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WIR ENTFESSELN DEN ARBEITSMARKT FÜR EIN BESCHÄFTIGUNGS- FÖRDERNDES MITBESTIMMUNGS- UND TARIFRECHT 2. AUFLAGE BDA-pro-job.de

Für ein beschäftigungsförderndes Mitbestimmungs- und Tarifrecht

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Die deutsche Wirtschaft steht vielfältigen Herausforderungen gegenüber. Die Arbeitswelt ist im 21. Jahrhundert einem ständigen Wandel unterworfen. Gleichzeitig verschärfen sich die Wettbewerbsbedingungen nicht nur in Deutschland sondern weltweit. Die Unternehmen müssen veränderten Anforderungen schnell und effektiv begegnen.

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Page 1: Für ein beschäftigungsförderndes Mitbestimmungs- und Tarifrecht

WIR ENTFESSELN DEN ARBEITSMARKT

FÜR EIN BESCHÄFTIGUNGS-FÖRDERNDESMITBESTIMMUNGS-UND TARIFRECHT2. AUFLAGE

BDA-pro-job.de

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FÜR EIN

BESCHÄFTIGUNGS-

FÖRDERNDES

MITBESTIMMUNGS-

UND TARIFRECHT

BUNDESVEREINIGUNGder Deutschen Arbeitgeberverbände

2. AuflageStand: August 2003Alle Rechte vorbehaltenPrinted in Germany

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VORWORT

Die deutsche Wirtschaft steht vielfältigen Herausforderungen gegen-über. Die Arbeitswelt ist im 21. Jahrhundert einem ständigen Wandelunterworfen. Gleichzeitig verschärfen sich die Wettbewerbsbedin-gungen nicht nur in Deutschland sondern weltweit. Die Unternehmenmüssen veränderten Anforderungen schnell und effektiv begegnen.

Das deutsche Arbeitsrecht behindert häufig die notwendige Flexibili-tät: In vielen Fällen verzögert oder blockiert es Entscheidungen, diefür die Unternehmen von existenzieller Bedeutung sind. Dies giltbesonders für das kollektive Arbeitsrecht, und zwar sowohl für dieBetriebsverfassung wie auch das Tarifrecht. Statt flexible Rahmen-bedingungen zu setzen, wird zuviel bis ins kleinste Detail geregelt.

Wir brauchen deshalb eine praktikable Neujustierung im Bereich deskollektiven Arbeitsrechts. Antiquiertes Besitzstandsdenken hilft weder Unternehmen noch Arbeitnehmern. Wir brauchen entschlos-sene Reformen für ein beschäftigungsförderndes Mitbestimmungs-und Tarifrecht. Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft.

Berlin, im August 2003

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VORWORT

1. GÜNSTIGKEITSPRINZIP

2. GESETZLICHE ÜBERREGLEMENTIERUNG UND MITBESTIMMUNGSPRAXIS

3. BESCHLEUNIGUNG VON MITBESTIMMUNGSVERFAHREN

4. BELASTUNGEN FÜR MITTELSTANDSGEPRÄGTE UNTERNEHMEN

5. ARBEITSKAMPF

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GÜNSTIGKEITSPRINZIP

WORUM GEHT ES?

Das Günstigkeitsprinzip ist ein zentraler Pfeiler unserer Tarifordnung.§ 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz enthält zum Günstigkeitsprinzip aller-dings nur einen einzigen Satz: »Abweichende Abmachungen sind nurzulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eineÄnderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.«Es ist aber unklar, was im Einzelfall »günstiger« für den Arbeitnehmerist. Dass mehr Lohn immer günstiger als weniger Lohn ist, leuchtetein. Ebenso leuchtet ein, dass es günstiger ist, für dasselbe Entgeltweniger arbeiten zu müssen.

DIE FAKTEN

Aber ist es auch günstiger, bei der Arbeitszeit vom Tarifvertrag abzu-weichen, im Gegenzug aber einen sicheren Arbeitsplatz zu haben?Das Bundesarbeitsgericht meint Nein. Es stellt einen sogenannten»Sachgruppenvergleich« an – Geld wird mit Geld und Arbeitszeit wirdmit Arbeitszeit verglichen –, und lässt dabei völlig außer Acht, dasses durchaus für den einzelnen Arbeitnehmer in besonderen Situa-tionen günstiger sein kann, vom Tarifvertrag abzuweichen, also zumBeispiel länger zu arbeiten, als durch ein starres Festhalten an dentariflichen Regelungen den Bestand von Arbeitsplätzen zu gefährden.

Das Bundesarbeitsgericht hat lapidar gemeint, würde man dieGarantie eines Arbeitsplatzes mit der Senkung des Arbeitsentgeltesvergleichen, vergliche man »Äpfel mit Birnen«! Diese Aussage ent-mündigt jedoch den einzelnen Arbeitnehmer und steht im Wider-spruch zu den Tatsachen.

