8
03 2010 SONNABEND / SONNTAG, 16. / 17. JANUAR 2010 E s war diesmal gar nicht so schlimm. Das sind ja sonst immer Tage wie in Zeitlupe. Wochen wie Kaugummi, die sich endlos hinziehen. Zähe Strecken ohne Struktur. Ohne die Ver- lässlichkeit eines Spielplans in wirren Zeiten. Ohne fieberhafte Vorfreude und fulminanten Schlussakkord. Ohne Gänsehaut und Nach- spielzeit. Ohne kindliche Freude am Absurden und erlaubtes Herausschleudern von Belei- digungen: „Pfeif endlich ab, du Vogel!“ Nee, da war diesmal gar kein richtiges Loch, das den hässlichen Namen Winterpause trägt und die Zeit meint, in der das Leben im Grunde völlig sinnlos ist. Sogar gute Freunde heucheln in dieser Winterpause, in der der Winter ja gar keine Pause hat, Interesse bei Diskussionen über gierige Banker oder Nacktscanner. Lächerliche Versuche der Teilhabe sind das, anstatt ernsthaft zu erörtern, warum die Zahl der Auswärtssiege in der Hinrunde mit 31 Prozent einen noch nie da gewesenen Höchststand erreicht hat. Sie nicken betroffen, wenn ein gestylter Schanzenviertel- Single beim Sonntags-Brunch mit Sektkelch in der Hand über den Niedergang des Sozialstaats referiert. Und würden viel lieber über die niedliche Krabbelgruppe von Hertha-Trainer Funkel lästern. Das ist mal ein Niedergang, der den Namen auch verdient. Sie tun so, als würden sie sich über das Wachstumsbeschleunigungs- gesetz ereifern. Welch grandioses Schauspiel um eine, zugegeben, gran- diose Namenserfindung, bei der man sich unweigerlich fragt, warum es in Deutschland noch kein Nurnochzwölfschülerproklasse-Gesetz gibt. Aber das nur am (Spielfeld-)Rande. Trübe Tage sind das jedenfalls, in denen wir auf Entzug sind. Weil der Ball nicht rollt. Weil am Wochenende nichts Wichtiges passiert, das dann in Tabellen und Torjägerlisten gemeißelt wird. Nichts Unerklärliches, das uns dann aber doch wieder von den immer gleichen Nasen mit den immer gleichen Phrasen erklärt wird. „Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen.“ Ja, wo waren die denn? Nicht, dass an der kürzesten Winterpause seit 30 Jahren irgendetwas auszusetzen wäre. Im Gegenteil. Die verkürzte dunkle Zeit hat ja einen herrlichen Grund: die im Juni beginnende Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Die wahre GloBallisierung also, die auch Zusammenrücken meint, aber uns keine Angst macht. Außer den Engländern vielleicht, wenn es am Ende der Verlängerung immer noch keinen Sieger gibt. Die WM hat schon jetzt bei so manchem Kreativen zu erheblichen Aussetzern geführt. So schoss der Blanvalet Verlag in München (na ja!) ein klassisches Eigentor, als er sich unter dem Motto „Nicht schon wieder Fußball“ für den Sommer eine großflächige Werbeaktion ausgedacht hat. Das „Antifußballpaket“ mit zwölf (hä?) Weltklasse-Büchern. Da werden Charlotte Link und Karin Slaughter gegen Ballack und Boateng in Posi- tion gebracht, als wenn nicht beides nebeneinander funktionieren wür- de. Aber warum sollten Marketing-Menschen aus dem Literaturbetrieb auch etwas von Magie verstehen. Von Eleganz und Schönheit, Dribblings und Schüssen aus dem Hinterhalt. Von dem ewigen Versuch, das Unbe- rechenbare zu berechnen, und dem wiederkehrenden Wahnsinn, wenn Dinge passieren, die eigentlich gar nicht passieren können. Von artisti- scher Körperbeherrschung, um brutalsten Attacken auszuweichen, und perfekter Domestizierung eines widerspenstigen Spielgeräts, welches in höchstem Tempo auf engstem Raum ausschließlich mit den Füßen bear- beitet werden darf. Womit wir in Hamburg wären. Es dürfte keine deutsche Stadt geben, in der die Fans die naive Weltflucht, genannt: Rückrundenbeginn, sehn- licher erwartet haben. Zwar haben auch München, Berlin und Frankfurt zwei Teams in Liga eins und zwei, aber nur im Norden können die An- hänger noch von Aufstieg und Titeln, wichtig: Plural, träumen. Beginnen wir mit der Nummer eins im Norden. Beim HSV ist Erstaun- liches zu vermelden. Wenn sie in anderen Bundesliga-Stadien ihre Jungs „kämpfen sehen“ wollen, wäre es im Stadion am Volkspark angebracht gewesen zu singen: „Wir woll’n euch tanzen sehen.“ Das sagt alles über den neuen Stil der Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia, die unauf- hörlich nach vorne stürmt und mit Zé Roberto und Eljero Elia zwei Ak- teure hat, bei denen es immer so aussieht, als würden sie mit Ball am Fuß noch schneller werden, als sie es ohnehin schon sind. Da es sich, wie auch bei Labbadia, bei dem geschmeidigen Brasilianer und dem Turbo-Niederländer um Neuverpflichtungen handelt, fragt man sich fassungslos, wieso sie beim HSV seit Monaten auf einen Sport- chef verzichten? Das wäre genauso arrogant, als hätten sie vom ersten Spieltag an ohne Frank Rost im Tor gespielt. Motto: Dessen bisschen Ar- beit können ja die Innenverteidiger gleich noch mit erledigen. Aber das hat jetzt wieder was mit Kurzsichtigkeit, Eigeninteressen und nachhal- tigem Wirtschaften zu tun. Und warum sollten sie in Hamburg hinkrie- gen, was sie auch in Kopenhagen nicht geschafft haben. Andererseits leistet sich nicht einmal der Klub, der fälschlicherweise immer noch der „etwas andere Profiverein“ genannt wird, den Luxus, ohne einen Sportchef auskommen zu wollen. Auch beim FC St. Pauli sind die Anhänger aus dem Staunen oft nicht heraus gekommen. Und auch hier ist mit Holger Stanislawski ein Trainer am Werk, der den ursprüng- lichen Sinn des Spiels begriffen hat. Im Zweifel lieber Spektakel statt Sicherheit. Und so ist es gut möglich, dass Anfang Mai zwei große Fußballpartys in der Stadt gefeiert werden. Und wenn viele meinen, man kann als Ham- burger nur einen von beiden lieben, ist das natürlich Blödsinn. Zum Mit- schreiben: Man kann als richtiger Hamburger sehr gut mit beiden Profi- teams fiebern. Das mag genetisch bedingt sein, aber das würde hier zu weit führen. Das mag mit Block E in der Westkurve und „You’ll never walk alone“ am Millerntor zu tun haben. Oder mit Happel und Ippig, Uwe und Schlangen-Franz, Didi und Didi, Hermann und St.-Pauli-Willi – weil, zum Glück, Personen ja immer noch wichtiger sind als Institutionen. Und es liegt wohl auch daran, dass man von klein auf nicht mit roten Hosen oder braunem Trikot aufgelaufen ist – sondern in Blau-Gelb an der Hoheluft mitten in Eimsbüttel. Für den SC Victoria beginnt die Rückrunde übrigens erst am 7. Februar. Und die Zweite von Vicky star- tet sogar noch eine Woche später am 14. Februar um 15 Uhr am Grand- weg gegen Eppendorf / Groß Borstel 1. – Dort darf man dann auch allen Ernstes von einer Winterpause sprechen. S. 4/5 – Die Arena-Akte: Blicke hinter die Kulissen des HSV- Stadions. Plus: Daten & Fakten. Stadtleben: Reit-Show Apassionata Stadtgespräch: HSV-Vorstand Katja Kraus Titel-Thema: Geheimnisse der HSH Nordbank Arena Lokal-Termin: Orientalisches im „Saliba“ Gestern & Heute: Uwe Seeler & Co. am Rothenbaum Kolumne: Mischke gibt auf die Mütze Der Fußball rollt nach der kürzesten Winterpause seit 30 Jahren wieder in der Bundesliga. Der WM sei Dank. Besonders beim HSV und FC St. Pauli dürfen sich die Fans auf die Rückrunde freuen. JAN HAARMEYER über magische Momente und Titelträume. Frage des Herzens

Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

032010

SONNABEND / SONNTAG, 16. / 17. JANUAR 2010

E s war diesmal gar nicht so schlimm. Das sind ja sonst immer Tage wie in Zeitlupe. Wochen wie Kaugummi, die sich endlos hinziehen. Zähe Strecken ohne Struktur. Ohne die Ver-lässlichkeit eines Spielplans in wirren Zeiten. Ohne fieberhafte Vorfreude und fulminanten Schlussakkord. Ohne Gänsehaut und Nach-spielzeit. Ohne kindliche Freude am Absurden und erlaubtes Herausschleudern von Belei-

digungen: „Pfeif endlich ab, du Vogel!“ Nee, da war diesmal gar kein richtiges Loch, das den hässlichen Namen Winterpause trägt und die Zeit meint, in der das Leben im Grunde völlig sinnlos ist.

Sogar gute Freunde heucheln in dieser Winterpause, in der der Winter ja gar keine Pause hat, Interesse bei Diskussionen über gierige Banker oder Nacktscanner. Lächerliche Versuche der Teilhabe sind das, anstatt ernsthaft zu erörtern, warum die Zahl der Auswärtssiege in der Hinrunde mit 31 Prozent einen noch nie da gewesenen Höchststand erreicht hat. Sie nicken betroffen, wenn ein gestylter Schanzenviertel-Single beim Sonntags-Brunch mit Sektkelch in der Hand über den Niedergang des Sozialstaats referiert. Und würden viel lieber über die niedliche Krabbelgruppe von Hertha-Trainer Funkel lästern. Das ist mal ein Niedergang, der den Namen auch verdient.

Sie tun so, als würden sie sich über das Wachstumsbeschleunigungs-gesetz ereifern. Welch grandioses Schauspiel um eine, zugegeben, gran-diose Namenserfindung, bei der man sich unweigerlich fragt, warum es in Deutschland noch kein Nurnochzwölfschülerproklasse-Gesetz gibt. Aber das nur am (Spielfeld-)Rande.

Trübe Tage sind das jedenfalls, in denen wir auf Entzug sind. Weil der Ball nicht rollt. Weil am Wochenende nichts Wichtiges passiert, das dann in Tabellen und Torjägerlisten gemeißelt wird. Nichts Unerklärliches, das uns dann aber doch wieder von den immer gleichen Nasen mit den immer gleichen Phrasen erklärt wird. „Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen.“ Ja, wo waren die denn?

Nicht, dass an der kürzesten Winterpause seit 30 Jahren irgendetwas auszusetzen wäre. Im Gegenteil. Die verkürzte dunkle Zeit hat ja einen herrlichen Grund: die im Juni beginnende Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Die wahre GloBallisierung also, die auch Zusammenrücken meint, aber uns keine Angst macht. Außer den Engländern vielleicht, wenn es am Ende der Verlängerung immer noch keinen Sieger gibt.

Die WM hat schon jetzt bei so manchem Kreativen zu erheblichen Aussetzern geführt. So schoss der Blanvalet Verlag in München (na ja!) ein klassisches Eigentor, als er sich unter dem Motto „Nicht schon wieder Fußball“ für den Sommer eine großflächige Werbeaktion ausgedacht hat. Das „Antifußballpaket“ mit zwölf (hä?) Weltklasse-Büchern. Da werden Charlotte Link und Karin Slaughter gegen Ballack und Boateng in Posi-tion gebracht, als wenn nicht beides nebeneinander funktionieren wür-

de. Aber warum sollten Marketing-Menschen aus dem Literaturbetrieb auch etwas von Magie verstehen. Von Eleganz und Schönheit, Dribblings und Schüssen aus dem Hinterhalt. Von dem ewigen Versuch, das Unbe-rechenbare zu berechnen, und dem wiederkehrenden Wahnsinn, wenn Dinge passieren, die eigentlich gar nicht passieren können. Von artisti-scher Körperbeherrschung, um brutalsten Attacken auszuweichen, und perfekter Domestizierung eines widerspenstigen Spielgeräts, welches in höchstem Tempo auf engstem Raum ausschließlich mit den Füßen bear-beitet werden darf.

Womit wir in Hamburg wären. Es dürfte keine deutsche Stadt geben, in der die Fans die naive Weltflucht, genannt: Rückrundenbeginn, sehn-licher erwartet haben. Zwar haben auch München, Berlin und Frankfurt zwei Teams in Liga eins und zwei, aber nur im Norden können die An-hänger noch von Aufstieg und Titeln, wichtig: Plural, träumen.

Beginnen wir mit der Nummer eins im Norden. Beim HSV ist Erstaun-liches zu vermelden. Wenn sie in anderen Bundesliga-Stadien ihre Jungs „kämpfen sehen“ wollen, wäre es im Stadion am Volkspark angebracht gewesen zu singen: „Wir woll’n euch tanzen sehen.“ Das sagt alles über den neuen Stil der Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia, die unauf-hörlich nach vorne stürmt und mit Zé Roberto und Eljero Elia zwei Ak-teure hat, bei denen es immer so aussieht, als würden sie mit Ball am Fuß noch schneller werden, als sie es ohnehin schon sind.

Da es sich, wie auch bei Labbadia, bei dem geschmeidigen Brasilianer und dem Turbo-Niederländer um Neuverpflichtungen handelt, fragt man sich fassungslos, wieso sie beim HSV seit Monaten auf einen Sport-chef verzichten? Das wäre genauso arrogant, als hätten sie vom ersten Spieltag an ohne Frank Rost im Tor gespielt. Motto: Dessen bisschen Ar-beit können ja die Innenverteidiger gleich noch mit erledigen. Aber das hat jetzt wieder was mit Kurzsichtigkeit, Eigeninteressen und nachhal-tigem Wirtschaften zu tun. Und warum sollten sie in Hamburg hinkrie-gen, was sie auch in Kopenhagen nicht geschafft haben.

Andererseits leistet sich nicht einmal der Klub, der fälschlicherweise immer noch der „etwas andere Profiverein“ genannt wird, den Luxus, ohne einen Sportchef auskommen zu wollen. Auch beim FC St. Pauli sind die Anhänger aus dem Staunen oft nicht heraus gekommen. Und auch hier ist mit Holger Stanislawski ein Trainer am Werk, der den ursprüng-lichen Sinn des Spiels begriffen hat. Im Zweifel lieber Spektakel statt Sicherheit.

Und so ist es gut möglich, dass Anfang Mai zwei große Fußballpartys in der Stadt gefeiert werden. Und wenn viele meinen, man kann als Ham-burger nur einen von beiden lieben, ist das natürlich Blödsinn. Zum Mit-schreiben: Man kann als richtiger Hamburger sehr gut mit beiden Profi-teams fiebern. Das mag genetisch bedingt sein, aber das würde hier zu weit führen. Das mag mit Block E in der Westkurve und „You’ll never walk alone“ am Millerntor zu tun haben. Oder mit Happel und Ippig, Uwe und Schlangen-Franz, Didi und Didi, Hermann und St.-Pauli-Willi – weil, zum Glück, Personen ja immer noch wichtiger sind als Institutionen.

Und es liegt wohl auch daran, dass man von klein auf nicht mit roten Hosen oder braunem Trikot aufgelaufen ist – sondern in Blau-Gelb an der Hoheluft mitten in Eimsbüttel. Für den SC Victoria beginnt die Rückrunde übrigens erst am 7. Februar. Und die Zweite von Vicky star-tet sogar noch eine Woche später am 14. Februar um 15 Uhr am Grand-weg gegen Eppendorf / Groß Borstel 1. – Dort darf man dann auch allen Ernstes von einer Winterpause sprechen.

S. 4/5 – Die Arena-Akte: Blicke hinter die Kulissen des HSV-Stadions. Plus: Daten & Fakten.

Stadtleben: Reit-Show Apassionata › Stadtgespräch: HSV-Vorstand Katja Kraus › Titel-Thema: Geheimnisse der HSH Nordbank ArenaLokal-Termin: Orientalisches im „Saliba“ › Gestern & Heute: Uwe Seeler & Co. am Rothenbaum › Kolumne: Mischke gibt auf die Mütze

Der Fußball rollt nach der kürzesten Winterpause seit 30 Jahren wieder in der Bundesliga. Der WM sei Dank.Besonders beim HSV und FC St. Pauli dürfen sich die Fans auf die Rückrunde freuen. JAN HAARMEYER über magische Momente und Titelträume.

Frage des Herzens

Page 2: Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

Elbe

Ilmenau-Kanal

Hoopte

Stöckte

Winsen (Luhe)

Tönnhausen

EggerslustLassrönne

NaturschutzgebietZollenspieker Elbmarsch

1 kmDBS

1

2

3

5 6

4FF

7

Leidenschaft für rassige Vierbeiner ist nicht unbedingt pubertierenden Teenagern vorbe-halten. Mit über 600�000 Besuchern jährlich

ist „Apassionata“ Europas erfolgreichste Pferdeshow und an diesem Wochenende zu Gast in der Color Line Arena. In der zweistündigen Gala, die seit 2002 durch Deutschland tourt, sind die edelsten Pferde der Welt zu bestaunen: temperamentvolle Araber und Andalu-sier, Lusitanos, traditionelle Stierkampfpferde, Per-cherons, elegante Kaltblüter aus der Nähe von Paris und imposante Friesen, die sich überraschenderwei-se in einer feurigen Tangonummer präsentieren.

