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(Road - ) Dokumentarfilm von Uli Pförtner GILDE- film & tv-produktion Uli Pförtner Im Weizen 1 35619 Braunfels / Germany fon + 49 (0) 6472 - 911636 cell + 49 (0) 172 692 5550 [email protected] © 2008 DAS ERBE GERONIMOS

Freedom Boulevard - Das Erbe Geronimos

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Dokumentarfilm-Skript (Deutsch) über die abenteuerliche Suche eines Deutschen nach seinen amerikanischen Wurzeln. Er entdeckt, daß er Indianer ist - doch damit nicht genug. GERONIMO ist Teil seiner bewegenden Geschichte, eine geheime Kraft - die Henry Reyna zum Teil einer bewegten Historie werden lässt... Documentary-Script (German) on a German scientist's adventurous search for his American roots. He discovers his ancestry to the Chiricahua Native Americans - but that's not all. GERONIMO is part of his touching story a secret force - so Henry Reyna becomes part of a moving history...

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Page 1: Freedom Boulevard - Das Erbe Geronimos

(Road-) Dokumentarfilmvon

Uli Pförtner

GILDE- fi lm & tv-produktionUl i PförtnerIm Weizen 135619 Braunfels / Germany

fon + 49 (0) 6472 - 911636cell + 49 (0) 172 692 5550info@gildefi lm.de

© 2008

DAS ERBE GERONIMOS

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DER PLOT

Der deutsche Wissenschaftler und Psychotherapeut Henry Graf aus dem baden-württembergischen Heilbronn sucht in den USA seinen unbekannten Vater, einen ehemaligen GI, um seine Herkunft zu erfahren.

Nach jahrelangen Mühen und unter Umständen, die beinahe zu mysteriös sind, um Zufälle genannt zu werden, findet er den Vater tatsächlich und erfährt: Er ist Chiricahua-Apache und Urenkel des legendären Apachenfüh-rers und Medizinmannes GERONIMO.

Es beginnt eine abenteuerliche Reise in eine dem Deutschen völlig unbe-kannte Welt, sowohl in die Vergangenheit als auch in die Gegenwart der Chiricahua. Er ist entschlossen, seine Geschichte zu ergründen und eine Rolle zu übernehmen in der Gemeinschaft der Apachen. Neben seinem Le-ben in Deutschland führt ihn sein Weg durch den Südwesten der USA und die unzugängliche mexikanische Sierra Madre.

Worauf er stößt ist eine faszinierend fremde und geheimnisvolle Lebensart und eine in vielen Facetten bis heute nicht erzählte Historie. Er erfährt von der erschreckenden Diaspora seines Volkes an der Schwelle zur Moderne.

An der nahezu unüberbrückbaren Kluft zweier Welten aber, der deutschen Lebenswirklichkeit und der Apachen-Kultur, droht der Rationalist zu zerbre-chen und wird gezwungen, eine neue Identität heranzubilden.

Seine abenteuerlichen Erlebnisse und mysteriösen Begegnungen im Span-nungsfeld zwischen seiner schwäbischen Heimat und den Hochwüsten So-noras, dem Land seiner Vorfahren; zwischen deutscher Bildung und india-nischem Spirit lassen ihn zweifeln, wo er wirklich hingehört.Wofür wird sich Henry entscheiden?

oder:

Wieviel WESTERN verträgt ein deutscher Alltag...?

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Ballenberg, ein kleiner Ort im badischen ‚Bauland‘, unweit von Heilbronn. Ländliche Idylle, Kruzifixe an Wegekreuzungen; Traktoren ziehen ihre Ackerfurchen, Wälder drum herum. Rund um den Fußballplatz reges Treiben. Die Ballenberger greifen an, den Paß schlägt die Nummer 6, Henry Graf.

Er ist voll integriert in die Dorfgemeinschaft und ar-beitet in ärztlicher Praxis als zugelassener Psychothe-rapeut im nahe gelegenen Heilbronn. Hoch oben: ein Bussard zieht seine Kreise über dem Sportplatz. Die Menschen weit unter ihm laufen Richtung Tor, doch der Ball geht daneben. Der Schrei des Bussards sticht aus dem Geraune der Zuschauer heraus. Henry Graf blickt nach oben. So richtig „deutsch“ sieht der gebür-tige Heilbronner und Mittelfeldspieler der Ballenberger aber nicht aus ...

EIN DEUTSCHES KIND

1955 wird er in Heilbronn, als Sohn einer Deutschen und eines US-Soldaten geboren. Der Vater kehrt in die Staaten zurück. Die Mutter schämt sich für das Misch-lingskind - immerhin war der Vater dunkelhäutig. Hen-ry wächst bei seiner Großmutter auf. Die Mutter hei-ratet einen Deutschen, bekommt sechs weitere Kinder - Geschwister, die Henry wenig sieht.

In der Schule ist er ein Sonderling. Seine Mitschüler nennen ihn ‚Neger‘. Trotzdem ist Henry beliebt. Er ist ein hervorragender Fußballer und fällt auf als der schulschnellste Läufer und der beste Turner; er schafft es sogar ins Auswahlverfahren für die Olympischen Spiele 1972. Doch Ehrgeiz fehlt ihm. Henry macht sich nichts aus solchem Erfolg. „Ich wollte immer nur schön spielen, einen interessanten Spielzug gestalten - das Tor war mir nicht mehr wichtig.“ - Henry ist an-ders als die anderen.Anläßlich einer Pockenimpfung kommt die Krankheit voll zum Ausbrauch, er stirbt beinahe; seine Zähne sind viel weißer als die der anderen... Hinweise auf sein Anderssein gibt es viele, doch zu deuten weiß sie niemand.

Henry vermißt seinen Vater nicht. Seine Kindheit bezeichnet er als glücklich. Einzige Einschränkung: das Heilbronner Wohngebiet ‚Ha-waii‘, in dem er bei der Großmutter aufwächst, ist sozialer Brennpunkt. Wo immer er hinkommt, fragt man ihn, ob er denn auch schon im Knast gewesen sei. Unter dieser Diskrimi-nierung leidet er.

Der Junge macht seinen Haupt-schulabschluß, dann eine Lehre als Raumausstatter. Doch mit geregel-ter Arbeit hat er ein Problem. Auch um dem Wehrdienst zu entgehen holt er die Mittlere Reife und das Ab-itur nach. Er studiert Sozialwissen-schaften, Psychologie, Kinder- und

Jugendpsychiatrie in Heidelberg. „Mich hat immer in-teressiert: warum sind die anderen so anders als ich?“ Versucht Henry so unbewußt das Rätsel seiner eige-nen Herkunft intellektuell zu lösen?

An der Universität begründet er seine Karriere. Ihm ste-hen die Türen der Professoren offen, sein analytischer Verstand ist gefragt. Mit Sondergenehmigungen ab-solviert er seinen Magister. Schließlich eröffnet er in Heilbronn seine eigene Praxis für Psychotherapie.

VATERSUCHE

Depressionen seiner Patienten kennt Henry Graf durch seinen Beruf ganz genau. Als er plötzlich 1994, mit knapp 40 Jahren eine Krise durchlebt, weiß er, daß di-ese mit Depressionen nichts zu tun hat. Eine ihm uner-klärliche Wehmut befällt ihn, vergleichbar dem Gefühl von „...Heimweh, es fühlte sich an wie Heimweh!“

Er ist beruflich erfolgreich, ist Buchautor, hat genug Geld, eine Freundin, Hunde, ein eigenes Haus, ein schickes Auto - kurz: eine scheinbar gutbürgerliche, gesicherte Existenz. Und doch fühlt sich Henry irgend-wie seelisch entwurzelt. Seine Freundin bringt ihn dar-auf, daß es vielleicht mit seinem unbekannten Vater zu tun haben könnte. Henry weist das von sich. Doch sie bewegt den Widerstrebenden zu einer USA-Reise.

Mit einem Bierdeckel, auf den seine Mutter die uralte Adresse seines Vaters gekritzelt hatte, macht er sich auf in die USA und forscht nach dem Namen seines Vaters Reyna. Nach dem Zufallsprinzip tippt er im Te-lefonbuch auf eine Soyla Reyna, doch die alte Frau kennt seinen Vater nicht.