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1. Ein Arbeitgeber geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Auf-grund dessen zog er Entlassungen in Betracht. Um betriebsbedingteKündigungen zu vermeiden, schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebs-rat eine Vereinbarung, dass anstelle der tariflichen 35 Stunden-Woche eine Arbeitszeit von 39 Stunden gelten solle, wobei die 36.und 37. Stunde nicht gesondert zu vergüten seien. Im Gegenzugwurde den Arbeitnehmern unter Verzicht auf betriebsbedingte Kündi-gungen eine Beschäftigungsgarantie erteilt. Diese Regelung sollte nurnach entsprechender Ergänzung der einzelnen Arbeitsverträge gel-ten. Fast die gesamte Belegschaft, nämlich 98,5 %, waren mit diesemVorgehen des Arbeitgebers und der Änderung ihrer Arbeitsverträgeeinverstanden. Durch die Akzeptanz der Belegschaft konnten betriebs-bedingte Kündigungen verhindert werden. Auf eine Klage der Gewerk-schaft hat das Bundesarbeitgericht jedoch den Arbeitgeber ver-pflichtet, eine solche Regelung zu unterlassen.

In unserer zunehmend stärker individualisierten Welt wissen dieArbeitnehmer sehr wohl zu schätzen und vor allem richtig einzuord-nen, welch hohes Gut der Arbeitsplatz ist. Demnach kann es für deneinzelnen Arbeitnehmer durchaus günstiger sein, länger für das glei-che Geld zu arbeiten und dafür im Gegenzug einen sicheren Arbeits-platz zu haben. In diesem Punkt sind sich auch Arbeitgeber, Betriebs-rat und Arbeitnehmer fast immer einig. Das wichtigste Ziel ist dieSicherung von Arbeitsplätzen und der Fortbestand des Unterneh-mens. Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten treffen Arbeitgeberund Betriebsrat Abreden, die den Schutz der Arbeitsplätze und denBestand des Unternehmens gewährleisten sollen.

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WAS IST ZU TUN?

Da es aufgrund der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesarbeits-gerichtes nicht möglich ist, solche betrieblichen Bündnisse fürArbeits- und Beschäftigungssicherung rechtssicher zu schließen,bedarf es einer Neudefinition des Günstigkeitsprinzips. Das Günstig-keitsprinzip sollte klarstellend in dem Sinne erweitert werden, dasseinzelvertragliche Abmachungen zwischen Arbeitgeber und Arbeit-nehmer als zulässige Abweichungen von zwingenden Tarifregelungenanzuerkennen sind, wenn sie für die vereinbarte Laufzeit mit einerBeschäftigungsgarantie verbunden sind und im voraus oder nach-träglich mit dem Betriebsrat darüber Einvernehmen erzielt wird.

Denkbar wäre eine Ergänzung des § 4 Abs. 3 TVG wie folgt:

Bei dem Günstigkeitsvergleich sind die Beschäftigungsaussichten zuberücksichtigen. Eine abweichende Abmachung gilt insbesonderedann als eine zugunsten des Arbeitnehmers wirkende Änderung, wenn

a) sie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart istb) der Arbeitgeber für ihre vereinbarte Laufzeit eine Beschäfti-

gungsgarantie oder eine Zusage über den Aufbau neuerArbeitsplätze im Unternehmen erteilt hat und

c) über den Abschluss eines entsprechenden Vertrages im vorausoder im nachhinein mit dem Betriebsrat Einvernehmen erzieltwird.

Für Betriebe, in denen ein Betriebsrat nicht besteht, bedarf es zurWirksamkeit der Abrede einer Mehrheit von mindestens zwei Drittelaller Arbeitnehmer.

Durch diese gesetzliche Klarstellung des Günstigkeitsprinzips wirdden Interessen der Belegschaft vollumfänglich Rechnung getragen.

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GESETZLICHE ÜBERREGLEMENTIERUNG UNDMITBESTIMMUNGSPRAXIS

WORUM GEHT ES?

Damit Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft erfolgreich imWettbewerb bestehen können, müssen sie in der Lage sein, Entschei-dungen situationsgerecht zu treffen und umzusetzen.

Die Praxis der betrieblichen Mitbestimmung hat sich zwar zunehmendden veränderten technologischen und wirtschaftlichen Gegeben-heiten angepasst. Dort, wo Betriebsparteien einen Handlungsbedarferkannt haben, konnten bisher vielfach Lösungen geschaffen werden,die den Bedürfnissen vor Ort Rechnung getragen haben. Doch durchdie weitgehend zwingenden und durch das novellierte Betriebsver-fassungsgesetz noch verschärften gesetzlichen Reglementierungenwird ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Arbeitgeber undBelegschaft erschwert.

DIE FAKTEN

Die betriebliche Praxis zeigt, dass betriebliche Mitbestimmung zumWohle von Arbeitnehmern und Betrieben sinnvoll praktiziert werdenkann. Zugleich belegt sie aber auch, dass den Betriebsparteien nichtmit einem Mehr an Reglementierung und Bürokratisierung geholfenist. Schon heute eröffnen die gesetzlichen Regelungen erheblicheVerzögerungs- und Missbrauchsmöglichkeiten.

