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Feldherren- taktik - Detecon · PDF fileStrategy bei Angriffen energisch und in der Verteidigung hartnäckig. Bei seinen Soldaten war er beliebt. Eine Besonderheit Lees war das Führen

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Strategy

Auch klassisch aufgestellten Telekom-munikationsunternehmen ist es möglich, Innovationen innerhalb der bestehenden Organisation schnell umzusetzen.

Markus BuchwaldClemens AumannJan Steglich

Feldherren-taktikWas man von Robert E. Lee, Hannibal und Alexander der Große über Innovationsmanagement lernen kann

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Feldherrentaktik

lassische Telekommunikationsanbieter sehen sich in ihren Märkten zunehmendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Für diese Anbieter gewinnen Innovationen immer stärker an Bedeutung, da sie als ein zentrales Instrument zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen dienen. Diese Wettbewerbsvorteile generieren die für den dauerhaften Unternehmenserfolg erfor-derlichen Potenziale für Kundenbindung, Mehrabsatz und Pre-mium-Margen als First-Mover. Als Ergebnis befinden sich die klassischen Telekommunikationsanbieter in einem intensiven Innovationswettbewerb untereinander. Die Verschmelzung von Telekommunikations- und Informationstechnologie schreitet schnell voran und erlaubt zudem ganz neuen Wettbewerbern, die Marktregeln nachhaltig zu beeinflussen.

Gewinner dieses Wettbewerbs sind Unternehmen, die über das bessere Innovationsmanagement verfügen. Dies verlangt zum einen die Identifikation der „richtigen“ Ideen und zum ande-ren deren tatsächliche Umsetzung innerhalb einer kürzeren Frist, als dies den Wettbewerbern möglich ist. In den letzten Jahrzehnten haben wir das Innovationsmanagement zahlreicher Telekommunikationsunternehmen begleitet und analysiert. Die Erfahrung zeigt, dass dem ersten Aspekt – der Ideenfin-dung und Ideenbewertung – in vielen Unternehmen eine hohe Bedeutung zugemessen wird. Entsprechend sind die hier ver-wendeten Methoden und Prozesse in der Regel ausgereift und effizient. In der Praxis ist die Herausforderung nunmehr die tatsäch liche Umsetzung von Innovationen. Unternehmens-größe und Geschwindigkeit der Innovationsumsetzung stehen hier in direktem kausalen Widerspruch zueinander.

Analyse des Innovationsmanagements

Unter der Maßgabe, dass angesichts der kurzfristigen Ände-rungsperspektive der bestehende organisatorische Zustand ak-zeptiert werden muss, gilt es, in einer ersten Analyse eine strate-gische Typologie im Innovationsmanagement zu identifizieren, die jeweils für unterschiedliche Handlungsmuster steht. Ähn-lich der militärischen Betrachtung steht dabei der Führende als „Feldherr“ stellvertretend für seine Armee. Dies beinhaltet im Innovationsmanagement die Organisation aus Führungsper-sonen und Personal. Zielsetzung ist, anhand dieser Innovations-management-Typen Chancen und Gefahren zu erkennen und Implikationen für eine Weiterentwicklung zu finden.

K Der zweite Analyseschwerpunkt konzentriert sich auf die Ge-fahrenpotenziale für die Umsetzung von Innovationen in Rich-tung Kunde. Diese Gefahrenpotenziale, die wenig beeinflussbar durch die Gesamtorganisation bedingt sind, werden nachfol-gend vereinfachend als „Schlachtfelder“ bezeichnet – Themen, denen man sich zum Kampf stellen muss. Wir versuchen hier Wege aufzuzeigen, die sich auf die besondere Betrachtung der Innovationskultur, der notwendigen Prozesslandschaft und der Erfolgsverteilung für eine Innovation im Rahmen der Unter-nehmensplanung fokussiert. Alle diese Bereiche sind wahre Klassiker in Großunternehmen, mit denen vermutlich viele Leser bereits Bekanntschaft gemacht haben:

• Jedermusserfolgreichsein,umweiterzukommen.Dahergibt es quasi keine Misserfolge. Ein wichtiger Teil einer guten Innovationskultur ist aber auch das Lernen aus Misserfolgen und der souveräne Umgang damit.

