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DIE „OSCAR“- GEWINNERIN beeindruckt mit ihrer enormen Bandbreite Jennifer Lawrence PORTRÄT Kinder ins Kino! Wie Hitchcock das Horror-Genre neu erfand Vor 50 Jahren kam sein spannendes Meisterwerk ins Kino Filme prägen fürs ganze Leben. Ein Plädoyer Hitchcocks „Die Vögel“ 44 Alle Filme im TV vom 16. bis 29. März Seiten Extra-Heft Die „Berlinale“ 2013 NaCHLESE € 4,50 www.filmdienst.de 66. Jahrgang 14. März 2013 6|2013 FILM DIENST Das Magazin für Kino und Filmkultur ++ JEREMY IRONS +++ PHILIPP BUDWEG +++ NICOLETTE KREBITZ +++ QUENTIN TARANTINO ++ 4 194963 604507 06

FILMDIENST 6/2013

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Inahlt, Ausgewählte Artikel & Kritiken, AlfredhHitchcock

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DIE „OSCAR“-GEWINNERIN

beeindruckt mitihrer enormen

Bandbreite

Jennifer LawrencePORTRÄT

KinderinsKino!

•Wie Hitchcock dasHorror-Genre neu erfand•Vor 50 Jahren kam seinspannendes Meisterwerk ins Kino

Filme prägenfürs ganze Leben.Ein Plädoyer

Hitchcocks„Die Vögel“

44Alle Filme

im TV vom 16. bis29. März

SeitenExtra-Heft

Die„Berlinale“

2013

NaCHLESE

€ 4,50www.filmdienst.de66. Jahrgang14. März 2013

6|2013

Kinder

€ 4,50 www.fi lmdienst.de66. Jahrgang14. März 2013

6|2013FILMDIENST

Das Magazin für Kinound Filmkultur

++ JEREMY IRONS +++ PHILIPP BUDWEG +++ NICOLETTE KREBITZ +++ QUENTIN TARANTINO ++

4 1 9 4 9 6 3 6 0 4 5 0 7

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Filmdienst 6 | 20134

Die „Berlinale“ ist vorbei - doch viele Filme harren ihrer Entdeckung. S. 28

10LandsCHaFtMit VÖgELDie B-Movies der 1950er-Jahre strotz-ten nur so vor monströsen Tieren - vonder Riesenspinne „Tarantula“ über „DieFliege“ bis zur „Wespenfrau“. Doch waswäre, wenn sich das Harmlose plötzlichin das Böse verwandeln würde, ohneseine Gestalt zu ändern? HitchchocksAntwort: „Die Vögel“ (1963). Ein Film,der das Horrorgenre revolutionierte.Von Daniel Kothenschulte

15staunEn & LaCHEnKurzfilme sind kleine Meisterwerke,unterhaltsam, spannend, innovativ.Schade nur, dass sie so selten im Kinozu sehen sind. Galerien und Museenhaben dies längst erkannt; mancherKurzfilmer stellt seine Arbeiten deshalbeinfach ins Netz. Wie wunderbar wärees, wenn sich Kinobetreiber und Krea-tive zusammen tun würden. EinigeBeispiele aus der Praxis.Von Andrea Dittgen

alle filme im tVvom 16.3. bis 29.3.

das extraheft

Kino

16diE stEHauF-FrauFür ihre Rolle in „Silver Linings“ wurdeJennifer Lawrence mit dem „Oscar“ alsbeste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.Porträt einer starken Aufsteigerin.Von Kathrin Häger

20EinE PrÄgung FÜrs LEBEnKinderfilm ist nicht gleich Kinderfilm.Davon kann der Produzent PhilippBudweg ein Lied singen. Er kämpft fürinnovative Stoffe. Ein Interview.Von Horst Peter Koll

26iHrEr sPraCHE BErauBtEin neues Buch versammelt Doku-mente und Briefe zum amerikanischenExil deutscher Filmschaffender.Von Volker Baer

Akteure

Franz Everschorbemängelt Holly-

woods „männliches“Klischeedenken

Wader Wecker Vater LandMusik-Dokumentation

16.3. 3sat

Die MissionHistoriendrama

18.3. HR

Das Fenster zum Hof | Krimi24.3. ZDF

Wader Wecker Vater Land Zwei Liedermacher im Post-68er-Trauma [16.3. 3sAt]

