Alpen befand sich zu dieser Zeit als Teil Pangäas näher am Äquator als heute, es herrschte tropisches Klima (vgl. MARTHALER 2002)

Page 41: Exkursionsprotokoll2011

40

Wie bereits erwähnt, resultieren die Alpen aus der Kollision der eurasischen und afrikanischen bzw.

adriatischen Platte. Derartige Bewegungen der Kontinentalplatten in der Lithosphäre (Erdkruste und

oberer Erdmantel) werden angetrieben durch die Konvektionsströme im Erdmantel. Man

unterscheidet konvergente, divergente und transkurrente Bewegungen der Platten. Die konvergente

Verschiebung führt zur Bildung von Gebirgsformationen und Vulkanen, als Resultat divergenter

Bewegungen bilden sich vor allem Schluchten und Gräben, während Erdbeben hauptsächlich bei

transkurrenten Bewegungen auftreten (vgl. MARTHALER 2002: 27; PRESS/SIEVER 2003: 71f., 516).

Abb. 3.3: Lage der Kontinente im Zeitalter der Trias, vor 200 Mio. Jahren

Abb.3.4: Zerfall von Pangäa durch eine divergente Plattengrenze

Nachdem Pangäa, vor ca. 200 Mio. Jahren, durch die Öffnung der Tethys nach Westen hin zerfallen

war (s. Abb. 3.3 und 3.4), weitete sich der Ozean zwischen Westafrika und dem südlichen

Nordamerika aufgrund der ständigen Produktion neuer ozeanischer Kruste am Meeresboden

(Atlantik) aus. In gleicher Weise bildete sich zwischen Europa und Afrika das penninische

Meeresbecken heraus. Darin lagerten sich jene Tiefseegesteine ab, deren Formation heute nach

deren Ablagerungsraum als Penninikum bezeichnet wird. So ergibt sich des Weiteren die Gliederung

der Sedimentationsgebiete der heutigen alpinen Gesteine in den Helvetischen Schelf am Rand der

europäischen Platte, das Ozeanbecken selbst (Tiefsee) sowie den Ostalpinen Schelf (vgl. PFIFFNER

2010: 25ff.; BAHLBURG/BREITKREUZ 2008: 331ff.).

Page 42: Exkursionsprotokoll2011

41

Am Ende der Kreidezeit kam es zur Konvergenz und schließlich zur Kollision der afrikanischen mit der

eurasischen Platte, wodurch sich das Tethysmeer verengte (vgl. AHNERT 2009: 32). An diesen aktiven

Kontinentalrändern, welche sich i.A. durch den Prozess der Subduktion ozeanischer unter

kontinentale Kruste auszeichnen, entstanden vor ca. 65 Mio. Jahren die Alpen (vgl. AHNERT 2009:

36f.). Einhergehend mit der weitgehenden Subduktion ozeanischer Kruste (Penninikum) unter das

Ostalpin sowie in Kombination mit Verwerfungen, Auffaltungen und Überschiebungen entstand das

komplizierte System aus Gesteinsdecken unterschiedlicher Fazies, welches heute die Alpen prägt (s.

Abb. 3.5).

Vor etwa 30 Mio. Jahren wurde dann infolge des Ungleichgewichts der Massenverteilung, das sich

aus der Verdickung der kontinentalen Kruste nach dem Zusammenprall der beiden Kontinente

(Europa und Afrika) ergab, eine Aufwölbung der Alpen in Gang gesetzt (isostatischer Ausgleich)7,

welche das heutige Hochgebirge entstehen ließ. Dieser Hebungsprozess hält auch weiterhin an,

obgleich in geringerem Ausmaß (vgl. PRESS/SIEVER 2003: 259ff., 575ff.).

Abb. 3.5: Entstehung einer Überschiebungsdecke

Im Eozän begann die Absenkung des dem entstehenden Orogen nördlich vorgelagerten Gebiets, so

dass im Alpenvorland die Paratethys als mariner Sedimentationsraum entstand (welcher geprägt war

durch einen Wechsel von Transgressionen und Regressionen). Die nach Norden gerichteten

Überschiebungen des Gebirges setzten sich allerdings währenddessen fort, sodass die im

Entstehungsprozess befindlichen Molassesedimente (bestehend aus dem Abtragungsmaterial der

7 Je höher ein Gebirge über N.N. aufragt, desto tiefer ragt es auch in das Erdinnere hinein, denn das auf der Erdkruste lastende Gewicht ist höher, sodass diese sich absenkt. Die daraus entstehende Ausbeulung an der Unterseite der Kruste sorgt für den Auftrieb der Masse, führt also zur Hebung (vgl. PRESS/SIEVER 2003: 515).

Page 43: Exkursionsprotokoll2011

42

entstehenden Alpen) selbst in die Verfaltung einbezogen wurden und mithin als Gesteinsdecken zum

weiteren Aufbau des Gebirgskörpers beitrugen (subalpine Molasse, vgl. BAHLBURG/BREITKREUZ 2008:

272f.; ZAUGG 2000: 4f.; vgl. Abb. 3.2 und 3.6).

Abb. 3.6: Geologischer Schnitt durch das Alpenvorland und die nördlichen Alpen

3.2. Alpen: Pleistozäne und holozäne Überprägung

Die weitere Oberflächengestaltung der Alpen, nach Ende der tektonischen Aktivitäten und damit

verbundener Überschiebungen und Verwerfungen, war zunächst geprägt durch Erosionsprozesse

aufgrund fluviatiler Dynamik und Murgängen, im Pleistozän spielte die glaziale Überprägung die

entscheidendste Rolle bei der weiteren Reliefgestaltung der Alpen, während danach wieder vor allem

Flussläufe die Oberfläche der Alpen einem Prozess stetigen Umformens aussetzen.

Zu den zahlreichen Hinweisen auf die glaziale Überprägung der Oberflächengestalt der Alpen

während der pleistozänen Vereisung zählen neben den bereits angesprochenen Hängetälern, Grund-

und Endmoränen u.a. auch Mittel- und Seitenmoränen, Kare, Karschwellen und -seen sowie

Gesteinskritzungen.

Abb. 3.7: Glaziale Kritzungen im Gestein

Letztere deuten auf die Bewegung und Bewegungsrichtung eines Gletschers hin. Die vom Gletscher

an dessen Unterseite eingeschlossenen und transportieren Gesteinstrümmer üben Schleif- oder

Kratzwirkungen auf den Untergrund eines Gletschers aus (Detersion), was Gletscherschrammen oder

Page 44: Exkursionsprotokoll2011

43

Kritzungen hinterlässt (vgl. PRESS/SIEVER 2003: 397, AHNERT 2009: 308; vgl. Abb. 3.7). Aus diesen lässt

sich bspw. auch rekonstruieren, dass Gletscher, aufgrund ihrer plastischen Bewegen (Eisströme),

auch Bergkämme entgegen der Hangabtriebskraft überfließen können. Man spricht in diesem

Zusammenhang von Transfluenz8. Infolge der seit der Eiszeit dauernden Verwitterungsprozesse

nehmen derartige Spuren am Gestein (Kritzungen oder Schrammen) allerdings an Deutlichkeit ab, bis

sie gänzlich verschwinden.

Ein Kar bezeichnet eine Geländeeintiefung, welche auf das Vorhandensein eines Gletschers in einer

Hangmulde zurückzuführen ist. Infolge der Hangabwärtsbewegung des Gletschers, verbunden mit

Abtragungsprozessen, erfolgt die Vergrößerung und weitere Vertiefung der Mulde, so dass ein Kar

entsteht (s. Abb. 3.8). Die andauernde Erosion führt zudem zum Abreißen des Eises am Rückhang des

Kars, wodurch eine Spalte zwischen Gletscher und dem am Hang angefrorenen Eis entsteht, der

Bergschrund (vgl. AHNERT 2009: 306). Der hauptsächlich durch Frostverwitterung erzeugte

Gesteinsschutt wird vom Gletscher aufgenommen, abtransportiert und am Ende des Gletschers zu

einer Moräne (Karschwelle) aufgehäuft. Da die Abtragung im Bereich des Bergschrundes in höherem

Ausmaß erfolgt als am darüber liegenden Hang, kommt es zur Zurückdrängung und Übersteilung des

Karrückhangs. Im Bereich der Gletscherzunge ergibt sich eine geringere Eintiefung des Geländes, im

Gegensatz zum Zentrum des Kargletschers, wo die Mächtigkeit des Eises am größten ist und mithin

die intensivste Tiefenerosion stattfindet. Folglich bildet sich ein von den übersteilten Hängen und der

Karschwelle begrenztes übertieftes Becken heraus, welches sich nach der Gletscherschmelze zu

einem Karsee entwickeln kann (s. Abb. 3.8, vgl. AHNERT 2009: 310), der in der Folgezeit häufig

vermoort.

Kare können auch als Ursprung von größeren Talgletschern fungieren, denn bei großem

Schneeüberschuss fließen Gletscherzungen weit aus dem Kar heraus, teils bis ins Tal, zum Teil sogar

in das Vorland. Eine Karschwelle wird in einem solchen Fall entweder erst gar nicht gebildet bzw.

wird durch Überfahrung wegerodiert. Der Großteil der Talgletscher allerdings entsteht aus dem

Zusammenfluss mehrerer Kargletscher (vgl. AHNERT 2009: 306). Sie werden durch Mittelmoränen

getrennt, welche heute als kleinere Geländeerhebungen an vielen Stellen in den Alpen zu erkennen

sind (Beispiel: am gegenüberliegenden Hang des Unterkunftshauses in Laterns). Sie stellen einen

Streifen aus Gesteinsschutt dar, dessen Entstehung sich auf die Vereinigung der Seitenmoränen beim

Zusammenfließen zweier Gletscher zurückführen lässt (vgl. AHNERT 2009: 313).

8 Transfluenz bezeichnet das Abfließen eines Gletschers über einen (Transfluenz-)Pass in ein anderes Talsystem. Durch die daraus resultierende Verringerung der Eismächtigkeit und Erosionskraft des Gletschers können im Haupttal die für das Längsprofil glazialer Talformen typischen Schwellen entstehen (vgl. BRUNOTTE et. al 2002: 367).

Page 45: Exkursionsprotokoll2011

44

Abb.3.8: Sünser See, ein Karsee, vor seiner typischen übersteilten Rückwand. Deutlich zu erkennen ist ein weiteres, darüberliegendes Kar (ohne See), so dass von einer Kartreppe gesprochen werden kann, Zeuge der sich im Pleistozän und Nachpleistozän verändernden klimatischen Schneegrenze

3.3. Höhenstufen und Lebensräume

Abb. 3.9: Höhenstufen in den Alpen

In Gebirgen unterscheidet man unterschiedliche Höhenstufen, denen jeweils potenziell natürliche

Waldgesellschaften zugeordnet werden (s. Abb. 3.9). Als unterste Stufe dieser vertikalen Zonierung

Page 46: Exkursionsprotokoll2011

45

gilt die kolline Stufe, welche in den Alpen bis etwa 500 (N) bzw. 800 m (S) reicht und in der Eichen als

wichtige Baumart eine große Rolle spielen. Darüber folgt die submontane Stufe bis 800/1000 m, die

in den nördlichen Randalpen hautsächlich aus Buchen besteht. Die Höhenlage zwischen 800 bis 1400

m in den Nordalpen bzw. 1000 bis 1600 m in den Südalpen bezeichnet man als montane Stufe. Dort

kommen neben Nadelgehölzen (eigentlich Tannen, infolge des anthropogenen Einflusses wie

Aufforsten und historische Waldübernutzung überwiegt heute allerdings das Auftreten der Fichte),

auch Laubbäume vor, hauptsächlich die Buche, ferner der Berg-Ahorn. Daran schließt sich die

subalpine Stufe auf 1400/1600 bis 2100/2300m an, deren Wälder nach oben hin (Waldgrenze!)

lichter werden und die in den Nordalpen hautsächlich aus Fichten bestehen (s. Abb. 3.10 und 3.11).

Auf einer Höhe von ca. 2300m bis 2800m spricht man von der alpinen Stufe, auf welcher keine

Bäume mehr leben können, so dass Zwergsträucher und Rasen dominieren. Die subnivale Stufe,

deren Höhenlage bei 2800/3000-3000/3500m liegt, ist durch inselartige Rasen- und

Polsterpflanzenformationen sowie Moosen und Flechten gekennzeichnet, während in der nivalen

Stufe auf >3000m ü.N.N. nur noch einzelne Flechten, Moose und wenige Stauden leben können, und

dass nur an nicht bzw. nicht zu lange von Eis bzw. Schnee bedeckten Standorten wie steilen

Felshängen (vgl. MERTZ 2008).

Die Wanderung begann auf einer Höhe von ca. 1.700 Metern ü. N.N., bezogen auf die Höhenstufen-

Gliederung also im Bereich der hochmontanen bis subalpinen Stufe. Allerdings hat der Mensch durch

seine intensive Nutzung der Hochlagen (Rodungen, Alpwirtschaft mit Waldweide, früher auch

Ackerbau) bereits in historischer Zeit die Vegetation sowie die Standorte um fast eine ganze

Höhenstufe verändert. Zu sehen waren deshalb hauptsächlich Inseln aus Fichtenwäldchen. Nur ganz

selten waren einzelne Vogelbeeren oder Buchen zu sehen. Dafür dominieren

Zwergstrauchformationen (Heidelbeere, Rauschbeere, Alpenrosen, Zwergweiden u. a.) sowie Gras-

und Staudengesellschaften (s. Abb. 3.10 und 3.11).

Abb. 3.10 und 3.11: Reliktische Waldinseln in der hochmontanen bis subalpinen Stufe im Bereich Portlahorn – Sünser Spitze

Die Heidelbeere (s. Abb. 3.14) wirft ihre Blätter im Herbst ab, kann aber auch danach assimilieren

(Photosynthese über immergrüne Zweige). Im Gegensatz dazu erfolgt die Photosynthese bei der

Rauschbeere (s. Abb. 3.13), welche der Heidelbeere sehr ähnlich ist, ausschließlich über deren

Blätter. Beide Pflanzenarten kommen aufgrund ihrer geringen Wuchshöhe mit einer nur dünnen

Page 47: Exkursionsprotokoll2011

46

schützenden Schneedecke aus (vgl. HESS 2000: 110). Weiterhin tritt auf dieser Höhenstufe die

Alpenrose auf (s. Abb. 3.12), welche aufgrund ihrer hohen Frostempfindlichkeit lediglich an

Standorten mit einer dickeren schützenden Schneebedeckung im Winter vorkommt (vgl. HESS 2000:

110).

