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Trends und Treiber für Human Resources im Mittelstand Eine Studie für die D-A-CH-Region HR-Strategie 2020

Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

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Page 1: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

Trends und Treiber für Human Resources im Mittelstand Eine Studie für die D-A-CH-Region

HR-Strategie 2020

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HR-Strategie 2020 Vorwort 2

Haftungsausschluss: Alle Angaben wurden sorgfältig recherchiert und zusammengestellt.Für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts sowie für zwischenzeitliche Änderungen übernehmen Redaktion, Verlag und Herausgeber keine Gewähr.

© Juni 2016

FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH – Der F.A.Z.-Fachverlag, Frankenallee 68–72, 60327 Frankfurt am Main (Verlag und Redaktion; Geschäftsführung: Torsten Bardohn, Dr. André Hülsbömer)

Cornerstone OnDemand Inc., Maximilianstraße 35a, 80539 München

Hoyck Management Consultants, Güterplatz 6, 60327 Frankfurt am Main

Alle Rechte vorbehalten, auch die der fotomechanischen Wiedergabe und der Speicherung in elektronischen Medien.

Verantwortlicher Redakteur und Autor: Dr. Guido BirknerGestaltung, Satz, Lektorat: FRANKFURT BUSINESS MEDIA – Der F.A.Z.-Fachverlag

Druck und Verarbeitung: Boschen Offsetdruck GmbH, Alpenroder Straße 14, 65936 Frankfurt am Main, www.boschendruck.deMit Ökofarben auf umweltfreundlichem Papier gedruckt. Diese Studie wurde klimaneutral hergestellt. Der CO2-Ausstoß wurde durch Klimaschutzprojekte kompensiert.

Titelfoto: Wavebreakmedia/iStock/Thinkstock/Getty Images

Impressum

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3

Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung wird Berufstätigkeiten verän-dern und neue Funktionsprofile schaffen. Bereits jetzt befindet sich die Ar-beitswelt im Umbruch. Da scheinen selbst mittelfristige Personalplanungen angesichts des Wandels und immer kürzerer Innovationszyklen gewagt zu sein. Manche Unternehmen steuern nur noch auf Sicht – und das heißt, ma-ximal für die kommenden zwölf Monate.

Doch der Umbruch in der Arbeitswelt macht HR-Strategien nicht obsolet, wenn es um das knappe Gut Mitarbeiter geht. Vielmehr gewinnt das Perso-nalressort in vielen Führungsetagen an strategischer Relevanz. Bereits jetzt stellen Großunternehmen ihre HR-Strategie sowie ihre Strukturen und Pro-zesse im Personalbereich regelmäßig auf den Prüfstand und positionieren sich bei Bedarf neu. Mit der Etablierung neuer Formen der Zusammenarbeit und der Vernetzung verschwimmen in vielen Organisationen Hierarchien und die Grenzen zwischen innen und außen. Vor allem Großunternehmen richten sich derzeit intensiv auf die neue Arbeitswelt ein, während Teile des Mittel-stands und der inhabergeführten Familienunternehmen hier erst noch nach-ziehen. Dabei verspüren gerade die mittelständischen Betriebe, die ihr Ge-schäft weltweit ausweiten und international durch Übernahmen gewachsen sind, großen Bedarf, sich professionelle HR-Strukturen und eine strategische Basis zuzulegen.

An diesem Punkt stellen sich die Herausgeber der vorliegenden Studie „HR-Strategie 2020“ die Frage, wie weit der große Mittelstand und Famili-enunternehmen auf diesem Weg bereits vorangekommen sind und woran sie sich orientieren. Deshalb ist es das Ziel der Untersuchung, herauszu-stellen, welche HR-strategischen Schwerpunkte der große Mittelstand und Familienunternehmen in der D-A-CH-Region setzen und inwieweit sie sich dabei von börsengelisteten Konzernen unterscheiden. Dafür hat FRANKFURT BUSINESS MEDIA – der F.A.Z.-Fachverlag Top-Manager und HR-Entscheider in 300 Unternehmen ab 400 Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz online bzw. per Telefoninterview anhand eines strukturierten Frage-bogens zu ihrer HR-Strategie bis 2020 befragt. Zudem wurde die Perspek-tive von Großunternehmen über neun Face-to-Face-Interviews mit HR-Ent-scheidern in Großunternehmen eingefangen. Dementsprechend ist die Studie zweigeteilt. Im ersten Teil finden die Leser die Aufbereitung und Analyse der Ergebnisse der quantitativen Erhebung in 300 Unternehmen, während die Face-to-Face-Interviews im zweiten Teil dokumentiert sind.

FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH – Der F.A.Z.-FachverlagCornerstone OnDemand Hoyck Management Consultants

Vorwort

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HR-Strategie 2020 Executive Summary 4

Vorwort 3

Executive Summary 5Die Zukunftsfähigkeit des Mittelstands hängt vom Personal ab

Studiendesign 8Methodik und Befragtengruppe

Befragungsergebnisse: Strategie 9 HR-Strategie für eine neue Arbeitswelt

Befragungsergebnisse: Digitalisierung 14 Nachholbedarf bei der Prozessautomatisierung

Befragungsergebnisse: Investitionen und Kosteneffizienz 15 Optimierungsbedarf bei der Kosteneffizienz

Top-Entscheider im Interview 19

Ansprechpartner 47

Inhalt

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5

Executive Summary

Die Zukunftsfähigkeit des Mittelstands hängt vom Personal ab

In die Executive Summary fließen sowohl die Er-gebnisse der quantitativen Befragung als auch

Aussagen aus den Face-to-Face-Interviews ein. Dabei steht im Fokus, herauszustellen, wie sich der Mittelstand HR-strategisch bis 2020 aufstellt, wo er den größten Handlungs- und Investitionsbe-darf sieht und welche Megatrends die HR-Verant-wortlichen beschäftigen werden.

Megatrends: Der Fachkräftemangel ist bis 2020 die größte Baustelle für mittelständische Unternehmen. Angesichts alternder Belegschaften und kürzerer Innovationszyklen drohen Know-how-Verlust und Wettbewerbsnachteile.

Der Mittelstand in Deutschland, Österreich und der Schweiz muss in den kommenden Jahren an erster Stelle Lösungen für den wachsenden Fach-kräftemangel finden. Kein anderes Themenfeld beschäftigt die Top-Manager in den Unternehmen derzeit so intensiv wie der Personalbedarf. Bei der offenen Frage nach den größten Zukunftsheraus-forderungen für Unternehmen insgesamt entfie-len 38 Prozent aller spontanen Nennungen auf Personalthemen. Die Entscheider im Mittelstand machen sich die meisten Gedanken darüber, wie sie angesichts der demographischen Entwicklung ihren Bedarf an Fachkräften künftig decken und wie sie neue Fach- und Führungskräfte intern auf-bauen können.

Das Personalthema ist für viele Mittelständler ebenso wie für Konzerne existenziell. Mehrere Top-Entscheider verweisen spontan auf das Risi-ko des künftigen Know-how-Verlustes im eigenen Betrieb aufgrund des altersbedingten Ausschei-dens relevanter Funktionsträger und Führungs-kräfte. Dadurch drohen dem Mittelstand, aber auch manchen Großunternehmen, angesichts des scharfen globalen Wettbewerbs in vielen Branchen geschäftliche Nachteile. Der Mittelstand sorgt sich insbesondere um seine Wettbewerbs- und Innova-tionsfähigkeit und um Finanzierungsmöglichkeiten in einem oft schwierigen weltpolitischen Umfeld. Demgegenüber setzen sich Großunternehmen vor allem mit der Industrie 4.0 auseinander.

Zukunftsaufgaben: Der Mittelstand muss seine HR-Strukturen und HR-Prozesse in der gesamten Organisation professionalisieren, um auch inter-national weiter wachsen zu können. Die demo-graphische Entwicklung und die Digitalisierung sind die stärksten Treiber für die HR-strategische Ausrichtung der Betriebe.

HR im Mittelstand wird sich künftig vor allem mit den Herausforderungen auseinandersetzen, die sich aus der demographischen Entwicklung für die D-A-CH-Region ergeben. Zudem rechnen viele Top-Manager damit, dass der Wandel der Arbeits-welt durch die Digitalisierung die Gesamtstrate-gie ihres Unternehmens und deren HR-Strategie stark beeinflussen wird. Die HR-Verantwortlichen sollten die eigenen Strukturen und Prozesse grup-penweit und damit auch international professio-nalisieren und harmonisieren. Nur so können die zentralen HR-Funktionen mit dem rasanten Wan-del der Arbeitswelt und dem eigenen Wachstum Schritt halten. Bislang weisen viele mittelständi-sche Betriebe im Personalressort noch Struktu-ren und Prozesse auf, die den Erfordernissen ihres Kerngeschäfts nicht mehr gerecht werden. Auch wachsen Unternehmen durch Akquisitionen, ohne dass Doppelstrukturen in zentralen Bereichen wie HR konsolidiert und heterogene administrative Prozesse harmonisiert werden. Als eine Folge sol-cher Ineffizienzen entstehen dem Mittelstand hohe Kosten in der Administration.

Bei der Optimierung von HR-Strukturen und -Prozessen sind global agierende Großunterneh-men in der Regel deutlich weiter als mittelständi-sche Betriebe, doch nur wenige Konzerne sind bei der Digitalisierung ihrer HR-Prozesse up to date. Gerade große Mittelständler mit einer vierstel-ligen Mitarbeiterzahl und einer breiten globalen Präsenz erleben in der Praxis immer wieder, wie kompliziert und aufwendig es ist, die benötigten HR-Strukturen für ein internationalisiertes Ge-schäft nachholend aufzubauen.

„HR muss das Unternehmen

und seine Bereiche

befähigen, die Geschäfts-

ziele zu erreichen.“

Dr. Piotr Bednarczuk,

Merck KGaA (S. 38)

„Aufgrund der dezentralen

Struktur und der starken

Regionen können wir für

den Nestlé-Konzern von

einer HR-Strategie sprechen,

die lokale Spezifika berück-

sichtigt.“

Peter Hadasch, Nestlé

Deutschland AG (S. 41)

„Wir stellen uns die Frage,

wie sich die Anforderungen

an unsere Mitarbeiter vor dem

Hintergrund von Digitalisierung

und Industrie 4.0 verändern.“

Andreas Horn,

KRONES AG (S. 32)

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HR-Strategie 2020 Executive Summary 6

Strategie: Nur knapp jedes zweite Unternehmen verfügt über eine zentrale HR-Strategie, die aus der Gesamtstrategie des Unternehmens abgeleitet ist und einen Mehrwert für diese leistet. Angesichts von Industrie 4.0 gewinnt das IT-Ressort an strategischer Relevanz für den Mittelstand.

Nur etwa jedes zweite befragte mittelständi-sche Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz verfügt bereits über eine zentra-le HR-Strategie, die sich aus der Unternehmens-strategie ableitet. Manche Unternehmen arbeiten bislang noch mit regionalen Strategien oder mit spartenbezogenen Konzepten. Die wachsende strategische Relevanz der Informationstechnolo-gie aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt lässt sich daran ablesen, dass bereits jedes fünfte befragte Unternehmen eine IT-Strategie aus der Unternehmensstrategie ab-leitet.

Während deutsche und österreichische Unter-nehmen häufig eine zentrale HR-Strategie ver-folgen, geben Schweizer Unternehmen gern eine zentrale Rahmenstrategie für die Personalpla-nung vor, die aber Raum für regionale Freiheiten lässt. In deutschen Großunternehmen sind derzeit zentrale wie auch dezentrale Strategieansätze an-zutreffen. Allerdings tendieren viele Unternehmen gegenwärtig dazu, ihre HR-Strukturen und -pro-zesse zu harmonisieren und damit auch zu zen- tralisieren. Für strategische Managementansätze wie das Talentmanagement, die top-down in ei-nem Unternehmen implementiert werden sollten, sind eine einheitliche Definition der Begriffe und Funktionen entscheidend für eine erfolgreiche gruppenweite Umsetzung.

Zeithorizont: Der Umbruch in der Arbeitswelt ermöglicht den Unternehmen maximal eine mittelfristige HR-Strategie mit einem Zeithorizont für die nächsten zwei bis vier Jahre. Längerfristige Personalplanungen veralten rasch und entsprechen dadurch nicht mehr dem realen Bedarf.

HR-Strategien werden von den meisten Unter-nehmen mit einem maximal mittelfristigen Zeit- horizont angelegt. Längerfristige Strategien, die über das Jahr 2020 hinausgehen, sind selten und verlieren schnell ihre Relevanz für die Realität. Auch eine Personalplanung auf Jahressicht wird dem Bedarf der meisten mittelständischen Un-ternehmen nicht gerecht. Ein kurzfristiger Pla-nungshorizont eignet sich für Betriebe in Ausnah-mesituationen wie beispielsweise einem Merger oder einer existenziellen Krise.

Tendenziell neigen kleinere Betriebe sowie in-habergeführte Familienunternehmen stärker als Großunternehmen zu kurzen Planungshorizonten für die HR-Strategie. In mittelgroßen Organisatio-nen mit Belegschaften ab 400 Mitarbeitern entwi-ckeln die Geschäftsführung bzw. der Vorstand die HR-Strategie oft allein, während die Personalver-antwortlichen dort nur begrenzt in die Gestaltung der Strategie eingebunden sind. Hingegen sind HR-Vorstände und Personalleiter im Mittelstand oft für die Umsetzung der abgestimmten HR-Stra-tegie verantwortlich. Für diesen Schritt werden tendenziell vermehrt auch Fachbereichs- und Re-gionalleiter hinzugezogen.

Anders ist die Rollenverteilung bei der Ent-wicklung und Umsetzung der HR-Strategie in Großunternehmen. Hier erarbeiten die HR-Ver-antwortlichen häufig ein erstes Strategiekonzept, das anschließend mit dem Vorstand bzw. der Ge-schäftsführung sowie den anderen Gremien im Unternehmen abgestimmt wird.

Handlungsschwerpunkte: Der Mittelstand will dem Fachkräftemangel und dem Nachholbedarf in der Personalentwicklung bis 2020 mit Recruiting, Leadership und Talentmanagement begegnen. Doch vielen Betrieben fehlt bislang die notwendige HR-Organisation, um die eigenen Ziele zu erreichen.

Zu den wichtigsten Handlungsschwerpunkten, die der Mittelstand aus seiner HR-Strategie ablei-tet, zählen die Rekrutierung von Fachkräften, eine moderne Führungskultur und ein Talentmanage-ment. Damit wollen die Betriebe ihren Bedarf an Fachkräften bedienen. Allerdings sind die meisten mittelständischen Betriebe derzeit kaum bereit, ihre HR-Organisation auch strukturell so aufzu-stellen, dass sie die individuellen Bedarfe decken können. Hier arbeiten Betriebe oft mit Strukturen, die ihren Geschäftszielen und ihrer Position im Markt nicht entsprechen.

Investitionen: Der Mittelstand investiert bis 2020 stark in die Personalentwicklung, in die IT und das Recruiting. Der Mittelstand investiert ein Viertel seines HR-Budgets in IT.

Bis 2020 planen mittelständische Unterneh-men, vor allem in die Bereiche Weiterbildung und Personalentwicklung, IT und Recruiting zu inves-tieren. Tendenziell wollen vor allem kleinere und mittlere Betriebe mehr Geld in die Gewinnung von neuem Fachpersonal stecken. Ihre Lösung für den sich verstärkenden Fachkräftemangel ist also ein Ausbau der Recruitingmaßnahmen.

„Große Unternehmen setzen

ihre HR-Strategie mit derselben

Energie und Bestimmtheit um

wie für die Geschäftsstrategie.“

Maria Antoniou, E.ON SE (S. 23)

„Entsprechend der gruppen-

weiten Businessstrategie

fokussiert die HR-Funktional-

strategie einen Zeitraum

von drei bis fünf Jahren.“

Asa Lautenberg, Deutsche

Lufthansa AG (S. 35)

„HR bereitet die strategischen

Themen konzeptionell vor und

implementiert die Programme,

doch die Verantwortung für die

Entwicklung der Mitarbeiter

liegt bei allen Führungskräften.“

Kathrin Menges, Henkel AG &

Co. KGaA (S. 29)

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Ein weiteres Investitionsziel für HR ist die In-formationstechnologie. Die Unternehmen wollen knapp ein Viertel ihrer Investitionsbudgets im HR-Ressort für IT ausgeben. Damit zählt dieser Bereich zu den großen Budgetposten von HR ne-ben HR-Personal, strategischen HR-Maßnah-men und HR-Administration. Eine Nachrüstung der IT ist auch notwendig, denn in vielen mittel-ständischen Unternehmen, aber auch in zahlrei-chen Konzernen existieren in den verschiedenen HR-Funktionen unterschiedliche IT-Systeme par-allel nebeneinander. Meistens arbeiten diese Sys-teme auch unabhängig voneinander, weil keine Datenübertragung über Schnittstellen möglich ist. Großunternehmen entschließen sich deshalb ver-mehrt dazu, in eine umfassende technologische Gesamtlösung für HR zu investieren. Dadurch lassen sich mehr HR-Funktionen als bislang mit-einander vernetzen. Auch eröffnen sich dadurch größere und qualitativ bessere Möglichkeiten für HR und für Führungskräfte generell, HR-relevante Daten zu nutzen.

Erfolgsmessung: Mittelständische Betriebe schauen bei der Erfolgsmessung strategischer HR-Maßnah-men zuerst auf die Kosten. Nur wenige Handlungs-schwerpunkte in den HR-Funktionen sind mit KPIs hinterlegt.

Bei der Frage, wie sich Erfolg in den einzel-nen Handlungsschwerpunkten entsprechend der HR-Strategie messen lässt, schauen die meisten Mittelständler einseitig auf die Kosten. Insbe-sondere kleinere Betriebe sowie inhabergeführte Familienunternehmen greifen für die Erfolgsmes-sung strategischer Handlungsschwerpunkte auf KPIs mit einem Kostenbezug zurück. Der überwie-genden Mehrzahl der Unternehmen fällt es nach wie vor schwer, HR-Prozesse und -Leistungen an-hand konkreter Zahlen zu bewerten. In Deutsch-land leisten sich bisher vor allem Großunterneh-men umfangreiche IT-Systeme, die eine möglichst umfassende Datenerfassung und Datenanalyse für HR ermöglichen.

Rolle von HR: Im Mittelstand ist HR mehr Dienst-leister und Business-Partner als strategischer Partner. Doch je wichtiger HR-Themen für die Unter-nehmensstrategie werden, desto mehr übernehmen HR-Verantwortliche die Rolle strategischer Partner.

Ungeachtet des Bedarfs an Investitionen und an neuen Strukturen soll HR in den meisten mittel-ständischen Unternehmen auch in Zukunft keine strategische Rolle übernehmen. Allerdings unter-

scheiden sich dabei deutsche Unternehmen von Betrieben in Österreich und der Schweiz. So ist in Deutschland der Anteil der Unternehmen, die im HR-Ressort in Zukunft einen strategischen Part-ner sehen, größer als in den beiden anderen Län-dern. Am prägnantesten bleibt bis 2020 die Rolle von HR als Dienstleister und Business-Partner.

HR-Funktionen: Die HR-Funktionen im Mittelstand leiden an ineffizienten Strukturen und Prozessen.

Der Mittelstand sieht innerhalb der eigenen HR-Organisation noch großes Potenzial, um Pro-zesse effizienter zu gestalten und Kosten zu sen-ken. Dazu zählen vor allem der Personaleinsatz, die Personalführung und das Personalcontrolling. Auch in anderen Funktionsbereichen räumen die Unternehmen einen großen Handlungsbedarf bei der Kosteneffizienz ein.

Talentmanagement: Für den Mittelstand ist Talent-management künftig überlebenswichtig, doch häufig sind die Strukturen hierfür im Aufbau begriffen.

Kaum ein HR-Begriff wird gegenwärtig so unter-schiedlich definiert wie das Talentmanagement. Die größte Gruppe der befragten Mittelständler versteht Talentmanagement als das Identifizie-ren und Entwickeln interner High-Potentials. Eine andere Gruppe verwendet einen allgemeineren Begriff, nach dem Talentmanagement bedeutet, Nachwuchskräfte zu gewinnen und zu entwickeln. Tendenziell spielt auch die Mitarbeiterzahl eine Rolle bei der Definition. Je weniger Beschäftigte ein Unternehmen hat, desto eher definiert es Ta-lentmanagement als einen Managementansatz, um alle Mitarbeiter zu fördern.