Die Mission Robert De Niro als Jesuitenpater bei den Indios

[18.3. Hr FernseHen]

Departed Fulminantes Gangsterdrama von Martin Scorsese

[23.3. rBB FernseHen]

8 0 . 0 0 0 F i l m - K r i t i k e n u n t e r w w w . f i l m d i e n s t . d e

IM TV

Sonderbeilage

16.–29.3.2013

FILMZWEI HINREISSENDE SCHURK

EN

23.3. ARD

DER MANN DER ZUVIEL WUSSTE

17.3. ZDF

ARRIETTY

29.3. ZDF

PULP FICTION

28.3. VOX v

FISH TANK

22.3. EinsFestival

DON CAMILLO UND PEPPONE

16.3. ARD

DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA

26.3. mdr

DAS FENSTER ZUM HOF

24.3. ZDF

44 Seiten Extra-Heft: Alle Filme im TV

FilmDieNST 6 | 2013„ein Blick in die Weltbeweist, dassHorror nichts anderesist als realität.“Alfred Hitchcock

frauen müssenum jedefilm-regie

kämpfen

Filmdienst 6 | 2013 5

38 3096 Tage [28.2.]46 Bardsongs [14.3.]39 Die Croods [21.3.]46 Gegenwart [7.3.]49 Hai-Alarm am Müggelsee [14.3.]41 Hitchcock [14.3.]43 Imaginaerium [18.3.]46 Immer Ärger mit 40 [14.3.]46 Kon-Tiki [14.3.]

43 Eine Liebe fürs Leben [21.3.]47 Der Mondmann [14.3.]43 Ein Mordsteam [21.3.]44 Der Nächste, bitte! [21.3.]

43 Ostwind [21.3.]44 Paradies: Glaube [21.3.]48 Paulista [14.3.]43 Rubinrot [14.3.]46 Song for Marion [14.3.]40 Sofia‘s last Ambulance

[14.3.]42 Spring Breakers

[21.3.]47 The Best Offer

[21.3.]

s.47dEr MOndMann[stArt 14.3.]

Kinder ins Kino! S. 20

ruBriKEnEditorial 3Inhalt 4Magazin 6E-Mail aus Hollywood 27Im Kino mit ... 50Vorschau 51+ TV-Beilage

im März startet der zweite teilvon ulrich seidls „Paradies“-trilogie: „Paradies: glaube“.Ein herausforderndes werk.auffällig ist überdies die hoheZahl an Kinder- und Jugend-filmen, die in den nächstenwochen starten.

s.46BardsOngs[stArt 14.3.]

+ aLLE starttErMinE

Neue Filme

27KEinE rEgissEurinnEnFrauen müssen um jede Filmregiekämpfen; wenn sie als Filmemache-rinnnen Erfolg haben wollen, brauchensie unabhängige Produzenten.Von Franz Everschor

28diE wELt durCH diE augEndEs KinOsBei der „Berlinale“ präsentierte sichdas aktuelle Weltkino mit vielen The-men, die im Mainstreamkino keinenPlatz haben. Eine Nachlese unsererAutoren.

34wiE in EinEM sPiEgELTeil 3 der Serie „Was ist ein guterFilm?“ Qualität hängt auch von der„Kamera-Kompetenz“ und der Suchenach glaubwürdigen Bildern ab.Von Jakobine Motz

36MagisCHEr MOMEnt„Pulp Fiction“. Zwei Killer, endlosesPalaver, literweise Blut. Ein Meisterwerkder coolen Emphase.Von Rainer Gansera

Film-Kunst

Foto

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s.42sPring BrEaKErs[stArt 21.3.]

+ Unsere Tipps für Heimkino:Neue DVDs/Blu-rays (S. 25)

Filmdienst 6 | 2013 5

47 Der Mondmann [14.3.]43 Ein Mordsteam [21.3.]44 Der Nächste, bitte! [21.3.]

43 Ostwind [21.3.]44 Paradies: Glaube [21.3.]48 Paulista [14.3.]43 Rubinrot [14.3.]46 Song for Marion [14.3.]40 Sofi a‘s last Ambulance

[14.3.]42 Spring Breakers

[21.3.]47 The Best Off er

[21.3.]

ss.47dEr MOndManndEr MOndMann[stArt 14.3.]