Als charakteristisch für diese alpwirtschaftlich genutzten Höhenlagen erweist sich die kleinräumige

Vielfalt verschiedenster Lebensräume auf kleinem Raum. Diese sind auch bedingt durch kleinräumige

Relief- und Expositionswechsel (zum Beispiel bedingt durch geologische Härtlingsstrukturen).

Aufgrund der häufigen extremen Witterungsbedingungen mit ihren Wirkfaktoren Sonne, Wind,

Schnee und Eis können dabei auch kleine Reliefunterschiede zu einer Akzentuierung der

Standortunterschiede führen. Diese Biotopvielfalt ist aber vor allem bedingt durch eine differenziert

intensive weidewirtschaftliche Nutzung, die u. a. zu einem Nährstoffgradienten von den Almen hin zu

den peripheren Weidegebieten führt. Vor allem an den Almgebäuden und an anderen

windgeschützten Viehlagerplätzen tritt die aus Stickstoffzeigern aufgebaute Lägerflur (Brennessel,

Alpenampfer, Wolfseisenhut) auf.

Abb. 3.12: Alpenrose Abb. 3.13: Rauschbeere

Abb. 3.14: Heidelbeere

Borstgrasrasen mit dem Namen gebenden Borstgras (Nardus stricta) sowie mit dem Heidekraut

(Calluna Vulgaris, s. Abb. 3.15), treten bis zur alpinen Stufe auf sauren, nährstoffarmen Böden auf ,

auf denen es dominieren und deshalb regelrechte Rasen bilden kann (vgl.

GERBER/KOZLOWSKI/MARIÉTHOZ 2010: 172). Häufig weisen Borstgrasrasen auf anthropogen bedingte

Bodendegradierungen als Folge historischer Übernutzungen hin. In Feuchtheiden und Mooren

gesellen sich auf den sauren Standorten Moose der Gattung Sphagnum hinzu (Abb. 3.16). Sie können

große Mengen Wasser speichern und bedingen die Ökosystemdienstleistung „Wasserretention“ von

Hochmooren.

Page 48: Exkursionsprotokoll2011

47

Abb. 3.15: Heidekraut Abb. 3.16: Moose der Gattung Sphagnum

Aufgrund der Alpwirtschaft kommt es in deren Einflussbereich zum Auftreten und zur Häufung von

Pflanzenarten, die sich an durch anthropogene Eingriffe gestörten, eutrophen Standorten durch

besondere Konkurrenzstärke gegenüber anderen Arten auszeichnen. Solche Ruderalstandorte

entstehen bspw. auf Böden, die aufgrund der räumlichen Konzentrationen von Exkrementen des

Viehs (häufig frequentierte Bereiche wie Windschutzlagen, Bereiche um die Alpgebäude, etc., s.

Abb. 3.18) eine erhöhte Stickstoffkonzentration aufweisen. Ebenso trägt die touristische Nutzung

der Flächen (als Wandergebiet) zum erhöhten Nährstoffeintrag bei. Dazu kommt die Trittwirkung,

sowohl von Kühen wie von Menschen. Diese Standortfaktoren begünstigen die Verbreitung von

Stickstoff- (Beispiel: Brennnessel) und Trittzeigern (Beispiel: Frauenmantel, s. Abb. 3.17, vgl. GODET

2000: 245). Der Frauenmantel zeigt überdies eine besondere Anpassung an den für diese

Höhenlagen häufig auftretenden Wasserüberschuss im Boden: Überschüssiges Wasser kann von

diesen Pflanzen in Form von Guttation aktiv über die Blattränder ausgeschieden werden.

Abb. 3.17: Frauenmantel

Besondere Lebensräume in Hochgebirgen sind Feuchtgebiete wie Quellen, Bäche, Seen (Beispiel:

Karseen) sowie kleine Stillgewässer wie dem Blauen See (Mittagsrast), der durch eine Rutschung

entstanden ist.

Typische Vertreter der Biozönosen dieser Biotoptypen sind Amphibien wie Frösche, Kröten und

Molche. Entlang des Wanderweges konnten zwei verschiedene Amphibienarten identifiziert werden:

Grasfrosch (Rana temporaria, adult, an einem quelligen Grünlandstandort, Abb. 3.19) sowie

Bergmolch (Ichthyosaura aopestris, Larve, Blauer See, Abb. 3.20).

Page 49: Exkursionsprotokoll2011

48

Abb. 3.18: Alpe mit Stall und saisonal genutztem Wohngebäude, heutzutage häufig mit touristischer Nutzung „Jausenstation“

Abb. 3.19: Grasfrosch Abb. 3.20: Bergmolchlarve

Page 50: Exkursionsprotokoll2011

49

Insgesamt ließ sich während der Wanderung eine große räumliche Dichte, zum Teil auch

Überlagerungen diverser Nutzungen feststellen. Besonders deutlich wurde die Bedeutung der

Alpwirtschaft nicht nur als an die Höhenökosysteme angepasste, landwirtschaftliche

Produktionsform, sondern auch als Garant für den Erhalt einer hohen Biotop- und Biodiversität.

3.4. LITERATURVERZEICHNIS Exkursionstag 3

AHNERT, F. (2009): Einführung in die Geomorphologie. Stuttgart

BAHLBURG,H.; BREITKREUZ, C. (2008): Grundlagen der Geologie. Spectrum Akademischer Verlag

BROGGI, GRABHERR, ALGE, GRABHERR (1991): Biotope in Vorlarlberg : Natur und Landschaft in Vorlarberg.

Vorlarberger Verlagsanstalt

BRUNOTTE, Ernst; GEBHARDT, Hans; MEURER, Manfred (2002): Lexikon der Geographie - Ökos bis Wald.

Spektrum Akademischer Verlag GmbH. Heildelberg / Berlin

GERBER, E.; KOZLOWSKI, G.; MARIÉTHOZ, A.(2010): Die Flora der Voralpen. Haupt

GODET, Jean-Denis (1999): Blumen der Felsen, Halden, Moränen, Rasen, Weiden und Waldränder. Thalacker

Medien

HENNINGSEN, D.; KATZUNG, G. (1992): Einführung in die Geologie Deutschlands. Stuttgart

HESS, Dieter (2001): Alpenblumen: Erkennen – Verstehen – Schützen. Eugen Ulmer

HOFER, Rudolf (Hrsg.) (2009): Die Alpen: Einblicke in die Natur. Innsbruck University Press

KWET, A. (2010): Reptilien und Amphibien Europas. 190 Arten mit Verbreitungskarten. Stuttgart

MARTHALER, Michel (2002): Das Matterhorn aus Afrika: die Entstehung der Alpen in der Erdgeschichte. Ott

Verlag

MERTZ, Peter (2008): Alpenpflanzen in ihren Lebensräumen. Haupt

OBERRAUSER, R., RATAJ, W. (1996): Geologisch-Tektonische Überschichtkarte von Vorlarlberg 1:200000.

Geologische Bundesanstalt. Wien

PFIFFNER, O. Adrian (2010): Geologie der Alpen. 2. Auflage. Haupt

PRESS, F.; SIEVER, R. (2003): Allgemeine Geologie. Einführung in das System Erde. 3. Auflage. Elsevier,

München

ZAUGG, A. (2000): Vom Hegau zum Säntis – das Verbreitungsgebiet der Molasse. In: Kommission der

Internationalen Bodenseekonferenz (Hrsg.): Feuer, Eis und Wasser. Streifzüge durch die Landschafts- und

Entstehungsgeschichte der Bodenseeregion. S. 4-5

3.5. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Exkursionstag 3

Abbildung 3.1: http://www.damuels.at/xxl/de/map/index.html, Zugriff 22.10.2011

Abbildung 3.2: Ahnert 2009: 255

Abbildung 3.3: http://geologisch.wordpress.com/2011/03/08/die-erde-und-ihr-klima-ein-palaoklima

tologischer-exkurs/, Zugriff 29.01.2012

Abbildung 3.4: Marthaler 2002: 29

Abbildung 3.5: Egli 1961

Abbildung 3.6: http://www.lfu.bayern.de/geologie/geotope_schoensten/48/index.htm, Zugriff

29.01.2012

Abbildung 3.7: George Rocha

Abbildung 3.8: Luise Porst

Abbildung 3.9: http://www.geodz.com/deu/d/H%C3%B6henstufen, Zugriff 29.01.2012

Abbildung 3.10: Luise Porst

Abbildung 3.11: Luise Porst

Page 51: Exkursionsprotokoll2011

50

Abbildung 3.12: George Rocha

Abbildung 3.13: http://www.rotholl.at/archiv/beeren-fruechte-1/rauschbeere/19893.html,

Zugriff 20.11.2011

Abbildung 3.14: http://de.wikipedia.org/wiki/Heidelbeere, Zugriff 20.11.2011

Abbildung 3.15: George Rocha

Abbildung 3.16: George Rocha

Abbildung 3.17: Godfried Koukoubou

Abbildung 3.18: George Rocha

Abbildung 3.19: http://www.naturzentrumglarnerland.ch/glarner-naturlexikon/g/grasfrosch-gl/,

Zugriff 20.11.2011

Abbildung 3.20: George Rocha

Page 52: Exkursionsprotokoll2011

51

4. EXKURSIONSTAG 4, 22.09.2011

Yasmina Adebi, Md. Shamimul Islam

Programm

Abb. 4.1: Fahrtroute Laterns – Dornbirn, inatura

Zeit Ort/Themen/Aktivitäten Referenten/Beteiligte

8.30 - 9.30 Uhr Fahrt Laterns - Dornbirn (inatura) Alle

9.30 - 12 Uhr inatura: Geschichte des Standorts von inatura als "hot

spot" der Industriegeschichte Vorarlbergs

Ruth Swoboda

(inatura)

12.00 - 13.30 Uhr Mittagspause Alle

13.30 - 17.15 Uhr

Fußexkursion und Vorstellung des Naturschutzprojektes

„Renaturierung/Aufweitung Steinebach/Fischbach im

Bereich Bickweg“ als Beispiel für ein Naturschutzprojekt

im dichter besiedelten Raum

A. Megerle

J. Vogt

Klaus Zimmermann

(inatura)

17.45 - 19.35 Uhr Rückfahrt

Abendessen im Seminarhaus Fibe Alle

19.30 - 21.45 Uhr Besuch des Walserhauses in Laterns Alle

N

Page 53: Exkursionsprotokoll2011

52

4.1. Einleitung

Für diesen Tag waren vier Exkursionsziele von Bedeutung:

1. Das Verstehen der Bedeutung des Standorts der inatura als "hot spot" der Industriegeschichte

Vorarlbergs

2. Das Verstehen der Vor- und Nachteile des Modells inatura als gesetzlich verankerte, aber

privatrechtlich organisierte Institution zur Umweltbildung und Naturschutzberatung der

Landesregierung und der Vorarlberger Bevölkerung

3. Die Veranschaulichung einer solchen Beratung am Beispiel eines praktischen Naturschutzprojekts

am Beispiel des Projekts „Renaturierung/Aufweitung des Steinebachs/Fischbachs im Bereich

Bickweg“ in Dornbirn

4. Die Veranschaulichung des Lebens von Walsern in einem Walserhaus (Fallbeispiel Walserhaus von

Benno Finke in Laterns).

4.2. Dornbirn

Dornbirn liegt in Vorarlberg, dem westlichsten Bundesland Österreichs, auf 437m Höhe

im Rheintal am Fuße des Bregenzerwaldes. Aufgrund ihrer Wirtschaftskraft stellt die 45.797

Einwohner (Stand 30. Juni 2011) zählende Stadt eines der wichtigsten Zentren Vorarlbergs dar.

Neben Bregenz als Verwaltungszentrum (zugleich kulturellem Schwergewicht) – Landesregierung

sowie Landestheater- und Museum befinden sich dort – und Feldkirch als Justizzentrum Vorarlbergs

(Landesgericht) bildet Dornbirn den industriellen Mittelpunkt des Alpenrheintals, und ist zudem

Standort etlicher Wissens- und Medieninstitutionen (FH, Wirtschaftsforschungsinstitut, ORF; vgl.

SALZMANN/ZECH 2009: 84). Diese Aufteilung dieser zentralörtlichen Funktionen auf drei

unterschiedliche Standorte Vorarlbergs erhöht das Verkehrsaufkommen innerhalb der Region.

Zudem stellt die großflächige Ausbreitung Dornbirns aufgrund seiner Genese aus mehreren

zusammen gewachsenen Dörfern eine planerische Herausforderung dar.

Die relativ frühe Industrialisierung der Stadt (ab den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts) und ihrer

Umgebung steht mit ihrer vormaligen Funktion als Standort des Weinbaus in Zusammenhang. Die

Ende des 17./Anfang des 18. Jh. einsetzende, das mittelalterliche Klimaoptimum ablösende kleine

Eiszeit sorgte für den Niedergang dieses landwirtschaftlichen Sektors – zu kurze Sommer sowie

Rebkrankheiten gefährdeten den Bestand – was die im Weinbau Beschäftigten zur Schaffung

alternativer Verdienstmöglichkeiten zwang. Da sich eine ausschließliche Konzentration auf die

Grünlandwirtschaft als ungenügend erwies, entwickelte sich der Flachsanbau in stärkerem Maße und

die Baumwollverarbeitung sowie Spinnerei ließen ein Zentrum der Textilindustrie entstehen.

Der Hauptfluss Dornbirns ist die Dornbirner Ach bzw. Ache, die das Ortsgebiet in zwei Hälften teilt

und früher häufig über ihre Ufer trat, was deren Begradigung bedingte. Inzwischen ergab sich daraus

wiederum ein für den Naturschutz relevantes Handlungsfeld, was sich im Bestreben um eine

Renaturierung des Flusses widerspiegelt.

4.3. inatura

4.3.1. Geschichte des Standorts von inatura

Die im Jahre 1827 von Josef Ignaz Rüsch gegründete Maschinenfabrik und Eisengießerei im

Dornbirner Stadtteil "Schmelzhütten" war einer der wichtigsten Maschinenbau-Betriebe Vorarlbergs.

Page 54: Exkursionsprotokoll2011

53

Aufgrund der relativ frühen Mechanisierung der Textilindustrie ist die regionale Kopplung dieser

beiden Industriebereiche in vielen Regionen zu beobachten. Der Niedergang vieler europäischer

Textilunternehmen begann mit der Globalisierung der Produktion in den sechziger und siebziger

Jahren und setzte sich bis in die jüngste Zeit hinein fort. Auch die Rüsch-Werke waren davon

betroffen, so dass der Betrieb im Jahr 1984 eingestellt wurde.