Im Mittelpunkt steht die Begegnung zwischen Mensch und Pferd: perfekte Reitkunst zu mitreißen-den Beats. Reiterin Sylvie Willms beschreibt die Be-ziehung zwischen Ross und Reiter: „Aus der jahrelan-gen Zusammenarbeit mit den Pferden ist eine enge Freundschaft geworden. Mein Lieblingspferd, der Lusitano Litador, war zu Beginn der Show sehr scheu und mochte kein Publikum. Heute machen ihn die Auftritte richtig glücklich – und mich auch.“

Die 31-jährige Belgierin ist einer der Stars in der Manege. Ihre Spezialität: höchste Dressurlektionen ohne Zaumzeug. Ihre Freiheitsdressur, bei der sie von einer Ballade begleitet auf einem Meer von Nebelwol-

Winsen an der Luhe liegt dazwischen – zwischen Hamburg und Lüneburg,zwischen Marsch und Heide. Die freundliche Kreisstadt drängt sich nicht in den Vordergrund, dabei hat sie einiges zu bieten: traditionelle und dabei sehr lebendige Feste, leckere kleine Fische und viel Kultur.

Im Winter wird Faslam gefeiert – dieser Brauch hat sich im Landkreis Harburg bis heute gehalten. Rund um Winsen an der Luhe lebt diese dörfliche Tradition noch, bei der einst Mägde und Knechte schnorrend und lärmend über die Höfe zogen. Winsen als Stadt hat keinen eigenen Faslam, dafür aber die Ortsteile Stöckte und Hoopte. Der karnevalsähnliche Stöckter Festumzug führt durch die Winsener Innenstadt.Im Jahr 1158 wurde das kleine Städtchen an der Luhe erstmalig urkundlich erwähnt,die von den Landesfürsten errichtete Wasserburg 1299. Herzogin Dorothea bezog das Schloss Ende des 16. Jahrhunderts, nachdem sie es vorher umgestaltet hatte. Win-sen ist eine sympathische, aber trotz des Schlosses keine prächtige Stadt. Die wirt-schaftliche Basis war lange Zeit die Landwirtschaft, die Ackerbürger lebten in niedri-gen Häusern, die dicht an dicht mit dem Giebel zur Straße standen. Heute verbindet die knapp 34 000 Einwohner zählende Kreisstadt des Landkreises Harburg Natur und Kultur. Im historischen Marstall gibt es ein Museum für Stadtgeschichte, durch Winsen und die Parkanlagen der Landesgartenschau 2006 schlängelt sich die Luhe,einer der saubersten Flüsse Deutschlands, und auf dem Obsthof Lehmbeck wird dreimal im Jahr die Scheune zum Konzert- und Theatersaal. Ab Mitte Februar lockt ein besonderer kulinarischer Genuss: Der Stint, ein kleiner Lachsfisch, zieht die Elbe hinauf – und landet in den großen Pfannen der Landgasthäuser. Gegessen wird er mit den Händen und mitsamt Gräten und Schwanzflosse. Sehr rustikal, aber köstlich!

TIPPS & TERMINE

1 WINSENER SCHLOSS Das Wahrzeichen der Stadt entstand vermutlich um 1230. Im 16. Jahrhundert ließ Herzogin Dorothea, Tochter des dänischen Königs Christian III., die Wasserburg neu errichten und bezog sie als Witwenresidenz. Nach dem Tod der Herzogin 1617 wurde das Schloss Verwaltungssitz. Heute hat das Amtsgericht hier seinen Sitz. Die Schlosskapelle steht für Veranstaltungen zur Verfügung – und hier kann man heiraten.» Schlossplatz 3, www.amtsgericht-winsen.de

2 MUSEUM IM MARSTALL Im ehemaligen Pferdestall des Schlosses wird die Stadtgeschichte vorgestellt. Im Erdgeschoss des Fachwerkgebäudes von 1599 geht es um die Schriftsteller der Stadt sowie um Papierherstellung, Bleisatz und Buchdruck. Die historische Elbmarschkultur wird in den oberen Stockwerken leben-dig: Mit Werkstätten (Lohgerber, Blaufärber, Bäcker, Schuster, Sattler), Trachten und Möbeln. Auch die Stadtarchäologie ist hier zu finden.» Museum im Marstall, Schloßplatz 11, Öffnungszeiten: Di–So 10–18 Uhr.

3 ECKERMANN-DENKMAL „Eckermann ist vorzüglich die Ursache, dass ich den Faust fortsetze,“ schrieb Goethe über seinen Freund und Gehilfen Johann Peter Eckermann, der 1792 in der Marktstraße in Winsen geboren wurde. Eckermann wuchs als Kind eines Hausierers in ärmlichen Verhältnissen auf und gelangte über viele Stationen nach Weimar, wo er Goethes Vertrauter wurde. Sein Buch „Gesprä-che mit Goethe“ ist ein maßgebliches Werk der Literaturgeschichte.» Eckermann-Denkmal, Kirchplatz.

4 VÖGEL BEOBACHTEN IN DER WINSENER MARSCH Die Elbmarsch ist ein Paradies für Hobby-Ornithologen. Auf den Abbauflächen der Kleientnahmestelle nördlich des Drennhäuser Hinterdeichs sind große Flachgewässer entstanden. Vom Aussichtspunkt kann man hier viele seltene Wasser- und Watvögel beobachten.» „Wat- und Wasservögel an der Kleientnahme in der Winsener Marsch“, NABU,So, 28. März, 8 Uhr, Treffpunkt: Parkplatz Schweinemarkt, Kreuzung Altstadt-ring/Tönnhäuser Weg in Winsen, www.nabu-winsen-luhe.de/veranstaltungen.html

5 STINT ESSEN IN „GRUBE’S FISCHERHÜTTE“ Ab Mitte Februar bis ca. Mitte April zieht der kleine Lachsfisch die Elbe hinauf. Dann hat „Grube’s Fischerhütte“ Hochsaison. Elbfischer Wilhelm Grube brät die frisch gefangenen Stinte persönlich in riesigen Pfannen, dazu gibt’s Bratkartoffeln – alles natürlich zum Sattessen: eine eigenwillige Mischung aus Skihütte, Oktoberfest und Sylt-Feeling.» Grube’s Fischerhütte, Hoopter Elbdeich 32, 21423 Winsen/Luhe-Hoopte,Tel. 04171/60 18 50, www.grubes-fischerhuette.de

6 FASLAM FEIERN Faslam ist ein alter norddeutscher Brauch, der vor allem im Landkreis Harburg gefeiert wird. Um die Wintersonnenwende zogen die Mägde und Knechte von Hof zu Hof, um mit bunten Verkleidungen und viel Lärm den Winter zu vertreiben. Dafür verlangten sie einen kleinen Obolus – und dann wurde gefeiert.Geschnorrt wird heute immer noch, die „Faslamsbrüder“ sind junge Dörfler. Gefeiert wird mit Buddelversteigerung, Kindermaskerade, Lumpenball und Festumzug.» Stöckter Faslam, 3.–17.2., am 14.2. Festumzug durch die Winsener Innenstadt,weitere Termine unter www.faslamsbrueder-stoeckte.de» Hoopter Faslam, 29.1.–1.2., www.hoopter-faslam.deDie Bälle finden jeweils in Sievers Gasthaus, Hoopter Elbdeich 11, statt.

7 LANDKULT – KULTUR AUF DEM OBSTHOF LEHMBECK An drei Wochenenden im Jahr bietet der Obsthof Lehmbeck ein Forum für Profi- und Laienkünstler der Region. Sabine Lehmbeck stellt ein unterhaltsames und anspruchsvolles Programm mit Konzerten und Theateraufführungen zusammen, es gibt Ausstellungen,Büchertische und Lesungen. Beim Familien-Landkult fährt der Apfelexpress zur Geschichtenleserin in die Plantage. Im Café gibt es selbstgebackenen Kuchen.» Landkult, z.B. 21.–25. April mit dem Duo Fjarill, Impro-Theater „Steife Brise“ u.a. Obsthof Lehmbeck, Hoopter Elbdeich 41, 21423 Winsen/Luhe-Hoopte,Tel. 04171/2519, www.obsthof-lehmbeck.de

INFOS Tourist Information Winsener Elbmarsch, Schloßplatz 11 – im Marstall,21423 Winsen/Luhe, Tel. 04171/66 80 75, Öffnungszeiten: Mo–Fr 10–13 u.14–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr, [email protected]

Das Fest beginnt:Kosake Orlov Traber auf ukrainischem Warmblut.FOTO: APASSIONATA

Service» Lucia di Lammermoor, Ham-burgische Staatsoper. Nur noch Restkarten für die Premiere am 17.Januar (18 Uhr). Weitere Vorstel-lungen am 20., 23., 27. und 30.1.sowie am 2. und 6.2. (jeweils 19.30 Uhr). Karten telefonisch unter 040 / 35 68 68 und im Internet unter www.staatsoper-hamburg.de

Rasante EleganzDas Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde. Oder auf den Zuschauerrängen der Color Line Arena. Bei „Apassionata“ zeigen die akrobatischen Reiter Kunststücke mit eleganten Pferden, frechen Ponys, witzigen Eseln – und einer Rampensau.

TEXT: VERA ALTROCK

Auf nach Winsen

Ein düsterer Paukenwirbel eröffnet eine Wahn-sinnsoper – eine Schicksalsgeschichte im schottischen Hochland, die so tragisch endet

wie die von Romeo und Julia. Hintertriebene Liebe zwischen Lucia und Edgardo – Angehörigen der ver-feindeten Ashtons und Ravenwoods – stürzt die Titel-figur in Wahn und Tod; Lucias Geliebter endet ver-zweifelt im Selbstmord. Das Libretto zu Gaetano Do-nizettis „Lucia di Lammermoor“ entstand nach dem Roman „The Bride of Lammermoor“ von Walter Scott (hierzulande besser bekannt als Autor von „Ivanhoe“). In Neapel, 1835 – auf dem Höhepunkt der Epoche des Belcanto – im großartigen Teatro San Carlo uraufge-führt, wurde diese Oper in wenigen Jahren in ganz Europa das, was man heute einen Mega-Hit nennt.

Das ist sie immer noch – denn sie bietet tief drama-tische, tief anrührende Musik, die selbst Top-Sänge-rinnen und Sänger dicht an die Grenzen des Könnens führt. Im Belcanto wird den Vokalisten ein Maximum an Technik abverlangt, für ein Maximum an stimm-schönem und hochemotionalem Ausdruck: der lange Atem fürs Legato und fürs Auf- und Abschwellen der Lautstärke sowie mühelose Hochpräzision für viele Auszierungen, die sich aber nicht als seelenleere Leis-

Sopranistin Ha Young Leein der Rolle der Lucia in Donizettis Opern-Klassiker.FOTO: BRINKHOFF-MOEGENBURG

Winsens Museum im Marstall.FOTO: PR, ISTOCKPHOTO

AUSFLUGGroße Feste & kleine Fische

Jan-PhilippKalla

Simone Young dirigiert am Sonntag in der Staatsoper die Premiere von „Lucia di Lammermoor“.

TEXT: HANS-JUERGEN FINK

ken reitet, ist ein Höhepunkt der Show. Die eigens da-für komponierten Lieder werden von der isländischen Sopranistin Arndis Halla gesungen und mit dem Büh-nenbild zu einer zauberhaften Kulisse verwoben.

„Zauberhafte Freiheit“ lautet auch der Titel der diesjährigen „Apassionata“-Show. Darin erzählt der Junge Sam (gespielt von Marius Severrisson) seine Geschichte: von seiner unbeschwerten Kindheit, die er mit Claire (Alessandra Bizzarri) zwischen freilau-fenden Pferden in der unberührten Natur eines abge-schiedenen Tals verbracht hat. Die Liebe zu den Pfer-den und zur Natur verbindet die beiden auf magische Weise. Und wie schon in „Schlaflos in Seattle“ wird aus Magie irgendwann Liebe …

So viel zur Romantik-Nummer. Aber auch witzige Show-Einlagen wie der Franzose Laurent Jahan mit seinen beiden Rodeo-Eseln „Coco“ und „Basile“ oder waghalsige Stunts der Trickreiter „Ukrainian Coss-acks“ sorgen für reichlich Action und Kinderspaß. Zwischendurch fegt Schwein Sun-Li hinter den Pfer-den durch die Manege. Somit ist auch das Erfolgsre-zept der Pferdeshow geklärt: „Apassionata“ ist Unter-haltung für die ganze Familie. Und anscheinend auch für die Tiere, wie Sylvie Willms berichtet: „Wenn die Pferde die Musik hören, sind sie ganz aufgeregt und drängen geradezu nach draußen auf die Bühne. Das ist ein Zeichen, dass es ihnen wirklich Spaß macht.“

tungsschau der Sänger verselbstständigen dürfen. Die Partie der „Lucia“ war eine der Parade-Rollen von Maria Callas. Simone Young dirigiert am Sonntag in der Staatsoper die Premiere (Regie: Sandra Leupold, Bühnenbild: Stefan Heinrichs). Sie bringt Donizettis Glanzstück in völlig ungekürzter Fassung und im ita-lienischen Original auf die Bühne. Zum Anspruch, so original wie möglich zu klingen, gehört auch die Ver-wendung der Glasharmonika, die Donizetti dabei-haben wollte, um der Wahnsinnsarie eine besondere, gespenstische Stimmung zu geben.

Ältere Opernbesucher erinnern sich vielleicht noch an frühere Hamburger Lucia-Sängerinnen: Lu-cia Popp, Joan Sutherland oder Edita Gruberová. Aber auch Simone Young freut sich auf ein Sängerfest: Die Lucia singt Ha Young Lee, die im Haus an der Dammtorstraße schon in vielen Rollen präsent war. Ihr unerreichbarer Geliebter Edgardo wird Saimir Pirgu sein. Der albanische Tenor gewann unter ande-rem den Enrico-Caruso-Wettbewerb in Mailand und ist längst wie Ha Young Lee auf den großen Bühnen der Welt zu Gast. Und Lucias Bruder Enrico Ashton wird gegeben von George Petean. Der rumänische Bariton gehört seit vielen Jahren zum Ensemble der Staatsoper und ist immer wieder Gast in London, Paris, Wien und New York.

KULTUR ERLEBEN

Glanzstück im Original

DER GRÜNE PUNKT Meisen, Rotkehlchen und andere heimische Vögel freuen sich bei Kälte und Eis über eine Extra-Mahlzeit. Unter www.nabu-hamburg.de gibt der Naturschutzbund Tipps, wie und womit man gerade auch die selteneren Vogelarten im Winter und bei Schnee richtig füttert.

STADTLEBEN

149727 Mitglieder zählt der Deutsche Fußball-Bund in Hamburg, die in 432 Vereinen mit 3331 Mannschaf-ten organisiert sind. Mädchen und Frauen haben mit 17�837 Aktiven nur einen Anteil von 12 Prozent.

Es gibt ziemlich wenig Gemeinsamkeiten zwischen Sport und Kunst; das eine absolut ergebnisorientiert, das andere am Prozess orientiert, frei und offen. Für mich besteht die einzige Parallele in der Intensität der Beschäftigung. Und ich habe meine persön-liche Befriedigung bei beidem stets aus dem gezogen, was ich tue – und nicht aus dem, was ich dafür bekomme.Rudi Kargus, 57, Torwartlegende des HSV, heute Kunstmaler

Der 23-jährige St.-Pauli-Profifreut sich auf einen freien Tag mit Freundin Claudia und Sohn Leo.

Service» Apassionata „Zauber der Frei-heit“, Color Line Arena Hamburg; Sa, 16.1., 15 u. 20 Uhr, So, 17.1.,15 Uhr; Eintritt 43 – 65 Euro, Ermä-ßigung für Kinder zwischen 5 – 12 Jahren, Schüler, Studenten, Senio-ren, Behinderte sowie Gruppen ab 10 Personen, Kinder bis einschl. 4 Jahre frei (ohne Sitzplatzanspruch);Ticket-Hotline: 01803 – 20 60 60,www.colorline-arena.com

FOTO

:PR

Sonnabend / Sonntag, 16. / 17. Januar 2010

0.01 Uhr Ein perfekter Sonntag beginnt für mich mit dem schönen Gefühl, dass wir bereits stark gespielt und drei Punkte eingefahren haben. Auch „Stani“, unser Trainer, hatte fast nichts zu meckern und hat uns freigegeben. Grundsätzlich haben sich freie Sonntage bei mir ganz schön verändert, seit ich vor fünf Monaten Papa wurde.

5.30 Uhr Eigentlich bin ich Langschläfer, doch nun macht mein Sohn Leo auf sich auf-merksam. Zum Glück küm-mert sich meist meine Freun-din Claudia so früh um den kleinen Wurm, und ich kann mich noch mal umdrehen.

