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Ziel nicht erreicht Performance Management www.personalwirtschaft.de 17,50 G 21212 ISSN 0341-4698 Art.-Nr. 07720602 Personal wirtschaft 2016 Magazin für Human Resources Studie Karriereseiten | Employer Branding | Gesundheitsmanagement | Interview John Kotter 02

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Ziel nicht erreichtPerformance Management

www.personalwirtschaft.de17,50 € G 21212 ISSN 0341-4698Art.-Nr. 07720602

Personalwirtschaft 2016

Magazin für Human Resources

Studie Karriereseiten | Employer Branding | Gesundheitsmanagement | Interview John Kotter

02

Page 2: G 21212 ISSN 0341-4698 Art.-Nr ...€¦ · (44 Prozent) und Beförderungen (39 Pro-zent) nach wie vor maßgeblich von den im Rahmen von Performance Reviews ver-handelten und erzielten

TITEL Performance Management

Erste Unternehmen schaffen die jährlichen Zielvereinbarungen ab: zu aufwändig, zu inflexibel, zu rück-

wärtsgewandt. Statt punktueller Leistungsmessung ermitteln die Führungskräfte nun etwa im Liveblog,

was und wie ihre Mitarbeiter gerne arbeiten möchten und was die Firma dafür tun kann. Mitarbeiter

bewerten sich gegenseitig, kontinuierliches Feedback und größtmögliche Transparenz liegen im Trend.

Alles schön und gut – aber was wird aus der Leistungsbeurteilung?

Ein Hauch von schöner neuer Welt

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m Jahr 1995 beschrieben die britischenSozialwissenschaftler Richard Barbrook

und Andy Cameron in einem Aufsatz die„kalifornische Ideologie“: die Vermischungder menschenfreundlichen Hippiekultur mitder Technikgläubigkeit des Silicon Valleyund dem Ideal der freien Märkte. Damalsklang das futuristisch, heute ist es Alltagauf Facebook & Co. Und kaum ist die Gene-ration Y auf Entscheiderpositionen ange-kommen, kündigen US-Konzerne aus derweißwolkigen Digitalwelt an, das von US-Konzernen aus der schwarzöligen Automo-bilwelt erfundene Performance Management(PM) in die Tonne treten zu wollen: weg mitZielen, weg mit jährlichen Leistungsüber-prüfungen, weg mit daran gekoppelten Boni.Die neue kalifornische Ideologie: Befreit vomKorsett straffer Vorgaben sollen die Mitar-beiter atmen und ihre Fähigkeiten dort ein-setzen dürfen, wo sie es können und, vorallem, wollen.

Vom Output zum Input

Die kalifornisch inspirierte Personalentwick-lung beschränkt sich auf ein Maßnahmen-menü und generiert neue Datenpunkte, diein kurzen Intervallen Auskunft über dieLeistung und die Akzeptanz der Mitarbeitergeben. Nicht einmal im Jahr soll es Feed-back geben, sondern kontinuierlich. Als Son-den fungieren das Urteil der Kollegen undvor allem die direkten Vorgesetzen: Sie sol-len ihre Mitarbeiter einfühlsam und dialo-gisch enger als bisher getaktet auf die Spurbringen und dort halten. Rouven Fuchs, alsGeschäftsführer Talent & Organization vonAccenture Strategy ein Vorreiter des NewDeals, bringt es auf den Punkt: „Wir mana-gen eher den Input als den Output.“Das klingt partizipativ, demokratisch undgibt den allseits nachgefragten obersten zehnTalentprozenten das schöne Gefühl, sich ver-standen zu wissen. Entsprechend offensivbewirbt das Personalmarketing von Avant-gardisten wie Microsoft, Deloitte, Accen-ture, Netflix, Adobe, GAP und Juniper dieneue Freiheit. Der Chor der Begeistertenwächst. Allerdings hört man auch skepti-sche Stimmen. Stephan Amling, Senior VicePresident der SAP-HR-Tochter Success-

Factors, die IT-Lösungen für das klassischePM anbietet, hält den Trend in zweifacherHinsicht für eine Überreaktion: einerseits auf„das zu kleinteilige Performance Manage-ment der Vergangenheit“, andererseits auf„den brutalen Konkurrenzkampf in allenLebensbereichen“. Amling stellt die betriebs-wirtschaftliche Ratio gegen den Schmuse-kurs: „Unternehmen wollen Leistung, undum die festzustellen, braucht man effizien-te und transparente Mechanismen. Daranwird sich nichts ändern. Mitarbeiter müssenLeistungsunterschiede als Realität akzep-tieren, und Organisationen werden darausauch weiterhin individuelle PE-Entscheidun-gen ableiten“ (siehe Gastbeitrag ab Seite 26).Tatsächlich müsse ein nach Erfolg streben-des Unternehmen nicht nur Leistung mes-sen, sondern die Mitarbeiter wollten auchsehen, wo sie im Vergleich zu den Kollegenstehen, stimmt Karlheinz Schwuchow zu.Den Professor für Internationales Manage-ment an der Hochschule Bremen erinnert derHype an den Berufsalltag von Lehrern: „Leis-tungsmessung ist nicht leicht. Das Problemwird aber nicht dadurch gelöst, dass wir wiein der Schule sagen: Wir schaffen die Notenab.“ Er wirft den Personalern vor, sich an dieGeneration Facebook heranschleimen zuwollen: „Früher applaudierten alle Jack Welchvon General Motors. Heute zieht es sie in dieKuschelecke.“

Eins mit Sternchen

Wie die gleichzeitig ausgepolstert und dichtmit Sensoren bestückt ist, kann man beiAccenture besichtigen. Die Beratergesell-schaft mit 70 Prozent Gen-Y-Mitarbeiternstellt seit letztem Herbst auf „PerformanceAchievement“ um. Der Prozess startet bei derSelbsteinschätzung des Mitarbeiters undsetzt auf kontinuierlichen Dialog mit derFührungskraft. Es wird ebenso über Ergeb-nisse gesprochen wie über die Gründe,

warum ein Mitarbeiter sein Leistungspoten-zial vielleicht nicht ausgeschöpft hat. Wie imCoaching orientieren sich die Entwicklungs-gespräche an den Stärken.Die Ziele richten sich jetzt nicht mehr auf diezu einem Zeitpunkt zu erbringende Leis-tung, sondern auf die fachliche und persön-liche Entwicklung, also auf das Ausschöpfendes Leistungspotenzials. Der wichtigste Hebeldabei ist für Rouven Fuchs der Vorgesetzte.Motivatoren Nummer zwei und drei: „DerMitarbeiter sieht seinen Beitrag zum Unter-nehmenserfolg. Und er kann in den Berei-chen arbeiten, wo seine Stärken liegen.“Nach Ansicht von Toolherstellern und vonToolgläubigen erkennt man Stärken amApplaus. In einer Wissensdatenbank kannjeder Accenture-Mitarbeiter Charts, Studien,Analysen und Projektberichte einstellen,von denen er denkt, dass sie für Kollegen hilf-reich sind. „Jeder Mitarbeiter kann jedenKollegenbeitrag mit bis zu fünf Sternenbewerten und bekommt monatlich einenindividuellen Report namens ContributionSnapshot, in dem er sehen kann, wie oft sei-ne Beiträge aus der Datenbank herunterge-laden wurden und wie viele Sterne seineBeiträge bekommen haben“, sagt Fuchs.„Das gesammelte Feedback der Kollegen istein guter Näherungswert an Leistung undeiner von vielen Faktoren, die wir betrach-ten.“ All diese Daten sollen in ein Dash-board integriert werden, das zu jedem Zeit-punkt einen Überblick über die Beiträgeund deren Bewertung liefert.Heiko Fischer hat das mit seiner BerlinerFirma Resourceful Humans vorgemacht. Die„Sternenlandkarte“ seines Bewertungswerk-zeugs staRHs zeigt („in Echtzeit“), wer vonwem geschätzt werde und warum. „Wennman die Option nutzt, Boni dranzuhängen,werden sich Mitarbeiter in Zukunft zwei-mal überlegen, ob sie mit jemandem zusam-menarbeiten sollen, vom dem sie keine Wert-

I Stärke Teamplayer und stell keine Arschlöcher ein.Wenn du welche hast, schmeiß sie raus. Mitarbeiterhaben genug vom HR-Kulturgelaber, sie wollen dieRichtigen befördert und belohnt sehen.Heiko Fischer, Geschäftsführer, Resourceful Humans

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TITEL Performance Management

schätzung erfahren“, sagt er und verkündetdie Botschaft der Sternenlandkarte: „StärkeTeamplayer und stell keine Arschlöcher ein.Wenn du welche hast, schmeiß sie raus.“Fischer ist ein Freund klarer Worte: „Talk ischeap, show me action, heißt es in der Video-spielindustrie. Mitarbeiter haben genug vomHR-Kulturgelaber, sie wollen die Richtigenbefördert und belohnt sehen.“