Zur Entwicklung einer Nachfolgenutzung des großräumigen Werkareals wurde 1988 ein Wettbewerb

für dessen Bebauung ausgeschrieben. Diese sollte Flächen für ein Vorarlberger Industriemuseum

sowie Wohnungen und Dienstleistungsbetriebe an diesem zentralen Standort umfassen. 1999

entschied man sich schließlich, gemeinsam mit dem Projektpartner F.M. Hämmerle Holding AG, auf

dem ehemaligen Rüsch-Werke-Areal ein Museum für Naturkunde (speziell des Raumes Vorarlberg),

kombiniert mit der Geschichte dieses Industriestandortes zu realisieren. Die Eröffnung der inatura,

deren Trägerschaft je zur Hälfte den Händen der Stadt Dornbirn und des Landes Vorarlberg liegt,

erfolgte im Juni 2003 (s. Abb. 4.2-3). Ursprünglich lässt sich die Idee der Museumsgründung auf die

Initiative des Fabrikanten und Sammlers Siegfried Fussenegger (1894-1966) zurückführen, dessen Ziel

in der Schaffung eines modernen und lebendigen Museums für die Bevölkerung des Landes

Vorarlberg bestand (vgl. http://www.inatura.at/Geschichte.6058.0.html; s. Abb. 4.2-3).

Abb. 4.2-3: Erstes Museum Siegfried Fusseneggers in der Fronfeste (=Altes Rathaus) und neues Museum inatura

4.3.2. inatura heute

Im Jahr 2003 fiel mit der Eröffnung der inatura in Dornbirn der Startschuss für ein bis dahin in

Vorarlberg noch nicht erprobtes Museumskonzept der erlebnisorientierten Vermittlung

naturkundlicher Themen, was durch die Einrichtung der Science Zones noch um die Disziplinen Physik

und Technik erweitert wurde. Hinter diesen interaktiven Bereichen des Museums steht das Konzept

«learning by doing». Indem auf diese Weise das Erleben der Museumsbesucher über mehrere Sinne

vollzogen werden kann, ergänzt das Science Center die bestehende, didaktisch eher traditionelle

Ausstellung der inatura (vgl. www.biologiezentrum.at; inatura aktuell 01/2011: 3, s. Abb. 4.4 – 4.6).

Den Großteil der Besucher bilden Österreicher (50%), deutsche Besucher machen einen Anteil von

Page 55: Exkursionsprotokoll2011

54

30% und Schweizer von 20% aus. Über die Hälfte der Besucher sind Kinder und Jugendliche, welche

die inatura vor allem in Kindergartengruppen oder Schulklassen sowie im Familienverband besuchen.

Abb. 4.4: Die Schau- und Erlebnisräume der inatura zeigen das Konzept der Verbindung eines Industriedenkmalrahmens mit naturkundlichen Vermittlungsinhalten

Abb. 4.5-6: Installationen zur spielerischen Entdeckung komplexer naturwissenschaftlicher Prozesse

Seit April 2011 hat Frau Mag. Ruth Swoboda die Position als naturwissenschaftliche Direktorin der

inatura inne. Die Aufgaben der inatura umfassen neben der Sammlung und Bewahrung von Tieren und

Pflanzen ebenso die Präsentation von Daten sowie die Forschung im Bereich Naturschutz, Klimawandel

und Biodiversität. Daher bestehen zum einen Kooperationen mit anderen österreichischen

Bildungseinrichtungen, wie bspw. dem LFI Vorarlberg (Ländliches Fortbildungsinstitut) oder dem

Science Center Netzwerk. Zum anderen gewährt die inatura finanzielle Unterstützung für

wissenschaftliche Forschungsvorhaben (mit thematischem Bezug auf Vorarlberg). Eine wichtige

Funktion ist die naturschutzfachliche Beratung von Bürgern, aber auch Politikern bzw. anderen

Verwaltungsstellen in Vorarlberg. Weiterhin befinden sich in den Räumlichkeiten der inatura sowohl

Page 56: Exkursionsprotokoll2011

55

die Geschäftsstelle des Vorarlberger Naturschutzrates als auch die Naturschutzanwaltschaft, welche im

genannten Rat die NGOs des Landes vertritt (vgl. http://www.naturschutzrat.at/, 13.11.2011).

Seit 2007 tragen das Land Vorarlberg sowie die Stadt Dornbirn je zur Hälfte die Ausgaben der inatura,

wobei das Land für die Deckung der im Bereich Forschung sowie für den Naturschutzrat anfallenden

Kosten allein aufkommt. Im Jahr 2003 bspw. betrugen die Landesausgaben für die inatura insgesamt

ca. € 1,5 Mio. (vgl. LANDESRECHNUNGSHOF VORARLBERG 2005: 9).

Die inatura fördert die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung in allen Disziplinen und vergibt

Forschungsaufträge mit spezieller Fokussierung auf Biodiversität und Naturschutz in Vorarlberg.

Forschungsförderung in Form von finanzieller Unterstützung wird Projekten bereitgestellt, die der

Erweiterung der Kenntnisse über die Natur Vorarlbergs dienen. Gewonnene Forschungsergebnisse

stehen sowohl für Naturschutzzwecke als auch für die Aufnahme in internationale Biodiversitäts-

Informationssysteme zur Verfügung (vgl. www.inatura.at, 11.11.2011).

4.4. Fußexkursion entlang des Steinebachs/Fischbachs in Dornbirn

Der durch Dornbirn verlaufende Steinebach kommt aus dem östlich an das Rheintal angrenzenden

Gebirge. Mit seinem starken Gefälle besitzt er eine hohe Transportkraft. Aus diesem Grund kann er

auch Material großer Korngrößen mitführen. Das starke Gefälle, verbunden mit einer hohen

Geschiebeführung, führt zu einer starken Tiefenerosion und zur Entstehung von Tobeln

(Alemannischer Regionalbegriff für tiefe, häufig waldbestandene Schluchten, meist Kerbtäler). Dieser

natürliche Vorgang wird vom Menschen nicht mehr geduldet, da seine Nutzungsansprüche vor allem

in Form von Siedlungsflächen dadurch gefährdet werden: Durch die Tiefenerosion drohen seitliche

Rutschungen. Zur Verminderung dieses Risikos und zur Reduzierung der durch die Tiefenerosion

stattfindenden Grundwasserabsenkung erfolgte die Installierung von Sohlschwellen (quer zur

Strömungsrichtung eines Flusses installierte Bauwerke, s. Abb. 4.7). Diese Sohlbefestigung soll zur

Minderung der Tiefenerosion vor allem kleiner und mittelgroßer Fließgewässer beitragen (vgl. HÜTTE

2000: 118). Allerdings ergeben sich auch Nachteile wie die ökologische Barrierenwirkung: Unterhalb

der Sohlschwellen bilden sich oftmals kleine Stromschnellen und Wasserfälle, die von vielen

Wasserorganismen (Fische, Krebse, Wasserinsekten, Amphibienlarven, etc.) nicht oder nur sehr

schwer zu überwinden sind. Zur Lösung dieses Problems werden aktuell im Rahmen von

Fließgewässer-Renaturierungsprojekten Aufstiegshilfen eingebaut, beispielsweise in Form so

genannter „rauer Rampen“ (Synonym: Sohlrampe), wie auch im Steinebach zu beobachten. Dabei

handelt es sich um eine naturnahe und möglichst gefällearme Befestigung des steilen Bereichs

zwischen der Sohlbefestigung und dem natürlichem Bachbettabschnitt unterhalb davon.

Zu einer Namensänderung des Flusses kommt es nach seinem Naturraumwechsel in das Rheintal:

Der Steinebach heißt ab hier Fischbach, was auf seine frühere Bedeutung als Fischgewässer in diesem

Abschnitt hinweist. Die Ursachen dafür sind sein geringeres Gefälle und seine somit verminderte

Transportkraft, die zur Sedimentation kleinerer Korngrößen führt, was für viele Fischarten günstige

Laichhabitate darstellt. Dazu kommt ein erhöhter Nährstoffeintrag durch Wasser- und

Bachröhrichtpflanzen.

Page 57: Exkursionsprotokoll2011

56

Abb. 4.7: Sohlbefestigung im Steinebach. Da das Gefälle darunter abnimmt, kommt es zur Sedimentation von größeren Geröllen

Nachlassende Transportkraft führt zur verstärkten Sedimentation von Bachgeröllen. Dadurch können

Schwemmfächer (bzw. –kegels9) entstehen (vgl. AHNERT 2009: 197), wie sie für die

Übergangsbereiche zwischen Gebirge und Ebene typisch sind. Häufig tragen die Schwemmkegel

Siedlungen. Der Grund dafür ist, dass Schwemmkegel erhöhte, relativ hochwassersichere, trotzdem

mit Trinkwasser leicht versorgbare Standorte bereitstellen (vgl. ebd.).

Entlang des Ufers fiel weiterhin eine im Vergleich zu vielen Regionen Deutschlands relativ hohe

Vielfalt in der äußerlichen Gestaltung der umliegenden Bebauung ins Auge. Sie lässt auf eine eher

innovations- und experimentierfreundliche Städtebaukultur schließen. Architekten bietet ein solcher

Planungsansatz, der nicht hauptsächlich die Einheitlichkeit von Wohngebieten in den Vordergrund

stellt, die Möglichkeit, mit modernen Formen des Bauens zu experimentieren. Allerdings gibt es auch

Stimmen, die einen solchen „experimentellen Städtebau“ als „nicht an die Region angepasst“

ablehnen.

4.5 Flora und Fauna im Steinebach/Fischbach und Uferbereich

Die Untersuchung des Benthos, also der Lebewesen an der Bodenzone eines Gewässers, lässt

Rückschlüsse auf die Gewässerqualität zu. Im Strom des Steinebachs ließen sich unter größeren

Steinen Steinfliegen- und Köcherfliegenlarven nachweisen. Sie dienen als Indikatoren zur

Bestimmung der biologischen Wasserqualität, die hier abschnittsweise relativ gut ist. Der Grund

dafür ist, dass in dem schnell fließenden Steinebach sehr viel Sauerstoff in das Wasser gelangt, der

zum Abbau von organischer Substanz genutzt werden kann.

9 Schwemmkegel weisen im Gegensatz zu Schwemmfächern ein steileres Gefälle auf (vgl. AHNERT

2009: 197)

Page 58: Exkursionsprotokoll2011

57

In einer stilleren Bucht des gefällearmen Fischerbachs konnte als typischer Bewohner ein

Wasserskorpion nachgewiesen werden. Dieses in Mitteleuropa beheimatete Tier (s. Abb. 4.8) ist eine

insbesondere in kleinen Stillgewässern lebende Wanzenart, die sich von Kleintieren wie Daphnien

(Krebstiere), Fliegen- und Amphibienlarven etc. ernährt (vgl.

http://www.renatur.de/wasserskorpion13299 .html?csid=3939263a57a524931a3cf60afbdfa 27).

Sein Stich ist auch für den Menschen schmerzhaft, aber trotzdem harmlos. Das Tier sticht nur selten.

Abb. 4.8: Wasserskorpion

Die Vegetation entlang des Steinebachs besteht vorwiegend aus einem Galeriewald aus

Weidengebüsch und Grauerlen, denen sich landseitig Ahorn und Eichen anschließen. Solche reich

strukturierten, siedlungsnahen Galeriewälder besitzen eine wichtige Funktion als biotopvernetzende

Elemente. Stellenweise werden diese Arten jedoch durch stark dominierende Neophytenarten zurück

gedrängt. Es handelt sich dabei um Pflanzenarten, deren Einführung in Gebiete, in welchen sie

natürlicherweise nicht vorkommen, indirekt oder direkt auf anthropogene Einflüsse zurückzuführen

ist. Ein Großteil der Neophyten ist mittlerweile angesichts ihrer vielfältigen, auch negativen,

Wirkungen auf die sie umgebenden Organismen auf der Liste der problematischen gebietsfremden

invasiven Arten zu finden (vgl. Infoblatt SKEW 2011). Beispielweise können einige Neophytenarten

aufgrund der Wuchsform ihrer Wurzeln Erosion an Gewässerrändern verursachen (vgl. GIGON et al.

2005: 22). Weiterhin kann die Ausbreitung von Neophyten an einem Standort die Ansiedlung von

Parasiten oder Pflanzenkrankheiten in einem Ökosystem nach sich ziehen, wovon ein negativer

Einfluss auf andere Organismen eines Lebensraums bzw. auf dessen gesamten Nährstoffkreislauf

ausgehen kann. Überdies können Neophyten im Bereich der Wasserwirtschaft Schäden verursachen,

bspw. indem sie als Hindernisse in Kanälen, Rohren und Becken auftreten. Von ihnen kann zudem

eine Gefährdung von Fischereigewässern ausgehen, ebenso von Flussufern, deren Sicherung sie

durch Dammschäden oder Uferabbrüche bedrohen können (Erosionsgefahr, s.o.; vgl. ALTMAIER 1999).

Manche Neophyten bergen eine besondere Gefahr für Böschungen und Ufer von Fließgewässern.

Bspw. vermögen es die besonders großen und kräftigen Rhizome des auch im Bereich des

Steinebachs vorkommenden Staudenknöterichs, Pflastersteine als Uferbefestigung aus ihrem

Untergrund herauszuhebeln (vgl. BAUER 1995: 108; SÄCHSISCHE LANDESANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT

2004). Darüberhinaus erschwert der Staudenknöterich aufgrund seiner Blattgröße die genügende

Belichtung ihn umgebender Pflanzen, womit u.a. seine Konkurrenzstärke und damit seine Dominanz

Page 59: Exkursionsprotokoll2011

58

bspw. an Uferstandorten sowie seine enorme Ausbreitungsgeschwindigkeit zu begründen sind.

Demgegenüber können Neophyten durchaus auch positive Wirkungen entfalten. So zeichnen sich

bestimmte Neophyten aufgrund ihres Blütenstands und ihrer Blütezeit als vor allem ssisonal oft

wichtige Pollenquellen aus (ALTMAIER 1999; Beispiel Indisches oder Drüsiges Springkraut, s.u.).

Im Uferbereich entlang des Steinebachs/Fischbachs ließ sich ein enorm gehäuftes Auftreten von

unterschiedlichen Neophyten feststellen. Einige davon werden nachfolgend näher vorgestellt.

Neophyt 1: Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)

Abb. 4.9: Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)

Beim Drüsigen (oder Indischen) Springkraut, einer Art aus der Familie der Balsaminaceae, handelt es

sich in Mitteleuropa um einen Neophyten, der dem westlichen Himalaya entstammt, wo er in einer

Höhe von 1800-3000m an Bachufern auftritt (vgl. SCHULDES 1995: 83). Im 19. Jahrhundert erfolgte

dessen Einführung als Zierpflanze nach Nordamerika und Europa. Zudem diente das Springkraut

vielerorts (Beispiel Bodenseeraum) als Trachtpflanze für die Bienenzucht und Honigproduktion. Vor

allem in Gebieten mit Mono- bzw. Intensivkulturen, aber einem hohen Bedarf an Bienen (Beispiel:

Bestäuber für den Obstbau!), können diese nur noch mit großen Schwierigkeiten gehalten werden.