Sie schickt ihn zu einem Sonny Reyna, der einen india-nischen Kunsthandwerkladen betreibt. Als Henry dort eintrifft, grüßt der ihn. Henry schaut sich im Laden um, niemand sonst ist da. Er geht davon aus. daß ihn die alte Frau angekündigt hat.

„Weißt Du Bescheid, kennst Du meine Geschichte?“ „Nein.“ „Warum grüßt Du mich dann?“„Ich bin Indianer - Du bist Indianer!“Henry ist sprachlos. Er soll Indianer sein? Sonny Reyna schließt die Läden und beginnt zu trommeln. Innerhalb einer Viertelstunde ist Henry umringt von Indianern. Einer der Ältesten tritt an ihn heran und sagt:„Welcome home, brother!“Woher wollen die das wissen? Hen-ry ist ergriffen: „Ich dachte, die spin-nen. Was hatte ich mit Indianern zu tun? Aber plötzlich züngelte es wie Flammen in meinem Inneren durch den ganzen Körper.“ Henrys Wehmut schlägt um in große Zerissenheit. Wo genau gehört er hin? Mit Sonny Reyna jedenfalls ist er nicht verwandt.

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Deutscher Psychotherapeut, Chiricahua-Apache undUrenkel Geronimos

HENRY REYNA

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Jetzt will er seinen Vater un-bedingt finden! In Deutschland arbeitet er nur noch für die Su-che nach seinen Wurzeln. Er beauftragt in den USA einen Privatdetektiv. Endlich - nach einem Jahr - macht die Detek-tei den Aufenthaltsort seines Vaters tatsächlich ausfindig.

In weißem Hemd und Kasch-mirmantel, geprägt von mittel-europäischer Erziehung und wissenschaftlichem Denken, besucht der Sohn den Vater in Texas und fragt nach seiner Herkunft. Der begegnet ihm mit großer Distanz. Er erzählt, daß sie wohl mexikanisch-stämmig seien, Indianer seien sie nicht. Womit der Vater vielleicht nicht rechnet: Henry durchquert ganz Mexiko auf der Suche nach sei-nen Wurzeln - erfolglos.

Als sein Vater ihm erzählt, möglicherweise stammten sie von den Azteken ab, liest sich Henry in deren Geschichte ein, begibt sich erneut auf Reisen. Doch Wehmut und Zerrissen-heit verlassen ihn nicht und fündig - wird er auch nicht.

Der Vater weiß mehr, doch er führt seinen Sohn in die Irre – mit Absicht, wie Henry heute weiß. Der eine Grund ist Angst, denn Indianer, insbesondere rebel-lische, leben gefährlich; der andere: er will diesen ‚Sohn im Kaschmirmantel‘ kennenlernen und stellt ihn so auf die Probe.

Drei Jahre nach Beginn der Suche bekommt Henry schließlich ein Fax seines Vaters: „Now it’s time to bring you to the place where your grandparents are buried.“ Der Vater führt seinen Sohn nach Mexiko. Sind sie also doch Mexikaner? Unterwegs haben die

beiden einen Disput und Henry reist alleine im Bus weiter, in das vom Vater benannte Dorf am Rande der Sierra Madre.

Wieder ist er völlig entmutigt. Eine Woche ist er dort, doch keiner hilft ihm weiter auf der Suche nach etwai-gen Verwandten. Frustriert will er sich schon wieder auf den Heimweg machen, als ihm an der Bushalte-stelle jemand auf die Schulter tippt. Er dreht sich um und fährt erschrocken zurück: „Ich meinte in mein ei-genes Gesicht zu schauen!“

So lernt er seinen Onkel ‚El Gitano‘ kennen, der ihn an das Grab der Urgroßmutter führt. ‚El Gitano‘ lebt als Kühleisverkäufer in armen Verhältnissen. Henry, der auf seinen Reisen sonst nur in möglichst luxuriösen Hotels wohnt („Das war für mich ein Rückzugsraum, Sicherheit in sonst völlig unsicheren Situationen.“), lebt nun mit seinem Onkel im Schmutz und zwischen Ratten auf das Allereinfachste.

Erstmals hört er die Worte: „Apache de Oklahoma...“ und „...come un presidente...“ Henry hat ein Diktier-gerät dabei und zeichnet diese Hinweise auf, die er sich nicht erklären kann. Als er auf Spurensuche in Oklahoma nicht weiterkommt, weiht ihn sein Vater, Mike Reyna, schließlich ein: Er, Mike, ist der Enkel des legendären Apachenführers GERONIMO, eine Tatsa-che die er immer geheim gehalten hatte. Henry Graf ist somit Geronimos Urenkel!

„Ich dachte mich trifft der Schlag - ich, ein Deutscher, Geronimos Urenkel?“ Henry kennt den Namen - ir-gendwie schon mal gehört... Doch so richtig weiß er nichts über diesen Geronimo. Er will mehr über seinen Urgroßvater erfahren.

GERONIMO!

An historischen Stätten, in den Ruinen Ft. Bowies in Arizona, in den zerklüfteten Bergregionen der Chirica-hua Mountains, und in wechselnden Begegnungen mit Indianern und Historikern kommt Henry dem Geist und der Geschichte Geronimos nahe.

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Die Apachen waren ein kriegerisches Volk. Etwas Ackerbau, etwas Tausch-handel, vor allem aber die eigene Jagd und immer wieder Überfälle auf benachbarte Stämme und Siedlungen bildeten ihre Lebensgrundlage. Doch die Apacheria, das Land, das die ver-schiedenen Apachengruppen über Jahrhunderte durchzogen, wurde bald von Grenzen zerschnitten. Der ame-rikanisch-mexikanische Krieg gipfelte um 1850 auch in dem Kauf der Bun-desstaaten New Mexico und Arizona durch die USA. Die fortschreitende Besiedelung des Südwestens engte ihren Lebensraum zusehends ein und die Apachen widersetzten sich dem mit all ihrer Kraft.

1858 kehrt Goyathlay (‚Der, der gähnt‘) von einem Handelsritt zurück und findet seine Mutter, seine Frau und seine drei kleinen Kinder von Mexikanern ermor-det vor. Er schwört ewige Rache. Grausame Ausein-andersetzungen folgen. Wo Goyathlay einfällt, rufen die Mexikaner in Stoßgebeten den Heiligen Jerome (-> Hieronymus -> Geronimo) an. Dieser Schreckens-ruf wird zu seinem Namen und verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Geronimo wird zum Symbol für Widerstand und Gewalt im Südwesten der USA und im Norden Mexikos.

Geronimo ist kein Häuptling, aber Medizinmann und Anführer einer Gruppe Chiricahua-Apachen. Eine Grausamkeit ergibt die nächste. Die Mexikaner zah-len Prämien für Apachenskalps, die Amerikaner tun ihnen gleich („Nur ein toter Indianer ist ...“). Die Ge-schichtsschreibung wird diese Tatsache verdrehen. In ungezählten Hollywood-Filmen sind die Apachen die Skalpjäger - historisch schlicht falsch.

In New Mexico lernt Henry Graf den Chiricahua Joe Sa-enz kennen. Er veranstaltet Outdoor-Trails zu Pferde. Joe nimmt Henry mit in die Berge, in das Gebiet in dem Geronimo aufwuchs. Er kennt die Pflanzen, die Tierwelt und die Gefahren hier draussen in der Stille der Wildnis. Unter Berglöwen und Klapperschlangen bekommt der luxusverwöhnte Deutsche eine Ahnung

davon, wie Geronimo seinen Verfolgern immer wieder entkommen konnte. Joe nimmt Henry regelrecht mit in die Ver-gangenheit. In visionären Bildern, vor seinem geistigen Auge, erkennt Hen-ry wie entbehrungsreich und grausam das Alltagsleben der Apachen wirk-lich gewesen ist. Im Schlaf banden sie ihre Kinder auf den Pferden fest, um so über nacht große Entfernungen zu überwinden. Und der Mythos sagt auch, Geronimo als Medizinmann sei in der Lage gewesen, den Einbruch der Morgendämmerung zu verzögern, um den Verfolgern zu entkommen...

