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www.personalwirtschaft.de Das Magazin für den Job HR Personal wirtschaft 12 2019 17,50 Euro G 21212 ISSN 0341-4698 Art.-Nr. 07720912 +++ Special: HR-Managementberatung +++ Recht & Politik: Neue Gesetze und Regelungen für 2020 +++ Forschung & Lehre: Studie zu Coworking Spaces +++ Bücher: Tipps zum Schenken und Schmökern +++ INKLUSIVE SONDERHEFT: Weiterbildung Lichtblicke und blinde Flecken STUDIE: WAS GESUNDHEITSMANAGEMENT IM DIGITALEN WANDEL LEISTEN MUSS

Personalwirtschaft 2019... Das Magazin für den Job HR Personalwirtschaft 12 2019 17,50 Euro G 21212 ISSN 0341-4698 Art.-Nr. 07720912 +++ Special: HR-Managementberatung +++ Recht &

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Das Magazin für den Job HRPersonalwirtschaft 12 2019

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+++ Special: HR-Managementberatung +++ Recht & Politik: Neue Gesetze und Regelungen für 2020 +++ Forschung & Lehre: Studie zu Coworking Spaces +++ Bücher: Tipps zum Schenken und Schmökern +++

INKLUSIVE SONDERHEFT:

Weiterbildung

Lichtblicke und blinde FleckenSTUDIE: WAS GESUNDHEITSMANAGEMENT IM DIGITALEN WANDEL LEISTEN MUSS

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Change ist längst Dauerzu-stand, Digitalisierung inaller Munde, die Transfor-mation in vollem Gange.Die Klagen über Arbeits-verdichtung, Zeitdruck undÜberforderung kommenaus allen Wirtschaftszwei-gen – aus den Kliniken und

Kitas, den Büros und Fabriken, aus den Unis und den Schulen.Es scheint alles schneller zu werden: immer mehr, in immer kürzerer Zeit.

Nun sagt man im Handwerkersprech „Nach fest kommt ab“ undmeint damit in etwa: Eine Schraube, die man zu sehr anzieht, istirgendwann „durchgedreht“ – nichts geht mehr. Auf das SystemArbeit und Gesundheit übertragen, lassen die seit Jahren rapideansteigenden Fehltage und Verrentungen wegen seelischerBeschwerden und psychischer Störungen vermuten: Weder nutzenUnternehmen vielerorts die geeigneten Werkzeuge im BGMnoch setzen sie diese richtig ein.

Deshalb haben wir gemeinsam mit den Partnern FürstenbergInstitut, ias-Gruppe und Techniker Krankenkasse eine Studiewieder aufleben lassen, mit der wir erstmals 2015 das BGM imdeutschen Mittelstand untersuchten. Seitdem ist durchaus Positivespassiert, wie unsere Titelstrecke ab Seite 20 zeigt: 87 Prozent der

EDITORIAL

Nach fest kommt abbefragten Unternehmen betonen heute die Wichtigkeit einesganzheitlichen Gesundheitsmanagements, und sieben von zehnBefragten identifizieren die Themen „Arbeitsverdichtung“ und„schlechte Führungskultur“ als häufigste Verursacher psychischerErkrankungen (siehe auch Seite 72). Außerdem ist endlich dieeindimensionale Fehlzeitenanalyse als Hauptindikator vermeint-licher Gesundheit im Betrieb abgelöst.

Doch es fehlt bisweilen am Transfer, und gerade das so allgegen-wärtige Thema Change Management scheint aus Gesundheits-perspektive unterbelichtet zu sein. Fast jeder zweite Befragtefindet, dass das BGM bei organisatorischen Veränderungen keinewichtige Rolle spielt. Und gut 42 Prozent stimmen der Aussagezu, dass der Einfluss von Schnelllebigkeit und Arbeitsverdichtungauf die seelische Gesundheit nicht hinreichend beachtet wird.Das ist im Mittelstand, der gern mit Nahbarkeit und familiäremFlair für sich wirbt, kein Ruhmesblatt, weder bei der Mitarbei-terbindung noch im Employer Branding. HR sollte betonen, dassdie Unternehmen nicht nur ihre Geschäftsmodelle, Produkteund Prozesse in eine digitale Zukunft überführen müssen – esgilt auch, die Mitarbeiter hierfür zu gewinnen.

Cliff LehnenChefredakteur

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4 Personalwirtschaft 12_2019

INHALT

3 EDITORIAL Noch fest oder schon ab, das ist im BGM entscheidend6 STILKRITIK Made in Germany ist out – vielleicht aber auch nicht 7 ZAHLEN, BITTE! Wie geht’s denn nun der Marke Deutschland? 8 EINBLICK Zukunfts-Skills kommen in HR-Jobanzeigen zu kurz

HR & ICH

10 FOKUS Interim Manager werden von Krisen- zu Change-Begleitern 14 ZOOM Warum Arbeitnehmer selten über körperliche Leiden sprechen16 PRAXISTRANSFER Die Herausforderungen bei Auslandsentsendungen18 LEBENSLAUF Verena Adam von Strenge im CV-Check

TITEL: BGM

20 FOKUS Wo sich HR im Mittelstand laut Studie verbessern muss26 INTERVIEW Natalie Lotzmann von SAP verbindet BGM und Geschäft28 PRAXISBEISPIEL Beratung entlastet das Personal der Hamburger Volksbank

RECHT & POLITIK

30 ANALYSE Auf welche Vorschriften sich HR 2020 einstellen muss33 FACHBEITRAG Verwirrung um neues Berufsbildungsgesetz34 SKURRILER FALL Zählt das Badezimmer zum Homeoffice?

SPECIAL: HRMANAGEMENTBERATUNG

36 ROUND TABLE Veränderte Geschäftsumfelder fordern das HRM heraus42 ANALYSE Wann sich HR-Berater für Unternehmen lohnen46 FACHBEITRAG Leadership Journeys ersetzen klassische Führungstrainings

TECHNIK & TOOLS

50 ANALYSE Der Weg zur richtigen Software fürs Ideenmanagement53 INTERVIEW Arko Steinwender über Planbarkeit von Innovationen54 UPDATE Software und Dienstleister für den Job HR

FORSCHUNG & LEHRE

56 STUDIE Was junge Arbeitnehmer wollen – und Führungskräfte bieten60 ANALYSE Warum Coworking auch in ländlichen Regionen Chancen hat

EVENT & SZENE

62 INTERVIEW Mike Ettling von Unit4 über seine Ideen zur Employee Experience64 SESSELWECHSEL HR-Personalien und die Geschichten dahinter65 NACHGEFRAGT Sportgröße Michael Ilgner wird HR-Chef der Deutschen Bank66 BÜCHER Tipps der Redaktion zu Weihnachten, dem Fest des Lesens70 STELLENMARKT

72 RÜCKSCHAU Was vom Hefte übrig blieb73 VORSCHAU Was Sie in der Januar-Ausgabe erwartet73 IMPRESSUM

74 BLICK VON AUSSEN Harald Neidhardt plädiert für exponentielle Technologien

PERSONALWIRTSCHAFT 12_2019

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Personalwirtschaft 12_20196

STILKRITIK

uDiese Breitseite kommt, hüstel, aus nicht ganz uner-warteter Richtung. Kurz vor Halloween bescheinigte das„Trust Barometer 2019“ der amerikanischen PR-AgenturEdelman der deutschen Wirtschaft einmassives Vertrauensproblem. In sie-ben wichtigen Auslandsmärkten,darunter Großbritannien, Frankreichund die USA, sei der Ruf von Produk-ten „Made in Germany“ auf ein All-zeittief gesunken. Das nunmehr lädier-te Image deutscher Unternehmen undihrer Erzeugnisse sei im Wesentlichenauf die Skandale und Klagehäufungenaus der jüngeren Vergangenheitzurückzuführen. Davon in Mitleiden-schaft gezogen worden seien alle Bran-chen – von Automobil über Bankenund Pharma bis hin zu Technologieund Windkraft. „In Großbritannienvertrauen die Menschen einem deut-schen Unternehmenslenker nur noch so viel wie einemchinesischen CEO“, erzählte Agenturchef Richard Edelmandem Handelsblatt und vergaß auch nicht die zeitgeistigePrise Emotion: „Das hat mich schockiert.“

Fast gleichzeitig mit den Hiobs aus den USA (die dort sin-nigerweise „Jobs“ heißen) zogen die britischen Markt- undMeinungsforscher von Yougov aus einer ähnlichen Umfragein 23 Auslandsmärkten den komplett gegenteiligen Schluss:Weltweit hätten Produkte aus Germany eine hohe Relevanzund den mit Abstand besten Ruf. Zu einem Rat an die Fir-menchefs sahen sich die Briten denn auch nicht veranlasst.Anders PR-Berater Edelman, der die deutschen Unterneh-men zu mehr Transparenz und deren Lenker zu größererSichtbarkeit in der Öffentlichkeit aufforderte. Besondersgefreut haben dürfte das die Chefs von Bayer, Volkswagenund der Deutschen Bank. Deren Namen kennt inzwischenjeder College-Student in den USA.

Abgesehen von der als Studie kostümierten Vertriebs-kampagne empört die Scheinheiligkeit, mit der den deut-schen Unternehmen vorgeworfen wird, ihre legendäreSolidität auf dem Altar des Global Business geopfert zuhaben. Sie sollten sich auf ihre Stärken zurückbesinnen,empfiehlt Richard Edelman und appelliert treuherzig an

die Chefs, mehr auf Qualität, hohe Umweltstandards, Ver-trauenswürdigkeit und Fairness zu achten. Man reibt sichdie Augen: War es nicht gerade der Hit-and-Run-Neoli-

beralismus „Made in USA“, der Wertewie die genannten als tendenziellergebnisbelastend geschmäht und –unter artigem Applaus der Diaspora– in die Tonne getreten hatte?

In Wahrheit ist es doch so: Seit einemhalben Jahrhundert ziehen die Angel-sachsen alle paar Jahre eine neue unddiesmal wirklich, echt, ganz ehrlichunübertreffliche Führungs- undManagementmethode aus dem Hutund erklären alles bis dahin mühsamEingeübte für kalten Kaffee. Bei derschnellen Erzeugung einer unkriti-schen Masse leistet HR mitunter guteDienste. Statt der verbreiteten Unzu-

friedenheit am Arbeitsplatz auf den Grund zu gehen, pflas-tert man die Wunden mit seichtem Employer-Branding-Sprech. Statt die Mitarbeiter klassisch durch Worte undTaten zu ermutigen und zu befähigen, sich zum beidseitigenNutzen weiterzubilden, führt nun das New Learningschnurstracks Richtung New Work. Und statt auf die Leis-tungsfähigkeit und den Leistungswillen der Leute zu ver-trauen und sie im Zweifel einfach machen zu lassen, wiesie es für richtig halten, wird flächendeckend Agilität ver-ordnet. Was im Prinzip dasselbe ist, nur mit kürzerenMeetings im Stehen.

Dabei müssen auch wir Fachpressemenschen uns an dieNase fassen. Wir mühen uns, mit kritischem Blick Bera-terblasen platzen zu lassen und heiße Luft als solche zuenttarnen. Nicht immer gelingt uns das. So befördern auchwir manchen Hype, den kluge Personaler nachher ihrenOberen mild lächelnd ausreden müssen. Doch wenn nundie einen der Marke „Made in Germany“ nachlassendenGlanz vorwerfen und die anderen immer noch von glän-zenden Kundenaugen berichten, sollten Unternehmer,Personaler und Marketeers vor allem gelassen bleiben.Abgeklärtheit steht Agilität nicht im Wege; Behäbigkeitschon. Den Unterschied erkennt, wer genau hinsieht. Daswerden wir weiterhin tun. p

Gesucht: Die Made in GermanyDas Vertrauen in die Marke „Made in Germany“ stürze ab, warnen die einen. Nein, Deutschlandhabe nach wie vor einen hervorragenden Ruf, beruhigen die anderen. Da hilft nur Besonnenheit.