Manche Neophyten wie das Indische Springkraut bieten eine gute Nahrungsgrundlage für die Bienen,

so dass diese Art gerade in solchen Regionen von Imkern stark verbreitet wurde. Das Drüsige

Springkraut ist durchaus in der Lage, Dominanzbestände zu bilden, also angestammte Pflanzenarten

zu verdrängen, allerdings nicht im selben Ausmaß wie manch andere Neophytenarten (Kanadische

Goldrute, Japanischer Staudenknöterich; vgl. SCHULDES 1995: 84).

Page 60: Exkursionsprotokoll2011

59

Neophyt 2: Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum)

Abb. 4.10: Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum)

Bei dem der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) angehörigen Riesenbärenklau (Heracleum

mantegazzianum) handelt es sich ebenfalls um einen Neophyten. Sein natürliches Vorkommen

beschränkt sich auf Waldgebiete in Asien, vornehmlich Russland (ursprünglich Kaukasus). Der

hinsichtlich seiner Standortbedingungen wenig anspruchsvolle (lediglich sehr saure Böden bilden ein

Ausschlusskriterium) Riesenbärenklau konnte sich seit seiner Einführung nach Europa im 19. Jh. als

Zierpflanze und seiner wirtschaftlichen Nutzung für die Imkerei und Forstwirtschaft seit Mitte des 20.

Jh. auf extensiv genutzten Wiesen oder Weiden, auf Waldlichtungen sowie an Ruderalstandorten,

bspw. Verkehrswegen oder innerhalb städtischer Bebauung ansiedeln (vgl. SÄCHSISCHE LANDESANSTALT

FÜR LANDWIRTSCHAFT 2004). Er zeichnet sich durch die Bildung photosensibilisierender Substanzen aus,

die in Kombination mit Sonnenlicht phototoxisch wirken, also bspw. eine höhere Empfindlichkeit der

menschlichen Haut für UV-Strahlung auslösen. Menschen, die sich nach einer Kontaktaufnahme mit

dieser Pflanze ungeschützt in der Sonne aufhalten, können folglich gefährliche Hautverbrennungen

erleiden (vgl. KÜBLER 1995: 89). Überdies verursacht der Riesenbärenklau auch ökonomische

Schäden. So kann es infolge der Ausbreitung von Riesenbärenklau-Stauden auf Äckern und Wiesen zu

beträchtlichen Ertragsverlusten kommen. Zudem trägt das Vorkommen dieser Neophytenart an

Gewässerrändern zu erhöhter Erosionsgefahr bei.

Neophyt 3: Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica)

Der zur Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae) gehörende Japanische Staudenknöterich

stellt einen weiteren Repräsentanten von Neophyten in Mitteleuropa dar. Ursprünglich stammt er

aus Ostasien, wo er in China, Korea und Japan heimisch ist (Infoblatt SKEW 2011: 1ff.). Vornehmlich

kommt er in Uferbereichen von Gewässern, an Waldrändern, Straßen- und Eisenbahnböschungen vor

(s. Abb. 4.11 und 4.12).

Page 61: Exkursionsprotokoll2011

60

Abb. 4.11: Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica)

Abb. 4.12: Japanischer Staudenknöterich am Steinebach in Dornbirn. Zu erkennen ist die starke Dominanz dieser invasiven Art, aber auch die Bedeutung ihrer Blüten als Nahrungshabitat für einheimische Insektenarten, vor allem im Herbst (im Hintergrund: Sohlschwelle mit ökologischer Barrierenwirkung, erkennbar am Wasserfall)

Neben seiner Funktion als Zierpflanze spielt der Staudenknöterich ebenso als Futterpflanze bei der

Viehhaltung sowie in der Bienenzucht eine bedeutende Rolle, insbesondere als Bienenweide im

Frühherbst (Spättracht). Wie bereits erwähnt, zieht die Ausbreitung von Knöterichgewächsen in

Fließgewässerbereichen etliche negative Wirkungen nach sich (s.o.). Insbesondere ihr enormes

Rhizomwachstum sowie ihr geringer Anteil an Feinwurzeln (was eine ausreichende Sicherung des

Bodensubstrats verhindert) führen zu erhöhter Bodenerosion an Fließgewässerrändern. Zusätzlich

Page 62: Exkursionsprotokoll2011

61

reduziert ihr massiver Aufwuchs Abflussquerschnitte, beeinträchtigt also den Wasserdurchfluss,

wodurch vornehmlich in hochwassergefährdeten Bereichen Schwierigkeiten auftreten (vgl. BAUER

1995: 109).

Neophyt 4: Kanadische Goldrute

Abb. 4.13: Kanadische Goldrute (Solidago canadensis)

Bei der kanadischen Goldrute (Solidago canadensis) handelt es sich um eine Pflanzenart der

Unterfamilie der Asteroideae in der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Sie stammt ursprünglich

aus Kanada, wurde allerdings als Zierpflanze und Bienenweide auch nach Mitteleuropa eingeführt

und besiedelt inzwischen vornehmlich Ruderalstandorte und landwirtschaftliche Brachflächen. Die

starke Vermehrung der kanadischen Goldrute lässt sich auf ihre Fähigkeit zurückführen, sich sowohl

generativ als auch vegetativ zu vermehren sowie die Keimung anderer Arten durch Lichtentzug zu

verhindern, wodurch sie für die Verdrängung einheimischer Flora auf großen Flächen sorgt (vgl.

SKEW 2006; HARTMANN/KONOLD 1995: 93ff.). An Fließgewässern kann diese Verdrängung anderer

Arten zur Destabilisierung des Gewässerrandes führen, da die flachen Wurzeln der kanadischen

Goldrute dem Boden nur wenig Halt verleihen.

Neophyt 5: Einjähriges Berufkraut

Die wissenschaftliche Bezeichnung des Weißen oder Einjährigen Berufkrauts lautet Feinstrahl

(Erigeron annuus). Diese auch als Neophyt auftretende und ursprünglich in Nordamerika

beheimatete Art gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae). Ein besonderes Charakteristikum

des Einjährigen Berufkrauts besteht in seiner ungeschlechtlichen Vermehrung. Typische Standorte

dieser Art umfassen Uferbereiche von Fließgewässern, feuchte Wiesen, sowie Ruderalfluren. Eine

Besonderheit des ein-jährigen Berufkrauts liegt in seiner raschen Ausbreitung aufgrund seiner hohen

Samenproduktion sowie der Flugfähigkeit derselben (vgl. OEKO-PLUS AARGAU 2009).

Page 63: Exkursionsprotokoll2011

62

Abb. 4.14: Einjähriges Berufkraut (Erigeron annuus)

4.6. Naturschutzprojekt Fischbach

Amphibien sind während der Wanderung zu ihren Laichplätzen im Frühjahr angesichts dabei zu

überwindender Barrieren in Form von Verkehrswegen stets einer erhöhten Gefahr ausgesetzt. Auf

Initiative von Anwohnern und mit Hilfe finanzieller und fachkundiger Unterstützung durch die inatura

entstand 2004 am Fischbach in Dornbirn (im Bereich Bickweg; s. Karte Abb. 4.15) ein – zwar kleines,

lokal begrenztes, allerdings mittlerweile beispielhaftes – Projekt zunächst zur Verminderung des

Amphibiensterbens durch den Straßenverkehr und darüberhinaus zur Renaturierung bzw.

Aufweitung des Steinebachs/Fischbachs, welches insbesondere dem Schutz von Amphibien bzw.

deren Laichhabitats im Siedlungsraum dient.

Page 64: Exkursionsprotokoll2011

63

Abb. 4.15: Lageplan Naturschutzprojekt Bickweg Dornbirn: Laichhabitat der Frösche im Fischbach

Der Fischbach und damit auch der Wanderungskorridor der Frösche kreuzt in diesem Bereich eine

viel befahrene Straße, weshalb jedes Jahr eine große Anzahl von Fröschen auf dem Weg zu ihren

Laichplätzen dem Straßenverkehr zum Opfer fielen, da sie an dieser Stelle den Fluss aufgrund der

hohen Fließgeschwindigkeit im Bereich der Brückenunterführung verließen. Insbesondere die

Anwohner der umgebenden Einfamilienhaussiedlung waren bestrebt, diesen Zustand zu beheben,

was zunächst durch die Errichtung eines Zauns und das Sammeln von Fröschen und Kröten in Eimern

zur sicheren Fahrbahnüberquerung geschehen sollte. Inzwischen wurde allerdings ein Vorsprung aus

Stein direkt unter der Brücke, also im Bach selbst, allerdings oberhalb der Wasseroberfläche

geschaffen, was es den Amphibien erlaubt, auch dieses Stück ihres Wanderkorridors direkt am

Gewässerrand entlang zu passieren.

Darüber hinaus errichtete man zunächst im Bach eine Barriere zur Regulierung des Wasserstroms,

sodass eine der Gewässergerinne an der Flussbiegung vor der Brücke von der Strömung weniger

betroffen war und mithin als Laichplatz (s. Abb. 4.16) für die vor allem in Frage kommenden

Grasfrösche (Rana temporaria) dienen konnte. Dieser wird im Frühling zur Paarung und

anschließender Ablage des Laichs aufgesucht. Auch hier erreicht trotz des Eingriffs des Menschen zur

Unterstützung stets nur ein geringer Teil der 2.000 bis 4.000 von einem Grasfroschweibchen pro Jahr

abgelegten Eier das Adultstadium.

1. Brücke mit Aufstiegshilfe für Amphibien

2. Laichbiotop für Grasfrosch und

1. Brücke mit Aufstiegshilfe für Amphibien

2. Laichhabitat für Grasfrosch und Erdkröte

3. alter Zulauf zum Froschhabitat

Page 65: Exkursionsprotokoll2011

64

Abb. 4.16: Barriere zum Schutz des Froschlaichs vor starker Strömung im Steinebach/Dornbirn. Der sich dadurch bildende Stillwasserbereich dahinter kann als Amphibienlaichplatz fungieren

An dieser Stelle des Fischbachs ergab sich jedoch bald ein Problem aus der Einleitung von

Haushaltsabwässern einer oberhalb gelegenen Wohnsiedlung in den Fluss, was dessen

Wasserqualität minderte und überdies das Laichhabitat der Frösche gefährdete. Mittlerweile existiert

allerdings ein Anschluss an das Kanalisationssystem.

Insgesamt lässt sich das Projekt durchaus als erfolgreich bewerten. Aufgrund seiner lokalen

Verankerung und des starken ehrenamtlichen Engagements der Anwohner zum Schutz der Frösche,

hielten sich die finanziellen Aufwendungen in Grenzen. Ferner trug die fachliche Beratung sowie

materielle Unterstützung der inatura zum Gelingen des Vorhabens bei.

4.7. Besuch eines Walserhauses in Laterns

Der Besuch des Walserhauses beim Seminarhaus fibe in Laterns, welches seit über 300 Jahren an

dieser Stelle existiert, gewährte den Exkursionsteilnehmern einen Einblick in die Lebens- und

Wirtschaftsweise der Walser in Vorarlberg.

Als „Walserhaus“ bezeichnet man einen spezifischen Haustyp, dessen Name auf die Volksgruppe der

Walser zurückzuführen ist und der mehrere Charakteristika vereint. Zum einen betrifft dies die

Bauweise als Blockhaus. Diese Bauweise entstammt ursprünglich jener im Quellgebiet der Walser

(Oberwallis), wurde allerdings jeweils lokalen Anpassungen unterzogen entsprechend der

Anforderungen der Zielsiedlungsgebiete der Walser. Als Baumaterial dient ausschließlich Holz (ca. 16

cm mächtige Vierkantbalken aus Lärchenholz), welches nicht durch Eisennägel zusammengehalten,

sondern an den Ecken verzapft bzw. verstrickt wird. Zur Abdichtung der Fugen in der Außenfassade

dient Moos (vgl. http://www.wiswiz.de/Walserhaus; http://www.walser-museum.ch/museum/arbei

t/bauen/voraussetzungen/baumaterialien.html).

Page 66: Exkursionsprotokoll2011

65

Abb. 4.17: Walserhaus in Laterns

Abb. 4.18: Kachelofen im früher einzigen beheizbaren Raum, der „Stube“

Das Haus ist unterteilt in einen Wohn- und einen Wirtschaftsteil. Neben Küche (s. Abb. 4.19-20) und

Schlafzimmer befindet sich im Wohnteil die Stube als wichtigster Raum des Hauses und

Hauptaufenthaltsort seiner Bewohner. Dort befindet sich auch die einzige Wärmequelle des Hauses,

der Kachelofen (s. Abb. 4.18). Zur effektiven Nutzung der so produzierten Wärme sieht die Bauweise

der Häuser niedrige Decken und eher kleine Fenster vor (wobei Letzteres auch auf das Bestreben

zurückzuführen ist, die Ausmaße vertikaler Elemente im Bau angesichts des sich nach der Errichtung

eines Gebäudes noch verziehenden Holzes möglichst gering zu halten, vgl. ebd.).

Page 67: Exkursionsprotokoll2011

66

Abb. 4.19-20: Küchengeräte im Walserhaus

Zu den Wirtschaftsräumen des Hauses gehören neben Werkstatt, Dachboden als Geräte- und

Vorratslager, inklusive Schlafraum der Bediensteten, der Stall, das Feuerholzlager sowie Heuboden

und Stellplatz für die Heuschlitten. Insbesondere Werkzeuge zur Holzbearbeitung (Schnitzbank,

Küblergeräte u.a.) besaßen notwendigerweise einen hohen Stellenwert in der Werkstatt eines

Walserhauses.

Abb. 4.21: Die Holzwerkstatt ist ein wichtiger Bestandteil eines Walserhauses

Page 68: Exkursionsprotokoll2011

67

Abb. 4.22: Schindeln aus Tannenholz zur Abb. 4.23: Schneeschuhe oder „Reifen“ Verkleidung der Außenfassade sind wichtige zeigen, wie wichtig früher das „Zu-Fuß- Produkte der Kübler und Holzschnefler Gehen“ auch im Winter bei hoher

Schneedecke war

Darüber hinaus ließen sich zahlreiche weitere Einrichtungsgegenstände, Möbelstücke,

Arbeitsmaterialien, Haushaltsgeräte etc. finden, deren Alter, Beschaffenheit und mutmaßliche

Funktion einen umfassenden Einblick in die Lebensweise und Kultur der Walser ermöglichen, was

einem solchen Haus sowie dessen Erhalt einen unschätzbaren Wert verleiht.