8 Uhr Leo meldet sich so lautstark, dass auch für mich die Nachtruhe vorbei ist. Einer von uns beschäftigt sich dann mit ihm, der andere geht Brötchen holen. Ein ausgiebi-ges Frühstück mit Lachs und frisch gepresstem Orangen-saft gehört für mich dazu. Sich mal Zeit zu lassen, genieße ich.

10.45 Uhr Unser Kleiner will bewegt werden, bevor er einschläft. Also geht es raus an die frische Luft, damit Leo sein Nickerchen bekommt – am liebsten in den Stadtpark.

13 Uhr Nach dem opulenten Frühstück freue ich mich auch über einen leckeren Salat.

15 Uhr Ab auf die Couch. Aber nicht bis abends in der Glotze Fußball gucken! Außer-dem ist man mit dem Kleinen auch so ganz gut beschäftigt.

18 Uhr Für Leo geht’s ab ins Bett. Wenn er eingeschlafen ist, freuen Claudia und ich uns über ein bisschen Zwei-samkeit. Die kommt momen-tan etwas zu kurz

20.15 Uhr Früher wären wir jetzt gerne ins Kino ge-gangen, heute legen wir dafür eine DVD ein. Am liebsten Komödien. Dazu darf eine Pizza Western Barbecue (sehr empfehlenswert!) nach einem gewonnenen Spiel nicht fehlen.

22.30 Uhr Ich zappe etwas durch’s Fernsehen – besser nicht zu lange: Montagvor-mittag heißt es im Training wieder fit zu sein.

Mein perfekterSonntag

KART

E:GR

AFIK

ANST

ALT

› WOCHENENDE

II

Page 3: Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

Sonnabend / Sonntag, 16. / 17. Januar 2010

In derersten Reihe

MAGAZIN: Können Sie im Kino weinen?KRAUS: Selten, aber das kommt vor. Es gibt Geschich-ten, die mich sehr unmittelbar berühren. „Gegen die Wand“ war z. B. so ein Film. Dass unsere Weichen im-mer neu gestellt werden und wie nah die verschie-densten Lebensverläufe zusammenliegen, beschäf-tigt mich schon sehr.

MAGAZIN: Können Sie auch im Job bei einer Trainerent-lassung weinen?KRAUS: Ich habe bei der ersten Trainerentlassung mei-nes Berufslebens, Horst Ehrmanntraut in Frankfurt (im Dezember 1998, Anm. der Red.), tatsächlich ge-weint. Aber man arbeitet in diesem Geschäft, wenn auch auf Zeit, doch in einer enormen Intensität ge-meinsam für ein Ziel. Bei solchen Personalentschei-dungen fällt es mir schwer, den menschlichen Aspekt außen vor zu lassen, da entsteht keine Routine.

MAGAZIN: Dabei heißt es, Sie verhandeln noch härter als Bernd Hoffmann …KRAUS: Wenn es so wäre, würde ich es als Kompliment auffassen, aber ich kann das nicht bestätigen.

MAGAZIN: Sind diese Millionensummen, mit denen Sie hantieren, virtuell oder greifbar?KRAUS: Es ist unheimlich schwer, eine Balance zu fin-den. An einem Tag sitze ich mit einem Mitarbeiter aus der Administration zusammen, der mit mir über 200 Euro Gehaltserhöhung spricht, und an einem ande-ren verhandelt man über Millionen-Verträge. In die-ser Situation muss man Parallelwelten akzeptieren und auch ausblenden, wie viele Sponsorentermine nötig sind, um diese Summen wieder einzuspielen.

MAGAZIN: Wenn Sie von Ihrem Büro auf den Parkplatz der Spieler schauen, wo sich der Reichtum manifestiert – ist das wirklich verhältnismäßig?KRAUS: Wir alle geben Fußballern doch diesen Status. Wenn sie die Möglichkeit haben, finde ich es legitim, dass sie das Geld auch ausgeben. Ich würde mir zwar wünschen, sie würden achtsamer mit Werten umge-hen, aber ich kann es ihnen nicht verdenken, weil sie schon sehr jung mit Geld und Anerkennung umgehen und in einer Situation handeln, auf die sie niemand vorbereitet hat.

MAGAZIN: Im Fußball wird eben vor allem die Physis, nicht die Psyche trainiert.KRAUS: Die Persönlichkeitsentwicklung wird aus mei-ner Sicht total vernachlässigt. Ein junger Spieler, der die Ambitionen hat, Profi zu werden, braucht ebenso Begleitung wie ein Spieler, der zum Nationalspieler wird, oder einer, dessen Karriere-Ende bevorsteht. Das alles sind Einflüsse, die für viele junge Menschen schwer zu verarbeiten sind.

MAGAZIN: Sich in psychologische Betreuung auf die Couch zu begeben, ist im Profifußball …KRAUS: … ich weiß, es ist noch immer stigmatisiert. Aber es geht hier nicht nur um Krisenintervention, sondern um eine kontinuierliche Begleitung. Bei all den nach außen sichtbaren Merkmalen des Profifuß-balls wird allzu oft vergessen, dass es sich um Men-schen handelt, mit guten und schlechten Tagen und mit stabilen oder eher labilen Persönlichkeiten.

MAGAZIN: Gibt es im Fußball überhaupt noch den klas-sischen Macho?

KRAUS: Fußball ist ein Testosteron-Geschäft. Es wird schon sehr vieles über Männlichkeit und Kraft defi-niert. Die entlarvende Debatte nach dem Unglück von Robert Enke hat das deutlich gemacht. Der Umgang mit Schwäche zeigte, wie gering die Bereitschaft ist, sich solchen Themen tatsächlich zu öffnen. Jemand wie Sebastian Deisler, der sagte: „Ich bin krank, helft mir“, wird als schwach empfunden.

MAGAZIN: Sehen Sie im aktuellen Kader, wenn jemand ein Schwächeproblem hat?KRAUS: Natürlich gibt es auch in einer Mannschaft Auf-fälligkeiten. Auch bei denjenigen, von denen man glaubt, sie funktionieren. Spieler direkt darauf anzu-sprechen, ist allerdings schwer. Derjenige, der sich damit beschäftigt, sollte ständig Teil des Teams sein und wie selbstverständlich Themen aufgreifen. Man sieht oft Dinge, wie sich jemand in der Gruppe ver-hält, wie er mit Siegen oder Niederlagen umgeht, wie er isst, usw.

MAGAZIN: Wie bauen Sie Stress ab?KRAUS: Mit Walnusseis, Laufen, Rotwein, Büchern, Kino und wohlwollenden Menschen, die mir am Her-zen liegen. Aber eigentlich bin ich durch meine Zeit als Sportlerin ganz gut darin geschult, mit Druck um-zugehen und Niederlagen zu verarbeiten. Ich habe nur das Gefühl, mit zunehmender Zeit empfindlicher gegenüber den Mechanismen der Branche und der zunehmenden Maßlosigkeit zu sein.

MAGAZIN: Sie sind seit 2003 beim HSV, aber an eine län-gere Auszeit von Ihnen können wir uns nicht erinnern.KRAUS: Das stimmt, ich bin eher ein Urlaubsmuffel. Ich freue mich zwar immer aufs Wegfahren. Spätestens ab dem vierten Tag aber entwickle ich enorme Freu-de, nach Hause zurückzukommen.

MAGAZIN: Können Sie sich gar nicht komplett ausblenden aus der Informationsgesellschaft?KRAUS: Ich fürchte, zu selten. Aber ich habe da großes Glück, in meinem Job viele Dinge zu vereinbaren, die mir Herzensangelegenheiten sind. Das führt dazu, dass es keine klare Trennung zwischen Job und Pri-vatleben gibt. Deshalb freue ich mich jedes Jahr auf Weihnachten. Dann kann ich sicher sein, dass wenig passiert. Wenn ich weiß, dass am nächsten Tag eine Zeitung erscheint, versetzt mich das in eine gewisse Betriebsamkeit.

MAGAZIN: Wie viele Blätter lesen Sie denn pro Tag?KRAUS: Jeden Morgen acht Tageszeitungen, die ich in drei Stapel einteile. Einen mit HSV-Themen, den zweiten mit Themen, die wichtig für den Job sind, und den dritten mit feuilletonistischen Dingen, die mich unabhängig vom Job interessieren, zu denen ich meistens leider nicht komme.

MAGAZIN: Haben Sie im Studium gelernt, zu planen und strukturiert zu denken?KRAUS: Vielleicht. Aber vor allem habe ich bei so vielen Fußballspielen aus meinem Tor heraus Abläufe und Strategien beobachtet, dass mich das wohl eher ge-schult hat, ganzheitlich und zielgerichtet zu denken.

MAGAZIN: Hatten Sie einen Karriereplan?KRAUS: Nein. Ich habe nie angestrebt, einmal Vorstand zu sein. Als ich nach dem Abitur in den Semester-ferien Post ausgetragen habe, hat mir das auch

Fußball ist ein Testosteron-Geschäft. Die entlarvende Debatte nach dem Unglück von

Robert Enke hat das deutlich gemacht.

Lieblingsplatz vor der Leinwand: Katja Kraus besucht oft und gerne

Vorstellungen im Abaton-Kino.

Alexander Laux & Peter Wenig treffen Katja Kraus

Im großen Kino der Fußball-Bundesliga spielt die 39-Jährige als HSV-Vorstand die einzige weibliche Hauptrolle.

Kurz-Biografie» Katja Kraus wurde am 23. Novem-ber 1970 in Offenbach geboren. Von1990 bis 1996 studierte sie in Frank-furt am Main Germanistik und Politik.Beim FSV Frankfurt stand sie in 220Bundesliga-Spielen im Tor, wurdedreimal deutsche Meisterin und viermalPokalsiegerin. Mit der deutschenNationalmannschaft wurde Katja Kraus(sieben Einsätze) Vize-Weltmeisterinund Europameisterin. 1997 arbeitetesie erst als PR-Beraterin für Adidas,ehe sie das Amt der Pressesprecherinbei Eintracht Frankfurt übernahm. ImJahr 2000 wechselte sie als Leiterinder Unternehmenskommunikationzu Sportvermarkter Ufa Sports (heuteSportfive). 2003 übernahm Krausals erste Frau in Deutschland eineVorstandsposition bei einem Bundes-ligaverein – dem HSV.

Spaß gemacht. Die Dinge haben sich einfach im besten Sinne gefügt. Mein Job gibt mir die Möglich-keit, zumeist Dinge zu tun, die ich ohnehin am liebsten tue. Kommunikation, Strategie, Menschen. Und ich liebe nun mal den Fußball.

MAGAZIN: Was fasziniert Sie so daran?KRAUS: Das Spiel in seiner komplexen Einfachheit. Es gibt nichts Großartigeres, als einen Plan zu erkennen, der aufgeht. Deshalb lasse ich mir unheimlich gern vor dem Spiel vom Trainer erklären, was er vorhat. An einem Spieltag der Champions League kann ich nicht schlafen gehen, ohne die Schemata aller Partien und die Spielabläufe anzuschauen.

MAGAZIN: Ihre Eltern schienen Ihre Leidenschaft für Fußball nicht zu teilen. Sie ließen Sie mit 14 Jahren die 20 Kilometer zum Training mit dem Rad zurück-legen. Was war passiert?KRAUS: Bis zwölf durfte ich bei den Jungs spielen. Dann besorgte mein Verein mir einen falschen Spielerpass für die Frauen-Mannschaft, weil man dort erst mit 15 spielberechtigt war. Das flog dann irgendwann auf, sodass mein Verein Strafe zahlen musste und ich ge-sperrt wurde. Also wollte ich in der nächstgelegenen Mädchen-Mannschaft spielen. Da war der FSV Frank-furt einfach die beste Wahl. Aber meine Eltern fan-den es immer furchtbar, dass ich Fußball spielte. Sie haben gesagt: Frankfurt? Auf gar keinen Fall. Dann musste ich das alleine bewältigen.

MAGAZIN: Seit 1997, nach dem Ende Ihrer aktiven Kar-riere, standen Sie nie mehr im Tor. Warum so radikal?KRAUS: Das ist wohl mein binäres System: ganz oder gar nicht. Ich habe auf einem relativ hohen Niveau gespielt, das wäre heute nicht mehr möglich. Also lasse ich es lieber.

MAGAZIN: Lag Ihnen die Torwart-Position besonders?KRAUS: Ich war und bin Mannschaftssportlerin, ich brauchte aber auch Raum für meine Individualität und war bereit, Verantwortung zu übernehmen – auch wenn sie mitunter eine Last war.

MAGAZIN: Wie sind Sie mit Fehlern umgegangen?KRAUS: Schlecht. Früher gab es für mich keine un-haltbaren Tore, und ich habe die Fehler in vielen schlaflosen Nächten bei mir gesucht. Inzwischen habe ich – übertragen auf meinen Job-Alltag – ge-lernt, dass es durchaus unhaltbare Tore gibt.

MAGAZIN: Sind Sie mit Ihrer Art nicht in der falschen Branche? Im Fußball ist alles ja nur bedingt planbar.KRAUS: Das macht doch die Faszination aus. Ich könnte für nichts anderes in dieser Art und Weise stehen und mir auch nicht vorstellen, für einen anderen Fußball-verein zu arbeiten. Ich kann nicht sagen, der HSV ist ein einzigartiger Verein, und morgen sage ich: Dort-mund ist aber auch toll.

MAGAZIN: Frau Kraus, wäre ihre HSV-Geschichte ein Film, wie hieße dann der Titel?KATJA KRAUS: Eigentlich findet man den Titel erst, wenn das Drehbuch zu Ende geschrieben ist. Ich bin ja noch mittendrin.

MAGAZIN: Was verbinden Sie mit Kino?KRAUS: Ein gut gemachter Film ist für mich bestmögli-che Entspannung. Ich mag es, zwei Stunden in einer anderen Welt zu sein, und lasse mir gerne Geschich-ten erzählen.

MAGAZIN: Haben Sie einen festen Platz?KRAUS: Ja, am Rand. Wie übrigens auch im Flieger. Ist wahrscheinlich ein Fluchtimpuls …

MAGAZIN: Im Kino können Sie sich berauschen lassen. Ein Kontrast zum Berufsleben?KRAUS: Weniger. Ich mag keine Märchenfilme oder Science-Fiction, sondern Geschichten, die das Leben erzählt. Ein gut gemachter Film mit tollen Schauspie-lern, glaubwürdigen und überraschenden Drehbü-chern ist ein kleines Kunstwerk. Einem James Bond, der in der normalen Welt nach zehn Minuten viermal gestorben wäre, kann ich nichts abgewinnen.

FOTO: THOMAS LEIDIG

S chlichte Stuhlreihen mit samtblauen Bezügen vor einer großen Leinwand – so sieht sie aus, die zweite, sonst verborgene Welt der Katja Kraus. Im Abaton, ihrem

absoluten Lieblingskino im Universitäts-viertel, lässt sie sich regelmäßig spannen-de Geschichten vom Leben erzählen und sich für ihren anstrengenden Job inspi-rieren – den Vorstandsposten beim HSV. Noch häufiger trifft man sie an der Alster – jeden Tag läuft Katja Kraus 15 Kilome-ter – ihr festes Ritual. Grundsätzlich sind Wiederholungen aber nicht ihr Ding. Es ist ganz einfach, sie zu langweilen. Von ihr geschätzte eine Million Mal ist sie gefragt worden, wie es so ist als Frau unter Män-nern oder wie sie zum Fußball gekommen ist. Schließlich spielt die 39-Jährige die einzige weibliche Hauptrolle im großen Kino Fußball-Bundesliga. Als Unikum oder Exotin betrachtet sich die frühere Torfrau, die es bis in die deutsche Natio-nalmannschaft brachte und Europa-meisterin wurde, aber längst nicht mehr, sondern als Teil eines Systems. Eines bestens funktionierenden übrigens. Seit ihrem Amtsbeginn hat Katja Kraus zusammen mit dem Vorsitzenden Bernd Hoffmann nicht nur beständig den HSV in den Europapokal geführt, sondern auch zahlreiche strukturelle Projekte auf den Weg gebracht. In den Schlagzeilen oder diversen Kommunikationsplattfor-men wie Facebook sucht man Katja Kraus hingegen vergeblich. Die Internet-Domä-ne KatjaKraus.de ist noch immer frei verfügbar. Der Beruf, beim HSV ist sie für Kommunikation und Marketing zustän-dig, hat noch nicht auf ihr Privatleben abgefärbt. An virtueller Scheinwelt wie im Kino hat Katja Kraus im wahren Leben eben wenig Interesse: „Ich brauche es fühlbar und präsent.“

› STADTGESPRÄCH

III

Page 4: Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

Meistens ausverkauft undeine regelmäßigePilgerstätte für 57000Fußball-Fans.In derHSHNordbankArena arbeiten anHSV-Spieltagenbis zu1800Menschen.Ein Blick hinter die Kulissenund in verborgeneRäumediesesbesonderenBauwerks.