• Prozesse brauchen Großunternehmen, um die Informationen zur Steuerung zu verdichten. Problematisch wird es, wenn sie als politische Instrumente genutzt werden, um andere Abteilungen oder Themen zu bremsen.

• DieErfolgsverteilung im Rahmen der Unternehmens planung als Bewertungssystem führt dazu, dass jeder bei erfolgverspre-chenden Innovationen funktional beteiligt sein will, um später einen Teil des Kuchens für sich beanspruchen zu können. Inno-vationen werden so immer komplexer und umfangreicher. In der Regel starten erfolgreiche Innovationen aber eher als kleine Lösungen für den Kunden, die dann entsprechend der Kunden-bedürfnisse weiterentwickelt werden.

Berühmte Feldherren – drei Arten von Innovationsmanagern

Aus unserer Projekthistorie lassen sich unterschiedliche Typen von Innovationsmanagern herausfiltern, die anhand ihrer stra-tegischen Stärken und Schwächen zum einfacheren Verständnis an historischen Feldherrn angelehnt sind:

Robert Edward Lee (*1807 bis 1870 †) war der erfolgreichste General des konföderierten Heeres im amerikanischen Bürger-krieg (1861-1865). Sein Handeln war stets wagemutig und er zögerte nie, Risiken einzugehen. Auf dem Schlachtfeld war er

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Strategy

bei Angriffen energisch und in der Verteidigung hartnäckig. Bei seinen Soldaten war er beliebt. Eine Besonderheit Lees war das Führen mit Aufträgen, deren Umsetzung er voll in die Verant-wortung seiner Untergebenen legte.

In der Übersetzung ins Innovationsmangement bedeutet dies eine offene Innovationskultur mit der Chance, schnell auf neue Situationen zu reagieren. Das Risiko besteht in einem Hang zur Eigendynamik, die nicht konform zur eigentlichen Unter-nehmenszielsetzung verlaufen kann. Schlüsselbegriffe für die Charakterisierung sind Flexibilität, energisches Handeln und Eigeninitiative, Hartnäckigkeit sowie die Führung durch Auf-träge.

Hannibal (*246 v. Chr. bis 183 v. Chr. †) gilt als einer der größten Feldherren der Antike. Er zeichnete sich durch ein un-gewöhnliches Bewusstsein für militärische Manöver aus und war bereit, neue Wege zugehen, in dem er die winterlichen Alpen überschritt. In taktisch defensiven, aber selbst gewähl-ten, überlegenen Ausgangspositionen konnte er die Schwächen des Gegners durch ein diszipliniertes, konzertiertes und perfekt durchgeplantes Vorgehen seiner Truppen erfolgreich ausnutzen. Hannibal kannte die Grenzen seiner Möglichkeiten genau und vermied Überschätzungen, an denen er nur scheitern konnte, wie die mögliche Belagerung von Rom.

In der Übersetzung ins Innovationsmangement bedeutet dies eine flexible und straff organisierte Innovationskultur mit der punktuellen Chance, aus dem Organisationsgrad heraus schnel-ler und wendiger zu sein als die Mitstreiter. Gefahr besteht durch das Risiko der Wachstumsfalle, der Gefahr, an Geschwin-digkeit zu verlieren durch immer neue Aufgaben – und daran letztlich zu ersticken. Schlüsselbegriffe für die Charakterisierung sind Variabilität, eine defensive Grundhaltung, die strategische Vorgehensweise und Diszipliniertheit.