2.

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WAS IST ZU TUN?

Ein zukunftsfähiges System der Betriebsverfassung muss die gewach-sene Vielfalt der Mitbestimmung respektieren und Regelungen unter-stützen, die betriebs- bzw. unternehmensspezifische Besonderheitenberücksichtigen. Dazu gehört unter anderem, dass Unternehmen unddie dort beschäftigten Arbeitnehmer sowie deren Vertreter (z. B. derBetriebsrat), die Beteiligung an beschäftigungsrelevanten Entschei-dungen situationsgerecht ausgestalten können. Dazu gehört auch,ohne Druck von außen die Betriebsverfassungsstrukturen ent-sprechend der speziellen betrieblichen Situation auszugestalten. DieBetriebsparteien besitzen hierfür aufgrund ihrer größeren Sachnäheeine höhere Kompetenz, der Betriebsrat selbst als gewähltes Organder Interessenvertretung auch eine stärkere Legitimation als die Tarif-vertragsparteien.

Stärkung des Prinzips von Subsidiarität und EigenverantwortlichkeitKennzeichen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung ist diekollektive Wahrnehmung von Rechten durch die betriebsverfassungs-rechtlich bestimmten Gremien. Für den einzelnen Arbeitnehmer istes nicht möglich, der Zwangsbindung an die so getroffenen Entschei-dungen zu entgehen. Ein solches System ist nur dann gerechtfertigt,wenn es das Individuum und dessen Handlungsfähigkeit ausreichendberücksichtigt. Das Prinzip der Subsidiarität als Strukturprinzip derBetriebsverfassung muss deshalb stets oberste Leitlinie sein.

Art, Ort und Zeit der Arbeitsverrichtung werden in einer modernenArbeitswelt zunehmend selbstbestimmt wahrgenommen. Die betriebs-verfassungsrechtliche Mitbestimmung muss deshalb weitergehendals bisher die Selbstbestimmung der Arbeitnehmer ermöglichen undfördern. Sie darf die Interessenwahrnehmung des Einzelnen nichtbeschränken oder gar verhindern. Richtigerweise hat es daher der

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In einem Unternehmensteil mit ca. 300 Mitarbeitern wurde denMitarbeitern für den Tag zwischen Himmelfahrt und dem folgendenWochenende die Möglichkeit eingeräumt, einen sogenannten Brü-ckentag zu nehmen. Die dadurch verlorene Zeit sollten die Mitar-beiter vor- oder nacharbeiten. Lediglich zwei Mitarbeiter sollten einenNotdienst übernehmen, damit Präsenz am Telefon und für dringendeKundenanfragen gewährleistet war. Hierfür fanden sich auch zweiMitarbeiter bereit. Der Betriebsrat blockierte diese Regelung undbeantragte beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung, da dieBestellung des Notdienstes wegen fehlender Zustimmung des Be-triebsrates zu unterlassen sei. Daraufhin sah die Geschäftsleitungsich gezwungen, die Anordnung des Brückentages zurück zu nehmen,sodass nunmehr alle Mitarbeiter an diesem Tage ganz normal arbei-ten mussten.

Gleichzeitig verursacht die betriebliche Mitbestimmung erheblicheKosten für die Unternehmen. Insbesondere der Mittelstand wirddadurch belastet.

BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ: DIE KOSTEN

Gesamtbetriebsrat

Konzernbetriebsrat

Betriebsratswahl

Rechtsstreitigkeiten

Jugend- und Auszubildendenvertretung

Jugend- und Auszubildendenvertreterwahl

7,36

6,69

3,53

3,27

2,41

0,06

Durchschnittliche administrative Kosten

der Anwendung des BetrVG pro Mitarbeiter

und Jahr in Euro

560,37Insgesamt

264,61Betriebsratstätigkeit

250,15Betriebsversammlung

22,29Einigungsstelle

Stand: 1998; Umfrage des Instituts der deutschenWirtschaft (Köln) bei 29 Großunternehmen mit insge-samt 875.000 Arbeitnehmern.

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Gesetzgeber den Betriebsparteien inzwischen als Aufgabe angetra-gen, die Selbständigkeit des Einzelnen zu fördern. Dieses Anliegenmuss aber auch in der konkreten Ausgestaltung der betrieblichenMitbestimmung verwirklicht werden. Im Betriebsverfassungsgesetzist ausdrücklich festgelegt, dass »Arbeitgeber und Betriebsrat dieSelbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeits-gruppen zu fördern« haben. Entsprechend hat das Gesetz die Unter-richtungs-, Anhörungs- und Erörterungsrechte des Arbeitnehmers in § 81 ff. BetrVG ausformuliert. Dieser sinnvolle Ansatz wird jedochdurch einen gleichzeitigen Ausbau der kollektiven Rechtsmacht konterkariert.