Für viele Mittelständler hat Talentmanagement eine hohe Relevanz für den künftigen Geschäfts-erfolg der Organisation und sollte daher in die Gesamtstrategie des Unternehmens wie auch in die HR-Strategie integriert werden. Doch gerade im Mittelstand – ganz im Gegensatz zu Großun-ternehmen – fehlen dafür Strukturen und Kon-zepte. Idealerweise ist Talentmanagement ein festes Element der Unternehmensstrategie, um die langfristige Versorgung des Unternehmens mit Führungskräften und Experten sicherzustel-len. Insbesondere mittelständische Betriebe und inhabergeführte Familienunternehmen benötigen einen Bestand an Nachwuchskräften für heraus-ragende Positionen, um Nachfolgeregelungen langfristig und besser vorbereiten und durchfüh-ren zu können.

„Wir arbeiten seit Jahren daran,

ein gutes IT-System für HR zu

schaffen, doch wir bewegen

uns heute noch nicht in einer

idealen IT-Welt.“

Hartmuth Posner,

Freudenberg & Co. KG (S. 26)

„Für uns bei der adidas Gruppe

sind alle Mitarbeiter Talente.

Wir legen hier also keine ex-

klusive, sondern eine inklusive

Strategie zugrunde.“

Karen Parkin, adidas Group

(S. 20)

„Wir sehen regelmäßig genau

hin, für welche Unternehmens-

bereiche und Karrieren sich ein

Talent empfiehlt.“

Gregor Karolus, Springer Nature

(S. 44)

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HR-Strategie 2020 Studiendesign 8

Studiendesign

Methodik und Befragtengruppe

Die vorliegende Studie basiert auf zwei Befra-gungen: einer quantitativen Befragung von

300 Unternehmen, die mindestens 400 Mitarbeiter bzw. einen Jahresumsatz von mindestens 50 Mil-lionen Euro haben, und einer qualitativen Befra-gung von neun Top-HR-Managern in ausgewähl-ten Großunternehmen in Face-to-Face-Interviews.

Die Feldphase der quantitativen Erhebung lag im Zeitraum vom 18. Januar bis 29. April 2016. Die Erhebung erfolgte durch computergestützte Webin-terviews (CAWI) bzw. per Telefoninterview auf der Basis eines strukturierten Fragebogens. Befragt wurden 300 Top-Entscheider in Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Daten stammen aus der Personen- und Unternehmens-datenbank der FRANKFURT BUSINESS MEDIA und wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.

Die Teilnehmer an der quantitativen Erhebung sind Leiter bzw. Mitglieder von Geschäftsführung bzw. Vorstand (60,7 Prozent), Leiter HR bzw. Per-sonal bzw. HR-Ressort (33,3 Prozent) und sonstige Entscheider in den Unternehmen (6 Prozent).

Die Unternehmen, denen die befragten Personen angehören, unterteilen sich nach der Zahl der Mit-arbeiter wie folgt: 29,5 Prozent beschäftigen mehr als 5.000 Mitarbeiter, 36,1 Prozent haben zwischen 500 und weniger als 5.000 Mitarbeitern, und 34,3 Prozent weisen 400 bis unter 500 Mitarbeiter auf.

82,4 Prozent der befragten Unternehmen haben ihren Sitz in Deutschland, 9,3 Prozent in Österreich und 8,3 Prozent in der Schweiz.

Bei 21,3 Prozent der befragten Unternehmen handelt es sich um inhabergeführte Familienun-ternehmen.

Neun Großunternehmen wurden exemplarisch von den drei Studienherausgebern für die Face- to-Face-Interviews ausgewählt. Das kleinste die-ser Unternehmen beschäftigt 13.000 Mitarbeiter. Die Gesprächspartner waren jeweils HR-Entschei-der, die wesentlich für die Entwicklung und Umset-zung der HR-Strategie in ihren Unternehmen zu-ständig sind. Die Face-to-Face-Interviews fanden im Zeitraum vom 23. März bis 17. Mai 2016 statt. Die Basis der offenen Interviews waren zum einen der-selbe Fragebogen, der der quantitativen Erhebung zugrunde lag, zum anderen einzelne ausgewählte Vorabergebnisse der quantitativen Erhebung.

Größe der befragten Unternehmen nach Mitarbeitern (in % der befragten Unternehmen)

Quelle: Frankfurt Business Media.

400 bis unter 500 Mitarbeiter

500 bis unter 5.000 Mitarbeiter

ab 5.000 Mitarbeiter

34,3

36,1

29,5

Sitz der befragten Unternehmen (in % der befragten Unternehmen)

Quelle: Frankfurt Business Media.

Deutschland

Österreich

Schweiz

82,4

9,3

8,3

Funktion der befragten Top-Entscheider (in % der befragten Unternehmen)

Quelle: Frankfurt Business Media.

Leiter bzw. Mitglieder von Geschäfts-führung bzw. Vorstand

Leiter HR bzw. Personal bzw. HR-Ressort

sonstige Entscheider

60,7

33,3

6,0

Page 9: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

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Personalfragen stehen für die Unternehmen an erster Stelle der Herausforderungen bis 2020.

38 Prozent aller spontanen Nennungen betref-fen HR-Themen. Dabei ragen die Gewinnung und Bindung von Fachkräften mit 20,7 Prozent heraus. Damit haben Unternehmen aller Größen und aus allen drei Ländern zu kämpfen, wobei insbesonde-re mittelständische Betriebe angeben, nur schwer alle vakanten Stellen und Ausbildungsplätze ad-äquat besetzen zu können. 7,1 Prozent aller Nen-nungen entfallen auf Aspekte, die die Entwicklung von Mitarbeitern und Führungskräften betreffen. Darunter geben die Befragten häufig das Stich-wort Leadership an. 6,1 Prozent der Nennungen betreffen die demographische Entwicklung.

Weitere große Herausforderungen sind das ge-schäftliche Wachstum in einem schwierigen, oft globalen Wettbewerb (13,2 Prozent). Dahinter fol-gen die Themen IT und Digitalisierung (8,8 Pro-zent). Fast ebenso häufig nennen die Befragten Herausforderungen in der Finanzierung und bei Kosten. Tendenziell drücken den Mittelstand die Themen Wachstum, Wettbewerb, Finanzierung und Kosten besonders stark, während sich Groß-unternehmen stärker mit Megatrends wie der Di-gitalisierung auseinandersetzen müssen.

Megatrends beeinflussen die HR-StrategieVon den Unternehmen, die generell eine HR-

Strategie haben, gehen 47 Prozent davon aus, dass vor allem die demographische Entwicklung ihre strategische Ausrichtung bis 2020 beeinflus-sen wird. Diesen Trend sieht jeweils ein ungefähr gleich großer Anteil der Unternehmen in den drei Ländern. Ähnlich einheitlich sind die Standpunkte der kleineren, mittleren und größeren Unterneh-men. Alle drei Gruppen geben jeweils mehrheit-lich an, dass die demographische Entwicklung der wichtigste Einflussfaktor für ihre HR-Strategie ist.

Des Weiteren wird, nach Einschätzung der Un-ternehmen, die Digitalisierung die Unternehmens- und HR-Strategie stark beeinflussen (40,7 Pro-zent). Neben diesen beiden Haupttrends gibt es mit der Internationalisierung (35,7 Prozent), dem Wertewandel (28 Prozent) und der Nachhaltigkeit (24,3 Prozent) drei weitere Trends, die einen Ein-

fluss auf die strategische Ausrichtung der Unter-nehmen haben werden.

Im Detail zeigt sich, dass vor allem Großunter-nehmen ab 5.000 Mitarbeiter besonders viele der Megatrends bei der Entwicklung ihrer HR-Stra-tegie berücksichtigen. So spielt die Internationa-lisierung für größere Unternehmen eine deutlich

Befragungsergebnisse: Strategie

HR-Strategie für eine neue Arbeitswelt

Externe Faktoren und Trends beeinflussen die HR- und Unter-nehmensstrategie bis 2020 (in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

47,0

40,7

35,7

28,0

3,7

24,3

Demographische Entwicklung

Digitalisierung

Internationalisierung

Wertewandel

Nachhaltigkeit

Sonstige Faktoren

Die größten Herausforderungen für die befragten Unternehmen bis 2020 (in %; n = 523 ungestützte Nennungen)1)

1) Maximal drei Nennungen möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

20,7

13,2

8,8

7,8

6,1

5

7,1

Personal gewinnen und binden

Geschäftliches Wachstum im Wettbewerbsumfeld

Digitalisierung, Industrie 4.0, IT

Finanzierung, Kostenmanagement

Entwicklung von Mitarbeitern und Führungskräften

Demographische Entwicklung

Innovationen

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HR-Strategie 2020 Befragungsergebnisse 10

wichtigere Rolle im Hinblick auf die HR-Strategie als für kleinere und mittlere Betriebe. Gerade klei-nere Organisationen verzichten bei ihrer HR-Stra-tegie auf eine konkrete internationale Planung.

Von der Unternehmensstrategie zur HR-StrategieEin großer Teil der Unternehmen hat eine zen-

trale Gesamtstrategie für HR. 47,3 Prozent von ihnen geben an, aus ihrer Unternehmensstrategie eine zentrale HR-Strategie abzuleiten. Hier dif-ferenzieren sich kleinere Betriebe mit bis zu 500 Mitarbeitern und größere Unternehmen deutlich. Während nur jeder zweite kleinere Betrieb eine separate HR-Strategie besitzt, weisen bis zu 90 Prozent der größeren Unternehmen ein solches Konzept auf. Regionale und spartenbezogene Per-sonalstrategien sind mit 15 Prozent bzw. 11 Prozent in der Befragtengruppe weniger verbreitet. Die wachsende strategische Relevanz der Informati-onstechnologie aufgrund der Digitalisierung lässt sich daran ablesen, dass 20,7 Prozent der Unter-nehmen eine IT-Strategie aus der Unternehmens-strategie ableiten.

Schweizer Unternehmen lassen im Vergleich zu den Unternehmen aus den anderen Ländern häufiger neben einer zentralen HR-Strategie auch regionale Strategien zu. Umgekehrt überwiegen in Österreich zentrale HR-Strategien, während nur selten regionale Spezifikationen zugelassen sind.

HR-Strategie erarbeiten und umsetzenFür die Erarbeitung der HR-Strategie sind in den

Unternehmen in erster Linie der Vorstand bzw. die Geschäftsführung sowie der HR-Vorstand bzw. der Personalleiter zuständig. 45,3 Prozent der Unternehmen geben an, dass bei ihnen Vorstand bzw. Geschäftsführung gemeinsam die HR-Stra-tegie ausarbeiten. In fast ebenso vielen Unterneh-men (43,7 Prozent) ist der HR-Vorstand bzw. der Personalleiter dafür zuständig. Hingegen spielen die Leiter oder andere Führungskräfte einzelner Fachbereiche (10,3 Prozent) sowie die regionalen Leiter (6 Prozent) in den meisten Unternehmen keine prägende Rolle für die Entwicklung der HR-Strategie.

Die Detailanalyse offenbart deutliche Unter-schiede zwischen kleineren Betrieben mit 400 bis unter 500 Mitarbeitern einerseits und mittle-ren und größeren Unternehmen ab 5.000 Mitar-beiter andererseits. So entscheiden in der über-wiegenden Zahl der kleineren Betriebe vor allem die Geschäftsführung bzw. der Vorstand über die HR-Strategie, während die Leitung des HR-/Per-sonalressorts nur in einem Teil der Betriebe stra-tegisch mitreden darf. Daran zeigt sich, dass HR in kleineren Betrieben zumeist noch nicht als strate-gischer Partner akzeptiert ist.

Bei der Umsetzung der HR-Strategie bietet sich ein vollkommen anderes Bild. Für die Implemen-tierung sind insgesamt vor allem die HR-Vor-stände und Personalleiter verantwortlich (44,3 Prozent). Hingegen halten sich Vorstand und Ge-schäftsführung dabei zurück (23,3 Prozent). Nur in kleineren Betrieben engagieren sich die meisten

Was Unternehmen aus der Gesamt-strategie ableiten (in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich.

Quelle: Frankfurt Business Media.

zentrale Gesamt- strategie für HR

IT-Strategie

unterschied- liche regionale Personal- strategien für einzelne Länder oder Gebiete

unterschiedliche spartenbezogene Personal- strategien

keine Angabe

47,3

20,7

15,0

11,0

6,0

Wer die HR-Strategie erarbeitet und umsetzt(in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

Vorstand bzw. Geschäfts-

führung

HR-Vorstand bzw. Personalleiter

Leitung bzw. Führungskräfte

der Fachbereiche

regionale Leitung

sonstige Personen

45,343,7

10,3

6,0

1,7

23,3

44,3

18,7

11,7

0,7

M Strategie erarbeitenM Strategie umsetzen

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Top-Manager auch bei der Implementierung. Grö-ßer als bei der Entwicklung der HR-Strategie ist die Rolle der Fachbereichs- und Regionalleiter bei der Umsetzung (18,7 bzw. 11,7 Prozent).

Zeitlicher Planungshorizont für die HR-StrategieDie meisten Unternehmen planen ihre HR-Stra-

tegie mit einem mittelfristigen Zeithorizont. Rund acht von zehn Unternehmen (79,8 Prozent) geben an, die eigene HR-Strategie für einen Zeitraum bis maximal 2020 anzulegen. Nur 12,1 Prozent der Un-ternehmen planen langfristig über das Jahr 2020 hinaus. Umgekehrt fahren lediglich 8,1 Prozent bei ihrer HR-Strategie und der damit verbundenen Zielsetzung auf Sicht, indem sie stets allein für das laufende Jahr planen. Unter diesen Unternehmen finden sich tendenziell eher kleinere und mittle-re Betriebe mit 400 bis unter 5.000 Mitarbeitern sowie inhabergeführte Familienunternehmen. In Großunternehmen dominiert ein mittelfristiger Planungshorizont.

Abgeleitete HandlungsschwerpunkteAus ihrer HR-Strategie leiten die befragten Un-

ternehmen verschiedene Handlungsschwerpunkte ab. Besonders wichtig sind den Unternehmen die Rekrutierung von Fachkräften (42,7 Prozent) sowie eine auf die HR-Strategie abgestimmte Führungs-kultur (41,7 Prozent). Auch das Talentmanagement (39 Prozent) ist ein wichtiges Handlungsfeld, das aus der HR-Strategie abgeleitet wird. Noch rund ein Drittel (31,7 Prozent) der Unternehmen nennt das Employer Branding, also die Positionierung als attraktiven Arbeitgeber, im Zusammenhang mit der HR-Strategie.

Alle weiteren Handlungsschwerpunkte haben jeweils eine deutlich geringere Relevanz für die Unternehmen. Nur etwa jeder fünfte befragte Entscheider nennt das Demographie- und Ge-sundheitsmanagement als Schwerpunkt, der aus der HR-Strategie abgeleitet wird (22 Prozent). Darunter sind tendenziell mehr kleinere und mittlere Unternehmen mit 400 bis unter 5.000 Mitarbeitern. Die relativ geringe Relevanz, die die Unternehmen in ihrer HR-Strategie dem Demo-graphiemanagement beimessen, steht im Wider-spruch zu den oben beschriebenen Ergebnissen, dass die Top-Entscheider in der demographischen Entwicklung und ihren Auswirkungen einen Mega-trend für das eigene Unternehmen und die eigene Personalplanung sehen.

Noch weniger Unternehmen leiten aus ihrer HR-Gesamtstrategie einen Handlungsbedarf bei der Optimierung ihrer HR-Organisation (21 Pro-zent), beim Performance-Management und bei der Digitalisierung von HR-Prozessen ab (jeweils rund 19 Prozent). Vor allem hinken kleinere und mittlere Unternehmen bei der Internationalisie-rung der HR-Organisation hinterher, während fast jedes zweite größere Unternehmen dies als strate-gisches Ziel nennt.

Planungshorizont für HR-Strategien (in % der befragten Unternehmen)1)

1) Segment „keine Antwort“ herausgerechnet.

Quelle: Frankfurt Business Media.

kurzfristig (nur für das laufende Jahr)

mittelfristig (bis maximal 2020)

langfristig (über das Jahr 2020 hinaus)

8,1

79,8

12,1

Handlungsschwerpunkte, die die Unternehmen aus der HR-Strategie ableiten (in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

Recruiting von Fachkräften

Führungskultur

Talentmanagement

Employer Branding

Demographie- und Gesundheitsmanagement

HR-Organisation optimieren

Performance Management

HR-Prozesse digitalisieren

Kosteneffizienz

Workforce-Planning

42,7

41,7

39,0

31,7

21,0

22,0

19,0

18,7

18,0

18,0

Page 12: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

HR-Strategie 2020 Befragungsergebnisse 12

Kenngrößen für die ErfolgsmessungUm den Erfolg ihrer Handlungsschwerpunk-

te, die aus der HR-Strategie abgeleitet werden, zu messen, schauen die Unternehmen vor allem auf die Kosten: Etwa ein Viertel (23 Prozent) der Unternehmen gab an, den Erfolg der eigenen HR-Strategie und der daraus abgeleiteten Hand-lungsschwerpunkte anhand der entstehenden Kosten zu beurteilen. Die Detailanalyse offenbart, dass hinsichtlich der Mitarbeiterzahl alle Unter-gruppen am häufigsten auf die Kosten als Mess-größen schauen. Gerade kleinere und mittlere Betriebe mit 400 bis unter 5.000 Mitarbeitern so-wie inhabergeführte Familienunternehmen ziehen für die Erfolgsmessung von strategischen Hand-lungsschwerpunkten diverse KPIs mit Kostenbe-zug hinzu.

Die weiteren Kennziffern spielen in der Unter-nehmenspraxis bislang nur eine untergeordnete Rolle. Daran lässt sich ablesen, dass sich die über-wiegende Mehrheit der befragten Unternehmen noch immer damit schwertut, HR-Prozesse und -Leistungen anhand konkreter Zahlen zu bewer-ten. In Deutschland leisten sich bisher nur einige DAX-Unternehmen wie Henkel und Merck um-

fangreiche IT-Tools, die eine umfassende Daten- erfassung und Datenanalyse für HR ermöglichen. Den höchsten Wert erreicht noch die Rekrutierung von Fachkräften, die 14,7 Prozent der Unterneh-men konkret mit Erfolgsmesszahlen hinterlegen. Dabei bietet gerade das Recruiting einfache Mög-lichkeiten der Erfolgsmessung anhand belastba-rer Zahlen.

Auch die Ergebnisse beim Performance-Ma-nagement, beim Talentmanagement und beim De-mographie- und Gesundheitsmanagement misst nur etwa jedes siebte Unternehmen anhand kon-kreter Erfolgskennzahlen. Gerade beim Demogra-phie- und Gesundheitsmanagement geben mehr Befragte aus kleineren und mittleren Betrieben als aus größeren Unternehmen an, die Ergebnisse zu messen. Häufig handelt es sich beispielsweise im Gesundheitsmanagement um die Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage in der Belegschaft.

Ziele der Umstrukturierung der HR-OrganisationWenn Unternehmen ihre HR-Organisation um-

strukturieren, haben sie vor allem das Ziel, die Qualität zu steigern (6 Prozent), Prozesse zu op-timieren bzw. zu standardisieren (5,3 Prozent) oder sie passender auf die Unternehmens- bzw. HR-Strategie auszurichten (5,3 Prozent). 4,3 Pro-zent erhoffen sich auch, dass die HR-Arbeit einen größeren Wertbeitrag leistet. 3,7 Prozent wollen darüber ihre Kosten weiter reduzieren.

Unternehmen schauen vor allem auf die Kosten (Kenngrößen, mit denen die Unternehmen den Erfolg ihrer Hand-lungsschwerpunkte messen; in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

Kosteneffizienz

Recruiting von Fachkräften

Performance Management

Talentmanagement

Demographie- und Gesundheitsmanagement

Führungskultur

Workforce-Planning

HR-Prozesse digitalisieren

HR-Organisation optimieren

Employer Branding

23,0

14,7

14,3

13,0

9,3

12,3

8,0

7,3

5,7

5,0

Rolle und Selbstverständnis des HR-Bereichs werden sich verändern (geplante Stärke der Veränderung in HR, um die HR-Strategie optimal umzusetzen; in % der befragten Unternehmen)1)

1) Segment „keine Antwort“ herausgerechnet..

Quelle: Frankfurt Business Media.

sehr geringfügig

eher geringfügig

sehr stark

7,9

37,2

7,9

47,0eher stark

Page 13: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

13

Veränderung der eigenen HR-OrganisationUm die HR-Strategie optimal umzusetzen bzw.

zu unterstützen, sollen sich nach Angaben der Unternehmen die Rolle und das Selbstverständ-nis des HR-Bereichs verändern. Fast die Hälfte der Unternehmen (47 Prozent) erwartet eine eher starke Veränderung der eigenen HR-Organisation in den kommenden Jahren. Knapp 8 Prozent der Befragten rechnen mit einer sehr starken Verän-derung der HR-Organisation. Tendenziell gehen die Erwartungen der Unternehmen in den drei Ländern in die gleiche Richtung.