Vieles erfährt Henry hier über seinen Urgroßvater - es entsteht das Bild einer großen Persönlichkeit, die weit mehr war als grausamer, gefürchteter Kriegsgegner und geächtete Person. Dieses Bild Geronimos herrscht dank einer einseitigen Geschichtsschreibung aber bis heute vor.

Mehrmals ergibt sich Geronimo, um doch immer wie-der aus den Reservaten auszubrechen, weil die Wei-ßen ihre Zusicherungen nicht einhalten. Zuletzt sind es 35 Krieger und über 100 Frauen und Kinder, die von 5000 amerikanischen und etwa 4000 mexikanischen Soldaten auf beiden Seiten der Grenze erbarmungslos gejagt werden. Doch Geronimo ist ihnen stets einen Schritt voraus und einfach nicht zu besiegen in den zerklüfteten Bergregionen der Sierra Madre.

Geronimos Erfolg liegt in der Zähigkeit, den Überle-bens-Tricks und der Guerilla-Taktik der Apachen. In der Moderne verschafft ihm das den Ruf, der ‚erste Terrorist‘ in den USA zu sein; für andere ist er un-bändiger Freiheitskämpfer. Zu seinen Leuten sagt er: „Ich kann euch nichts anderes bieten, als in Freiheit zu sterben...!“

Spannende Parallele: Zur selben Zeit, Mitte der 1880er Jahre, noch während die Apachen im Südwesten der USA erbittert physisch um ihre Freiheit ringen, wird in Deutschland, dem Land in dem sein Urenkel Hen-ry Graf zur Welt kommen wird, das erste Mal in der

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Geschichte eine soziologische Definition der Begriffe ‚Gemeinschaft‘ und ‚Gesellschaft‘ getroffen. In der Gesellschaft muß sich der Einzelne als Individuum sei-nen Platz erkämpfen, die traditionelle Gemeinschaft dagegen hat einen übergeordneten Zweck, mit dem sich der Einzelne identifiziert - für die Apachen ist das ihre selbstbestimmte Freiheit.

Doch die über sie hereinbrechende amerikanische Gesellschaft hat auch ihre Tricks. Es sind die eige-nen Leute, zeitweise 500 an der Zahl, die als Apa-chen-Scouts Geronimo in der Sierra Madre ausfindig machen. Die Amerikaner nutzen deren angeborenen Kampfeswillen und versprechen ihnen als Militärange-hörige umfangreiche Vorteile.

Geronimo erkennt die Aussichtslosigkeit seiner Lage. Es kommt zu Verhandlungen und endlich, im Septem-ber 1886 ergibt er sich dem US-Militär unter General Miles. Geronimo und die Apachen werden zu Kriegs-gefangenen. Ironie der Geschichte: mit seiner Gefan-gennahme werden umgehend alle Apachen-Scouts entwaffnet und gemeinsam mit Geronimo, den sie jah-relang für die US-Regierung gejagt hatten, als Kriegs-gefangene deportiert - in Viehwaggons der Eisenbahn, bis in die Sümpfe des weit entfernten Florida...

In der Regel endet hier die Geschichtsschreibung um Geronimo - aus Sicht der Weissen. Einige Tatsachen noch sind bekannt: Im Reservat in Ft. Sill / Oklahoma scheint er sich mit seinem Schicksal abzufinden. Er betreibt Ackerbau, ist gefragtes Fotomodell und ver-steht als Berühmtheit ein Geschäft daraus zu machen. Geronimo verkauft seine Jackenknöpfe und hat Ersatz in der Tasche immer parat. Er diktiert seine Memoiren, die erst viel später (und zensiert) veröffentlicht wer-den. Angeblich tritt er sogar zum Christentum über. Er nimmt an internationalen Ausstellungen und an der Reiterparade zur Amtseinführung Präsident Roose-velts teil, bevor Geronimo als 80 jähriger an Lungen-entzündung stirbt. Sein Konto weist bei seinem Tode 1909 10.000 $ aus. Der Kämpfer Geronimo stirbt als wohlhabender Mann in der Kleidung seiner Feinde. Begraben liegt er noch heute in Ft. Sill. Das Land seiner Väter hat er - entgegen aller Zusagen - niemals wiedergesehen.

ZUHAUSE

Henry, der inzwischen seinen Nachnamen in den sei-nes Vaters, Reyna, geändert hat, lebt in zwei Welten: In den USA sucht er seine und die Geschichte seines Volkes der Chiricahua. Dort spürt er eine Zugehörig-keit, die er niemals kannte - aber auch große Unsi-cherheit und Gefahren: Schon einmal haben ihn pö-belnde Weisse aus einem Bus heraus mit Bierdosen beworfen: „...fucking Indian!“. Als ‚Deutscher Indianer‘ fällt er in den USA nicht auf.

Hier in Deutschland dagegen warten seine Patienten auf ihn, sein ‚Spall‘, die 50er-Jahre Kneipe im Ort, das sonntägliche Fussballritual - hier findet er Sicherheit und Wohlstand. Henry steht am Fußballplatz in Bal-

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lenberg, die Traktoren im Hintergrund, seine Mann-schaft trainiert. Es kommt ihm über die Lippen: „Das ist Zuhause!“. Zuhause und Zugehörigkeit aber sind zweierlei!

Seit 2003 ist er Vater einer kleinen Tochter, Taima. Sie soll ihre Herkunft später einmal kennen. Von der Freundin, die ihn seinerzeit zur ersten USA Reise über-redete ist er lange getrennt. Mit Taimas Mutter lebte er zusammen, hatte gerade ein neues Haus gekauft - jetzt hat auch sie sich von ihm getrennt. Der Alters-unterschied war beträchtlich, Nicole um die Hälfte jün-ger. Sie wünschte sich, was Henry immer hätte haben können, was ihm aber immer weniger bedeutete - ein bürgerliches Leben. Bis heute lebt er völlig ohne Kran-kenversicherung.

Doch Henry Reyna ist nicht allein mit seinem Schick-sal, keineswegs ein Einzelfall. Tatsächlich gibt es mehr ‚Deutsche Indianer‘ und die Geschichte ist immer die gleiche: Die US-Army ist ein Schmelztiegel - vielfach für Menschen, die in den USA sonst kaum eine Chan-ce auf sozialen Auf-stieg haben. Indianer gehören dazu und nach dem II. Welt-krieg sind etliche in Deutschland statio-niert.

So auch Mike, Henrys Vater. Als Jugendli-cher läuft er aus dem Reservat davon, will kein Indianer mehr sein. Als Mexikaner lebt es sich besser, so hat er erfahren. Mit geringer Bildung, kaum des Lesens und Schreibens mächtig, ist alles besser in den USA, als India-ner und damit ‚un-derdog‘ zu sein. Er ändert seinen Namen und geht in die Army. Seine Abstammung erfährt auch er erst spät, nach seiner Zeit in Deutschland. Als seine Großmutter den Namen Geroni-mo erwähnt, hatte er noch nie zuvor von ihm gehört.

Einmal fährt Henry gemeinsam mit ihm im Auto. Der Vater führt zwei Kopfbede-ckungen mit. Plötz-lich sagt er: „I am Mexican...“, setzt

dann statt des Stetson, dem Cowboyhut der Mexika-ner, die Baseballkappe auf und fährt fort: „...and now I am American!“. Diese Szene seines chamäleonglei-chen Vaters kann Henry nicht vergessen. Er selbst hatte Bildung, hatte Geld, konnte sich das Reisen leisten. Nur dadurch hat er seine Herkunft her-ausfinden können „...als ob mich meine Ahnen all die Jahre geleitet und geführt hätten - nur wie das funk-tioniert, weiß ich nicht!“. Das Heimweh ist zwar weg, doch noch immer fühlt er sich entwurzelt. Gibt es nur dieses ‚entweder - oder‘, wie sein Vater es ihm vor-lebt? Mit dieser Frage steht Henry nicht allein.