Die Folge der Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips ist nicht einweniger an Mitbestimmung, sondern eine interessengerechte Ausge-staltung der Mitbestimmung, die vom Einzelnen ausgeht. Diesem solldie betriebliche Mitbestimmung letztlich auch dienen:

Ebene 1Das Schwergewicht der Einflussnahme sollte dem einzelnenArbeitnehmer überlassen werden. Der individuell getroffenenLösung ist somit grundsätzlich Vorrang einzuräumen. Dies giltauch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Angelegenheit lieberselbst mit dem Arbeitgeber regeln möchte statt eine kollek-tive Interessenwahrnehmung in Anspruch zu nehmen. Aus derPflicht von Betriebsrat und Arbeitgeber, Selbständigkeit undEigeninitiative zu fördern, folgt, dass sich die kollektive Inte-ressenvertretung auf eine sachwaltende Rolle zurückziehenmuss.

Ebene 2Nur wenn individuelle Regelungen von Angelegenheiten nichtmöglich sind oder von vornherein ein Gruppeninteresse betrof-fen ist, geht die Wahrnehmung der Regelungskompetenz aufdie nächste Ebene der Mitbestimmung über. Dort wo Arbeit-

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nehmer und teilautonome Gruppen ihre Angelegenheiten selbst regeln, müssen sie in Zusammenarbeit mit den Ent-scheidungsträgern vor Ort Vereinbarungen treffen können. Siedürfen durch den Betriebsrat nicht in ihrer Handlungsbefug-nis beschränkt werden. Die kollektive Interessenwahrnehmungdurch den Betriebsrat muss hinter die Interessenwahrneh-mung durch Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmernzurücktreten. Dies schließt aus, dass dem Betriebsrat Rechtegewährt werden, durch die er sich als sachferneres Gremiumüber einen von der Gruppe mit dem Arbeitgeber erzielten Kon-sens hinwegsetzen oder diesen von vornherein verhindernkann.

Gibt es eine solche 2. Ebene im Betrieb nicht, folgt nach der1. Ebene unmittelbar die Betriebsratsebene.

Ebene 3Kann auf den vorgelagerten Ebenen kein interessengerechterKonsens erzielt werden, ist es geboten, diesen auf der Ebeneder kollektiven betrieblichen Interessenvertretung durch denBetriebsrat herbeizuführen.

Ein so ausgestaltetes Modell aufeinander aufbauender betrieblicherMitbestimmung trägt den Gegebenheiten der betrieblichen PraxisRechnung. Es gewährleistet eine arbeitnehmer- und sachnahe Inte-ressenwahrnehmung, fördert das Engagement von Arbeitnehmern undArbeitgeber und nutzt das vor Ort vorhandene Fachwissen.

Dadurch, dass die kollektive Interessenwahrnehmung auf den erstenbeiden Ebenen einen prozessbegleitenden Charakter hat, verändertsich mit dem Modell einer subsidiär aufgebauten Betriebsverfassungdie Rolle des Betriebsrats. Seine Funktion selbst wird jedoch nichtin Frage gestellt. Es geht nicht um die Abschaffung, sondern um eine

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Umgestaltung der reglementierenden Gesetzeslage. Vor Ort vorhan-dene Entscheidungs- und Handlungskompetenzen sollen zur Rege-lung von Sachverhalten erschlossen werden. Eine subsidiär aufge-baute Betriebsverfassung respektiert die gewachsene Vielfalt tatsäch-licher Gestaltungsmöglichkeiten, ohne dass damit ein Weniger anSchutz einhergeht, da für alle Beteiligten die Rahmenbedingungenweiterhin gelten. Im Gegenteil: Gerade weil der Rahmen und damitdie Möglichkeit eines Zurückziehens auf die gesetzlich vorgegebeneGrundstruktur erhalten bleibt, werden die Beteiligten zur einver-nehmlichen Regelung der Angelegenheiten ermutigt, die sie an Ortund Stelle betreffen.

Die Betriebsverfassung muss endlich so ausgestaltet werden, dassdas Prinzip der Subsidiarität durchgehend berücksichtigt wird.

BESCHLEUNIGUNG VON MITBESTIMMUNGSVERFAHREN

WORUM GEHT ES?

Das Handlungsumfeld von Unternehmen und Betrieben verändertsich stetig. Sie sind einem erhöhten Entscheidungsdruck und ver-kürzten Entscheidungszeiten ausgesetzt. Kürzere Produktionszyklenund der sich stetig wandelnde Markt machen schnelle Entscheidun-gen und kürzere Zeiträume, um Entscheidungen zu verwirklichen,erforderlich.

DIE FAKTEN

Die betriebsverfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahren und Mecha-nismen verzögern vielfach unternehmerisch notwendige Maßnahmen.Gerade wenn es um Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmunggeht, über die zwischen den Betriebsparteien Uneinigkeit besteht,kann es zu langwierigen Verfahren kommen. Dabei ist festzustellen,dass dem Arbeitgeber zwingende Mitbestimmungsrechte taktisch mitdem Ziel entgegengesetzt werden, auf anderen Gebieten Forderun-gen durchzusetzen. Solchen Missbrauchsfällen hat die Betriebsver-fassung ebenso entgegenzutreten, wie sie Regelungen zur Durch-führung dringender Maßnahmen ermöglichen muss.