Mehr als ein Drittel der Befragten (37,2 Prozent) geht von einer eher geringfügigen Veränderung im eigenen HR-Ressort aus. Weitere 7,9 Prozent er-warten einen nur sehr geringfügigen Wandel. Ins-gesamt ist davon auszugehen, dass auf den Mit-telstand eine stärkere Veränderung zukommt. Die Antworten lassen den Schluss zu, dass jedes zwei-te befragte Unternehmen größeren Bedarf sieht, die eigene HR-Organisation in den kommenden Jahren umzubauen und die Strukturen dem sich verändernden Umfeld anzupassen. Offensichtlich herrscht innerhalb mindestens jedes zweiten Un-ternehmens ein größerer Umbaubedarf vor. Dabei sehen sowohl kleinere Mittelständler als auch Großunternehmen Anlass zu handeln.

Rolle des HR-Ressorts in der OrganisationUngeachtet des Bedarfs an Investitionen und

an neuen Strukturen, soll HR in den meisten Un-ternehmen in Zukunft weniger eine strategische Rolle übernehmen. Nur 26 Prozent der befragten Top-Entscheider sehen HR in den kommenden Jahren auf dem Weg zu einem strategischen Part-ner. Das gilt für die meisten Unternehmen über alle Größengruppen hinweg. Dagegen zeigt sich

tendenziell ein Unterschied zwischen den Unter-nehmen in Deutschland einerseits und denen in Österreich und der Schweiz andererseits. So ist der Anteil der Unternehmen, die in HR in Zukunft einen strategischen Partner sehen, in Deutsch-land größer als in den beiden anderen Ländern.

Am prägnantesten werden auch in den kom-menden Jahren die Rollen von HR als Dienstleis-ter (32,7 Prozent) und als Business-Partner (31,7 Prozent) bleiben. Gerade Großunternehmen ab 5.000 Mitarbeiter sehen den HR-Bereich bis 2020 vor allem in dieser Funktion. Zudem wird der HR- Bereich verstärkt die Rolle eines Beraters (27,7 Prozent) sowie die eines Experten (24,7 Prozent) übernehmen. Diese Funktionen werden in mittle-ren und größeren Unternehmen ab 5.000 Mitarbei-ter tenden ziell verstärkt dem HR-Ressort zuge-schrieben.

Kernrollen, die das HR-Ressort bis 2020 in erster Linie einnehmen soll (in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich.

Quelle: Frankfurt Business Media.

32,7

31,7

27,7

26,0

24,7

Dienstleister

Business Partner

Berater

Strategischer Partner

Experte

Page 14: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

HR-Strategie 2020 Befragungsergebnisse 14

Die einzelnen HR-Funktionsbereiche unterschei-den sich deutlich voneinander hinsichtlich des

Grads der Digitalisierung. Besonders groß ist der Nachholbedarf im Bereich der Personalführung. Hier haben bislang lediglich 8,7 Prozent aller be-fragten Unternehmen die entsprechenden Prozes-se bereits automatisiert, während über 52 Prozent der Unternehmen dort erst im Stadium der Doku-mentation sind. Ähnlich sieht die Verteilung bei der Personalbetreuung aus, wo erst 9 Prozent der Un-ternehmen ihre Prozesse automatisiert haben.

In der Detailanalyse zur Personalführung fällt auf, dass kleinere Betriebe mit 400 bis unter 500 Mitarbeitern bei der Automatisierung dieser Pro-zesse ähnlich weit sind wie mittlere und große Un-ternehmen. Ein ähnliches Bild bietet der Vergleich zwischen inhabergeführten Betrieben und Unter-nehmen, die nicht inhabergeführt sind. Auch dort offenbaren die kleineren Familienunternehmen im Hinblick auf die Prozessautomatisierung im Bereich Personalführung keinen Rückstand. Den höchsten Grad der Automatisierung unter allen Funktionsbereichen weist das HR-Controlling mit 30,7 Prozent aller Unternehmen auf. In diesem Be-reich fallen kleinere Betriebe mit 400 bis unter 500 Mitarbeitern gegenüber größeren Unternehmen deutlich ab. Fast jedes zweite Unternehmen ab 500 Mitarbeiter, das bereits mit der Digitalisierung be-gonnen hat, hat das HR-Controlling automatisiert.

Einfache Anwendung gewünschtBei der Frage nach den gewünschte Merkmalen

von IT-Tools, mit denen Unternehmen ihre HR-Pro-zesse wirkungsvoll unterstützen können, konzen-trieren sich die insgesamt sehr unterschiedlichen und individuellen Antworten auf drei Themengrup-pen. Mit 36,5 Prozent vereinen die Antworten, die sich unter den Stichworten Benutzerfreundlichkeit und einfache Anwendung zusammenfassen las-sen, das größte Segment auf sich.

Die zweitgrößte Gruppe konzentriert sich auf die Kompatibilität von IT-Tools. So lassen sich knapp 30 Prozent aller Antworten dem Bereich mit den Schlagworten Integrationsfähigkeit, Modularität und Schnittstellenkompatibilität zuordnen (29,9 Prozent). Zu diesen Punkten nennen die befrag-ten Entscheider oftmals auch ganz individuelle Bedarfe entsprechend der eigenen IT-Infrastruk-tur. Damit grenzt dieses Segment an ein anderes Sammelbecken an. 17 Prozent der befragten Un-ternehmen nennen spontan verschiedene Aspekte rund um die bedarfsgerechte Funktionalität von IT-Systemen. Mit 10,3 Prozent führen die Unter-nehmen weitere Aspekte an, die die Themen Com-pliance und Transparenz betreffen. Es fällt auf, dass nur 3,3 Prozent aller Antworten die Forde-rung nach Kosteneffizienz aufwerfen.

Befragungsergebnisse: Digitalisierung

Nachholbedarf bei der Prozessautomatisierung

Aktueller Stand der Digitalisierung von Prozessen im Funktionsbereich Personalführung (in % der befragten Unternehmen)

Quelle: Frankfurt Business Media.

Prozesse sind dokumentiert.

Prozesse sind automatisiert.

52,4

8,7

38,8

Prozesse sind standardisiert.

Gewünschte Merkmale von IT-Tools, um HR-Prozesse wirkungsvoll zu unterstützen(in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich.

Quelle: Frankfurt Business Media.

Benutzer-freundlichkeit, einfache Anwendung

Schnittstellenkompatibilität, Integrationsfähigkeit, Modularität

bedarfs- gerechte Funktio- nalität

Compliance, Transparenz

Kosteneffizienz

36,5

29,9

17,0

10,3 3,33,0

gute Visualisierung

Page 15: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

15

Um ihre strategischen HR-Ziele zu erreichen, planen viele der Mittelständler, in den kom-

menden Jahren bis 2020 stark zu investieren.

Investitionen in HRDie Investitionen werden insbesondere in die

Bereiche Weiterbildung und Personalentwick-lung fließen. Mit 43,7 Prozent liegt auf diesem HR-Kernbereich in den kommenden Jahren das Hauptaugenmerk der Unternehmen. Insbesonde-re kleinere und mittlere Betriebe mit 400 bis unter 5.000 Mitarbeitern geben an, dass sie gerade dort investieren wollen. Weiterbildungsangebote sind ohnehin im Mittelstand der am häufigsten angebo-tene Benefit. Auch für Großunternehmen ab 5.000 Mitarbeiter sind Weiterbildung und Personalent-wicklung das wichtigste Investitionsziel. Damit vollziehen die Arbeitgeber den nächsten Schritt hin zum lebenslangen Lernen für ihre Mitarbei-ter. Zugleich unterstreicht der hohe Anteil bei den Investitionen, dass die Unternehmen ihren Perso-nalbedarf in erster Linie durch die Gewinnung und interne Entwicklung junger Nachwuchskräfte und Talente decken wollen.

Dagegen spielt das Recruiting als Investitions-ziel eine zweitrangige Rolle. So geben 23,3 Prozent der befragten Unternehmen an, besonders stark in die Gewinnung neuer Mitarbeiter investieren zu wollen. Ähnlich sieht es bei Investitionen in die IT aus.

Die Detailanalyse zeigt, dass tendenziell vor allem kleinere und mittlere Betriebe mit 400 bis unter 5.000 Mitarbeitern mehr Geld für die Gewin-nung von neuem Personal in die Hand nehmen wollen. Offensichtlich erreichen viele Betriebe derzeit über die bislang genutzten Tools und Ka-näle nicht mehr die Kandidaten in ausreichender Zahl und Kompetenz, die sie benötigen. Zudem wächst mit der zunehmenden Alterung der Be-legschaften das Risiko, dass relevantes Wissen verloren gehen kann. Gerade Top-Entscheider aus dem Mittelstand haben bei der Eingangsfrage die-ser Erhebung als Herausforderung für die kom-menden Jahre den Know-how-Transfer genannt, da wohl eine rele vante Zahl älterer Mitarbeiter in Schlüsselpositionen in absehbarer Zeit altersbe-dingt ausscheiden wird.

Ein weiteres Investitionsziel ist die IT (23 Pro-zent). Tendenziell planen vor allem mittlere Unter-nehmen mit 500 bis unter 5.000 Mitarbeitern, dort zu investieren. Für andere Bereiche wie HR-Mar-keting, neue HR-Experten oder Outsourcing wollen die meisten Unternehmen weniger Geld ausgeben.

Verteilung der Investitionsbudgets für HRDie Investitionsbudgets für das HR-Ressort wer-

den im Wesentlichen durch vier große Bereiche geprägt: HR-Personal (32,1 Prozent als Mittelwert

Befragungsergebnisse: Investitionen und Kosteneffizienz

Optimierungsbedarf bei der Kosteneffizienz

Das Gros der Investitionen fließt in Weiterbildung und Personal entwicklung (Bereiche, in die Unternehmen bis 2020 besonders stark investieren, um ihre strategischen HR-Ziele zu erreichen; in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

43,7

23,3

23,3

15,0

7,0

Weiterbildung, Personalentwicklung

IT

Recruiting

HR-Marketing

interne HR-Experten

Verteilung des jährlichen Investitionsbudgets für das HR-Ressort (Mittelwerte, in %)

Quelle: Frankfurt Business Media.

HR-Personal

IT

strategische HR-Maßnahmen

HR-Administration

sonstiges

32,1

21,719,0

17,3

9,8

Page 16: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

HR-Strategie 2020 Befragungsergebnisse 16

aller befragten Unternehmen), IT (21,7 Prozent), strategische HR-Maßnahmen (19 Prozent) und HR-Administration (17,3 Prozent).

Die Detailanalyse zeigt, dass vor allem mittle-re und größere Unternehmen ab 500 Mitarbeiter größere Budgetanteile für das HR-Personal vor-sehen (37,3 Prozent bzw. 34,2 Prozent). Hingegen beträgt der entsprechende Mittelwert für kleinere Betriebe mit 400 bis unter 500 Mitarbeitern sowie für inhabergeführte Familienbetriebe jeweils nur 25,2 Prozent. Diese Arbeitgeber beschäftigen of-fensichtlich deutlich kleinere HR-Teams.

Bei den Anteilen am Investitionsbudget für die IT ist keine so große Streuung zu verzeichnen. Dort weisen Unternehmen aller Größen jeweils Werte von rund 22 Prozent auf. Ähnlich sieht es bei den strategischen HR-Maßnahmen bei einer Spanne von knapp 18 bis über 20 Prozent aus. Hier fällt auf, dass inhabergeführte Familienunternehmen mit fast 21 Prozent einen tendenziell überdurch-schnittlichen Anteil aufweisen. Noch stärker ra-gen Familienunternehmen bei den Investitionen in die HR-Administration hervor (20 Prozent ver-sus 15,9 Prozent aller anderen Unternehmen). Die Differenz zwischen den Investitionsanteilen in HR-Personal und HR-Administration bei inha-bergeführten Familienbetrieben ist wohl darauf zurückzuführen, dass diese Organisationen einen Teil ihrer Personalarbeit an externe Dienstleister outsourcen.

KosteneffizienzDie Unternehmen sehen in mehreren Bereichen

ihrer HR-Organisation noch großes Potenzial für Einsparungen. Dazu zälen sie in erster Linie den Bereich Personaleinsatz (17,3 Prozent), Personal-führung und Personalcontrolling (jeweils 17 Pro-zent). Noch kosteneffizienter lassen sich demnach auch das Vergütungsmanagement (15,7 Prozent), die Personalplanung (15 Prozent) und Personal-entwicklung (13 Prozent) verwalten. Weitere Nen-nungen entfallen auf das Recruiting (11 Prozent) und die Personalbetreuung (10,3 Prozent).

Die Detailanalyse zeigt, dass die kleineren Unter-nehmen mit 400 bis unter 5.000 Mitarbeitern über fast alle Antwort-Items hinweg einen deutlich grö-ßeren Handlungsbedarf bei der Kosteneffizienz er-kennen, während sich die größeren Unternehmen ab 5.000 Mitarbeiter überall gut aufgestellt sehen. Den größen Handlungsbedarf sehen die kleine-ren Betriebe beim Vergütungsmanagement. Of-fensichtlich planen weitere Mittelständler, diesen Funktionsbereich über IT-Tools zu automatisieren oder ihn an externe Dienstleister auszulagern. Das gilt wohl auch für das Personalcontrolling. Auf-fallend ist, dass ein Teil der Mittelständler nicht mit der Kostenstruktur für die Personalführung zufrieden ist. Neben den kleineren Betrieben wei-sen auch mittlere Betriebe mit 500 bis unter 5.000 Mitarbeitern Optimierungspotenzial bei den Kosten für verschiedene HR-Bereiche auf.

EffizienzmessungWie messen die Unternehmen die Effizienz der

einzelnen HR-Funktionen und -prozesse? 31,2 Pro- zent der Unternehmen, die auf diese Frage antwor-ten, geben an, sie würden keine Effizienzprüfung anhand von Key Performance Indicators (KPIs) durchführen. Zu dieser Gruppe zählen vor allem kleinere Betriebe mit 400 bis unter 500 Mitarbei-tern, aber auch mittelgroße Unternehmen mit bis zu 5.000 Mitarbeitern. Dagegen ist unter den Groß-unternehmen ab 5.000 Mitarbeiter der Anteil am größten, der ganze Funktionsbereiche mit KPIs hinterlegt.

Insgesamt geben 27,6 Prozent aller Befragten an, nur vollständige HR-Funktionsbereiche an-hand von KPIs zu messen. Eine kleine Minderheit von 6,5 Prozent hat nach eigenen Angaben jeden der eigenen HR-Prozesse mit KPIs versehen. Die Detailanalyse gibt aufgrund der Streuung der Er-gebnisse keinen genauen Aufschluss darüber, ob diese Praxis in einer Unternehmensgruppe häufi-ger anzutreffen ist. Einige spontane Antworten von

HR-Bereiche mit Potenzial für höhere Kosteneffizienz(in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

17,3

17,0

17,0

15,7

13,0

15,0

11,0

10,3

Personaleinsatz

Personalführung

Personalcontrolling

Vergütungsmanagement

Personalplanung

Personalentwicklung

Recruiting

Personalbetreuung

Page 17: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

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befragten Entscheidern geben aber Hinweise da-rauf, dass immer mehr Unternehmen dabei sind, auch HR-Funktionen und -Prozesse mit festen KPIs zu verknüpfen.

Key Performance IndicatorsAuf die Frage, welche KPIs die Unternehmen

konkret einsetzen, nennen die Top-Entscheider eine Vielzahl an vollkommen verschiedenen Grö-ßen und Einheiten. Diese Antworten lassen sich folgenden Gruppen zuordnen. Demnach lassen sich 13 der insgesamt 92 Einzelantworten unter dem Oberbegriff Kosten subsummieren. Weitere sieben Antworten beziehen sich auf Fluktuation. Ebenfalls siebenmal nennen die Befragten Indikatoren mit ei-nem Zeitbezug. Sechs Antworten beziehen sich auf Plan-Ist-Vergleiche bzw. Soll-Ist-Vergleiche. Um-satzzahlen spielen bei fünf Antworten eine Rolle.

Auch wenn die offene Frage nach KPIs weitläufig gestellt ist und sich generell auf HR-Funktionen bezieht, so veranschaulicht die breite Streuung der spontanen Antworten doch, dass hier in vielen Bereichen noch keine Standardindikatoren zum Einsatz kommen. Vielmehr greifen die Unterneh-men auf ohnehin bekannte und vorhandene Werte zurück, mit denen sich nur in begrenztem Maße Erkenntnisse über HR-relevante Sachverhalte gewinnen lassen. Das gilt sowohl für die kleine-ren Mittelständler als auch für Großunternehmen. Derzeit diskutiert HR angesichts von Data-Ana-lytics darüber, welche Indikatoren notwendig sind und dem einzelnen Unternehmen einen Mehrwert bieten und welche KPIs verzichtbar sind.

TalentmanagementKaum ein HR-Begriff wird gegenwärtig so un-

terschiedlich definiert wie das Talentmanage-ment. In der Erhebung für diese Studie gehen die Begriffsbestimmungen ebenfalls auseinander. Mit 41 Prozent definiert die größte Teilgruppe der Be-fragten Talentmanagement als das Identifizieren und Entwickeln interner High-Potentials. 32,3 Pro-zent verwenden einen weiteren und allgemeineren Begriff, nach dem Talentmanagement bedeutet, generell Nachwuchskräfte zu gewinnen und zu entwickeln. Ein Fünftel der Unternehmen (19 Pro-zent) definiert den Begriff als die Förderung aller Mitarbeiter. Den Bezug zur Gewinnung externer

Definition von Talentmanagement (in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich.

Quelle: Frankfurt Business Media.

interne High- Potentials identifizieren und entwickeln

Nachwuchskräfte gewinnen und entwickeln

alle Mitarbeiter fördern

externe High- Potentials gewinnen und entwickeln

keine Angabe

41,0

32,3

19,0

10,0

1,0

Effizienzmessung von HR-Funktionen(in % der befragten Unternehmen)1)

1) Segment „keine Antwort“ herausgerechnet. 2) Key Performance Indicator.

Quelle: Frankfurt Business Media.

Jeder HR-Prozess ist mit KPIs2) hinterlegt.

Nur ganze HR-Funkti-onsbereiche sind mit KPIs1) hinterlegt.

keine Prüfung der Effizienz anhand von KPIs2)

sonstiges

weiß nicht/keine Antwort

6,5

27,6

31,2

4,7

30,0

Auswahl an genutzten KPIs1) für die Effizienzmessung (Anzahl der spontanen Antworten der Unternehmen, die KPIs für die Effizienzmessung nutzen; n = 92)2)

1) Key Performance Indicator. 2) Mehrfachantworten möglich.

Quelle: Frankfurt Business Media.

13

7

7

6

5

Kosten

Fluktuation

Zeit

Plan-Ist-/Soll-Ist-Vergleich

Umsatz

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HR-Strategie 2020 Befragungsergebnisse 18

High-Potentials sieht mit 10 Prozent ein Zehntel der Unternehmen.

Die Detailanalyse verrät, dass sich große und kleine Unternehmen bei der Definition des Talent-managements durchaus nah sind. Zugleich fält im Hinblick auf die Mitarbeiterzahl der befragten Be-triebe eine Entwicklung auf: Je weniger Beschäf-tigte ein Unternehmen hat, desto eher definiert es Talentmanagement als einen Managementansatz, laut dem alle Mitarbeiter gefördert werden.

Positionierung des TalentmanagementsFür den Großteil der Unternehmen hat Talent-

management eine hohe Relevanz für den künfti-gen Geschäftserfolg der Organisation. Es sollte

daher an die Gesamtstrategie des Unternehmens geknüpft sein (26 Prozent). Mit der HR-Strategie soll es sogar aus Sicht von 36,7 Prozent verknüpft sein. Ein Zehntel der Befragten sieht das Talent-management als eine Initiative einzelner Fachbe-reiche bzw. Regionalgesellschaften. 6,3 Prozent siedeln es allein als Initiative eines Bereichs bei der HR-Organisation an. Für 1,7 Prozent der Be-fragten hat das Talentmanagement keinerlei Be-deutung.

Damit weisen die meisten befragten Unterneh-men ein noch nicht ausreichendes Verständnis des Talentmanagents auf. Idealerweise ist es ein festes Element der Unternehmensstrategie, denn damit lässt sich die langfristige Versorgung des Unternehmens mit Führungskräften und Exper-ten sicherstellen. Damit lässt sich gerade in mit-telständischen Betrieben und in inhabergeführten Familienunternehmen frühzeitig eine Pipeline an Nachwuchskräften für herausragende Positionen aufbauen, um auch Nachfolgeregelungen lang-fristig und besser vorbereiten und durchführen zu können.