VON CHRISTINE DEMMER

Um 16 Vertrauenspunkte sei der Wert der MarkeDeutschland seit 2014 gefallen – ein Allzeittief,

warnen die Berater der US-Agentur Edelman.

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Ja, was denn nun?Ist die Marke „Made in Germany“ nun auf Abwegen oder robust wie ehund je? Kommt darauf an, wen man fragt. Und mit welcher Intention.

In 23 Ländern haben im Durchschnitt 50 Prozent der Befragten einen positiven Eindruck von einem Produkt,das in in Deutschland hergestellt wurde. 6 Prozent einen negativen. Daraus ergibt sich ein Wert von + 45.

In 23 Ländern haben im Durchschnitt 15 Prozent der Befragten einen positiven Eindruck von einem Produkt,das in China hergestellt wurde. 44 Prozent einen negativen. Daraus ergibt sich ein Wert von –29.

Kaum hatte die US-Agentur EdelmanDeutschland im September bescheinigt, der Ruf des Landes sei international zunehmend angeschlagen (siehe Seite 6), besagte eine Yougov-Studie dasGegenteil: „Made in Germany“ sei „die beste Auszeichnung, die auf einem Produkt stehen kann“ –nach wie vor. Tja: Wie Sie sehen,sehen Sie nichts. Sehen Sie? Qu

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Deutschland + 45

Italien + 38

Großbritannien + 34

Frankreich + 34

Japan + 33

Kanada + 33

USA + 29

Niederlande + 27

Südkorea + 5

Mexiko –2

Hong Kong –9

China –29

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EINBLICK

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Das Wesen der ZukunftWeiß die HR-Profession nicht, welche Kompetenzen sie künftig braucht? Die Studie einesDatendienstleisters wirft diese Frage auf. Demnach sind zukunftsgerichtete Skills in deutschenPersonalabteilungen weit weniger gefragt, als sie es sein sollten.

uHR sollte sich stärker um seine Zukunft sorgen, besonders inDeutschland: Auf diese skeptisch-forsche Aussage läuft eine kürz-lich veröffentlichte Studie von HR Forecast hinaus. Die Firma,die Datenanalysen fürs Personalmanagement entwickelt, hat über120 000 Stellenanzeigen aus den Jahren 2017 und 2018 in neunLändern daraufhin analysiert, wie gefragt sogenannte zukunfts-orientierte Skills bei Personalern sind.

Demnach unterscheidet sich die Nachfrage nach HR-Mitarbeiternmit solchen Skills – neben diversen IT-basierten sind das gewisseweiche Qualitäten wie etwa Coaching-Kompetenzen – interna-tional deutlich. Während laut Studie in den Vereinigten Staatenund den Niederlanden fast jede dritte in HR-Stellenausschrei-bungen geforderte Qualität als zukunftsorientiert gelten kann,sind es in der Bundesrepublik 23 Prozent (siehe Grafik). NurIndien erzielt unter den untersuchten Ländern schlechtere Werte.

Dabei scheint insbesondere das Bewusstsein für die Bedeutungvon IT-Kompetenzen hierzulande unterentwickelt. Stieg dieNachfrage nach solchen Skills – vor allem nach datenanalytischen– zwischen 2017 und 2018 im Durchschnitt der Studie um 1,3Prozent, sank sie hierzulande um vier Prozent.

Selbstredend wirft auch diese Studie Fragen auf. Zum Beispieldie, inwiefern das Recruiting von HR-Spezialisten für MachineLearning oder Big Data noch per Stellenanzeigen läuft oder welcheHalbwertzeit Erhebungen gerade bei so einem dynamischenThema haben. Die Voraussage von HR-Forecast-Gründer FlorianFleischmann klingt aber allemal plausibel: „HR arbeitet künftigstärker digitalisiert, aber auch individualisiert, also direkt mit denMenschen. Das ist kein Widerspruch: Das eine ermöglicht dasandere.“ Wo die Technik Matching oder administrative Aufgabenübernimmt, bleibt Personalern mehr Zeit fürs Persönliche. p

23 Prozent der Bewerbereigenschaften, die in Deutschland ansässige Unternehmen in HR-Stellengesuchenerwarten, sind laut HR Forecast „zukunftsorientiert“.

Future Readiness

Niederlande 32 %

USA 31 %

Kanada 30 %

Großbritannien 29 %

Singapur 29 %

China 28 %

Polen 25 %

Deutschland 23 %

Indien 14 %

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uDem Logistikunternehmen geht es gut: volle Auf-tragsbücher und ein starkes internationales Wachstumin den letzten Jahren. Weitere Expansionen und Unter-nehmenszukäufe stehen an. Gleichzeitig müssen immermehr Prozesse automatisiert werden, auch im HR-Bereich. Doch in der Personalabteilung sind alle Kapa-zitäten ausgeschöpft. Wer soll die Transformation beglei-ten und die Internationalisierung der anstehendenHR-Projekte vorantreiben? Eine schnelle Lösung mussher. Der Geschäftsführer ruft bei Rayk Jakobi, Partnervon Bridge imp, an. Die Agentur vermittelt demGeschäftsführer eine Interim Managerin mit dem pas-senden Anforderungsprofil: Gesucht wird jemand, derErfahrung mit internationalen HR-Projekten und IT-Expertise hat, sich nicht vor unangenehmen Aufgabenscheut und gestalten will. Zwei Wochen später beginnt der Projekteinsatz für DorisTröbs. Ihr Auftrag: eine globale HR-Strategie zu entwi-ckeln und die globalen dezentralen Organisationen imHinblick auf Recruiting-, Personalentwicklungs- undEntgeltsysteme auf einen harmonisierten Stand bringen.Bei der Einführung der Programme fungiert sie als Ver-mittlerin zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Kul-turen. Zum Job gehört außerdem, die jeweiligen Systememit IT zu hinterlegen.

„Die Schnittstelle zwischen HR und IT ist meine Heimat“,sagt Tröbs, die in ihrer 25-jährigen Berufstätigkeit inbeiden Projektbereichen Erfahrung gesammelt hat. Auchum Restrukturierungen muss sie sich kümmern, wasKnow-how von länderspezifischen Rechtssystemen erfor-dert. „Das Geschäft ist in den vergangenen Jahren deutlichkomplexer geworden durch Globalisierung und Digi-talisierung, und die Aufgaben sind viel breiter gefächert“,sagt Tröbs.

Interim Manager leiten den Change

Mit dieser Komplexität des Business ging ein beträcht-liches Wachstum der Nachfrage einher. Das zeigt eineMarktstudie der Ludwig Heuse Interim, für die rund1000 Interim Manager befragt wurden. Demnach fan-den 11,9 Prozent der Projekte, in denen die Befragtenzum Einsatz kamen, in HR statt; 2018 waren dies 10,7Prozent. Insgesamt sei die Nachfrage nach den flexiblen Managernhoch, auch wenn die Umsatzsprünge kleiner sind als inden Jahren zuvor. „Die gute Laune hat sich leicht ein-getrübt“, sagt Heuse, was der schwächeren wirtschaft-lichen Entwicklung, vor allem in der Automobil- undMaschinenbaubranche, geschuldet sei.

Problemlöser auf Zeit Vor einigen Jahren wurden sie meist für Sanierungen und Krisenmanagement geholt. Heute begleiten Interim Manager immer häufiger Transformationsprojekte oder übernehmen die Führung eines HR-Teams.VON ANNETTE NEUMANN

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HR & ICH INTERIM MANAGEMENT

Personalwirtschaft 12_2019

Doris Tröbs

Rayk Jakobi

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HR & ICH INTERIM MANAGEMENT

Personalwirtschaft 12_2019

Change-Management-Projekte machen im InterimManagement den größten Anteil aus (siehe AbbildungSeite 12). Das ist Ergebnis der Mitgliederbefragungdes Fachverbands Dachgesellschaft Deutsches InterimManagement (DDIM). Auch im HR-Bereich nehmenTransformationsprojekte zu. Ein weiterer Trend:Immer mehr HR Interim Manager werden mit derFührung eines Teams beauftragt.Rayk Jakobi kann das bestätigen:„Die Experten springen oftmalsdann ein, wenn ein ,kopfloses‘ Per-sonalerteam temporär eine Füh-rungspersönlichkeit braucht, umProjekte umzusetzen.“Gerade im Mittelstand respektivebei geringen Personalressourcenseien Interim Manager als Binde-glied zwischen Geschäftsführungund mittlerer Führungsebene ge-fragt. In größeren Unternehmen entlasten sie häufig diefür einzelne Geschäftsbereiche verantwortlich zeichnen-den HR Business Partner. Jakobi: „Häufig fehlt geradejüngeren HR Business Partnern, die in den vergangenenJahren vermehrt eingestellt wurden, die Erfahrung füranspruchsvolle Veränderungsprozesse zum Beispiel imKontext der Digitalisierung.“

Anspruchsvolle Spezialaufträge

Auch Kerstin Mey, Leiterin HR Interim Managementbeim Provider HR Blue AG, beobachtet: „Besonders

dann, wenn Kompetenzen im eigenen Haus nicht vor-handen sind und ein Know-how-Transfer zur Wei-terentwicklung der eigenen Mitarbeiter beabsichtigtwird, greift man auf die gestandenen Manager zurück.“Da ist es von Vorteil, dass diese in der Regel aus geho-benen Führungspositionen kommen und viel strate-gische und operative Erfahrung auf unterschiedlichstenFeldern wie zum Beispiel bei Geschäftserweiterungenoder Fabrikverlegungen mitbringen: „Viele von unseingesetzte Interim Manager haben Spaß an anspruchs-vollen Spezialaufträgen, wo sie als Problemlöser gefragtsind“, sagt Ludwig Heuse vom gleichnamigen Provider. Seiner Beobachtung nach wird das Management vonRestrukturierungen oder Krisen gern outgesourct, zumBeispiel, weil Unternehmen notwendiges Spezial-Know-how fehlt oder – im Fall von HR-Projekten – die eigenenMitarbeiter nicht mit den damit verbundenen „Uner-freulichkeiten“ in Verbindung gebracht werden sollen.„Trennungsgespräche sind sehr sensibel, aber ich kannaufgrund meiner Unabhängigkeit Dinge viel klareransprechen als ein Festangestellter. Ich kann offen undehrlich sein, weil ich nicht um meinen vermeintlichsicheren Job bangen muss und keinerlei Karrieream-bitionen in dem Unternehmen habe“, sagt Doris Tröbs.

Geschulter Blick für Fehlerquellen

Ein weiterer Vorteil gegenüber Festangestellten: Wer invielen Unternehmen und Branchen herumkommt undimmer wieder neue anspruchsvolle Aufgaben übernimmt,

kann mit breiterem Wissen undErfahrungsschatz auf die Prozessebei seinem aktuellen Auftragsun-ternehmen schauen: „Der InterimManager erkennt die blinden Fle-cken und Stolperfallen und kannklar und deutlich auf Fehlerquellenhinweisen, was dem Auftraggebereine Menge Geld ersparen kann“,sagt Rayk Jakobi von Bridge imp. Auch wenn viele potenzielle Auf-traggeber ob der Tagessätze von

durchschnittlich rund 1175 Euro schlucken müssen,lohnt sich die Investition – jedenfalls aus Sicht der Markt-akteure. In der erwähnten Befragung von Ludwig Heusergab ein Gros der befragten Interim Manager an, etwadas Doppelte dessen einzubringen, was sie kosten. „DerDrang der Interim Manager, schnell wirksam und erfolg-reich zu sein, ist stark ausgeprägt“, so Ludwig Heuse.Festzustehen scheint, dass die Honorarkräfte für mancheUnternehmen schwer verzichtbar sind. Viele von ihnenwerden mit langfristigen Projekten beauftragt und beset-zen die fragliche Position im Rahmen eines Vollzeit-mandats.

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Fakten zum Interim Management

Deutschlandweit sind 10 500 Interim Manager im Einsatz. 2018 erhielt rund die Hälfte ihre Aufträge durch Eigenakquisition, über Empfehlungen oder ihr eigenesNetzwerk, die andere Hälfte mit steigender Tendenz über Interim Provider.