Eines der Kinder aus dieser Zeit ist auch Robert En-gelhardt. Er arbeitet als Chef-Dekorateur in einem Möbelhaus bei Nürnberg. Von seiner Mutter weiß er, daß sein Vater indianischer Abstammung gewesen ist - welcher Stamm ist unklar; der Vater ging und kehrte nie zurück. Seit Robert das erfuhr, und er sich seine Andersartigkeit erklären kann, hat er sich mit india-nischer Kultur intensiv beschäftigt. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, eines behindert. Doch er lebt seine

indianische Religion in einem deutschen Alltag, hält morgens auf dem Weg zur Arbeit mit dem Auto an, um seine Zeremonien abzuhalten. Außerdem ist er Pow-Wow-Tänzer.

Robert ist keiner dieser ‚Hobbyisten‘, die in ihrer Frei-zeit Indianer spielen. In ihm findet Henry einen Freund und Vertrauten, Sicherheit und Schutz, wo es ihm an Zugehörigkeit in Deutschland fehlt. Robert hat die gewisse Leichtigkeit, viel Humor; Henry bringt zwar Selbstironie mit, ist aber melancholisch. Beide sind gleich alt und gehen viele Wege gemeinsam.

DIASPORA DER CHIRICAHUA

Es gibt noch immer weiße Flecken in Henrys Abstam-mungsgeschichte: Wenn sie doch Apachen sind, wie-so findet er seine Urgroßmutter in Mexiko, am Rande der unzugänglichen Sierra Madre begraben vor? War-um starb nicht auch sie im US-Reservat?

Henry stößt auf den dunklen Teil einer Historie, die bis heute in den USA kaum wahrgenommen wird: Unzäh-lige Apachen starben in Gefangenschaft - eine gezielte Vernichtungskampagne. Indianer aus Wüstenregionen in die Sumpfgebiete Floridas verfrachten - die Regie-rung wußte, was das bedeutete: Infektionen, Gelbfie-ber - letztlich Tod.

Zwangsweise Namensänderungen erschweren gerade heute die Nachforschungen vieler Chiricahua nach Fa-milienangehörigen. Zur Strategie der ‚Sieger‘ gehörte auch das Verbot ihrer Sprache, bei Androhung grau-samster Strafen; Frauen trennte man von Männern, die Kinder wurden ihnen weggenommen; viele wurden

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zwangsweise zur Adoption vermittelt oder in Umerzie-hungsschulen kaserniert; nicht zuletzt: Indianerinnen wurden zu Tausenden zwangsweise sterilisiert.

In 32 Bundestaaten der USA wurden seit Beginn des 20. Jahrhunderts, noch zu Lebzeiten Geronimos, Ge-setze geschaffen, die ermöglichten, im Namen der Pseudowissenschaft ‚Eugenik‘ (Rassenhygiene), Kran-ke, Arme und andere Ethnien in Anstalten zu isolieren, die berüchtigt für ihre hohen Todesraten waren. Auf Grundlage solcher Gesetze wurden Zwangssterilisati-onen, auch von Indianerinnen, zuletzt 1974(!) durchge-führt. Was sich seit 1907 in den USA auf dem Gebiet der ‚Eugenik‘-Gesetze tat, war den Nationalsozialis-ten in Deutschland Vorbild. Große Teile übernahmen sie für ihr eigenes Rassegesetz. Es gab einen regen Austausch, der erst mit dem Eintritt der USA in den II. Weltkrieg zwangsläufig abebbte.

Henry Reyna ist in Florida unterwegs, in den Katakom-ben von Ft. Pickens, an den Orten der Gefangenschaft der Apachen. Er trifft Zeitzeugen, Historiker und Nach-fahren derer, die einst hier interniert waren. Und er reist nach Pennsylvania. Die dortige Carlisle School war die größte Umerziehungsschule für Indianer. Die langen Haare fielen, das Zeichen der Verbundenheit mit der Erde, sie lernten Baseball und Marschmusik - eben, wie sie sich der weißen Lebensart anzupassen hatten.

Die amerikanische Gesellschaft suchte mit allen Mit-teln die Gemeinschaft der Apachen zu brechen - sys-tematisch. Ihre ‚Assimilation‘ war in Wahrheit ein Ho-locaust. Doch wie konnte seine Urgroßmutter all dem entrinnen? Henry Reyna findet zunächst keine Ant-wort...

AUFNAHME

In Kalifornien stößt zufällig jemand auf Henrys Web-site. Er muß lächeln, über diesen ‚Deutschen India-ner‘, der vorgibt Geronimos Urenkel zu sein - das muß er seinem Freund Harold erzählen. Harold ist Chirica-hua. Auch er muß lauthals lachen. Als er jedoch den Namen von Henrys Urgroßmutter liest, stutzt er...

Unerwartet besucht ein Indianer, der in Deutschland auf Durchreise ist, Henry in Ballenberg - ein ‚Abche-cken‘, wie Henry bald erfahren wird: wer ist dieser ‚Ur-enkel Geronimos‘? Einer dieser ‚Wannabees‘, dieser ‚Möchte-gern-Indianer‘, von denen es so viele gibt, derzeit in den USA? Dann folgt die e-mail eines Harold ‚Elder‘ Dick mit einer Einladung. Henry und Robert rei-sen gemeinsam nach Kalifornien.

Harold ‚Elder‘ Dick kennt Henrys Urgroßmutter, er hat als Jugendlicher ein Jahr bei ihr in Mexiko gelebt und noch viel unglaublicher ist: Harolds Urgroßvater war der engste Vertraute und Kampfgefährte Geronimos. Nach 120 Jahren treffen erstmals die Nachfahren jener Apachen zusammen, die Seite an Seite für ihre Freiheit gekämpft hatten... Zufall? Henry ist irritiert.

Er wird in den Kreis der Chiricahua aufgenommen. Für ihn wird eine Schwitzhütte abgehalten, die mit 26 Steinen weit über vier Stunden dauert und zu der In-dianer aus allen Himmelsrichtungen zusammenkom-men. Henry erlebt eine Grenzerfahrung und kann es sich selbst nicht erklären, als er zur Trommel greift und Apachengesänge mitsingt - die er niemals zuvor ge-hört hatte.

Er lernt hier Chiricahua aus aller Herren Länder ken-nen: tschechische, portugiesische, irische mit langen roten Haaren - die Chiricahua hat es über die ganze Welt verstreut. Ihre Väter hatten es überall besser, als im eigenen Vaterland und suchten ihre Freiheit woan-ders Die Adresse dieser Begegnungen Henrys könnte kaum treffender sein:

6060 Freedom Boulevard.

INDIANER SEIN

Harold ‚Elder‘ Dick hat viele Traditionen bewahrt, selbst in Zeiten, in denen Indianern ihre Religionsausübung verboten war. Er war A.I.M-Mitglied (American Indian Movement) und bei der Besetzung von Alcatraz aktiv dabei und - er hat in Korea gekämpft. Henry, der in Deutschland lieber ins Gefängnis als zur Bundeswehr gegangen wäre (und deshalb überhaupt nicht einge-zogen wurde), wundert sich. Wie kann ein Indianer für eben den Staat kämpfen, der die Chiricahua an den Rand der Ausrottung gebracht hat? Doch Patriotismus und der Kampf für die Indianer-Rechte sind für viele Natives kein Widerspruch.

Dazu die Tänze, die Zeremonien... Henry ist erst am Anfang, sein eigenes Volk der Chiricahua, ihre Kultur und Denkweise - die andere Hälfte von sich selbst - auch nur ansatzweise zu verstehen; so wie er die deutsche Kultur versteht, die er intensiv studiert hat.