Fach- und FührungskräftemangelDie Unternehmen sehen sich bereits seit lan-

gem dem Trend eines wachsenden Fach- und Führungskräftemangels gegenüber. Daher haben viele schon heute ihre HR-Strategie entsprechend ausgerichtet. So setzen die Unternehmen ins-besondere auf die Kooperation mit Hochschulen oder auf duale Studiengänge (41 Prozent) oder auf andere individuelle Aus- und Weiterbildungs-maßnahmen (39,7 Prozent). Für eine wichtige Stellschraube halten die Unternehmen auch die interne Besetzung vakanter Schlüsselpositionen (38,3 Prozent). 36,7 Prozent haben den Ausbau des Talentmanagements in ihre HR-Strategie aufge-nommen.

Weitere Maßnahmen der Unternehmen gegen den drohenden Fach- und Führungskräftemangel sind internationales Recruiting (19,7 Prozent), Wei-terqualifizierung von geringqualifizierten Arbeits-kräften zu qualifizierten Fachkräften (16,3 Prozent) sowie Headhunting (14,3 Prozent). Etwa jedes 20. Unternehmen sieht vor, gezielt Flüchtlinge auszu-bilden, um dadurch Positionen besser besetzen zu können.

Große Unternehmen setzen dank ihrer größeren Kapazitäten und Ressourcen auf mehr Maßnah-men als kleinere Betriebe. Doch beide Gruppen wollen intern Qualifikationsmaßnahmen stärker individualisieren.

Strategien gegen wachsenden Fach- und Führungskräftemangel bis 2020 (in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

Kooperation mit Hochschulen/dualen Studiengängen

Individualisierung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

Interne Besetzung vakanter Schlüsselpositionen

Ausbau des Talentmanagements

Internationales Recruiting

Weiterqualifizierung von geringqualifizierten Arbeitskräften zu qualifizierten Fachkräften

Headhunting

41,0

39,7

38,3

36,7

16,3

14,3

19,7

Wie Talentmanagement in den Unternehmen positioniert ist (in % der befragten Unternehmen)1)

1) Mehrfachantworten möglich. Quelle: Frankfurt Business Media.

36,7

26,0

10,0

6,3

1,7

Teil der HR-Strategie

Teil der Gesamtstrategie des Unternehmens

Initiative einzelner Fachbereiche bzw. Regionalgesellschaften

Initiative der HR-Organisation

Ist nicht relevant

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Karen Parkin, Chief HR Officer, adidas Group 20Menschen und Mitarbeiter einladen, etwas Neues zu schaffen

Maria Antoniou, Senior Vice President HR/Executive HR, E.ON SE 2380 Prozent der HR-Strategie sind regional, 20 Prozent zentral orientiert

Hartmuth Posner, Global Head of HR, Freudenberg & Co. KG 26Industrie 4.0 wird unsere HR-Strategie prägen

Kathrin Menges, Personalvorstand, Henkel AG & Co. KGaA 29 HR ist vor allem eine Führungsaufgabe

Andreas Horn, Head of Human Resources and Social Affairs, KRONES AG 32Für HR kommt die Pflicht vor der Kür

Asa Lautenberg, Head of Corporate HR & People Strategy, Deutsche Lufthansa AG 35Bessere Führung und Modernisierung der Arbeitswelt als strategische Schwerpunkte

Dr. Piotr Bednarczuk, Executive Vice President, Merck KGaA 38Erst die HR-Grundlagen, dann die Modethemen

Peter Hadasch, Personalvorstand, Nestlé Deutschland AG 41 Die HR-Strategie wird für die Unternehmensstrategie stark an Relevanz gewinnen

Gregor Karolus, Chief Human Resources Officer, Springer Nature 44HR zwischen digitaler Produktentwicklung und globalem Wettbewerb

Top-Entscheider im Interview

Page 20: Frankfurter Allgemeine Personaljournal - Ausgabe Januar 2016 · 3 Das Personalressort in Unternehmen steht in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben. Gerade die Digitalisierung

HR-Strategie 2020 Interviews 20

Karen Parkin, Chief HR Officer, adidas Group

Menschen und Mitarbeiter einladen, etwas Neues zu schaffen

Was gab für adidas den Anlass, eine neue HR-Strategie zu entwickeln?Die adidas Gruppe hat im vergangenen Jahr die neue Unternehmensstrategie „Creating the New“ vorgestellt. Mit der neuen Unternehmensstra-tegie haben wir nicht nur neue Wachstumsziele festgeschrieben, sondern Personal als einen we-sentlichen Bestandteil sichtbar in den Mittelpunkt gerückt. Aus diesem Grund habe ich mit meinen Vorstandskollegen eine spezifische Mitarbeiter-strategie, die sogenannte People Strategy, aufge-setzt und daraus die HR-Strategie abgeleitet. Ich werde oft gefragt, was der Unterschied zwischen der People Strategy und der HR-Strategie ist. Las-sen Sie es mich so erklären: Die People Strategy ist quasi das Herz und definiert die richtige Unter-nehmenskultur für Creating the New, während die

HR-Strategie der Kopf ist und das Wie definiert. Die People Strategy besteht aus vier Säulen. Die erste Säule ist die Rekrutierung und Bindung der besten Talente. Für HR bedeutet das, dass wir die richtigen Instrumente und Kanäle bereitstellen müssen, um bei der Gewinnung und Bindung von Talenten erfolgreich zu sein. Die zweite Säule ist die Etablierung inspirierender Vorbilder, ähnlich wie im Showbusiness, im Sport oder in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Auf HR bezogen, be-deutet das für uns, dass wir eine vorbildhafte Füh-rung für unsere Mitarbeiter pflegen und fördern möchten. Die dritte Säule ist Diversity & Inklusion. Wir von HR setzen das entsprechend über unsere Diversity-Strategie um. Für uns ist es wichtig, dass sich die Vielfalt unserer Kunden in unserer Beleg-schaft widerspiegelt. Schließlich die vierte Säule:

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Die Schaffung eines kreativen Arbeitsklimas. Da-bei haben wir uns zunächst die Frage gestellt, was die entscheidenden Aspekte und Komponenten sind, um Innovationen zu generieren. Wir möchten eine Kultur schaffen, die Zusammenarbeit, Kreati-vität und Selbstvertrauen wertschätzt. Diese drei Verhaltensweisen sind unserer Überzeugung nach entscheidend, um die Unternehmensstrategie des adidas Konzerns erfolgreich umzusetzen.

Wie lief die Zusammenarbeit an diesem doppelten Strategieansatz ab?Die Führungsmannschaft hat natürlich an der Ausarbeitung beider Strategien maßgeblich mit-gewirkt. Speziell bei der People Strategy haben wir jedoch mit Kollegen aus unterschiedlichen Res-sorts zusammengearbeitet. Zunächst haben wir einen Plan für die People Strategy entworfen und diesen unseren wichtigsten Geschäftspartnern präsentiert. Danach folgte die Abstimmung mit dem Vorstand. Wir haben offen darüber diskutiert, ob unser Ansatz die Ideen wiedergibt, die das Un-ternehmen und seine Mitarbeiter in den kommen-den Jahren leben wollen und sollen. Nachdem wir dann die beiden Strategien im Detail ausgearbeitet haben, war und ist es meine Aufgabe, zusammen mit meinem Team und mit den Führungskräften im Headquarter und in den Märkten, die einzel-nen Ziele der Strategien zu kommunizieren und zu implementieren sowie die Zielerreichung zu über-wachen. Bei der Umsetzung arbeiten wir bereichs-übergreifend mit den Kollegen zusammen.

Mit welchen großen Herausforderungen setzt sich adidas in der Unternehmensstrategie, aber vor allem in der HR-Strategie, auseinander?Wir stellen fest, dass sich die Welt verändert hat und sich weiter verändern wird. Die Arbeitswelt ist insgesamt schneller geworden und wird wohl noch weiter an Geschwindigkeit gewinnen. Große Trends sind die Digitalisierung und die Individualisierung. Wir von HR hinterfragen, was diese Trends kon-kret für unser Ressort bedeuten. Talentmanage-ment ist und bleibt für uns eine Kerndisziplin. Wir sind der Meinung, dass der War for Talents bereits vorbei ist und dass das Talent diesen Kampf ge-wonnen hat. Wir dürfen also trotz unserer starken Marken nicht warten, bis große Talente an unsere Tür klopfen, sondern müssen selbst aktiv auf die besten Talente zugehen. Wir sind ein Sportartikel-hersteller, doch beim Talentmanagement stehen wir im Wettbewerb mit globalen Konzernen wie Google und Apple. Wir müssen unsere Arbeitswelt

und unser Arbeitsklima so gestalten, dass die bes-ten Talente auf der Welt für uns arbeiten wollen. Eine weitere Herausforderung ist das Thema Ge-nerationen. Derzeit arbeiten bereits mehrere Ge-nerationen zusammen. In Zukunft werden bis zu fünf Generationen zusammenarbeiten. Gerade die Millennials sind im Job fordernder und in vielem flexibler als die mittlere und die ältere Generation, sodass wir vor der Herausforderung stehen, diese neue Form von Diversity in einem Change-Prozess zu meistern. Die Globalisierung hebt die Aufgaben für einen global aufgestellten Konzern wie die adi-das Gruppe auf eine noch höhere Ebene. Wir von HR müssen letztlich jeden Mitarbeiter dort abho-len, wo er herkommt.

Wie definiert adidas für sich den Talentbegriff?Für uns bei der adidas Gruppe sind alle Mitarbeiter Talente. Wir legen hier also keine exklusive, son-dern eine inklusive Strategie zugrunde. Das heißt, dass wir jeden Mitarbeiter, der für uns arbeitet, auf seinem Weg begleiten und ihm helfen wollen, sein Potenzial bestmöglich zu entwickeln und für den Konzern einzubringen. Im weiteren Verlauf definieren wir, basierend auf den Fokusthemen, die in der Unternehmensstrategie vorgegeben sind, verschiedene Karrierepfade. Zu diesen so-genannten Talent-Pools zählen zum Beispiel „Di-gital“, „Leadership“ und „Project Management“. Über sie können sich Talente entweder neue Skills aneignen oder sich weiter spezialisieren. Wichtig ist, dass wir den Mitarbeitern nicht vorschreiben, welchen und wie vielen Pools sie sich anschließen. Das kann jeder selbst entscheiden. Wir von HR sind aber zur Unterstützung da.

Wie will adidas die HR-Strategie in Zukunft weiterentwickeln?Bereits bei der ersten Präsentation der HR-Stra-tegie habe ich meinen Vorstandskollegen gesagt, dass wir uns zwischen einer evolutionären und einer disruptiven Strategie entscheiden können. Wir haben uns einstimmig für den disruptiven Weg entschieden, weil wir davon überzeugt sind, nur so die besten Talente zu gewinnen. Eine wichti-ge Komponente ist dabei die Führungskultur. Wir müssen unseren Führungskräften vermitteln, was es heißt, Talente gut zu führen. Dabei unterschei-det sich Leadership heute vollkommen von dem, was Führung vor zehn Jahren bedeutet hat. Unse-re Führungskräfte müssen verstehen, dass wir uns in einem gewaltigen globalen Wandel der Arbeits-welt befinden und dass wir unseren Mitarbeitern

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erlauben und ermöglichen müssen, mit dem Wan-del zu wachsen. Das bedeutet, dass heute ande-re Anforderungen an die Führungskräfte gestellt werden als bisher. Ein anderer Bereich, in dem die HR-Strategie noch viel bewirken muss, ist Diversi-ty. Nehmen wir als Beispiel die Chancengleichheit der Geschlechter. Wir müssen noch mehr als bis-lang Frauen und Männern in gleichem Maße Kar-rieremöglichkeiten auf allen Hierarchiestufen und in allen Funktionen im Unternehmen bieten. Der schwierigste Teil der HR-Strategie wird aber sein,

die Unternehmenskultur zu ändern. Ein Kultur-wechsel ist jedoch unausweichlich. Wenn Sie über unseren Campus in Herzogenaurach gehen, dann spüren Sie deutlich, dass Sport die DNA von adidas ist. Doch das ist uns nicht genug. Wir wollen jeden Menschen einladen, bei uns kreativ zu sein und et-was zu schaffen. Wir wollen noch mehr als bislang die Kreativität unserer Mitarbeiter freisetzen und ihnen Möglichkeiten eröffnen, etwas ganz Neues zu entwickeln.

Mit welchen Mitteln messen Sie den Erfolg Ihrer HR-Strategie und der Maßnahmen, die damit verbunden sind?Natürlich haben wir bereits einige Finanzkennzah-len, doch wir wollen in der Erfolgsmessung noch besser werden. Gerade unsere Unternehmens-strategie „Creating the New“ stellt klar heraus, dass wir erfahren wollen, wie der Kunde über uns und über unsere Produkte denkt. Diesen Ansatz haben wir in HR übernommen und für unsere Kun-

den, unsere Mitarbeiter und zukünftigen Talente die People Strategy entwickelt. Das beginnt be-reits mit dem Schüler, den wir schon früh anspre-chen müssen, damit er uns wahrnimmt und unser Kunde wird. In der Grundhaltung unterscheiden wir hier nicht zwischen aktuellen und zukünftigen Mitarbeitern, weil wir alle Mitarbeiter auf allen Ebenen gemäß den vier Säulen unserer People Strategy ansprechen. Wir leiten KPIs ab, um letzt-lich den Erfolg auch in Zahlen messen zu können. Am einfachsten ist die Messung im Diversity-Ma-nagement. Dort zeigen uns die Zahlen deutlich, wie unterschiedlich sich Frauen und Männer zum Teil entwickeln. Eine immer größere Bedeutung in der Erfolgsmessung gewinnt die Feedbackkultur. Durch onlinebasierte Tools können wir öfter und einfacher Feedbacks einholen, können aber auch dank der Erfassung die Inhalte und den Umfang des Feedbacks analysieren und in mehrfacher Hinsicht messen. Auch die Feedbackkultur auf der Seite des Managements können wir noch verbes-sern. Leitgedanke für Führungskräfte muss sein, dass sie häufiger und qualitativ besser Feedback an die Mitarbeiter geben sollen. Die Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, dass ihre Stimme ge-hört wird und dass sie als Personen von ihren Vor-gesetzten und damit letztlich vom gesamten Un-ternehmen ernst genommen werden. Wir gehen somit weg von den formalen Zielvereinbarungsge-sprächen hin zu offeneren und schnelleren Kom-munikations- und Feedbackformen.

Wie sehen Sie die Rolle von HR bei adidas? Ist HR ein strategischer Partner?Wir sind auf jeden Fall ein wichtiger strategischer Partner. Natürlich hat unser HR-Bereich auch klassische Personalverwaltungsaufgaben, doch Personal ist für unser Unternehmen so wichtig und in allen Fachbereichen omnipräsent, dass jede Fachdiskussion und jede Fachentscheidung immer HR-Themen berührt. Deshalb ist es wich-tig, dass wir von HR die nötigen Kompetenzen mitbringen, damit wir praktisch an jedem Ge-spräch mit den Experten im Unternehmen auf Augenhöhe teilnehmen können. Wir bekommen von den Kollegen in den anderen Bereichen nur dann Akzeptanz, wenn wir auch inhaltlich mitre-den können und einen Mehrwert bieten. Deshalb ist die regelmäßige Weiterqualifikation unserer HR-Mitarbeiter ein fester Baustein der Personal-entwicklung. <

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Maria Antoniou, Senior Vice President HR/Executive HR, E.ON SE

80 Prozent der HR-Strategie sind regional, 20 Prozent zentral orientiert

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Wie entwickelt E.ON die eigene HR-Strategie?Für uns existiert die HR-Strategie nicht isoliert von der Gesamtstrategie des Unternehmens, sondern sie muss die Gesamtstrategie unterstützen. Große Unternehmen setzen ihre HR-Strategie mit der-selben Energie und Bestimmtheit um, die sie auch für die Geschäftsstrategie aufwenden. Dabei gilt als ein Haupterfolgsfaktor für Unternehmen, dass die HR-Funktionen mit dem Business eng ver-zahnt und hoch integriert zusammenarbeiten. Wir haben unsere Strategie Ende 2013 und Anfang 2014 komplett überarbeitet. Der frühere Ansatz verlief top-down, was bedeutete, dass die alte Strategie zentral den einzelnen Gesellschaften und Einhei-ten genau vorschrieb, was sie zu tun hatten. Die-ser Ansatz, verbunden mit einer Einbahnstraßen-kommunikation, verursachte bei den Mitarbeitern viel Frustration. Der neue HR-Strategieansatz trägt den Namen „80-20“. Das bedeutet, dass 20

Prozent der HR-Strategie zentral in Centers of Competence gesteuert werden. Dieser Teil der Strategie stellt praktisch den Klebstoff dar, der die Mitarbeiter an das Unternehmen binden soll und somit auch die DNA unseres Konzerns ausmacht. Die anderen 80 Prozent der HR-Strategie wurden von den regionalen HR-Einheiten für die jeweilige Region entwickelt. Allerdings orientieren sich die regionalen HR-Einheiten dabei jeweils an den zen-tralen Rahmenvorgaben und nutzen die Centers of Competence, die Instrumente zur Verfügung stellen. Somit werden auch Skaleneffekte sicher-gestellt. Es kann nicht sein, dass E.ON in jedem Land, in dem es vertreten ist, mit verschiedenen HR-Tools arbeitet. Gerade bei den zentralen 20 Prozent haben wir von HR unseren Beratungs-auftrag. Dabei haben wir die großen Trends und aktuelle Entwicklungen im Blick. Wir führen bei Bedarf auch Interviews mit Entscheidern im Kon-

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zern durch, um neue Megatrends herauszufiltern. Das alles bildet unseren strategischen Rahmen und fließt in unsere Businessstrategie ein.

E.ON unterscheidet zwischen einer HR-Strategie und einer People-Strategie.Ja, wir sind streng genommen von einer HR-Stra-tegie zu einer People-Strategie übergegangen. Dieser Wechsel hat unsere Beziehung zu den Mitarbeitern insgesamt stark verändert. Im Rah-men unserer People-Strategie haben wir sechs ausgewählte Themen im Fokus. Sie beinhalten die drei HR-Erfolgsfaktoren: „unsere Mitarbeiter auf die Zukunft vorbereiten“, „neue Möglichkei-ten schaffen“ und „Leistung anerkennen“. Dazu wurden „offen sein“, „sich aktiv einbringen“ und „nie selbstzufrieden sein“ als HR-Schwerpunkte definiert. Die HR-Erfolgsfaktoren werden somit mit Leben gefüllt. Die People-Strategie setzt den Rahmen für alle HR-Aktivitäten der nächsten drei bis fünf Jahre.

Wer entwickelt die HR-Strategie?Im klassischen Modell der HR-Strategie würden gerade die 20 Prozent der zentralen HR-Strate-gie beispielsweise durch Shared-Service-Centers umgesetzt werden. Bei uns übernimmt diese Rolle der Head of Strategy, Controlling & Planning. Er arbeitet mit mir als Personalleiterin und meinem Center of Competence daran, diese zentralen 20 Prozent der HR-Strategie zu implementieren. Mit unserem Entwurf einer HR-Strategie gehen wir in den Vorstand und besprechen diesen mit ihm. In der Regel folgen dann weitere Gespräche, in denen wir gemeinsam jeden Aspekt der Stra-tegie beleuchten und analysieren. Ein Ergebnis dieser Abstimmungsrunden ist, dass wir unse-re HR-Strategie so einfach und verständlich wie möglich formulieren. In diesem Center of Compe-tence haben wir eine ganze Reihe von Spezialisten wie beispielsweise Vergütungsexperten. Andere Kollegen aus dem Produkt- und Prozessteam füh-ren praktische Probetests für die HR-Strategie in ausgewählten Einzelregionen durch. Die in der People-Strategie festgelegten Ziele aus HR-Sicht in Bezug auf die Zusammenarbeit mit allen Kolle-gen lauten: kundenorientiert sein, HR weiterent-wickeln, in Partnerschaft mit der Mitbestimmung zusammenarbeiten, Dinge einfach halten. HR darf kein Selbstzweck sein, sondern muss für die Un-ternehmensstrategie und für die Produktstrategie da sein.

Was steckt hinter der Formulierung, „die Dinge einfach zu halten“?Ich erläutere es an einem Beispiel. Derzeit entwi-ckeln wir einen neuen Kompetenzrahmen, versu-chen aber zugleich, dieses Wort nicht zu verwen-den, denn der normale Angestellte weiß damit nichts anzufangen. Stattdessen fragen wir offiziell, wie wir das Unternehmen E.ON wachsen lassen können.