Alexander der Große (*356 v. Chr. bis 323 v. Chr †) dehnte die Grenzen des unbedeutenden Kleinstaates Makedonien zu einem Weltreich aus. Militärisch bestach die makedonische Phalanx durch ihren Zusammenhalt der einzelnen Truppen-teile, die auch ihm gegenüber in bedingungsloser Treue bestand. Gegenüber kämpfenden Feinden war er genauso unerbittlich, wie er gegenüber sich ihm ergebenden Gegnern gnädig war und sie in seine Truppen integrierte. Alexander war der Befehlshaber, ihm zur Seite stand kein “Generalstab”, sondern ein Kreis von Fachleuten, deren Ratschlag er auch annahm. Alexander war ein guter Psychologe und im Kampf immer an vorderster Front zu finden.

In der Übersetzung ins Innovationsmangement bedeutet dies eine halb offene Innovationskultur um einen zentralen Perso-

Quelle: Detecon

Abbildung 1: SWOT – Innovationsmanagment Typ: Robert E. Lee

STÄRKEN

• FlexibilitätinderBündelungderKräfte

• SchnelligkeitinderReaktionaufÄnderungenderGemengelage

• EigenverantwortungdereinzelnenTeile

CHANCEN

• MitquasiunterlegenenKräftenkanngroßesbewegtwerden

• DieschnelleUmsetzungvonInnovationenistmöglich

SCHWÄCHEN

• AnfälligkeitfüreineBeeinflussungdurchProzesse/Bürokratie

• DieOrganisationlebtvonderzeitlichenFlexibilitätdereinzelnenThemen, die eine Bündelung der Kräfte erst möglich macht

• AbhängigkeitvondenFähigkeitenundSpezialisierungender Verantwortlichen

GEFAHREN

• StrategischesWachstum,dasheißtmitqualitativgleichwertigenVerantwortlichen, ist notwendig

• FehlendedefinierteÜbergabenimInnovationsprozesskönnenüberdie thematische Bindung die Flexibilität erheblich verlangsamen

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Feldherrentaktik

nenkreis mit der Chance, Konflikte durch Integration zur Stär-kung der eigenen Position zu nutzen. Das Risiko besteht hier, sich in Konflikten zu verschleißen – vor allem, wenn die Unter-stützung auf oberster Ebene fehlt.

Schlüsselbegriffe für die Charakterisierung sind ein perfektes Zusammenspiel, Konfliktbereitschaft, die Fähigkeit zur Integra-tion von ehemaligen Gegnern sowie Professionalität.

Schlachtfelder – drei grundlegende Innovationshemmnisse im Unternehmen

Neben der Innovationshaltung und der Strategie, die unter den „Feldherren-Typen“ zusammengefasst wurde, ergeben sich verschiedene Innovationshemmnisse aus der Organisation von Großunternehmen. Diese Problemlagen, die es für jedes In-novationsmanagement grundsätzlich zu überwinden gilt, sind nachfolgend als „Schlachtfelder“ definiert.

Das „Neue“ im Unternehmen: Alles Neue birgt Chancen und Risiken. Schon aus der kaufmännischen Grundhaltung heraus werden Risiken zum Beispiel buchhalterisch wesentlich stärker bewertet als Chancen. Innovationen aber fokussieren auf Chan-cen und benötigen eher eine offensive und positive Grundhal-tung.

Darüber hinaus sind Unternehmen mit ihrer Organisation komplexe Gebilde, mit denen sich die Beteiligten arrangiert haben. Ein wichtiger Bestandteil ist hier die Berechenbarkeit des Systems. Solange die Grundbedingungen konstant bleiben, können die Beteiligten ihre Position sichern und ausbauen. Än-derungen rufen Mehrarbeit und machtpolitische Reibungsver-luste hervor. So, wie Chancen oder Risiken einer Innovation nicht unbedingt immer eindeutig zurechenbar sind und erst spät absehbar sind, so eindeutiger und schneller treten Mehr-arbeit und Machtverlust bei den Beteiligten Personen zu Tage. Die klassische Reaktion ist daher eher eine ablehnende Haltung.