Unternehmensgrößen:Die meisten Anfragen kamen 2018 aus Unternehmen mit 1001 bis 10 000 Mitarbeitern (32 Prozent). Laut Prognose wird dieser Wert 2019 konstant bleiben.

Die Haupteinsatzbranchen:• Maschinen- und Anlagenbau: 17,6 Prozent • Automotive inklusive Services, Handel, Aerospace und Rail: 17,1 Prozent

Die wichtigsten Aufgaben (siehe auch Abbildung):• Change Management, insbesondere zur Begleitung von Transformations-

bzw. Digitalisierungsprojekten: 16,9 Prozent• Projektmanagement: 13,5 Prozent

Dauer der Einsätze: Interim-Einsätze reichen von kleineren kurzfristigen Projekten von drei bis sechs Monatenbis hin zu langfristigen Aufträgen, die zwölf bis 24 Monate dauern.

Vergütung: Interim Manager sind rund 172 Tage im Einsatz und erhalten einen durchschnittlichenTagessatz von 1175 Euro.

„Nicht nur der InterimManager muss flexibel

sein, auch die Organisa-tion verändert sich im

Projektverlauf. Das ist gutso, denn ich kann nur ein

Auto lenken, das sichbewegt.“

Doris Tröbs, Interim Managerin

Ludwig Heuse

Kerstin Mey

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Auch wenn die Mehrzahl der Interim Manager in denvergangenen Jahren ihre Aufträge durch Eigenakquisitiongewonnen hat, ist der Anteil der über Provider vermit-telten Mandate kontinuierlich gewachsen. „Die sehr guteAuslastung der Interim Manager hat dazu geführt, dassviele die Vertriebsarbeit gerne Pro-vidern überlassen, die sich als Bin-deglied zwischen den Managern undihren Kunden im Markt etablierthaben“, sagt Dr. Marei Strack, Vor-standsvorsitzende des DDIM.

Kundenkommunikation istentscheidend

Auf der Grundlage eines detaillierten Briefings definierendie Dienstleister die Anforderungen und Aufgaben desProjekts und können so eingrenzen, welcher Interims-Typ gefragt ist. Jakobi nimmt nach eigener Aussage„nur Manager mit Referenzen in unsere Karte auf“, dieman kritisch prüfe, um sie den eigenen Kunden ausdem klassischen Mittelstand „guten Gewissens emp-fehlen zu können“. Viele Provider bieten ein sogenanntes Shadow-Manage-ment an, das heißt, sie sorgen unter anderem dafür, dassalle wichtigen Ansprechpartner – neben der Geschäfts-führung auch die Bereichsfunktionen und gegebenenfallsder Betriebsrat – dem temporären Einsatz zustimmen.Während des Mandats sind sie Ansprechpartner für dasUnternehmen und den Interim Manager. „Wenn der Ein-satz klar im Unternehmen kommuniziert wird und alleParteien wissen, welche Entscheidungsbefugnisse er hat,dann hat der Manager vor Ort auch die notwendige Rücken-deckung“, nennt Jakobi einen Erfolgsfaktor.

Engagement für begrenzte Zeit

Auch wenn das Unternehmen und der Provider das Projektgut begleiten, kann es im Verlauf zu unvorhergesehenenVeränderungen kommen. Das ist für Doris Tröbs Alltag:

„In solchen Fällen ist es wichtig,sofort mit dem Auftraggeber dasGespräch zu suchen und sich neue,veränderte Aufträge freigeben zu lassen.“ Flexibel auf Entwicklungen zu rea-gieren, Konfliktstärke und die Fähig-keit, schnell Vertrauen aufzubauen,sind Qualitäten, die der InterimManager mitbringen muss. Doris

Tröbs erlebt oft, dass sich Unternehmen im Transfor-mationsprozess überfordern. „Dann versuche ich, gemein-sam mit den Mitarbeitern den Prozess zu gestalten, undzwar in der Reihenfolge: Aufgaben strukturieren, analy-sieren, wegarbeiten, und dabei Ruhe und Gelassenheit zuvermitteln.“ Für die Mitarbeiter muss klar sein, dass sie einen zeitlichbegrenzten Auftrag erfüllt und nach Projektübergabeüberflüssig zu sein hat. Einen Interim Manager dauerhaftzu beschäftigen, ist weder im Sinne des Unternehmensnoch des hoch qualifizierten Zeitarbeiters, der die flexibleBeschäftigungsform meist bewusst wählt. Für Doris Tröbs ist die Abwechslung im Job wichtiger alseine geregelte Festanstellung mit festem Arbeitsort: „Durchdie unterschiedlichen Branchen, die ständig wechselndenThemen und die unterschiedlichen Menschen, mit denenich zu tun habe, bleibe ich am Puls der Zeit und erweiterestetig meinen Horizont.“ Zu kommen, um zu gehen, ent-spricht ihrer Lebenshaltung, auch im Beruf. p

Aufgabengebiete von Interim Managern 2019 Abbildung

Die Begleitung von Transformationsprozessenist nach Aussage der DDIM-Mitglieder in diesem Jahrdas häufigste Einsatzgebietdeutscher Interim Manager.

„Die Nachfrage nach HR Interim Managern

steigt. Ihre Aufgabe ist es, die Mitarbeiter auf den Kulturwandel

vorzubereiten.“ Marei Strack, Vorstandsvorsitzende, DDIM

Dr. Marei Strack

Change Management

16,90 %

Projekt-management

13,52 %

Vakanz-überbrückung

12,39 %

Restrukturierung/Sanierung

11,83 %

Prozess-optimierung

11,83 %

Business Development

7,46 %

Digitale Transformation

6,48 %

M & A/Post Merger Integration

5,49 %

Consulting

6,20 %

Coaching

4,65 %

Strategic Development

3,24 %

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u In jüngster Zeit mehren sich Beispiele von Politikern, dieaus ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen keinen Hehlmachen. Sprach Mike Mohring, CDU-Chef in Thüringen,unmittelbar nach seiner Krebsdiagnose im Januar diesesJahres in einem Facebook-Video über seine Erkrankung,entschloss sich auch Manuela Schwesig zum Schritt nachvorn. Mitte September trat die Ministerpräsidentin Meck-lenburg-Vorpommerns vor die Kamera, um die Öffent-lichkeit zu informieren, dass sie vorübergehend kürzertretenund ihr Amt als Co-Parteivorsitzende der SPD niederlegenwerde.

Dieser freie Umgang mit Handicaps ist in der Politik völligneu. Lange gefielen sich Volksvertreter darin, bloß keineSchwäche an den Tag zu legen. Wer nicht leistungsstarkrespektive amtsfähig ist, dankt ab. Als etwa Heide Simonisim Jahr 2002 von ihrem Brustkrebs erfuhr, standen geradeLandtagswahlen ins Haus. Lange behielt die damalige Minis-terpräsidentin von Schleswig-Holstein ihre Erkrankung fürsich, ehe sie sich öffentlich äußerte. Wer so schwer erkranke,betonte sie, habe in der Politik keine Chance mehr. „Dieeigene Partei hätte mich nicht mehr nominiert.“

Ändern sich die Zeiten? Man kann es hoffen, auch wenndie Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg kürzlichnach dem Zusammenbruch des Bundestagskollegen Hauergegenüber Spiegel Online sagte, die Arbeitsbelastung zu thematisieren, sei für Politiker ein Tabu: Kollegen warntendavor, solche Dinge anzusprechen – Achtung vor dem Shit-storm. Andererseits lassen sich die Auftritte Mohrings oderSchwesigs doch auch als entschlossene Antwort auf denVorwurf werten, die Bürgervertreter hätten sich den Bürgernentfremdet, müssten Menschen mehr Gehör schenken, sichstärker in ihre Belange einfühlen, ihnen vertrauen. Ein Forderungskatalog, der in anti-hierarchischen Zeiten auchan Manager gerichtet sein könnte.

Für ihren Umgang mit der Erkrankung erfuhren Mohringund Schwesig Wertschätzung aus der Bevölkerung wie auseigenen Reihen. Kurz nach Schwesigs Erklärung twitterte

HR & ICH ZOOM

die an Multipler Sklerose leidende Co-ParteivorsitzendeMalu Dreyer ein Foto von einer Parteiversammlung, aufdem alle Beteiligten mit den Händen ein Herz formen.

Die Demut vor dem Leben als Zeichen dafür, verstandenzu haben? Das wäre was. Ja, wir verlassen das „Raumschiff“und kehren auf den Boden zurück. Und ja, wir haben eineVorbildfunktion und füllen sie aus: Wenn’s Euch nicht gutgeht, liebe Leute, dann teilt Euch anderen mit, sucht Aus-tausch und Unterstützung. Denn ob in Politik oder Wirt-schaft: Es kann schwerlich genug Spitzenkräfte geben, dieder Angst vor Offenheit trotzen und glaubwürdig über ihreHandicaps sprechen (siehe Seite 15). Und zwar nicht erst,wenn die Spekulationen ins Kraut schießen.

Deshalb wirkt das Verhalten der ersten Entscheidungsträ-gerin im Lande so befremdlich. Nachdem Angela Merkelbei Staatsempfängen wiederholt von einem Tremor heim-gesucht wurde, begleitet sie die Zeremonie nun auf einemStuhl – und gibt auf Fragen nach ihrem Gesundheitszustanddie stets gleiche Antwort: kein ernsthafter Grund zur Sorge.Das erinnert eher an das bekannte Zerrbild von Unfehlbarkeitund unbedingter Stärke und erzeugt Zweifel statt Klarheit.

Auch in Wirtschaft und Verwaltung verschweigen Menschenaus Sorge vor Ansehensverlust und drohendem Karriereknickihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Studien der Uni-versität zu Köln zeigen, dass einem inklusionsfördernden,Diversity-orientierten betrieblichen Klima noch viele Vor-urteile im Wege stehen. Wer etwa als Akademiker und damitals potenzielle Führungskraft unter einer Behinderung leide,falle dauernd aus oder sei nicht belastbar genug, teilten Fir-menvertreter den Forschern mit. Beschäftigen Unternehmensolche Menschen aber, berichten sie über leistungsbereiteMenschen, die das Arbeitsklima positiv beeinflussen.

Nun ist eine plötzliche, schwere Erkrankung nicht mit einerBehinderung gleichzusetzen. Aber beiden Formen körper-licher Beeinträchtigung ist gemein, dass sie traditionell seltenzur Sprache kommen, in der Politik wie in der Wirtschaft.

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Über Gebrechen sprechenLange Zeit galt: Wer als Politiker schwer erkrankt, kann sich zwischen Durchhalten und stillem Rückzug entscheiden. Jetzt zeigen Betroffene Mut zur Offenheit. Nehmen sich Arbeitnehmer daran ein Beispiel?VON WINFRIED GERTZ

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Worum geht es?Offen über körperliche Leiden zu sprechen, fälltArbeitnehmern schwer

Viele Menschen sind körperlich dauerhaft beeinträchtigt. Lautder Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2012 räumt jeder Dritte im erwerbsfähigenAlter ein, an mindestens einer chronischen Erkrankung zu leiden.Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich dieserTrend fortsetzen. Denn der Anteil der (gesundheitlich relativanfälligen) älteren Beschäftigten nimmt zu.