Kinder ins Kino! S. 20

ruBriKEnEditorial 3Inhalt 4Magazin 6E-Mail aus Hollywood 27Im Kino mit ... 50Vorschau 51+ TV-Beilage

Bei der „Berlinale“ präsentierte sich das aktuelle Weltkino mit vielen The-men, die im Mainstreamkino keinen Platz haben. Eine Nachlese unserer

wiE in EinEM sPiEgELTeil 3 der Serie „Was ist ein guter Film?“ Qualität hängt auch von der „Kamera-Kompetenz“ und der Suche nach glaubwürdigen Bildern ab.Von Jakobine Motz

MagisCHEr MOMEnt„Pulp Fiction“. Zwei Killer, endloses Palaver, literweise Blut. Ein Meisterwerk der coolen Emphase. Von Rainer Gansera

[stArt 21.3.stArt 21.3.stArt 21.3.]

s. 45 untEr MEnsCHEn [21.3.]Ein Dokumentarfilm von Christian Rost

der Filmkommission

eMPfehlung

Wortgewandter JungstarAuch ein Stolperer konnte Jennifer Lawrence auf

ihrem Weg zum „Oscar“ nicht aufhalten.

Filmdienst 6 | 201310

„IneinerDokumentationwurdedasAusgangsmaterialvonGottgeschaffen.ImfiktionalenFilm istderRegisseureinGott:ErmussLebenerschaffen.“alfred Hitchock, im interviewmit françois truffaut(„Mr. Hitchcock, wie habensie das gemacht?“)

Filmdienst 6 | 2013 11

LandschaftmitVögeln

Am 28. März jährt siedie Premiere von

„Die Vögel“ zum 50.Mal. Von seinemSchrecken hat derFilm nichts verloren.Wie Alfred Hitchcockdas Horror-Genrerevolutionierte.

lfred HitchcocksErfolgskarrierehatte ihre eige-

ne Tragik. Unter zwei Dingen litt der„Master of Suspense“ besonders: dasser sich wie Cary Grant fühlte – aber wieAlfred Hitchcock aussah. Und dassniemand in Hollywood Anstaltenmachte, ihn als Künstler anzuerkennen.Dieses Trauma löste sich erst, als er dieVerehrung seines jungen KollegenFrançois Truffaut erlebte, der im Au-gust 1962 nach Hollywood reiste, umihn für sein legendäres Filmbuch „Mr.Hitchcock, wie haben Sie das ge-macht?“ zu interviewen. Da hatte„Hitch“ gerade die Dreharbeiten seines

technisch anspruchsvollsten Filmsabgeschlossen, der wie viele andereseiner Meisterwerke Filmgeschichteschreiben sollte: „Die Vögel“.Inzwischen ist „Die Vögel“ 50 Jahre alt.Trotzdem ist der Film ein bis heuteselten erreichtes Vorbild an Realismusim fantastischen Kino, im Katastro-phen- wie auch im Monsterfilm. Truf-fauts eigener Science-Fiction-Thriller„Fahrenheit 451“, der vier Jahre nach„Die Vögel“ entstand, scheint von sei-ner ebenso beklemmenden wie sach-lichen Stimmung inspiriert. Mittlerweilekann man Truffauts Filmbuch-Beststel-ler nicht nur lesen, sondern auch hören:Die Tonbänder des Interviews sind freiim Internet zugänglich. Und wie so

ebenso beklemmenderwie sachlicher Horror

AVon Daniel Kothenschulte

A

KiNOHitchcock

Filmdienst 6 | 201312

vieles in Hitchcocks Werk haben sienicht nur ihre Faszination behalten,sondern – erschlossen durch die mo-dernen Medien – noch weitere Facet-ten hinzugewonnen.Man hört, wie Truffaut seine Eindrückeunmittelbar nach der Privatvorführungeiner vorläufigen Fassung von „DieVögel“ noch bündeln muss, dochHitchcock überfällt ihn geradezu mitdem Stolz auf die erreichten Raffines-sen. Auf die „neue elektronische Musik