Der Umgang mit der Angst vor dem „Neuen“ ist eine Frage der Unternehmenskultur beziehungsweise der Innovations-kultur. Diese entsteht nicht von allein, sondern sie muss sich entwickeln und kann von der Unternehmensseite nur gefördert werden.

Prozesse, die Gratwanderung zwischen notwendiger Vernetzung und zeitraubendem Aufblähen von Innovationen zu sogenann-ten „Weltlösungen“: Innovationen entstehen im Kleinen, ihre Umsetzung bedarf einer bedächtig wachsenden Organisation. Prozesse als notwendige Abstimmungs-, Kontroll- und Informa-tionsglieder sind vor allem in Großunternehmen von zentraler Bedeutung, um profitabel arbeiten zu können. Aber auch hier

Quelle: Detecon

Abbildung 2: SWOT – Innovationsmanagment Typ: Hannibal

STÄRKEN

• StrategischeAusrichtung

• Disziplin

• ProzesskonformeArbeitsweiseundProduktqualität

CHANCEN

• WennderRessourcenrahmensteht(Zeit/Manpower)sindgroßeInnovationsprojekte möglich

• DurchdiedefensiveGrundhaltungschwierigpolitischangreifbar

SCHWÄCHEN

• AnfälligkeitfüreineBeeinflussungdurchProzesse/Bürokratie

• DefensiveGrundhaltungstehtSchnellschüssenentgegen,auchwennder Markt diese verlangt

• Kreativitätgehtoftunter

GEFAHREN

• AnfälligkeitfüreinAufreibenderKräftedurchprozessualeAttacken

• DieSynchronisierungzwischenInnovationsmanagementundMarkterfordernissen kann auf der Strecke bleiben

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gilt es wie in der Pharmazie, die richtige Dosis herauszufinden. Mit steigender Dosis werden viele Prozesse zum Gift für eine schnelle Durchsetzung von Innovationen im Unternehmen und im Markt.

Dazu kommt, dass Prozesse in der Regel sehr zeitstabil sind. Mit Prozessen verhält es sich ein wenig wie mit Subventionen: Einmal in Gang gesetzt, entwickelt sich ein irritierendes Eigen-leben, das kaum zu bremsen ist. Hier besteht ein Ansatzpunkt für Optimierungen.

Die Trophäe des Erfolgs: Der Erfolg hat in der Regel viele Väter. Moderne variable Vergütungssysteme führen dazu, dass es schon in der Entwicklung einer Innovation Verteilungskämpfe über geplante zurechenbare Umsätze gibt. Diese dominieren die In-novationsprozesse derart, dass Innovationen am Unternehmen ausgerichtet werden. Bei einem vielversprechenden Produkt versucht jede Abteilung soviel eigene Lösungsbestandteile in das Produkt zu drücken wie möglich, damit der zurechenbare Anteil an den erwarteten Erlösen maximal ist. Dass damit der Kunde im Innovationsprozess verloren geht, kann man dann den Beteiligten nicht einmal anlasten – sie haben ja zielkonform gehandelt!

Die Umsatzkämpfe schon in der Entwicklung führen dazu, dass vorwiegend auf die ganz großen Innovationen gesetzt wird, die schnell viel Umsatz machen sollen. Die damit verbundene

Komplexität in der Entwicklung der Innovation ist dann wieder schlecht für die Parameter Risiko, Umsetzbarkeit und Timing.

Strategieansatz: Detecon Innovation-Combat-Model

Aus den oben charakterisierten Einflussbereichen gilt es, einen ganzheitlichen Strategieansatz zu entwickeln, der schnell

Quelle: Detecon

Abbildung 3: SWOT – Innovationsmanagment Typ: Alexander der Große

STÄRKEN

• KoalitionenschaffendesVorgehen

• KonfliktbereitschaftzumdurchdringendenVorantreibenvonPro-jekten

• ProfessionalitätundVision

CHANCEN

• ThemenundProjektekönnenlangeimLeadgeführtwerden

SCHWÄCHEN

• KonflikteschaffenauchFeinde

• KonsenslösungenundKompromissesindschwierig

• HoherVerschleißanManpower

• UpperManagementProtectionunbedingtnotwendig

GEFAHREN

• 2.Front,3.Front,4.Front,…

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umsetzbar und Erfolg versprechend ist, ohne grundlegende Veränderungen in der Unternehmensorganisation nach sich zu ziehen.