Ein mittelständisches Unternehmen schloss mit der IG-Metall imJahr 1998 einen Haustarifvertrag ab. Dieser machte eine neue Ein-gruppierung aller Arbeitnehmer erforderlich. In einem Gespräch mitdem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden des

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Betriebsrates legte der Arbeitgeber diesen eine Liste über die vorge-sehenen Eingruppierungen vor. Der Betriebsrat machte hierzu ver-schiedene Änderungsvorschläge, die vom Arbeitgeber auch berück-sichtigt wurden. Alle Arbeitnehmer sind dann nach den vorgenomme-nen Eingruppierungen vergütet worden.

Bei den nächsten Haustarifverhandlungen wurde eine Tarifer-höhung vereinbart, die mit den übertariflichen Zulagen in den oberenEntgeltgruppen verrechnet wurde. Der Betriebsrat war mit dieser Ver-rechnung nicht einverstanden. Ohne dass ein Zusammenhang be-stand, kündigte er daraufhin an, die Eingruppierung der Arbeitnehmerim Jahre 1998 gerichtlich überprüfen zu lassen. Sie sei nicht recht-mäßig erfolgt, da die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nichtgewahrt worden seien. Dieses Ansinnen war eindeutig darauf zurückzu führen, dass der Betriebsrat Druck ausüben wollte, um in der völlig sachfremden Angelegenheit der Verrechnung der übertarif-lichen Zulagen ein Zugeständnis des Arbeitgebers zu erwirken.

Ein internationales Unternehmen benutzt für seine Mitarbeiterein computergestütztes System, das dem Vorgesetzen ein aussage-kräftiges Leistungsbild der Mitarbeiter an die Hand gibt. Dieses kannwegen fehlender Zustimmung des Betriebsrates in Deutschland nichteingesetzt werden. Dadurch ist der Vorgesetzte gezwungen, die zurErstellung des Leistungsbildes des Mitarbeiters notwendigen Datenper Hand zusammen zu tragen. Unter dieser Vorgehensweise leidenEffizienz und Handhabbarkeit. Die unterschiedliche Behandlungs-weise ist besonders dann von Nachteil, wenn der betroffene Vorge-setze für seine übrigen Mitarbeiter die notwendigen Daten zusammen-hängend am Computer verarbeiten kann und nur für die deutschenMitarbeiter ein Extrasystem benutzen muss.

WAS IST ZU TUN?

Allgemeine Maßnahmen zur BeschleunigungEine erhebliche Beschleunigung der Mitbestimmungsverfahren kanndurch die Einführung von Fristen erreicht werden. Es muss sicher-gestellt werden, dass das Verfahren innerhalb eines Monats (sofernnicht die Einigungsstelle angerufen wird) abgeschlossen werdenkann. Wenn innerhalb dieser Frist weder eine Einigung der Betriebs-partner erzielt noch die Einigungsstelle angerufen wurde, darf derUnternehmer die Maßnahme wie geplant endgültig durchführen. Vondieser Frist werden alle Mitbestimmungstatbestände erfasst, so z. B.auch der Interessenausgleich bei Betriebsänderungen. Im Gesetz gibtes bereits Vorbilder für solche Fristenregelungen wie z. B. in § 102Abs. 3 BetrVG.

In bestimmten Fällen muss dem Arbeitgeber daneben eine vorläufigeRegelungsbefugnis zustehen, von der er bereits während der vier-wöchigen Frist bzw. während der Dauer des Einigungsstellenver-fahrens Gebrauch machen kann. Diese vorläufige Regelungsbefugnismuss dem Arbeitgeber immer dann eingeräumt werden, wenn drin-gende betriebliche Gründe vorliegen, z. B. in Eilfällen. Die Mitbe-stimmungsrechte des Betriebsrates werden durch eine solche Rege-lung nicht beschränkt, da eine Überprüfung durch die Einigungsstellemöglich ist. Bei einer abweichenden Entscheidung der Einigungs-stelle muss der Unternehmer die Maßnahme modifizieren und gege-benenfalls ganz zurücknehmen. Die Möglichkeit der vorläufigenDurchführung muss über personelle Einzelmaßnahmen hinaus auchbei anderen Mitbestimmungsrechten gegeben sein.

Neugestaltung des EinigungsstellenverfahrensDie Einigungsstelle und deren Entscheidungskompetenz wirdgemeinhin unter Berufung auf das Argument gerechtfertigt, dass eseines gesetzlich institutionalisierten Lösungsmechanismus bedarf, da

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der Betriebsrat aufgrund des betriebsverfassungsrechtlichen Kampf-verbots nicht in der Lage ist, Druck auf den Arbeitgeber auszuüben.Vor diesem Hintergrund erweist sich das Einigungsstellenverfahrenin seiner praktizierten Form als unzeitgemäß. Wir stehen für eineBetriebsverfassung, die auf Konsens angelegt ist. Die Einigungsstellesollte eine vermittelnde Funktion wahrnehmen und damit auch alsMediator dienen.