aus Deutschland“ zum Beispiel, dieTruffaut gar nicht aufgefallen war:Komponiert und eingespielt auf einemneuartigen Instrument, dem Trautoni-um von Remi Gussman und Oskar Sala,ersetzt sie die Vogelstimmen und un-termalt den Horror in der KlangspracheNeuer Musik. Oder einen Regieeinfallaus Stummfilmtagen, einen Live-Musi-ker auf dem Set: Ein Schlagzeugerhatte höchst wirkungsvoll zur Verunsi-cherung der Darsteller in jener Szenebeigetragen, in der sie, in einem Hausverschanzt, den Angriff der Vögel er-warten. Noch dreieinhalb Jahrzehntespäter wird die Hauptdarstellerin TippiHedren im abendfüllenden „Makingof“-Dokumentarfilm (zu finden auf derDVD- und Blu-ray-Edition zu „Die Vö-

gel“) über die aufreibende Wirkungdieser Lärmattacken klagen. Wie im-mer ahnt man als Zuschauer nichtsvom Aufwand hinter dem Ergebnis.Und wie immer ist das Vergnügen imNachhinein noch größer, wenn mandarüber weiß.Heute spricht Tippi Hedren noch of-fener über die Schrecken der Drehar-beiten. Etwa die Szene, in der sie alleineinen Dachboden voller Vögel betritt,bei denen es sich nicht, wie abgespro-chen, um mechanische Nachbildungenhandelte. „Jeder hatte mich belogen.Erst am Drehtag kam ein Regieassi-stent auf mich zu und sagte, die me-chanischen Vögel hätten nicht funktio-niert, also hätte man echte beschaffenmüssen“, erzählte die heute 83-Jährigeim Dezember 2012 gegenüber dem„Daily Telegraph“. Die Tortur, bei derHitchcock nur selten persönlich anwe-send war, dauerte eine Woche. Als einArzt die körperlich und seelisch ver-letzte Debütantin krank schrieb, muss-ten die Dreharbeiten unterbrochenwerden. „Hitchcock sagte: ‚Sie kannsich nicht ausruhen, wir haben nie-mand sonst für die Rolle.‘ Der Doktorentgegnete: ‚Was haben Sie denn vor?Versuchen Sie, sie umzubringen?‘“Zuletzt behandelte Sasha Gervasis’Bio-Pic „Hitchcock“ die Dreharbeiten

„Die Vögelrepräsentierenalles, waswirnicht verste-hen und nichtkontrollierenkönnen.“

Bitte füllen XextexxxBlindtesre Mchexx

KiNO Hitchcock

Ein fulminantes Beispielfür Hitchcocks Genie im

Spannungsaufbau:Hinter dem Rücken von

Tippi Hedrens Figurbraut sich wirkungsvoll

das Unheil in Gestaltder Vögel zusammen.

robin Wood (in der dokumen-tation „alles über ‚the Birds‘“)

KiNO

Filmdienst 6 | 2013 13

von Hitchcocks Film „Psycho“ (ab 14.3im Kino), doch die Darstellung derTitelfigur durch Anthony Hopkins wirktgeradezu verklärend. Die Produktionvon „Die Vögel“ und dem Folgefilm„Marnie“ (1964) steht im Mittelpunkteines besseren, wenn auch deutlichkritischeren Spielfilms über AlfredHitchcock: In der HBO-Fernsehproduk-tion „The Girl“ (Regie: Julian Gerald, inGroßbritannien gerade auf DVD er-schienen) geht es um das von dauer-

hafter sexueller Belästigung geprägteVerhältnis Hitchcocks zu seiner Entde-ckung Tippi Hedren: „Damals gab eskeine Gesetze dagegen, aber wäre esmir heute passiert, wäre ich reich anEntschädigung.“ Lange hatte Hedrendarüber geschwiegen. Noch 1999 ließsie sich von der Produktionsfirma Uni-versal engagieren, um beim Filmfesti-val Locarno eine restaurierte Fassungvon „Die Vögel“ vorzustellen und ver-zierte Autogramme mit Vogelbildern.