1. Ist-Analyse – Identifizierung des MachbarenDie Aufnahme der Problemlage im Innovationsmanagement zielt auf die besondere Berücksichtigung der drei Bereiche In-novationskultur, Prozesse, Erfolgsverteilung und deren Auswir-kungen auf die Umsetzungsfähigkeit und die Umsetzungszeit. Dabei wird die Fragestellung nach Stärken und Schwächen aus der internen und aus externer Perspektive betrachtet.

Auf Basis der Ist-Analyse wird das mögliche Veränderungsspek-trum festgestellt und an den verschiedenen Innovationsmanage-ment-Typen gespiegelt. Daraus ergibt sich das Potenzial für eine qualitative, quantitative und zeitliche Verbesserung im Innova-tionsmanagement.

2. Strategie des MachbarenWas lässt sich unter dem Gesichtspunkt der politischen Macht-verhältnisse realistisch umsetzen? Dabei werden auch die für die jeweiligen Veränderungen notwendigen Key-Player identifi-ziert. Am Ende werden die „Schlachtfelder“ in eine strategische Zielsetzung übernommen, die sich aus der Unternehmens-perspektive und der Maßgabe der Kurzfristigkeit realistisch um-setzen lässt.

In der Strategie des Machbaren findet ein Matching zwischen „Feldherren“ und „Schlachtfeldern“ statt, also zwischen den In-novationstypen im Unternehmen und den drei gewählten An-satzpunkten. Dabei lässt sich ein Hebeleffekt je nach Typ mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten ansetzen:

Der General-Lee-Typ wird insbesondere durch Veränderungen in der Innovationskultur gefördert werden können. Zusätzlich muss man hier die Prozesse im Zaum halten, damit die eher kleine und agile Truppe nicht immer mehr Steine in den Weg gelegt bekommt. Die Erfolgstrophäe im Sinne der Erfolgsver-teilung ist in der Regel eher vernachlässigbar, weil sie entweder bereits verteilt ist oder jemand schneller war als alle anderen.

Der Hannibal-Typ muss auf allen Ebenen zumindest so geför-dert werden, dass er seine defensive Grundhaltung verliert. Dies wird meist erreicht, wenn man Bedrohungen auf dem Weg weiträumig entfernt und für ein ausgeglichenes Verhältnis aller drei Einflussbereiche sorgt.

Der Alexander-der-Große-Typ ist in der Regel in der Position, sich die notwendige Innovationskultur selbst zu schaffen. Da hier ein enger Verbund von konspirativ Handelnden herrscht, müssen diese durch eine fühlbare Beteiligung am Erfolg zusam-men gehalten werden. Zusätzlich ist darauf zu achten, dass die Konflikte in den kreativ schaffenden Bereich getragen werden und nicht in prozessualen Auseinandersetzungen verrauchen.

Quelle: Detecon

Abbildung 4: Gefahrenpotenziale für unterschiedliche Innovationstypen

= Großes Gefahrenpotenzial= Kleines Gefahrenpotenzial

Legende:

Feldherr General Lee(risikobereit, flexibel)

Feldherr Hannibal(defensiv, strategisch)

Feldherr Alexander der Große(konfliktfähig, integrativ)

SchlachtfeldDas Neue

SchlachtfeldProzesse

SchlachtfeldErfolgstrophäe

Erläuterungen

Gefahrenpotenzial auf dem Weg zur Innovation Company

Eige

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oder

ang

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ebte

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nova

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sman

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Typ

Prozesse soweit wie möglich inte-grieren und im Verteilungskampf um den Erfolg nicht aufreiben.