FOTO

S:PA

TRIC

KPI

EL(9

),KL

AUS

BOD

IG,B

ON

GA

RTS/

GET

TYIM

AGES

,MA

RCEL

OH

ERN

AN

DEZ

,WIT

TERS

5. EBENE

PolizeiAuf den Monitoren in die-

sem Raum laufen keine Spiel-szenen. Hier kümmert sich die Polizei, hoch oben in der Haupttribüne, um die Sicher-heit der Menschen – und ge-währt erstmals einen Einblick hinter die sonst kategorisch verschlossene Tür. „Wir koor-dinieren von hier aus den Ein-satz der Polizei in ganz Ham-burg“, erklärt Einsatzleiter Morten Struve. Dabei be�nden

sich die Beamten per Funk und Telefon in engem Austausch mit der Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz), die für anrei-sende Fans zuständig ist. Mittels eigenen Kameras werden die sicherheitsrelevanten Bereiche observiert und per Videoanaly-se ausgewertet. Das Material ist gerade bei Ausschreitungen und dem möglichen Verhängen von Stadionverboten wichtig.

DieArena-AkteTEXT:ALEXANDER LAUX• ILLUSTRATION:KLAUS LEHNHARDT

DAS GEHEIMNIS DER FORMDass das HSV-Stadion als eines der schönsten in Deutschland gilt, verdankt es Architekt Manfred O. Steuerwald, der einen Grundriss entwarf, der einer lang gestreckten Ellipse entspricht. Kein Tri-bünenteil ist gerade! Die gute Sicht er-gibt sich aus den Höhenunterschieden der Tribünenstufen: A-Rang (34 cm), B-Rang (51 cm), C-Rang (68 cm). Die Uefa verlieh der Arena 2004 fünf Sterne.

ZAHLEN DES BAUWERKS7000 Tonnen Pro�lstahl wurden in den Tribünen verbaut. Das Seiltragewerk an den 65 Meter hohen Pylonen ist 460 Tonnen schwer, die Seile 17,2 Kilometer lang. Die Dachmembrane (Polyesterfa-sergewebe) haben eine Gesamt�äche von 35 000 m2. Die Grund�äche des Stadions beträgt 50 000 m2, der um-baute Raum 200 000 Kubikmeter.57 000 Besucher �nden Platz, davon 10 000 Stehplätze. Rund 10 000 Park-plätze stehen zur Verfügung.

NAME-WECHSEL-DICH Im Sommer erhält das Stadion bereits seinen dritten Namen: Imtech löst die HSH Nordbank ab und zahlt für die kom-menden sechs Jahre 25 Millionen Euro.Als erster Bundesligaklub vermarktete der HSV sein Namensrecht an AOL.

JOB-MASCHINE HSV60 Menschen sind in der Geschäftsstelle des HSV tätig, 54 Angestellte und drei Auszubildende arbeiten für die Arena KG.11,3 Millionen Euro standen letzte Saison an Gehältern und Aufwendungen in der Bilanz. Für Vermarkter Sport�ve sind zwölf Mitarbeiter im Team HSV tätig. An Spieltagen steigt die Zahl der Beschäf-tigten durch den Ordnungsdienst und das Servicepersonal auf 1800 Personen an.

RENT THE ARENABei Bedarf vermietet der HSV auch sein ganzes Stadion. Der Preis für eine Kon-zertveranstaltung liegt je nach Aufwand bei 100 000 bis 150 000 Euro. Wer es behaglicher mag: Eine Tagesmiete für eine Zehn-Personen-Loge inklusive Verp�egung, Beamer, Leinwand und Flipchart beträgt 626 Euro zzgl. Mwst.Der Logenraum Süd (396 m2) kostet 3380 Euro/Tag plus Verp�egung.

PARTY FÜR JUNG UND ALTFür einen Pauschalbetrag von 130 Euro für acht Kinder (jedes weitere Kind 13 Euro) richtet der HSV eine dreistündige Geburtstagsparty aus. Für Sechs- bis 15-Jährige werden Stadion-Tour, Tor-wandschießen, Verp�egung in der „Rau-te“, ein Geschenk fürs Geburtstagskind,Überraschungstüten für jeden Gast so-wie ein Ka�ee für eine Begleitperson angeboten. Das „Dino-Starter-Paket“ für Kids ab vier Jahren kostet ab sechs Kinder 85 Euro. Aber auch Erwachsene können ihre Party ausrichten (18,87 Euro p.P.). Kontakt-Tel. 41 55 15 50.

GASTRONOMIE350 lfd. M. Theken für Fastfood, 1000 m2 VIP-Gastronomie und 1000 m2 für ö�entliche Restaurants („Raute“).

EINMAL VIP SEIN8925 Euro kostet ein Sitzplatz in Block 4A der Haupttribüne für 17 Bundesliga-Heimspiele, wenn Sie Mitglied der exklu-siven Platin Lounge sein möchten. Dafür gibt es u.a. einen VIP-Parkausweis pro zwei gebuchter Business-Sitze, eine Kennzeichnung der Außenplätze durch das Unternehmenslogo, das auch am Sponsorenboard in der Lounge hängt,Catering am reservierten Unterneh-menstisch, Einladung zu HSV-Events.

MUSEUM & STADIONTOURTäglich von 10 bis 19 Uhr ist das HSV-Museum geö�net, an Spieltagen nur für Stadionbesucher. Preise: 6 Euro (Erw.),14 Euro für Familien. Werktags dreimal (13, 15, 17 Uhr) bietet der HSV Stadion-touren an, am Wochenende viermal (auch 11 Uhr). Preise: 8 Euro (Erw.). So-gar Jahreskarten (20 Euro) fürs Muse-um gibt es. Nach Absprache Rundgänge für Gehörlose in Gebärdensprache.

ENERGIE VON NEBENANSeine Energie bezieht der HSV direkt vonder Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor. Die Abwärme, die beim Verfeuern des Mülls entsteht, gelangt über ein Fernwärmenetz direkt zum Stadion.266 Scheinwerfer sorgen für die richtige Ausleuchtung. Der Energieverbrauch an einem Spieltag liegt im Winter bei rund 30 MWh – dem täglichen Verbrauch ei-ner Großstadt. Ab nächster Saison liefert„entega“ CO2 -freie Stromversorgung.

NORDTRIBÜNE

Lotto King KarlSie ist ein Höhepunkt jeder Partie, eine echte Per-

le – die HSV-Hymne „Hamburg, meine Perle“, die seit September 2001 vor jedem Heimspiel von Lotto King Karl und Pape vor den Fans der Nordtribüne zum Besten gegeben wird und immer wieder für Gänsehaut-Atmosphäre sorgt.

Eine Liedzeile hat dabei besonderen Kultstatus erlangt. Während auf den Videowänden eingeblen-det wird: „Wenn du woherauchimmerkommst …“, singen die HSV-Anhänger inbrünstig: „Wenn du aus Cottbus kommst, kommst du eigentlich aus Polen.“

Hintergrund: 2002 ließ der damalige Vorsitzende Werner Hackmann diese Passage ändern, weil ihm mulmig war, ob der derbe Witz politisch korrekt sei. Lotto schäumte vor Wut, textete aber zunächst neu: „Wenn du aus Gladbach kommst, sind wir die Hengs-te und ihr die Fohlen.“ Durchgesetzt hat sich das Original – und wird seitdem noch lauter gesungen.

Das Heiligtum des Stadions ist der – im Gegensatz zum sonstigen Stadion – vollklimatisierte und

Gleich hinter dem Eingang be-

nerbüro. Im Physio- und Massage-bereich stehen vier Bänke und ein Einzelbehandlungszimmer zur Verfügung. Neben Sauna, Dampf-bad, Whirlpool und Badewanne (für Eisbäder), gibt es seit der Mo-dernisierung 2008 auch eine Sau-

jeden Spieler nebst Schuhablage. Das Herz des Mannschaftstrakts

kleidekabine, in der auch eine Leinwand mit Beamer für Spielanalysen während der Halbzeitpause nicht fehlt.

(inklusive zehn Meter langer, blauer Tartanbahn) steht mo-dernstes Equipment, nicht nur Spinningräder, Hantelbänke und

Kraftmessplatte und das von den Spielern so genannte Space-Lab (Weltraumlabor). Zwei an Lap-tops angeschlossene Geräte ( rund 100 000 Euro teuer) messen alle relevanten biomechanischen Wer-

te und erkennen, ob ein Spieler De�zite im Bein-, Bauch- oder Rü-ckenbereich hat. Den Zeugwarten stehen drei Waschmaschinen und drei Trockner zur Verfügung. Im Aufenthaltsraum sorgt Köchin Ja-na Dunkel für die Verköstigung. Über zwei Millionen Euro inves-tierte der Klub seit 2004 in die Heimat der Pro�s.

Speisen & GetränkeBis zu1200 Mitarbeitervon Caterer Aramark sind bei einem ausverkauften Heimspiel des HSV im Einsatz – also fast immer. Im Stadion be�nden sich 28 Kioske sowie 50 mobile Einheiten,die Bratwürste, Suppen, Getränke,Hotdogs oder Süßigkeiten anbieten.Außerdem gibt es 150 sogenannte „Hawker“, also Straßenhändler, die mit Bier, Glühwein, Brezeln oder Feuer-zungen (Pizzen) unterwegs sind.In einer kompletten Saison werden 500 000 Wurstwaren von den Fans verzehrt und3000 Hektoliter Biergetrunken – 300 000 Liter.Im VIP-Bereich werden 175 Tonnen Speisen in einer Saison verarbeitet.Die größten Posten bilden80 Tonnen Fleisch und Fisch, 50 Tonnen Sätti-gungsbeilage, 30 Tonnen Gemüse und Salat sowie 15 Tonnen Desserts.Vorab werden die Speisen vorbereitet,vakuumverpackt und dann in den vier Großküchen im Stadion fertiggestellt.

5. EBENE

Sanitäter netfnüf mi sednuB -retiramaS-retiebrA sed elartneZ red nI

Stock der Haupttribüne warten Stefan Pätzky (l.) und Uwe Wi-chelmann au� hren Einsatz. Mit den vier Sanitätswachen in jeder Stadionecke und Sanitätsstreifen in den Fanblöcken ste-hen insgesamt 80 Helfer bereit, wenn die Gesundheit der Zu-schauer auf dem Spiel steht. Zwei Notärzte und fünf Rettungs-wagen stehen ebenfalls immer auf Stand-by.

1. EBENE

Büro Bernd Ho�mannVon seinem Schreibtisch im Büro der Geschäftsstelle, die

mann eine hervorragende Aussicht auf die Parkplätze davor – umgekehrt kann theoretisch jeder dem HSV-Vorsitzenden auf die Finger schauen. Am 1. Februar 2003 hat der 46-Jährige sein Amt übernommen – mindestens bis zum 31. Dezember 2011.

Wichtiges Arbeitsmittel ist die grüne Tafel, auf der die Kader-planung nach Positionen geordnet übersichtlich dargestellt ist. Ein Traum jedes Journalisten, genau wie die schwarze Trans-

nicht fehlen. Wer zu spät zur Vorstandssitzung kommt, muss fünf Euro zahlen. Im Kasten mit der HSV-Raute, den seine Tochter Luisa für ihn gebastelt hat, bewahrt er Visitenkarten auf.

RAUTENWELT

Fanshop

store auf ihre Käufer. Shop-Leiterin Daniela Wonde und ihre 22 Mitarbeiter kümmern sich darum, dass trotz des großen Andrangs an einem Spieltag alle Kunden schnell bedient werden. Vergangene Saison setzte der HSV 105 000 Trikots ab – absoluter Re-kord. Aktueller Favorit bei den Fans ist Eljero Elia.

5. EBENE

StadionchefKurt Krägel

Am ö�entlichsten Ort des Stadions, dem Pressekonferenzraum, hat man Kurt Krägel noch nie gesehen. Dem Chef des Stadionma-nagements ist es seit sei-nem Amtsantritt 1997

gelungen, seinen Job fast ohne mediale Beleuchtung zu er-ledigen. Dabei läuft bei dem 51-Jährigen alles Organisatorische zusammen: Er koordiniert und begleitet den Einsatz von Ord-nern und Polizei, kümmert sich um den Verkehr, die Park-plätze, An- und Ablieferung. Wenn etwas nicht funktioniert: Ein Anruf bei dem gebürtigen Hamburger, der früher in der Veranstaltungsbranche arbeitete und in Dallas/USA Immobi-lienkaufmann studierte, hilft immer.

5. EBENE

Stadion-ShowSie sind die Herrscher der Bilder: Für Ulrich Backa (Bild-

regie) und Sebastian Bluhm (Gra�k) beginnt die „Show“ schon

003 netliet rev noidatS neznag mi eid eiwos muarnennI mi edFernseher mit Unterhaltung und allen wichtigen Fakten. Für die TV-Übertragungen gibt es 22 Kamerapositionen und eine „�iegende“ Kamera über dem Spielfeld.

5. EBENE

GreenkeeperBis 2007 achtete er auf Gut Kaden darauf, dass das dortige

Golf-Grün nicht über die 4,5-Millimeter-Grenze wächst. Dass

qualität hat, wäre leicht übertrieben, aber die Bedingungen für Chef-Greenkeeper Hermann Schulz sind auch ungleich un-dankbarer: wenig Licht, kaum Luftzirkulation. Bei Ligaspielen

muss der Rasen 2,8 cm hoch sein, inter-national liegt der Richtwert bei 2,3 cm. Im oberen Stockwerk der Osttribüne beobachtet Schulz auf seinem Laptop ge-nau die Wetterzonen und regelt dement-sprechend die Rasenheizung. 3000 Liter 48 Grad warmes Wasser laufen durch 36 Kilometer Schlauchmaterial. Bei vol-ler Leistung verursacht die Anlage 1000 Euro Stromkosten – pro Tag.

2. & 3. EBENE

VIP-BereichWer viel zahlt, be-

kommt auch Extra-Ser-vice. Silvana (l.) und Sandra, zwei von 90 Hostessen im VIP-Be-reich, kümmern sich um die Edel-Fans, die Lo-gen- oder Businessplätze besitzen. Die Betreuung ist allerdings nicht ganz billig. Die günstigste Loge (11 Personen) kostet pro

ben (22 Personen). Der klassische Business-Sitz kostet 4760 Euro. Für Silvana und Sandra ist die Wochenendarbeit ein luk-rativerNebenjob. ImnormalenLebenstudierensieWirtschafts-recht beziehungsweise Medienkommunikation und BWL.

PARKPLATZ

OrdnerAn Peter S. (Name der Red. be-

kannt) kommt niemand vorbei, wenn er sich quer stellt. Ab 6.30 Uhr morgens kontrolliert der Ord-ner von „Power“ den Einlass der Pkws. Verhaften musste er noch niemanden, obwohl Peter im nor-malen Leben Strafgefangene „be-treut“. Maximal 450 Ordner küm-mern sich bei Spitzenpartien um den reibungslosen Ablauf eines Spieltages.

RAUTENWELT

StadionführerDrei- bis viermal pro Woche

führt Franco Heise seit 2005 Be-sucher durch das Stadion. Kaum ein Detail, das der Norderstedter nicht kennt. 50 000 Interessierte nutzen die Arena-Tour pro Saison. Nur der Blick in die HSV-Kabine ist tabu. Zum Trost geht’s in die Gästekabine und durch den Spie-lertunnel Richtung Rasen.

1. EBENE

HSV-ArchivEigentlich ist Walter Reh-

mer gelernter Schlosser. Doch seit über zehn Jahren hat der

nur noch dann in der Hand, wenn es sich um Pokale han-delt. 450 Trophäen stapeln sich

dem Reich Rehmers. Tendenz: wachsend. Jedes Jahr kommen

schen genossen bisher intime Einblicke in die HSV-Historie.

2. Ebene: VIP-Bereich4400 zahlungskräftige VIP-Kunden sorgten dafür, dass die Spiel-Erträge in der vergangenen Saison auf stolze 55 Millionen Euro anstiegen.

HSV-Pro� Sidney Sam (an den 1. FC Kaiserslautern ausgeliehen) testet die Tartanbahn im Fitnessraum.

1. Ebene: Die GeschäftsstelleVon hier steuert der HSV-Vorsitzende Bernd Ho�mann mit seinem Stab die Geschicke des Klubs (aktuell 66 000 Mitglieder). Plus: Vermarkter Sport-�ve, Scouting-Abteilung, Archiv und der große Pressekonferenzraum.

3. Ebene: VIP-Bereich50 Logen (11 bis 22 Personen), die bis zu 255 000 Euro (zzgl. Mwst) kosten, sind über die zwei Ebenen des VIP-Bereichs verteilt. Im oberen Stock be�ndet sich die exklusive Pla-tin Lounge. In den großen Restaurant-räumen (Büfettverp�egung) sind für die Unternehmen Tische reserviert.

4. Ebene: Der StadionumlaufAußer bei Sicherheitsspielen ist es Besuchern möglich, im vierten Stock das gesamte Stadion zu umrunden.Kioske, sanitäre Anlagen und Lager-räume sind hier untergebracht.