Mehr Horrorfilm als Thriller, hat „DieVögel“ so viele Nachahmer gefunden,dass man leicht übersehen kann, wieneuartig die Kombination von Genre-Elementen auf das Premierenpublikumvor 50 Jahren gewirkt haben muss.Schon in seinem vorausgegangenenThriller „Psycho“ hatte Hitchcock Stil-mittel des B-Films der Autokinos auf-genommen und dabei die „Exploitati-on“, das Spekulative, ins Künstlerischeüberhöht. Nun nahm er eine Kurzge-schichte der britischen Bestseller-Au-torin Daphne du Maurier, deren Roman„Rebecca“ Hitchcock 1940 verfilmthatte, zum Anlass, weiter ins Horror-Genre vorzudringen.Das B-Kino der 1950er-Jahre strotztenur so von monströsen Tieren – vonder Riesenspinne „Tarantula“ über die„Fliege“ bis zur „Wespenfrau“. Dochwas wäre, wenn sich das Harmloseplötzlich ins Böse verkehrte, ohne da-bei seine Gestalt zu verändern? Wasgeschähe, wenn sich die friedlicheAllgegenwart der Vögel plötzlich ge-gen eine Menschheit richtete, die

endlich im richtigen format

schattenseiten desregie-Großmeisters

Der Schrecken war echt:Für den Dreh der legen-

därenDachboden-Attacke der

Vögel schickteHitchcock seine Haupt-darstellerin durch ein

wahres Martyrium.

Auf den bisherigen DVD-Editionenvon „Die Vögel“ war ein beschnit-tenes 4:3-Format zu sehen. Dieneue Blu-ray (Universal) bietet dasoriginale Breitwand-Format(1.85:1).

Filmdienst 6 | 201314

er öffnet sich dem Unerklärlichen undÜbernatürlichen. Fast möchte man in„Die Vögel“ einen Gegenentwurf zuden Tier- und Märchenfilmen WaltDisneys sehen: Wie waren Schneewitt-chen, Cinderella und Dornröschen dieVögel zu Diensten gewesen? Tatsäch-lich wäre Hitchcocks Film ohne dasDisney-Studio nicht zu realisieren ge-wesen: Jeden Tag wurden die Aufnah-men dorthin geschickt, wo sie derTrickspezialist Ub Iwerks bearbeitete.Die Kombination von Tier- und Schau-spieleraufnahmen entstand nach demgleichen Prinzip, nach dem auch Dis-ney seine „composite shots“ kreierte:Dort arbeitete man nicht mit Blue-Screens, sondern mit gelben Sodium-lampen. So gab es keine störendenFarbränder beim Extrahieren der Kom-ponenten.Der Aufstand der Vögel bot in der vomExistenzialismus geprägten Nach-kriegskultur ein reiches Interpretations-potenzial: War er Ausdruck des ZornGottes nach den Verbrechen zweierWeltkriege? Oder im Gegenteil einBeleg für eine gottverlassene Schöp-fung? Drehbuchautor Evan Hunter, dersich weit von der Vorlage entfernte,verhandelt diese Fragen in einer ein-drucksvollen Szene, die in einem Dinerspielt. Angesichts der Attacken derVögel, die sie durch die Glasfenster

beobachten, debattieren die „Einge-schlossenen“ über die apokalyptischenZeichen – während vor ihren Augeneine Tankstelle explodiert und sich dieProtagonistin mit knapper Not in eineTelefonzelle flüchtet. Erst jetzt, in Re-aktion auf die Verschwörung der Natur,kommt Hitchcocks Interesse an derPsychologie zum Tragen. Melanie, dievon Tippi Hedren gespielte Protagonis-tin, wächst in der Not über sich hinaus,verliert ihre Selbstbezogenheit undentdeckt schließlich ihre Liebesfähig-keit. Aufatmen kann man mit den Dar-stellern allerdings erst bei der Schluss-einstellung: einem Sonnenaufgang mitKrähen.

Genrekino mitphilosophischer Untiefe

KiNO Hitchcock

Universal bietet in einerCollection auf 14 Blu-rayszahlreiche MeisterwerkeHitchcocks. Das Ergebnisüberzeugt mehr als allebislang erschienenen DVD-Editionen.„Marnie“ und „Die Vögel“können endlich im richtigenBreitwandformat genossenwerden. Außerdem ist esnun möglich, die HD-Ab-tastung, die Farben, Kon-traste und Kadragen, sprich:die Bilder insgesamt neu zuentdecken. Die hohe Bild-qualität lässt zwar dieKünstlichkeit der Matte-Paintings und der Rückpro-

jektionen klarer zutagetreten – insgesamt aberprofitiert der Filmgenuss.Bedauerlich ist nur, dass dieBlu-ray von „Topas“ (1969)nur eine gekürzte Fassung

enthält. Außerdem ist esunpraktisch, dass die Filmenur als Paket zu haben sind:Bis auf „Psycho“ gibt eskeine Einzelausgaben derFilme. jög