Nicht zu defensiv um sichtbar zu sein, nicht zu strategisch um selbst ein Teil des Problems zu sein.

Risiko braucht Innovationskultur und Flexibilität keine starren Prozesse.

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Strategy

3. ”Stategy is nothing without execution” – Der MaßnahmenplanDie kurzfristige strategische Anpassung muss schließlich in die Umsetzung gehen. Da mit der bestehenden Führung, der Orga-nisation und dem Personal gearbeitet werden muss, gilt es hier Maß zu halten um über eine Überforderung nicht in eine Tal-fahrt der Motivation zu gelangen.

Beispiele zeigen, wie man Innovationsmanagement optimieren kann

Zugegeben – auf dem Papier klingt der oben beschriebene An-satz, als müssten nur Mitarbeiter A und B die Plätze tauschen und grundsätzlich Blumen auf den Tisch gestellt werden. Dass dem nicht so ist, zeigen die nachfolgenden Erfolgsgeschichten, die skizzieren, wie aus einzelnen „Schlachtfeldern“ erfolgreiche Neuerungen in den Unternehmen hervorgegangen sind. Die Beispiele orientieren sich an der Kombination von „Feldherr“ im Sinne des Innovationmanagement-Typus und gut gelösten Problemlagen, den „Schlachtfeldern“.

Im ersten Beispiel kämpft ein innovativer Mitarbeiter als „Gene-ral-Lee-Typ“ um eine Idee, die er aufgrund der hervorragenden Innovationskultur in seinem Unternehmen umsetzen kann – die „gelben Zettel“, besser bekannt als Post-it Haftnotizen von 3M. Vor mehr als 20 Jahren entwickelte 3M einen neuen Klebstoff, der fast alle Materialien miteinander verbinden sollte. Das Er-gebnis war ein Kleber, der zwar überall haftete, sich aber leider auch leicht ablösen ließ. Ohne eine praktische Anwendung war die Entwicklung ein Flop. Dank der 3M Innovationskultur, die alle Entwicklungen – ob positiv oder negativ – allen Unterneh-mensbereichen zur Verfügung stellt, wurde der Innovationsflop im Unternehmen bekannt.

Arthur Fry, ein 3M Mitarbeiter, brauchte ablösbare Einsatz-zeichen für Gesangstimmen im Chor, die sich leicht wieder von den Liedtexten ablösen liessen. Im 3M Labor besorgte er sich den besagten Kleber und trug ein wenig davon auf kleine Zettel auf. Danach erprobte er die haftenden Zettel in den Lied texten und legte den Grundstein zum Erfolg. Er versandte Muster seiner„Erfindung“ als ablösbares Lesezeichen an die Verantwort-lichen bei 3M. Diese nutzten die Zettel allerdings, um Kollegen kleine Nachrichten zu hinterlassen. Daraus entwickelte sich die eigentliche Grundidee der späteren Post-It’s.

Im Produkttest stellte sich heraus, dass der Nutzer erst durch den tatsächlichen Umgang mit dem Produkt von dessen Nut-zen überzeugt wurde. Eine Kleinstadt in Idaho/USA, Boise mit Namen, wurde von der massiven Vertriebspower des 3M Kon-zerns eingenommen – alle Banken, Geschäfte und Unterneh-men bekamen das Produkt vorgeführt, Samples wurden überall

verteilt. Diese Strategie war so erfolgreich, dass in den 80er Jahre die Post-it Haftnotizen in allen Staaten der USA auf den Markt kamen. Heute sind 3M Post-It’s unter den Top Ten der erfolg-reichsten Büroprodukte und demonstrieren, wie aus einem missglückten Experiment doch noch eine bahnbrechende Inno-vation hervorgehen kann.