Wie die Praxis belegt, ist die Qualität eines Kompromisses nicht vonder Dauer der Verhandlungen abhängig. Vielmehr dient es den Inte-ressen von Belegschaft und Betriebsleitung, wenn innerhalb einerangemessenen Frist ein realisierbares Ergebnis erzielt wird. Dies er-fordert eine zeitliche Begrenzung des Einigungsstellenverfahrenssowohl im Hinblick auf die Bildung der Einigungsstelle wie auf dieDurchführung des Einigungsstellenverfahrens.

Ein zeitraubender Faktor der Praxis von Einigungsstellenverfahren istdie Bestellung des Einigungsstellenvorsitzenden. Hier sollten die Be-triebsparteien im Vorfeld eine Verfahrensordnung zur Bestimmungdes Einigungsstellenvorsitzenden und seiner Beisitzer festlegen. Fürden Fall, dass die Betriebsparteien keine Verfahrensordnung geschaf-fen haben oder sie sich nicht über eine solche einigen konnten, solltedie Bestimmung des Vorsitzenden nach einer von den Sozialpartnernaufgestellten und bei den Arbeitsgerichten zu führenden Liste er-folgen.

Es sollten zeitliche Grenzen für die Durchführung von Einigungs-stellenverfahren normiert werden. Anknüpfungspunkt hierfür könntedas bereits früher im BetrVG installierte Regelungsmodell über denVersuch des Interessenausgleichs sein. Ist das Einigungsstellenver-fahren durchgeführt oder die Frist hierfür abgelaufen, muss der Arbeitgeber zumindest zur vorläufigen Durchführung der von ihm an-visierten Maßnahme befugt sein.

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Schließlich muss eine Neuregelung des Einigungsstellenverfahrensauch die Kostenfrage für betriebsfremde, am Verfahren beteiligte Per-sonen, etwa durch eine moderate Vergütungsordnung, klären. Von derim Gesetz hierfür vorgesehenen Ermächtigung hat der Bundes-arbeitsminister aber bisher noch keinen Gebrauch gemacht.

Gesetzlich verankertes KoppelungsverbotIn einem ansonsten auf Privatautonomie angelegten Rechtssystemstellt es eine Besonderheit dar, wenn eine Vertragspartei, nämlichder Arbeitgeber, jedenfalls in den Fällen der erzwingbaren Mitbe-stimmung zur Einigung verpflichtet wird. Dies lässt sich nur recht-fertigen, wenn der Betriebsrat das ihm zustehende Mitbestim-mungsrecht sachbezogen und nicht unter Berücksichtigung takti-scher Erwägungen ausübt, um anderweitige Interessen durchzu-setzen. Um eine solche taktische Ausübung von Mitbestimmungs-rechten zu unterbinden, sollte ein sanktionsbewehrtes Koppelungs-verbot gesetzlich klargestellt werden.

In einer Chipfabrik blockierte der Betriebsrat über neun Monatedie Einführung der Gruppenarbeit. Er verlangte Abfindungszahlun-gen für entlassene Mitarbeiter, obwohl die Entlassung von Mit-arbeitern nichts mit der geplanten Gruppenarbeit zu tun hatte. DerFall musste von der Einigungsstelle entschieden werden.

Zur Durchsetzung eines gesetzlichen Koppelungsverbots sollte einVerfahren installiert werden, das unbeschadet etwaiger Einwendun-gen des Betriebsrats die Durchführung unternehmerischer Maß-nahmen ermöglicht, wenn die Einwendungen aufgrund der Koppelungverschiedener Sachmaterien als (offensichtlich) unbegründet anzu-sehen sind. Zur Sicherung seiner Rechte kann dem Betriebsrat danndas Recht auf zeitnahe arbeitsgerichtliche Überprüfung der durchge-führten unternehmerischen Maßnahme zugestanden werden.

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BELASTUNGEN FÜR MITTELSTANDSGEPRÄGTEUNTERNEHMEN

WORUM GEHT ES?

Der weitere Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung durch das am28. Juli 2001 in Kraft getretene »Gesetz zur Reform des Betriebs-verfassungsgesetzes« trifft besonders kleine und mittlere Unter-nehmen und Betriebe. Es schnürt sie in ihrer Eigenständigkeit undBewegungsfreiheit noch weiter ein. Im Ergebnis schwächt diesezusätzliche Regulierung den Standort Deutschland, behindert Investi-tionsentscheidungen und verhindert die Schaffung neuer Arbeits-plätze. Kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 100 bzw.500 Beschäftigten stellen in Deutschland mit Abstand die meistenArbeitsplätze. Sie machen im verarbeitenden Gewerbe wenigstensdrei Viertel aller Betriebe aus. Nur 4 % aller Unternehmen habenmehr als 500 Beschäftigte. Auf die gesamte deutsche Wirtschaftbezogen, d. h. einschließlich Landwirtschaft und Dienstleistungen,liegt der Anteil der »Kleinbetriebe« noch weit höher.