Einige Schmetterlingsarten überwintern auch in den mittleren Breiten als Falter (statt als Raupe, Ei

oder Puppe), wozu es geschützter Standorte bedarf, die ihnen das Überleben auch bei geringen

Temperaturen ermöglichen. Für diesen Zweck eignen sich bspw. hohle Bäume, Höhlen oder kleine

Refugien in Siedlungsräumen (Holzschuppen, Gerätespeicher oder dergleichen). Auch das verwaiste

Gerätelager eines lediglich periodisch genutzten Walserhauses kann, wie vor Ort zu beobachten war

(s. Abb. 2.24), als Winterhabitat dienen.

Abb. 4.24: Walserhaus als Schmetterlingshabitat: Überwinternde Imago des kleinen Fuchses

(Aglais urticae)

Page 69: Exkursionsprotokoll2011

68

4.8. LITERATURVERZEICHNIS Exkursionstag 4

AHNERT, F. (2009): Einführung in die Geomorphologie. 4. Auflage. Stuttgart

ALTMAIER, A. (1999): Neophyten und Neozoen an und in Fließgewässern

http://www.alblamm.de/naturschutz/themen/neo/neo_altmaier.html#aVI1, Zugriff : 26.10.2011

BAUER, M. (1995): Verbreitung neophytischer Knötericharten an Fließgewässern in Baden-

Württemberg. In: Böcker; Gebhardt; Konold; Schmidt-Fischer (Hrsg.): Gebietsfremde

Pflanzenarten. Auswirkungen auf einheimische Arten, Lebensgemeinschaften und Biotope.

Kontrollmöglichkeiten und Management. Hohenheim. 1995. S. 105-112

GIGON, A.; WEBER, E. (2005): Invasive Neophyten in der Schweiz: Lagebericht und Handlungsbedarf.

Geobotanisches Institut, ETH Zürich

HARTMANN, E.; KONOLD, W. (1995): Späte und Kanadische Goldrute (Solidago gigantea et canadensis):

Ursachen und Problematik ihrer Ausbreitung sowie Möglichkeiten ihrer Zurückdrängung. In: Böcker; Gebhardt;

Konold; Schmidt-Fischer (Hrsg.): Gebietsfremde Pflanzenarten. Auswirkungen auf einheimische Arten,

Lebensgemeinschaften und Biotope. Kontrollmöglichkeiten und Management. Hohenheim. 1995. S. 93-104

HÜTTE, M. (2000): Ökologie und Wasserbau. Ökologische Grundlagen von Gewässerverbauung und

Wasserkraftnutzung. Berlin

KÜBLER, R. (1995): Versuche zur Regulierung des Riesenbärenklaus. In: Böcker; Gebhardt; Konold;

Schmidt-Fischer (Hrsg.): Gebietsfremde Pflanzenarten. Auswirkungen auf einheimische Arten,

Lebensgemeinschaften und Biotope. Kontrollmöglichkeiten und Management. Hohenheim. 1995. S. 89-92

LANDESRECHNUNGSHOF VORARLBERG (Hrsg.): Prüfbericht über die inatura - Erlebnis Naturschau Dornbirn.

Bregenz. 01/2005 online verfügbar: http://www.lrh-v.at/pdf/berichtinatura.pdf, Zugriff: 08.10.2011

LE MAITRE; VAN WILGEN; GELDERBLOM (2001): Invasive alien trees and water resources in South Africa:

case studies of the costs and benefits of management. Forest Ecol Uanag. S. 143-150; online verfügbar:

http://etat.geneve.ch/dt/SilverpeasWebFileServer/impatiente_a4.pdf?ComponentId=

kmelia240&SourceFile=1314691903569.pdf&MimeType=application/pdf&Directory=Attachment/Images/: les

plantes exotiques envahissantes, Zugriff: 05.10.2011

MEINLSCHMIDT, E. (2004): Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, Fachbereich Pflanzliche

Erzeugung, Referat Pflanzenschutz, online verfügbar: http://www.floraweb.de/neoflora/hand

buch/Faltlatt_Staudenknoeteriche_Sachsen.pdf, Zugriff: 23.10.2011

OEKO-PLUS AARGAU (2009): Einjähriges Berufkraut (Erigeron annuus) http://www.hausenag.ch/dl.

php/de/0cx1s2u29zc/Einjhriges_Berufkraut.pdf, Zugriff: 27.10.2011

SALZMANN, G.; ZECH, S. (2009): vis!on rheinthal_Raum kommunizieren planen. In: Hey, M.; Engert, K. (Hrsg.):

Komplexe Regionen – Regionenkomplexe. Multiperspektivische Ansätze zur Beschreibung regionaler und

urbaner Dynamiken. Wiesbaden. 2009. S. 79-98

SCHULDES, H. (1995): Das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera): Biologie,

Verbreitung, Kontrolle. In: Böcker; Gebhardt; Konold; Schmidt-Fischer (Hrsg.): Gebietsfremde Pflanzenarten.

Auswirkungen auf einheimische Arten, Lebensgemeinschaften und Biotope. Kontrollmöglichkeiten und

Management. Hohenheim. 1995. S. 83-88

SKEW (Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen) (2011):

http://www.cpsskew.ch/fileadmin/template/pdf/inva_deutsch/inva_reyn_jap_d.pdf : Stauden-Knöteriche;

Invasive gebietsfremde Pflanzen: Bedrohung für Natur, Gesundheit und Wirtschaft. Art der Schwarzen Liste,

2011. Info SKEW, Zugriff: 25.10.2011

SKEW (Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen) (2006):

http://www.cps-skew.ch/deutsch/inva_soli_can_d.pdf: Invasive gebietsfremde Pflanzen: Bedrohung für Natur,

Gesundheit und Wirtschaft. Art der Schwarzen Liste; Infoblatt SKEW – 2006, Zugriff: 27.10.2011

VORDERWINKLER, F.R. (2000): Kultur Reise Vorarlberg, Burgen, Schlösser, Museen

Page 70: Exkursionsprotokoll2011

69

http://www.giant-alien.dk/pdf/German%20manual_web.pdf: Praxisleitfaden Riesenbärenklau: Richtlinien für

das Management und die Kontrolle einer invasiven Pflanzenart in Europa, Zugriff: 08.10.2011

http://www.bachpaten-freiburg.de/oekologi/neophyt/goldfr.htm: Problem-Neophyten, Zugriff: 08.10.2011

http://www.natur-portrait.de/foto-28624-mein-erster-skprion.html, Zugriff: 08.10.2011

www.inatura.at, Zugriff: 08.10.2011

http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/aktuell_2009_1_0001.pdf, Zugriff: 08.10.2011

http://www.wiswiz.de/Walserhaus, Zugriff: 23.10.2011

http://www.walser-museum.ch/museum/arbeit/bauen/voraussetzungen/baumateri alien.html, Zugriff:

05.11.2011

http://www.smul.sachsen.de/lfl/publikationen/download/968_1.pdf, Zugriff: 05.11.2011

http://www.naturschutzrat.at/, Zugriff: 13.11.2011

4.9. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Exkursionstag 4

Abbildung 4.1: Google Maps

Abbildung 4.2-3: http://www.inatura.at/Geschichte.6058.0.html

http://www.dietrich.untertrifaller.com/projekt/inatura (24.10.2011)

Abbildung 4.4: Md. Shamimul Islam

Abbildung 4.5-6: Md. Shamimul Islam

Abbildung 4.7: Yasmina Adebi

Abbildung 4.8: Md. Shamimul Islam

Abbildung 4.9: Yasmina Adebi

Abbildung 4.10: http://www.kreis-wesel.de/

Abbildung 4.11: Yasmina Adebi

Abbildung 4.12: Yasmina Adebi

Abbildung 4.13: Md. Shamimul Islam

Abbildung 4.14: A. Mrkvicka, 16.6.2004, Niederösterreich, Perchtoldsdorf – Umgebung, http://flora.nhm-

wien.ac.at/Seiten-Arten/Erigeron-annuus-strig.htm, Zugriff: 19.01.2012

Abbildung 4.15: Google Maps, ergänzt

Abbildung 4.16: Yasmina Adebi

Abbildung 4.17: Md. Shamimul Islam

Abbildung 4.18: Yasmina Adebi

Abbildung 4.19-20: Yasmina Adebi

Abbildung 4.21: Godfried Koukoubou

Abbildung 4.22: Godfried Koukoubou

Abbildung 4.23: Yasmina Adebi

Abbildung 4.24: Yasmina Adebi

Page 71: Exkursionsprotokoll2011

70

5. EXKURSIONSTAG 5, Freitag, 23.09.2011

Nina Gustiana, Rocío Herrera

Programm

09:00- 10:30: Fahrt nach Friedrichshafen-Manzell („Negerbad“)

10:30- 12:30: Grenzüberschreitendes Gewässermanagement: Der Bodensee als Modell?- Exkursions-

Endreflexion am Bodenseeufer, Dr. Andreas Megerle, Prof. Dr. Joachim Vogt.

5.1. Fahrtroute

Die Fahrt führte von Laterns – Österreich – aus über Friedrichshafen-Manzell nach Karlsruhe (s. Abb.

5.1).

Auf der Autobahn A14 ging es zunächst über Dornbirn in Richtung Bregenz durch das Rheintal.

Das Rheintal erlebte eine sehr frühe auf der Textilindustrie basierende Industrialisierung. Eng

verknüpft mit der Textilindustrie entwickelte sich auch die Maschinenbauindustrie. Seit den siebziger

Jahren jedoch erlitt die Textilindustrie als Folge der Globalisierung (Verlagerung der Produktion in

Billiglohnländer) große Krisen und es kam zu bedeutenden Veränderungen der regionalen

Wirtschaftsstruktur. Andere Sektoren wie Maschinen- und Stahlbau, Eisen-, Metall- und

Elektroniksektor, Nahrungs- und Genussmittelindustrie, chemische, Kunststoff-, Papier- und

holzverarbeitende Industrie gewannen daraufhin an Bedeutung (vgl. SAURWEIN 2008: 208f.).

Die weitere Strecke verlief entlang der Bundesstraße B 31 in Richtung Friedrichshafen-Manzell.

Erste Anzeichen von hier besonders stark konkurrierenden Raumnutzungsansprüchen ließen sich auf

Plakaten am Straßenrand erkennen: „Verkehr raus aus der Stadt“, „Zukunft für den

Wirtschaftsraum“. Hinsichtlich des Baus eines weiteren Umgehungsrings im Zuge der Bundestrasse B

31 stehen die Interessen der Stadt Friedrichshafen und der dort ansässigen Industrie gegen jene der

Landwirtschaft und des Naturschutzes, woran die besonders großen Herausforderungen für die

Regionalplanung deutlich ersichtlich werden.

Der letzte Streckenabschnitt führte über die A81 Richtung Stuttgart10 und schließlich zurück nach

Karlsruhe.

10 Aufgrund eines Staus auf der AB A8 zwischen Karlsruhe und Stuttgart folgten die Busse anschließend unterschiedlichen Strecken (s. Abb. 5.1).

Page 72: Exkursionsprotokoll2011

71

Abb. 5.1: Fahrtroute Laterns – Karlsruhe über Friedrichshafen-Manzell

5.2. Beschreibung des Bodenseeraums

Der Bodensee liegt an den Grenzen von Deutschland (mit den Bundesländern Baden-Württemberg

und Bayern), Österreich (mit dem Bundesland Vorarlberg) und der Schweiz (mit den Kantonen St.

Gallen und Thurgau). Im Bodensee-Obersee sind die Territorialverhältnisse ungeklärt sind bzw. eine

exakte Grenzziehung existiert nicht.

Es existieren verschiedene Benennungen für den Bodensee, im Englischen und in romanischen

Sprachen heißt er Konstanzer See (Lake Constance, Lac de Constance, Lago di Constanza).

Ursprünglich stammt der Name Bodensee von Bodman, einem kleinen Ort am Nordwestufer des

Sees (vgl. ZINTZ et al. 2009).

Der Bodensee besteht aus einem tiefen Obersee und einem deutlich flacheren Untersee. Im Sommer

führt der Temperaturunterschied zwischen der Wasseroberfläche und den tieferen

Gewässerschichten zu einer stabilen Schichtung des Wassers (s. Abb. 5.2). Im sauerstoffreichen

Epilimnion (Oberflächenwasser) findet die primäre Produktion von Algen statt, während das

sauerstoffarme Hypolimnion (Tiefenschicht) die Abbauzone darstellt. Im Herbst und Frühling

herrschen in der tiefen und obersten Wasserschicht ungefähr gleich hohe Temperaturen, was die

Durchmischung des Wassers und damit eine Zirkulation zulässt (s. Abb. 5.3).

Page 73: Exkursionsprotokoll2011

72

Abb. 5.2: Sommerliche Wasserschichtung am Bodensee (verändert nach ZINTZ et al. 2009: 52)

Abb. 5.3: Die Vollzirkulation bringt Sauerstoff in große Tiefen (nach ZINTZ et al. 2009: 52)

Diese Durchmischung führt zu einer Sauerstoffanreicherung der Tiefenschicht. Sofern diese

ausbleibt, kann es hier zu Sauerstoffdefiziten, anaerobem Abbau von organischer Substanz und

Entstehung von Giftgasen (Schwefelwasserstoff) kommen. Vor allem bei einer starken

Pflanzenproduktion aufgrund eines erhöhten Nährstoffeintrags in den See ist dieses Risiko hoch.

Page 74: Exkursionsprotokoll2011

73

Allerdings haben die internationalen Anstrengungen der Anrainerstaaten zu einer Reoligotrophierung

(Prozess der Wiedererlangung nährstoffarmer Verhältnisse) des Sees geführt, so dass das Risiko

aktuell geringer ist. Aus diesem Grund plädiert die Bodensee-Wasserversorgung für den Erhalt dieses

Oligotrophiegrades, während Akteure wie Berufsfischer dies kritisieren, da aufgrund der geringeren

Produktionsleistung des Sees auch die Fische kleiner werden.

5.3. Der Bodensee: unterschiedliche Nutzungen, vielfältige Nutzungskonflikte

5.3.1. Siedlungsraum

Abb. 5.4: Rekonstruktion bronzezeitlicher Abb. 5.5: Als Weltkulturerbe geschützte Pfahlbauten in Uhldingen-Mühlhofen Pfahlbaureste im Bodensee

Archäologischen Funden zufolge stellte das Bodenseegebiet bereits während der Jungsteinzeit einen

attraktiven Siedlungsraum für Menschen dar. Reste von Pfahlbauten sowie Keramikscherben liefern

Hinweise auf kulturelle Errungen-schaften und die Lebensweise zu jener Zeit in dieser Region (vgl.