Wer setzt die HR-Strategie bei E.ON um?Bei der Umsetzung der HR-Strategie arbeiten wir immer in interdisziplinär zusammengesetzten Teams zusammen. Ähnlich wie bei der Entwick-lung eines neuen Produkts finden bei uns vor der Umsetzung der HR-Strategie Workshops statt, in denen die Teilnehmer herausstellen können, was gerade in ihren Bereichen gut läuft und was nicht gut läuft. Mir ist immer wichtig, dass diese Teams auch mit Mitarbeitern besetzt sind, die schon an-dere große Unternehmen aus anderen Branchen von innen gesehen haben und andere Erfahrungen und Kompetenzen mitbringen. In der Vergangen-heit haben wir zum Teil das Wissen unserer Mit-arbeiter nicht richtig nutzen können und es damit praktisch verschwendet. Heute muss sich jeder Mitarbeiter an der Produktentwicklung beteiligen, was in der Vergangenheit oft so nicht der Fall war. Letztlich bekommt jeder Mitarbeiter die HR-Stra-tegie mit.

Welche Haupttrends in HR beobachten Sie für die kommenden Jahre?Die Digitalisierung ist der beherrschende Trend in HR in den kommenden Jahren. Damit ist die digitale Transformation verbunden, also die Fra-ge, welche Prozesse und Schritte wir weiterhin selbst im Unternehmen durchführen werden und welche wir extern vergeben. Auch die demogra-phischen Veränderungen prägen die Arbeitswelt. Dieses Thema geht weit über die bloße Alterung von Belegschaften hinaus. Wir haben Untersu-chungen über die Generation der Millennials und die Generation Y in Auftrag gegeben. Die Anforde-rungen der jungen Mitarbeiter an den Arbeitsplatz und an das Arbeitsleben insgesamt verändern sich gerade vollkommen. Darauf müssen wir eingehen und die Infrastruktur an den Arbeitsplätzen ent-sprechend verändern. Allerdings dürfen wir auch nicht den Fehler machen, die junge Generation über einen Kamm zu scheren. Vielmehr muss je-des Unternehmen seinen eigenen Weg finden, um mit den Herausforderungen der neuen Arbeitswelt

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klarzukommen. Entsprechend sind wir von HR dafür zuständig, dass Mitarbeiter auch ein Stück weit individuell behandelt werden gemäß ihrem persönlichen Bedarf. Wir sehen also eine größe-re Segmentierung und eine größere Auswahl an Möglichkeiten vor uns.

Welche Auswirkungen wird die Digitalisierung auf die Arbeitswelt haben?Infolge der Digitalisierung werden sich die Formen der Zusammenarbeit deutlich verändern. Wir wer-den in Zukunft mehr Aufgaben und Funktionen ha-ben, für die die Unternehmen keine internen Kapa-zitäten mehr vorhalten, sondern mit Freiberuflern zusammenarbeiten werden. Zugleich besteht für die Unternehmen die Herausforderung, die Kompetenzen und das Wissen, das sie gerade im Hinblick auf die Digitalisierung brauchen, in aus-reichender Menge und Qualität zu organisieren. Dabei kann es vermehrt zu konzernübergreifen-den und damit auch interdisziplinären Kooperatio-nen auf Projektebene kommen. Ein weiterer Trend ist Diversity, begleitet von einer Segmentierung. Es geht um mehr als physische Diversity, sondern insbesondere um kognitive Diversity. Wir brauchen Menschen aus verschiedenen Disziplinen und mit unterschiedlichem Erfahrungsschatz, damit wir Teams bekommen, in denen unterschiedlich und auch kontrovers gedacht wird. Ich spreche hier von der Diversity des Denkens. Weiter sehe ich den Trend hin zu Großstädten. Immer mehr junge Leute wollen in großen Städten, vor allem in den Metropolen ihrer Länder, arbeiten und leben. Die-se wachsende Urbanisierung stellt für Unterneh-men mit ungünstiger geographischer Lage einen Nachteil im Recruiting dar. In Unternehmen läuft derzeit eine intensive Debatte darüber, wie sie Performance zu managen haben. Das geht zum Teil auch mit Data-Analytics einher. In den USA entscheiden die Unternehmen auf der Basis sol-cher analytischen Ergebnisse über das Recruiting und die Einstellpolitik. Das wird auf Deutschland und seine Unternehmen erst in einigen Jahren zu-kommen.

Welche Rolle nimmt das HR-Ressort innerhalb von E.ON ein?HR hat sich verändert und von einer Personalfunk-tion immer mehr hin zu einem Business-Partner weiterentwickelt. Heute besitzt HR bei E.ON eine deutlich stärkere strategische Rolle als in der Vergangenheit. Allerdings gibt es bei uns keine Entwicklung wie in den USA, wo die HR-Busi-

ness-Partner eine stärkere und unabhängigere Position innerhalb der Unternehmen einnehmen. Deutschland ist hier noch auf dem Weg.

Wie definiert E.ON Talentmanagement?Talentmanagement bedeutet für mich nicht, über die Top 50 bei E.ON zu sprechen. Letztlich ist es ein Prozess, den HR zusammen mit dem Busi-ness durchführt. Natürlich ist jemand für mich ein Talent, der das Potenzial hat, in seinem Bereich Top-Leistungen zu bringen. Wir nutzen entspre-chende Instrumente, um die Entwicklung und das Potenzial eines Mitarbeiters zu messen und zu bewerten. In jedem Unternehmen geht es um den Unterschied zwischen Potenzial und Performance. Gerade im Bereich Performance haben wir eine kurzfristige und eine langfristige Perspektive.

Wie weit ist E.ON, die eigenen IT-Systeme zu harmonisieren? Wir sind auf dem Weg, eine umfassende IT-Infra-struktur einzurichten. Sie soll einfach und nutzer-freundlich zu bedienen sein. Schon jetzt sehen wir in Ansätzen unterschiedliche Erwartungshaltun-gen an die Nutzung von IT-Angeboten. Die einen wollen im Rahmen der Mitbestimmung Kontrolle auch über den Einsatz von IT. Anderen ist das voll-kommen egal, sie denken eher daran, wie sie mit einem Uber-Taxi ans nächste Ziel kommen. In Zu-kunft werden unsere Mitarbeiter mehr Self-Ser-vices nachfragen und nutzen. <

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Hartmuth Posner, Global Head of HR, Freudenberg & Co. KG

Industrie 4.0 wird unsere HR-Strategie prägen

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Inwieweit leitet sich die Human-Resources-Strategie von Freudenberg aus der Unternehmensstrategie ab?Der Wertbeitrag von HR leitet sich daraus ab, die Unternehmensstrategie zu unterstützen und mit Leben zu füllen. Dabei spielen auch Megatrends wie Digitalisierung und Industrie 4.0 eine Rolle. Diese finden Sie bei Freudenberg ebenso wie in jedem anderen Großunternehmen. Auch in unse-rer HR-Strategie spielt die IT eine wichtige Rol-le. Sicher geht es bei HR immer erst einmal um Menschen, doch die Art und Weise, wie wir Pro-zesse etablieren, ist stets mit IT verbunden. Wir von HR müssen permanent dazulernen, damit wir mit IT richtig umgehen können, denn wir etablie-ren immer wieder neue IT-gestützte Prozesse. Wir müssen in einem Changeprozess die Organisation darauf vorbereiten, HR-Themen mit IT-gestützten Prozessen zu verarbeiten. IT-Tools ersetzen na-türlich nicht das Gespräch zwischen dem Vorge-setzten und seinem Mitarbeiter, aber sie gestal-ten den Prozess offen und transparent. Moderne HR-Arbeit bedarf professioneller, IT-gestützter Systeme. Deshalb werden wir in den kommenden

Jahren auch in gute und flexible HR-IT-Tools in-vestieren.

Wie ausgereift ist die IT-Infrastruktur für HR bei Freudenberg aus Ihrer Sicht, um die HR-Strategie in der Zukunft zu unterstützen?Wir arbeiten seit Jahren daran, ein gutes IT-Sys-tem für HR zu schaffen, doch wir bewegen uns heute noch nicht in einer idealen IT-Welt. Aktuell haben wir die Herausforderung, drei strategisch wichtige IT-Systeme für HR nebeneinander eta-bliert zu haben, die nicht miteinander vernetzt sind. Dadurch können wir keine Daten zwischen den Systemen austauschen. In der Folge müssen wir neue Daten in alle drei Systeme einzeln ein-pflegen. Global ausgerollt sind IT-Systeme für den Bereich Mitarbeitergespräch/Talent/Zielvereinba- rung sowie für Training und Learning. Der globale Roll-out des dritten Systems Recruiting läuft ge-rade. Die Harmonisierung dieser drei Systeme und ihre Zusammenführung in einem Gesamtsys-tem sind für uns die Aufgaben in den kommenden Jahren.

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IT-Systeme für HR werden häufig dafür kritisiert, dass sie zu teuer für mittelständische Unternehmen sind und sich nicht flexibel genug an die Struktur des einzelnen Unternehmens anpassen lassen.Wir stellen uns vor jeder neuen IT-Investition die Frage, wie viel das Unternehmen durch die Inves-tition verdienen würde. In Konzernen mit einer großen Mitarbeiterzahl lässt sich der Mehrwert einer solchen Investition schneller errechnen. Zudem gilt in der IT der Grundsatz, dass ich nur die Flexibilität des Systems bekomme, die ich zuvor bestellt habe. Nachzurüsten ist deutlich teurer.

Für welchen Zeitraum plant Freudenberg die HR- Strategie?Wir erstellen regelmäßig einen Strategie-Review, der einen Ausblick auf die kommenden drei bis fünf Jahre gibt. Ich als Personalleiter entwickele die HR-Strategie gemeinsam mit den HR-Kollegen in den Geschäftsgruppen von Freudenberg. Dafür erstellen wir eine Prioritätenliste, die wir dann mit der Geschäftsleitung der Geschäftsgruppen abstimmen. Das abgestimmte Ergebnis legen wir schließlich dem Vorstand von Freudenberg vor. Am Ende des Tages kommt es bei uns vor den Gesell-schafterausschuss, der die Gesamtstrategie ver-abschiedet.

Welche weiteren strategischen Aufgaben für HR sehen Sie in den kommenden fünf Jahren auf Freudenberg zukommen?Bei uns stehen die Harmonisierung und Stan-dardisierung von HR-Prozessen auf der Agen-da. Die Freudenberg Gruppe besteht ungeachtet aller Konsolidierungen immer noch aus Ge-schäftsgruppen, die in der Vergangenheit ihre eigene HR-Struktur geschaffen haben. Seit vier Jahren führen wir diese Strukturen und Prozes-se zusammen. Bewusst unterscheide ich dabei Harmoni sierung von Zentralisierung, denn die Verantwortung für die Durchführung der Prozes-se liegt nach wie vor in den Geschäftsgruppen. In den vergangenen Jahren haben wir bei Freu-denberg die Prozesse Talentmanagement und Zielvereinbarung einheitlich gestaltet. Derzeit harmonisieren wir die Bonusstrukturen innerhalb des Unternehmens. Dabei geht es darum, sowohl das Bonussystem als auch den Teilnehmerkreis zu vereinheitlichen. Wir haben dafür ein einheit-liches Gradingsystem eingeführt und richten jetzt die Gehaltsstrukturen daran aus. Wie in diesem Beispiel wollen wir die Strukturen in vielen ein-

zelnen HR-Bereichen transparent, einheitlich und vergleichbar gestalten.

Beobachten Sie den Trend zur Harmonisierung auch in anderen Unternehmen?Ich kenne viele Unternehmen, die in den vergan-genen zehn bis 15 Jahren Prozesse und Zuständig-keiten dezentralisiert haben. Heute führen diese Unternehmen die Strukturen wieder zusammen, doch das ist eine große Aufgabe. Letztlich muss hier jedes Unternehmen seinen eigenen Weg fin-den.

An welchen Stellen sollte Freudenberg das Talent-management noch nachbessern?Aktuell haben wir den Mitarbeitergesprächspro-zess im Talentmanagement erweitert. Dabei be-wertet nicht nur der Vorgesetzte, sondern auch der Mitarbeiter seine eigene Leistung. Das Gan-ze ist Workflow-basiert, so dass der Vorgesetzte sieht, wie sich der Mitarbeiter selbst einschätzt. Der nächste Schritt ist ein Gespräch miteinander. Dabei sollte es vor allem um die Dinge gehen, in

denen beide unterschiedlicher Meinung sind, aber auch darum, wo beide Stärken und Entwicklungs-bedarf sehen. Durch diesen Ansatz können sich HR und Führungskräfte besser auf ein Personal-gespräch vorbereiten. Zugleich muss die Füh-rungskraft eine kritische Bewertung des Mitar-beiters mit Argumenten belegen. Das steigert die Gesprächsqualität.

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Welchen Stellenwert wird Führung bei Freudenberg im Rahmen der HR-Strategie künftig haben?Was hält einen Mitarbeiter im Unternehmen? Spannende Aufgaben und gute Führung. Leader- ship ist unverzichtbar, um eine HR-Strategie er-folgreich zu implementieren. Viele Menschen wol-len Führungskraft sein, aber niemand will Men-schen führen. Führung bedeutet, mit Menschen zu sprechen und sie persönlich und fachlich zu führen, Feedback und konstruktive Kritik zu ge-ben sowie Perspektiven aufzuzeigen. So entwi-ckeln sich Mitarbeiter inhaltlich und fachlich wei-ter. Doch Führung bedeutet auch zusätzliche Zeit und Arbeit. Unser neuer Gesprächsprozess soll sicherstellen, dass die Gespräche zwischen Füh-rungskraft und Mitarbeiter stattfinden und inhalt-lich mehr bringen als in der Vergangenheit.

Wie wichtig ist es für das Erreichen strategischer HR-Ziele, die einzelnen Bereiche und Funktionen von HR zu messen und Daten zu gewinnen?Mit einer gut aufgestellten IT lassen sich natür-lich viele wertvolle Daten generieren und nut-zen. Doch für die Mitarbeiterentwicklung helfen beispielsweise Daten allein nicht wirklich weiter. Dort ist vielmehr der persönliche Eindruck von einem Mitarbeiter entscheidend. Nehmen Sie das Recruiting. Natürlich kann ich messen, wie lange wir brauchen, um eine Stelle zu besetzen und welche Kosten dadurch anfallen. Doch die entscheidende Frage ist, ob die Person am Ende tatsächlich eine gute Wahl für die Position ist, und nicht, ob wir sie zwei Wochen früher oder später eingestellt haben.

Wer setzt die HR-Strategie bei Freudenberg und in den Teilkonzernen um?Hier sind die Geschäftsgruppen vielerorts un-terschiedlich aufgestellt, etwa im Hinblick auf Reifegrad und Geschäftsmodell. Wenn meine Zielvereinbarung für die HR-Strategie steht, kom-muniziere ich diese Ziele intern. Damit stecke ich den strategischen Rahmen ab, innerhalb dessen sich meine HR-Kollegen in den Geschäftsgrup-pen bewegen. Ich achte natürlich darauf, dass die strategischen Ziele in den Geschäftsgruppen auch erfüllt werden, halte mich aber aus der operativen Umsetzung heraus.

Ist HR bei Freudenberg ein strategisch prägendes Ressort?Auf jeden Fall. Wir haben vor einigen Jahren ein HR-Business-Partner-Modell eingeführt. Seitdem haben wir dezidierte Kollegen für die einzelnen Fachbereiche positioniert. Entscheidend ist, dass HR bei allen strategischen Weichenstellungen möglichst früh eingebunden ist. Allein für die Ka-pazitäts- und Kompetenzplanung von Personal für neue Projekte ist es wichtig, dass HR von Anfang an mit am Tisch sitzt. Deshalb fragen wir in unserer jährlichen Talentkonferenz die Geschäftsgruppen, welche Kompetenzen die Mitarbeiter haben müs-sen, um kommende strategische Herausforderun-gen stemmen zu können. Konkret wollen wir er-fahren, welche Anforderungen auf die Mitarbeiter zukommen, welche Kompetenzen sie bereits be-sitzen und was sie noch lernen müssen. Dann be-fassen wir uns im nächsten Schritt mit der Frage, wie wir den Mitarbeitern die benötigte Kompetenz über Präsenzveranstaltungen und E-Learning ver-mitteln. Deshalb investieren wir auch in Zukunft weiter in Leadership- und Trainingsprogramme. Für uns ist die Mitarbeiterentwicklung ein Kern-baustein der HR-Strategie. Wir wollen drei Viertel der vakanten Führungspositionen intern besetzen.

Gerade im Hinblick auf die Digitalisierung und die Industrie 4.0 sind neue Kompetenzen gefragt.Deshalb benötigen wir junge Menschen, die diese Technologien verstehen. Das Thema Industrie 4.0 wird auf lange Sicht weit über das hinausgehen, was wir bislang als HR-Strategie planen und um-setzen. Sie wird unsere HR-Strategie in Zukunft stark prägen und verändern, doch in welcher Form und in welchem Maße das sein wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Möglicherweise werden in einigen Jahren vollkommen andere IT-Systeme auf den Markt kommen. Auch andere Arbeitsfor-men wie Liquid Workforce sind denkbar, in denen Menschen nur noch temporär über Plattformen und Netzwerke vermittelt und eingesetzt werden. Allerdings sind wir bei Freudenberg davon noch weit entfernt. Für uns ist es entscheidend, eine möglichst hohe technische Expertise und Materi-alkompetenz im Haus zu haben. Wir sind froh, ge-nau die Mitarbeiter mit ihrem Know-how zu haben, die für uns arbeiten. <

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Kathrin Menges, Personalvorstand, Henkel AG & Co. KGaA

HR ist vor allem eine Führungsaufgabe

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Wer entwickelt bei Henkel die Human-Resources- Strategie?HR ist integraler Bestandteil unserer Unterneh-mensstrategie. Auf Vorstandsebene entschei-den wir gemeinsam über die Prioritäten. Das gilt für die strategischen Schwerpunkte von HR genauso wie für die anderen Unternehmensbe-reiche und Ressorts. Die konkrete Ausarbeitung der HR-Strategie liegt bei mir und meinem glo-balen HR-Führungsteam. Deren Umsetzung ist dann ein etwas differenzierterer Prozess: Wir als HR-Ressort bereiten die Themen konzeptionell vor und implementieren die jeweiligen Program-me, doch die Verantwortung für die Entwicklung unserer Mitarbeiter und der Teams liegt ganz klar bei allen Führungskräften. Sie sind entscheidend mitverantwortlich, zum Beispiel für gezieltes Ta-lentmanagement, die Weiterentwicklung unserer Feedbackkultur oder das Gewinnen neuer Mitar-beiter. In diesem Kontext ist HR dann vor allem

Business-Partner, der die Führungskräfte beglei-tet und unterstützt.

Henkel ist weltweit vertreten. Wie global und wie regional ist die HR-Strategie von Henkel im Hinblick auf die globale Aufstellung des Konzerns?Viele HR-Konzepte sind global und werden auch weltweit einheitlich implementiert. Das betrifft vor allem das Bewertungs- und Vergütungssys-tem von Führungskräften, unseren Talentent-wicklungsprozess und wichtige Lernkonzepte. Da unsere Teams sehr global aufgestellt sind, ist die Vergleichbarkeit dieser Programme für uns eine entscheidende Voraussetzung für die weltweite Mitarbeiterentwicklung. Manche The-men sind aufgrund spezifischer Anforderungen besser regional angesiedelt – hier sorgen wir vor allem dafür, dass Best Practices aus den einzel-nen Regionen schnell geteilt und übernommen werden. HR wird bei uns seit vielen Jahren zen-

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tral gesteuert, das heißt, dass die globale HR-Or-ganisation an mich berichtet. Dadurch haben wir weltweit ein sehr einheitliches Verständnis von Prioritäten im HR-Bereich und können auch neue Konzepte innerhalb der Organisation schnell im-plementieren.

In welchem Zeitrhythmus überarbeitet Henkel die HR-Strategie?Wir richten die HR-Strategie an der Gesamtstra-tegie des Unternehmens aus, die bei Henkel einen Zyklus von vier Jahren umfasst. Natürlich haben viele Themen auch eine langfristige Bedeutung,

so dass sich nicht alle Prioritäten mit einer neu-en Strategie verändern müssen. Wir überprüfen dann vor allem die Konzepte und Maßnahmen und passen diese, wenn notwendig, an die veränder-ten Gegebenheiten an.

Welche großen Aufgaben kommen nach Ihrer Einschätzung in den kommenden Jahren auf HR bei Henkel zu?Sicher prägen die demographische Entwicklung und die Digitalisierung die HR-Diskussionen ganz wesentlich. Die demographischen Heraus-forderungen sind dabei regional oder lokal sehr unterschiedlich und erfordern eine differenzierte Vorgehensweise. Die Digitalisierung ist dage-gen ein globales Thema, das viele HR-Themen betrifft. So erlauben uns digitale Technologi-en bereits heute, aber vor allem in der Zukunft, HR-Prozesse schneller und flexibler zu steuern. Wir verfügen über eine gut funktionierende, glo-bale IT-Plattform, die zukünftig sicherlich noch

viele Möglichkeiten und neue Applikationen mit sich bringt. Deshalb werden wird auch weiterhin in unsere IT-Systeme investieren. Darüber hinaus beschäftigten wir uns sehr intensiv mit der Frage, welche neuen Anforderungen sich durch die Digi-talisierung an die Kompetenzen unserer Mitarbei-ter, die Veränderung ganzer Berufsbilder und die notwendigen Lernangebote ergeben. Unser Fokus auf das Talentmanagement wird auch in den kom-menden Jahren unverändert sein. Das Finden, Gewinnen und Entwickeln von Talenten ist für uns seit Jahren ein Kernthema und verliert seine stra-tegische Bedeutung nicht. Bei der Entwicklung entsprechender Maßnahmen und Programme be-rücksichtigen wir allerdings wichtige Trends wie Individualisierung und Demokratisierung, um den Erwartungen der Mitarbeiter gerecht zu werden.