Die Stimmungsmacher:„Chosen Few“ und Poptown sind zwei Ultra-Organisationen des

HSV, die sich seit dem Stadion-Neubau um Stimmung bemühen.Von der Nordwest-Ecke (C-Rang, s. Punkt) und in der Nordtribüne

(A-Rang) werden viele Gesänge initiiert. Die Fangruppen küm-mern sich um die Choreogra�en mit riesigen Transparenten.

5. Ebene: Stadionmanagement & PresseNeben dem Stadionmanagement (Verwaltung,

Stadionshow, Greenkeeping) haben auch die Polizei und Sanitäter ihre Räume. Und hier sind

zudem die Kabinen der Radiokommentatoren.

Mannschaftsräume

DATEN, ZAHLEN& FAKTEN

KONTAKT ZUM HSVDie Servicenummer des HSV lautet 01805/47 84 78 (0,14 Euro/Min. aus dem Festnetz), erreichbar Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr und Sonnabend 10 bis 18 Uhr. Ö�nungszeiten des Servicecenters an der Nordost-Ecke des Stadions: Mo–Sa 10–18 Uhr.

Die Rautenwelt„Rautenwelt“ wurde 2007 der Bereich auf drei

Ebenen in der Nordost-Ecke nach Fan-Votum getauft: mit Museum, Restaurant, Arena-Store,

Service- und Ticketcenter (an Spieltagen).Ausbauplan: Als „Die HSV-Fußballwelt im

Volkspark“ soll eine vierstöckige Kids- und Servicewelt kommen – mit

Spielplatz und Erlebnis-Parcours.

Büro Bernd Ho�mann

Büro Katja Kraus

HSV-Archiv

Polizei

Sanitäter

Kommentatoren

Stadionchef Kurt Krägel

Greenkeeper

Stadion-Show

› THEMA DER WOCHE

IV VSonnabend / Sonntag, 16. / 17. Januar 2010

Page 5: Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

Meistens ausverkauft undeine regelmäßigePilgerstätte für 57000Fußball-Fans.In derHSHNordbankArena arbeiten anHSV-Spieltagenbis zu1800Menschen.Ein Blick hinter die Kulissenund in verborgeneRäumediesesbesonderenBauwerks.

FOTO

S:PA

TRIC

KPI

EL(9

),KL

AUS

BOD

IG,B

ON

GA

RTS/

GET

TYIM

AGES

,MA

RCEL

OH

ERN

AN

DEZ

,WIT

TERS

5. EBENE

PolizeiAuf den Monitoren in die-

sem Raum laufen keine Spiel-szenen. Hier kümmert sich die Polizei, hoch oben in der Haupttribüne, um die Sicher-heit der Menschen – und ge-währt erstmals einen Einblick hinter die sonst kategorisch verschlossene Tür. „Wir koor-dinieren von hier aus den Ein-satz der Polizei in ganz Ham-burg“, erklärt Einsatzleiter Morten Struve. Dabei be�nden

sich die Beamten per Funk und Telefon in engem Austausch mit der Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz), die für anrei-sende Fans zuständig ist. Mittels eigenen Kameras werden die sicherheitsrelevanten Bereiche observiert und per Videoanaly-se ausgewertet. Das Material ist gerade bei Ausschreitungen und dem möglichen Verhängen von Stadionverboten wichtig.

DieArena-AkteTEXT:ALEXANDER LAUX• ILLUSTRATION:KLAUS LEHNHARDT

DAS GEHEIMNIS DER FORMDass das HSV-Stadion als eines der schönsten in Deutschland gilt, verdankt es Architekt Manfred O. Steuerwald, der einen Grundriss entwarf, der einer lang gestreckten Ellipse entspricht. Kein Tri-bünenteil ist gerade! Die gute Sicht er-gibt sich aus den Höhenunterschieden der Tribünenstufen: A-Rang (34 cm), B-Rang (51 cm), C-Rang (68 cm). Die Uefa verlieh der Arena 2004 fünf Sterne.

ZAHLEN DES BAUWERKS7000 Tonnen Pro�lstahl wurden in den Tribünen verbaut. Das Seiltragewerk an den 65 Meter hohen Pylonen ist 460 Tonnen schwer, die Seile 17,2 Kilometer lang. Die Dachmembrane (Polyesterfa-sergewebe) haben eine Gesamt�äche von 35 000 m2. Die Grund�äche des Stadions beträgt 50 000 m2, der um-baute Raum 200 000 Kubikmeter.57 000 Besucher �nden Platz, davon 10 000 Stehplätze. Rund 10 000 Park-plätze stehen zur Verfügung.

NAME-WECHSEL-DICH Im Sommer erhält das Stadion bereits seinen dritten Namen: Imtech löst die HSH Nordbank ab und zahlt für die kom-menden sechs Jahre 25 Millionen Euro.Als erster Bundesligaklub vermarktete der HSV sein Namensrecht an AOL.

JOB-MASCHINE HSV60 Menschen sind in der Geschäftsstelle des HSV tätig, 54 Angestellte und drei Auszubildende arbeiten für die Arena KG.11,3 Millionen Euro standen letzte Saison an Gehältern und Aufwendungen in der Bilanz. Für Vermarkter Sport�ve sind zwölf Mitarbeiter im Team HSV tätig. An Spieltagen steigt die Zahl der Beschäf-tigten durch den Ordnungsdienst und das Servicepersonal auf 1800 Personen an.

RENT THE ARENABei Bedarf vermietet der HSV auch sein ganzes Stadion. Der Preis für eine Kon-zertveranstaltung liegt je nach Aufwand bei 100 000 bis 150 000 Euro. Wer es behaglicher mag: Eine Tagesmiete für eine Zehn-Personen-Loge inklusive Verp�egung, Beamer, Leinwand und Flipchart beträgt 626 Euro zzgl. Mwst.Der Logenraum Süd (396 m2) kostet 3380 Euro/Tag plus Verp�egung.

PARTY FÜR JUNG UND ALTFür einen Pauschalbetrag von 130 Euro für acht Kinder (jedes weitere Kind 13 Euro) richtet der HSV eine dreistündige Geburtstagsparty aus. Für Sechs- bis 15-Jährige werden Stadion-Tour, Tor-wandschießen, Verp�egung in der „Rau-te“, ein Geschenk fürs Geburtstagskind,Überraschungstüten für jeden Gast so-wie ein Ka�ee für eine Begleitperson angeboten. Das „Dino-Starter-Paket“ für Kids ab vier Jahren kostet ab sechs Kinder 85 Euro. Aber auch Erwachsene können ihre Party ausrichten (18,87 Euro p.P.). Kontakt-Tel. 41 55 15 50.

GASTRONOMIE350 lfd. M. Theken für Fastfood, 1000 m2 VIP-Gastronomie und 1000 m2 für ö�entliche Restaurants („Raute“).

EINMAL VIP SEIN8925 Euro kostet ein Sitzplatz in Block 4A der Haupttribüne für 17 Bundesliga-Heimspiele, wenn Sie Mitglied der exklu-siven Platin Lounge sein möchten. Dafür gibt es u.a. einen VIP-Parkausweis pro zwei gebuchter Business-Sitze, eine Kennzeichnung der Außenplätze durch das Unternehmenslogo, das auch am Sponsorenboard in der Lounge hängt,Catering am reservierten Unterneh-menstisch, Einladung zu HSV-Events.

MUSEUM & STADIONTOURTäglich von 10 bis 19 Uhr ist das HSV-Museum geö�net, an Spieltagen nur für Stadionbesucher. Preise: 6 Euro (Erw.),14 Euro für Familien. Werktags dreimal (13, 15, 17 Uhr) bietet der HSV Stadion-touren an, am Wochenende viermal (auch 11 Uhr). Preise: 8 Euro (Erw.). So-gar Jahreskarten (20 Euro) fürs Muse-um gibt es. Nach Absprache Rundgänge für Gehörlose in Gebärdensprache.

ENERGIE VON NEBENANSeine Energie bezieht der HSV direkt vonder Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor. Die Abwärme, die beim Verfeuern des Mülls entsteht, gelangt über ein Fernwärmenetz direkt zum Stadion.266 Scheinwerfer sorgen für die richtige Ausleuchtung. Der Energieverbrauch an einem Spieltag liegt im Winter bei rund 30 MWh – dem täglichen Verbrauch ei-ner Großstadt. Ab nächster Saison liefert„entega“ CO2 -freie Stromversorgung.

NORDTRIBÜNE

Lotto King KarlSie ist ein Höhepunkt jeder Partie, eine echte Per-

le – die HSV-Hymne „Hamburg, meine Perle“, die seit September 2001 vor jedem Heimspiel von Lotto King Karl und Pape vor den Fans der Nordtribüne zum Besten gegeben wird und immer wieder für Gänsehaut-Atmosphäre sorgt.

Eine Liedzeile hat dabei besonderen Kultstatus erlangt. Während auf den Videowänden eingeblen-det wird: „Wenn du woherauchimmerkommst …“, singen die HSV-Anhänger inbrünstig: „Wenn du aus Cottbus kommst, kommst du eigentlich aus Polen.“

Hintergrund: 2002 ließ der damalige Vorsitzende Werner Hackmann diese Passage ändern, weil ihm mulmig war, ob der derbe Witz politisch korrekt sei. Lotto schäumte vor Wut, textete aber zunächst neu: „Wenn du aus Gladbach kommst, sind wir die Hengs-te und ihr die Fohlen.“ Durchgesetzt hat sich das Original – und wird seitdem noch lauter gesungen.

Das Heiligtum des Stadions ist der – im Gegensatz zum sonstigen Stadion – vollklimatisierte und

Gleich hinter dem Eingang be-

nerbüro. Im Physio- und Massage-bereich stehen vier Bänke und ein Einzelbehandlungszimmer zur Verfügung. Neben Sauna, Dampf-bad, Whirlpool und Badewanne (für Eisbäder), gibt es seit der Mo-dernisierung 2008 auch eine Sau-

jeden Spieler nebst Schuhablage. Das Herz des Mannschaftstrakts

kleidekabine, in der auch eine Leinwand mit Beamer für Spielanalysen während der Halbzeitpause nicht fehlt.

(inklusive zehn Meter langer, blauer Tartanbahn) steht mo-dernstes Equipment, nicht nur Spinningräder, Hantelbänke und

Kraftmessplatte und das von den Spielern so genannte Space-Lab (Weltraumlabor). Zwei an Lap-tops angeschlossene Geräte ( rund 100 000 Euro teuer) messen alle relevanten biomechanischen Wer-

te und erkennen, ob ein Spieler De�zite im Bein-, Bauch- oder Rü-ckenbereich hat. Den Zeugwarten stehen drei Waschmaschinen und drei Trockner zur Verfügung. Im Aufenthaltsraum sorgt Köchin Ja-na Dunkel für die Verköstigung. Über zwei Millionen Euro inves-tierte der Klub seit 2004 in die Heimat der Pro�s.

Speisen & GetränkeBis zu1200 Mitarbeitervon Caterer Aramark sind bei einem ausverkauften Heimspiel des HSV im Einsatz – also fast immer. Im Stadion be�nden sich 28 Kioske sowie 50 mobile Einheiten,die Bratwürste, Suppen, Getränke,Hotdogs oder Süßigkeiten anbieten.Außerdem gibt es 150 sogenannte „Hawker“, also Straßenhändler, die mit Bier, Glühwein, Brezeln oder Feuer-zungen (Pizzen) unterwegs sind.In einer kompletten Saison werden 500 000 Wurstwaren von den Fans verzehrt und3000 Hektoliter Biergetrunken – 300 000 Liter.Im VIP-Bereich werden 175 Tonnen Speisen in einer Saison verarbeitet.Die größten Posten bilden80 Tonnen Fleisch und Fisch, 50 Tonnen Sätti-gungsbeilage, 30 Tonnen Gemüse und Salat sowie 15 Tonnen Desserts.Vorab werden die Speisen vorbereitet,vakuumverpackt und dann in den vier Großküchen im Stadion fertiggestellt.

5. EBENE

Sanitäter netfnüf mi sednuB -retiramaS-retiebrA sed elartneZ red nI

Stock der Haupttribüne warten Stefan Pätzky (l.) und Uwe Wi-chelmann au� hren Einsatz. Mit den vier Sanitätswachen in jeder Stadionecke und Sanitätsstreifen in den Fanblöcken ste-hen insgesamt 80 Helfer bereit, wenn die Gesundheit der Zu-schauer auf dem Spiel steht. Zwei Notärzte und fünf Rettungs-wagen stehen ebenfalls immer auf Stand-by.

1. EBENE

Büro Bernd Ho�mannVon seinem Schreibtisch im Büro der Geschäftsstelle, die

mann eine hervorragende Aussicht auf die Parkplätze davor – umgekehrt kann theoretisch jeder dem HSV-Vorsitzenden auf die Finger schauen. Am 1. Februar 2003 hat der 46-Jährige sein Amt übernommen – mindestens bis zum 31. Dezember 2011.

Wichtiges Arbeitsmittel ist die grüne Tafel, auf der die Kader-planung nach Positionen geordnet übersichtlich dargestellt ist. Ein Traum jedes Journalisten, genau wie die schwarze Trans-

nicht fehlen. Wer zu spät zur Vorstandssitzung kommt, muss fünf Euro zahlen. Im Kasten mit der HSV-Raute, den seine Tochter Luisa für ihn gebastelt hat, bewahrt er Visitenkarten auf.

RAUTENWELT

Fanshop

store auf ihre Käufer. Shop-Leiterin Daniela Wonde und ihre 22 Mitarbeiter kümmern sich darum, dass trotz des großen Andrangs an einem Spieltag alle Kunden schnell bedient werden. Vergangene Saison setzte der HSV 105 000 Trikots ab – absoluter Re-kord. Aktueller Favorit bei den Fans ist Eljero Elia.

5. EBENE

StadionchefKurt Krägel

Am ö�entlichsten Ort des Stadions, dem Pressekonferenzraum, hat man Kurt Krägel noch nie gesehen. Dem Chef des Stadionma-nagements ist es seit sei-nem Amtsantritt 1997

gelungen, seinen Job fast ohne mediale Beleuchtung zu er-ledigen. Dabei läuft bei dem 51-Jährigen alles Organisatorische zusammen: Er koordiniert und begleitet den Einsatz von Ord-nern und Polizei, kümmert sich um den Verkehr, die Park-plätze, An- und Ablieferung. Wenn etwas nicht funktioniert: Ein Anruf bei dem gebürtigen Hamburger, der früher in der Veranstaltungsbranche arbeitete und in Dallas/USA Immobi-lienkaufmann studierte, hilft immer.

5. EBENE

Stadion-ShowSie sind die Herrscher der Bilder: Für Ulrich Backa (Bild-

regie) und Sebastian Bluhm (Gra�k) beginnt die „Show“ schon

003 netliet rev noidatS neznag mi eid eiwos muarnennI mi edFernseher mit Unterhaltung und allen wichtigen Fakten. Für die TV-Übertragungen gibt es 22 Kamerapositionen und eine „�iegende“ Kamera über dem Spielfeld.

5. EBENE

GreenkeeperBis 2007 achtete er auf Gut Kaden darauf, dass das dortige

Golf-Grün nicht über die 4,5-Millimeter-Grenze wächst. Dass

qualität hat, wäre leicht übertrieben, aber die Bedingungen für Chef-Greenkeeper Hermann Schulz sind auch ungleich un-dankbarer: wenig Licht, kaum Luftzirkulation. Bei Ligaspielen

muss der Rasen 2,8 cm hoch sein, inter-national liegt der Richtwert bei 2,3 cm. Im oberen Stockwerk der Osttribüne beobachtet Schulz auf seinem Laptop ge-nau die Wetterzonen und regelt dement-sprechend die Rasenheizung. 3000 Liter 48 Grad warmes Wasser laufen durch 36 Kilometer Schlauchmaterial. Bei vol-ler Leistung verursacht die Anlage 1000 Euro Stromkosten – pro Tag.

2. & 3. EBENE

VIP-BereichWer viel zahlt, be-

kommt auch Extra-Ser-vice. Silvana (l.) und Sandra, zwei von 90 Hostessen im VIP-Be-reich, kümmern sich um die Edel-Fans, die Lo-gen- oder Businessplätze besitzen. Die Betreuung ist allerdings nicht ganz billig. Die günstigste Loge (11 Personen) kostet pro

ben (22 Personen). Der klassische Business-Sitz kostet 4760 Euro. Für Silvana und Sandra ist die Wochenendarbeit ein luk-rativerNebenjob. ImnormalenLebenstudierensieWirtschafts-recht beziehungsweise Medienkommunikation und BWL.

PARKPLATZ

OrdnerAn Peter S. (Name der Red. be-

kannt) kommt niemand vorbei, wenn er sich quer stellt. Ab 6.30 Uhr morgens kontrolliert der Ord-ner von „Power“ den Einlass der Pkws. Verhaften musste er noch niemanden, obwohl Peter im nor-malen Leben Strafgefangene „be-treut“. Maximal 450 Ordner küm-mern sich bei Spitzenpartien um den reibungslosen Ablauf eines Spieltages.