Nichts und Niemandem gibt sich Henry unreflektiert einfach so hin. Dafür ist er viel zu sehr Wissenschaftler. Und Erkenntnistheoretiker. Er kennt die deutschen Phi-losophen, Soziologen, er kennt die deutschen ‚Dichter und Denker‘. Vor diesem Hintergrund ist Henry Ge-sellschaftskritiker. In seiner Buchveröffentlichung hat er die Enthumanisierung der modernen Gesellschaft

analysiert - hier in den USA findet er Belege dafür an jeder Straßenecke; Freiheit ist etwas anderes! Er ist kein ‚Sinnsucher‘, von denen es so viele gibt, kein ‚Karl-May-Sehnsüchtler‘ oder ‚Indianer-Esoteri-ker‘. Zum ‚deutschen Vollblut-Indianer‘ jedenfalls, der Gesänge und Tänze kopiert, mutiert Henry nach dieser Reise nicht. Viele, und gerade Deutsche, würden dafür gutes Geld zahlen. Der Weg Indianer zu sein ist für Henry ein anderer, ein längerer. Als Hermeneutiker will er die Welt verstehen, so auch sein Volk - letztlich sich selbst. Zu viele Fragen sind ungelöst, die ihn beschäf-tigen. Henry lebt im Spannungsfeld zweier Kulturen.

Von Harold erhält er Apachen-Lieder, doch die Le-benswirklichkeit in Deutschland ist ein andere. Zwei oder drei davon lernt er, Taima, die kleine Tochter, ist dabei. Sie ist ihm wesentlicher Antrieb, seine Herkunft zu klären.

SIERRA MADRE

Von Mike, seinem Vater bekommt Henry die Nachricht, daß sein Onkel ‚El Gitano‘ und zwei weitere Verwand-te in Mexiko ganz plötzlich gestorben sein sollen. Die Umstände liegen im Dunkeln. Henry und Robert reisen 2004 in das Dorf am Rande der Sierra Madre. Ein ent-fernter Verwandter führt sie an die Gräber; Elba, Die-go und ‚El Gitano‘ starben an Krankheit und Hunger. Das Haus, in dem Henry bei seinem Onkel wohnte, ist am Verfallen. Er fühlt einen großen Verlust. ‚El Gi-tano‘ war ihm sehr nahe. Er schien die Traditionen zu kennen, ihn hätte er noch so viel fragen wollen. Er kümmerte sich um all die Apachen hier. Wieso aber Apachen in Mexiko? Was stimmt nicht an der üblichen Geschichtsschreibung?

Historische Zeitungen belegen: das Indianerproblem im Südwesten der USA galt mit der Aufgabe Geroni-mos 1886 offiziell als gelöst. Weithin unbekannt aber ist die Tatsache, daß etliche Apachen über die Grenze nach Mexiko flüchteten. Ihre Verfolgung und einzelne Kämpfe gingen noch weit bis in das 20. Jahrhundert hinein weiter - unbemerkt von der Öffentlichkeit. Apa-che zu sein kam nach Jahrzehnten grausamer Aus-einandersetzungen einem Todesurteil gleich. Viele tauchten bei den Tarahumara-Indianern in den unzu-gänglichen Gebirgszügen der Sierra Madre unter, än-

derten ihre Namen, mischten sich später auch unter die spanisch-stämmige Bevölkerung. Offiziell leben in Mexiko keine Apachen - und doch gibt es sie!

In den 1930er Jahren stieß der norwegische Ethno-loge Helge Ingstad darauf. Er lebte bei den Indianern ganz im Norden der USA und Kanada. Auf dem Weg, die Wanderungsbewegungen der Ureinwohner zu er-gründen kam er bis in den Südwesten. Hier hörte er das erste Mal, daß in der Sierra Madre noch immer ‚Wilde Apachen‘ leben sollten - kaum zu glauben. Eine Expedition mit einem von Geronimos Kampfgefährten in die Sierra Madre brachte Spuren und Hinweise, blieb aber erfolglos. Bis heute hält sich das Gerücht - oder ist es ein Mythos? - daß es in den unwirtlichen Gegenden der Sierra Madre noch immer traditionelle Apachen gibt.

Henry Reyna weiß als einer der ganz wenigen, wo in Mexiko tatsächlich Apachen leben - seine Urgroßmut-ter, ‚El Gitano‘ und die anderen gehörten dazu. Er be-sucht die Alten, die ihn noch kennen, als er seinen Onkel das erste Mal traf. Sie erzählen von Marciana de la Cruz, Henrys Urgroßmutter, daß sie es war, die das Dorf einst aufgebaut hatte, die mit Pancho Villa kämpfte und Schmuggelwege über die Sierra Madre kannte. Und sie bestätigen, daß sie alle Apachen sind, aber niemals darüber reden durften. Auch heute noch wird ihre Stimme leiser wenn sie das erzählen - bis sie schließlich das Zeichen machen: mit dem Daumen den Hals entlang...

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DAS ERBE GERONIMOS - DNA

Dr. Michael Jung vom Gießener Labor ‚bj-diagnostik‘ dreht und wendet einen Knochen in seiner Hand. Von wem der ist, darf er nicht sagen, viele Untersuchungen laufen hier geheim. Doch er bestätigt dem ihm gegen-über sitzenden Henry Reyna: „Ja, eine Analyse und Zuordnung von Knochenfragmenten ist grundsätzlich möglich, dafür aber muß der Erhaltungszustand ent-sprechend sein, so einen Fall haben wir gerade...“ Jung ist Spezialist in Sachen DNA - mit detektivischer Neigung und genau der Richtige für Henrys Anliegen: Ließen sich aus Knochenresten eines Toten Verwand-schaftsbeziehungen ableiten?

Die Geschichte klingt unglaublich, auf die Henry wäh-rend seiner Reisen stößt: Schädel und Knochen Ge-ronimos sollen 1918, knapp 10 Jahre nach dessen Tod, aus dem Grab in Fort Sill, Oklahoma, entwendet worden sein; von niemand geringerem als Prescott Bush, dem Großvater des amtierenden Präsidenten der USA. Vor wenigen Monaten erst wurde ein histo-risches Dokument über das Eintreffen des Schädels in Yale gefunden. Hier an der Universität existiert er tatsächlich noch heute, der Geheimbund ‚Skull & Bo-nes‘, und Knochen und Schädel sind es auch, die den Mitgliedern für makabere Initiationsriten dienen - auch George W. Bush nahm als Student daran teil. Doch die Existenz der Knochen wird trotz Belegen bis heute bestritten. Henry hätte nicht übel Lust, den Kopf seines Urgroßvaters vom amerikanischen Präsidenten zurück zu fordern - doch nach einer Möglichkeit dafür sieht es derzeit nicht aus. Er hat sich aber entschlos-sen, einen DNA-Vergleich zu versuchen.

Im Mescalero-Reservat in New Mexico landeten nach ihrer Kriegsgefangenschaft viele Chiricahua. Unter ih-nen Robert Geronimo jr., der einzig allseits anerkannte Enkel Geronimos. Er ist genau so alt wie Henrys Vater, der heimliche Enkel. Henry trifft Robert Geronimo und der bestätigt: Geronimo hatte viele, „...verdammt viele Frauen“. Allein neun waren Ehefrauen und ungezähl-te Frauengeschichten sagt man ihm nach, aus denen viele Kinder und Enkel haben entstehen können.

Nach seiner Aufgabe hatte sich Geronimo vermeintlich mit seinem Schicksal als Kriegsgefangener arrangiert, trug die Kleidung der Weissen, verrichtete ihre Art von Arbeit. Doch Historikerin H. Henrietta Stockel, die an ihrem bis dato zehnten Buch über die Chiricahua schreibt, ist sich sicher: „Geronimo hat seinen Frei-heitskampf niemals aufgegeben, er hat lediglich mit anderen Mitteln seinen Kampf weitergeführt. Und das wirkt nach...“

Die Waffe in diesem Kampf, den Henrietta Stockel meint, ist das Erbgut und sein Streuen letztlich in die ganze Welt. Vieles, selbst grausames, haben die Apa-chen dem Einzelnen angetan, damit die Chiricahua als Ganzes so lange in Freiheit aushalten konnten. Im Extremfall haben sie die eigenen Kinder getötet, um die nahenden Soldaten nicht auf sich aufmerksam zu machen - es zählte das Überleben des Volkes.