Die Auffassungen davon, was Talentmanagement bedeutet, unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen. Wie definiert Henkel für sich den Begriff Talent?Grundsätzlich bringt jeder Mitarbeiter Talente und Kompetenzen mit, aber wir sprechen nicht in je-dem Fall von Talent im Sinne des Talentmanage-ments. Wir definieren Talente als High Potentials, die eine besonders starke Leistung erbringen und in der Organisation mit Blick auf anspruchsvolle, weitergehende Positionen wachsen können. Diese Potenzialkandidaten stehen uns dann verlässlich für Nachfolgeplanungen zur Verfügung und wer-den entsprechend entwickelt. So gelingt es uns, den größten Teil aller Vakanzen in Führungsposi-tionen intern zu besetzen. Doch es geht nicht nur um High Potentials. Talentmanagement ist ein umfassender Ansatz. Dazu zählt auch die trans-parente Bewertung von Leistung und Potenzial jedes Mitarbeiters, das umfassende und offene Feedback und die gezielte Weiterentwicklung. Eine gute Feedbackkultur ist mir persönlich sehr wichtig – und jede Führungskraft trägt hier eine hohe Verantwortung. Ebenso wichtig ist es, Ta-lentmanagement über die eigenen Bereichsgren-zen hinaus zu denken. Jeder Vorgesetzte freut sich, ein funktionierendes Team leiten zu dürfen, doch globales Talentmanagement bedeutet, neue Talente aufzunehmen und eigene Teammitglieder auch abzugeben. Wir entwickeln Talente für das Unternehmen und nicht für das eigene Team.

Wie geht Henkel mit Big Data in HR um?Das Thema ist für uns hochrelevant. Wir arbeiten bei HR mit einem einheitlichen IT-SAP-System, so

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dass wir Zugriff auf einen großen Bestand an mit-arbeiterbezogenen Daten haben, die wir miteinan-der verknüpfen und auswerten können. In diesem System finden zum Beispiel auch Bewertungs- und Vergütungsprozesse ihren Niederschlag. Die Analysen, die wir aus den Daten ziehen, benötigen wir für unsere HR-Arbeit. Wir entwickeln daraus KPIs, die für die Organisation relevant sind und am Ende immer eine qualitative Aussage ermögli-chen. Auf dieser Basis können wir Planungen und Forecasts durchführen. Das Thema Datenqualität ist in diesem Prozess eine große Herausforde-rung, weil sich selbst die Stammdaten der Mit-arbeiter permanent verändern und nachgehalten werden müssen.

Daten bilden eine wichtige Basis für das Performance-Management. Das ist richtig. Performance-Management ist ein zentraler Baustein unseres Talentmanagements. Wir haben im Unternehmen rund 11.000 Füh-rungskräfte weltweit, die wir in einem einheitli-chen Bewertungsprozess beurteilen. Die Daten werden in das globale System eingespeist. Diese analysieren wir und schauen uns dabei immer die Performance und das Potenzial unserer Mitarbei-ter an. Aus diesen beiden Dimensionen ergibt sich der Talentindikator. Damit definieren wir KPIs wie unsere übergreifende Talentquote oder die Po-tenzialquote bestimmter Mitarbeitergruppen. Die Ergebnisse können wir auf alle Ebenen und Regi-onen herunterbrechen. Das sind für uns zentrale Steuerungselemente.

Wie wird die Digitalisierung die Organisation des HR-Ressorts bei Henkel in Zukunft verändern?Natürlich müssen auch HR-Mitarbeiter ihr Wissen und Können an neue Anforderungen anpassen. Vor allem im Recruitment-Bereich sehe ich durch die Digitalisierung viele zusätzliche Möglichkei-ten. Bereits heute kennen wir Active Sourcing: Ar-beitgeber gehen aktiv in soziale Netzwerke oder auf andere Plattformen, um einen Kandidaten für eine Stelle zu finden, auf die er sich gar nicht beworben hat. Das werden wir in Zukunft sicher noch öfter sehen. Auch das Thema Learning wird sich durch die Digitalisierung noch stark verän-dern, Stichworte sind hier Massive Open Online Courses und Gamification. Weniger Veränderun-gen erwarte ich beim Talentmanagement; hier steht der persönliche Kontakt mit den Menschen weiterhin im Mittelpunkt.

Welche Bedeutung besitzt das Employer- Branding für Henkel in Zukunft?Wir haben vor allem in Deutschland einen hohen Bekanntheitsgrad, doch das ist weltweit längst nicht überall der Fall. Deshalb arbeiten wir per-manent daran, international als Arbeitgeber noch stärker wahrgenommen zu werden. In vielen Län-dern kommt für uns die Employer-Awareness als Schritt noch vor der Employer-Attractiveness. Da-bei ist es uns wichtig zu zeigen, wofür die Marke Henkel steht – nämlich für gesellschaftliche Ver-antwortung, Werteorientierung und für nachhal-tiges Wirtschaften. Gleichzeitig sind wir ein fle-xibles, dynamisches und globales Unternehmen mit einer hohen Leistungsorientierung. Das sind wichtige Attribute für unsere eigenen und zukünf-tigen Mitarbeiter.

Wie geht Henkel mit der sich verändernden Erwartungshaltung vieler jüngerer Mitarbeiter an die Arbeitswelt um?Junge Mitarbeiter jeder Generation hatten und haben hohe Erwartungen an ihren Arbeitgeber, die Prioritäten und Themen können sich unter-scheiden. Gerade der aktuellen Generation haftet aus meiner Sicht so manches Klischee an, für das mit Sicherheit nicht alle Vertreter stehen. Den-noch setzen wir uns sehr ernsthaft mit den Erwar-tungen der sogenannten Millennials auseinander. Der Wunsch nach Spaß an der Arbeit bereitet mir keine Sorge, im Gegenteil: Arbeit soll und muss Freude machen und Erfüllung bringen, nur dann ist man wirklich gut. Gleichzeitig wird ein flexi-bler Arbeitsalltag gewünscht, die Leistungser-bringung soll unabhängiger von Arbeitszeit und -ort werden. Das kommt unserer Unternehmens-kultur sehr entgegen: Anwesenheit darf nicht mit Leistung verwechselt werden. Deshalb wollen wir auch ganz klar weg von einer Präsenzkultur und hin zu einer ergebnisorientierten Leistungskul-tur. Auch werden Karrierewege in Zukunft anders aussehen, mit mehr Brüchen und Wendungen. Viele Mitarbeiter dieser Generation erwarten au-ßerdem sehr offenes und regelmäßiges Feedback. Feedbackprozesse werden dabei in Zukunft weni-ger formal und strukturiert sein, dafür erfolgt die Rückmeldung aber viel häufiger. Auf diese Verän-derungen müssen wir unsere Führungskräfte gut vorbereiten. <

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HR-Strategie 2020 Interviews 32

Andreas Horn, Head of Human Resources and Social Affairs, KRONES AG

Für HR kommt die Pflicht vor der Kür

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Wo steht Krones aktuell mit der Entwicklung einer Human-Resources-Strategie?Wir setzen derzeit unsere HR-Strategie neu auf und richten sie an unserem neuen Organisati-onsmodell aus, das wir 2014 unternehmensweit eingeführt haben. Ich habe den Strategieentwurf zusammen mit meinem Leitungsteam erarbeitet, also den Fachverantwortlichen für die verschiede-nen HR-Bereiche, begleitet von einer Kollegin aus der Unternehmensentwicklung. Das Ergebnis ist ein Strategiehaus, das auf mehreren Säulen mit allen relevanten HR-Aspekten ruht. Wir haben alle für uns zentralen Aspekte wie die People-, die Pro-zess- und die Businessseite abgebildet. Die Ge-samtstrategie von Krones stellt das Dach unseres HR-Strategiehauses dar.

Welches sind die Treiber für die neue HR-Strategie?Krones hat sich vor zwei Jahren neu aufgestellt mit einer neuen Unternehmensstrategie und -organi-sation. Davor waren wir stark funktional ausge-

richtet mit einem Technikbereich, einer zentralen Produktion sowie kaufmännischen Zentralfunktio-nen. Dieses System war zwar hochgradig effizient, aber auch relativ starr, so dass wir mit unserem stetig wachsenden Produktportfolio an die Gren-zen der Skalierbarkeit des Systems gestoßen sind. Deshalb haben wir die neue Organisation ab 2014 nach Business-Units ausgerichtet, um den Eigen-heiten und speziellen Bedürfnissen unserer unter-schiedlichen Geschäftsfelder deutlich besser ge-recht werden zu können. Schließlich funktioniert beispielsweise der Sondermaschinenbau deutlich anders als unser Prozesstechnikgeschäft oder der Lifecycle-Service. Die neue Organisation hat von Anfang an gut gegriffen, und wir mussten nur bei einigen wenigen Prozessen und Verantwortlich-keiten nachjustieren. HR hat damals diese Um-strukturierung des Unternehmens begleitet, sich selbst aber nicht neu aufgestellt. Jetzt müssen wir unsere HR-Strukturen und -Prozesse ebenfalls auf die geänderte Organisation neu ausrichten.

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Viele HR-Bereiche sind historisch gewachsen und funktionieren als selbständige Einheiten auch gut, doch sie sind oft nicht mit den anderen HR-Berei-chen ausreichend verzahnt. Beispielsweise stellen die deutsche HR-Welt und die internationale HR-Welt bis heute separate Sphären dar. Wir müssen beide Welten zwingend zusammenbringen, weil die organisatorische Neuausrichtung des Unter-nehmens global angelegt war und zu internatio-nal durchgestochenen Prozessen und Organisati-onseinheiten geführt hat. Krones exportiert mehr als 90 Prozent der Getränkeanlagen ins Ausland und ist damit extrem international aufgestellt, vor allem im Lifecycleservicegeschäft. Maschinen werden aber fast ausschließlich in Deutschland produziert. Dort arbeiten rund 9.000 der weltweit über 13.000 Beschäftigten. Trotz der relativ hohen Arbeitskosten in Deutschland macht diese Kon-zentration auf deutsche Produktionsstandorte nach wie vor Sinn, da wir hier hervorragende Eco-nomy-of-Scale-Effekte haben.

Auf welche großen strategischen HR-Themen der Zukunft hin richten Sie Ihre neue Strategie aus?Wir stellen uns die Frage, wie sich die Anforderun-gen an unsere Mitarbeiter vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Industrie 4.0 verändern. Wel-che Kompetenzen sind gefragt? Welche Formen des Zusammenarbeitens setzen sich durch? Wie bleiben wir als Arbeitgeber langfristig attraktiv? Im Inland haben wir eine Fluktuation von knapp 1 Pro-zent, im Ausland von circa 7 Prozent. Heute können wir unseren Personalbedarf in der Zentrale und an den anderen Produktionsstätten in Deutschland gut decken. Die Mitarbeiter kommen überwiegend aus der Region, doch inzwischen wächst der Anteil der Mitarbeiter und der Führungskräfte von außer-halb. Zwar werden wir weiterhin stark auf die eige-ne Ausbildung setzen, doch ausschließlich darüber werden wir nicht die Kompetenzträger bekommen, die wir für unser Geschäft in der Zukunft benöti-gen. Der demographische Wandel beschäftigt auch uns. Die Zahl der Erwerbstätigen wird langfristig auch in unserer Region sinken.

Arbeitgeber stellen sich auf alternde Belegschaften ein.Wir stellen fest, dass als Folge der Alterung unse-rer Belegschaft der Krankenstand langsam, aber kontinuierlich steigt. Deshalb setzen wir mit Blick auf die Zukunft ein betriebliches Gesundheitsma-nagement auf, um diese Entwicklung abzubrem-sen und die Arbeitsfähigkeit unserer Mitarbeiter

möglichst gut zu erhalten. Dabei arbeiten wir eng mit dem Betriebsrat zusammen.

Wie sehen die wichtigsten Ziele der HR-Strategie aus?Die Kernfragen unserer Strategie drehen sich um das Recruiting und die Personalentwicklung. Wie finde ich als Arbeitgeber die Mitarbeiter, die ich brauche, wie gewinne ich sie für Krones, wie hal-te ich sie im Unternehmen, wie entwickele ich sie weiter? Da bleibt sich das HR-Geschäft treu, aber natürlich verändern sich die Rahmenbedingungen. Die Anforderungen unserer Kunden steigen stän-dig, und für uns wird es tendenziell immer schwie-riger, alle Anforderungen zu erfüllen. Zugleich ver-folgt Krones einen strikten Wachstumskurs, denn auch die Weltbevölkerung wächst. In Europa und in Amerika haben wir weitgehend gesättigte Märkte, doch China und Afrika bergen noch viel Potenzi-al für Neugeschäft. Unser Wachstum ist bis 2030 nach unseren Prognosen gesichert, so dass wir uns zuerst darüber Gedanken machen müssen, woher wir das Personal bekommen, um dieses regionale Wachstum zu realisieren. Das neue Per-sonal brauchen wir dann weniger in der Zentrale von Krones, sondern näher bei unseren internati-onalen Kunden. Um Lieferzeiten zu reduzieren und Transportkosten zu sparen, werden wir punktuell auch Produktionsstätten im Ausland aufbauen und noch stärker Servicepersonal im Ausland lokalisie-ren. Deshalb konzipieren wir für unsere Standorte in China und Afrika eine Berufsausbildung nach deutschem Muster, die dort anerkannt und zerti-fiziert wird. Angesichts des Ausbildungsniveaus in den genannten Regionen kommen wir nicht um-hin, selbst auszubilden. Um den Austausch unse-rer internationalen Standorte mit der Zentrale zu fördern, haben wir ein Across-Borders-Programm eingerichtet. Darüber können Kollegen an interna-tionalen Standorten für drei Monate ihre Arbeits-plätze tauschen oder an Projekten des eigenen Aufgabengebiets im Ausland arbeiten.

Wie gehen Sie mit dem Talentmanagement um?Für mich ist das ein relativ unscharfer Begriff, der in verschiedenen Unternehmen durchaus sehr un-terschiedlich definiert wird. Wir haben erst einige für uns zentrale Elemente aus dem klassischen Talentmanagement etabliert und bauen ein um-fassendes Managementsystem hierzu aber erst noch auf. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns gerade intensiv mit der Auswahl einer für uns geeigneten Talentmanagementsoftware.

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Wie stark datenbasiert sind die HR-Arbeit und die HR-Strategie von Krones?Wir haben derzeit gar nicht so viele Daten zu un-seren Mitarbeitern systemtechnisch verfügbar, um sie in einem Big-Data-Ansatz umfassend aus-zuwerten. Mitarbeiterbezogene Daten sind für uns derzeit vor allem im Kompetenzmanagement wichtig, um beispielsweise im Rahmen eines Soll-Ist-Abgleichs Entwicklungsbedarfe transparent zu machen und gezielte Maßnahmen abzuleiten. Aber um Mitarbeiter zukunftsgerichtet weiterzuentwi-

ckeln, damit sie auch in anderen Funktionen als den angestammten Tätigkeitsfeldern einsetzbar sind, müssen wir die Kompetenzprofile deutlich vollständiger erfassen und nutzen als bisher. Des-halb planen wir, die Kompetenzen systematisch in einer vorgegebenen Struktur durch die Mitarbeiter selbst erfassen zu lassen. Darüber hinaus werden wir auch durch den Einsatz zusätzlicher HR-IT-Tools zukünftig mehr Daten erfassen und zielge-richteter nutzen als bisher. Die Konzepte hierfür sind aber erst in der Entstehung.

Welche funktionale Rolle spielt HR bei Krones?Diese Frage haben wir uns selbst und unse-ren Kollegen in den Organisationen gestellt und festgestellt, dass sich unser Selbstbild und das Fremdbild hinsichtlich der einzelnen Rollen bei Soll und Ist weitgehend decken. Demnach sind wir als Dienstleister und als Experten gut anerkannt. International gibt es einen größeren Nachholbe-darf als im Inland. Am meisten treiben uns die Rollen strategischer Partner, Business-Partner und Organisationsentwickler um. Als Organisa-

tionsentwickler ist unser Einfluss noch begrenzt. Als Business-Partner sehe ich uns hingegen auf einem guten Weg. Die strategische Funktion von HR fokussiert sich bisher auf einige wenige Perso-nen im HR-Bereich. HR muss zunächst das eigene Pflichtprogramm gut erledigen, um in einem zwei-ten Schritt auch in strategische Überlegungen und Initiativen der Fachbereiche eingebunden zu wer-den. Dafür brauchen HR-Manager neben klassi-schem HR-Wissen zusätzliche Fachkompetenzen, Kommunikationsgeschick und Ausdauer, um sich wirklich als strategischer Partner zu etablieren. Das ist ein harter, steiniger Weg.

In welchem Maße messen Sie die einzelnen Bereiche und Disziplinen von HR?Das Controlling der Personalkosten ist für HR ein zentrales Thema, denn Kosten sind für Krones angesichts der harten Wettbewerbssituation in Summe elementar. Daneben schauen wir natür-lich laufend auf die Fluktuationsquoten und die Beschaffungszeiten für Personal. Im Inland ge-lingt es uns aufgrund eingespielter Prozesse in der Regel sehr gut, Stellen zügig und qualitativ gut zu besetzen. Im Ausland fällt das mancherorts schwerer, weil dort auch die Fluktuation höher ist. Je nach Markt müssen wir verstärkt selbst aus-bilden, weil die Arbeitsmärkte das Potenzial allein nicht hergeben.

An welchen Stellen wollen Sie die HR-Organisation in den kommenden fünf Jahren optimieren?Wir sehen hier vor allem Nachholbedarf im Aus-land. Aus der Zentrale heraus kann ich nicht über das Wohl und Wehe der Personalarbeit weltweit entscheiden. Deshalb brauchen wir qualifizier-te HR-Experten in den Regionen, die gut an die Zentrale angebunden sind, aber ihren Job vor Ort weitgehend selbständig erledigen können. In der Zentrale werden wir sicherlich unsere IT-Systeme verbessern und die Prozesse dadurch effizienter machen. Darin müssen wir investieren. Operati-ves und administratives HR-Geschäft binden der-zeit noch zu viele Ressourcen bei uns, da müssen wir deutlich besser werden. Weiterhin sehe ich Entwicklungspotenzial bei unseren Trainingspro-grammen, vor allem das Thema Führung betref-fend. Gute Führung ist essentiell, um Mitarbeiter klug zu steuern, zu motivieren und dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Und gerade unsere hochmotivierten und qualifizieren Mitarbeiter wa-ren die Basis unseres Erfolges in der Vergangen-heit und werden es auch in der Zukunft sein. <

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Asa Lautenberg, Head of Corporate HR & People Strategy, Deutsche Lufthansa AG

Bessere Führung und Modernisierung der Arbeitswelt als strategische Schwerpunkte

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Wie entwickelt und beschließt die Deutsche Lufthansa die eigene HR-Strategie?An erster Stelle der Entwicklung der Corporate- HR-Strategie steht die Businessstrategie. Unser Ziel als HR-Bereich ist es, die Erreichung der Bu-sinessziele bestmöglich zu unterstützen. Es geht darum, die Qualität unserer Organisation und der Mitarbeiter in der Lufthansa Group zu steigern, ihre Transformationsfähigkeit zu stärken, Perso-nalkosten zu senken sowie die Beschäftigtenzahl strategisch zu steuern. Alles, was wir tun, muss nachweisbar auf eines oder mehrere dieser Ziele einzahlen. Neben den Ableitungen aus der Busi-nessstrategie werden auch externe Trends, wie zum Beispiel der demographische Wandel und die Digitalisierung, sowie interne Herausforde-

rungen, wie beispielsweise die komplexe Tarif-landschaft und kulturelle Besonderheiten, in die Entwicklung der Strategie einbezogen. Die Vision, die strategischen Handlungsfelder und das dar-aus resultierende strategische Arbeitsprogramm werden anschließend mit den HR-Verantwortli-chen der großen Business-Units abgestimmt, um eine Balance zwischen zentralem Steuerungsan-spruch und den divisionalen Anforderungen her-zustellen. Final wird die HR-Funktionalstrategie im Konzernvorstand verabschiedet. Mit jeder Anpassung der Businessstrategie wird auch die HR-Strategie weiterentwickelt und angepasst. Die Strategieentwicklung ist gerade in unserem hochdynamischen Marktumfeld für uns ein quasi kontinuierlicher Prozess.