Gen Y meets Digitalisierung

Auch deutsche Unternehmen fragen sichnun, ob mehr Demokratisierung in der Leis-

tungsbeurteilung auch mehr Agilität, mehrHandlungsfreiheit und mehr Motivationbringt. Und ob mehr Fürsorge des Chefsauch mehr Leistung bedeutet. „Die Unterneh-men müssen sich entscheiden, ob sie dasmachen wollen“, sagt Fischer: „Fühlen wiruns reif, da einiges an Geld hineinzupa-cken?“ Genau das wägt Fabian Kienbaumgerade ab. Der Juniorchef der Kienbaum-Unternehmensgruppe und Leiter des Berli-ner Standorts prüft gerade, „ob wir dieGesprächsintervalle kürzen sollen, ob wirdeutlich stärker qualitative Faktoren wie

Kooperationsquote, Fluktuationsquote, Ver-netzungsquote, Innovationsquote, Publika-tionsquote aufnehmen sollen.“ Zunächst wol-le man das im Kleinen testen und danacheventuell ausrollen. Er persönlich, so Kienbaum, sei davonüberzeugt, dass die Entwicklung dorthingehe, schon um Konflikte auszuräumen,weil die jetzigen Führungskräfte, „oftmalsAlphamenschen“, auf die wertegetriebe-nen Jungen treffen, die nach sinnvollerArbeit und Wertschätzung strebten. „DasThema steht in vielen Branchen auf dem

Es tut sich was – in kleinen SchrittenZahlreiche Beratungshäuser beschäftigensich aktuell mit der Veränderung und Ent-wicklung des Performance Managements(siehe auch Beitrag ab Seite 22), einesdavon ist Towers Watson. Die Berater habenjüngst 384 europäische Unternehmen ver-schiedener Größen und Branchen zum The-ma Performance Management befragt. Die Ergebnisse bestätigen unsere Recher-chen: Ja, es tut sich etwas im PerformanceManagement, doch von einem radikalenUmbruch kann noch keine Rede sein –die Entwicklung geht in kleinen Schritten

voran. „Die große Revolution im Perfor-mance Management ist ausgeblieben“,sagt Florian Frank, Leiter Rewards, Talentand Communication bei Towers Watson,„fundamentale Veränderungen gibt eskaum und lediglich fünf Prozent der Unter-nehmen haben ihre Programme gänzlicheingestellt.“ So hängen Short Term Incen-tives (65 Prozent), Gehaltserhöhungen(44 Prozent) und Beförderungen (39 Pro-zent) nach wie vor maßgeblich von den imRahmen von Performance Reviews ver-handelten und erzielten Ergebnissen ab,

ebenso wie der Zugang zu speziellen För-derungsmöglichkeiten (40 Prozent).Gleichwohl ändere sich, auch das decktsich mit unseren Recherchen, in vielenUnternehmen aktuell der Blick auf dasThema Performance. „Wir beobachten,dass mehr und mehr Unternehmen denFokus ihrer Performance-Management-Programme auf zukünftige Entwicklun-gen legen“, sagt Frank. Statt zu bewerten,was Mitarbeiter in der Vergangenheitgeleistet haben, orientiert nun mehr alsein Viertel der befragten Unternehmen

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Wo es beim Performance Management hakt:

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Das Topmanagement wird zur Leistungshebamme. Eine Umsatzvorgabe ist kein sinnstiftendes Ziel. Füh-rungskräfte dieser Couleur sind nicht zukunftstauglich.Dr. Bernd Blessin, Leiter Personal und Organisation, VPV Lebensversicherungs-AG

„Radar“, weiß Kienbaum, erkennt aberZurückhaltung in der Umsetzung. „WennNeues ausprobiert werden soll, wird esausgelagert. Die Firmen haben eine gesun-de Scheu davor, riesige Organisationen aufeinen Schlag umzustellen.“ Das stimmt.SAP überlegt, Siemens und die Telekomprobieren aus, ebenso andere, die abernoch nicht darüber sprechen wollen. Bosch-Sprecher Sven Kahn verrät nur, was manohnehin schon wusste: dass man den variab-len Teil der Vergütung von der individu-ellen Leistung ent- und an die des

Geschäftsbereichs und des Gesamtunter-nehmens ankoppeln will.Nach Schätzungen von Mercer-Berater Die-ter Kern strebt zwar nur ein kleiner Teil derUnternehmen revolutionäre Veränderungenbeim Performance Management an. Aberviele seien in der Research- und Meinungs-

bildungsphase. „Sicher ist“, behauptet Kern,„es verändert sich qualitativ etwas. Das Bildvom Mitarbeiter und das Verständnis vonFührung haben sich verändert. Geradeumworbenen Talenten mit viel Wahlfreiheitmüssen Unternehmen moderne Personal-führung und -instrumente anbieten, etwas,das auf Coaching, Kollaboration und Ent-wicklung abstellt.“ Gen Y meets Digitalisie-rung: Beobachten wir gerade den Versuch,die spielerischen Mechanismen der sozialenMedien auf das Arbeitsleben zu übertragen?„Ja“, sagt Fabian Kienbaum, „und das wirdnoch an Bedeutung gewinnen.“ Kurzfristiggehe es zweifelsohne um die Steigerung derArbeitgeberattraktivität. „Auf lange Sichtwird es spannend sein zu sehen, wie mandas, was man im Kleinen ausprobiert hat, ineine große Organisation transformierenkann.“

Weg von der Bonusbeschaffung

Start-ups und kleine Unternehmen tun sichda leichter. In Alsdorf bei Aachen entwi-ckeln und verkaufen die 150 Beschäftigtender Veda GmbH HR-Softwarelösungen. Brit-ta Redmann ist Director Human Resourcesund hat an den DGFP-„Thesen zu einem Per-formance Management der Zukunft“ mitge-schrieben. Veda hat die Ziele „CustomerFirst“ und „Profit“ in seinem PerformanceManagement abgebildet und die Fundamen-te der Leistungsmessung daraufhin umge-schichtet: „Uns ist es wichtig, dass die Mit-arbeiter Lust auf Innovation und immerwieder neue Ideen haben.“ Die festen Jahres-termine wurden durch anlassorientierteWunschgespräche ersetzt. „Die Teams selbstentscheiden über den Rhythmus“, erklärtRedmann. „Die Entwickler brauchen unterUmständen das tägliche Gespräch, der Buch-haltung reicht es vielleicht viermal im Jahr.Das entscheiden die Beteiligten allein. Inden Gesprächen geht es um die Ziele, um diepersönliche und fachliche Entwicklung, auch

(26 Prozent) das Performance Manage-ment an zukünftigen Zielen und Potenzialen ihrer Angestellten, weite-re 37 Prozent denken über eine solcheUmstellung nach. Ebenso richten immermehr Unternehmen ihre Programmean den vorhandenen Fähigkeiten derBelegschaften aus (23 Prozent) undstellen die Bewertungssysteme entspre-chend um (21 Prozent). Ein gutes Vier-tel der befragten Unternehmen hat neueTechnologien im Performance Manage-ment eingeführt (26 Prozent). Deutlich wird: Leistung zu definierenund zu beurteilen, transparent zu spie-geln und im Dialog immer wieder zujustieren, wird zu einer Königsdiszip-lin der Führung. Die Begriffe „Führen“,„Leisten“ und „Leben“ gehören in derTat so eng zusammen, wie der Titel von Fredmund Maliks Klassiker derManagementliteratur suggeriert – nurhaben sich ihre jeweiligen Bedeutungs-horizonte seit dessen Erstausgabe imJahr 2000 fundamental verschoben.Digitalisierung, Arbeit 4.0 und NewWork rütteln die Unternehmensweltdurch. Start-ups werden zum Sehn-suchtsort junger, gut ausgebildeter,mobiler Absolventen; alteingesesseneUnternehmen werden sich schlagartigihrer Trägheit bewusst, inmitten einer

Wirtschaft, die immer schneller taktet.Hektisch legen die CEOs der Industrie-tanker die Krawatten ab, um neben allden rasanten Techies aus dem SiliconValley nicht ganz so verstaubt zu wir-ken. Das ist klassische Symbolpolitik:geht schnell, ist werbewirksam, bringtnur leider nichts. Um erfolgreich und attraktiv zu sein,müssen Unternehmen heute mehr dennje wissen, was sie wollen. Und ebendas,was sie wollen, über Führung vorlebenund als Leistungsziel incentivieren.Das findet auch Towers-Watson-Exper-te Florian Frank: „Wenn zum BeispielInnovation die zentrale strategischeStoßrichtung darstellt, muss das Per-formance Management anders aufge-baut sein, als wenn Effizienz das obers-te Ziel ist.“ Dass das kleinen, wendigenUnternehmen leichter fällt als den gro-ßen Tankern, ist klar. Aber war es nichtstets die Gabe des Establishments, sichvom Gewusel des Neuen nicht großar-tig irritieren zu lassen? Da hat sichgrundsätzlich etwas verschoben: Heu-te werden die Großen nervös, wenn dieKleinen mucken. Weil sie wissen, dassdie ihre Karten „Führen“, „Leisten“ und„Leben“ schneller neu gemischt habenals bei ihnen ein Formblatt durch dieEbenen geht. (cl)

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TITEL Performance Management

aber um die soziale Komponente: Wie acht-sam gehen wir miteinander um?“ Man müs-se nicht alle Punkte täglich besprechen, aberjeder Mitarbeiter habe das Recht, jeden Tagum ein Gespräch mit seiner Führungskraftzu bitten. „Wenn es sinnvoll ist“, schränktRedmann ein, „und das entscheiden beide.“Harte Ziele setzt Veda nur noch da, wo siezweckmäßig sind. Beispiel: Fertigstellungeiner Software. „Die Führungskräfte müssenumdenken“, verlangt Redmann, „es erfor-dert mehr Eigeninitiative, sich an solch einemoffenen Prozess zu beteiligen. Und wir müs-sen immer wieder erklären, warum uns daswichtig ist.“ Und wie wird Leistung gemes-sen und vergütet? „Nach Gewinn, Kreativi-tät und der individuellen Passung zu unse-rem Miteinander. Der Bonus hängt vomFirmenergebnis ab.“

Kontrolle oder Freiheit?