Wäre es nur nicht so kompliziert, mit der eigenen Schwächeumzugehen. „Viele Erkrankungen sind unsichtbar“, sagt ProfessorDr. Mathilde Niehaus, Inhaberin des Lehrstuhls für Arbeit undberufliche Rehabilitation an der Universität zu Köln. Zu groß seidie Angst vor Ansehensverlust, Ausgrenzung und Karrierenach-teilen. „Diese Herausforderung ist in vielen Unternehmen nochnicht in aller Konsequenz angekommen“, betont Niehaus, diedas Phänomen seit 2003 untersucht. „Ein großer Teil der Betrof-fenen steht mindestens einmal im Berufsleben vor der Frage, sichmit einer Erkrankung zu offenbaren.“

Eine weitreichende Entscheidung, zumal bei Führungskräftenund erst recht bei Managern: Wie wichtig ist das eigene Wohl-ergehen für den Arbeitgeber? Ist die Karriere durch Schweigenoder Verdrängen zu retten? Als der inzwischen pensionierte Vor-standsvorsitzende und Arbeitsdirektor der Heidelberger Druck-maschinen AG, Gerold Linzbach, nach zwei verschleppten Lun-genentzündungen und mit astronomisch hohem Blutdruckzusammenbrach, erklärte sein Umfeld, er habe einen schwerenSkiunfall erlitten. Ohne Umschweife wandte sich hingegen UlrichSchröder, ehemals Chef der staatseigenen Förderbank KfW undim März 2018 verstorben, nach einer Krebsdiagnose an die Beleg-schaft. Während der Chemotherapie werde er kürzertreten undsich interimsweise vertreten lassen.

Woran hakt es?In Unternehmen mangelt es an Wissen und HilfenSich am Arbeitsplatz, zumal in prominenter Position,

zu dauerhaften Leiden zu bekennen, ist ein mutiger Schritt, den– neben der Gesellschaft und prominenten Vorbildern – dasbetriebliche Umfeld erleichtern oder erschweren kann. „DieUnternehmenskultur sowie das Teamklima sind wichtige Hebel“,erklärt Niehaus. „Sie können Befürchtungen über etwaige Dis-kriminierung und Stigmatisierung reduzieren, mögliche positiveKonsequenzen verdeutlichen und die Inanspruchnahme von

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„Es geht um Vertrauen,gelebte Inklusion und ein

authentisches Interessean der Gesundheit der

Mitarbeiter.“Mathilde Niehaus, Inhaberin des Lehrstuhls

für Arbeit und berufliche Rehabilitation, Universität Köln

Unterstützung fördern.“ Konkret geht es laut der Forscherin um„Vertrauen, gelebte Inklusion und ein authentisches Interessean der Gesundheit der Mitarbeiter“.

Und vielfach mangelt es nicht nur an Offenheit und Sensibilität.Sondern auch an Wissen über die Folgen von Erkrankungen undan unterstützenden Strukturen und klar definierten Prozessen,etwa für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM).Niehaus: „Führungskräfte und Mitarbeiter sollten wissen, werim Betrieb vertrauensvoll ansprechbar ist, wie die Schwerbehin-dertenvertretung oder der Betriebsarzt.“

Was sollte HR tun? Gesundheit als Anliegen der Organisation bekräftigenZuallererst geht es Niehaus zufolge um ein klares

Bekenntnis: Dass die Gesundheit der Mitarbeiter ein wichtigesAnliegen des Unternehmens und keineswegs ein Tabuthema sei,müsse an führenden Stellen vorgelebt werden. „Positive Beispieleschaffen Vertrauen in die Organisation.“ Wo Krankheit und Ver-letzlichkeit angesprochen werden, sinkt die Furcht davor.

Neben einem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (sieheSeiten 20 bis 29) können Weiterbildungsangebote zum ThemaFührung und Beeinträchtigung dazu beitragen, Berührungsängsteabzubauen. Das hilft neben den Mitarbeitern vor allem den teil-nehmenden Führungskräften und Unternehmenslenkern: Siewerden nicht nur für die Leiden ihrer Mitarbeiter und den Umgangdamit sensibilisiert, sondern auch für die eigenen. Eine Online-Reflexionshilfe (www.sag-ichs.de), die Niehaus’ Team derzeitentwickelt, könnte dazu beitragen. p

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u Internationale Fachkräfte, die für ihr Unternehmenins Ausland gehen, verlassen ihre vertraute Welt füreine unter Umständen sehr andersartige Kultur. Handeltes sich dabei um den ersten internationalen Umzug,kann diese Situation für zukünftige Mitarbeiter mithoher Unsicherheit verbunden sein: Was, wenn dasGehalt nicht ausreicht, um die Lebenskosten zu decken?Was, wenn der Lebenspartner im neuen Heimatlandkeine Arbeit findet? Arbeitgeber gewinnen viel, wenn sie die Bedenken ihrerinternationalen Mitarbeiter kennen und diese im Rah-men des Pre-Onboardings adressieren. Zum einenbauen sie dadurch eine persönliche Beziehung zu denneuen Mitarbeitern auf, zum anderen können sie früh-zeitig auf Risiken in der Beziehung zwischen Arbeitgeberund Mitarbeiter aufmerksam werden.

1 Bedenken vor der Umsiedlung

Fakt: Internationale Mitarbeiter machen sich vor ihrerUmsiedlung vor allem über folgende Themen Sorgen: l hohe Lebenskosten,l Sprachbarriere,l Distanz von Heimatland/Familie,l Schwierigkeiten, Freunde zu finden,l Kulturschock, l Unzufriedenheit des Partners/der Familie. Betrachtet man die Lebenszufriedenheit internationalerFachkräfte nach ihrer Umsiedlung, so fällt auf, dass

einige dieser Bedenken nur wenig begründet sind. Gera-de die sehr häufige Sorge vor zu hohen Lebenskostenkommt nach der Umsiedlung nur bei sehr wenigenMitarbeitern tatsächlich zum Tragen. Auch die Sprach-barriere und der Kulturschock zählen aus globaler Per-spektive eher zu den überschätzten Problemen. Demgegenüber kann die Unzufriedenheit des Lebens-partners mit dem Leben im Ausland ein hohes Risikofür die Zufriedenheit des Mitarbeiters bedeuten – unddamit auch für die Mitarbeiterbindung. Gelingt es demPartner nicht, sich im Ausland mittelfristig einzuleben,so endet die Entsendung meist mit einer verfrühtenRückkehr des Paares. Unterschätzt wird auch dieHerausforderung, außerhalb der Arbeit neue Freundeund Unterstützer zu finden. Transfer: Arbeitgeber sollten schon während des Pre-Onboardings die persönlichen Bedenken und Heraus-forderungen berücksichtigen, die internationale Mit-arbeiter mit dem Umzug in ein anderes Land verbinden.Dafür eignet sich ein Orientierungsgespräch vor demUmzug, das den Mitarbeiter und, falls vorhanden, denLebenspartner einschließt. Im Entsendungsmanagementgroßer Unternehmen haben sich sogar eigene Partner-unterstützungsprogramme herausgebildet. Die Perso-nalverantwortlichen sollten dazu anregen, Bedenkenzum neuen Lebensalltag offen auszusprechen. Es gilt,unbegründete Sorgen zu entkräften und in begründetenFällen hilfreiche Informationen oder direkte Unter-stützung anzubieten.

2Mehr Leistungen und mehr Ausgewogenheit

Fakt: Laut der Studie erhalten weltweit 60 Prozent allerinternationalen Fachkräfte bei ihrer Umsiedlung insAusland entweder finanzielle Unterstützung oder Relo-cation-Leistungen vom Arbeitgeber. Die finanzielle

HR & ICH PRAXISTRANSFER

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Die Studie von Internations Business Solutions untersucht, was internationale Fachkräfte vor ihrerUmsiedlung bewegt und was sie im neuen Heimatland vor Herausforderungen stellt. An der Expat-Insider-Befragung haben 20 259 Expats teilgenommen, darunter 4690 internationale Fach -kräfte. Auf ihren Antworten basieren die Ergebnisse der „Expat Insider 2019 Business Edition“.https://business.internations.org/expat-insider

Die Studie

Bindung internationaler MitarbeiterVor welchen Herausforderungen stehen Mitarbeiter, die für ihr Unternehmen in ein anderes Land ziehen? Und wie können HR-Verantwortliche und Führungskräfte bei der Eingewöhnung helfen? Dies untersucht eine Studie von Internations Business Solutions.

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Unterstützung überwiegt dabei. Relocation-Leistungenumfassen ein breites Spektrum an Benefits, die vor,während oder nach der Umsiedlung zum Einsatz kom-men und die entweder von externen Dienstleisternoder von der HR-Abteilung erbracht werden. In derStudie liegt der Fokus auf Leistungen, die internationaleMitarbeiter organisatorisch entlasten oder ihre per-sönliche Eingewöhnung im neuen Heimatland unter-stützen. Auffällig ist dabei, dass Arbeitgeber deutlichhäufiger organisatorische Unterstützung anbieten, wiezum Beispiel Hilfe beim Aufbau einer persönlichenInfrastruktur oder die Organisation des Umzugs. Deut-lich seltener erhalten internationale Mitarbeiter eininterkulturelles Training, Angebote zum sozialen Mit-einander und Networking oder Angebote zum beruf-lichen Networking. Dieses Ungleichgewicht kann für die Mitarbeiterzu-friedenheit negative Folgen haben. Internationale Mit-arbeiter werden sich vielleicht kurzfristig darüber freuen,dass ihr Haushalt pünktlich angeliefert wurde, dochdie Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie lange Zeitdamit kämpfen, soziale Kontakte zu knüpfen. Die Bedeu-tung sozialer Kontakte für ein erfolgreiches Leben undArbeiten im Ausland scheint an vielen Stellen der Studiedurch: Internationale Mitarbeiter, die über eine verfrühteRückkehr in ihr Heimatland nachdenken, geben alshäufigstes Motiv Einsamkeit an. Transfer: Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter beim Umzugund der Eingewöhnung im neuen Heimatland unter-stützen, schaffen eine Vertrauensbasis, und das unab-hängig davon, ob sie bei finanziellen, organisatorischenoder persönlichen Bedürfnissen ansetzen. Für eine wirk-lich positive Onboarding-Erfahrung ist eine gut durch-dachte, ausgewogene Unterstützungsstrategie für dieMitarbeiterbindung unverzichtbar. Eine Umzugspau-schale beispielsweise ist bei internationalen Mitarbeiternsehr beliebt, doch ihre emotionale Bindungskraft istvergleichsweise gering. Im Idealfall erhält der Mitarbeiterein gut abgerundetes Paket, das ihn organisatorisch wiepersönlich in die Lage versetzt, sich möglichst schnellund übergangslos im neuen Land einzugewöhnen. Nebendem Aufbau einer privaten Infrastruktur bedeutet diesvor allem, dabei zu unterstützen, neue soziale Bindungenaufzubauen und außerhalb der Arbeit regelmäßige Frei-zeitaktivitäten zu teilen. Davon profitiert auch der Arbeit-geber: Mitarbeiter, die sich im neuen Land akzeptiertund eingebunden fühlen, sind zufriedener und damitauch am Arbeitsplatz leistungsfähiger.

3 Regelmäßiges Feedback zur Integration

Fakt: Die Eingewöhnung in die neue Kultur und All-tagswelt kann bei internationalen Mitarbeitern deutlichlänger dauern als das berufliche Onboarding. Laut derStudie geben 59 Prozent aller internationalen Fachkräftenach sechs Monaten an, dass sie sich an ihren neuenArbeitsplatz gewöhnt hätten. Aber: Nur 54 Prozentfühlten sich nach dieser Zeit im neuen Heimatland zuHause, und nur 58 Prozent sind mit ihrem Sozial- undFreizeitleben zufrieden. Den Aufbau neuer Freund-schaften erlebt gut ein Drittel von ihnen auch nach dreibis fünf Jahren noch als schwierig. Transfer: Für die Führungskräfte internationaler Fach-kräfte gilt: Das persönliche Wohlbefinden ihrer inter-nationalen Mitarbeiter darf und sollte stärker in denFokus rücken. Besonders die soziale Integration sollteregelmäßig in Feedbackgesprächen Raum bekommen,da vom Aufbau eines neuen Netzwerks viele anderepositive Entwicklungen im Leben der internationalenFachkräfte abhängen: ein erfülltes Freizeitleben, beruf-liche Zufriedenheit und Produktivität, eine bessere Ein-bindung und Zufriedenheit der Familie. Vorgesetztesollten im Feedbackgespräch mehrere Aspekte der Inte-gration im Blick behalten. Wie geht es dem Mitarbeitermit der Eingewöhnung im neuen Heimatland insgesamt?Nutzt er die Angebote zur sozialen Vernetzung? Nutzter Freizeitangebote? Wie erlebt der neue Mitarbeiterden Kontakt zu den Einheimischen? Falls der Mitarbeitermit Lebenspartner und/oder Familie umgezogen ist:Wie kommt die Arbeitssuche des Partners oder dieSuche nach einer festen Wohnung voran? Wie geht esder Familie mit der Schule/Betreuungseinrichtung?