Hitchcock:die Blu-ray-Collection

Jahrtausende lang Hähnchenschen-kel und Hühnereier verzehrte – ohneeinen Anflug von schlechtem Gewis-sen? Zwar enthält sich die Filmerzäh-lung um eine junge Frau, die sich nachdem Erwerb zweier Singvögel denAngriffen mordlustiger Vögel ausge-setzt sieht, die eine malerische nordka-lifornische Kleinstadt terrorisieren, der

Moralisierung. Doch in den Trailern, dieHitchcock im Stil seiner Fernsehmode-rationen inszeniert, sinniert der Meisteroffen über die Fragen von Huhn und Ei– und beklagt mit treuem Blick diemenschlichen Missetaten am Feder-vieh. Schließlich muss sich das Publi-kum selbst schuldig fühlen am Unheil,das es erwartet.Nach seinem erst posthum aner-kannten Meisterwerk „Vertigo“ (1958)verlässt Hitchcock in „Die Vögel“ aber-mals die sicheren Gefilde eines psycho-logischen Unterbaus, mit dem seineThriller Maßstäbe gesetzt hatten. Und

seitenhieb aufmenschliche Untaten

Horror mittels „composite shot“Wie ein Trickspezialist der Disney-Studios Hitchockdabei half, Tippi Hedren mittels Rückprojektionaufs Wasser zu bringen, erfährt man in der Dokumentation

„Alles über ‚The Birds“ (siehe unten).

Hitchcock

HiTCHCOCK-„COlleCTiON“14 Blu-rays in Acryl-Box und Buch, mit Schmuckkarten und Booklet. Filme:

„Saboteure“ (1942) „Im Schatten des Zweifels“ (1942) „Cocktail für eine Lei-che“ (1948) „Das Fenster zum Hof“ (1954) „Immer Ärger mit Harry“ (1955),

„Der Mann, der zu viel wusste“ (1955) „Vertigo (1958),,Psycho“ (1960), „DieVögel“ (1963,), „Marnie“ (1964), „Der zerrissene Vorhang“ (1966), „Topas“(1969), „Frenzy“ (1972), „Familiengrab“ (1976). Anbieter: Universal

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eihe Scope | USA 2012

regie: Sascha GervasiBuch: John J. McLaughlin,Stephen RebelloKamera: Jeff Cronenweth

Musik: Danny Elfman

darsteller: Anthony Hopkins (AlfredHitchcock), Helen Mirren (Alma Re-ville), Scarlett Johansson (JanetLeigh), Danny Huston (Whitfield

Cook), Toni Colette (Peggy Robert-son), Michael Wincott (Ed Gein), Jes-sica Biel (Vera Miles), James D’Arcy(Anthony Perkins)

Länge: 98 Min.

fsK: ab 12; fVerleih: Twentieth Century Fox

Kinostart 14.3.2013fd-Kritik: 41 588

Handwerk InHalt darsteller

ein bisschen Glück beimgemeinsamen Überarbeiteneines Drehbuchs mit Hitch-cocks ehemaligem Co-AutorWhitfield Cook zu finden.Weshalb bei den Hitchcocksdie Zeichen bald auf Sturmstehen. Der umso heftigerbläst, als der reale Serienkil-ler Ed Grein, auf dem BlocksRoman „Psycho“ fußt, demRegisseur in gruseligenVisionen erscheint. Dassnicht nur Whitfield ohneAlmas Hilfe keinen Pfennigwert ist, sondern auch Hitch-cock selbst, muss der Mei-sterregisseur bald einsehenund vor allem auch zugeben.Diese späte Hymne auf diestarke Frau hinter dem er-folgreichen Mann im Ram-penlicht ist denn auch dasganz persönliche Anliegeneines Films, der mit all sei-nen kleinen Anspielungenauf Hitchcocks Werk undWirken zu mehr wird als zueinem Film über einen Film-dreh. In dieser Beziehungverläuft Sacha GervasisPorträt ohnehin wesentlichglatter als seine fiktiv nach-gestellten Chaos-Dreharbei-ten am Set von „Psycho“:Die Besetzung der nam-haften Schauspieler der