DIE FAKTEN

Vielfache Erschwernisse für kleine und mittlere UnternehmenIn Kleinbetrieben spielt sich die betriebliche Zusammenarbeit vor-wiegend auf der individuellen Ebene zwischen Arbeitnehmer undArbeitgeber ab; eine kollektive Interessenvertretung ist mit diesemBetriebsbild oft nicht vereinbar. Daher bedeutet die aufgezwungeneBetriebsverfassung für Klein- und Mittelunternehmen zusätzliche

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Belastungen. Insbesondere werden sie durch die kostenträchtigen und kom-plizierten Mitbestimmungsverfahren, z. B. bei der Betriebsänderung, orga-nisatorisch und finanziell überfordert.

Bisher waren laut Gesetzesbegründung der Betriebsverfassungsnovellemehr als 90 % der Betriebe mit 5 bis 20 Beschäftigten und fast drei Vier-tel der Betriebe mit 21 bis 100 Beschäftigten ohne Betriebsrat. Nach denVorstellungen des Gesetzgebers kann nun, unter anderem durch ein »ver-einfachtes« Wahlverfahren, ohne Rücksicht auf den Willen der Beleg-schaftsmehrheit die Errichtung eines Betriebsrates durchgesetzt werden.Dieser Gedanke berücksichtigt nicht, dass das Fehlen eines Betriebsrats indiesen Betrieben im Regelfall darauf beruht, dass die Beschäftigten eineVertretung durch einen Betriebsrat nicht wollen. Kleinere Betriebseinhei-ten sind überschaubar und lassen Anonymität nicht zu. Hier können undwollen Arbeitnehmer und Firmeninhaber persönlich miteinander umgehenund ihre Probleme – soweit es sie gibt – individuell lösen.

Hohe Kosten durch zusätzlichen VerwaltungsaufwandDer Gesetzgeber geht bei einer – zugegeben schwierigen – Schätzung voneiner künftigen Verdoppelung der Betriebsratsquote durch das neue Wahl-verfahren aus. Das bedeutet für die betroffenen Betriebe nicht nur dieKosten für die Gremien selbst, sondern daneben noch einen zusätzlichenVerwaltungs- und Managementaufwand. Personelle Kapazitäten müssenstärker mit einer »nichtproduktiven« Tätigkeit belastet werden. Dies verur-sacht zusätzliche indirekte Kosten.

4.

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Das ist angesichts der allseits unbestrittenen Notwendigkeit zurSenkung der Arbeitskosten kontraproduktiv. So können neue Arbeits-plätze nicht geschaffen werden!

Schaden für die Wirtschaftskraft kleiner und mittlerer UnternehmenDer Gesetzgeber erstreckt die betriebliche Mitbestimmung auch aufkleine und mittlere Unternehmen und verkennt damit die tatsäch-liche Interessenlage dieser Wirtschaftsbeteiligten.

Diese wurde in der Gesetzesbegründung zum neuen BetrVG zwar zu-treffend gewürdigt:

»Generell ergibt sich eine Entwicklung weg von zentralen Entschei-dungen hin zu Dezentralisierung, weg von großen Arbeitseinheitenhin zu Arbeitsgruppen und Teams mit weitgehenden Entscheidungs-befugnissen und weg von strengen Hierarchien hin zur Nutzung vonKreativität und Eigeninitiative.« Im Management wird dieser Vorgangmit »empowerment« bezeichnet. »Für diese neuen Organisations-formen hat sich das BetrVG als zu starr erwiesen.«

Aus dieser richtigen Beurteilung zog der Gesetzgeber allerdings lei-der grundlegend falsche Konsequenzen: Das den Arbeitnehmern aufdem Wege von der Industriegesellschaft hin zur Dienstleistungs- undInformationsgesellschaft zugewachsene Selbstverständnis wird durchdie Reform des Betriebsverfassungsgesetzes mißachtet statt unter-stützt. Die betrieblichen Entscheidungsprozesse werden durch Kol-lektivierung in kleinen und mittleren Unternehmen nicht verbessert,sondern verzögert, verteuert und erschwert.

Durch die Senkung der Schwellenwerte, insbesondere der Grenze von200 Arbeitnehmern für Freistellungen und die Vergrößerung der Be-triebsräte, entstehen für kleine und mittlere Unternehmen immenseKosten. Jeder freigestellte Betriebsrat kostet ein Unternehmen31.400 Euro ( = Höhe der durchschnittlichen Arbeitskosten inDeutschland, Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, Köln).

Neben der Senkung der Schwellenwerte bringt das neue Gesetz wei-tere Erschwernisse für Kleinbetriebe mit sich. Betriebsausschüssemüssen bereits ab 200 Beschäftigten gebildet werden. Auch per-sonelle Einzelmaßnahmen und Betriebsänderungen sind durch dieAusdehnung auf Unternehmen (früher: Betriebe) mit mehr als 20Beschäftigten zusätzlich mitbestimmungspflichtig.