Veda hat keinen Betriebsrat. Was wäre,wenn? Das würde sicher ein Stück schwie-riger, glaubt die Personalleiterin. Doch wennFirmenleitung und Sozialpartner an einemStrang ziehen, geht es auch: „Bei kreativarbeitenden Menschen müssen andere Para-meter zur Leistungsmessung gefunden wer-den“, sagt Bernd Blessin sehr bestimmt. Erleitet Personal und Organisation bei der VPVLebensversicherungs-AG in Stuttgart, dieunlängst den PM-Blickwinkel von messbarzu leistbar rejustiert hat. „Das Wollen habenwir schon ausgereizt, nun geht es um dasDürfen“, erklärt Blessin: „Brauchen wir mehrKontrollsysteme oder müssen wir mehr Frei-heit geben?“ Früher seien die Ziele von obengekommen, heute müsse von oben der Sinnder Arbeit vermittelt werden. „Das Topma-nagement wird zur Leistungshebamme. EineUmsatzvorgabe ist kein sinnstiftendes Ziel.Führungskräfte dieser Couleur sind nichtzukunftstauglich.“ Auch bei der VPV wur-de die Kopplung von Zielvereinbarung undBonus kürzlich aufgelöst. Die variable Ver-gütung hängt nur noch vom Gesamtergeb-nis ab, Jahresziele sind gestrichen. „Wir kön-nen auch kurzfristige Ziele diskutieren undvereinbaren. Wenn ein Mitarbeiter ein Pro-dukt oder eine Marketingkampagne entwi-ckeln soll, dabei aber feststellt, dass das nicht

sinnvoll ist, erhalten wir nun eine ehrlicheRückmeldung und können umsteuern.“ Bles-sin fasst zusammen: „Es geht nicht mehrum Bonusbeschaffung, sondern um unter-nehmerisches Handeln.“

Konformität per Schnappschuss

Das wollen Arbeitgeber jetzt schneller her-vorkitzeln und nicht erst im Jahr danachbewiesen sehen. Bei Deloitte in den USAgeben Führungskräfte ihren Mitarbeiternjede Woche, alle 14 Tage oder jeden MonatFeedback. „Dabei wird nicht nur gemessen,was erreicht wurde, sondern auch, wie eserreicht wurde“, beschreibt Udo Bohdal-Spiegelhoff, Partner im Bereich HR-Bera-tung. „Und es gibt eine direkte Verknüp-fung mit der Personalentwicklung.“ EinBeispiel für solch ein „Weekly Check-in“:Am Montagvormittag telefoniert oder sprichtdie Führungskraft persönlich mit jedemihrer Mitarbeiter, meist in Einzelgesprächen.Was haben wir aus der letzten Wochegelernt? Hat sich bei der Zielsetzung oderbeim Unternehmen etwas verändert, daswir berücksichtigen sollten? „Der Mitarbei-ter bekommt sofort konkrete Vorschläge,worauf er sich in der vor ihm liegendenWoche konzentrieren sollte.“ Außerdemmacht das Unternehmen mehrmals im JahrMomentaufnahmen von der erbrachten Leis-tung („Performance Snapshots“): „Jede Füh-rungskraft bekommt einen Fragebogen, gibtdie Daten je Mitarbeiter ein, und die fließenin unserem System zusammen.“ Bei der Ver-gütung bleibe einstweilen alles beim Alten,also Vergütung nach individueller Zielvor-gabe und -erreichung. „Aber das kann sichändern“, sagt Bohdal-Spiegelhoff. „Wennman direkt die Leistung eines Mitarbeiterserkennen kann, kann man auch die Vergü-tungskomponente anders gestalten. Mankann zum Beispiel in einem Jahr die Grund-vergütung steigern oder den Bonus erhö-hen. Wir gewinnen an leistungsbezogener

Flexibilität.“ Das neue PM wurde 2013 inden USA, Kanada und Südamerika einge-führt. In den größten europäischen Bera-tungsmärkten England, Niederlande, Bel-gien wird über seine Einführung diskutiert.„In Deutschland steht es für das Geschäfts-jahr 2016/17 noch nicht auf der Agenda“, sagtder Deloitte-Partner. Die Begründung lässtaufhorchen: „Bei rund 5000 Mitarbeiternist die Belastung der Führungskräfte nochnicht so hoch wie zum Beispiel in den USA.“Auch SAP hat in den letzten Jahren an sei-nem Performance-Management-Prozessgeschraubt. „Wir prüfen in unseren jährli-chen Zielgesprächen nicht mehr nur dasErgebnis, sondern fragen auch, wie es zustan-de gekommen ist“, sagt Stephan Amling.„Danach bemisst sich der Bonus, daran ori-entiert sich die Personalentwicklung.“ Aktu-ell werde über weitere Veränderungen nach-gedacht. Amling hält eine Modernisierungfür notwendig. Aber sie müsse behutsamvor sich gehen und dürfe nicht das Ziel ausden Augen verlieren. „Ich bin ein hundert-prozentiger Verfechter des regelmäßigenFeedbacks, aber all das muss immer nochzu einem belastbaren, objektivierten undfür den Mitarbeiter nachvollziehbaren Ergeb-nis als Grundlage weiterführender Vergü-tungs- oder Entwicklungsentscheidungenführen.“ Karlheinz Schwuchow ist nicht nur Profes-sor, sondern auch Pragmatiker. Wie Amlingist er skeptisch, ob sich die neue kaliforni-sche Ideologie auf breiter Front durchsetzt.„Jedes System der Leistungsmessung führtzu konformem Verhalten“, sagt Schwuchow.„Wenn ich bestimmte Dinge belohne, werdeich genau die erzeugen.“ Sprintermentalität.Kontakt- und Vernetzungsfreude. Extraver-sion. Viele Freunde im Betrieb. „Und wo“,bohrt er nach, „steht am Ende, was jemandkonkret geleistet hat?“

Christine Demmer, freie Journalistin, Värnamo (Schweden)

Jedes System der Leistungsmessung führt zu konformem Verhalten. Wenn ich bestimmte Dingebelohne, werde ich genau die erzeugen.Prof. Dr. Karlheinz Schwuchow, Professor für Internationales Management, Hochschule Bremen

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Personalwirtschaft: Frau Remdisch,Sie definieren den Begriff „Perfor-mance Management“ breiter als üblich.Was bedeutet Performance Manage-ment für Sie?Remdisch: Es umfasst zum einen die Per-formance der Organisation, also denBereich Zahlen und Prozessoptimierung.Zum zweiten betrifft es die Human Per-formance, die danach fragt, wie man Inter-aktion, Führung und Unternehmens-kultur verbessern kann. Hinzu kommtdrittens die persönliche Performance,also das Ausschöpfen des individuellenLeistungspotenzials. Performance Ma-nagement muss ganzheitlich betrachtetwerden und an allen drei Aspekten anset-zen.

Aber wie wird die Leistung in allendrei Ausprägungen gemessen?Dafür können wir in der modernen digi-talen Arbeitswelt immer stärker auf BigData, also auf in der Organisation syste-

matisch erfasste Daten, zurückgreifenund diese mit klassischen Instrumentenwie Fragebögen kombinieren.

Das klingt sehr amerikanisch. DieBetriebsräte in Deutschland sehen daskritisch.Big Data vielleicht, aber meine weitergefasste Definition von PerformanceManagement ist eher unamerikanisch.Die Amerikaner denken beim Thema Per-formance viel stärker an Zahlen und Kenn-ziffern, also vorrangig an die betriebs-wirtschaftliche Perspektive. Bei unskommen Human und Personal Perfor-mance dazu. Bei Big Data kommt es daraufan, wie man die vorhandenen Daten ver-wendet und welche Philosophie hinterdem Einsatz der elektronischen Erhe-bungstools und der Datennutzung steckt.Will man Mitarbeitern Feedback gebenund sie dadurch entwickeln oder dienendie Daten der Kontrolle? Das hängt auchstark von der jeweiligen Unternehmens-

kultur ab. Wenn man davon ausgeht, dassjeder Mitarbeiter gerne in seinem Jobarbeitet und zeigen will, was er kann, alsonach Performance strebt und für Feed-back und Unterstützung dankbar ist, dannkann der Betriebsrat eigentlich nichtsdagegen haben. Wenn man die Datenallein oder vorrangig zu Kontrollzweckennutzt, verstehe ich den Widerstand.