RAUTENWELT

StadionführerDrei- bis viermal pro Woche

führt Franco Heise seit 2005 Be-sucher durch das Stadion. Kaum ein Detail, das der Norderstedter nicht kennt. 50 000 Interessierte nutzen die Arena-Tour pro Saison. Nur der Blick in die HSV-Kabine ist tabu. Zum Trost geht’s in die Gästekabine und durch den Spie-lertunnel Richtung Rasen.

1. EBENE

HSV-ArchivEigentlich ist Walter Reh-

mer gelernter Schlosser. Doch seit über zehn Jahren hat der

nur noch dann in der Hand, wenn es sich um Pokale han-delt. 450 Trophäen stapeln sich

dem Reich Rehmers. Tendenz: wachsend. Jedes Jahr kommen

schen genossen bisher intime Einblicke in die HSV-Historie.

2. Ebene: VIP-Bereich4400 zahlungskräftige VIP-Kunden sorgten dafür, dass die Spiel-Erträge in der vergangenen Saison auf stolze 55 Millionen Euro anstiegen.

HSV-Pro� Sidney Sam (an den 1. FC Kaiserslautern ausgeliehen) testet die Tartanbahn im Fitnessraum.

1. Ebene: Die GeschäftsstelleVon hier steuert der HSV-Vorsitzende Bernd Ho�mann mit seinem Stab die Geschicke des Klubs (aktuell 66 000 Mitglieder). Plus: Vermarkter Sport-�ve, Scouting-Abteilung, Archiv und der große Pressekonferenzraum.

3. Ebene: VIP-Bereich50 Logen (11 bis 22 Personen), die bis zu 255 000 Euro (zzgl. Mwst) kosten, sind über die zwei Ebenen des VIP-Bereichs verteilt. Im oberen Stock be�ndet sich die exklusive Pla-tin Lounge. In den großen Restaurant-räumen (Büfettverp�egung) sind für die Unternehmen Tische reserviert.

4. Ebene: Der StadionumlaufAußer bei Sicherheitsspielen ist es Besuchern möglich, im vierten Stock das gesamte Stadion zu umrunden.Kioske, sanitäre Anlagen und Lager-räume sind hier untergebracht.

Die Stimmungsmacher:„Chosen Few“ und Poptown sind zwei Ultra-Organisationen des

HSV, die sich seit dem Stadion-Neubau um Stimmung bemühen.Von der Nordwest-Ecke (C-Rang, s. Punkt) und in der Nordtribüne

(A-Rang) werden viele Gesänge initiiert. Die Fangruppen küm-mern sich um die Choreogra�en mit riesigen Transparenten.

5. Ebene: Stadionmanagement & PresseNeben dem Stadionmanagement (Verwaltung,

Stadionshow, Greenkeeping) haben auch die Polizei und Sanitäter ihre Räume. Und hier sind

zudem die Kabinen der Radiokommentatoren.

Mannschaftsräume

DATEN, ZAHLEN& FAKTEN

KONTAKT ZUM HSVDie Servicenummer des HSV lautet 01805/47 84 78 (0,14 Euro/Min. aus dem Festnetz), erreichbar Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr und Sonnabend 10 bis 18 Uhr. Ö�nungszeiten des Servicecenters an der Nordost-Ecke des Stadions: Mo–Sa 10–18 Uhr.

Die Rautenwelt„Rautenwelt“ wurde 2007 der Bereich auf drei

Ebenen in der Nordost-Ecke nach Fan-Votum getauft: mit Museum, Restaurant, Arena-Store,

Service- und Ticketcenter (an Spieltagen).Ausbauplan: Als „Die HSV-Fußballwelt im

Volkspark“ soll eine vierstöckige Kids- und Servicewelt kommen – mit

Spielplatz und Erlebnis-Parcours.

Büro Bernd Ho�mann

Büro Katja Kraus

HSV-Archiv

Polizei

Sanitäter

Kommentatoren

Stadionchef Kurt Krägel

Greenkeeper

Stadion-Show

› THEMA DER WOCHE

IV VSonnabend / Sonntag, 16. / 17. Januar 2010

Page 6: Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

Auflösungen:

4 8 18 7 6

7 2 37 8 1 3

2 66 5 3 1

9 4 51 7 4

6 5 3

7

1

7

5

9

6

3

5

6

7

2

8

4

6

2

3

9

2

9

7

79

4

5

93

7 27 4

6 38 3 53 1 44 7 6

3 44 9

9 8

1 4 96 4 97 1 57 6 5 3

1 99 3 8 5

5 3 94 5 7

5 4 3

3 5 84 5

7 6 35 1 3

5 1 97 6 11 8 4

6 4 86 9 5

478563912532918476169742835781634529345129687926857341297485163813296754654371298

328791564

745682931

916453827

153968742

892347156

467125389

534219678

279836415

681574293

163472598754981632298653417981267354637145289542839761875314926419526873326798145

142936875365728419879145326217869543456317982938452761721583694683294157594671238

926345718873192465145786932581267394634519827792438651218973546357624189469851273

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

16

17 18 19

20 21 22

23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

33 34 35 36 37 38 39 40 41

42 43 44

45 46 47 48

49 50 51 52

RICHTSTAETTEOMAALLEINHERRSCHERELAINAISNECHASASENKEKLEINHOROSSGHEPEONATEDANADIENSTGRADCIANOOTRAAURORAHOLESSIOMLEOTATIDORTEMSEMRSHUENEEVA

TEXT: CLAUDIA SEWIG • FOTOS: THOMAS LEIDIG

Wellness-Oase?Im lounge-artigen Vorraum (r.) wird Tee gereicht, be-vor man zum Tisch (l.) geleitet wird.

Kurz-BiografieBei Beatrix Scheen-Saliba,

57, und ihrem Mann Elias Hanna Saliba, 59, ist es an-ders als so oft: Die gebürtige

Holländerin kümmert sich im Hintergrund ums Kauf-männische, während der

gebürtige Syrer als Kopf des „Saliba“ für Kunst und Kü-

che verantwortlich ist. 1984 eröffnete der Kapitän (mit Patent Kapitän auf großer Fahrt!) sein erstes Restau-rant in Hamburg. Heute ist das Saliba in der Leverku-senstraße das Haupthaus,dazu gibt es einen Ableger in den Alsterarkaden und

den Party-Service „Orient-Express“. Und damit nicht genug: Mit „Salibas Welt“

kam 2008 bereits das zweite Kochbuch heraus,und seit 2009 bietet das Ehepaar auch kulinarische

Rundreisen durch Syrien an.

Süße Sünde des Orients

Tschai Nana begrüßt die Gäste mit wohltuen-der Wärme. Im kleinen Glas serviert, ist der schwarze Tee mit frischer Minze der wohl-

schmeckende Vorbote eines besonderen Abends. Als Gast im Saliba fühlt man sich gleich willkommen, wenn einem im großzügigen Vorraum das Glas Tee gereicht wird, bevor man an den Tisch geleitet wird. Doch es ist nicht nur eine Geste der Gastfreundschaft, sondern auch ein herrliches Mittel, den Alltagsstress und die Hektik draußen zu lassen. Vor der Tür des ehemaligen Bahnkraftwerks in Bahrenfeld.

Dieser Effekt ist durchaus gewollt von Gastronom Hanna Saliba und seiner Frau Beatrix Scheen-Saliba. Wer den historischen Backstein-Bau betritt, kommt nicht zur schnöden Nahrungsaufnahme. „Essen ist vielmehr ein Zusammenkommen von Menschen, ein Austausch von Gedanken, und dabei das entspannte Genießen der Speisen“, sagt Beatrix Scheen-Saliba. Und spätestens, wenn die traditionelle syrische Vor-speise (Mazza) in unzähligen Variationen serviert wird, muss man kommunizieren. Vom erstaunten Aus-ruf ob der Vielfalt bis hin zur Frage an die Begleitung, wie genau jetzt noch die Leckerei in Schale 16 hieß.

Gegrillte Aubergine, Walnusspastete mit Chili, Oli-venöl mit arabischen Gewürzen zum Dippen des Fla-denbrots, Spinat mit Granatapfel oder weiße Bohnen in Tomatensauce sind nur einige. Klassiker und High-light zugleich sind die knusprigen, perfekt gewürzten Falafel (vergessen Sie alles, was sie bisher mit diesem Namen gegessen haben), das unglaublich erfrischende Tabouleh (Petersilien-Salat) und der Ziegen-Frisch-käse. Letzteren beziehen die Salibas schon seit Jahren von einem Ziegenhalter aus der Nähe von Kiel, dem sie anfänglich seine gesamte Produktion abkauften.

Perfekter Begleiter für die Vorspeisen ist ein Grau-er Burgunder Königschaffhausen aus Baden, der sich angenehm zurücknimmt, ohne lasch zu sein. Vorsicht aber beim Absetzen des Glases, gerade wenn es sich

leert: Die Tischdeko aus roten Linsen, schwarzem Se-sam und Rosenblütenblättern birgt Kippelgefahr! Neben deutschen Weinen setzt das Saliba übrigens auch besonders auf Weine aus dem Libanon, wie zum Bespiel den Rotwein Chateau St. Thomas 2002, der jedem Lamm-Hauptgang vollmundig zur Seite steht.

Und an Lamm kommt man kaum vorbei in der tra-ditionellen syrischen Küche. Ob Al Akle Al Baschouie (Lammlachse auf Schafskäsesauce mit Granatapfel) oder die ganz neue Komposition Lahme bil Ramaan (mariniertes Lammfilet auf Granatapfel-Quittensau-ce): Dem Tier möchte man im Nachhinein die Füße küssen, so zart und lecker ist das kurze, letzte Ken-nenlernen mit ihm. So bleibt nur, dem syrischen Koch zu danken, der das Fleisch auf den Punkt zubereitet.

Wer partout kein Lamm mag, für den hält die be-wusst kleine Karte je ein Gericht mit Entenbrust, Rin-derfilet oder Fisch und eine vegetarische Speise be-reit. Alle durch Zutaten wie Koriander, Kichererbsen, Minze oder Aprikosen im landestypischen Gewand. Wer nun gar nicht mehr weiß, was er nehmen soll, der setzt einfach auf das Vorspeisen-Konzept – und wählt von allem etwas. Das Menü „Best of Saliba“ bietet die-se Möglichkeit ab zwei Personen und mit 42 Euro pro Person (inklusive Vorspeisen) für einen fairen Preis.

Sogar die süße Sünde des Orients, der Nachtisch, ist mit dabei. Wer sich für eine separate Nachtisch-Variation entscheidet, wird durch die Küche in eine Schatzkammer geleitet, den Patisserie-Raum, der ei-nen vor die letzte qualvolle Wahl des Abends stellt: Pflaume in Schokolade, Gries mit Rosenwasser, Blät-terteig mit Cashewnüssen oder hausgemachtes da-mascenisches Zimteis? Seufz. Und wieder lautet die beste Antwort: alles! Dazu noch einen Mocca, extra dunkel geröstet und mit Kardamom. Und spätestens jetzt bereut man, dass es für diese kulinarische Well-ness-Oase keine Monatsmitgliedschaft gibt.

» Saliba, Leverkusenstraße 54, Tel. 85 80 71,Di–Sa 18–24 Uhr, Küche bis 23 Uhr, www.saliba.de

Wie in einem Setzkasten der Geschmacksvielfalt: das syrische Restaurant „Saliba“ in Bahrenfeld.

Essen und ausgehen

RESTAURANT

Killer ShrimpGegessen wird, was auf den Tisch kommt. Und das sind im neuen Restau-rant am Berliner Tor ausschließlich Shrimps. Von hervorragender Qualität,die Schale stets vorgeschnitten. Zu den Black Tiger Shrimps wird Soße in drei Schärfegraden serviert (333 Gramm,18,70 Euro), Brot, nach Wunsch auch Pasta oder Wildreis, und zum Nachtisch gibt’s Mousse au Chocolat.» KILLER SHRIMP, Anckelmannsplatz 3,Tel. 0173/444 15 00, Di–Sa 18–24 Uhr,www.killer-shrimp.info

FOTO

:PR

Sonnabend/Sonntag, 16./17. Januar 2010

LOKAL-TERMIN

FOTO

:GRA

FIKA

NSTA

LT

Für 4 Personen:720 g Lammfilet100 ml orientalische Gemüsebrühe250 g Schafskäse, pur,aus 100 % Schafsmilch

100 ml SahneSalz, Pfeffer aus der MühleOlivenöl8 Blatt BasilikumGranatapfelkerne

1 Die Brühemit der Sahne aufkochen, den leichtzerbröselten Schafskäse dazugeben undmit Salzund Pfeffer würzen. Nicht mehr kochen lassen.

2 Die Lammfilets parieren, salzen, pfeffern und ineiner sehr heißen Pfannemit Olivenöl von jederSeite ca. 5Minuten braten.

3 Die Basilikumblätter in feine Streifen schneiden,die heiße Sauce imMixer odermit einem Pürierstabaufmixen, anschließend die Sauce auf Tellernanrichten, das Basilikum darauf verteilen und dieLammfilets darauf legen.

4 Granatapfelkerne vor dem Servieren drüberstreuen.

CAFÉ

Sylter MilchbarHell ist es in der Milchbar, an der Wand leuchtet eine große Düne unter cummulusbewölktem Himmel, am langen Tresen stehen Milchreis, Gries-pudding und Quarkspeisen zur Auswahl.Und obendrein werden Hausmanns-kost, Salate, Suppen – und ab sofort an Wochenenden die Sylter Friesen-torte – serviert. Dazu gehört natürlich stilecht Friesentee mit Kluntjes.» SYLTER MILCHBAR, Großer Burstah 1,Mo–Fr 8–18, Sa/So 10–17 Uhr,Tel. 22 60 13 31, www.sylter-milchbar.de

RESTAURANT

PanAsiaFix sind die Köche im hell eingerich-teten Lounge-Restaurant PanAsia am Großneumarkt – perfekt für die Mit-tagspause. Die gewölbte Decke erinnert ein bisschen an einen Bierkeller, der Duft um die Showküche ist aber eindeu-tig asiatisch. Die Zutaten für die Gerich-te suchen sich die Gäste selbst am Buf-fet zusammen und lassen sie sich dann an schlichten Holztischen schmecken.» PANASIA, Alter Steinweg 15,tgl. 11.30–15 u. 17.30–23.30 Uhr,Tel. 63 60 77 51.

Samurai-Sudoku

Lösungsweg:Beim Samurai-Sudoku sind vier Eck-Sudokus so um ein Zentral-Sudoku angeordnet, dass jedes der vier Eck-Sudokus sich je

einen Block mit dem Zentral-Sudoku teilt! Dabei gelten für jedes der 5 Sudoku-Diagramme die klassischen Spielregeln: Alle Diagramme sind mit den Zahlen

1 bis 9 aufzufüllen. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile und jeder Spalte sowie in jedem 3 x 3 - Feld nur einmal vorkommen.Lösung: siehe unten …

Irgendwo in Hamburg. Nur wo?Klinker in Mustern akzentuieren die Warftwände,erzeugen mediterrane Farbstimmungen und bil-den einen reizvollen Kontrast zu Flächen und Treppen aus Beton. So gar nicht hanseatisch kühl inszenierte Benedetta Tagliablue vom Land-schafts- und Hochbauarchitekturbüro EMBT aus Barcelona den nach einem berühmten Entdecker benannten Platz. Ihre Experimentierfreude gipfelt in expressiv geschwungenen Laternen, die dem 4700 m² großen Areal, das an ein Amphitheater erinnert, etwas Theatralisches verleihen.

Für scharfe Denker

Waagerecht1 Galgenhumor: Sich hier nicht hängen zu lassen.13 Opas Liebste. 16 Alias Autokrat. 17 Wenn sich Öle und Fette chemisch verbinden, nennt man das so. 18 Zwischen ... und Maas erstrecken sich die Argonnen. 19 Haustier der Lappen ergänzt äthio-pischen Ort zum ehem. Turkstamm. 20 Sie ist eine Mulde. 21 Steht Geld dahinter, so sind es meis-tens Cents. 22 Auch Frau Isis hatte einen Sohn.23 Sangerhausener Fahrzeugdekor. 25 Nieder-ländische Gemeinde; trägt zum Aufbau der Reeperbahn bei. 27 Er wohnte früher auf Feuer-land. 29 Sprachrohr des Fernsehvolkes. 31 Grie-chische Vorsilbe als Sammlung von Aussprüchen.33 General ist einer. Oberst und Gefreiter auch.39 Tragische Gestalt im Chaos deutsch-italieni-scher Vergangenheit. 42 Fließt durch Südnorwe-gen. 43 Als Göttin der Morgenröte ist sie bekannt.44 Kommt ein Engländer auf die Idee, d i e ande-ren zu graben, kann das mit einem Reinfall enden.45 Gelbe Sonne mit 6 Planeten. 46 Verkehrtes Heizmaterial. 47 „Die Ferien des Monsieur Hulot“ machten Jacques weltbekannt. 48 Raten Sie hier oder da? 49 Name der Vorgängerin der B-Meise.50 Diese englische Dame hat ihren Namen stets im Gefolge. 51 Im Frühling fährt so manch ein ...mit seinem Riesenrad ins Grüne. 52 Mit ihr wurde er aus dem Paradies vertrieben.