Fazit: In der Unternehmenspraxis kommt es bisherselten vor, dass Führungskräfte oder Personaler sichin dieser Intensität für die private Integration ihrerinternationalen Mitarbeiter einsetzen. Betrachtet manden hohen Aufwand, der mit der Rekrutierung vonSpezialisten aus dem Ausland verbunden ist, bietetdieser Ansatz jedoch einen wirkungsvollen Hebel fürdie Mitarbeiterbindung. Auch unter internationalenFachkräften macht sich der Einfluss neuer Generationenund eine neue Bewertung von Arbeit und Freizeitbemerkbar. Persönliche Erfüllung in beiden Bereichengilt den Young Global Talents als selbstverständlich –besonders wenn sie dafür den Umzug in ein anderesLand in Kauf nehmen. p

AUTOR

Ingo Priebsch, Team Lead, Business Solutions, InterNations GmbH, München,[email protected]

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HR & ICH LEBENSLÄUFE

Die zweite KarriereVerena Adam von Strenge arbeitet seit jeher in progressiven Geschäftsfeldern.Dazu zählt auch die Musikbranche, in der sie einst internationale Bekanntheit erlangte.

Verena Adam von StrengeVP People & Culture bei Liqid Investments GmbH

PersonalienGeburtsdatum und -ort: 27. Juli 1975, MünsterFamilienstand: verheiratet

Ausbildung und Studium2003–2009 Technische Universität Berlin Psychologie, Abschluss: Diplom

seit August 2019 Liqid Investments GmbH, Berlin VP People & Culture2015–2019 Plista GmbH, Berlin Director Human Resources 2011–2014 Plista GmbH, Berlin Head of Human Resources2009–2011 Jesta Digital GmbH (zuvor Fox Mobile Group), Berlin Manager Human Resources2006–2009 Fox Mobile Group (zuvor Jamba! GmbH), Berlin International Recruiter1995–2006 Diverse Veröffentlichungen als Sängerin, unter anderem

mit dem Musikprojekt „Dune“

HobbysYoga, Musik, Biografien

Foto

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Personalwirtschaft 12_2019 19

Warum sind Sie nach Ihrer musikalischen Karriere ins HR-Fach gewechselt?Ich spürte immer, dass die Musik nur ein Ausflug ist, richtig zu Hausehabe ich mich in der Musikindustrie nicht gefühlt. Den Wunsch,Psychologie zu studieren, trug ich schon länger mit mir herum. 2003habe ich dann einfach angefangen und wusste sofort, dass es dasRichtige ist. Ich hatte wahnsinnige Lust, neue Dinge zu lernen, mirWissen zu erschließen und habe mich richtig reingestürzt. Über meinPflichtpraktikum bei Jamba kam ich schließlich zu HR.

Plista, eine Content- und Werbeplattform, ist während IhrerTätigkeit in dem Unternehmen stark gewachsen. WelcheFaktoren halten Sie im Recruiting-Prozess für besonderswichtig?Als ich 2011 zu Plista stieß, herrschten dort Start-up-Strukturen.So besetzten wir zunächst einige strategisch wichtige Positionen,in denen Führungskompetenz und -erfahrung gefordert war.Gemeinsam mit diesen Hiring Managern haben wir dann Teamswie Sales oder Product Management auf- und ausgebaut. EmployerBranding war ein wichtiger Punkt, denn Plista war als Arbeitge-bermarke weitestgehend unbekannt. Der Interviewprozess sollteoptimal strukturiert sein: Welche Stakeholder sprechen nebendem Hiring Manager mit den Kandidaten? Keine Kompromissebeim Hiring! Keine Schnellschüsse, wenn man sich nicht zu 100Prozent sicher ist. Expertise und Skills sind wichtig, für mich sindjedoch die Motivation, Offenheit und Lernbereitschaft entscheidend.

Liqid versteht sich als „digitale Alternative zur Privatbank“.Was reizte Sie an der Aufgabe?Nach einigen Jahren in der AdTech-Welt wünschte ich mir frischenWind und einen Branchenwechsel. Finanztechnologien habenmich schon lange interessiert. Liqid verbindet das hochdigitaleund innovative Umfeld eines Fintech-Start-ups mit der klassischenWelt und dem Wertesystem eines Vermögensverwalters. In unse-rem Team arbeiten Experten aus beiden Welten gemeinsam aneiner digitalen Alternative zur Privatbank.

Wie würden Sie Ihren Lebenslauf in drei Adjektivenumschreiben?Vielfältig, gestalterisch, digital

Angenommen, wir könnten die Zeit zurückdrehen:Wo wären Sie gern länger geblieben? Wo wären Siegern früher gegangen? Könnte ich die Zeit zurückdrehen, so würde ich dieersten ein bis zwei Jahre in der Musikindustrie mehrgenießen und bewusster erleben. Damals kam allessehr plötzlich und ich konnte nicht wirklich einordnen,was passiert. Dass andere Künstler jahrelang auf dashinarbeiten, was uns mit der ersten Single glückte, habeich erst nachher realisiert.

Welche Lücke hat Ihr Lebenslauf? Wenn man „Lücke“ als unfreiwillige Unterbrechung defi-niert, gab es eigentlich keine. Während meiner Musikkar-riere habe ich auch andere Ansätze verfolgt, zum Beispieleine Yogalehrerausbildung gemacht oder ein Praktikumin der Unterhaltungsabteilung eines großen TV-Senders.Meine besten „Lücken“ sind sicherlich die Elternzeitenfür meine beiden Töchter, einmal sechs, einmal zwölfMonate. Spricht man mit Bewerbern, dann sind Wendun-gen oder Auszeiten im Lebenslauf manchmal die span-nendsten Momente. Zäsuren, bei denen bewusst ein neuerWeg eingeschlagen wurde.

Wo liegen Ihre Talente?Ich bin diszipliniert, lerne gern neue Dinge und sehe in Veränderung eher Chance als Schwierigkeit.

Schauen wir in die Zukunft: Welche Stationen sollen infünf oder zehn Jahren hinzugekommen sein? Tatsächlich plane ich meine Karriere nicht strategisch, son-dern verlasse mich auf meine Intuition. Mir ist es wichtig,gestalterisch in einem agilen Umfeld arbeiten zu können,mit Kollegen, die ebenso viel Leidenschaft für Unterneh-menskultur und Talent Development mitbringen wie ich.Ohne Spaß bei der Arbeit und einen guten Teamzusam-menhalt geht es für mich nicht. Es gibt allerdings vieles, wasich in den nächsten Jahren lernen möchte: Als Ergänzungzu meinem Psychologiestudium möchte ich Ausbildungenin Klärungshilfe und Gewaltfreier Kommunikation machen,beide Ansätze können in komplexen Teamdynamiken unge-mein hilfreich sein.

Als Sängerin von Hits wie „Million Miles from Home“wurden Sie international bekannt. Wie blicken Sie heuteauf diese Zeit zurück?Der Erfolg mit Dune kam damals sehr schnell und überra-schend. Ich ging noch zur Schule, und plötzlich tourten wirquer durch Europa und erhielten Gold- und Platinauszeich-nungen. Ich war ein eher unsicherer Teenager und musstemich plötzlich auf ständig wechselnde Situationen und vieleneue Menschen einlassen. Rückblickend betrachtet hat mirdas sehr geholfen, Selbstsicherheit zu erlangen.

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TITEL BGM

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Im Auge des ChangeEs tut sich etwas im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Das zeigt die Neuauflage der Studie„BGM im Mittelstand“, die die Zeitschrift Personalwirtschaft zusammen mit der Techniker Krankenkasse, dem Fürstenberg Institut und der ias-Gruppe ins Feld geführt hat. Doch mindestensunter einem Aspekt gibt es noch großen Nachholbedarf.VON CHRISTIANE SIEMANN

Der Schwerpunkt im Überblick:

Seite 20 Die Studie in der AnalyseSeite 26 Natalie Lotzmann über Gesundheitsmanagement bei SAPSeite 28 Das Praxisbeispiel Hamburger Volksbank

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21Personalwirtschaft 12_2019

BGM muss sein: Annähernd 87 Prozent der Unterneh-men wissen laut Untersuchung um die Wichtigkeiteines ganzheitlichen Gesundheitsmanagements fürzufriedene und leistungsfähige Mitarbeiter. 13 Prozentder Befragten gaben dagegen an, dass das Thema beiihrem Arbeitgeber eine geringe Rolle spiele. Im Vergleichzu der Studie 2015 hat sich der Stellenwert des BGMleicht erhöht. Mit den eingesetzten Maßnahmen verfolgen die Unter-nehmen vor allem zwei Ziele: Sie wollen die Zufrie-

denheit der Mitarbeiter stärken, weil diese dann moti-vierter sind, sich mehr mit dem Betrieb identifizierenund folglich stärker daran gebunden sehen. Nahezugenauso wichtig ist es den Unternehmen, ein hohesGesundheits- und Leistungsniveau zu sichern, das Pro-duktionsausfälle zu vermeiden hilft (Abbildung 1): Ingrößeren Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiternsoll BGM außerdem auf das Arbeitgeberimage einzahlen(Rang 3 im Vergleich zu Rang 4 in der Gesamtdarstel-lung).

1 Gesundheit ist gesetzt

Hauptsache zufriedene Kollegen Abbildung 1

Die Frage: „Welche Ziele verfolgt Ihr Unternehmen mit BGM?“ (Mehrfachnennungen möglich)

N = 284

Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit

Nachhaltig hohes Gesundheits- und Leistungsniveau der Mitarbeiter

Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz

Besseres Arbeitgeberimage

Begleitung der Mitarbeiter durch die digitale Transformation

Wir verfolgen keine gesonderten Ziele mit BGM

100 %0 %

75,0

69,0

57,0

53,2

12,3

15,1

neuen Herausforderungen und psychischen Belastun-gen stehen, sollte BGM eine andere Qualität haben.Die neu aufgelegte BGM-Studie blickt deshalb unteranderem auf die Themen digitaler Wandel und Arbeits-belastung.

Rund 300 Verantwortliche gaben über einen Online-Fragebogen Auskunft darüber, welche Ziele sie mitBGM verfolgen, wie sie den Gesundheitszustand imBetrieb analysieren, welche Maßnahmen sie ableitenund umsetzen, wo die Ursachen für psychische Belas-tungen der Mitarbeiter zu verorten sind und wie sichdie Digitalisierung auf ihren Betrieb und die Gesundheitder Mitarbeiter auswirkt. Die wichtigsten Trends derStudie sind im Folgenden zusammengefasst.

uWenn es um das Gesundheitsmanagement in mit-telständischen Betrieben geht, lautet die Diagnose seitvielen Jahren: Sie kränkeln noch. Zu den auffälligstenSymptomen zählt dabei die meist fehlende strategischeVerankerung des Themas. Auch die 2015 von der Zeit-schrift Personalwirtschaft veröffentlichte Studie „BGMim Mittelstand“ offenbarte: Unternehmen beschränkensich gerne auf die sogenannte Verhaltensprävention,also auf die Aufforderung an den einzelnen Beschäf-tigten: „Sorge für Deine individuelle Gesundheit, nimman Rückenschulungen teil und treibe mehr Sport.“

Spätestens in heutigen Zeiten, in denen sich durch diedigitale Transformation Arbeitsplätze und Jobprofilezum Teil drastisch verändern und Mitarbeiter vor

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TITEL BGM

Personalwirtschaft 12_2019

Jahrzehntelang galt: Die Arbeitsunfähigkeitsquote (AU)ist das untrügliche Indiz für den Gesundheitszustandder Belegschaft (und den Nutzennachweis von BGM).So belegte die Fehlzeitenanalyse in der Studie 2015 Platzeins unter den Analyseinstrumenten. Heute sieht dasganz anders aus. Um herauszufinden, wie es den Beschäf-tigten geht, setzen die befragten Betriebe an erster Stelleauf Mitarbeitergespräche und -befragungen.