Welcher der drei Hebel des Perfor-mance Managements wird künftigwichtiger?Die Aufgabe des Human PerformanceManagements, Mitarbeitende in jederHinsicht und im besten Sinne für dasUnternehmen zu begeistern und zur Leis-tung zu motivieren, ist ein entscheiden-der Wettbewerbsfaktor, und diesergewinnt im digitalen Zeitalter an Bedeu-tung. In der virtuellen Welt wird esschwieriger, ein Zusammengehörigkeits-gefühl zu schaffen und eine verbindendeUnternehmenskultur aufzubauen. Hierkönnen Instrumente des Human Perfor-mance Managements unterstützen.

Sollten Sie Ihrer Interpretation des Per-formance Managements dann zwecks

„Performance Management istBeziehungsmanagement“Sabine Remdisch leitet das Institut für Performance Management an

der Leuphana Universität Lüneburg und forscht als Gastwissenschaftlerin

in Stanford zum Thema Führung in einer digitalen Arbeitswelt. Sie plädiert

für eine breitere Auffassung des Themas Performance Management, mit

besonderer Verantwortung bei der direkten Führungskraft.

Sabine Remdisch, Professorin für Personal- und Organisationspsychologie, Leuphana Universität Lüneburg

Rein quantitatives Feedback reicht nicht aus. Es mussimmer auch mit qualitativem Feedback, mit konkreten Hinweisen zur Handlungsoptimierung gekoppelt sein.

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besserer Unterscheidung zu den alt-bekannten Modellen nicht einen ande-ren Namen geben? Wie wäre es mit„Collaboration Management“ oder „Per-formance Achievement“?Performance Management ist schon einguter Ausdruck, der es trifft. Man mussihn nur ganzheitlich begreifen.

Dennoch: Wenn Mitarbeiter die Erfolgs-beiträge ihrer Kollegen mit Sternchenbewerten sollen, erinnert das an dieGrundschule, wo Lehrer kleine Sonnenoder Käfer ins Aufgabenheft malen unddamit mehr oder weniger Lob verteilen.Sicher enthält das moderne PerformanceManagement spielerische Elemente, kom-biniert mit digitalem Feedback. Es gehtin eine Richtung, die in die gegenwärti-ge Arbeitswelt passt und akzeptiert ist, dasie bekannte Elemente aus dem digita-len Alltagsleben aufgreift. Ich denke aber,dass rein quantitatives Feedback nichtausreicht. Es muss immer auch mit qua-litativem Feedback, mit konkreten Hinwei-sen zur Handlungsoptimierung gekop-pelt sein.

Wenn sich die Mitarbeiter gegenseitigbeobachten und bewerten: Welche Rol-le spielt dann noch die Führungskraft?Sie ist ein wichtiger Entwicklungshelferund Feedback-Geber. Für unsere aktuel-le Studie zum Thema Arbeiten und Füh-ren in einer vernetzten Welt haben wirinnovative Pioniere, überwiegend Start-ups, befragt. Danach haben wir fünf Schal-ter identifiziert, die man in einer moder-nen, digital vernetzten Arbeitsweltumlegen muss, damit die Leistungsfähig-keit gesichert ist und Unternehmen auchfür die neuen Mitarbeitergenerationenattraktiv sind: der Arbeitsplatz, die Zusam-menarbeit, das Verantwortungsgefühl,die Führung und die Kultur. MancheUnternehmen sind hier schon weit vorn.

Welche Handlungshinweise ergebensich daraus für die Führungspraxis? In einer „always on“-Arbeitskultur müs-sen die Führungskräfte erstens stark auf

ihre eigene und die Gesundheit ihrer Mit-arbeiter achten. Sonst besteht die Gefahr,dass sie ausbrennen und die Work-Learn-Life-Integration nicht mehr gelingt. Außer-dem müssen sie den Aufbau digitalerArbeitskulturen unterstützen. Heute undmehr noch in Zukunft geht es um dasWir, nicht mehr um das Ich. Wir teilenDaten in der Cloud, entwickeln kreativeIdeen gemeinsam in Mindmapping-Tools,diskutieren über Videokonferenzsyste-me und organisieren unser Wissen inWikis. Drittens muss die FührungskraftMitarbeiter stark machen im Netzwerk.Sie muss ihr Team mit Informationen ver-sorgen und mit den richtigen Menschenvernetzen. Viertens: Bei der Führung aufDistanz liegt die Herausforderung darin,auch ohne Face-to-face-Kontakt Vertrau-ensbereitschaft zu zeigen, Mitarbeiten-de an Entscheidungen zu beteiligen undsensibel zu sein für die Bedürfnisse derMitarbeitenden, auch wenn diese an an-deren Standorten eingesetzt sind. Undschließlich brauchen wir eine Innovations-kultur. Hier spielen Führungskräfte einebesonders wichtige Rolle. Sie haben für ein innovationsfreundliches KlimaSorge zu tragen, das zu kreativem Han-deln und disruptivem Denken motiviert.Zusammengefasst: Führungskräfte sindder Schlüssel zur Mitarbeiter-Perfor-mance. Sie sollten die Treiber einer moder-nen Führungskultur sein.

Das neue Performance Managementklingt leicht, locker, spielerisch. Gucktnoch jemand auf die Leistung, die amEnde des Tages herauskommt?Aufbau und Entwicklung einer engagier-ten, erfolgreichen Belegschaft erforderneine Kombination verschiedener Aspek-te des Human Performance Managements,die alle die Beziehungsebene in der Arbeitstark betonen: soziale Unterstützung amArbeitsplatz, Kommunikationskultur, Wei-

terbildung und Entwicklungsoptionen.Performance Management ist Beziehungs-management.

Um die Talente bei Laune zu halten?Damit sie rund um die Uhr spielarbei-ten?In der Tat arbeiten wir heute anders alsfrüher, örtlich und zeitlich flexibel, Arbeitund Leben verschmelzen. Die neuen For-men des Arbeitens – Entgrenzung derArbeit, permanente Verfügbarkeit unduneingeschränkte Sichtbarkeit – bringenerhöhten Druck mit sich und die Gefahrder Selbstausbeutung. Deshalb müssenFührungskräfte für eine gesunde Füh-rung sorgen.

Sehen Sie darin keinen Widerspruch?Erfolgreiche Führungskräfte sind guteVorbilder im Umgang mit der eigenenGesundheit, leben gesundes Arbeitsver-halten vor und leiten zu gesundemArbeitsverhalten an. Sie zeigen, wie Mit-arbeiter den Möglichkeitsraum, den wirheute in der modernen Arbeitswelt haben,sinnvoll und „gesund“ gestalten können.

Dieser Möglichkeitsraum steht aller-dings nur einer Minderheit von Arbeit-nehmern offen. Muss sich das Perfor-mance Management nicht an allerichten?Die moderne Arbeitswelt fordert eine fle-xible Arbeitsorganisation als Grundvo-raussetzung für agile Strukturen und dieAnpassungsfähigkeit von Unternehmen.Diese örtliche und zeitliche Flexibilitätin der Arbeit haben wir vorrangig bei densogenannten „Wissensarbeitern“. Beigetakteter Fließbandarbeit sieht das heu-te noch anders aus. Aber generell gilt:Wer die Flexibilisierung von Arbeitszeitund -ort erfolgreich betreiben will, musseine echte Vertrauenskultur aufbauen.

Das Interview führte Christine Demmer.

Führungskräfte sind der Schlüssel zur Mitarbeiter-Performance. Sie sollten die Treiber einer modernenFührungskultur sein.

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n den meisten Unternehmen geschiehtdie Honorierung individueller Leistun-

gen über Bonusmodelle, die als Bestandteildes monatlichen Entgelts, als Prämie füreine Jahresleistung oder anlassbezogen alsSonderzahlungen ausgezahlt werden. Fürtarifliche Mitarbeiter ist die Festlegung derindividuellen Leistungskomponente häufigin Tarif- und Betriebsvereinbarungen gere-gelt. Im AT-Bereich und für leitende Ange-stellte gelten in der Regel firmenspezifi-sche Modelle. Daneben werden meist auchkollektive Bestandteile für den Gesamter-folg einer Organisation gewährt, wie zumBeispiel eine Erfolgsbeteiligung.In der Praxis wird Leistung oft in zweiKomponenten unterschieden: die Errei-chung vereinbarter Ziele und die Bewertungbestimmter Leistungs- und/oder Verhal-tensmerkmale. Diese Komponenten wer-den auch als „Was“ und „Wie“ bezeichnet.