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HR-Strategie 2020 Interviews 36

Welche Ziele stehen im Mittelpunkt der HR-Strategie?Wir haben eine Vision vom Lufthansa-Mitarbeiter der Zukunft. Er setzt sich mit Leidenschaft und Begeisterung für das Unternehmen ein. Er soll innovativ denken, schnell entscheiden und konse-quent umsetzen. Um einen Rahmen zu schaffen, in dem sich diese Mitarbeiter wiederfinden und entwickeln wollen, haben wir zwei große Hand-lungsfelder definiert. Zum einen das Handlungs-feld Kultur und Führung. Die Veränderung unserer Führungskultur ist eine harte Anforderung, um eine große Organisation wie Lufthansa, ein sozia-

les System, in einer von Unvorhersehbarkeit und stetig wachsender Dynamik geprägten Zeit, kon-kurrenzfähig zu halten. Nur mit einem radikal an-deren Führungsverständnis können diese Systeme noch gelenkt werden. Es geht um die Möglichkeit, schnell und agil zu reagieren, je näher am Ort der Auswirkung desto besser. Es geht um Teams statt um Einzelköpfe, damit bei wichtigen Entscheidun-gen Diversität, Zusammenarbeit, Vertrauen und Innovation für die notwendige Breite sorgen. Und es geht um Marktnähe, um den Einbezug der di-rekten Mitarbeiter und um Ausprobieren statt Pla-nen und langwieriger Konzeption. Führungskräfte müssen mehr Leadership statt Management ma-chen. Das bedeutet konkret, Räume für schnelle Entscheidungen und deren Umsetzung zu schaf-fen, Talente an die richtige Stelle zu setzen, die gemeinsame Kraft anzufeuern, aber auch alles immer wieder in Frage zu stellen und schließlich die Dinge zu ordnen. Zum anderen geht es um das Handlungsfeld Modernisierung der Arbeitswelt.

Zukunftsfähige Vergütungs- und Versorgungskon-zepte für alle Mitarbeitergruppen, Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitsplätze und Arbeits-bedingungen und nicht zuletzt die Modernisierung der Personalarbeit an sich sind erforderlich, um ein attraktives, performanceorientiertes Umfeld für unsere Mitarbeiter zu schaffen.

Mit welchem zeitlichen Horizont planen Sie die HR- Strategie?Entsprechend der gruppenweiten Businessstra-tegie fokussiert die HR-Funktionalstrategie einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. In der heutigen, sich immer schneller wandelnden Zeit bin ich al-lerdings der Ansicht, dass fünf Jahre ein sehr lan-ger Planungszeitraum für die HR-Strategie sind. Anders sieht es mit der strategischen Personal-planung aus. Hier müssen wir weiter nach vorne schauen, denn wir werden mittelfristig eine Viel-zahl altersbedingter Abgänge erleben.

Mit welcher IT-Infrastruktur arbeitet HR bei Lufthansa derzeit?Hier haben wir noch einiges vor uns. Gegenwär-tig arbeiten wir in HR noch mit einer Vielzahl un-terschiedlicher IT-Tools. Die IT-Architektur zu harmonisieren ist eine Aufgabe, die uns jetzt und auch in den kommenden Jahren stark beschäfti-gen wird. Konkret haben wir in eine neue, für die ganze Lufthansa Group vorgesehene Datenplatt-form für HR-Systeme investiert. Nachholbedarf besteht auch beim Thema Data-Analytics. Natür-lich sind wir bereits jetzt in der Lage, eine Vielzahl von HR-relevanten Daten zu erheben, doch wir haben diese bisher noch nicht umfassend und sys-tematisch analysiert und somit auch nicht optimal anwenden können.

HR-Strategie hat nicht nur mit den Tools zu tun. Entscheidender sind oft die Haltung und die Idee dahinter.Lassen Sie mich das anders formulieren. Strate-gie alleine kann nicht wirken. Wie für jede andere Organisation gilt auch für die Lufthansa der Satz: Culture eats Strategy for Breakfast. Soll heißen, dass eine noch so elaborierte Strategie verpufft, sofern sie auf eine Kultur trifft, die nicht in der Lage oder nicht willens ist, diese auch zu leben. Es gilt daher, mit hoher Energie und im Gleich-klang an den drei Aspekten der Organisation zu arbeiten: Strategie, Struktur und eben auch Kul-tur. Um unsere Strategie umzusetzen, braucht es eine Performance-Kultur im Unternehmen. Eine

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Kultur, in der jeder Mitarbeiter eine möglichst hohe Leistung abrufen kann, Ideen hat, Herzblut einbringt und einen Beitrag dafür leistet, die Luft-hansa Group erfolgreicher zu machen. Der Weg zu dieser Performance-Kultur fußt für uns auf Mut, Verantwortung und Vertrauen. Dies soll für jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin in der Lufthan-sa Group gelten, doch am meisten nehmen wir dazu die Führungskräfte in die Pflicht. Sie sollen sich weniger als zuvor als Vorgesetzte betrachten, sondern vielmehr als Enabler von Performance, die das Beste in ihren Mitarbeitern wecken und zu einem guten Ergebnis zusammenfügen. Und das ist eine Frage der Haltung.

Die Lufthansa ist in den vergangenen Jahren durch Tarifauseinandersetzungen mit mehreren Gewerk-schaften in die Schlagzeilen geraten. Wo ist für den Konzern der Ausweg aus der Streikspirale?Wenn ich diese Frage so ad hoc beantworten könnte, wären die Auseinandersetzungen been-det. Denn, so notwendig die Veränderungen sind, um die wir ringen, hätten alle Parteien und vor al-lem unsere Kunden den Konflikt gerne hinter sich. Der Wandel, den die Airline-Branche erlebt, ist rasant. Nichts ist und bleibt wie früher, nicht für Führungskräfte, nicht für Mitarbeiter. Es geht im-mer schneller, es gibt immer mehr Veränderun-gen. Wir wissen, dass der Markt davonrennt, wenn wir weiter zögern. Eine starke und zukunftsfähige Lufthansa braucht die Konditionen der Zukunft, denn die Konditionen der Vergangenheit greifen nicht mehr. Das heißt für uns unter anderem, Kos-ten zu senken und Strukturen zu verschlanken. Das tut weh und ist ein strukturell einschneiden-der Prozess, aber wir müssen ehrlich sein. Im Ge-gensatz zu unseren Wettbewerbern sind unsere Kosten zu hoch. Deshalb ist die harte Auseinan-dersetzung wichtig, aber Offenheit und Ehrlichkeit gehören ebenso dazu. Deshalb ist die Antwort auf die Frage nach dem Ausweg in ein Wort zu fassen:

Sozial- und Tarifpartnerschaft. Weil wir mit unse-ren Sozial- und Tarifpartnern offen, ehrlich und auf Augenhöhe um die besten Lösungen ringen, werden wir auch den besten Ausweg für Lufthansa und damit für unsere Mitarbeiter finden.

Wie definiert die Lufthansa den Begriff Talent?Wir sagen, dass jeder unserer Mitarbeiter Talent hat. Zugleich stellt sich direkt die Gegenfrage, ob und an welcher Stelle wir sein individuelles Ta-lent benötigen. Die Organisation muss die Talen-te der eigenen Mitarbeiter in jedem Fall kennen. Erst dann kann der Arbeitgeber einen Mitarbeiter entsprechend seinem Profil richtig einsetzen und weiterentwickeln, anstatt ihm eine Funktion zu geben, in der er sein Talent nicht zur Entfaltung bringen kann. Wir sind davon überzeugt, dass es in Zukunft für Organisationen ein Wettbewerbsvorteil sein wird, wenn diese Talentphilosophie program-matisch und strukturiert in allen Instrumenten entlang des Employee-Lifecycles Eingang finden wird.

Ungeachtet der aktuellen Neuausrichtung der Organisation und der Strategie ist die Lufthansa ein Arbeitgeber mit einer Weltmarke, der sich des Interesses vieler Bewerber sicher sein darf.Das ist richtig. Lufthansa ist eine Marke mit hoher Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt. Auch bei unse-ren aktuellen Arbeitnehmern stellen wir eine sehr hohe Loyalität zur Arbeitgebermarke und ausge-prägten Stolz, bei uns zu arbeiten, fest. Das geht so weit, dass es uns auch erschwert, notwendige kulturelle Veränderungen, also den zuvor skizzier-ten Wandel, vorzunehmen. Doch die Welt um uns herum bleibt nicht stehen, und deshalb müssen wir schauen, dass wir in Sachen Arbeitgeberimage sowie Diversity und Internationalität auch weiter-hin unsere Hausaufgaben machen und ein interes-santes Jobportfolio sowie eine attraktive Work- Life-Balance anbieten können. <

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Dr. Piotr Bednarczuk, Executive Vice President, Merck KGaA

Erst die HR-Grundlagen, dann die Modethemen

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Wie häufig gibt sich Merck eine neue HR-Strategie?Wir sollten die HR-Strategie differenzieren in eine Workforce-Strategie und in eine HR-Funktions-strategie. Die Workforce-Strategie überprüfen wir jährlich entsprechend dem Strategiezyklus un-seres Unternehmens. Dabei schauen wir, wie wir die einzelnen Geschäftsbereiche unseres Unter-nehmens am besten unterstützen können. Diese Prozesse und Ziele sind klar und stabil verankert. HR muss das Unternehmen und seine Bereiche befähigen, die Geschäftsziele zu erreichen. Dazu gehört, die benötigten Talente zu gewinnen und das Engagement und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter hochzuhalten. Dazu gehört aber auch, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen bei großen Restrukturierungen weiterhin skalierbar bleibt. In der Workforce-Strategie sind die Themen

stets die gleichen, nur die Gewichtung verändert sich. Hier sollten die Führungskräfte in den Ge-schäftsbereichen in der Lage sein, bestimmte Vor-gaben aus der HR-Strategie selbständig umzuset-zen. Das ist bei der HR-Funktionsstrategie anders. Dort haben wir in den vergangenen Jahren die Fundamente aufgebaut und uns stark auf Effizienz und Effektivität fokussiert. Heute geht es uns um Wachstum. Wir haben bei Merck drei verschiede-ne Geschäftsbereiche mit drei unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Die drei Bereiche agieren in „Freedom within a framework“. Doch es ist nicht so einfach, einen Rahmen vorzugeben und gleich-zeitig Freiheit für die Geschäftstätigkeit zuzulas-sen. Manche Zyklen dauern in diesem Zusam-menhang zwei bis drei Jahre, und dann müssen wir entscheiden, welche Anpassungen wir in dem

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Frame vornehmen müssen bzw. wie wir weiter vorgehen wollen. Wenn sich die Firma verändert, dann sollte sich nach meiner Überzeugung auch das Geschäftsmodell von HR verändern.

Welche Megatrends bewegen Merck derzeit?Alle Themen, die derzeit öffentlich diskutiert wer-den, haben auch für Merck Relevanz, also die demographische Entwicklung, Digitalisierung, Individualisierung, Flexibilisierung, Agilität und Resilienz. Damit Unternehmen wirklich flexibel und agil handeln können, sollten sie darauf ach-ten, auf welchem Fundament sie stehen und an welchen Stellen sie dynamischere Konzepte be-nötigen. Zwar drehen sich die Diskussionen im-mer um Modethemen, doch tatsächlich kommt es zuerst auf das Fundament an. Deshalb sollte ein Unternehmen im Hinblick auf die HR-Strategie zunächst danach schauen, ob es auf einem soli-den Fundament steht, um sich erst dann mit den modernen Themen zu beschäftigen. Ein Beispiel ist unser HR-Analytics-Tool. Um dieses Tool rich-tig einzusetzen, brauche ich eine feste Datenbasis und konsistente, funktionierende Prozesse. Ein Beispiel: Wenn in unserem Unternehmen welt-weit unterschiedliche Talentdefinitionen kursieren würden, hätte ich in der Zentrale mit unterschied-lichen Prozessen zu tun und könnte niemals die Ergebnisse des Talentmanagements richtig aus-werten.

Und wann kommen die Modethemen zum Zuge?Die dynamischen Elemente sollte ein Unterneh-men immer nach der Strategie auswählen, die es verfolgt. Es sollte zu Beginn schauen, welche Elemente es zur Unterstützung braucht. Dabei kann die Digitalisierung ganz praktisch helfen. Konkret eröffnet sie für den Employee-Life-Cycle neue Möglichkeiten. Mit Hilfe unseres neuen HR-Analytics-Tools haben wir zunächst nur Daten, zum Beispiel Prozesskennzahlen, gesammelt. Über das einfache Sammeln hinaus eröffnet die-se Technologie aber zwei Handlungsdimensionen, nämlich das Optimieren interner HR-Prozesse und neue Möglichkeiten für den Customer-Value. Dis-ruptiv ist daran die Verbindung beider Funktionen. Ich kann dadurch viel näher am Kunden sein als früher.

Welche strategische Relevanz besitzt das HR-Analytics-Tool für Merck?Der Manager hat die Möglichkeit, die benötigten Daten selbst zusammenzustellen. Im nächsten

Schritt müssen wir die Manager und HR in die Lage versetzen, diese Funktionen auch effektiv einzusetzen. Zwar lässt sich das Tool auch intuitiv verwenden, trotzdem bedeutet sein Einsatz eine kulturelle Veränderung für die Manager. Mit Hil-fe des HR-Analytics-Tools lässt sich der gesamte Employee-Life-Cycle analysieren, ob für Feed-backprozesse oder für das Performance-Manage-ment.

Welche Rolle spielt das Thema Innovation für die strategische Ausrichtung des Chemiekonzerns Merck?Merck ist nicht länger allein ein Chemieunterneh-men, sondern heute ein Hightechunternehmen. Wir entwickeln sowohl evolutionäre als auch dis-ruptive Innovationen. Das hängt von den Einzel-fällen und ihren jeweiligen Innovationszyklen ab. All die verschiedenen Technologieprozesse müs-sen wir über Innovationsprozesse überprüfen, um sie schneller durchzuführen. Einen Teil dieser Funktionen haben wir in unserem neuen Innovati-onszentrum konzentriert. Dort arbeiten stets neu

zusammengestellte Projektteams zusammen. Das Stichwort heißt Fluid Workforce. In der Vergan-genheit haben wir noch streng zwischen internen und externen Mitarbeitern unterschieden. Inter-ne Mitarbeiter haben immer Zugang zu unseren HR-Entwicklungsmaßnahmen und anderen Res-sourcen erhalten, externe in der Vergangenheit fast niemals. Heute überprüfen wir diese strikte Trennung, weil Kooperationen anders laufen und wir diese Partnerschaften für unsere Innovationen brauchen.

Dr. Piotr Bednarczuk

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Welche weiteren Trends beschäftigen Sie bei HR?Diversity & Inklusion ist für uns bei HR ebenfalls ein wichtiges strategisches Thema. Es ragt in den Innovationsbereich und in die Demographie hinein. Wir benötigen bei Merck noch mehr von der Kul-tur, die Vielfalt inkludiert und sie praktisch lebt. Dies wird auch dadurch verstärkt, dass Unterneh-men mehr mit der Fluid Workforce umgehen müs-sen. Beispielsweise in der Projektarbeit müssen wir mit Freelancern und mit Partnern aus anderen Unternehmen umgehen können.

Die Digitalisierung wird die Zusammenarbeit in Projektteams weiter forcieren.Wir sollten die Digitalisierung differenziert be-trachten. Auf der einen Seite stehen die reinen Technologiemöglichkeiten. Über Apps, Mobile- oder Cloud-Solutions sowie Social Media machen wir bei den bisherigen technischen Möglichkei-ten einen Sprung nach vorne, der viel schneller kommt und weiter reicht, als ursprünglich ge-dacht. Auf der anderen Seite steht die Dimension der Digital Leadership. Dabei stellt sich für uns beispielsweise die Frage, wie wir bei Merck mit di-gitalen Talenten umgehen wollen. Wir wollen diese digitalen Talente für uns gewinnen, doch sie sind in der Regel branchenunabhängig, sehr begehrt und somit ein knappes Gut. Also stellt die gesam-te Employee-Value-Proposition für uns eine große strategische Herausforderung dar. Das gilt auch etwa für datenbasierte Entscheidungen. Wir be-fassen uns derzeit mit vielen Fragen rund um die Digitalisierung, doch wir haben noch nicht auf alle Fragen Antworten gefunden. Allerdings ist HR bei Merck ein strategischer Partner, der gefordert und gebraucht wird.

Welche Rolle spielt dabei die IT?Unsere Fundamente müssen durch IT-Lösungen verankert sein. Dabei geht es uns nicht um einzel-ne Systeme, sondern um eine zusammenhängen-de Gesamtarchitektur. Unser IT-Fundament ist die Cloud. Bis 2017 werden wir die meisten internen Prozesse in die Cloud aufnehmen können. Dieses Fundament wollen wir so schaffen, dass es ska-lierbar und adaptierbar ist. Es muss wachsen und schrumpfen können, wenn wir das so brauchen. Merck hat dieses Fundament für die Zukunft von 2012 bis 2015 geschaffen. Noch vor vier Jahren hät-te niemand von uns in HR die Forderung erhoben,

ein einheitliches HR-IT-System global innerhalb des gesamten Konzerns auszurollen. Für eine solche Forderung braucht man Mut und Rücken-deckung. Heute haben wir zum Glück ein solches einheitliches und umfassendes HR-System im-plementiert. Hier sehe ich bei vielen mittelstän-dischen Unternehmen noch Nachholbedarf. Ein Laisser-faire-System im internationalen Umfeld halte ich für den falschen Weg. Man muss interna-tional sicherlich nicht alle Strukturen und Prozes-se vereinheitlichen, doch eine Konsistenz in den wichtigsten HR-Bereichen ist für eine Firma wich-tig, ob das der Innovations-, der Talent- oder der Retail-Bereich ist. Ich erwarte, dass viele Unter-nehmen in den kommenden fünf Jahren die Fun-damente der eigenen Geschäftstätigkeit aufgrund der äußeren Veränderungen und Megatrends an-passen werden.

Sie sehen also bei HR eine Entwicklung hin zu einer stärkeren Konzentration innerhalb der einzelnen Funktionen?Wir tendieren bei HR immer wieder dazu, uns zu fragmentieren und zu wenig miteinander zu spre-chen. Dabei wird die Welt immer integrierter, und wir brauchen immer mehr Mitarbeiter, die im-stande sind, innerhalb von HR integriert zu den-ken. Lösungen kommen in Zukunft immer weniger von einzelnen Mitarbeitern, sondern von Projekt-teams, die sich eine Zeitlang mit Problemen und Aufgaben befassen, ehe sie wieder etwas anderes tun. Die Form der Arbeit wird sich verändern, auch die Architektur in Unternehmen wird sich anders entwickeln. Hier stehen wir noch am Anfang.

Was bedeutet das für die Kompetenzanforderungen gegenüber den HR-Mitarbeitern?Das Wort HR-Generalist hat nach meiner Ansicht zu Unrecht einen negativen Klang. In Zeiten, in de-nen sich die Veränderungszyklen immer stärker beschleunigen, brauchen wir auch Menschen, die in allen Aspekten bewandert sind. Diese Genera-listen sollten in der Lage sein, auf allen Ebenen gut zu beraten. Für strategische Themen wird die geschäftsorientierte Beratung immer wichtiger, die bei den strategischen Business Partnern oder bei den Centers of Expertise angesiedelt ist. Ins-gesamt werden die Kompetenzen im Bereich inte-grierter Prozesse, Digitalisierung und Analytics an Bedeutung gewinnen. <

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Peter Hadasch, Personalvorstand, Nestlé Deutschland AG

Die HR-Strategie wird für die Unternehmens-strategie stark an Relevanz gewinnen

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Wer legt im Nestlé-Konzern die Human-Resources- Strategie fest?Die HR-Strategie leitet sich aus den Anforderun-gen des Geschäfts ab. Nestlé ist ein global auf-gestellter Konzern mit rund 320.000 Mitarbeitern weltweit. Es versteht sich von selbst, dass jeder Markt spezifische Anforderungen an Qualifika-tion, Ausbildung und kulturellen Habitus seiner Mitarbeiter stellt. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Eckpunkte einer 150 Jahre ge-wachsenen Unternehmenskultur im Sinne einer Corporate Brand international gelebt werden. Aufgrund der dezentralen Struktur und der star-ken Regionen können wir für den Nestlé-Konzern von einer HR-Strategie sprechen, die lokale Spe-zifika berücksichtigt. Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung der Märkte, Prozesse und Produktportfolios wird Nestlé sich auch bei HR

einheitlicher aufstellen müssen. Wir haben dazu verschiedene Prozesse entlang der Wertschöp-fungskette definiert, die global organisiert werden sollen. Ein Beispiel dafür ist der HR-Prozess von der Rekrutierung bis zur Pensionierung. Wir ar-beiten derzeit intensiv an einer Harmonisierung und Standardisierung dieser Basisprozesse für HR, um am Ende auch eine Bündelung bestimmter Serviceaufgaben zu erreichen.