Die Freiheit sah Geronimo nie wieder, obwohl ihm zu-gesichert wurde, daß er wenigstens nach seinem Tod in das Land seiner Jugend zurückkehren dürfe. Sei-ne Überreste liegen in Ft. Sill - in Beton gegossen.Seit den achtziger Jahren bemühen sich die Apachen um eine Rückführung der Gebeine Geronimos, derzeit wieder ganz aktuell als Petition im Senat. Bislang wur-de das Ersuchen abgelehnt. Dafür müsste das Grab geöffnet werden und dann wüßte man, was sich wirk-lich darin befindet ...

Das Ergebnis könnte ein immenses Politikum sein, denn wo immer man sich in den Staaten bewegt - Ge-ronimo ist allgegenwärtig und ein mächtiges Symbol. Spielzeugfiguren aus den Sechzigern haben Kultsta-tus und erreichen astronomische Summen. Geronimos schmerzvoll wütendes Gesicht hat sich eingebrannt in das Gedächtnis unzähliger Betrachter - keiner der das Bild nicht kennt, das wie selten ein Bild einen Blick tief in das Empfinden eines Menschen ermöglicht. In der Kunstwelt erhob es Andy Warhol gar zur Ikone. Die ihm eine Terrorherrschaft nachsagten während der Apachenkriege, sehen nun - Ironie der Geschichte - die Tatsachen auf den Kopf gestellt. Jetzt ist es Gero-nimo, der von T-Shirts herab als Kopf einer ‚Homeland Security‘ - den inneren Feind eines staatlichen, po-litischen ‚Terrorismus‘ ins Visier nimmt. Wer die Ver-hältnisse kennt weiß, das ist mehr als nur ein ‚joke‘. Und die politische Entwicklung der USA in den letzten Jahren scheint diesen Querdenkern recht zu geben... Es ist, als entfessele sich ein Volk allmählich und die Führung des Ganzen geschieht unsichtbar.

Es gleicht einem Trauma vor Irak und vor Vietnam: Be-siegen konnten die US-Amerikaner Geronimo zu sei-nen Lebzeiten nie - und für viele lebt der Medizinmann noch immer. Sein Name ist heute so aktuell und bri-sant wie all die Jahrzehnte seit seinem Tod nicht.

In San Carlos, einem der lebensfeindlichen Reser-vate, in die viele Chiricahua wie in Konzentrationslager gepfercht wurden, trifft Henry Reyna den Chiricahua Charles Vargas. Obwohl gebildet, ist er bewußt nach San Carlos zurückgekehrt, um von innen heraus etwas zu ändern. Für ihn führt der Geist Geronimos noch heute sein Volk. „Die Chiricahua sind wie eine Glas-flasche,...“ sagt er, und Henry sieht das Bild wie in Zeitlupe vor seinem geistigen Auge, „...die aus großer Höhe auf Stein fällt. Sie zerbricht in tausend Stücke. Und Henry ist das eine Stück, ganz weit aussen...“

Die Freiheitsstatue, das gern von den USA beschwo-rene Symbol der Freiheit, trägt u.a. die Inschrift:

„Gib mir deine Müden, deine Armen, deine geknechteten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen...“

Für die Chiricahua hat dieser Spruch in ihren Augen nie gegolten. Geronimo wirkt wie ein Gegenpol zur Li-berty Statue, wie ein noch mächtigeres Fanal in dem Bestreben nach Freiheit, Anerkennung und der Erfül-lung der Menschenrechte.

„Die wilden Chiricahua in der Sierra Madre, drüben in Mexiko...“ sagt Charles zu Henry spät nachts in einem Motelzimmer „...es gibt sie wirklich!“ Sie sollen, so heißt es, die Kopie des Vertrages von 1872 zwischen Cochise und den Weissen über ein Reservat um die Chiricahua Mountains herum aufbewahrt haben. Und Charles will aus sicherer Quelle wissen: „... sie werden sich zu erkennen geben, wenn die Zeit reif ist. Und die Zeit ist jetzt reif, es wird nicht mehr lange dauern...wir haben eine Botschaft erhalten...!“

Aufbruch in die Sierra Madre? Abwarten auf indi-anische Art? Oder ist alles nur ein Wunschdenken? Manchmal weiß Henry nicht mehr was er denken soll. „Eigentlich...“ so sagt er, „...wollte ich doch nur mei-nen Vater finden und wissen wo ich herkomme...“

CHIRICAHUA ALLIANCE

Vater und Sohn haben ein gespanntes Verhältnis. „You always bother me!“ sagt Mike immer wieder. Damals, als er seinem Sohn ihre Abstammung offenbart hatte, hatte Henry stolz anderen davon erzählt. Plötzlich ka-men welche, die Mike als ‚Geronimos Enkel‘ vor den Supermarkt stellen wollten, mit ihm Geld verdienen.

Und es gab Ausgrenzung und Drohungen, denn der Name Geronimo polarisiert - auch heute noch. Mike wollte einfach nur teilhaben an dem Wohlstand der US-Gesellschaft, nur nicht auffallen als ‚dreckiger, fauler‘ Indianer.

Nachdem er aus Deutschland zurückkehrte arbeitete er in der Flugzeugindustrie, erhält heute seine Rente - und hat immer diese zwei Hüte greifbar: Basballkappe und Texashut...

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Ein Leben im Verborgenen, wie das des Vaters, war immer eine der Überlebensstrategien der Chiricahua.

Doch ein Ruck geht derzeit durch das Volk und die Nachfahren der alten Kämpfer. Es ist Henrys und Ha-rolds Generation, die sich mit einem Mal organisieren. Bis heute sind die Chiricahua kein von der Regierung anerkannter Stamm. Nur mit dieser Anerkennung aber lassen sich Ihre Interessen auf einer gültigen Rechts-grundlage vertreten.

Henry erfährt von der neu gegründeten ‚Chiricahua-Alliance‘ und reist 2005 zu einem Treffen nach New Mexico. Hier in Fort Bayard hatte General Pershing seinerzeit die Eröffnungsschlacht gegen Geronimo ge-führt. Eine der vielen Ironien in dieser Geschichte: Die Raketen gleichen Namens, Pershings, waren ausge-rechnet in Heilbronn stationiert, der Stadt, in der Hen-ry, Geronimos Urenkel, geboren wurde und aufwuchs.

Das Treffen in Ft. Bayard folgt indianischer Lebens-art: ‚Indian time, Indian place‘ ... so recht weiß keiner, wo und wann - und doch finden sich allmählich immer mehr Chiricahua zusammen zu Tänzen, Gebeten und Schwitzhüttenzeremonien.

Auch Rosie Blount ist dabei. Sie zeigt alte Dokumen-te. Der Chiricahua auf einem der Fotos sieht Henry zum Verwechseln ähnlich. Und Rosie sagt mit trä-nenerstickter Stimme: „For so long we were lost ...!“

Henry Reyna, der deutsche Wissenschaftler und Psy-chotherapeut spürt: Die Chiricahua sind ein historisch traumatisiertes Volk.

Er ist nun in die ‚Alliance‘ aufgenommen und ist ent-schlossen: er will etwas tun für sein Volk, eine Rolle spielen in diesem Wiedererstarken.

Die Chancen dafür sind da: Viele seiner Generation sind gebildet, etliche haben als Mischlinge einen an-deren Wissenshintergrund, der sich in weiten Teilen der Reservate durch Alkohol und Arbeitslosigkeit oft nicht entwickelt. Es sieht so aus, als würde das Kal-kül früherer US-Regierungen, mit der Gefangenschaft von Geronimo das ‚Apachenproblem‘ für ‚gelöst‘ zu halten, nicht aufgehen. In alle Winde verstreut, kehren die Chiricahua-Urenkel nun zurück und Henry Reyna ist einer von ihnen.

Die Freiheit, dem nachzugehen ermöglichte Henry das Geld, das er - obwohl ohne Ehrgeiz - durch Bildung bekam. Etwas hat ihn dazu getrieben („... es war wie ein Zwangslauf...“) und diesem ‚Etwas‘ ist er auf der Spur. Er kennt nun seine Herkunft und - er will das Erbe Geronimos, seines Urgroßvaters, annehmen.