Dilemmata der Zielvereinbarungen

Bei Zielvereinbarungen besteht das Dilem-ma darin, dass Zukunft schlecht vorher-sehbar ist. Ziele, die zu Beginn eines Jah-res erreichbar scheinen, erweisen sich imweiteren Verlauf trotz größter Anstrengungals unerreichbar, während andere einemfast in den Schoß fallen. Die Gründe sind

wie immer vielfältig, liegen aber häufigauch außerhalb der Einflussmöglichkeitendes Stelleninhabers. Was tun? Die Ziele unterjährig anpassen –und in beide Richtungen? In einem Fallwird der Mitarbeiter freudig zustimmen, imanderen sich heftig wehren. Wenn dannnicht nur die 100-Prozent-Zielerreichung,sondern auch die Über- und Unterschrei-tung quantitativ fixiert werden, sind dieBeteiligten vollends im System gefangen –und eine Seite meist unzufrieden. Hinzukommt, dass auch die Zielanspannungenzwischen Führungskräften selten ein iden-tisches Niveau haben. Die einen sind eherambitioniert und fordernd, die andereneher bescheiden und verständnisvoll. Auchunterjährige Gespräche zur Zielerreichunghelfen kaum weiter, zumal sie zusätzlichenAufwand für ohnehin häufig überlasteteFührungskräfte hervorrufen. Am Endehaben sich alle bemüht, hohen Aufwandbetrieben, sind aber von dem Ergebnismehr oder weniger enttäuscht.Auch bei der Beurteilung von Leistungskri-terien sieht das Bild nicht besser aus. Diemeisten Unternehmen beklagen die soge-nannte „Rechtsschiefe“. Damit ist die Ver-lagerung der um den Mittelwert erwarte-ten Normalverteilung auf die positive Seite

gemeint (siehe Abbildung). Außerdem sinddie Bewertungen nicht nur zu positiv, son-dern sie differenzieren auch zu wenig.

Ursachen der Rechtsschiefe

Die Ursachen für die skizzierte Rechtsver-schiebung liegen darin begründet, dasssich die meisten Menschen als überdurch-schnittlich gut einschätzen. Zumindest ver-suchen sie, bei einer entgeltrelevantenBeurteilung aus taktischen Gründen diesenEindruck zu erwecken. Die Aufgabe derFührungskraft ist es, dieses Selbstbild mitder Realität abzugleichen und eventuellauch zu korrigieren. Dies ist erstens sach-lich nicht einfach und zweitens für die aller-meisten auch kein Vergnügen.Es ist sachlich nicht einfach, weil mensch-liches Verhalten sehr komplex ist und durchKriterienbeschreibungen nur unzureichendabgebildet wird. Eine absolute, beweisba-re Bewertung ist kaum möglich, und Füh-rungskräfte – wie alle Menschen – bewer-ten erfahrungsgemäß eher gesamthaft, aufGrundlage ihrer persönlichen Erwartun-gen und in Relation zu Vergleichsperso-nen. Die häufig geforderte kontinuierlicheDokumentation positiver und kritischerLeistungs- und Verhaltensbeispiele vonMitarbeitern als Argumentationshilfen für

KonstruktionsfehlervermeidenMonetäre Leistungsdifferenzierung ist eine unvermeidbare

Aufgabe von Führungskräften und Personalmanagern. Doch

lohnt sich der Aufwand, den Unternehmen in ihre Bonusmodelle

stecken? Die Analyse aus Sicht eines Vergütungsberaters.

TITEL Performance Management

I

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das Mitarbeitergespräch wird in der Pra-xis selten realisiert. Außerdem bleibt auchsie punktuell und stets durch das vorhergefasste Gesamturteil determiniert. Maßnahmen, um dieser unbefriedigendenSituation beizukommen, richten sich zumeinen auf die Beurteiler, zum anderen aufdas Verfahren. Schulungen für Vorgesetz-te sind meist der erste Vorschlag, und dieAktivitäten beziehen sich auf Unterstüt-zung bei der Formulierung von angemes-senen Zielvereinbarungen, Trainings zumErkennen von Leistungsunterschiedensowie auf Techniken der Gesprächsfüh-rung. Das ist wichtig und hilfreich, beiohnehin guten Führungskräften meisterfolgreicher als bei den schwachen, löstaber das Grundproblem nicht.Eine weitere Detaillierung der Beurtei-lungskriterien in Richtung beobachtbarenVerhaltens bedeutet einen unverhältnis-mäßig hohen Aufwand, da sie für Jobfami-lien und -ebenen jeweils unterschiedlichgestaltet werden müssten und die Komple-xität weiter erhöhen. In der Praxis wirddaher zunehmend auf einfachere Verfah-ren und Systeme gesetzt. Die Durchfüh-rung von Kalibrierungsrunden, in denen

Führungskräfte eines Organisationsbe-reichs die Beurteilungen ihrer Mitarbeiterdiskutieren und im Quervergleich abstim-men, wird inzwischen zunehmend prakti-ziert und als tragfähiger Lösungsweg gese-hen, die Beurteilungsgerechtigkeit deutlichzu erhöhen. Allerdings müssen diese Panelsvor den Gesprächen mit den Mitarbeiternterminiert werden und verlängern dengesamten Prozess. Zur Verminderung desAufwands kann geprüft werden, sie mitinhaltlich angrenzenden, im Jahresverlaufstattfindenden Meetings, zum BeispielGehaltserhöhungsrunden oder TalentReviews, zu kombinieren.

Umstrittene Verteilungsvorgaben

Ein weiterer Weg, die Rechtsverschiebungzu vermeiden, eröffnet sich durch die Vor-gabe anzustrebender Verteilungen (ForcedRanking oder Recommended Distributi-on). Strikte Verteilungsvorgaben sind aller-dings mit erheblichen Rechts- und Repu-tationsrisiken behaftet, was wahrscheinlichauch der Grund für die eher geringe Ver-breitung ist. So nutzt beispielsweise nuretwas mehr als ein Drittel der MDAX-Unter-nehmen diese Praxis.

Verteilungsvorgaben für die Performance-Bewertung wirken zudem nur bei krite-riengestützten Beurteilungen. Bei Zielver-einbarungen widersprechen sie derenKonstruktionsprinzip. Hier sind zur Kos-tensteuerung Pool-Modelle vorstellbar, beidenen sich der Wert der individuellen Ziel-erreichungen aus einem nach der Gesamt-performance festgelegten Topf ergibt. Damitwird die Frage, wie viel insgesamt ausge-geben werden soll, deutlich von der Frage,wer wie viel davon erhält, getrennt.Um der Falle der rechenbaren, im Einzel-fall oft ungerechten Bewertungen zu entgehen, bietet sich an, nur das 100-Pro-zent-Ziel zu definieren und positive odernegative Abweichungen der Entscheidungdes Vorgesetzten zu überlassen. Allerdingssollte auch hier ein Budget definiert wer-den, damit letztlich nicht nur die unterenBewertungen angehoben werden und derDurchschnitt sich weiter erhöht.

Mehr Entscheidungsspielraum für Führungskräfte

Die verfahrensbezogenen Anregungen lau-fen alle auf eine Grundsatzentscheidunghinaus: stärkere Quantifizierung und

Abweichung Ist- zu Zielperformance 2014 Abbildung

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Ein Großteil der Boniauszahlungen basiert auf Zielerreichungswerten, die über 100 Prozent liegen. Von einer Normalverteilung istalso keine Spur. Diese „Rechtsschiefe“ scheint sich seit Jahren zu verfestigen.

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TITEL Performance Management

Rechenbarkeit oder mehr subjektiver Ent-scheidungsspielraum für Führungskräfte.Nach vielen Jahren der Bemühungen umeine stärkere Objektivierung scheint hierdas Pendel zu mehr diskretionärem Ermes-sen von Vorgesetzten zurückzuschwingen. Führungskräfte können üblicherweise dieLeistungsniveaus ihrer Mitarbeiter rechtgut einschätzen und sie zumindest in eineRangfolge bringen. Außerdem schwankendiese Niveaus jährlich nicht sehr stark,sondern entwickeln sich bestenfalls län-gerfristig. Warum also nicht Zielerreichun-gen mit einem Anpassungsfaktor verse-hen, der nicht arithmetisch, sondernsummarisch in der Beurteilung festgelegtwird? Oder warum nicht auf Basis einerqualitativen Bewertung von Zielerreichungund Leistungsverhalten eine Zuordnungzu vorgegebenen Leistungsklassen mitunterschiedlichen monetären Konsequen-zen vornehmen? Letztlich sind dies Vor-schläge zu einem gröberen Raster in derindividuellen Performance-Beurteilung,die den Aufwand vermindern und den Nut-zen im Interesse einer größeren Differen-zierung erhöhen würden.

Abschaffung des individuellen Bonus?