Senkrecht1 Schweißtreibende Eigenschaft süddt. Speisen.2 Nicht eben das, was Recht ist. 3 Schottenrotte.4 Mit l wird’s mit ihr gefährlich. 5 Eine kurze Christine. 6 Englische Paradiesapfelaufschwät-zerin. 7 Wie sagen die Ostdeutschen doch kurz zum Dietrich? 8 Alle Haustiere fressen, Wildtiere aber ... . 9 Unverkennbar der Beginn einer Erniedrigung. 10 Er ist ein River in Mittelengland.11 Für 1 Krone zahlt sie 100 Heller. 12 Ein Nachruf.13 1958 waren Johns „Träume auf der Terrasse“ nachlesbar. 14 Hier befassen wir uns nun ein Weilchen mit einem „instabilen Elementarteil-chen“. 15 Die mit nacktem Schädel und großer Klappe mischen sich gern unter die Parasiten.24 Ein Maulheld glaubt, er sei es. 26 150 dieser Lieder findet man im A. T. (Ez.) 28 Flüsslich na-mensgeprägte Kantonshauptstadt. 30 Fungiert sie als Gleichrichter, darf man kein Urteil von ihr erwarten. 32 Wenn Sie wieder einmal den Tun-nelblick riskieren, dann tun Sie es von hier aus.33 Die Schachtel, meistens aus Metall, die ken-nen Sie auf jeden Fall. 34 Auch von Rosen bleibt nur er übrig – erläutert Eco am Schluss seines Buches. 35 „Ein jeder kehre vor seiner ... und rein ist jedes Stadtquartier“ (Rollenhagen).36 Gilt unter Franzosen als ziemlich mächtig.37 Ein Mensch kam in seinen Versen immer vor.38 Kurzform für einen Termin. 40 Auf manchem Fensterbrett macht sich diese Dickblattpflanze nett. 41 Auch Minerva hatte einen.

Irgendwo inHamburg: Magellan-terrassen

IMPRESSUMChefredaktion: Claus Strunz (V.i.S.d.P.)Redaktion: Anika Riegert (verantwortlich)Art Direction: Julia WagnerMitarbeiter dieser Ausgabe: Vera Altrock,Albrecht Barke, Jörg Block, Catharina Clajus,Anne Dewitz, Hans-Juergen Fink, Jan Haarmeyer,Jan-Philipp Kalla, Alexander Laux, Klaus Lehnhardt,Thomas Leidig, Karin Lübbe, Peter Maus,Julia Marten, Jens Meyer-Odewald,Joachim Mischke, Norman Raap, Kirsten Rick,Claudia Sewig, Dirk Steinbach, Peter WenigKonzeption & Realisation:mar10 media GmbHGeschäftsführer: Nikolas MartenAnzeigen (verantwortlich): Dirk Seidel,Tel. 040/34 72 25 56Verlag & Druck: Axel Springer AG,Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg

REZEPT VON ELIAS HANNA SALIBALammfilet mit Schafskäse-Basilikum-Sauce

› BROT & SPIELE

VI

Page 7: Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

ROTHENBAUM-STADION

Später spielten seine Söhne am Rothenbaum groß auf. Uwe Seeler startete seine Karriere abseits der Hallerstraße, und sein Spitzname „Uns Uwe“ ist alles andere als ein Zufall. „Noch heute denke ich oft an diese großartigen Jahre zurück“, sagt er. „So etwas kommt nicht wieder.“ Auch nicht der einzige Platz-verweis seiner Laufbahn im Match gegen Bremer-haven 93. Schlamm drüber.

Ausverkauft war eigentlich immer, zumindest in den guten Jahren. Wobei die Zuschauerzahl variierte und meist zwischen 15 000 und 16 000 pendelte. 1980, längst bolzte der HSV in der Betonschüssel im Volkspark, deckte ein Orkan die Südkurve ab. Auch die Ostkurve musste irgendwann wegen Baufälligkeit gesperrt werden. Die Haupttribüne wurde morscher und morscher. Ebenso wie die Behelfsgebäude dahin-ter, die einstmals als Luxus eingestuft wurden. Weil sich die Spieler nun abseits des Stadions umziehen konnten und nicht mehr über die Straße mussten ...

Der ewige Besucherrekord wurde 1925 registriert. Allerdings ohne Ball, sondern beim Boxen. 40 000 er-lebten den K.o.-Triumph von Hein ten Hoff gegen den „Blonden Tiger“ Neusel. Dass nebenan Tennis ge-spielt wurde und wird, weiß in Hamburg jedes Kind, dass in Richtung Turmweg ein Velodrom für Radren-nen stand, kaum noch jemand. Später ließ Präsident Peter Krohn einen Elefanten aufmarschieren.

Allerbeste Erinnerung an Sport vom Ursprüng-lichsten hat HSV-Ikone Harry Bähre. Seine Rothenbaum-Premiere erlebte er in der Sai-

son 1960/61; drei Jahre später ging er als Bundesliga-profi mit der Spielernummer 1 in die deutsche Fuß-ballgeschichte ein. „Der Rothenbaum erinnerte an die alten englischen Stadien. Er war und ist ein Heiligtum. Die Zuschauer hingen in den Bäumen“, sagte Bähre dem magazin. „Mein erstes Spiel bleibt unvergessen.“ Um pünktlich um 17 Uhr am Rothenbaum auflaufen zu können, musste der junge Lehrling die Mittagspau-se durcharbeiten. Dennoch verpasste er die Straßen-bahn vom Gänsemarkt gen Hallerstraße und legte die

Das Stadion am Rothenbaum war ein Ort großer Triumphe und unvergesslicher Momente. JENS MEYER-ODEWALDüber die Freiluftbühne – bis 1971 Heimat von Seeler & Co.

Distanz im Dauerlauf zurück. Mittelfeldspieler Harry war gut im Saft: Trotz der Anstrengung erzielte er den Siegtreffer zum 1 : 0. Dafür gab’s nach dem Schlusspfiffvon Trainer und Geschäftsführer Mahlmann heim-lich einen „Lübecker“: einen 50-Mark-Schein, zu-sammengeknüllt. Wahnsinnig viel Geld damals.

Um diese köstlichen Erinnerungen wach zu halten, hat Bähre daheim ein Stück Rothenbaum stehen: eine ausgesägte Holzreihe der alten Haupttribüne. Dort, wo „Vadder“ Erwin Seeler immer saß. Reihe 11, Plätze 131 bis 143. Manchmal nimmt Harry Bähre dort heute Platz und geht in Gedanken auf Reisen ...

Verdammt lang her ist das. Bis Senat und Bezirk den Beschluss fassten, das Filetgrundstück im Herzen der Hansestadt zu versilbern. Wie geschrieben nicht ohne Schuld des HSV. Mit dem gepachteten Areal war kein Staat mehr zu machen, und die Vereinsimmobi-lien an der Ecke Rothenbaumchaussee/Hallerstraße waren mangels Masse längst verscherbelt worden. Wegen der WM-Modernisierung des Volksparkstadi-ons wurde das letzte Punktspiel am Rothenbaum 1971 gegen Borussia Dortmund (2 : 1) ausgetragen. 18 Jahre später wurde an traditionsreicher Stätte noch ein Po-kalfight gegen den MSV Duisburg angepfiffen, dem HSV-Hooligans ein unwürdiges Ende bereiteten. Auf, ihr Männer? Nix da! In der Endphase bolzte die Ober-ligamannschaft des Klubs vor handverlesener Kulis-se: 300 Zaungäste waren schon viel. Dem Sportgelän-de Ochsenzoll sowie dem Volkspark, so der recht ein-vernehmliche Beschluss, sollte die Zukunft gehören.

Nach dem Abschiedskick am 3. November 1996 war also Schluss mit lustig. Für eine Spende von fünf D-Mark durfte ein Stück Rasen mitgenommen wer-den. Bagger rückten an, Steinmetz Alfred Karbenk ebenso. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern baute er das Rothenbaum-Denkmal ab, auf dem die Namen verstorbener HSV-Mitglieder eingraviert waren. Und tschüs! Auch „Vadder“ Erwin Seeler machte aus sei-nen Gefühlen über das Aus kein Hehl. „Dat is bannig traurig“, befand er in seiner unnachahmlichen Art. „Aber wat wullt du moken ...“

B rasilianische Verhältnisse am Rothenbaum: Auf, ihr Männer! Enthusiastisch peitscht das Pub-likum seinen HSV nach vorne. 20 000 Zuschauer sind enorm in Form – im Gegensatz zu den Rothosen auf dem Acker in diesem Moment. „Mach was!“, ruft ein un-

geduldiger Fan an der Seitenauslinie in Richtung Charly Dörfel. Der dribbelstarke HSV-Stürmer be-folgt die Order auf seine Art. „Gib mal die Pille her. Kriegst sie wieder“, fordert er übermütig von seinem Gegenspieler. Der Widersacher vertraut dem Hamburger Unikum, überlässt ihm den Ball. Dörfel hält – natürlich – Wort. Die Trainer sind mit den Nerven am Ende; das Publikum indes johlt begeis-tert. Denn jetzt geht’s los!

„Auf, ihr Männer!“ hallt es über den Sportplatz an der Rothenbaumchaussee. Wie so oft seit 1910, als der HSV-Vorläufer Hamburger FC 1888 das Gelände von der Stadt pachtete. In den folgenden Jahrzehnten wurden dort großartige Fußballfeste gefeiert. Haut-nah war der Kick. Motto: Sport zum Anfassen. Im wahrsten Sinn des Wortes. Bis die Anlage zusehends verrottete und nach dem 3. November 1996 endgül-tig plattgemacht wurde. Wo einst das Herz des HSV lustvoll pochte, stehen heute ein gesichtsloses Me-dienzentrum aus Beton, Stahl und Glas sowie kost-spielige Eigentumswohnungen, deren Fassade grau-enhaft anmutet. Wenige haben hier viel Geld gemacht, das ist zu sehen – und zu spüren.

Der HSV, nicht ganz schuldlos seiner ursprüngli-chen Heimat verlustig, spielte schließlich nur noch im Volksparkstadion. Der Deutsche Fußball-Bund drang darauf, nicht zwei Austragungsorte gleichzei-tig zu haben. Später wurde der neue Wigwam am Volkspark gleichfalls abgerissen und durch eine mo-derne Arena wechselnden Namens ersetzt. Auch wenn die glorreichen Festspiele vom Rothenbaum längst Geschichte und die Spieler Legenden sind, bleibt eine famose Sportära in der Erinnerung le-bendig. Wenn Idole wie Tull Harder, Jupp Posipal, Spundflasche, Warning, der Torwart mit den Kraken-armen, Matchwinner Boller, Woitkowiak und natür-lich die Seelers den Rothenbaum-Rasen in eine Frei-luft-Bühne verwandelten, reagierten die Hanseaten mit dem südländischen Teil ihrer Seele.

„Ungeahnt temperamentvoll steht das Publikum den Spielern zur Seite“, notierte einst ein Chronist im Stadionmagazin ganz ergriffen. „Die Zuschauer sind der 12. Mann.“ Was heutzutage am Millerntor fasziniert, begeisterte damals am Rothenbaum. Kei-nen Deut musste sich Hamburg hinter klangvollen Heimstätten des Fußballs wie Glückauf-Kampfbahn oder Stadion Rote Erde verstecken. Die Hausse des HSV machte einen Stadtteil international bekannt. Auf, ihr Männer!

Unvergessen ist die Nähe zwischen den spielen-den Hauptpersonen und der zuschauenden Anhängerschaft. „Barrieren gab es nicht“, er-

innert sich Uwe Seeler. Auch weil die Männer mit den kurzen Hosen in den Anfangsjahren von den Umkleideräumen auf der anderen Straßenseite über die Rothen-baumchaussee ins Stadion mar-schieren mussten – vorbei an der applaudierenden und oft schulter-klopfenden Menge. Die Straßen-bahnlinien 18 und 27 stoppten nur zu gerne, um den HSV-Mata-doren den Vortritt zu lassen. Und nach dem Abpfiff wurden Match und Chancen gemeinsam disku-tiert. Nicht selten mit einem Pils in der Hand ...

Temperamentvoll machten die Hanse-Tifosi vom Rothenbaum ihren kickenden Heroen Beine – und meist zeigten sich diese gut in Schuss. 1922 und 1923 wurden hier Deutsche Meis-terschaften zelebriert, 1924 der zweite Platz. „Nir-gendwo ist das Publikum so gnadenlos wie am Ro-thenbaum“, brachte das Journalisten-Urgestein Horst Freese die formidable Stimmung zwischen Hal-lerstraße und Turmweg trefflich auf den Punkt. Zwi-schen 1947 und 1963 verloren die Männer mit der Raute im und über dem Herzen lediglich 20 Oberliga-Duelle – davon fünf gegen den Erzrivalen Werder

Bremen und vier gegen den Lokalkonkurrenten FC St. Pauli. In der Regel wurde gewonnen. Und wie!

Der leider längst verstorbene Fotograf Otto Metelmann dokumentierte meisterhaft eine Ära, bei der auch heute noch nicht nur Zeitzeugen von Herz-klopfen befallen werden. Die meisten kamen mit der Straßenbahn. Oder mit dem Fahrrad. Wobei nach dem Zweiten Weltkrieg besonders ausgeschlafene Buttjes 50 Pfennig sparten, indem sie verbotene, je-doch augenzwinkernd tolerierte Wege gingen. Vom Mittelweg anradelnd, fuhren sie an der Kirche vor-bei, stellten ihre Räder von außen an den Zaun, be-

stiegen den Sattel – und freuten sich über einen Extraplatz de luxe. Auf, ihr Männer!

Nicht nur der Nachwuchs war nah dabei, irgendwie wurde das gesamte Fußballvolk in den Bann gezogen. Otto Metelmanns Sohn Thomas pflegt den fotografischen Nachlass seines Vaters mit In-brunst. So kann sich jeder ein Bild machen vom Hamburger Palast des Königs Fußball. Lange Schlan-gen vor den Kassenhäuschen an der Rothenbaumchaussee, Schil-der mit Aufschrift „Aufgang F Turmweg“ und „Aufgang H Mit-telweg“, Kiebitze auf den Außen-zäunen, Fan-Grüppchen ohne Tickets, die vor den Toren am Ra-dio mitfiebern, „Udls“ hoch zu

Ross, ausgemergelte Spieler in den Nachkriegs-jahren, die fröstelnd in die kargen Kabinen zurück-eilen – da kommt Gänsehaut pur auf. Und weil Ab-sperrungen zwischen Rasen und Zuschauerrängen unnötig waren, rückten die Menschen ganz nah ans Spielfeld ran. Legendär ist ein Bilddokument Metel-manns mit „Old-Erwin“ Seeler im Fokus: „Vadder“ tritt zu einem Eckstoß an – und ihm zu Füßen kau-ern die Fans. Hautnah eben.

Sonnabend / Sonntag, 16. / 17. Januar 2010

LEGENDÄRE LEKTÜRE

» Nur der HSV Titel, Tore, Emotio-nen – der HSV, Hamburgs Fußball-klub Nummer eins, prägt das Stadt-bild und die Bundesliga. Hier wurden Profis zu Idolen, Siege zu Trophäen und Probleme mitunter auch zu Krisen. Seit mehr als 60 Jahren ist das Hamburger Abendblatt hautnah dabei und hat die Raute im Blick.Zehn Phasen mit spektakulären Ereignissen, originalen Zeitungs-ausschnitten, Interviews mit Zeit-zeugen und außergewöhnlichen Liebesbekundungen skizzieren das stetige Auf und Ab des HSV.384 Seiten,24,95 Euro.Im Buchhandel und über www.abend-blatt.de/shop

» Nur der HSV – Limited EditionDiese Sonderanfertigung ist auf 999 nummerierte Exemplare begrenzt. Alle sind von Uwe Seeler handsigniert. Zusätzlich haben alte und neue HSV-Stars wie Charly Dörfel, Bruno Labbadia, Lotto King Karl oder Hermann Rieger in dieser limitierten Edition unterschrieben.Dieses Sammlerstück ist in einer besonders edlen Qualität gefertigt und kommt in einem hochwerti-gen, stabilen Schuber.384 Seiten,89 Euro – exklusiv über www.abend-blatt.de/shop

Auf,

Luftaufnahme: Am 20. Mai 1951 verlor der HSV gegen den 1. FC Nürnberg mit 1:2 (o.).

Teilabriss der baufälligen Tribüne (1994),zwei Jahre vor dem endgültigen Aus (u.).

Hautnah: „Vadder“ Erwin Seeler 1948 dicht bei den Fans vor einem Eckstoß (r.).

FOTOS: METELMANN PHOTOGRAPHIE (2),

ULLSTEINBILD/WALLOCHA

„Ich denke oft an diese Jahre zurück. So etwas kommt nicht wieder.“

Uwe Seeler, 73, HSV-Idol,476 Spiele, 404 Tore (1953 – 1972)

FOTO

:PIC

TURE

-ALL

IANC

E

ihr Männer!