Der Freedom Boulevard wird ihm dabei zum Sinnbild, zur Metapher eines Weges weit aus der Vergangenheit - in die Zukunft hinein.

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Der Film ist als Kino-Dokumentarfilm mit einer Länge von mindestens 85 Minuten angelegt.

Er handelt von Freiheit, der physischen ebenso wie der geistigen; Freiheit des Einzelnen und Freiheit eines Volkes in Vergangenheit und Gegenwart.

Der Film begleitet Henry Reyna in seinem deutschen Alltag und auf Reisen. Die Handlungsorte wechseln vornehmlich zwischen Ballenberg und Heilbronn in Deutschland, den Südstaaten der USA (Texas, New Mexico, Arizona) und dem Norden Mexikos (Sonora, Chihuahua).

Henry Reynas Geschichte offenbart sich an den Ori-ginalschauplätzen und sie entwickelt sich dort auch weiter - immer im Spannungsfeld zweier Kulturen: der deutschen, aufgeklärten Wissenschaftskultur und der Alltags- und mythischen Kultur der Chiricahua-Apa-chen. Der Film wird für den Zuschauer zum unmittel-baren, situativen Erleben und - zum Abenteuer. Auch nacherzählte Geschichte wird zum Erlebnis, denn es gibt einzigartiges historisches Material, Dokumente, Fotos und Film (bisher unveröffentlicht); und es finden Begegnungen statt mit Zeitzeugen, Historikern und anderen für die Handlung wichtigen Personen.

Weitere Handlungsorte sind solche, die für das Erzäh-len der hoch emotionalen Geschichte bedeutungsvoll sind (z.B. Florida, Pennsylvania, Oklahoma). Denn Henry Reyna reist nicht nur (s)einer vergangenen Ge-schichte nach, die für sich schon abenteuerlich genug ist - das ist nur der eine Teil.

Henry ist zugleich auch Medium für das Erzählen grö-ßerer Zusammenhänge und anderer berührender Ge-schichten, sowie für spannende Begegnungen und außergewöhnliche Situationen. Daß dabei Henrys Hin-tergrund in weiten Teilen auch der Hintergrund des Kinobesuchers / Zuschauers ist, macht es möglich, diesen förmlich mit auf die Reise(n) zu nehmen - ein wichtiges Anliegen des Filmes.

Einen Bezug zu Indianern hat jeder. Karl May und die Winnetou-Verfilmungen der Sechziger haben das ihre dazu beigetragen, beim Zuschauer genauso wie bei Henry Reyna. Der älteren Generation ist noch bekannt: Carl Zuckmayer spielte in seinen Schaffenspausen Cowboy und Indianer, seine Tochter nannte er Winne-tou; viele der mittleren und jungen Generation spielen gerne Indianer zu Fasching oder als Hobbyisten; Pow-Wows sind immer bestens besucht, und die Spirituali-tät der Indianer zieht viele Interessierte an.

Das Thema Indianer ist hoch emotional und vor allem, es ist in der geplanten Form - über den Zugang eines von einem ‚Deutschen Indianer‘ persönlich erzählten und erlebten Dokumentarfilmes - bisher nicht verar-beitet worden.

Das vorstehende Treatment ist inhaltliche Grundlage. Andere Elemente werden sicher, wieder andere kön-nen evtl. eine Rolle spielen und sind der Zweck wei-terer Recherchen.

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Henry Reynas Erleben in diesem Film ist vielfältig und unmittelbar - Potential für einen unterhaltsamen Film mit mehreren örtlichen und zeitlichen Ebenen. Kein ‚Talking Heads‘-Film, sondern eine Handlung, die von Entdeckungen und starken Persönlichkeiten vorange-trieben wird, im Wechsel zwischen Deutschland und Amerika. Beispielhafte Elemente sind:

Henry wird mit einem Mitglied der Chiricahua-Al-liance, Joe Saenz, zu Pferde an die Jugendplätze Geronimos am Gila River, in New Mexico reiten. Joe kennt die Überlebenstechniken der Chirica-hua; welche Pflanzen aßen sie, wie haben sie der Wildnis getrotzt? Henry liebt den Luxus - er wird hier das archaische Leben seiner Vorväter am ei-genen Leib erfahren; möglicherweise eine Gren-zerfahrung ...

Henry bekommt seit 1995 emails eines ‚Siggy Jumper‘. Auch er ist Chiricahua. Er kritisiert Henry, er leitet ihn, weist ihn auf Fehler hin und gibt ihm ‚Guideance‘. Er hat Kontakt zu den Medizinmän-nern des Mescalero-Reservates und gibt Henry Hinweise für weitere Schritte. Wer ist dieser ge-heimnisvolle ‚Siggy Jumper‘?

George W. Bush und die Geheimverbindung ‚Skull & Bones‘ an der Universität Yale - dieses Thema kocht gerade zur Zeit wieder ganz hoch in den USA und hat große Aktualitätsbezüge...

...ebenso wie der ‚Repatriation Act‘, die Forde-rung der Apachen, die Gebeine Geronimos, wie seinerzeit versprochen, in das Land seiner Väter umzubetten. Noch liegt er als Kriegsgefangener in Ft. Sill, Oklahoma begraben. Eine entsprechende Petition an den Senat läuft derzeit.

Die Dragoon Mountains, Arizona, sind für die Apa-chen heiliges Land, zugleich Naturreservat. Eine deutsche Firma aus Köln will dort Gesteinsmehl abbauen. Derzeit formiert sich der Widerstand der Apachen - Henry trifft sich mit ihnen.

Der ‚Weisse Büffel‘ spielt in den Mythen aller Indi-anervölker eine Rolle. In einer Prophezeiung heißt es: ‚Wenn der weiße Büffel geboren wird, werden die Ahnen zurückkehren und eine Zeit der Wieder-vereinigung bricht an ...‘ Tatsächlich wird 1994 ein weißer Büffel geboren - ausgerechnet zu dem Zeit-punkt, an dem Henrys Suche beginnt. Zufall oder Bestimmung? Die Mythen der Apachen, ihre Orte, die Spiritualität spielen eine große Rolle.

Möglicherweise wird Henry mit anderen Indianern in der Sierra Madre auf den Spuren der ‚Wilden Apachen‘ unterwegs sein. Bei dem Treffen der Alliance 2005 hieß es, daß es unter diesen noch das Exemplar eines Vertrages von 1872 zwischen dem Chiricahuahäuptling Cochise und der ame-rikanischen Regierung über die Zuweisung von Land geben soll ... eine ‚Schatzsuche‘ mit Aben-teuerpotential. Sicher ist: es existiert historisches 16mm Filmmaterial des norwegischen Ethnologen Helge Ingstad aus den 30er Jahren das ggf. ein-gebunden werden kann. Die Sichtung ist mit den

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Erben bereits verabredet.

Kontakte zu Zeitzeugen aus Kindheit, Familie, Stu-dium, Beruf, privatem Umfeld und Freizeit Henry Reynas.

Von diesen und anderen möglichen Elementen, und vom Ausgang der Recherchen hängen weitere Dre-horte und Personen ab - immer mit dem Ziel eines schlüssigen Spannungsbogens, der die Geschichte über den geplanten Zeitraum eines Kino-Dokumentar-filmes trägt.

DIE GESTALTUNG

Das Potential des Filmes liegt im unmittelbaren Erleben ebenso, wie in opulenten Bildern. Beides ist kein Wi-derspruch. Angestrebt ist: so hautnah wie eine Repor-tage und so episch, wie die Landschaften der Drehorte und die Situationen es fordern. Bilder die Emotionen wecken, auch surreale Bildanteile, z.B. Flashbacks in die Vergangenheit, ‚Living History‘ in einer eigenen, dem Thema angemessenen Bildsprache. Das sind Sti-lelemente, um das subjektive Erleben Henry Reynas zu unterstützen. Authentizität ist dabei das Ziel. Das Bildkonzept soll das Einbinden historischer Fotos / ggf. Filme ermöglichen.

In weiten Teilen trägt der Film Züge eines ‚Road-Mo-vie‘, denn Henry (auch mit Robert) ist auf Spuren-suche.