In der letzten Zeit haben einige Unterneh-men sich entschieden, den individuellenLeistungsbonus abzuschaffen. Das Volu-men der individuellen Bestandteile (Ziel-erreichung und/oder Leistungsbeurteilung)wird dabei vollständig oder teilweise ent-weder in die Grundvergütung integriertund/oder den kollektiven Komponentenzugeschlagen. Damit wird der Bonus zueinem reinen Profit Sharing. Der Aufwandfür die finanzielle Seite des Performance-Prozesses wird fast vollständig eliminiert.Aber ist eine Eliminierung des individuel-len Leistungsbonus wirklich zielführend?Angesichts des menschlichen Wunsches,sich zu differenzieren und auch eine mone-täre Anerkennung für gezeigte Leistungenzu erhalten, wird allein ein wohlfeiles Lobdurch den Vorgesetzten vielen Mitarbei-tern nicht reichen. Ist die individuelle Leis-tung nicht mehr im Bonus abgebildet, musssich die weiterhin bestehende Anforderung

der Leistungsdifferenzierung umso mehrauf die jährlichen Gehaltsanpassungen ver-lagern. Im Grundgehalt sind dann nichtnur die Stellenwertigkeit, die Erfahrung, daslängerfristige Leistungsniveau und mögli-cherweise auch das Potenzial zu berück-sichtigen, sondern auch noch jahresbezo-gene Leistungen. Der Spielraum imRahmen der jährlich freigegebenen Budgetsmuss also deutlich stärker als bishergenutzt werden, weil sonst die Gefahrbesteht, Leistungsträger zu verlieren. Dieser Ansatz scheint aus mindestenseinem praktischen und einem systemati-schen Grund bedenkenswert: Erstens istdurch die Vielzahl der zu beachtenden Faktoren eine kaum beherrschbare Über-determinierung der Entgeltrunden zubefürchten. Zweitens ist es entgeltpolitischnicht sinnvoll, temporäre Leistungen allzustark im Grundentgelt abzubilden. Hinzukommt die Erfahrung, dass bereits bisherSpielräume zur Differenzierung beiGehaltserhöhungen von den Vorgesetztenmeist nur ungenügend genutzt wurden.Es bestehen daher Zweifel, ob sich hierzukünftig ein grundsätzlich anderes Bildzeigen wird. Der Vorteil dieser radikalen Lösung liegtneben der Aufwandsreduzierung in derEntkopplung der Leistungsrückmeldungvon finanziellen Konsequenzen und ihrermöglichen, stärkeren Verbindung mit Ent-wicklungs- und Potenzialgesprächen. Leis-tung kann offener besprochen werden,sowohl im Positiven als auch bei kritischenAnmerkungen. Die Währung der Anerken-nung muss nicht immer nur Geld sein, undKritik lässt sich möglicherweise leichterakzeptieren, wenn nicht sofort finanzielleEinbußen drohen.Außerdem werden Vergütungsentschei-dungen bei AT-Mitarbeitern wieder stärker in die Verantwortung der Führungs-kräfte zurückgeholt, anstatt sie mathema-tischen Bonusformeln zu überlassen. Esbesteht allerdings die Gefahr, dass Zielver-einbarungen und Leistungsbeurteilungenohne Vergütungskonsequenzen nicht vonallen Vorgesetzten mit der Sorgfalt betrie-ben werden wie zuvor. Da beide Elemente

jedoch für den Erfolg des Unternehmens alsunverzichtbar betrachtet werden, stellt diesdie eigentliche Herausforderung dar.

Mehrere Wege nach Rom

Am Markt lässt sich derzeit überraschen-derweise zweierlei parallel beobachten:Unternehmen, die nach vielen Jahren mitder individuellen Leistungskomponente inihrem Bonussystem unzufrieden sind, wol-len sie abschaffen. Andere Unternehmen,deren Modell bisher nur aus kollektiven Ele-menten bestand, wollen sie einführen. Nach vielen Gesprächen mit HR-Verant-wortlichen und Führungskräften scheinenfolgende Handlungsempfehlungen sinn-voll: Sofern die individuelle Bonuskompo-nente bewahrt wird, sollte man sie „entfei-nern“: Es braucht weniger mathematischeFormeln, gröbere Abstufungen, verantwort-liches Beurteilen statt schein-objektiverMessungen, mehr diskretionären Entschei-dungsspielraum für Vorgesetzte bei einemgleichzeitig höheren Verpflichtungsgradvon Verteilungsvorgaben.Entscheidet sich ein Unternehmen für dieAbschaffung der individuellen Bonuskom-ponente, sollten alternative Differenzie-rungsformen verankert werden: Steuerungder Entgeltrunden, Definition der relevan-ten Entscheidungsparameter, Zwang zurStreuung bei den Bewertungen, Einfüh-rung von Kalibrierungspanels, Budgetsund Verteilungsregeln für leistungsbezoge-ne Sonderzahlungen, stärkere Koppelungvon Leistungs- und Potenzialeinschätzungmit Entwicklungsmaßnahmen, Karriere-plänen und Stellenbesetzungen. Welcher Weg der richtige ist, muss jedesUnternehmen vor dem Hintergrund sei-ner Kultur selbst beantworten.

Autor

Carsten Schlichting, Partner, hkp/// group, Frankfurt,[email protected]

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ntlang des gesamten Talentzyklusmachen Unternehmen Unterschiede

zwischen Mitarbeitern: Auf Basis vonLeistungseinschätzungen werden man-che Kandidaten eingestellt, andere nicht;manche Mitarbeiter erhalten eine Beför-derung, andere nicht; ausgewählte Mitar-beiter bekommen eine Gehaltserhöhung,andere nicht. Wenn Unternehmen solcheEntscheidungen treffen, liegt diesenzumindest eine implizite Leistungsfest-stellung gemäß mehr oder minder klardefinierten Kriterien („Rating“) sowieeine Reihenfolgenbildung oder Selektionüber alle Mitarbeiter hinweg („Ranking“)zugrunde.

Der Mythos „Manager Empowerment“

Angesichts dieser faktisch stattfinden-den Prozesse und der in vielen Unterneh-men beschworenen Performance-Kulturist die in diesen Tagen mit nahezu inqui-sitorischem Eifer betriebene Verteufelungvon Performance-Ratings schwer nach-vollziehbar und ein Widerspruch in sich.Immerhin dürfte unstrittig sein, dass dieTransparenz und Nachvollziehbarkeit derEntscheidungsprozesse gegenüber denbetroffenen Mitarbeitern eine Minimalfor-derung an gutes Performance Manage-ment ist. Die jüngst als besonders krea-tiv kolportierte Fortführung der Rating-und Ranking-Prozesse im stillen Manage-

ment-Kämmerlein liefert daher wohl eherkeine ernstzunehmende Alternative.Ein anderes weithin gefeiertes Elementder Revolution des Performance Manage-ments ist die vollständige Delegation allerdamit verbundenen Entscheidungen andie einzelne Führungskraft: Managererhalten Bonusbudgets und Beförderungs-quoten, die sie dann nach eigenem Ermes-sen auf ihre Mitarbeiter verteilen. Diesändert nichts an der Natur der zu tref-fenden Entscheidungen.Allerdings unterliegt deren Ergebnisanschließend nicht mehr einer objek-tivierenden Kalibrierung im Management-team. Stattdessen werden alle Erkennt-nisse effektiven Performance Manage-ments auf dem Altar vermeintlicherInnovation geopfert und das zuvor müh-sam ausgemerzte Nasenfaktor-Risiko wieder eingeführt. Die zugrunde liegen-de Annahme einer sich selbst regulieren-den Konsistenz in den Bewertungsprin-zipen und Leistungsverständnissen ist inglobalen Konzernen mit einer dynami-schen Akquisitionshistorie empirischweitgehend widerlegt.Dies trifft auch auf einige der in letzterZeit häufig als Vorreiter einer neuen Gene-

ration des Performance Managementsgefeierten Modelle zu: Deloitte etwa rekla-miert, weltweit über zwei MillionenArbeitsstunden einzusparen, die bislangin die zentrale Administration und Kali-brierung der Ergebnisse des PerformanceManagements geflossen sind. Stattdes-sen werden regelmäßige Mitarbeiter-Selbstbewertungen und wöchentlicheManagergespräche („Performance Snap-shots“) propagiert. Unter der wohlwollen-den Annahme, dass diese überhaupt statt-finden, darf das Nicht-Zählen solcher „Eh-da-Zeiten“ wohl als buchhalterischerTaschenspielertrick bezeichnet werden.

„Big Move“ – oder auch nicht

Und im Falle von Accentures im Sommerin der Washington Post groß angekündig-tem „Big Move“ handelt es sich eher umeine faktische Notwendigkeit in einer330 000 Menschen umfassenden Multi-Workforce-Organisation denn um einenkonzeptionellen Durchbruch, wenn dortvon einem globalen, alle Mitarbeitergrup-pen umfassenden, relativen Kalibrierungs-ansatz auf einen eher rollenspezifischenPerformance-Feedback-Prozess umgestelltwird. Auch absolute Leistungseinschät-

Mit Vollgas in dieVergangenheitDie Welt ist voll von Rankings und Ratings – warum sollte

gerade im Performance Management damit Schluss sein?