› GESTERN & HEUTE

VII

Page 8: Fragedes Herzens - static.apps.abendblatt.destatic.apps.abendblatt.de/flips/magazin/magazin2010_03/files/... · 03 2010 SONNABEND / SONNTG,A16. / 1.7ANUJ AR2010 E s war diesmal gar

FOTO

S:IS

TOCK

PHOT

O,PR

IVAT

Sonnabend / Sonntag, 16. / 17. Januar 2010

Die Wochenvorschau 18.–24. JANUAR

LESUNG: Die Erzählung „Der Fall“ von Albert Camus, der vor fünfzig Jahren bei einem Autounfall starb, hat selbst seinen Kontrahen-ten Sartre beeindruckt. Nach einer kurzen Einführung liest Gustav Peter Wöhler Auszüge aus dem Mo-nolog eines scharfsinnigen, witzi-gen, selbstironischen Beobachters.Dazu gibt es einen prall gefüllten Büchertisch. Polittbüro, 20 Uhr.

THEATER: Bei Agatha Christies „The Mousetrap“, von den Univer-sity Players in englischer Sprache gespielt, entfaltet die Frage nach dem „who is who“ brenzlige Dring-lichkeit. Audimax, 19.30 Uhr.

KONZERT: Ultravox-Frontmann Midge Ure präsentiert seine Pop-Hits puristisch solo. Fabrik, 21 Uhr.

TANZEN: Die Singles knistern,man geht auf Tuchfühlung bei der „1322. Hamburger Engtanzfete mit Alleintanzverbot“ im schummrigen Knust. 11 Jahre und drei Monate nach der letzten Party lebt die Tradition zum 27. Geburtstag wieder auf.

SCHUNKELN: Die Kastelruther Spatzen sind die Superstars der Volksmusik. Live im CCH, 19.30 Uhr.

KINDER: Die „Vorstadtkrokodile 2“ kommen mit Witz, Cleverness und viel Action fieser Fabriksabo-tage auf die Spur. Cool – und gut! Zum Beispiel im Abaton, 15 Uhr.

KINO: In der Komödie „WennLiebe so einfach wäre“ bekom-men Meryl Streep, Alec Baldwin und Steve Martin bei ihren ver-gnüglichen Romanzen zweite und weitere Chancen. Z. B. im Streits.

AUSSTELLUNG: „Die Freiheit lebt! Widerstand und Verfolgung in Hamburg 1933 – 1945“, so der programmatische Titel der Ausstel-lung, die von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit Unterstützung der Hamburger Bürgerschaft erar-beitet wurde. Heute wird die bild-starke Schau, die bis zum 14.2. in der Diele des Hamburger Rathauses zu sehen ist, eröffnet. 18 Uhr.

SCHLAGER: Gefühl in der Stim-me, Glamour im Auftritt – Andrea Berg möchte mit Songs „Zwischen Himmel und Erde“ und knappen Bühnenoutfits die Color Line Arena zum Toben bringen. 20 Uhr.

BALL: Sehen und gesehen werden, feiern und flanieren – der Hamburger Presseball ist eines der wichtigsten gesellschaftlichen Ereignisse der Stadt. Hotel Atlantic.

THEATER: Erstmals finden in Hamburg Lessingtage statt.Eröffnet werden sie von Ilija Troja-now mit einer Rede zu Fragen einer weltbürgerlichen kosmopolitischen Kultur heute, beendet werden sie mit der Verleihung des Lessing-Preises am 7.2. Dazwischen gibt es Gastspiele, Lesungen, Konzerte,Performances u. v. m. Eröffnung: Thalia-Theater, 11 Uhr, Eintritt frei.

In der Werkstatt von „Lockengelöt“ lagern mehrere Kisten mit dem Romy-Schneider-Roman „Ende einer Nacht“ von Olaf Kraemer. Die Ausgaben wurden teilweise geschwärzt.

Der Blumenbar Verlag, in dem der Roman erscheinen sollte, durfte per gerichtlichem Beschluss nur noch die zensierte Version ausliefern. Die Bücher sind mit Aufklebern verse-hen: „Collector’s Edition. Einstweilige Verfügung: 152 Wör-ter weniger.“ Für die einen wären diese Mängelexemplare nun Altpapier. Für Dennis Schnelting, 31, und Carsten Trill, 31, dagegen sind sie wunderbare Schlüsselbretter. Ein be-sonderes Geschenk für Kunden und Anwälte fand zudem der Verlag und gab den beiden Inhabern des kleinen Ladens „Lo-ckengelöt“ in der Wohlwillstraße auf St. Pauli den Auftrag, 50 geschwärzte Romane zu „Schlüsselromanen“ (ab 17 Eu-ro) umzufunktionieren, indem sie die Bücher mit drei Ha-ken piercen. Aus alt mach neu. Oder wie es auf der Internet-seite heißt: „Zweckentfremdung und Recycling von Alltags-gegenständen“.

So wird aus zwei miteinander verlöteten Langspielplatten eine Tonträger-Tasche. Wer seine Lieblings-Hits mit sich he-rumtragen will, kann auch eigene Vinyls ins Geschäft bringen und verarbeiten lassen. Überhaupt bringen Kunden Schrott und Ausrangiertes vorbei, um sich daraus etwas Schönes und Neues machen zu lassen. Dann kommen Lötkolben und Schweißbrenner im Keller zum Einsatz. „Wir entfremden Alltags-Gegenstände und geben ihnen einen neuen Zweck“, erklärt Trill das Shop-Konzept. Was andere wegwerfen, wird hier zum Unikat. Kunden dürfen Wünsche äußern.

Ölfässer werden zu Schranksystemen mit Fächern und Türen, farbige Schallplatten werden erwärmt und gebogen, sodass Wandleuchten und Obstschalen entstehen. Trocken-hauben werden Stehlampen; Waschmaschinentrommeln zu Kommoden oder Deckenleuchten.

In einer Schale liegen Flaschenöffner aus Kickerfiguren (15 Euro), selbstverständlich im St.-Pauli-Trikot. „Die sind von Carsten Jägering, einem der Mitbegründer des Ladens“, sagt Trill. „Er und Dennis haben zuerst Trödel von Floh-

Aus altmach neuRecycling der besonderen Art betreiben die Macher von „Lockengelöt“ auf St. Pauli. Aus Alltagsutensilien werden sinnvolle Style-Produkte.

TEXT: ANNE DEWITZ • FOTOS: THOMAS LEIDIG

märkten aufpoliert und verkauft. Ich kam quasi als Prakti-kant dazu, um vom Studium freigestellt zu werden.“ Die drei kannten sich bereits aus dem Münsterland, wo sie herkom-men. Nach drei Jahren trennten sich Schneltings und Jäge-rings Wege. Zeit für einen Neustart. Da war Trill längst kein Praktikant mehr, sondern gehörte zum festen Inventar.

Der Grafikdesigner und Schnelting machten allein weiter. Das „Lockengelöt“-Gespann fing an, sich auf Messen zu prä-sentieren. Sie gewannen einen Förderpreis für junge Unter-nehmer. „Von da an wurden wir ernst genommen“, sagt Trill.

„Lockengelöt“ klingt ein wenig seltsam. Der Name bedeu-tet irgendetwas Technisches, genauer kann Trill es auch nicht beschreiben. Das Wort stammt aber nicht aus dem Lied „Ich betäube mich“ von Deichkind, wie man meinen könnte. Es handelt sich um eine Wortschöpfung von Studio Braun, dem Künstlertrio aus Hamburg.

Einmal im Monat finden Ladenkonzerte und „langweilige Vorträge“ statt. Letztere waren eine Anti-Reaktion auf eine

HANDGEMACHT

Aktion der Steg (Stadtentwicklung und Stadterneuerung). „Bei einer St.-Pauli-Kreativnacht haben alle Läden etwas Verrücktes auf die Beine gestellt“, sagt Trill. „Wir dachten uns, wir machen das Gegenteil.“ Sie luden einen Techniker der Lufthansa ein, der über Triebwerke sprach. „Heutzutage muss immer alles gleich mega-fun-event-mäßig sein“, sagt er. „Damit wollen wir nichts zu tun haben.“ Und so finden auch die Konzerte eher im kleinen Rahmen statt. Und statt großer Gagen bekommen Musiker wie der Schlagzeuger von den „Babyshambles“ eine kleine Aufwandsentschädigung und werden von den Jungs, die auch auf St. Pauli leben, be-kocht. Im Frühjahr bringen sie einen Sampler raus, mit den Bands, die schon einmal im „Lockengelöt“ aufgetreten sind.

Trill und Schnelting machen selber Musik. Ihre Band heißt „The Ricky Kings“. Ihre Musik ist auf rotem Venyl ge-presst. „Wir haben gleich doppelt so viele Platten pressen lassen, wie wir gebraucht hätten“, sagt Trill. Aus dem Über-schuss wurden Lampen.

MISCHKESSTADTGEFLÜSTER

Ottensen ist ein dankbares Pflaster für Sozialstudien, ich muss dafür nur kurz vor die Haustür. Strick-

mützen-Watching zum Beispiel, dafür ist jetzt Hochsaison. Heikles Thema. 1�a Glaubensfrage quasi, das glaubst du nicht, würde Kommissar Brenner aus den Wolf-Haas-Krimis sagen.

Früher, als ja alles sowieso besser war, da hatte man im Winter so gut wie keine Wahl. Man trotzte der Kälte rund um die Ohren und knurrte wie Dirty Harry hin und wieder einen Fluch durch die zusammengebissenen Zähne. Oder man griff zur einfarbigen Strick-mütze. Fertig. Ging auch. Und? Hat uns das geschadet, das mütterliche Müt-zendiktat? Nein, hat es nicht. Das war wie mit dem Hanseaten, der jede Farbe trägt, Hauptsache dunkelblau und man kann zwei Reihen Goldknöpfe draufnä-hen. Da musste man mit Würde durch.

Aber heute? Strickmonster. Kunter-bunte Bommelbeutel, die Männer wie Schlümpfe aussehen lassen. Bei Frauen sind Haarsäckchen beliebt, in denen Rapunzel ihre Mähne verstauen könn-te. Oder man begegnet der XXL-Ohr-lappen-Kappe Modell „Farbenblinder Rentierzüchter ohne Freundeskreis“. Wäre Mario Barth eine Mütze, genau das wäre er. Und dass diese Fleece-Stirnbänder funktionieren sollen, die wie eine adlerfederlose Winterberei-fung für Hobby-Indianer aussehen, will mir auch nicht in den Kopf. Ich will sie

aber noch viel weniger am Kopf haben. Schlimmstenfalls trifft Geschmacks-verirrung in Szene-Stadtteilen auf Gen-trifizierungs-Symptome. Verunglückte Selbstironie – pah, meine Mütze ist noch viel bekloppter als deine – schau-kelt sich mit der Trend-Strickware bis zur ästhetischen Katastrophe am Schä-del hoch. Das Klischee-Dreierpack da-zu sieht so aus: Überteuerter Chai Latte to go mit Zimt und laktosefreier Milch, hochpreisiger Designer-Kinderwagen, alberne Mütze. Passt Männern und Frauen. Für ganz harte Fälle: Bionade on the rocks, für das nachmittägliche Überwintern vor dem angesagten Café. Mit einem Wort: schlimm. Mit zwei Worten: ganz schlimm. Und falls mich jetzt jemand ganz, ganz schlimm be-schimpfen will – kein Problem, man findet mich leicht. Ich bin der mit der dunkelblauen Strickmütze.

Auf die Mütze

CATHARINA CLAJUS, 32, ging im Frühjahr 2008 in die Schweiz, um die Leitung Layout / Kreation der „Welt-woche“ in Zürich zu übernehmen – und viele neue Vokabeln zu lernen.

Ich bin angekommen. Ein neues Land, ein neuer Pass (ein Auslän-derausweis !), eine neue Sprache, eine neue Währung. Grüezi.

Es ist wunderschön, man muss sich nur ein wenig daran gewöh-nen: Alles ist etwas langsamer, als man es gewohnt ist, aber die Ruhe, die man erfährt, ist Balsam für die Seele. Ein Blick auf die von Schnee behangenen Berge am Zürichsee und der Gang durch die kleinen Gassen in Zürichs Niederdorf (der Altstadt) ist wunderschön. Es ist ruhig, es ist

alt, es ist traditionell und charmant. Gleichzeitig

ist es jung, dynamisch, modern und offen. Offen für Neues.

Das erste wirklich spür-bar Neue ist die Sprache

mit einem neuen Vokabular und einer ganz neuen Melodie. Es ist nicht so, dass man die Schwei-zer nicht verstehen würde, aber sie drücken sich anders aus, verwenden zum Teil Wörter, die einem nicht wirklich geläufig waren, bis jetzt jedenfalls.

Vieles Neue endet auf „ i“ oder „li“. Damit macht sich das Neue stets von ganz allein bemerkbar. Bestellt man beispielsweise ein Brötchen beim Bäcker, heißt die-ses weiße, runde Gebäck: Weggli. Das Weggli gibt es in zig verschie-denen Varianten, nämlich als Dinkel-, Vollkorn-, Sesam- oder Oliven-Weggli. Der große Bruder vom Weggli ist das Buerli, es ist nur etwas rustikaler und knacki-ger. Ein Croissant ist ein Gipfeli, welches auch als Schoki- und Nuss-Gipfeli erhältlich ist.

Ein Feldsalat ist hier ein Nüssli-Salat, ein Alsterwasser zum Nüss-li-Salat ist ein Panasch, ein Stück Pute heißt hier Poulet, und ein Kaffee bleibt ausnahmsweise ein Kaffee. Doch das kleine Gebäck, bzw. der Keks dazu, ist nicht einfach nur ein Keks, sondern ein Guäzli. Grüezi!

Pflicht ist es, sich auf das Neue einzulassen, sich die Zeit zu nehmen, um anzukommen. Das bin ich nun, seit schon fast einem ganzen Jahr. Und auch wenn es wunderschön ist und sich nach zu Hause anfühlt, so hängt mein Herz doch stets an Dir – Hamburg, meine Perle.

MADE IN HAMBURGSeit Störtebeker wird das Piratentum in Hamburg glorifiziert. Und Modetrends sorgen dafür, dass sich nicht nur FC-St.-Pauli-Fans gerne mit Toten-kopf-Utensilien schmü-cken: „Piraten-Toasts“ brennt dieser Toaster.

Toaster Totenkopf, 34,95 Euro, im St. Pauli Fanshop, Heiligengeistfeld.

Zürich

Paul Panzer „Heimatabend Deluxe“, Hörbuch-CD für 17,DVD für 25 Euro, gesehen bei Saturn, Mönckebergstr. 1.

Buch: „Intelligenz des Her-zens“ von Osho, Innenwelt Verlag, 10,80 Euro, gesehen bei Thalia, Große Bleichen 19.

Kontakt» Lockengelöt Die Gelöte-manufaktur, Wohlwillstr. 20,20359 Hamburg, Öffnungszeiten: Mo – Fr 10 – 19, Sa 11 – 16 Uhr,Tel. 89 00 13 26, Onlineshop: www.lockengeloet.com

Kolumne» An dieser Stelle schreiben im wöchentlichen Wechsel die Abendblatt-Redakteure Maike Schiller und Joachim Mischke.

MEIN STYLE-TRIO

Alles für die Wand: Die Kollektion an Uhren und Lampen wächst ständig.

Was bereitet Ihnen außer Ihrem Traumberuf Fußball-Profinoch gute Laune?Die Hörbücher von Paul Panzer. Sein Humor ist die beste Medizin gegen schlechte Stimmung nach einer Niederlage. Auch Atze Schröders Hörbücher kann ich nur schwer aus der Hand legen.

Als Fußballspieler sind Sie viel auf Reisen. Worauf können Sie auch bei Auswärtsspielen nicht verzichten?Mein i�Phone ist absolut unverzichtbar. Ich telefoniere einfach gerne mit meinen Freunden. Und obwohl ich eine Flatrate habe, ist meine Handy-Rechnung doch immer wieder deutlich höher als gedacht. Ich höre auch gerne mit dem i�Phone Musik – besonders Karnevalslieder.

Das glaubt mir zwar niemand, es ist aber wirklich wahr.

Und wie entspannen Sie sich am besten nach einem erfolg-reichen Spiel?Ich lese sehr gerne. Mein Lieblingsbuch ist „Intelligenz des Herzens“ von Osho. Das Werk kann man nur empfehlen. Es beschreibt die menschlichen Defi-zite, die fast alle von mangelnder Herzensintelligenz herrühren.

HSV-Star und Fussballnationalspieler Marcell Jansen verrät, mit welchen Dingen er sich vor und nach einem Spiel ideal entspannen kann.

Hören, fühlen, lachen

FOTO

S:PR

ILLU

STRA

TION

:JÖR

GBL

OCK

Schlüsselromane nennen die Macher von „Lockengelöt“, Dennis Schnelting (l.) und Carsten Trill (r.), ihre Kreation zur Schlüsselaufbewahrung.

i Phone von Apple ab 1 Euro (nur mit T-mobile-Vertrag),gesehen bei Hamburg 4,Johnsallee 65 – 67.

› STIL & LEBEN

VIII

MONTAG DIENSTAG MITTWOCH DONNERSTAG FREITAG SONNABEND SONNTAG

FOTO

:MAR

CELO

HERN

ANDE

Z