Einen Kommentartext gibt es nicht. Die Bilder im Breitwandformat, die Dialoge und Aktionen sprechen für sich. Die Erzählperspektive, ggf. auch als spar-samer Off-Ton / Gedankenstimme, ist die der Hauptfi-gur Henry Reyna. Situativ, wo erforderlich, kann Henry aber durchaus immer auch mal Kamera-gerichtet sein. Interviews und Statements kommen vor, keinesfalls aber ist dieser Film ein ‚Talking-Head‘-Film. Er wird getragen von Aktionen, der Kraft der Bilder und der Interaktion der Personen.

Obwohl Freedom Boulevard tragische Episoden der Geschichte erzählt, ist er doch auch unterhaltsam - und er hat das Zeug dazu:

Natürlich spielt der Film mit den Erwartungen der Zu-schauer. Besonders das deutschsprachige Europa hat - Karl May sei Dank - an Indianern hochgradig Interes-

se. Hobbyindianer, Radebeul, Pierre Brice - Assoziati-onen, mit denen sich spielen lässt; in welcher Form, ist Teil der Inhalts-Entwicklung. Indianer in Deutschland, Indianer zwischen Klischee und Wirklichkeit, kontra-punktisch lässt sich damit arbeiten und dem Zuschau-er so einen Spiegel vorhalten, ihn zum Schmunzeln bringen. Situationen dazu gibt es reichlich in Deutsch-land und den USA:

Henry kann deutsches ‚Indianerleben‘ in Radebeul erleben und dabei seinem Ideal aus Kindertagen, Pierre Brice, begegnen.

Geronimo ist in den USA integraler Bestandteil der Konsumwelt. Da gibt es den Urgroßvater als Fin-gerpuppe und Kühlschrankmagnet, Namensgeber für Restaurants, sogar Haare von ihm sind käuf-lich.

• Unterhaltsam ist besonders das Zusammenspiel der unterschiedlichen Charaktere von Henry Rey-na und Robert Engelhardt: Henry ist untersetzt, ein ernsthaft reflektierender, bisweilen etwas linkisch wirkender Wissenschaftler, zurückhaltend und et-was melancholisch. Robert ist das Gegenstück: korpulent, kämpferisch, voller Witz und Ironie, lo-cker und bodenständig.Wenn die beiden gemein-sam unterwegs sind, dann ergänzen sie sich zu einem ‚neuen Ganzen‘. Henry als Haupt- und Ro-bert als ergänzende, katalytische Nebenfigur, da entstehen Momente unfreiwilliger Komik und leiser Ironie, ohne allerdings die beiden der Lächerlich-keit preiszugeben. Z.B. wenn Henry mit Tabak das Meer begrüßt, vor der herannahenden Welle aber zurückweicht, weil er eben doch keine nassen Füsse bekommen will - der Zuschauer kennt das anders aus zahlreichen Indianerfilmen. Oder wenn Robert, dem man den Indianer immer ansieht, im Möbelhaus den riesigen Plastik-Weihnachtsbaum schmückt, zum Schluß aber im Inneren eine Adler-feder aufhängt.

Das akustische und musikalische Konzept für den Film hat eine außerordentlich wichtige Bedeutung. Hierbei kann hilfreich sein, daß sowohl Henry als auch Ro-bert Musiker sind. Robert macht indianische Musik, Henry hat Mozart und Bach in seinen Fingern, ohne jemals Klavier gelernt zu haben. So ermöglicht auch die Musik situatives Erleben - ein großes Potential für die Gestaltung. Musik aus dem deutschen Kulturkreis wirkt nach auf den Reisen in die USA und nach Me-xiko, dient als akustisches Abbild von Seelenzustän-den - auch kontrapunktisch eingesetzt. Surreale Ton-

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elemente mischen rationale / irrationale und zeitliche Ebenen. Ergänzend ist gedacht, einen Soundtrack von Musikern, Singern / Songwritern beider Kulturkreise komponieren zu lassen.

Fazit: Ein Stoff von großer dramaturgischer Kraft, mit einem hohen informativen Gehalt und Unterhaltungs-potential. Der Film holt den Zuschauer im eigenen Kul-turkreis ab und nimmt ihn mit auf Reisen, führt ihn in das Abenteuer des Realen. Er berührt die auch für ihn wichtigen Fragen nach dem Dasein, nach Schicksal und Vorbestimmtheit.

Henry Reyna 2005 in Silver City, NM:

„...und aller Wille Ist nur ein Wollen,weil wir eben sollten.

So sind wir scheinfrei denn,nach manchen Jahren

Nur enger dran, als wir am Anfang waren.“J.W. Goethe, ‚Urworte orphisch‘

ADVOCATUS DIABOLI

Warum ist dieser Film wichtig?

Die Geschichte, die Freedom Boulevard erzählt ist außergewöhnlich und einmalig. Sie ist exotisch und märchenhaft und dabei doch nahe an der eigenen Kul-tur des Zuschauers - daraus zieht sie ihre Ironie und ihren Reiz.

Indianer finden ein großes Publikumsinteresse - (echte) ‚Deutsche Indianer‘ um so mehr, zumal ihre Existenz in Deutschland erst in jüngster Zeit in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt ist. Sie sind der Schlüssel zu einer verborgenen Kultur.

Die Apachen als Indianervolk sind im Bewußtsein der Zuschauer verankert In Europa durch Karl May, in den USA durch die wechselvolleund aufrührende Ge-schichte. An kaum einem Indianervolk wurde so viel geforscht, und doch ist das ‚wahre Leben‘ der Apa-chen nahezu unbekannt.

Was fasziniert so sehr an Indianern? Mit Henry Reyna lässt sich aus erster Hand erleben, was es wirklich heißt Apache zu sein. So nahe kommt der Zuschauer sonst nicht heran.

Zum allerersten Mal werden die Chiricahua ihre Ge-schichte selbst erzählen. Die ‚Elders‘, soweit sie noch leben, und deren Kinder. Eine wichtige Historie wird bewahrt. Freedom Boulevard ist ein historisches Do-kument von bleibendem Wert.

Freedom Boulevard erzählt erstmals die ‚untold sto-ries‘, ein wesentlicher USP (‚Unique Selling Point‘).

Die Landschaft der Spiel- und Dokumentarfilme wurde im Vorfeld genau betrachtet. Nahezu alle Filme enden am gleichen Punkt: der Aufgabe Geronimos. Freedom Boulevard geht weiter und ermöglicht so ein tieferes geschichtliches und politisches Verständnis.

Das Vergessen ist der Beginn der Akzeptanz, das trifft nicht nur auf den deutschen Holocaust zu. Freedom Boulevard ist ein Film, der mahnen kann, Durch Hen-ry Reyna erlebt der Zuschauer unmittelbar auch po-litische und gesellschaftliche Widersprüche und die Grundfrage nach Menschenrechten.

Page 11: Freedom Boulevard - Das Erbe Geronimos

„Weißt Du, wie mir das vorkommt, Henry ? „

„Was?“

„Wir zwei - wie in dem Film, kennst Du den Film ‚Pow-Wow auf dem Highway‘ ?“

„Hmm ...“

„Mit dem Wilbour, dem Dicken, der Traditionelle ...?“

„So‘n Fetter mit so vielen Haaren?“

„Ja, der immer Hunger hat!“

„Ach, wo sie auf der Straße entlang sind, wo er links abgebogen is‘, in die total falsche

Richtung?“

„Ja, da isser nach South Dakota gefahren,

zu den ‚Black Hills‘ - zum Beten!“

„Den hab‘ ich g‘sehn, den hab ich g‘sehn -

jaja, den kenn‘ ich den Film!“

„Der is‘ total gut!“

„Ja, den hab‘ ich g‘sehen, den Film...

(Pause)

...aber damals war ich noch kein Indianer!“

Text:Uli Pförtner, Gilde - film & tv produktion, Braunfels

Layout, Design & Artwork:Clemens Mielert, mielert:media, Heilbronn

Made on a Mac Fotos:

Uli Pförtner

Dialog in San Francisco / Golden Gate BridgeSeptember 2003