Ein Plädoyer für deutliche, aber faire Leistungsbeurteilungen –

und für Führungskräfte, die ihrem Namen gerecht werden.

TITEL Performance Management

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Innerhalb von Unternehmen sind Unterscheidungen zwischenMitarbeitern schlichtweg erforderlich. Nicht jeder kann einHöchstleister oberhalb des Teamdurchschnitts sein.

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zungen machen das abschließende relati-ve Ranking nicht obsolet, wenn es nur einebegrenzte Anzahl von Beförderungs-Slotsoder einen limitierten Bonustopf gibt. Dabeiist es egal, ob der Gesamtprozess auf derEbene des einzelnen Managers („Mana-ger Empowerment“) oder übergreifender,konsistenter Vergleichsgruppen durchge-führt wird.

Ratings im Überfluss

Die gesamte Diskussion über die Abschaf-fung von Performance-Ratings ist umsoerstaunlicher, als sie in eine Zeit fällt, die wienie zuvor von einem global konsistentenTrend zu Bewertungen und Feedbacksgeprägt ist. In den sozialen Plattformen undNetzwerken erhält nahezu jeder und alles inEchtzeit eine digitale Reflexion und Bewer-tung durch die „Community“. In unsererSprache hat diese omnipräsente Bewertungs-kultur in Form von „Likes“ und „Dislikes“durch Freunde, Fans und Follower bereitsihren Niederschlag gefunden.Auf der Suche nach vermeintlichem Ruhmmachen sich Menschen weltweit freiwilligzum Gegenstand von Begutachtungen durchfragwürdige Jurys aus C-Prominenten oderselbsterklärten Experten; immer mehr Men-schen basieren ihre persönlichen Entschei-dungen auf den Meinungen und Beurteilun-gen anderer, indem sie bei der Wahl desnächsten Restaurants, Urlaubsziels, Arbeit-gebers, Arztes oder gar Lebenspartnerszunächst das Netz bezüglich relevanterBeurteilungen konsultieren; und auch imökonomischen Kontext gab es nie zuvoreine größere Anzahl an Ratings und Indi-zes sowie an Analysten und Marktbeobach-tern, deren Einschätzungen die Kaufent-scheidungen, Kreditwürdigkeiten undBörsenkurse der Marktteilnehmer unddamit die wirtschaftliche Existenz vonUnternehmen weitreichend beeinflussenkönnen.Innerhalb von Unternehmen sind Unter-scheidungen zwischen Mitarbeitern schlicht-weg erforderlich und faktische Realität. Zwarist jeder Mitarbeiter eines Unternehmensein Talent, aber schon nach den statistischenGesetzen der Gauß’schen Normalverteilung

kann nicht jeder auch ein Höchstleister ober-halb des Teamdurchschnitts sein. Führungs-grundsätze im Stile von „Tell it like it is“mögen en vogue sein; doch passen sie nurzu Unternehmenskulturen, in denen solcheWahrheiten auch ausgesprochen werdendürfen und müssen.Fast wirkt es also wie eine romantisch ver-klärte Antithese und die Suche nach einembewertungsfreien Rückzugsort, wenn ineinem solchen kompetitiven Gesamtkontextallgegenwärtiger Beurteilungen und Aus-wahlprozesse nun Forschung und Praxis inseltener Eintracht mit den Mitarbeitervertre-tungen für das betriebliche PerformanceManagement die Ablösung von Rating- undRanking-basierten Bewertungssystemati-ken durch fragwürdige Alternativen fordern.Zumal für alle übrigen HR-Disziplinen zeit-gleich analytische Verfahren der Datengewin-nung und -auswertung als Schlüsselkompe-tenz der Zukunft ausgerufen werden. DieVoraussetzung für valide Analysen sind abernun einmal mess- und zählbare Ergebnisse.

Auf die Führungskräfte kommt es an

Unstrittig ist die Notwendigkeit, die derzei-tigen Performance-Management-Ansätze andie aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Esgilt, der höheren Dynamik in projektbasier-ten Organisationsmodellen Rechnung zu tra-gen, die unterschiedlichen Bedürfnisse vonfünf erwerbstätigen Generationen sowie einezunehmende Anzahl an freien Mitarbeiternzu berücksichtigen. Regelmäßigeres Feed-back zwischen Mitarbeiter und Führungs-kraft ist dabei ein wesentliches Element; die starren, stark formalisierten jährlichenProzesse gehören aufgebrochen. Ebenso müs-sen kontinuierlicher gewonnene Datenpunk-te aus vielfältigeren Quellen (etwa über 360-Grad-Feedbacks) in die Bewertung einfließen.Allerdings: Regelmäßige Mitarbeiterdialogeals Bestandteil effektiver Führungsarbeitverkommen in den immer volleren Termin-kalendern der Manager oftmals zur büro-kratischen Pflicht. Der zugrundeliegendeProzess bedarf also der Entschlackung undFlexibilisierung, um der gestiegenen Viel-falt an Zusammenarbeits- und Führungs-konstellationen gerecht zu werden.

Aber jenseits aller Philosophien und Kon-zepte, Prozesse und IT-Lösungen sind es amEnde die Führungskräfte, die über die per-sönlichen Eigenschaften und Führungsfä-higkeiten verfügen müssen und die sich dieZeit nehmen (können), diese Aufgabe auchwahrzunehmen. Starke Führungskräfte„make talent stay and grow, or fail and go“.Dafür sind sie von den Unternehmen zu qualifizieren und zu beurteilen. Nur wennUnternehmen Personalführungskompetenzkonsequent bei der Auswahl neuer Füh-rungskräfte berücksichtigen, nehmen Mitar-beiter die propagierten Führungswerte alsauthentisch und glaubwürdig war. Je höherder Delegationsgrad und je geringer der Formalisierungsgrad im Performance-Management-Prozess sind, desto ausge-prägter sind die Anforderungen an die Füh-rungskräfte. Folgerichtig müssen sich dieAnstrengungen zur Erneuerung des Perfor-mance Managements primär auf die Rolleund die Fähigkeiten der Führungskräftefokussieren.Solange Menschen andere Menschen beur-teilen, kann und wird es keinen Performance-Management-Prozess geben, der vollkom-men frei ist von Fehlentscheidungen. Wirwerden daher auch weiterhin zahlreicheTrends und Versuche sehen, diese Risikenweitgehend zu minimieren; gänzlich elimi-nieren wird sie keiner davon. Das Spektrumwird auch weiterhin von sehr formalisierten,jährlichen Prozessen mit Ratings, Rankingsund Normverteilungskurven bis zu weitge-henden Delegationsansätzen und relativinformellen Feedback-Gesprächen auf Ebe-ne des einzelnen Managers reichen. In jedemFall aber müssen Prozess und Ergebnis desPerformance Managements transparent,belastbar und so fair wie möglich sein – obdie Mitarbeiter den Prozess auch so erle-ben, hängt dabei künftig mehr denn je vonden Führungskräften ab.

Autor

Stephan Amling, Senior Vice President SAP SuccessFactors, SAP SE, Walldorf,[email protected]

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as unterscheidet eigentlich den Sit-com-Büroleiter Bernd Stromberg

aus der gleichnamigen TV-Serie von demein halbes Jahrhundert älteren HeinzErhardt als Komödien-Buchhalter WilliWinzig? Willi Winzig wusste, so viel stehtfest, von „Performance“ noch nichts: Erwar Input-orientiert und simulierte, woerforderlich, Betriebsamkeit. Strombergdagegen ist, auch wenn seine Performancedurchwachsen ist, Output-orientiert; erpräsentiert selbst da Ergebnisse, wo kei-ne Leistung war. Er weiß, dass Perfor-mance alles und alles Performance ist.Wenn das Subjekt als Manager funktio-niert, dann heißt das auch, dass wir lau-fend an der Performance arbeiten unddass wir Performance planmäßig mit Leis-tung verwechseln. Wo Leistung war,scheint es, ist nun Performance. ZwischenLeistungsdarstellung und Darstellungs-leistung ist kaum noch ein Unterschiedauszumachen. Wir sind alle Performer –wobei noch zu klären ist, ob und wieso wirOutperformer, Underperformer oder Mar-ket Performer sind.