ZINTZ/LÖFFLER/SCHROEDER 2009: 25). Schon damals bestand die Attraktivität des Bodensees in der

Möglichkeit des Fischfangs als eine wichtige Existenzgrundlage, sowie in der Sicherheit gegenüber

Tieren und Feinden, welche die Uferlage bot (vgl. ZINTZ/LÖFFLER/SCHROEDER 2009: 25f.).

Auch heute stellt der Bodenseeraum einen attraktiven Siedlungsraum dar. Die EUREGIO Bodensee11

zeigte in den letzten zehn Jahren eine Bevölkerungszunahme von ca. 6%. Die baden-

11 Die EUREGIO Bodensee besteht aus den deutschen Landkreisen Bodenseekreis, Konstanz, Lindau, Oberallgäu, Ravensburg und Sigmaringen, den schweizerischen Kantonen Appenzell

Pfahlbauten: Weltkulturerbe aus der Steinzeit

„Erbe verpflichtet – nicht nur uns Archäologen, sondern die gesamte Bevölkerung.“

(http://www.weltkulturerbe-pfahlbauten.de/)

Am 27. Juni 2011 erkannte die UNESCO die Reste von Pfahlbauten in sechs Ländern Europas (Slowenien, Italien,

Frankreich, Schweiz, Österreich und Deutschland) offiziell als Weltkulturerbe an. Es handelt sich dabei um unter Wasser

befindliche Relikte von Uferrandsiedlungen aus der Zeit zwischen 5000-500 v. Chr. stammen (s. Abb. 5.4 und 5.5). Diese

besitzen nicht nur eine enorme Bedeutung für die Wissenschaft, sondern auch für die Menschen der Region, die so

einen Einblick in die Kulturgeschichte ihrer Region erhalten können. Solche Landschaftsarchive gilt es zu schützen, die

bedeutenden sogar als Weltkulturerbestätten. Laut Weltmuseumsverband ICOM muss „[…] die Forschung, das

Sammeln von Belegstücken, die Bewahrung der Informationsträger und die Ausstellung des Wissens gegenüber der

Öffentlichkeit im Mittelpunkt der Aufgaben [solcher Standorte] stehen“ (http://www.weltkulturerbe-pfahlbauten.de/).

Dementsprechend besteht für die UNESCO das oberste Handlungsziel in der „Bildung der Bevölkerung über das

geschützte Objekt“, also in der Vermittlung der Bedeutung solcher historischer Zeugnisse, wodurch der nachhaltige

Schutz des Erbes leichter gelingen kann (vgl. ebd.).

Page 75: Exkursionsprotokoll2011

74

württembergischen Landkreise am Bodensee verzeichneten innerhalb dieses Zeitraums ebenfalls

eine Zunahme der Bevölkerung von ca. 6-7 %, wobei es im gesamten Bundesgebiet lediglich 1,9%

betrug. Laut demographischen Vorausschätzungen wird die Bevölkerung in der EUREGIO-Bodensee

auch weiterhin zunehmen: für den Zeitraum 2005-2015 um ca. 4,9% (vgl. SCHULZ/BYARAM 2007: 3;

HETHEY/MAIER/SCHULZ 2006: 17).

Abb. 5.6: Konfliktverursachende Einflüsse und Nutzungen am Bodensee

Belege für die starke Bevölkerungs- und Siedlungsflächenzunahme finden sich bereits im

sogenannten "Hecking-Gutachten“12. Dieses beinhaltete auch Empfehlungen zur Einschränkung des

Flächenverbrauchs im Uferbereich sowie zur Prüfung von Möglichkeiten der Verstärkung der

Siedlungsentwicklung im „seeabgewandten“ Hinterland – Vorschläge, welche in den Regionalplan

Bodensee-Oberschwaben übernommen wurden (vgl. REGIONALPLAN BODENSEE-OBERSCHWABEN 1996: 3).

Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen, Schaffhausen, Thurgau und Zürich, dem österreichischen Bundesland Vorarlberg und dem Fürstentum Liechtenstein

12 Studie zur Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung im Bodenseeraum (Region Bodensee-Oberschwaben und Landkreis Konstanz) des Städtebaulichen Instituts der Universität Stuttgart über den Zeitraum 1968 bis 1983 (vgl. REGIONALPLAN BODENSEE-OBERSCHWABEN 1996)

Page 76: Exkursionsprotokoll2011

75

Laut den Grundsätzen und Zielen für den Bodenseeraum ist im Uferbereich13 des Bodensees „die

Siedlungsentwicklung auf geeignete seeabgewandte Standorte in den Ufergemeinden, vorrangig aber

in Siedlungsbereiche angrenzender Räume der Region zu lenken“ (ebd.: 2). Alle Initiativen zur

Einschränkung des „Flächenverbrauchs“ konnten jedoch eine Entwicklung von Teilen des

Bodenseeraums hin zum Verdichtungsraum nicht verhindern.

5.3.2. Der Bodensee als Trinkwasserspeicher

Der Bodensee stellt ein wichtiges Trinkwasserreservoir dar. Der Rhein führt dem Bodensee große

Mengen Schmelz- und Niederschlagswasser aus dem alpinen Einzugsgebiet zu. 11,5 Mrd. m3 Wasser

durchströmen jährlich den Bodensee, wovon nur etwas mehr als ein Prozent, nämlich 125 Mio. m3,

als Trinkwasser entnommen werden. Zur Organisation der großräumigen Fernwasserversorgung mit

Bodenseewasser kooperieren 147 baden-württembergische Städte und Gemeinden und 34

Wasserversorgungszweckverbände in einem interkommunalen Zweckverband, dem Zweckverband

Bodensee-Wasserversorgung (BWV). Auf diese Weise können etwa 4 Mio. Menschen mit Bodensee-

Trinkwasser versorgt werden (vgl. Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung- Zahlen und Fakten14),

darunter vor allem solche, die in den geologisch bedingten Wassermangelgebieten von Baden-

Württemberg leben. Dem Zweckverband zufolge verfügt der See über eine sehr hohe Wasserqualität

ohne nennenswerte Beeinträchtigungen durch Schadstoffeinträge wie Schwermetalle, Pestizide oder

Industriechemikalien (vgl. ebd.15). Die Wasserqualität des Bodensees unterliegt durchaus

Schwankungen. Ab Ende der 1960er bis Anfang der 1990er Jahre ließ sich eine sehr hohe Phosphat-

Konzentration (ortho-Phosphor-Phosphat) feststellen, deren Auftreten mit dem Einleiten von

Waschmittelresten in den Bodensee in Zusammenhang stand, welche in damaligen Kläranlagen noch

keiner ausreichenden Entfernung aus den Abwässern unterlagen. Die Funktionsweise von

Kläranlagen basiert auf sogenannten Selbstreinigungskräften. Ab Ende des 19. Jahrhunderts und

besonders nach dem Zweiten Weltkrieg reichten die natürlichen Selbstreinigungskräfte des Wassers

wegen der drastisch erhöhten Verschmutzung der Gewässer einhergehend mit der Industrialisierung

nicht mehr aus, sodass dazu übergegangen werden musste, Abwässer vor deren Rückführung in den

Wasserkreislauf in Kläranlagen mechanisch, biologisch sowie später auch chemisch zu reinigen (vgl.

ZINTZ et al. 2009: 122ff.). Bei der Entwicklung eines Klärwerksystems spielt u.a. der Anschlussgrad der

Bevölkerung eine wichtige Rolle. 1972 gelangte lediglich ¼ des Schmutzwassers in Kläranlagen, 2001

lag der Wert bereits bei 97,5%. Eine weitere Verbesserung des Systems der Abwasserreinigung liegt

in der Entfernung von Phosphorverbindungen (vornehmlich aus Waschmitteln) aus dem

Schmutzwasser, was mittlerweile zu etwa 99% möglich ist (vgl. ZINTZ et al. 2009: 123ff.)

13 Der Uferbereich des Bodensees ist im Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg abgegrenzt und umfasst die Gemeinden bzw. Ortsteile: Daisendorf, Eriskirch, Friedrichshafen (Gemeindeteile Friedrichshafen, Kluftern), Hagnau a.B., Immenstaad a.B., Kressbronn a.B., Langenargen, Markdorf (Gemeindeteil Ittendorf), Meersburg (ohne Baitenhausen), Sipplingen, Stetten, Überlingen (Gemeindeteile Bondorf, Deisendorf, Hödingen, Nesselwangen, Nußdorf, Überlingen), Uhldingen-Mühlhofen (vgl. REGIONALPLAN BODENSEE-OBERSCHWABEN 1996: 2) 14 Vgl. http://www.zvbwv.de/de/zahlen_und_fakten.html, Zugriff 20.10.2011 15 Vgl. http://www.zvbwv.de/de/trinkwasser_aus_dem_bodensee.html, Zugriff 20.10.2011

Page 77: Exkursionsprotokoll2011

76

Als wichtigster Grundsatz im Bereich der Abwasserreinigung gilt das Vorsorgeprinzip26, welches auch

in den Bodenseerichtlinien der Internationalen Gewässerschutzkommission festgehalten ist. Trotz

hoher Standards bei der Abwasserreinigung finden sich unerwünschte Stoffe in den Gewässern, wie

Abbauprodukte von Medikamenten oder andere anthropogen bedingte „Spurenstoffe“ wie EDTA,

wenngleich, insbesondere im Bodensee, in geringer Konzentration. In manchen Zuflüssen des

Bodensees liegt der Wert allerdings höher, weshalb diesen Risikostoffen besonderes Augenmerk

geschenkt werden muss (vgl. ZINTZ et al. 2009: 123, http://www.igkb.de/pdf/anthropogene spuren

stoffe_im_bodensee.pdf, 23.01.2012). Ein bekanntes Beispiel für einen früheren Problemstoff ist das

Totalherbizid Atrazin, ein früher vor allem in Sonderkulturen eingesetztes Insekten- und

Pilzvernichtungsmittel, dessen zunehmende negative Auswirkungen auf die Umwelt seit Beginn der

1980er Jahre festgestellt wurden16. Erst infolge des Totalverbots im März 1991 konnte eine

Verringerung der Konzentration festgestellt werden (vgl. ebd. S. 124).

5.3.3. Industrieraum

Friedrichshafen ist eine bedeutende Industriestadt am Bodensee. Ihre Industrialisierung begann

Mitte des 19. Jh. mit der Inbetriebnahme einer Eisenbahnteilstrecke, nämlich der Südbahn als Teil

der wichtigen Verbindung von der württembergischen Residenzstadt Stuttgart über Ulm –

Ravensburg nach Friedrichshafen. Die 1847 eröffnete Lederfabrik Huni & Co. repräsentierte den

ersten Industriebetrieb der Stadt. Sie existiert immer noch, hat sich inzwischen allerdings auf

Innenbeschichtungen von Behältern sowie Anlagen-, Apparate-, und Maschinenbau spezialisiert.

Abb. 5.7 Ferdinand Graf von Zeppelin

Das bedeutendste Symbol Friedrichshafens stellt hingegen „der Zeppelin“ dar, ein Starrluftschifftyp,

dessen Bezeichnung auf seinen Konstrukteur Ferdinand Graf von Zeppelin zurückgeht. Am 2. Juli

1900 startete und landete der erste Zeppelin im Friedrichshafener Ortsteil Manzell. Viele der heute

noch in Friedrichshafen tätigen Unternehmen bzw. deren Rechtsnachfolger wurden als Zulieferer für

die Zeppelinwerke gegründet: So geht das Unternehmen MTU Friedrichshafen (Motoren- und

Turbinen-Union) auf die ursprünglich 1900 gegründete Luftfahrzeug-Motorbau GmbH zurück, welche

16 Insbesondere auf Amphibien entfaltet die Substanz eine schädliche Wirkung (Störung der Entwicklung von Fröschen)

Page 78: Exkursionsprotokoll2011

77

1911/1912 von Bissingen an der Enz nach Friedrichshafen umzog. Die 1915 vollzogene Gründung der

ZF (Zahnradfabrik Friedrichshafen) sollte der Verbesserung der Getriebetechnik der Zeppeline

dienen. Mittlerweile zählt die ZF Friedrichshafen AG zu den wichtigsten Unternehmen für Antriebs-

und Fahrwerktechnik der Welt17. Auch in der Region ansässige Betriebe der Luft- und Raumfahrt-

technik (Beispiel: EADS Deutschland mit seinen Töchtern, vor allem am Standort Immenstaad) haben

oftmals ihre Wurzeln im Zeppelinkonzern.

Darüber hinaus entwickelten sich am Bodensee zahlreiche andere Industrie- und Gewerbezweige,

vor allem der Maschinenbau (Beispiel Fa. Hilti in Schaan, Fürstentum Liechtenstein), aber auch die

Pharmaindustrie (Beispiel Nycomed in Konstanz und Zürich) und andere (vgl. WIMA 2011: 2).

5.3.4. Fischerei

Im Bodensee leben etwa 30 Fischarten, darunter wichtige Nutzfische wie Bodenseefelchen, Kretzer,

Seeforelle, Weißfischarten wie Ukelei, Hasel, Rotfeder u.a. Auch seltene oder vom Aussterben

bedrohte Arten, wie Bitterling, Moderlieschen oder Groppe finden hier einen Lebensraum. Ebenso

kommt im Bodensee die Trüsche vor, eine Art, die außerhalb des Bodensees stark gefährdet ist

(http://www.themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/15928/?TBiframe=true&heigh

t=650&width=700&viewMode=popupSlideView&slideID=-1, 23.01.2012).

Abb. 5.8: Felchen

Als wirtschaftlich wichtigste Fischart im Bodensee gilt allerdings das Felchen aufgrund seiner weiten

Verbreitung und seiner Beliebtheit als Speisefisch18 (s. Abb. 5.8). Der Anteil der Felchen am

Gesamtfischfang im Bodensee von ca. 770.000kg/a zwischen 1999 und 2009 lag bei knapp 75%19.

Vor allem in jüngerer Zeit treten immer wieder neue Tierarten im und am See auf, sogenannte

Neozoen, welche nicht ursprünglich in diesem Lebensraum beheimatet sind, aber infolge

menschlicher Aktivitäten (bspw. infolge des Ansiedelns neuer Arten zur biologischen Bekämpfung

heimischer „Schädlinge“ oder um daraus wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen oder unbewusst) seit

Ende des 15. Jh. in den See kamen. Ein Beispiel dafür ist der aus Nordamerika in den Bodensee

eingeschleppte Sonnenbarsch (http://www.neozoen-bodensee.de, 02.07.2012).