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BetrVG-NOVELLE: ZUSÄTZLICHE MILLIARDEN-KOSTEN

bei Verdoppelung

des Anteils der Betriebe

mit Betriebsräten

auf 22 Prozent

bei Erhöhung des Anteils

der Betriebe mit

Betriebsräten auf

50 Prozent

Jährliche Kosten für die Betriebe durch die Neuregelung

des Betriebsverfassungsgesetzes in Millionen Euro

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, Köln

1.250Insgesamt

150

500600

1.950Insgesamt

1.300Vereinfachtes Wahlver-

fahren von Betriebsrätenin Betrieben mit bis zu

50 Mitarbeitern

500Aufstockungder Zahl derBetriebsräte

150Zusätzliche

Freistellung vonBetriebsräten

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WAS IST ZU TUN?

Um eine unverhältnismäßige Belastung des Mittelstandes durch diebetriebliche Mitbestimmung zu vermeiden, ist es dringend erforder-lich, die Schwellenwerte in allen Bereichen heraufzusetzen. Dies giltfür die Betriebsratsgröße und für die Freistellungen, ebenso wie fürdie Schwellenwerte bei den Mitbestimmungsverfahren und auch fürdie bürokratischen Erschwernisse durch schriftliche Begründungen,die jetzt bei verschiedenen Mitbestimmungsrechten eingeführtworden sind. Im übrigen sind sinnvollerweise Teilzeitarbeitnehmernur entsprechend ihrer Arbeitszeit bei der Berechnung der Schwellen-werte zu berücksichtigen.

Es besteht ein europäischer Konsens, dass kleine und mittlere Unter-nehmen eines besonderen Schutzes bedürfen. Die deutsche Mitbe-stimmung in ihrer jetzigen Ausprägung überfordert jedoch Unterneh-men sowohl in organisatorischer als auch in finanzieller Hinsicht.Darüber hinaus widerspricht sie dem Subsidiaritätssystem. Geradein kleinen und mittleren Unternehmen können die meisten Problemedurch individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeit-nehmer gelöst werden. Die in der Betriebsverfassung normierten Indi-vidualrechte sind hierfür eine adäquate Lösung.

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5. ARBEITSKAMPF

WORUM GEHT ES?

Deutschland ist auf wirtschaftlich tragbare und sozial ausgewogeneTarifregelungen angewiesen. Nur so können bei Wahrung des sozialenFriedens neue Arbeitsplätze entstehen. Voraussetzung für ausgewo-gene Vereinbarungen ist die Chancengleichheit beider Tarifparteien.Die in den Arbeitgeberverbänden organisierten Unternehmen müssensich darauf verlassen können, dass die Grundsätze des Arbeitskampf-rechts auch verwirklicht werden.

DIE FAKTEN

Die Idee des Arbeitskampfes ist, den Vertragspartner durch Zufügungvon Schaden zum Vertragsabschluss zu zwingen. Der Arbeitskampfdarf daher immer nur als letztes Mittel eingesetzt werden, also erstdann, wenn alle Möglichkeiten zur friedlichen Verständigung voll-ständig ausgeschöpft sind (ultima-ratio-Prinzip).

Dieses Prinzip wird aber mehr und mehr durchlöchert. Streiks, insbe-sondere die sogenannten »Warnstreiks«, drohen zum beliebigenDruckmittel zu werden. Nach Ablauf der Friedenspflicht werden siezum Teil verhandlungsbegleitend organisiert, so dass kaum noch einvernünftiger Dialog zu Stande kommt.

Das wiegt heutzutage doppelt schwer, weil die Unternehmen durchdie Globalisierung und die enge Vernetzung mit Kunden und Lieferan-ten streikanfälliger geworden sind. Durch Arbeitskämpfe entstehenunmittelbar beträchtliche Marktanteils- und Vertrauensverluste mitschwer wiegenden ökonomischen Folgen für Unternehmen, Arbeit-nehmer und Gesellschaft.

Page 14: Für ein beschäftigungsförderndes Mitbestimmungs- und Tarifrecht

WAS IST ZU TUN?

Das Streikrecht wird nicht in Frage gestellt. Es muss aber dem ultima-ratio-Prinzip wieder mehr Geltung verschafft werden. DerArbeitskampf darf nur allerletztes Mittel sein. So sollte es z. B. keinenArbeitskampf ohne vorherigen Schlichtungsversuch geben.

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Page 15: Für ein beschäftigungsförderndes Mitbestimmungs- und Tarifrecht

Bundesvereinigung

der Deutschen Arbeitgeberverbände

Breite Straße 29

10178 Berlin

Telefon +49.30.20 33-12 00

Telefax +49.30.20 33-12 05

E-Mail [email protected]

www.BDA-pro-job.de

August 2003

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BUNDESVEREINIGUNGder Deutschen Arbeitgeberverbände