Zählen die Personalgewinnung und die Personal-entwicklung auch zu diesen zentralisierten HR-Be-reichen?Auch im Bereich Personalgewinnung und -ent-wicklung wollen wir weltweit einheitliche Prozes-se anwenden. Wir entwickeln Strategien, um auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben und um die Ressourcen unserer vorhandenen Mit-

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arbeiter optimal zu nutzen. Die Beschäftigten, die wir haben, wollen wir halten, indem wir ihnen An-reize bieten und Entwicklungsmöglichkeiten auf-zeigen. Diese Aufgabe ist komplex, weil wir uns an die sich verändernden Vorstellungen unserer Bewerber anpassen müssen. Allerdings ist Nestlé in der glücklichen Lage, nach wie vor genügend Bewerber zu haben.

Kann ich mir die HR-Strategie von Nestlé als einen Rahmen vorstellen, den die Konzernspitze vorgibt und der in den Ländern und Regionen mit weiteren Inhalten gefüllt wird?Das ist grundsätzlich richtig und hat mit der un-terschiedlichen Historie der einzelnen Landesge-sellschaften zu tun. Nestlé ist in der Vergangen-heit vor allem durch Akquisitionen gewachsen. Die AG in Deutschland ist beispielsweise stark durch Maggi geprägt. Unsere Konzernführung in der

Schweiz übernimmt Unternehmen, oft auch gro-ße Organisationen, lässt sie und ihre Kultur aber im Wesentlichen so bestehen, wie sie waren. Wir sprechen gerne von behutsamer Integration. Ein anderer Grund für die regionale Heterogenität und die dezentrale Struktur in unserem Konzern sind die verschiedenen Regeln der Mitbestimmung und Arbeitnehmervertretung in den einzelnen Ländern. So hat die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland eine vergleichsweise starke Posi-tion. Demgegenüber haben in Frankreich und teil-weise in Großbritannien die Gewerkschaften einen großen Einfluss. Diese regional unterschiedlichen Regeln und Strukturen prägen die Personalarbeit und führen in Deutschland zu kleinteiligen Ver-

handlungen, während wir in Frankreich mit einer großen Gewerkschaft einen Abschluss vorneh-men. Um auch hier lokalen Spezifika Rechnung zu tragen, folgt Nestlé gruppenweit der Devise „Freedom in the Framework“. Arbeitsbedingun-gen und der Umgang mit Mitarbeitern und Ge-werkschaften sind heute ein Teil der Nachhaltig-keitspolitik eines Unternehmens.

Welche strategischen HR-Themen beschäftigen Sie exklusiv für Nestlé Deutschland? In Deutschland werden wir uns zum einen ver-stärkt mit der betrieblichen Altersversorgung auseinandersetzen. Hier gibt uns die Schweizer Zentrale für alle Mitarbeiter bestimmte Mindest-standards vor. Die Länder selbst können entschei-den, wie sie die Vorsorgepläne im Detail ausstat-ten. Zum anderen ist natürlich die Digitalisierung ein Megathema für HR. Die digitale Transforma-tion ist bei Nestlé zwar bereits vor 15 Jahren ge-startet, doch wir müssen noch daran arbeiten, unsere digitale Stärke extern zur Wirkung zu bringen. Auch die Benutzerfreundlichkeit unserer Systeme muss verbessert werden.

Die Digitalisierung geht für die Unternehmen über den rein technischen Aspekt hinaus.Ja, die Digitalisierung prägt das Denken der Men-schen, und diese Dimension wirkt nach meiner Überzeugung weit stärker als die technischen Veränderungen. Vor allem wird sich die Arbeits-welt weiter beschleunigen. Diesem Tempo zu folgen ist für einen Konzern mit weltweit über 300.000 Beschäftigten eine Herausforderung. Doch wir müssen insbesondere in den Entschei-dungsprozessen schneller werden. Allein in den sozialen Medien herrscht ein ungleich schnellerer Informationsaustausch als in der klassischen Me-dienwelt. Darauf muss ein Konzern wie Nestlé an-gemessen reagieren. Damit kommt HR ins Spiel. Viele neue Mitarbeiter wollen nicht mehr in einer Konzernhierarchie arbeiten, sondern in flachen Hierarchien mit einem größeren Kompetenzbezug und einem erweiterten Entscheidungsfreiraum. Dabei stehen wir immer im Spagat zwischen den Erwartungen der Zentrale und dem wachsenden Bedarf, vor Ort selbständig entscheiden zu dür-fen. Das alles anzupassen und zu regeln ist eine Aufgabe von Organisation im Großen und von Lea-dership im Kleinen. Wir vollziehen gerade an vie-len Stellen einen Schwenk von lokal gebundener Abteilungsverantwortung hin zu lokal entbunde-ner Prozessverantwortung.

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Welche Rolle spielt Big Data für die HR-Strategie von Nestlé?Wir werden in Zukunft viele Mitarbeiter noch in-ternationaler als bisher einsetzen. Damit kommt das Thema Global Mobility auf die Agenda. Wir müssen mehr Personaldaten als bislang glo-bal verfügbar machen. Daran knüpfen sich in Deutschland Fragen zum Datenschutz und zur Mitbestimmung. Betriebsräte sind sofort hell-hörig, wenn es um Mitarbeiterdaten und deren weitere Nutzung geht. Doch wenn ich unseren Beschäftigten internationale Entwicklungsmög-lichkeiten eröffnen will, dann muss ich auch de-ren Daten global zugänglich machen. Mit Hilfe unseres weltweiten HR-Systems sind wir derzeit so weit, dass wir Mitarbeiterdaten nach einem Standard erheben.

Wohin entwickelt sich das Employer-Branding von Nestlé?Employer-Branding ist zum einen ein zentrales Instrument, wenn sich Unternehmen gegenüber qualifiziertem Nachwuchs erklären. Zum anderen hat es eine starke interne Wirkung. Die Haltung vieler Menschen zu ihrem Arbeitgeber verändert sich. In der Vergangenheit waren die Beschäftig-ten vor allem darauf stolz, einen festen, qualifi-zierten Arbeitsplatz zu haben. Aufgrund der Mit-bestimmung und der Tarifvertragswerke ist die Sicherheit des Arbeitsplatzes vielerorts gewähr-leistet, so dass dieser Aspekt für die Beschäftig-ten etwas in den Hintergrund rückt. Heute fragen mehr Arbeitnehmer nach dem Beitrag des Unter-nehmens für die Gesellschaft und nach eigenen Möglichkeiten, sich darin einzubringen. Für uns als Arbeitgeber wird es in Zukunft entscheidend sein, dass unsere Mitarbeiter in ihrem privaten Umfeld sagen, sie seien stolz darauf, bei Nestlé zu arbeiten. Wir müssen unser Image in Form unserer Leistung für die Gesellschaft aufzeigen und es dann für das Employer-Branding nutzen. Wir sprechen also auf unterschiedlichen Schie-nen sowohl Verbraucher als auch Mitarbeiter und Bewerber mit denselben Botschaften an. Deshalb haben wir bei Nestlé auch die interne Mitarbeiter-kommunikation und die externe Unternehmens-kommunikation aufeinander abgestimmt.

In welchem Maße übernimmt HR bei Nestlé eine strategische Rolle?In der Zukunft wird der Personalbereich eine größere strategische Rolle einnehmen. Das liegt schon allein an den knappen Ressourcen. Zu-gleich werden vor allem die Unternehmen erfolg-reich sein, denen es gelingt, die passenden Mit-arbeiter zu gewinnen und funktionierende Teams zu bilden. In der HR-Arbeit der Zukunft wird die Personaladministration deutlich zurückgehen. Dafür gewinnt die Aufgabe, Menschen für sich zu begeistern, an Relevanz. Die Unternehmensspit-ze muss Menschen für sich und die eigenen Ideen begeistern können.

Anhand welcher Systeme und Methoden messen Sie den Erfolg der HR-Funktionen?Wir haben solche Messsysteme flächendeckend eingeführt, um den Erfolg unserer HR-Arbeit zu messen. Allein bei HR arbeiten wir mit rund 90 KPIs. Allerdings stellt sich manchmal die Frage, wie sinnvoll der Einsatz solcher Indikatoren in jedem Einzelpunkt ist. Es bringt wenig, monat-lich auf den Krankenstand zu schauen, denn al-lein dadurch sinkt die betreffende Kennzahl nicht. Dort kommt es vielmehr auf die Wirksamkeit der Maßnahmen an, um die Mitarbeiter gesünder zu machen.

An welchen Stellen sollte die HR-Organisation bei Nestlé in Zukunft besser werden?Wir haben vor Jahren ein System mit HR-Busi-ness-Partnern in den einzelnen Fachbereichen etabliert. Leider stellen wir fest, dass die HR- Business-Partner mit zu vielen administrativen Aufgaben an der Schnittstelle zwischen IT Syste-men und Führungskräften beschäftigt sind. Diese administrativen Aufgaben sollten die Mitarbeiter so, wie eigentlich im System vorgesehen, selbst übernehmen können, Damit hätten die HR-Busi-ness-Partner mehr Kapazitäten für ihre strategi-schen Kernaufgaben frei. <

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Gregor Karolus, Chief Human Resources Officer, Springer Nature

HR zwischen digitaler Produktentwicklung und globalem Wettbewerb

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Springer Nature ist 2015 durch eine Fusion mehrerer internationaler Verlagshäuser entstanden. Wie sehen die neue HR-Organisation und die HR-Strategie aus?Im vergangenen Jahr sind die Nature Publishing Group, Palgrave Macmillan und Macmillan Educa-tion mit Springer Science+Business Media zu Springer Nature fusioniert. Damit beschäftigen wir insgesamt rund 13.000 Mitarbeiter weltweit. Aktu-ell entwickeln wir unsere neue HR-Strategie für das fusionierte Unternehmen. Eine neue globale HR-Organisation in Matrixform haben wir bereits implementiert. Sie basiert auf den drei Rollen glo-baler Business-Partner mit Geschäftsexpertise, regionaler Partner mit rechtlichem Know-how und Arbeitsmarktexpertise sowie vier gruppenweit agierende „Strategic HR-Center“ mit spezifischer

Fachexpertise in den für uns wichtigen Themen. Die HR-Strategie wird direkt der Unternehmens-strategie folgen. Dabei werden auch Überlegungen zu möglichen nächsten Schritten der Unterneh-mensentwicklung abgebildet, beispielsweise zu einem IPO-Szenario. Zeitlich war die HR-Strategie bisher eher auf die nächsten zwei bis drei Jahre ausgerichtet. Das wird sich ändern, um der Neu-aufstellung des Unternehmens und den damit ver-bundenen Plänen in ihrer mittel- bis langfristigen Perspektive Rechnung zu tragen. Für mich ist ent-scheidend, dass sich HR nicht auf die Partnerrolle beschränkt, sondern sich als integraler Teil des Business versteht. Dazu gehören auch die Mitge-staltung der Unternehmenskultur und das Heben von Potenzialen im Unternehmen. Die HR-Strate-gie interagiert so direkt mit der Unternehmens-

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und Produktstrategie sowie der Marktsituation. Ein zentrales Thema der neuen HR-Organisation bleibt natürlich die Gewinnung von Talenten und Spezia-listen, angelehnt in Quantität und Qualität an den zukünftigen Bedarf, der sich aus der Entwicklung unseres Produktportfolios und unserer digitalen Services ergibt. Wir müssen darauf achten, dass wir diese Talente nicht nur für uns gewinnen, son-dern dann auch im Unternehmen halten und ent-wickeln. Das Thema Employer-Employee-Rela-tions ist für uns daher ganz zentral und muss den bevorstehenden, beschleunigten Wandelzyklus berücksichtigen. Bis die Fusion vollständig vollzo-gen und die gerade erstellte Unternehmensstra-tegie implementiert sind, arbeiten wir schon mit ausgewählten strategischen HR-Schwerpunkten. Wir werden alle organisatorischen und auch kultu-rellen integrativen Aspekte der Fusion spätestens 2017 abschließen und dann unter der neuen Perso-nalstrategie für Springer Nature operieren.

Wer entwickelt bei Ihnen bislang die HR-Strategie?Die bisherige globale HR-Strategie bei Springer wurde interaktiv mit dem Senior-HR-Team sowie Personalkollegen aus den Ländern erarbeitet. Auf dieser Basis haben die globalen HR-Busi-ness-Partner den Dialog mit dem globalen und auch dem lokalen Management aufgenommen. Die Ergebnisse wurden dann auf Konzernebene mit dem Top-Management finalisiert. Wichtig war mir dabei, dass dasselbe lokale und globale HR-Team auch für die Umsetzung der Strategie verantwort-lich war. Im fusionierten Unternehmen planen wir, die drei Divisionen noch stärker in den Prozess der Erarbeitung und Abstimmung der Personalstra-tegie einzubinden. Im Management jeder Division sitzt im Rahmen der neuen Governance-Struktur zukünftig ein HR-Manager, der diesen Prozess mo-deriert und vorantreibt. Diese Managementgremi-en sollten dann eine größere Verantwortung für die Implementierung der HR-Strategie übernehmen.

Welche sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Einflussfaktoren für HR insgesamt?Die Digitalisierung beschäftigt uns sehr, aber wir sind als Wissenschaftsverlag schon seit langem di-gital aufgestellt. Damit hatten wir hier einen Vorteil vor anderen, traditionellen Medienhäusern. Unser Standard sind digitale Produkte. Wesentlich ist, dass wir ständig prüfen, welche neuen Kompeten-zen und Profile wir künftig benötigen, um diesen Vorsprung in der Wettbewerbssituation zu halten. Wir sind zwar kein IT-Unternehmen, setzen aber

vergleichbare Technologien ein und entwickeln digitale Produkte und Services selbst. In der Kon-sequenz konkurrieren wir am Arbeitsmarkt direkt mit reinen IT-Firmen. Unternehmensstrategisch setzen wir uns mit der Frage auseinander, was die Digitalisierung in der direkten Interaktion mit un-seren Kunden und Autoren bedeutet. Wir haben im Blick, dass Wettbewerber aus vollkommen ande-ren Märkten mit anderen Kompetenzen und Her-angehensweisen entstehen, die teilweise disruptiv auftreten und agieren und somit neue Erwartungen bei Kunden und Autoren prägen. Diese Einfluss-faktoren erfordern im Ergebnis in hohem Maße Investitionen in Technologie und eine innovative, flexible, schnell reagierende Organisation und Kul-tur. Das setzt auch intern Standards. Wir müssen in den kommenden Jahren auch im HR-Bereich in Services und IT investieren, um kulturprägend zu sein oder um zumindest mitschwimmen zu kön-nen. Je mehr wir uns und unser Produktportfolio auf den Bedarf unserer Kunden und schnellere In-novationszyklen einstellen, desto mehr sind wir als Unternehmen gefordert, agiler mit Organisations-themen umzugehen. An dieser Stelle kommt der Wertewandel ins Spiel. Den stellen wir in manchen Zielgruppen und gerade im IT-Umfeld global fest und müssen auf solche zielgruppenspezifischen Anforderungen an das Unternehmen eingehen. Abgesehen von global homogeneren Zielgruppen, zeigt sich der Wertewandel von Land zu Land un-terschiedlich, teilweise auch gegenläufig. In Konti-nentaleuropa stößt man schnell auf den Begriff der Work-Life-Balance oder Arbeitsplatzflexibilität. In Ländern wie Indien haben dagegen die Themen Zukunftschancen und gesellschaftliche Teilhabe durch Bildung Priorität. Dort müssen Familien ver-gleichsweise hohe finanzielle Investments aufbrin-gen, um ihren Kindern Bildung zu ermöglichen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Verpflich-tungen für diese Kollegen, und das wirkt sich auf die Interpretation von Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben aus.

Welche strategische Rolle spielt Leadership?Wir propagieren von Personalseite im globalen Kontext stark das situative Leadership-Konzept. Ein Kernziel unserer Führungskräftetrainings war immer, Reflexion über die eigene Person zu ermöglichen und Führung zu fördern, die auf die jeweilig handelnden Personen und Zielsetzungen abgestimmt ist. So ist für unsere globale Matrix- organisation interkulturelle Personalführung ty-pisch. Im Rahmen der Fusion wurde für uns klar,

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dass die beiden Unternehmen trotz hoher Überlap-pung bei prinzipiellen Wertvorstellungen der Kol-legen unterschiedliche Ansichten zu einer erfolg-reichen Leadership-Kultur hatten. Daher wurde dieses Thema für uns so zentral, dass wir gerade erst bei unserem ersten Top-100-Treffen in Work-shops mit dem Management gemeinsam daran ge-arbeitet haben. Wir haben dabei drei Kernthemen auf dem Weg zu einer gemeinsamen Kultur identi-

fiziert: Kommunikation, Leadership-Prinzipien und das Herangehen an erfolgreiche Meetings, Projek-te und Prozesse. Für alle drei Themen wollen wir jeweils die für die Zukunft beste Lösung finden, sei es eine Springer-Lösung, sei es eine Macmil-lan-Lösung, sei es eine vollkommen neue Lösung. Ständige Kompromisslösungen sind nicht der Weg zum Erfolg, doch das hindert uns nicht daran, manchmal einfach die besten Elemente zu kom-binieren wie etwa beim neu eingeführten globalen Springer-Nature-Bonussystem. Hier haben wir be-währte Elemente aus beiden Systemen kombiniert und relevante Markttrends integriert.

Passt die IT-Infrastruktur für HR bereits zu dem neu aufgestellten Unternehmen?Wir verfügen zwar über ein gutes IT-Grundgerüst, aber wir müssen noch operative und strategische Lücken schließen. Den Fokus haben wir auf drei Themen gelegt: Datenqualität, Human-Resour-ces-Informationssystem und zentrale globale Workflows zur Prozessunterstützung. Beim Daten-management geht es uns darum, die Datenqualität und Vergleichbarkeit zu steigern und damit eine saubere Basis zu erreichen, um nicht irgendwann

mit dem Thema Crap-in/Crap-out konfrontiert zu werden. Wenn schon Daten sammeln und auswer-ten, dann muss der direkte Nutzen klar erkennbar sein. Ansonsten lassen wir im HR-Bereich lieber die Finger davon. Hinsichtlich Workflows ist ent-scheidend, dass wir die interne Zusammenarbeit für unsere 13.000 Mitarbeiter perspektivisch effi-zienter machen und die Kooperation auch voran-treiben. Wir wollen Menschen zusammenbringen und Prozesse integrieren, die bislang verschieden waren. Auch das ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zu einer neuen Unternehmenskultur.

Wie sieht das Talentmanagement bei Ihnen aus?Wir sehen regelmäßig genau hin, für welche Un-ternehmensbereiche und Karrieren sich ein Talent empfiehlt. Dann benötigt ein Talent Orientierung und Beratung auf dem Weg, die die Führungskraft mit Unterstützung von HR bieten muss. Wenn eine Nachwuchskraft mit Potenzial in ein Themenfeld oder in eine Funktion gerät, obwohl eine andere Ausrichtung besser passen würde, ist es Aufgabe von HR, eine Kurskorrektur zu ermöglichen. Karri-erelaufbahnen sind bei uns flexibel. Die Mitarbeiter haben vielfältige Möglichkeiten. Unser Anspruch ist es, das bestehende Potenzial im Haus zu nutzen und bei Projekten und neuen Themen die Möglich-keit zu bieten, sich neu zu orientieren und zu profi-lieren. Bei sehr spezialisierten Themen, bei denen wir Neuland betreten, ist es immer auch notwendig, Spezialkenntnisse von außen zu holen. Allerdings ist der Anbahnungsprozess bis zur Einstellung ei-nes Kandidaten aus einer anderen Branche auf-wendiger, als aus der eigenen Branche zu rekrutie-ren, in der wir eine starke Arbeitgebermarke haben.

Wo soll die HR-Organisation verbessert werden?Die neu etablierte Organisation muss sich zu-nächst in der Zusammenarbeit einspielen. Ins-besondere die Schnittstellen der strategischen Zentren und der globalen HR-Business-Partner mit den regionalen Strukturen müssen eingeübt werden. Wir sind nach vielen Veränderungen in der Vergangenheit erneut an einem Punkt, an dem wir uns zumindest teilweise immer wieder neu erfin-den müssen, um erfolgreiche HR-Arbeit auf ange-messener Kostenbasis leisten zu können. Das ist auf der einen Seite eine großartige Lernerfahrung, auf der anderen eine enorme Anstrengung. Dazu gehört auch, hin und wieder in eine Sackgasse zu geraten – und das zu erlauben ist eine Frage einer innovativen Unternehmenskultur. <

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