Dieses Beispiel zeigt gleich drei entscheidende Optimierungs-potenziale im Innovationsmanagement auf:

Erstens zahlt sich hinsichtlich der Innovationskultur die offene Nutzung von Forschungsergebnissen, auch von nicht erfolg-reichen, aus. Dies alleine birgt schon ein ungeahntes Potenzial vor dem Hintergrund, dass kommunizierte Fehler zukünftig wiederholte Fehler vermeiden helfen. Zweitens prägt die Un-terstützung von Innovationsaktivitäten Einzelner die gesamte Innovationsphilosophie. Wer sollte adressierte Kunden und Märkte besser kennen als die eigenen Mitarbeiter? Dies schafft nicht jedes Unternehmen. Und drittens gibt es im Bereich der Prozessinnovationen Optimierungspotenzial. Die Prozesse, im Beispiel der Vertrieb, richten sich an der Innovation aus, nicht umgekehrt. Vielfach wird doch die Fragestellung, ob das Pro-dukt so ins Sortiment passt, mehr beachtet als die Frage, ob das Produkt zum Kunden passt.

Das zweite Beispiel ist eher auf alle Innovationsmanagent-Ty-pen zugeschnitten und beschreibt einen Ansatz, um sich in ei-ner bestehenden Prozesslandschaft Luft zu verschaffen. Bei der Beobachtung von Prozesslandschaften in Unternehmen fallen zwei Dinge besonders auf: Zum einen laufen einmal installierte Prozesse, genauso wie Subventionen, immer weiter. Zum ande-ren mündet eine Optimierung der Prozesse eigentlich immer in eine höhere Komplexität. Zur Lösung dieser Problemstellung kann ein Greenfield-Ansatz herangezogen werden, der sich aus dem nachfolgenden architektonischen Beispiel auch gut in die prozessuale Wirklichkeit übertragen lässt.

Beim Bau eines neuen Campus auf der grünen Wiese lautet der übliche Plan, die Wege zwischen den einzelnen Gebäuden im Vorfeld anzulegen. Dabei wird der Verlauf der Wege, ihre Breite und vieles mehr festgelegt. Eventuell kommen später noch zu-sätzliche Wege hinzu, es bilden sich spontane Wege. Allerdings bleibt das ursprüngliche Wegesystem weiter bestehen, nicht ge-nutzte Wege werden nicht zurück gebaut.

Eine andere Herangehensweise ist, die Gebäude erst einmal alle auf einer Wiese anzulegen. Nach einer definierten Zeit kann man sehen, wo sich sinnvolle Wege entwickelt haben und an-hand der Nutzung auch die notwendige Breite für das Anlegen von Wegen ermessen.

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Feldherrentaktik

Ähnlich kann man auch mit Prozessen verfahren, die nichts anderes sind als Wege zwischen verschiedenen Handelnden in einem Unternehmen. Dabei muss nicht zwingend auf alle Prozesse verzichtet werden – dies ist schon aus Sicht des Con-trollings kaum möglich. Es reicht aus, die zentralen Prozesse beizubehalten und aus der spontanen Prozessbildung als Unter-nehmen zu lernen.

Im dritten Beispiel ist ein Innovationsmanager vom Schlage eines Alexander-der-Große-Typus in der Lage, eine Organisati-on in der Organisation zu bilden. Dabei ist er stark genug, um diesen Prozess in der Hand zu behalten. Das Beispiel orientiert sich an den „Skunk works“, einem Synonym für spezialisierte Entwicklungsteams, die autark mit minimierten Schnittstellen zu anderen Unternehmensbereichen arbeiten. Der Ausdruck „Skunk Works“ entstand beim amerikanischen Flugzeugbauer Lockheed Aircraft während des Zweiten Weltkriegs. Der Ein-satz deutscher düsengetriebener Kampfflugzeuge veranlasste das amerikanische Militär, den Flugzeugbauer Lockheed um Ent-wicklungshilfe zu bitten.

Lockheed reagierte schnell mit einem geheimen Entwicklungs-team, das völlig abgeschottet und nur auf die Aufgabe konzen-triert arbeiten konnte. Die Mitarbeiter im Projekt durften nicht einmal ihre Abteilung anderen preisgeben. Der Name dieser Organisationsform entstammt einem Firmennamen aus einem weit verbreiteten Comic, „Skonk Works“. Daraus entwickelte sich bei Lockheed für diese Entwicklungsabteilung der Name „Skunk Works“ (deutsch: Stinktierwerk), da der Begriff aus dem Comic rechtlich geschützt war.