Hinter diesem Wandel steckt ein Erkenntnisprozess:Krankheitsbedingte Ausfallstatistiken sagen nichts überdas Befinden der (noch) gesunden Mitarbeiter aus.Außerdem verleitet die AU-Quote zu falschen Inter-pretationen. Liegt sie zum Beispiel in einem Jahr außer-ordentlich hoch, kann das an einer Grippewelle liegenund nicht an mutmaßlich unmotivierten Mitarbeitern,die aus Frust krankfeiern.

2 Kommunikation statt AU-Statistiken

Dass die Verhältnisse am Arbeitsplatz einen maßgeb-lichen Einfluss auf die individuelle Gesundheit derBeschäftigten haben, ist im Mittelstand angekommen.Gefragt nach den häufigsten Ursachen für psychischeBelastungen der Mitarbeiter nennen die Studienteil-nehmer zuerst die Arbeitsverdichtung und eine„schlechte Führungskultur“ (Abbildung 2). Damitbestätigen sie gängige wissenschaftliche Erkenntnisse,

nach denen das Arbeitsklima sowie die Leistungs-fähigkeit und das Stressempfinden der Mitarbeiterwesentlich vom Führungsverhalten abhängen. Eine große Mehrheit der befragten Betriebe sieht diesenZusammenhang und handelt danach: Führungskräf-teschulungen haben für sie – neben dem gesetzlich ver-ankerten Wiedereingliederungsmanagement (BEM) –höchste Priorität.

3 Der Lohn guter Führung

Risikofaktoren: Volle To-do-Listen und schlechte Chefs Abbildung 2

Die Frage: „Was sind aus HR-Sicht die häufigsten Ursachen für psychische Belastungen oder Erkrankungen?“ (Mehrfachnennungen möglich)

N = 284

Arbeitsverdichtung

Schlechte Führungskultur

Ärger im Team

Private Probleme

Permanente Veränderungen/Schnelllebigkeit

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Angst vor Jobverlust/Zukunftsängste

100 %0 %

71,1

70,8

53,5

45,8

45,4

34,9

23,9

Eigentlich ist Betriebliches Gesundheitsmanagementein systematischer Prozess, der in der Regel von derGeschäftsleitung „top down“ eingeführt wird – indem Wissen, dass es eine umfassende und nachhaltigeEntwicklung erfordert, gesundheitsfördernde Arbeits-bedingungen zu verankern. Umso mehr erstaunt,

dass die Führungsriege nicht kontinuierlich informiertist oder informiert wird. Die Aussage „Das Top-Management unseres Unternehmens erfährt so gutwie nichts über den tatsächlichen Gesundheitszustandder Mitarbeiter“ wird von einem Drittel der Befragtenbejaht.

4 Top-Management nicht richtig eingebunden

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Frage an Dr. Alexandra Schröder-Wrusch, Vorstand ias-Gruppe: Warum ist die psychische Gefährdungsbeurtei-lung wichtig und wie können Unternehmen sie praxisnahumsetzen?

‹ Die Belegschaft gut durch den Wandel in der Arbeitswelt zuführen, erfordert ein genaues Bild darüber, wie sie mit den Ver-änderungen zurechtkommt. Die GB Psych ist ein sehr wichtigesInstrument, um das in Erfahrung zu bringen. Stress und Belas-tungen werden individuell unterschiedlich erlebt. Daher empfiehltsich eine strukturierte Befragung der Beschäftigten, sodass Unter-

nehmen Antworten erhalten, mitdenen sie konkret weiterarbeitenkönnen. Die Erhebung psychischerBelastungen hilft, mögliche Pro-blemfelder zu erfassen – und zwarbevor sie sich in erhöhtem Kranken-stand, sinkender Leistungsfähigkeit odersteigender Fluktuation manifestieren. Wenn die Ergebnisse genutztwerden, passende Maßnahmen zu ergreifen, haben Arbeitgebereine große Chance, die Leistungsfähigkeit des Einzelnen und desUnternehmens zu sichern.

„Die GB Psych hilft, Probleme früh genug zu erfassen“

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Das Nachhalten kommt zu kurz Abbildung 3

Die Frage: „Psychische Belastungen führen immer häufiger zu Erkrankungen von Mitarbeitern. Wie geht Ihr Unternehmen damit um?“ (Mehrfachnennungen möglich)

N = 284

Die psychische Belastung der Mitarbeiter wird ermittelt

Maßnahmen werden entwickelt und umgesetzt

Die psychische Belastung der Arbeit wird beurteilt

Tätigkeiten/Bereiche für die Gefährdungsbeurteilungpsychischer Belastungen sind festgelegt

Das Vorgehen zur Gefährdungsbeurteilungpsychischer Belastungen wird dokumentiert

Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird kontrolliert

Das Vorgehen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen wird aktuell gehalten/fortgeschrieben

Keine Maßnahmen und Aktivitäten im Zusammenhangmit Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

50 %0 %

47,5

45,8

43,3

39,8

34,9

31,3

31,0

30,3

dass den Betrieben im Lauf des Prozesses die Luft ausgeht(Abbildung 3). Nur ein Drittel der Befragten gibt an, ihreArbeitgeber vollendeten den Prozess, inklusive passenderunterstützender Maßnahmen, die den psychischen Stressder Mitarbeiter minimieren. Dabei hat der Grund für den damaligen Eingriff desGesetzgebers immer noch Bestand: Die Anzahl der Fehltagewegen seelischer Beschwerden steigt an, sie sind nichtnach einer Woche auskuriert, sondern werden häufigchronisch und führen zur Verrentung. So erhielten 2018bundesweit 71 319 Personen erstmals eine Erwerbsmin-derungsrente aufgrund psychischer Störungen. Das ent-spricht laut Bundesarbeitsministerium einem Anteil von42,9 Prozent der Erstbezieher.

Seit Ende 2013 fordert das Arbeitsschutzgesetz explizitdie Berücksichtigung der psychischen Belastung in derGefährdungsbeurteilung (GB Psych). Der Erhebung zufol-ge kommt rund die Hälfte der Unternehmen dieser For-derung nach. Das ist ein deutliches Plus im Vergleich zu2015 (rund 35 Prozent). Allerdings variiert dieser Wertstark: Unter Betrieben mit weniger als 500 Mitarbeiternkommt die psychische Gefährdungsbeurteilung bei etwa45 Prozent zum Einsatz, bei größeren Arbeitgebern sindes über 70 Prozent. Viele Unternehmen ducken sich also weg. Genauer gesagt,gehen zwar immer mehr das Thema an, wie die Befragungzeigt. Schaut man aber auf die vom Gesetzgeber empfoh-lenen Schritte der Gefährdungsbeurteilung, wird deutlich,

5 Psychische Gefährdungsbeurteilung: Es tut sich was – aber zu wenig

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24 Personalwirtschaft 12_2019

Frage an Reinhild Fürstenberg, Geschäftsführerin Fürstenberg Institut: Wann und wie sollte BGM bei Transformationsprozessen in Unternehmen eine Rollespielen?

‹ Gesunde, leistungsfähige Mitarbeiter und Führungskräftebilden gerade in Veränderungsprozessen eine wichtige Säule.Wer psychisch stabil ist, kann sich in der Regel leichter auf Ver-änderungen und die häufig damit einhergehende Mehrarbeitoder -belastung einstellen und bringt mehr Flexibilität sowieBegeisterung mit, um neue Situationen anzunehmen und mit-

zugestalten. BGM sollte deshalb nichterst zu Beginn eines Veränderungs-prozesses etabliert, sondern ganz-heitlich und präventiv aufgestelltwerden. Wenn es in den Organisa-tionsstrukturen und der Führungs-strategie verankert ist, kann BGM dieBelegschaft langfristig stärken, sodass beizusätzlichen Herausforderungen und veränderten Rahmen-bedingungen Fehlzeiten aufgrund psychischer Belastungengering bleiben.

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erg

Die Stellungnahmen zu zwei Thesen der Studie unter-mauern diesen blinden Flecken im BGM (Abbildung4). Fast die Hälfte der Befragten verneinen die Aussage,dass BGM bei einer organisatorischen Veränderungim eigenen Unternehmen eine wichtige Rolle spielt.Und gut 42 Prozent der Befragten stimmen der Aussagezu, dass der Einfluss von Schnelllebigkeit und Arbeits-verdichtung auf die seelische Gesundheit der Mitarbeiterim eigenen Unternehmen nicht besonders beachtetwird. Nimmt man die Ergebnisse zur psychischenGefährdungsbeurteilung hinzu, ergibt sich ein plausibles,aber bedenkliches Bild.

Organisatorische Veränderungen, Arbeitsplatzunsi-cherheit, kürzere Innovationszyklen, höhere Lernan-forderungen – für fast die Hälfte der Studienteilnehmergehen mit der Digitalisierung große Herausforderungeneinher.Dennoch spielt BGM im Zuge der Transformation ver-gleichsweise selten eine Rolle. Für nur 12 Prozent derStudienteilnehmer ist die Begleitung der digitalen Trans-formation ein explizites BGM-Ziel (Abbildung 1). Beigrößeren Unternehmen (mit mehr als 500 Mitarbeitern)sind es immerhin 21 Prozent – aber auch das beeindrucktnicht.

6 Der blinde Fleck – die Schnittstelle von digitalem Wandel und BGM

Mehrheitlich gering geachtet: Die Folgen des Change Abbildung 4

„Stimmen Sie der folgenden These zu?“

Der Einfluss von Arbeitsverdichtung und Schnelllebigkeit auf die seelische Gesundheit wird in unserem Unternehmennicht besonders beachtet

N = 284 ja nein weiß nicht

BGM spielt bei organisatorischen Veränderungen einewichtige Rolle in unserem Unternehmen

0 % 60 %

42,6

45,8

11,6

37,3

47,2

15,5

TITEL BGM

„Gesunde Mitarbeiter sind flexibler“

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Wer kümmert sich um die betriebliche Gesundheit imUnternehmen? In den meisten Organisationen nimmt einPersonalreferent dies als Zusatzaufgabe wahr (32 Prozent).In annähernd genauso vielen Betrieben gibt es gar keinenexplizit beauftragten Mitarbeiter für die Aufgabe. Nur einFünftel der Befragten kann auf einen hauptverantwortlichenBGM-Experten verweisen.Und apropos Expertise: Jedemzweiten BGM-Zuständigen fehlt ein besonderer Qualifi-kationsnachweis für die BGM-Arbeit. Dabei sind die betrieblichen Gesundheitsmanager quali-fizierte Fachkräfte, die nicht nur Analysen fachkundiginterpretieren und aus den Ergebnissen Maßnahmen ablei-ten können; sie steuern den gesamten BGM-Prozess imSinne der Unternehmensziele und sind auch Schnittstellefür Führungskräfte.

7 Gesundheitsmanager sind rar

Bei den Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ergibtsich folgendes Bild: Neben den Verfahren, die der gesetz-lich verpflichtende Arbeitsschutz (Platz 1) erfordert,bieten die Unternehmen vor allem Bewegungstrainingsan und arbeiten an der besseren Vereinbarkeit vonFamilie und Beruf (als Verhältnisprävention). Auf Platzvier liegen Maßnahmen, die den besseren Umgang mitStress schulen. Digital gestützte Instrumente spielen in der Gesund-heitsförderung insgesamt noch keine große Rolle. Wäh-rend Informationsplattformen oder Webinare immerhinin vier von zehn teilnehmenden Unternehmen zumEinsatz kommen, haben Tracking-Tools, Apps für digi-tales Coaching oder die Telemedizin bei den befragtenMittelständlern nahezu keine Bedeutung.