Ein dicker Mann tänzeltdurchs Foyer. Durch diegeschlossene Tür des Kino-saals dringt das Aufjaulender Streicher und das Ge-schrei des Publikums. DerFilm „Psycho“ ist bei seinerberüchtigten „Duschszene“angelangt – und aus dem

„Meister des Suspense“, dersich gerade schelmisch überden Horror freut, ist ein

„Dirigent des Schreckens“ ge-worden.Man schreibt das Jahr 1960,als Alfred Hitchcock nach

„Der unsichtbare Dritte“ undweiteren 45 Filmen bereitseinige Nachahmer seinerdüsteren Thriller ausge-macht hat. „Hitchcock“ er-zählt von dieser Zeit desUmbruchs in der Karriereeines großen Mannes, dieder Film an zwei Faktorenfestmacht: dem Filmstoff,der Hitchcock mit RobertBlochs gleichnamigem Ro-man in die Hände fiel; undseiner Ehefrau, der Dreh-buchautorin und CutterinAlma Reville, die ihrem Mann

Vergangenheit ist genausogelungen wie Anthony Hop-kins‘ Darstellung des Aus-nahmeregisseurs. Mit schie-rer Freude am Mimikryverschränkt Hopkins dieArme über dem gewaltigenVorbau, geht ins Doppelkinnund wendet sich mit aufge-schürzten Lippen direkt andie Zuschauer. Spitzfindigversucht Hopkins’ Hitch sichdurch die Zensur des Hays-Codes zu winden oder denVerleih anzukurbeln, indemer Sicherheitspersonal for-dert, falls Zuschauer Amoklaufen. Hier wird nicht zu-letzt auch vom Kampf fürkünstlerische Freiheit undgegen den finanziellen Ruineines scharfsinnigen Onkelserzählt, der eher liebenswertverfressen als anzüglichmanipulativ erscheint. DasHerz dieses Ausstattungs-Kinos schlägt dabei ohnehinfür Hitchs Liebesbeziehungzu Alma, für die kleinenKabbeleien und die verlet-zende Eifersucht – was fürSacha Gervasis Hofknicksvor Hitchcocks Filmen eben-so gilt wie für den von Hitchvor seiner Frau Alma – kei-ner Vertragsblondine.

Keine VertragsblondineWie Hitchcock den Horror entdeckte

hitchcocK [14.3.]

und seinen Filmen immerden Rücken stärkte.

„Was wäre, wenn jemandwirklich Gutes einen Horror-film machen würde?“ Dasfragt Hitchcock seine FrauAlma, die seinen Spleen fürden blutigen Stoff von „Psy-cho“ ungefähr so „erfreulich“findet wie die Vertreter derParamount-Studios und dieZensoren. Hitchcock stößtauf Kopfschütteln und leereHände, so dass er das ge-meinsame Haus verpfändenmuss, um „Psycho“ auf eige-ne Faust zu finanzieren. Dieprekären Szenen machendie Dreharbeiten zum Klein-krieg der Details, während

„Hitchs“ Privatleben in einenKalten Krieg abrutscht. Erunterhalte kleine Fantasie-Affären mit seinen „Vertrags-blondinen“. So schimpftAlma, die sich nach GraceKelly nun mit Janet Leighkonfrontiert sieht und vonden „Spleens“ ihres Mannesendgültig die Nase voll hat.Unter Hitchs misstrauischemBlick versucht Alma, selbst

Kathrin Häger

Als Alfred Hitchcock der Roman „Psycho“ in die Hände fällt, will er denStoff gegen alle Widerstände adaptieren. Seine Frau Alma unterstütztihn dabei, obwohl Hitchcock den Film aus eigener Tasche finanzierenmuss und es auch um ihre Ehe nicht zum Besten bestellt ist. Eine Hom-mage an Hitchcock und seine Art des Filmeerzählens, wobei sich dieanekdekotenreiche Verbeugung als späte Hymne auf Alma Revilleerweist. Eine von starken Darstellern und einer anspielungsreichenInszenierung getragene Ausstattungskomödie. – Ab 14.

BeWertung der fiLMKoMission