Lockheed hatte Erfolg mit dieser Art von Entwicklungsteams. Der erste amerikanische Düsenjäger wurde genauso entwickelt wie diverse Spionageflugzeuge in der Folgezeit. Mittlerweile wird das Erfolgsrezept in vielen Branchen genutzt. Vor allem Technologieunternehmen wie beispielsweise Apple, IBM, Com-paq und 3M setzten Skunk Works bewusst als Entwicklungs-beschleuniger ein. Skunk Works entstehen dabei nicht zwangs-läufig unter aller höchster Protektion, sondern oftmals auch ohne Auftrag im Unternehmen. Dabei bilden sich verschwo-rene produktorientierte Teams, die sich aus technologischen und marktorientierten Spezialisten zusammensetzen. In vielen Branchen entstanden in Arbeitsgruppen, die nach dem Skunk Works-Prinzip zusammenarbeiten, bemerkenswerte Erfolgsge-schichten, wie beispielsweise die Bluetooth-Technologie.

Nach einer Studie der Stockholm School of Entrepreneurship lohnt sich der Einsatz von Skunk Works vor allem bei Unter-nehmen, die durch Bürokratie und Hierarchie sonst nicht in der Lage sind, dem Tempo des Marktes zu folgen.

Markus Buchwald ist Senior Consultant in der Gruppe Sales & Distribution. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeiten liegt auf Innovationsmanagement, Triple Play sowie der Entwicklung von Geschäftsmodellen und Business Cases. Während der vergangenen neun Jahre hat er diese Themen als Projektmanager in umfangreichen Beratungsprojekten erfolgreich entwickelt und umgesetzt.

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Clemens Aumann berät seit 2001 IT- und Telekommunikationsunternehmen weltweit. Schwerpunkt seiner Managementberatung ist die Vermarktung von IT- und Telekommunikationsleistungen. Er unterstützt seine Kunden so-wohl bei der Optimierung ihrer Marktbearbeitung als auch bei wegweisenden Strategie entwicklungen. Aktuell liegt sein Augenmerk auf der Entwicklung von VoIP Strategien für Mobilfunkanbieter und von Vertriebsstrategien für Next Generation Networks.

[email protected]

Jan Steglich ist als Berater bei Detecon Inc. in San Francisco tätig und Mitglied des Center of Excellence ‚Mobile Internet’. Zuvor war er nach einem interna-tionalen Wirtschaftsstudium an der Leopold-Franzens Universität Innsbruck für ein Cloud Computing / Software-as-a-Service (SaaS) Start-Up im Silicon Valley im Einsatz. Er setzt sich als Berater schwerpunktmäßig mit den Themen Cloud Computing, Best Practices für das Produkt/Services Launch Manage-ment, wie auch mit innovativen Strategien für Telkos der Zukunft auseinander.

[email protected]

Alle drei Beispiele zeigen auf, wie man durch ein optimales Zusammenspiel zwischen den handelnden Innovatoren im Un-ternehmen und abgestimmten Maßnahmen verhältnismäßig schnell das Innovationsmanagement radikal beeinflussen kann.

Auch wenn nicht jeder Leser gelbe Zettel erfindet, Spionage-flugzeuge baut oder das Wegenetz neu plant, werden Sie sich vielleicht die Frage gestellt haben, ob Sie eher der Lee-, Hanni-bal- oder Alexander-Typ sind. Hierin liegt auch der Sinn dieser Vorgehensweise: das Erkennen der eigenen organisatorischen Spannweite. Auf die Erkenntnis folgt die Ausübung und es gilt, auf der Basis der eigenen Möglichkeiten erfolgsoptimierende Maßnahmen durchzuführen.

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