8 Großes Spektrum von BGF-Maßnahmen

Bei allen Fortschritten, die das BGM im Mittelstand zu machenscheint, hat es einen großen Schwachpunkt. 58 Prozent der Befrag-ten sind der Meinung, „dass BGM in unserem Unternehmen(noch) nicht nachhaltig genug ist, weil viele Maßnahmen Eintags-fliegen sind“. Nur 26 Prozent der Betriebe arbeiten mit einemübergreifenden BGM-Konzept und nur 39 Prozent leiten aus denAnalysen regelmäßige Maßnahmen ab.

Frage an Dr. Sabine Voermans, Leiterin Gesundheitsmanagementder Techniker Krankenkasse:Wie können es Unternehmen schaffen,Betriebliches Gesundheitsmanagement nachhaltig zu verankern?

BGM sollte sowohl auf den einzelnen Mitarbeiter abzielen als auchauf die Verhältnisse im Betrieb. Dabei müssen die beidseitigen Maß-nahmen parallel und vernetzt laufen. Betriebliche Gesundheitsför-derung wird auf Dauer ins Leere laufen, wenn Unternehmensleitungund Führungskräfte sie nicht unterstützen, indem sie als Wissens-träger, Promotor und Vorbilder agieren. Ebenso ist das permanenteFeedback der Beschäftigten wesentlich, da sie am besten wissen, was

an ihren Arbeitsplätzen gut läuft und wo esVerbesserungspotenzial gibt. Wichtig sindaußerdem eine gewisse personelle Stabi-lität und klare Verantwortlichkeiten undOrganisationsstrukturen – Aufgaben undKompetenzen müssen eindeutig definiertsein. BGM-Beauftragte agieren dabei als Orga-nisationsentwickler und Berater. Sie stoßen Projektean, setzen sie in der Koordination mit anderen um, überprüfen dieResonanz und sorgen zusammen mit dem Management für eineWeiterentwicklung des eingeschlagenen Weges.

„Klare Verantwortlichkeiten sind wichtig“

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9 Zu viele Eintagsfliegen

Die Studie „BGM im Mittelstand 2019“

Die Befragung zur Studie wurde im Sommer2019 von der Lueerssen GmbH im Auftrag derZeitschrift Personalwirtschaft durchgeführt.Daran haben 284 Unternehmen teilgenommen,die überwiegend dem Mittelstand zuzuordnensind (zwei Drittel der Unternehmen beschäftigenweniger als 500 Mitarbeiter). Studienpartnersind das Fürstenberg Institut, die ias-Gruppe unddie Techniker Krankenkasse. Die komplettenStudienergebnisse können in der Redaktion derPersonalwirtschaft ([email protected]) oder bei den Partnerunternehmen angefordert werden.

Eine Studie der Zeitschrift Personalwirtschaft in Zusammenarbeit mit:

BGM IM MITTELSTAND 2019Das Betriebliche Gesundheitsmanagement in Zeiten der digitalen Transformation

STUDIEPersonalwirtschaft

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u Personalwirtschaft: Frau Dr. Lotzmann, Sie sagten einmal,Führungskräfte seien für die Gesundheit von Mitarbeitern wich-tiger als der Hausarzt. Wer spricht denn schon mit seinem Chefüber Erkrankungen oder gar seelische Probleme? Natalie Lotzmann: Wenn die Führungskraft ihre Mitarbeiterdabei unterstützt, sich als Mensch ganz einzubringen, ist damiteine Basis gelegt, um resilient, also weniger anfällig für Krankheitenzu werden. Und bei einem guten Vertrauensverhältnis sollte manauch über seelische Probleme sprechen können.

Sie streben eine „gesunde“ Kultur an. Was ist darunter zu ver-stehen?Kultur ist die Summe der aus- und unausgesprochenen Regeln,einschließlich der Prozesse, Strukturen und der Kommunikation.Sie kann krank machen oder Gesundheit fördern. Tritt die Unter-nehmensleitung glaubwürdig dafür ein, dass ihr das subjektiveErleben der Mitarbeiter wichtig ist, engagieren sich Mitarbeiterund bringen ihre Meinung ein. Eine intakte Feedbackkultur hilft,Arbeitsbedingungen besser zu gestalten.

In der jährlichen Mitarbeiterbefragung erhebt SAP Daten zunicht finanziellen Sachverhalten, aus denen auch der sogenannteGesundheitskulturindex, kurz BHCI, berechnet wird. Sie behaup-ten, solche Indikatoren hätten starkenEinfluss auf das Betriebsergebnis. Woraufgründet sich Ihre Zuversicht?Dass Wohlbefinden oder Zugehörigkeits-gefühl der Mitarbeiter zu positivenGeschäftsergebnissen führen, sagt schonder gesunde Menschenverstand. Wir woll-ten dies für SAP objektivieren. Wir ermit-teln jährlich die Wahrnehmung unserer Mitarbeiter zu neunThemen – Partizipation, Wertschätzung, Stress und so weiter –und untersuchen sie in Kooperation mit einem unabhängigenWirtschaftsprüfungshaus daraufhin, wie sie das konkreteGeschäftsergebnis beeinflussen. Dabei beziehen wir externeResearch-Daten – etwa zum Zusammenhang zwischen Fitnessund Produktivität – ebenso ein wie interne, zum Beispiel zu Fluk-tuation oder Wiederbeschaffungskosten. Diese Kombinationmacht das Ergebnis valider. Indem wir gezeigt haben, dass gute

Arbeitsbedingungen nicht nur eine Frage sozialer Verantwortung,sondern ökonomisches Gebot sind, konnten wir das ThemaGesundheit und Wohlbefinden aus der Nice-to-have-Ecke heraus-holen.

Wie stark ist der ökonomische Einfluss der besagten FaktorenIhren Berechnungen nach?Ein Prozentpunkt Abweichung im Gesundheitskulturindex wirktsich momentan mit 90 bis 100 Millionen Euro auf das Betriebs-ergebnis aus. Im Jahr 2014, als wir diesen Einfluss erstmals berech-net haben, lag der Index bei 72 Prozent. Seit 2016 bewegen wiruns im internen Zielkorridor von 78 bis 80 Prozent.

Viele Modelle von der Saarbrücker Formel bis zum HumanPotential Index sind an ihrem Anspruch gescheitert, den Einflussnicht finanzieller Aspekte auf das Betriebsergebnis zu erhellen.Was stimmt Sie zuversichtlich, dass Sie richtig liegen? Anders als die genannten Modelle wollten wir keinen Standardsetzen, sondern intern verdeutlichen, wie alles zusammenhängtund dass es sich lohnt, weiter daran zu arbeiten. Es geht um diebestmögliche plausible Annäherung, die unseren innerbetrieb-lichen Anforderungen genügt, nicht um den Anspruch absoluterWissenschaftlichkeit. Das können wir nicht leisten. Aber wir

möchten auch anderen UnternehmenMut machen: Findet den zu euch passen-den Weg, um Gesundheit, Wohlergehenund Kultur als Erfolgsfaktoren darzu-stellen.

Wenn sich Ihr Gesundheitskulturindex,wie Sie annehmen, deutlich stärker auf

das Betriebsergebnis auswirkt als der ebenfalls erhobene En-gagementindex, sollte SAP kräftig in diesen Bereich investieren.Was tun Sie genau?Über unsere Abteilung Health and Wellbeing unterstützen wirmit einem Managementsystem alle Länderorganisationen dabei,den Reifegrad ihrer lokalen Gesundheitskultur systematisch zuverbessern. Wir sollten aber nicht glauben, dass die Aufgabe,eine gesunde Kultur zu entwickeln, an eine Abteilung delegierbarist. Sie berührt die gesamte Organisation und zeigt sich in der

„Wir wollen verdeutlichen, wie alles zusammenhängt“In der jährlichen Mitarbeiterbefragung ermittelt SAP den Gesundheitskulturindex.Im Interview erläutert Natalie Lotzmann, Vice President HR und Global Head of Health & Wellbeing, wie sich Führung, Feedback und Gesundheit auf das Geschäftsergebnis auswirken. INTERVIEW: WINFRIED GERTZ

TITEL BGM

„Indem wir gezeigt haben, dass gute Arbeitsbedingungen auch

ökonomisches Gebot sind, habenwir das Thema Gesundheit aus derNice-to-have-Ecke herausgeholt.“

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Dr. Natalie Lotzmann, Betriebswirtin, Ärztin, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach, ist seit 1997 bei SAP, wo sie das globale Gesundheitsmanagementleitet. Sie sitzt dem Netzwerk „Unternehmen für Gesundheit“ vor und gehört demAufsichtsrat des Zentralinstitutes für Seelische Gesundheit an.

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: SAP

Einstellung der Führungskräfte und des Unternehmens gegenüberden Mitarbeitern: So wollen wir zusammenarbeiten, so lautenunsere Werte, das ist unsere Kultur. Solange dies in einem Siloverharrt, wird es keinen nennenswerten Einfluss haben.

Welche Hebel wirken sich tatsächlich auf ein gestiegenes Gesund-heitsbewusstsein aus? Die größte Hebelwirkung wird erzielt, wenn Mitarbeiter erlebenkönnen, dass sie dort einfühlsam unterstützt werden, wo es ihnengerade am wichtigsten ist: in einer Notsituation, wenn sie psy-chologischen Rat benötigen oder im proaktiven Selbstmanage-ment. Nicht zuletzt, wenn sie nach einer schweren Erkrankungin den Job zurückkehren möchten.

Während Mitarbeiter lernen, verantwortungsvoll mit ihrerGesundheit umzugehen, schafft der Arbeitgeber die Voraus-setzungen, damit sie sich wohlfühlen und womöglich die Extra-meile gehen. Ist das kein Widerspruch?Jeder Mensch möchte einen Beitrag leisten und sich entfalten.Dieses Menschenbild liegt unserem Ansatz zugrunde. Eine gesundeKultur fördert den kontinuierlichen Dialog mit der Führungskraft.

Er rückt die individuellen Bedürfnisse in den Fokus, ohne diegeschäftlichen Erwartungen auszublenden. Beides in Einklangzu bringen, ist stets das erklärte Ziel.

In vielen Unternehmen spricht man aber kaum miteinander.Man muss Führungskräfte und Mitarbeiter erst zum Dialogauffordern.Ja. Gerade in Technologieunternehmen muss man oft eine gewisseScheu überwinden, nicht nur auf der Sachebene zu kommuni-zieren, sondern darauf zu schauen, wie es dem Einzelnen bei derArbeit geht: Wie viel Freude bereitet sie dir, bist du wirklichzufrieden? Wir nennen es Caring Culture: Die Zufriedenheitsollte stets ein größeres Ausmaß haben als der Stress.

In der IT-Branche wimmelt es von Menschen, die sich selbstüberfordern und auszufallen drohen. Seelisch bedingte Kran-kenstände nehmen seit Jahren zu. Wo setzen Sie an?Laut Gesundheitsbericht unserer führenden Krankenkasse lagenwir 2018 mit einem Krankenstand von 1,71 Prozent deutlichunter dem Durchschnitt der IT-Branche von 2,27 Prozent. Dennwir unterstützen nicht nur erkrankte Mitarbeiter auf einem nach-haltigen Weg zurück in den Job, sondern investieren viel in CaseManagement, Früherkennung und Prävention. Gerade jüngereKollegen brennen für das, was sie tun. Deshalb ist es wichtig,ihnen frühzeitig zu vermitteln, achtsam mit sich umzugehen.Von allen Trainings, die SAP Mitarbeitern anbietet, werden Acht-samkeitstrainings am meisten gebucht.

Was bei dem einen zu Leistungssteigerung führt, schlägt demanderen als Stress auf den Magen. Wie wird man Beschäftigtenmit unterschiedlichen Ressourcen gerecht? Darauf laufen zahlreiche Trainings hinaus: Wie gehe ich gut mitmir und meinen persönlichen Herausforderungen um? Jederträgt zwar Verantwortung für sich selbst, aber die Führungskräftemüssen ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und im Dialog aufdie Stress-Zufriedenheit-Balance ihrer Mitarbeiter einwirken.