17http://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis-oberschwaben/friedrichshafen/Wie-die-Luftschifffahrt-die-Haefler-Industrie-befluegelte;art372474,5120777, Zugriff am 26. Oktober 2011

18 Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF), http://www.ibkf.org/wissenswertes/fische-des-bodensees.html, Zugriff 07.11.2011 19 Fangstatistik für den Bodensee 2009, http://www.ibkf.org/uploads/media/Fangstatistik_Bodensee_2009.pdf, Zugriff 07.11.2011

Page 79: Exkursionsprotokoll2011

78

Seit Jahrzehnten sind die Fangerträge verschiedener Fischarten deutlich gesunken. Zurückzuführen

ist dies vermutlich auf eine Kombination vieler Faktoren: Der Bau von Wehren und Kraftwerken in

den Bodenseezuflüssen wirken als ökologische Barrieren für Wanderfischarten wie der Seeforelle.

Dazu kamen in der Vergangenheit Gewässerqualitätsprobleme, aber auch Überfischungen,

unzureichende Schonbestimmungen und Befischungsmethoden. In jüngster Zeit wird die

Reoligotrophierung des Sees als einer der Ursachen benannt. Mit Ausnahme der Reoligotrophierung

ergreift man zur Beseitigung dieser Probleme diverse Maßnahmen (Fangbeschränkungen, künstliche

Besatzmaßnahmen wie z.B. die Inkubation von Felchen- und Seeforelleneiern in Fischbrutanstalten

rund um den See, Einbau von Fischtreppen bzw. „raue Rampen“ in den Zuflüssen, vgl. ZINTZ et al.

2009: 98ff.). Hierbei spielt die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei

(IBKF, eine der ältesten grenzüberschreitenden Organisationen am Bodensee) eine große Rolle. Ihre

heutige Handlungsgrundlage ist noch immer einer der ältesten internationalen Fischereiverträge: die

Bregenzer Übereinkunft vom 5. Juli 189320.

Heute gibt es zirka 140 Berufsfischer und mehr als 10.000 Freizeitfischer am Bodensee, die jährlich

über 1.000 Tonnen Fisch fangen (vgl. SCHRÖDER 2006: 35).

5.3.5. Landwirtschaft

Aufgrund starker Nutzungskonkurrenzen, vor allem durch Siedlungsflächen, stehen der

Landwirtschaft im Bodenseeuferbereich, aber auch im seenahen Hinterland, mittlerweile immer

weniger Flächen zur Verfügung. Dazu kommen Intensivierungsprozesse (Umwandlung in

Sonderkulturen). Auf diese Weise verschwanden vor allem die früher landschaftsprägenden und, als

Folge einer Risikominderungsstrategie, sortenreichen Streuobstflächen. Dabei handelt es sich um

Landwirtschaftsflächen, auf denen eine Nutzung auf zwei Stockwerken stattfindet: Im unteren

Bereich als Acker oder als Grünland; im oberen Bereich als Dauerkultur (Obst, vor allem Äpfel und

Birnen, aber auch Kirschen). Die heute geringe wirtschaftliche Bedeutung geht vor allem auf die

geringen Möglichkeiten der Erhöhung der Produktivität zurück. Dazu kommen große

Ertragsschwankungen21 und Konkurrenzsituationen zum intensiven Erwerbsobstbau (dieser in Form

von hochproduktiven, aber sortenarmen Niederstamm- und Spindelanlagen mit deutlich höherem

Pestizideintrag), aber auch Änderungen der Verbrauchernachfrage (Rückgang des Konsums von

Most, einem leicht alkoholischen Getränk aus Obstsäften, Änderung von Geschmacks- und

Zubereitungsvorlieben etc.)22. Der Sortenverlust ist beträchtlich: Das Apfelsortiment im Handel

beschränkt sich auf lediglich sieben Hauptsorten, während das Spektrum im Streuobstbau etwa 50

Apfelsorten mit überregionaler Bedeutung sowie mehrere Hundert mit regionaler oder lokaler

Bedeutung umfasst (vgl. LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ 2001: 10). Dazu kommen Verluste an

Biodiversität aufgrund der hohen Biotoppotenziale von Streuobstwiesen.

Aufpreisvermarktungsmodelle nach dem Vorbild des „Markdorfer Modells“ von 1987

(http://www.bund-bawue.de/themen-projekte/streuobst/aktiv-fuer-streuobstwiesen/vermarktung,

20 siehe Fußnote 18 21 So betrug der Apfelertrag aus dem gesamten Streuobst- und Gartenobstanbau Baden-Württembergs im Jahr 1999 ca. 600.000 Tonnen, im Jahr 2000 dagegen etwa 1,3Mio t, um im darauffolgenden Jahr 2001 erneut deutlich zu sinken auf 450.000t (vgl. Landesanstalt für Umweltschutz 2001: 10; online verfügbar http://www.fachdokumente.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/50141/inf01_2.pdf?command=downloadContent&filename=inf01_2.pdf, Zugriff 02.11.2011) 22 vgl. http://www.weltkulturlandschaft-bodensee.info/index.php?id=46, Zugriff 24. Oktober 2011

Page 80: Exkursionsprotokoll2011

79

23.01.2012) versuchen, über regionale Netzwerke den Streuobstanbau zumindest als

regionalökonomische „Nische“ so weit wie möglich zu erhalten.

Aus der Veränderung des Landwirtschaftmarktes resultiert u.a. eine zunehmende

Flächeninanspruchnahme für ökologischen Landbau und Bioprodukte. Im Bodenseeraum (auf

deutscher Seite, Landkreise Konstanz und Bodenseekreis) erhöhte sich die Anzahl der nach

entsprechenden Standards wirtschaftenden Betriebe im Vergleich zu 1999 um ca. 65% auf 303 im

Jahr 200323.

5.3.6. Tourismus

Der Bodenseeraum ist nicht nur als Siedlungsstandort, sondern auch als Tourismusdestination

attraktiv. In der Bodenseeregion (Abgrenzung vgl. Tabelle 1) waren im Jahr 2010 mehr als 7,1 Mio.

Gästeankünfte zu verzeichnen, wovon ca. 33% (2,3 Mio.) auf die deutsche und 47% (3,3 Mio.) auf die

schweizerische Seite entfielen24.

Tabelle 1: Gästeankünfte (mit Übernachtung) in der Bodenseeregion im Jahr 2010

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage der Daten des Projektes Statistik für die Bodenseeregion,

online verfügbar unter http://daten.statistik-bodensee.org/table.php?thema=8, Zugriff am 19. Oktober 2011

Die Anzahl der Tagestouristen beläuft sich auf etwa 14 Millionen pro Jahr (vgl. ZINTZ et al. 2009: 118).

Der Bodenseeraum und der See selbst bieten ein vielfältiges Angebot an Freizeitaktivitäten, wie

Baden, Fischen, Segeln und Tauchen, Camping, Möglichkeiten für Fahrradtourismus u.a. Die große

Bedeutung des Tourismus birgt auch Risiken für den Bodensee. An erster Stelle ist hier der Verkehr

und die damit zusammenhängenden Umweltprobleme wie Lärm, Schadstoffemissionen etc. zu

nennen. Der Bootsverkehr auf dem See belastet über die Motoremissionen das Wasser selbst, aber

23 vgl. http://www.weltkulturlandschaft-bodensee.info/index.php?id=45, Zugriff 24. Oktober 2011 24 Vgl. http://www.statistik-bodensee.org/index.php/ueber-uns.html, Zugriff 20. Oktober 2011

Gebietsbezeichnung Gästeankünfte

Hotellerie

%

GGeebbiieett aauuff ddeeuuttsscchheerr SSeeiittee

Landkreis Konstanz

LK Sigmaringen

LK Bodenseekreis

LK Ravensburg

LK Lindau

LK Oberallgäu

Kempten

2.341.984 32,9%

SScchhwweeiizzeerr GGeebbiieett

Kanton Zürich

Kt. Schaffhausen

Kt. Appenzell Ausserrhoden

Kt. Appenzell Innerrhoden

Kt. St.Gallen

Kt. Thurgau

3.350.062 47,1%

Land Vorarlberg (ÖÖsstteerrrreeiicchh) 1.367.326 19,2%

Fürstentum LLiieecchhtteennsstteeiinn 51.815 0,8%

Bodenseeregion 7.111.187 100%

Page 81: Exkursionsprotokoll2011

80

auch, über seinen Bedarf an Liegeplätzen und andere Infrastruktureinrichtungen, die besonders

empfindliche Uferzone (vgl. ZINTZ et al. 2009: 118f.). Immerhin sind 36.000 Motorboote auf dem See

zugelassen (http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/66770/, 02.11.2011). Einerseits

bildet die Region ein geeignetes und bevorzugtes touristisches Ziel, was auch zur Entstehung

tourismuswirtschaftlicher Wertschöpfungsketten führt. Andererseits verlangt der Bodenseeraum im

Sinne des Erhalts der zur Verfügung stehenden Ressourcen nach einer Steuerung der

Nutzungsansprüche zur Gewährleistung seiner nachhaltigen Nutzung; zumal diese Ressourcen häufig

diejenigen Anziehungspunkte bilden, auf welchen der Tourismus basiert.

Der Regionalplan trägt dem durch die Formulierung u. a. folgender Grundsätze Rechnung: „Der

Fremdenverkehr in der Region soll in Form eines umwelt- und sozialverträglichen Tourismus weiter

ausgebaut werden. Neue Gästegruppen sollen gewonnen werden […]. Weitere Angebote für

Familienerholung für Langzeiturlaube und für Zweit- und Kurzurlaube sind zu schaffen und alle

Möglichkeiten zur Saisonverlängerung zu nutzen.“ (REGIONALPLAN BODENSEE-OBERSCHWABEN, 1996: 54).

5.3.7. Der Bodenseeraum als Verkehrsraum

Neben seinen Funktionen als Trinkwasserspeicher sowie Erholungsstandort nimmt der

Bodenseeraum eine wichtige Stellung als Kommunikationsstandort ein, besitzt also eine hohe

„verkehrspolitische Bedeutung“ (vgl. http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/66770/,

02.11.2011).

Ein Beispiel dafür ist der Seekörper selbst mit seinem Schiffsverkehr, der teilweise primär touristische

(„Weiße Flotte“), teilweise aber auch ÖPNV-ähnliche Angebote umfasst. So können vor allem die

Fähr- und Katamaranverbindungen zwischen den Uferstädten am See zu einer Reduzierung des

Straßenverkehrs beitragen. Pro Jahr überqueren 61.000 Schiffe den See, wodurch über 4,3 Mio.

Menschen, 1,4 Mio. Pkw sowie 89.000 Nutzfahrzeuge transportiert werden (vgl. ebd.).

Der Schiffsverkehr auf dem Bodensee wird seit langem grenzüberschreitend geregelt. Die Grundlage

der aktuellen Regelung wurde 1973 gelegt, als Österreich, Deutschland und die Schweiz über eine

gemeinsame Schiffsverkehrsregelung übereinkamen, auf dessen Grundlage die

Bodenseeschifffahrtsordnung (BSO) festgelegt wurde, welche wiederum zur Bildung der

Internationalen Schifffahrtskommission für den Bodensee (ISKB) führte25. Die BSO ist auch die

Rechtsgrundlage für das Bodenseeschifferpatent, das aufgrund der Spezifika des Bodensees (u.a.

Sturmgefährdungen, Anforderungen aufgrund der Eigenschaft als internationales Gewässer) von den

Führern von Motor- und größere Segelbooten für den Bodensee verlangt wird, einzigartig für die

deutschen Binnenseen.

5.4. Natur- und Wasserschutz

„Die Grundwasservorkommen und das Oberflächenwasser des Bodensees sind für die langfristige

Wasserversorgung zu schützen“, „Der Bodensee ist als Ökosystem und wegen seiner Funktion als

Trinkwasserspeicher vor schädigenden Einflüssen zu sichern“ (REGIONALPLAN BODENSEE-OBERSCHWABEN

25 MINISTERIUM FÜR VERKEHR UND INFRASTRUKTUR BADEN-WÜRTTEMBERG http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/ 66770/, Zugriff am 19. Oktober 2011

Page 82: Exkursionsprotokoll2011

81

1996: 154/156). Mit der Festsetzung solcher Erfordernisse spiegeln sich der Wert des Bodensees und

seiner Schutzbedürftigkeit im Regionalplan Bodensee-Oberschwaben deutlich wieder. Im räumlichen

Teilregionalplan „Bodenseeuferplan“, einem Instrument, das am Bodensee erstmals in Baden-

Württemberg angewendet wurde, erfahren sie eine weitere Vertiefung und sachlich-räumliche

Konkretisierung. Dies betrifft u.a. die Themen „Flachwasserzonen-„ sowie „Natur- und

Landschaftsschutz“. Flachwasserzonen erfüllen unterschiedliche Funktionen innerhalb des

Seeökosystems. Sie tragen zur Selbstreinigungskraft des Seewassers bei, bilden den Lebensraum für

viele Wasserpflanzen und stellen Laich- und Aufwuchshabitate für unterschiedliche Fischarten bereit.

Überdies dient dieser Übergangsbereich zwischen Wasser und Land zahlreichen Vogelarten als

Lebensraum. Eingriffe in Uferzonen, bspw. in Form des Baus von Hafenanlagen oder durch künstliche

Aufschüttungen, können dieses bedeutsame, komplexe und empfindliche System in seiner

Funktionsweise massiv beeinträchtigen (vgl. BODENSEEUFERPLAN 1984: 1ff.). Überdies liegen in diesem

Bereich häufig Relikte prähistorischer Siedlungen. Infolgedessen gibt der Bodenseeuferplan eine

Regulierung der unterschiedlichen Nutzungen im Uferbereich vor und unterscheidet zwei Typen von

Flachwasserschutzzonen entsprechend „der limnologischen Bedeutung, dem Grad der Schädigung

und der künftigen Nutzung“ (vgl. ebd.: 6). Bezüglich Natur- und Landschaftsschutz sieht der Plan den

Erhalt bzw. die Erweiterung der Schilfbestände (als Ziel der Raumordnung und Landesplanung) vor.

Diese spielen ebenfalls eine wichtige Rolle als Lebensraum, Laichplatz und Aufwuchsstandort für

Amphibien, Wasserinsekten und Fische sowie als Mauser-, Rast- und Überwinterungshabitate für

bestimmte Vogelarten. Darüber hinaus trifft der Bodenseeuferplan Festlegungen über

unterschiedliche Vorrangbereiche für Natur- und Landschaftsschutz im Uferbereich, was auf den

Ausschluss bzw. die Einschränkung bestimmter Nutzungen hinwirken soll (vgl. ebd.: 1-24).