Unsere Darstellung, unser Auftritt

Der Boom des Performance-Begriffs gehtHand in Hand mit dem des Verbums „dar-stellen“. Wohin man schaut und hört, wirddargestellt. Was „nicht darstellbar“ ist,das existiert nicht. Und wer nicht(s) dar-stellt, der ist gar nicht da. Wir sind jetzt

alle Darsteller, vor allem Selbstdarstellerauf dem Sichtbarkeitsmarkt. Wir habeneine Performance abzuliefern, die nichtso aussehen soll, als wären wir Rule Play-er. So sauber auch immer unsere Prozes-se aufgesetzt, so qualitätsgemanagt unse-re Abläufe sein mögen, es kommt auf diePerformance an: auf die Darstellung unse-res Selbst nicht nach den überliefertenRegeln des Berufs, sondern nach denender Darstellung selbst. Performance oder Performanz kam alsBegriff Mitte der 1950er-Jahre, zeitgleichmit Peter Druckers Erfindung desManagements in die Welt. Die Prägungdes Begriffs fällt zeitlich zusammen mitder „performativen Wende in den Küns-ten“, wie es Erika Fischer-Lichte, die füh-rende Theoretikerin des Performativenin der Kultur, formuliert. Wenn Managerwie Künstler unaufhörlich von Prozessenreden, die sie höher schätzten als fertigeWerke oder Produkte, wenn sie die engenständischen und disziplinären Grenzenihrer Kunstsparten und Firmenbranchengeringschätzen und der Entgrenzung dasWort reden, wenn sie in Projekten den-ken und eben in Performanzen, Präsen-zen, Präsentationen, dann könnte das die

Vermutung belegen, dass ContemporaryArt und Contemporary Management, die-se amerikanischen Nachkriegszwillinge,mehr miteinander verbindet, als das dieverbliebenen Verächter der Kunst unterden Managern oder Verächter desManagements unter den Künstlern wahr-haben möchten.

Ein Nachweis des Selbst

„Performance umfasst“, wie der Soziolo-ge Ulrich Bröckling bemerkt hat, „sowohlLeistung sowie Darstellung, Verbildli-chung, Symbolisierung und Messung,und beides in einem Begriff zu repräsen-tieren, verweist nicht nur darauf, dass(theatralische) Darstellung eine Leistungist, sondern auch darauf, dass Leistungdargestellt, theatralisiert werden muss,um als solche wahrgenommen zu wer-den.“ In der Performance erst erbringenwir den Nachweis, dass wir überhauptein Selbst haben. Dass wir uns verlässlichvon anderen unterscheiden. Dass wir „wirselbst“ sind, wenn wir arbeiten, und nichtetwa nur ein Weisungsempfänger. Derkomplexe Aufbau der gouvernemental-autonomen Persönlichkeit erfordert zwin-gend die Performanz oder Performance:

W

Performance ist allesWird Leistung gemessen, will sie dargestellt werden.

Also reichen wir passgenaue Indikatoren ein und

melden volle Zielerreichung. Wir werden zu Angebern –

mit Formeln, die wohl schon genügen werden, um

Performance zu suggerieren. Die Darstellung unserer

Leistung wird zur eigentlichen Performance. Ein Essay.

TITEL Performance Management

Wo Leistung war, ist nun Performance. Zwischen Leistungs-darstellung und Darstellungsleistung ist kaum noch ein Unterschied auszumachen. Wir sind alle Performer.

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als Nachweis und Dokumentation mei-nes Selbst, als seine Präsentation, als Ortseiner Evaluation. Die Performance, sokönnte man allgemein formulieren, istdie Kunstform des fortgeschrittenen Kapi-talismus, in dem alles Ständische, Zünf-tige, Disziplinäre und Werkhafte verdamp-fen soll.

Die verflüchtigte Leistung

Wir sehen also, wie die beiden Bedeutun-gen von Performance sich gegenseitigbedingen. Leistung und Darstellung, Leis-tungsdarstellung und Darstellungsleis-tung gehören zusammen in einer Gesell-schaft, die weit weniger Leistungs- alsDarstellungs- oder Performance-Gesell-schaft ist, und dies nicht etwa nur, weildas Ökonomische die Oberhand über alleLebensbereiche gewonnen hätte, sondernauch, weil die Gesetze der visuellen undperformativen Kultur alle Lebensberei-che, also auch Politik und Ökonomie,beherrschen. So wie sich etwa die Idee der Dienstpflichtin Luft aufgelöst hat, so auch, scheint es,die der Leistung; beide scheinen eher demmittelalterlichen Zunftwesen zuzurech-nen als unserer Gegenwart. Während Leis-tung früher einmal im Wesentlichen inselbständiger, mitunter überdurchschnitt-licher Pflichterfüllung mitsamt gelegent-licher Berichtspflichten und Kontrollenbestand, im Grunde also auch unabhän-gig von ihrer Beobachtung und Darstel-lung existierte, hat sich jetzt das Momentder permanenten Beobachtung und Dar-stellung oder Darstellbarkeit von Leis-tung ins Zentrum eben der Leistungs-und eben nun Performance-Idee gedrängt.Leistung ist nur, was gerade „auf demSchirm“ ist, und dort am besten als Chart,also darstellbar.

Performer mit Potenzial

War Leistung einstmals etwas Vollende-tes und zu Vollendendes, hat Performancedie Zeitform der Präsenz und des Prä-sens. Es ist der Leistung, wenn sie Perfor-mance sein will, von Anfang an die Dimen-sion des Zeigens und Versprechens

eingeschrieben. Den Gipfel unserer Leis-tungsfähigkeit oder Performance habenwir stets noch vor uns; sobald wir hier undda noch ein bisschen etwas optimierthaben, werden wir endlich unser ganzesPotenzial „abrufen“ können. Wer oderwas bin also „ich“ in der Performance-Welt? Ein Mensch mit einem Potenzial. Im Sinne des Performance Managementswird Leistung als Input-Größe im Prozessder Performance-Erbringung betrachtet;Performance dagegen ist das Ergebnisund damit eine Output-Größe. StrombergsVorgesetzte etwa sind nicht zufrieden mitihm, sie finden ihn ebenso peinlich, wieihn seine Untergebenen finden – aberman sieht auch, dass sie gegen ihn nichtviel ausrichten können. Wahrscheinlichsind seine Kennzahlen und Indikatorenin Ordnung, wahrscheinlich erreicht ersogar seine Ziele. Wenn Stromberg nichtgerade von Kameras verfolgt wird undMitarbeiterinnen anbaggert, wird er wahrscheinlich seine Berichtspflichten„nachhalten“, seine Projekte in einem„Pflichtenheft“ dokumentieren, er wirdevaluieren und evaluiert werden, Zielevereinbaren und Lenkungsausschüssebevölkern. Und überhaupt: Sollen Mana-ger nach Tom Peters nicht genau das tun,was Stromberg jeden Tag gelingt oderunterläuft: provozieren, schockieren,„Denkanstöße geben“, Konventionen inFrage stellen, den Change instrumentie-ren?

Wirkungslose Steuerungslehre

Zur Logik des Darstellens gehört die desHinweisens, des Anzeigens und, in wel-chem Wortsinn auch immer, die des Ange-bens. Wir arbeiten nicht nur – was ein-mal eine selbstvergessene Tätigkeit seinkonnte –, wir zeigen oder weisen nach,während wir arbeiten, dass wir arbeitenund sind schon deshalb niemals selbstver-gessen. Was uns quält, ist der Angeber inuns, der wieder mal passgenaue Indika-toren eingereicht hat, der volle Zielerrei-chung meldet, kurz: der gar nicht malbesonders marktschreierische, eher mitt-lere Angeber, der wir sein müssen. Weil

wir es jetzt mit der Wahrheit immer ganzgenau nehmen sollen, nehmen wir es inWahrheit mit der Wahrheit überhauptnicht genau, sondern begnügen uns mitFormeln, die genügen, um Performancezu indizieren. Ich bin nicht nur der Leistungserbringer,auch nicht nur der Leistungsperformer,sondern derjenige, der die Leistung über-haupt erst erfindet und konfektioniert.Und ich werde smart genug sein, nichtszu produzieren, das nicht gemessen wer-den kann. Ich werde meinen eigenen mitt-leren Realismus als Leistung oder garLeistungssteigerung zu inszenieren habenund ich nehme an, ich weiß, wie das geht.Ich kann, wir alle können Semantik. Wirkönnen labeln, packagen, branden und„signallen“. Ehe uns die neue Steuerungs-lehre auf die Schliche kommen konnte,sind wir schon ihr auf die Schliche gekom-men; wir kennen ihre Art Datenhungerund haben gelernt, ihn zu befriedigen.So gesehen ist die ganze neue Steuerungs-lehre vielleicht gar nicht mal so besondersmenschenverachtend und totalitär undpostdemokratisch, sondern nur eines:wirkungslos. Sie funktioniert im Prinzipgut, nur nicht mit Menschen.

Autor

Dr. Christoph Bartmann, Regionalleiter Nordamerika und Leiter Goethe-Institut New York, USA, [email protected]

Leben im Büro Info

Mit „Leben im Büro“ (Hanser, 2012) ist ChristophBartmann eines der bestenBücher geglückt, die in denvergangenen Jahren zurArbeitswelt erscheinensind. Bartmann gelingt es,zugleich essayistisch zumäandern und doch immerwieder entwaffnend poin-tiert die Mechanismen des modernen Bürole-bens herauszuarbeiten. Der vorliegende Text ist ein für die „Personalwirtschaft“ gekürzter undbearbeiteter Auszug.