Ab der 1950er Jahre waren deutlich die Auswirkungen des Bevölkerungszuwachses, der

prosperierenden Industrie, der aufgrund der günstigen regionalen klimatischen Verhältnisse sich

stark auf Sonderkulturen spezialisierenden Landwirtschaft sowie der zunehmende

Wirtschaftswohlstand zu spüren (Intensivierung Tourismus, Zunahme Immissionen in den See).

Nährstoffe konnten sich im See anreichern, was dessen Eutrophierung nach sich zog, verbunden mit

zum Teil gravierenden Problemen, die Reinhaltung des Trinkwasserspeichers sowie die

Aufrechterhaltung des Images der Tourismusdestination betreffend (vgl. ZINTZ et al. 2009: 9). Dies

führte zu einem Konsens über die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen sowie darüber, dass die

Durchführung dessen auf internationaler Ebene geschehen sollte (Gründung der Internationalen

Gewässerschutzkommission für den Bodensee im Jahr 1959, vgl. ZINTZ et al. 2009: 9; s.a. Abschnitt

3.6 in diesem Kapitel). Zur Verbesserung der Wasserqualität des Bodensees errichtete man

zahlreiche Kläranlagen, in welchen eine weitgehende Reinigung des Abwassers vor der Einleitung in

den Bodensee stattfindet. Infolge derartiger und anderer Bemühungen wies bspw. der

Phosphorgehalt des Bodensees (Indikator für den Zustand eines Gewässers) zwischen 2005-2008

ähnliche Werte auf wie vor der Eutrophierung des Sees. Trotz solcher Erfolge bedarf es der

Fortsetzung von Schutzmaßnahmen, da der See stets neuen und intensiveren Nutzungen ausgesetzt

ist, welche auch mit Risiken einhergehen. „Hierzu muss man vom Reparaturgedanken wegkommen

und das Vorsorgeprinzip26 zum obersten Gebot erheben“ (ZINTZ et al. 2009: 123). Angesichts dessen

26 Das Vorsorgeprinzip ermöglicht eine schnelle Reaktion angesichts möglicher Gefahren für die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder aus Gründen des Umweltschutzes. In den Fällen, in denen die verfügbaren wissenschaftlichen Daten keine umfassende Risikobewertung

Page 83: Exkursionsprotokoll2011

82

findet weiterhin eine Förderung und Durchführung von Forschungen über den Bodensee statt,

koordiniert von dem der baden-württembergischen Landesanstalt für Umwelt, Messungen und

Naturschutz (LUBW) unterstehenden Seenforschungsinstitut in Langenargen.

5.5. Internationale Kooperation

Wie oben erwähnt, kam es bisher zu keiner Festlegung genauer Nationalstaatsgrenzen zwischen den

am Bodensee liegenden Staaten (Deutschland, Österreich, Schweiz) im Bereich des Obersees, was die

zwischenstaatliche Kooperation keineswegs behindert, sondern eher noch fördert. Diverse

internationale Kommissionen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten arbeiten stets mit

dem Ziel zusammen, den Bodensee sowie die dort lebende Flora und Fauna zu schützen und den

Bodenseeraum auf eine nachhaltige Art und Weise zu fördern (Zintz et al. 2009:13). Die wichtigsten

internationalen Kommissionen sind:

IBFK – Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei: Am 5. Juli 1893

beschlossen die Regierungen von Österreich, Baden, Bayern, Liechtenstein, Württemberg und der

schweizerische Bundesrat mit dem Ziel der im Konsens erfolgenden Erarbeitung und Anwendung von

Bestimmungen für die Fischerei die „Bregenzer Übereinkunft“ als bis heute geltende Grundlage für

Fischereiregelungen. „Die Idee der nachhaltigen Bewirtschaftung war ebenso enthalten wie der

Artenschutz. Auch der Zusammenhang des Bodensees mit seinen Zuflüssen und mit anderen

Gewässernutzungen wurde bereits damals erkannt und berücksichtigt, ebenso die Notwendigkeit der

Fischereiaufsicht“ (IBFK – Aufgaben und Ziele. Die Begrenzer Übereinkunft27).

IGKB – Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee: Die IGKB wurde 1959

angesichts des bereits erläuterten Verschmutzungsprozesses des Bodensees gegründet (vgl. ZINTZ et

al 2009: 13). Zu den Mitgliedern bzw. Gründern dieser Kommission gehören Baden-Württemberg und

Bayern, die Republik Österreich und die Schweizerische Eidgenossenschaft. Deren wichtigste

Aufgaben beinhalten u.a. die Überwachung des Bodenseezustandes, die Feststellung von

Belastungsursachen und die Empfehlung koordinierter Gegen- bzw. Vorsorgemaßnahmen (vgl.

Website der IGKB28).

IBK – Internationale Bodenseekonferenz: Ausgehend vom Bedarf an einem gemeinschaftlichen,

internationalen Umgang mit dem Bodensee gründete man 1972 die IBK. Mitglieder sind nicht nur die

an den Bodensee grenzenden, sondern auch jene mit dem Bodensee verbundenen administrativen

Gebiete (vgl. Website der IBK29), darunter:

zulassen, ermöglicht der Rückgriff auf dieses Prinzip beispielsweise die Verhängung eines Vermarktungsverbots oder sogar den Rückruf etwaig gesundheitsgefährdender Produkte“, Zusammenfassungen der EU Gesetzgebung, Umwelt (vgl. http://europa.eu/legislation_summaries/environment/general provisions/l32042_de.htm, Zugriff am 20. Oktober 2011. ) 27 IBFK Website, http://www.ibkf.org/aufgaben-und-ziele/bregenzer-uebereinkunft.html., Zugriff am 20. Oktober 2011. 28 IGKB Website, http://www.igkb.de/html/aufgaben/index.html, Zugriff am 20. Oktober 2011. 29 IBK- Website, http://www.bodenseekonferenz.org/20664/IBK/Mitglieder/index_v2.aspx, Zugriff am 20. Oktober 2011.

Page 84: Exkursionsprotokoll2011

83

• Deutschland:

∼ Baden-Württemberg: Landkreise Konstanz, Bodenseekreis, Ravensburg, Sigmaringen

∼ Freistaat Bayern: Landkreise Lindau und Oberallgäu, Stadt Kempten

• Österreich:

∼ Land Vorarlberg

• Liechtenstein

∼ Fürstentum Liechtenstein

• Schweiz:

∼ Kanton Thurgau

∼ Kanton St. Gallen

∼ Kanton Schaffhausen

∼ Kanton Appenzell Innerrhoden

∼ Kanton Appenzell Ausserrhoden

∼ Kanton Zürich.

Der Themenbereich der Konferenz umfasst ein breites Spektrum, da sämtliche Funktionen des

Bodenseeraums (Natur-, Lebens-, Kultur-, und Wirtschaftsraum) in die Betrachtung mit einbezogen

werden. Der Erhalt bzw. die Förderung der Funktionen der Bodenseeregion zählt neben der

Verstärkung der regionalen Kohärenz zu den Zielen dieser Konferenz (vgl. ebd.30). Die Arbeit der

Konferenz erfolgt vor allem in Form von Kommissionen. Beispiele dafür sind:

1. Bildung, Wissenschaft und Forschung,

2. Kultur,

3. Umwelt,

4. Verkehr,

5. Wirtschaft,

6. Gesundheit und Soziales,

7. Öffentlichkeitsarbeit30.

Die dargestellte Art der Kooperation wird von vielen Akteuren als „gut“ bewertet, obwohl auch

immer wieder Interessensgegensätze der verschiedenen Konferenzmitglieder deutlich werden.

30 IBK- Website, http://www.bodenseekonferenz.org/20658/IBK/Ueber-die-IBK/index_v2.aspx, Zugriff am 20. Oktober 2011

Page 85: Exkursionsprotokoll2011

84

5.6. LITERATURVERZEICHNIS Exkursionstag 5

HETHEY, T.; MAIER, W-P.; SCHULZ, J. (2006): EUREGIO-BODENSEE – Zahlen, Fakten, Trends,

Bevölkerung. translake GmbH; online verfügbar: http://www.statistik-bodensee.org/tl_files/statistik/

downloads/publikationen/trends.pdf, Zugriff 19.10.2011

SAURWEIN, K. (2008): Wirtschaftsakteure im Alpenrheintal: Vernetzungen und Orientierungen in einem von

Grenzen durchzogenen Wirtschaftsstandort.Universität Innsbruck, Institut für Geographie; online verfügbar:

http://www.uibk.ac.at/dokonara/2008/downloads/saurwein.pdf, Zugriff 20.10.2011

SCHRÖDER, H.G. (2006): Gewässerschutz für den internationalen Trinkwasserspeicher Bodensee. In: ROTT, U.:

Innovationen in der Wasserversorgung, 20. Trinkwasserkolloquium am 22. Februar 2006. Komissionsverlag.

München. S. 31-42

SCHULZ, J.; BAYRAM, E.(2007): Im Fokus: Die Regio Bodensee – Bevölkerung, Beschäftigung und Arbeitsmarkt.

Ausgewählte Branchen. Verkehr, Bildung, private Ausgaben. Bevölkerung. translake GmbH im Rahmen des

Projekts Statistikplattform Bodensee; online verfügbar: http://www. statistik-

bodensee.org/tl_files/statistik/downloads/publikationen/imfokus.pdf, Zugriff 19.10.2011

ZINTZ, K.; LÖFFLER, H.; SCHRÖDER, H.G. (2009): Der Bodensee. Naturraum im Wandel. Thorbecke

BODENSEEUFERPLAN, online verfügbar: http://www.bodensee-oberschwaben.de/upload/

bodenseeuferplan_1984___Text__mq__501.pdf, Zugriff 19.10.2011

Fangstatistik für den Bodensee 2009: http://www.ibkf.org/uploads/media/Fangstatistik_Bodensee_ 2009.pdf,

Zugriff 07.11.2011

IBFK: http://www.ibkf.org/aufgaben-und-ziele/bregenzer-uebereinkunft.html, Zugriff 20.10.2011

Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden- Württemberg: Verkehrspolitik, Schiffahrt und Häfen,

Schifffahrt auf dem Bodensee: http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/66770/, Zugriff 19.10.2011

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen Bodensee, Freilichtmuseum und Forschungsinstitut,

http://www.weltkulturerbe-pfahlbauten.de/, Zugriff 19.10.2011

Protokolle der Regionalwissenschaftlichen Exkursionen des IfR 2007, 2008, 2009

Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, Regionalplan, online verfügbar: http://www.bodensee-

oberschwaben.de/ upload/RVBO_Regionalplan1996_Textteil_174.pdf, Zugriff 19.10.2011

SAVE-Foundation (Sicherung der landwirtschaftlichen Arten Vielfalt in Europa): http://www.save-

foundation.net/deutsch/heim.htm, Zugriff 28.10.2011

Statistik Bodensee, Tourismusdaten: http://daten.statistik-bodensee.org/table.php?thema=8, Zugriff

19.10.2011

Südkurier 21.09.2011: Wie die Luftschifffahrt die Häfler Industrie beflügelte: http://www.suedkurier.

de/region/bodenseekreis-oberschwaben/friedrichshafen/Wie-die-Luftschifffahrt-die-Haefler-Industrie-

befluegelte;art372474,5120777, Zugriff 26.10.2011

Weltkulturlandschaft Bodensee: http://www.weltkulturlandschaft-bodensee.info/index.php?id=45, Zugriff

24.10.2011

Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (BWV): http://www.zvbwv.de/, Zugriff 20. 10. 2011

http://www.tierportraet.ch/htm06/gelbstirnamazone.php, Zugriff 7.11.2011

5.7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Exkursionstag 5

Abbildung 5.1: Google Earth, Zugriff 26.10.2011

Abbildung 5.2: Zintz et al. 2009: 52

Abbildung 5.3: Zintz et al. 2009: 52

Abbildung 5.4: http://www.weltkulturerbe-pfahlbauten.de/details/artikel02.html, Zugriff

18.10.2011

Abbildung 5.5: http://www.weltkulturerbe-pfahlbauten.de/details/artikel01.html, Zugriff 18.10.2011

Page 86: Exkursionsprotokoll2011

85

Abbildung 5.6: http://www.igkb.de/html/seedaten/index.html, Zugriff 25.10.2011

Abbildung 5.7: http://zbw.eu/beta/p20/person/42352/about.en.html

Abbildung 5.8: http://www.fischereivereinkleinmeiseldorf.at/bilder/bildergalerie/felchen-g.jpg,

Zugriff 24.10.2011

Page 87: Exkursionsprotokoll2011

86

6. FAZIT aus Sicht der Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmer

Rückblickend und zusammenfassend lässt sich durchaus das Gelingen des Exkursionsvorhabens

feststellen, beispielhaft ein raumanalytisches Vorgehen (hinsichtlich sozialer, wirtschaflticher,

ökologischer Zusammenhänge) anzuwenden, stets eine Kontextualisierung des Erfahrenen

vorzunehmen und in der Synthese dessen eine Vorstellung davon zu gewinnen, auf welcher Basis

Planungskonzepte entstehen.

Zwischen vorhandenem sowie vor Ort erarbeitetem Wissen ließen sich am Beispiel Vorarlbergs im

Laufe der Exkursion permanent Bezüge herstellen zu beobachteten, wahrgenommenen

Sachverhalten, wobei die (anfängliche) Unkenntnis der gesamten Region seitens der

Exkursionsteilnehmer sicherlich keinen Nachteil darstellte, sondern es im Gegenteil erleichterte,

auch das vermeintlich Offensichtliche zu hinterfragen und sich so ein umfassendes Bild der

zugrundeliegenden Strukturen innerhalb der Region zu erarbeiten. Letztlich brachte dies den

Teilnehmern zwar auch den Planungskontext in der Region Rheintal oder im Bundesland Vorarlberg

näher, es wurde darüberhinaus die Herangehensweise zur Analyse eines solchen Konstrukts einer

Region deutlich. Vorarlberg stellt für die Anwendung eines solchen Ansatzes in der Tat ein geeignetes

Beispiel dar. Innerhalb Österreichs besitzt es nicht zuletzt angesichts seines historischen Hintergrunds

eine besondere Stellung, hat überdies eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung vorzuweisen,

verfügt u. a. wegen seiner hohen Naturraumdiversität über eine beträchtliche Vielfalt an

Raumnutzungspotentialen, u. a. als Tourismusdestination, notwendigerweise einschließlich aller

Nachteile, bspw. daraus resultierender Nutzungskonflikte.

Obwohl dies zunächst auf eine eher idiosynkratische Vorgehensweise bei der Raumanalyse

hindeutet, handelt es sich bei dem methodischen Ansatz zweifelsohne um einen auf andere

Raumeinheiten übertragbaren, was schließlich nochmals die hohe Bedeutung der Durchführung

einer solchen Exkursion für angehende Regionalwissenschaftler/-planer bekräftigt.