Wenn Sie in einer Mitarbeiterbefragung erkennen, dass Stress,Unzufriedenheit oder mangelnde Wertschätzung überpropor-tional zunehmen, was bedeutet das für die Führungskräfte? Fällt eine Führungskraft durch schlechte Werte auf, weil das Ver-trauensverhältnis in ihrem Bereich zerrüttet ist, dann moderierenwir den Dialog, unterstützen durch Coaching und beobachten,ob sich die Situation bessert. Wenn nicht, ziehen wir der Situationangemessene Konsequenzen.

Wie kann der Wirkungszusammenhang von Gesundheit, Wohl-ergehen, Motivation, Engagement und Unternehmenserfolgkünftig noch stärker zu zielgerichtetem Handeln beitragen? Der Schlüssel sind Incentives und attraktive Angebote. AuchGamification zählt dazu. Wir wollen zu Feedback ermutigen,damit noch mehr Mitarbeiter und Führungskräfte an einemStrang ziehen können. Unser Ziel ist, jeden Einzelnen so zu unter-stützen, dass er sein Bestes geben will und kann. p

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uDie Finanzbranche unterliegt einem radikalen Wan-del: Die Digitalisierung von Produkten und Dienstleis-tungen, das Niedrigzinsumfeld, weltpolitische Umwäl-zungen und internationale Regulatorien beeinflussendie Arbeit der Geldinstitute und erfordern auch vonden HR-Verantwortlichen neue Handlungs- undManagementstrategien.Die Personalabteilungen müssen einiges im Blick behal-ten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen dieBanken vor allem engagierte, gut ausgebildete Fachkräfte.Diese sollen dazu beitragen, interne und externe Prozesseumzugestalten, um unter anderen Rahmenbedingungennachhaltig und erfolgreich wirtschaften zu können.Viele der Unternehmen haben ihre HR-Prozesse bereitsauf die gegebenen Anforderungen ausgerichtet. Auch für die Hamburger Volksbank gehört der Wandelseit mehr als einem Jahrzehnt zum Tagesgeschäft. Umden Umwälzungen zu begegnen, hat sich das Institut,das 2007 aus dem Zusammenschluss der HamburgerBank und der Volksbank Hamburg hervorgegangenist, schon im Fusionsjahr mit dem Fürstenberg Instituteinen externen Partner für Mitarbeiter- und Führungs-kräfteberatung an die Seite geholt.

Denn das war damals klar: Mit der Verschmelzungwürden Menschen unter einem Dach zusammenarbei-ten, die zwei völlig verschiedenen Unternehmenskul-turen entstammten. Stillstand durch Unsicherheitenund unnötige Konflikte im Fusionsprozess sollten durcheine externe Mitarbeiterberatung minimiert werden.Zudem wollte sich die Hamburger Volksbank vonAnfang an als attraktiver Arbeitgeber positionierenund Zukunftskompetenzen aufbauen.

Psychische Stabilität als Leistungsfaktor

Wie weitreichend der damalige Schritt war, erkenntman im Nachhinein: Zwölf Jahre später ist das externeBeratungsangebot ein wesentlicher Baustein im BGM-Gesamtkonzept der Bank, die die mentale Fitness ihrerMitarbeiter ebenso wichtig nimmt wie die körperliche.Wer psychisch stabil ist, kann mehr leisten.Dabei stieß das Angebot in der Belegschaft anfangsdurchaus auf Skepsis. Vermutlich gab es in einigenKöpfen den Gedanken, man zeige Schwäche, wennman eine Beratung wahrnehme. Diese Stimmen sindaber schnell verstummt.

Belastungen im Change ernst nehmenDie Bankenbranche befindet sich im Umbruch. Das ist auch eine Belastungsprobe für die Belegschaften. Die Hamburger Volksbank unterstützt Mitarbeiter und Führungskräfte durch externe Beratungsangebote dabei, gesund und leistungsfähig zu bleiben.

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Zurückzuführen ist dies auch auf die umfangreicheUnterstützung durch das Fürstenberg Institut in derAnfangsphase der Zusammenarbeit. So gab es Infor-mationsveranstaltungen, auf der sich die Berater vor-stellten, zudem zahlreiche Zusatzangebote wie Vorträge,Newsletter und ein Wissensportal, in dem sich die Mit-arbeiter mit dem Beratungskonzept vertraut machenkonnten. Die persönliche Vor-Ort-Präsenz, die umfangreicheInformation und die Möglichkeit, das Institut und seineMitarbeiter vorab kennenzulernen, ließen Barrierenschnell verschwinden. Heute vertrauen die Mitarbeiterder Hamburger Volksbank den Beratern vor allem,weil sie wissen: Was in der Beratung besprochen wird,bleibt anonym.

Klare Erfolgsfaktoren für die Beratung

Wie aber funktioniert das Konzept im Einzelnen, wassind die Ziele? Tatsächlich ist das genaue Thema derBeratungen – Konflikte im Team, Stresssymptome oderprivate Probleme – für den Arbeitgeber ja nicht relevant.Hier zählt das Ergebnis: Geht es dem Mitarbeiter besser,nachdem er das externe Beratungsangebot angenommenhat? Neben der rein menschlichen Komponente spielt auchder wirtschaftliche Aspekt eine Rolle. Deshalb wurdenzu Beginn der Zusammenarbeit Erfolgsfaktoren defi-niert. Zur Messung der Erfolge sollten zum einen dieMitarbeiterzufriedenheit, zum anderen die Anzahl derBeratungen herangezogen werden. Hätten ab dem zwei-ten Jahr weniger als fünf oder mehr als 15 Prozent derMitarbeiter und Führungskräfte das Angebot des Fürstenberg Instituts genutzt, wäre dies ein Indikatorgewesen, dass etwas nicht optimal läuft. Doch seit vielen Jahren lassen sich durchschnittlich achtbis zwölf Prozent der Mitarbeiter der Hamburger Volks-bank beraten. Ein guter Wert für die Branche. DieseZahl wird auch im Unternehmen sehr transparent kom-muniziert, immer verbunden mit der Haltung: „Wirmachen euch ein Angebot und unterstützen euch aufdem Weg zu mehr psychischer Stabilität.“Die Zusammenarbeit wird inzwischen vor allem überdie HR-Abteilung der Hamburger Volksbank gesteuert.Einmal im Jahr stellt das Fürstenberg Institut ein anonymisiertes Reporting bereit, das darüber Auskunftgibt, wie viele Mitarbeiter welche Serviceleistungen(Einzelberatungen, Vorträge, Webinare et cetera) ge-nutzt haben, welche Art von Beratung in Anspruchgenommen wurde und um welche Themen es dabeiging. Dies ist ein wertvoller zusätzlicher Seismograf fürdie Stimmung im Unternehmen. Weitere Auswirkungen der Beratungen lassen sich aufder Chefetage erkennen: Die Gespräche schaffen Ent-

lastung in der Führungsarbeit. Wenn Konflikte imTeam oder zwischen einzelnen Mitarbeitern und demChef auftreten, können diese mithilfe der Beratung oftschneller aufgelöst werden. Entscheidend ist, dass dieZusammenarbeit im Dreieck Bank – Mitarbeiter –Dienstleister funktioniert.Besonders in herausfordernden Situationen im Füh-rungsalltag, zum Beispiel beim Umgang mit suchtauf-fälligen oder privat stark belasteten Mitarbeitern, sinddie Berater eine wertvolle Stütze für das Leitungsteamund kennen effektive Wege, Krisen zu meistern. BeiBedarf gibt es konkrete Hilfsangebote wie die schnelleVermittlung eines Therapieplatzes ohne lange Warte-zeiten für den betroffenen Mitarbeiter.

Dauerhafte Begleitung im Veränderungsprozess

War die Zusammenarbeit zwischen der HamburgerVolksbank und dem Fürstenberg Institut ursprünglichauf zwei bis drei Jahre angelegt, um psychisch belasteteMitarbeiter im damaligen Fusionssprozess aufzufangen,ist daraus mittlerweile eine kontinuierliche Zusam-menarbeit erwachsen. Als zusätzlicher externer Begleiterunterstützt das Institut die stetige Veränderung mitWorkshops und Weiterbildungsangeboten zu aktuellenThemen.Denn agile Führung, der damit einhergehende Wegfallvon Hierarchien und bekannten Strukturen, neueArbeitsweisen und eine neue Fehlerkultur im Innova-tionsumfeld und in crossfunktionalen Teams schürenUnsicherheiten und erfordern immer wieder neueKompetenzen.Das Beratungsangebot bietet den Mitarbeitern Orien-tierung, schafft Vertrauen und hilft ihnen dabei,Zukunftskompetenzen aufzubauen. Und es eröffnetihnen die Möglichkeit, einen persönlichen Umgangmit den immer kürzer werdenden Veränderungszyklenzu finden: ein messbarer Mehrwert für Mitarbeiter undUnternehmen – und eine Selbstbestätigung für dieBank. Denn deren Motto lautet „Banking is PeopleBusiness“. p

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AUTOREN

Dr. Reiner Brüggestrat, Vorstand für Personal, Steuerung und Organisation, Hamburger Volksbank

Anika Ohlsen, Leiterin Marketing,Unternehmenskommunikation und digitale Weiterentwicklung,Fürstenberg Institut, Hamburg

Die Hamburger Volksbank

Bei der Hamburger Volksbank gehört der Umgang mit den nachhaltigen und komplexen Veränderungen in der Arbeitswelt, die durch die digitale Transformation ausgelöst wur-den, zu den zentralen Aufgaben des Mitarbeitermanagements. Neben der internen Beglei-tung des Change-Prozesses innerhalb eines agilen Systems, mit einer kontinuierlich wei-terzuentwickelnden digitalen Kompetenz und auf der Basis eines fachübergreifenden Pro-zessdenkens, setzt die Genossenschaftsbank auf die zusätzliche externe Begleitung derrund 480 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch das Fürstenberg Institut.

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RECHT & POLITIK JAHRESVORSCHAU

Personalwirtschaft 12_2019

uGesetze, Rechtsvorschriften, Urteile: Welche für HRrelevanten Neuerungen stehen 2020 auf jeden Fall an,und was ist darüber hinaus geplant? Wir haben einigeder wichtigsten beschlossenen und möglichen rechtli-chen Änderungen für Sie zusammengefasst. Zu Ersterenzählen:

1 Lockerungen der DSGVO

Der Bundestag hatte das „Zweite Datenschutz-Anpas-sungs- und Umsetzungsgesetz EU“ im September ver-abschiedet. Es stimmt die nationalen Vorschriftenerneut auf die Europäische Datenschutz-Grundverord-nung (DSGVO) ab und wurde dem Bundespräsidentenzur Unterzeichnung vorgelegt. Sobald er unterschriebenhat, womit in diesen Wochen zu rechnen ist, geltenunmittelbar folgende Änderungen:

l Der Schwellenwert für einen betrieblichen Daten-schutzbeauftragten wird angehoben: Bisher musstenUnternehmen und Vereine ab zehn Mitarbeiterneine interne oder externe Person benennen, die über

Fest beschlosseneGesetze für 2020 …

die notwendigen Fachkenntnisse verfügt. Künftigwird dies erst ab 20 Mitarbeitern zur Pflicht, umKleinstorganisationen vom bürokratischen Aufwandzu entlasten. Doch auch ohne Schutzbeauftragtenmuss gewährleistet sein, dass es bei der Verarbeitungvon Daten nicht zu Verstößen kommt.

l E-Mail löst Papier ab: Mussten Beschäftigte ihre Ein-willigung zur Verarbeitung der personenbezogenenDaten zwingend auf Papier geben, wird der Prozesskünftig vereinfacht: Eine Mail reicht.

Außerdem wurden an vielen Stellen – die DSGVO greiftin 154 Fachgesetze ein – einzelne Formulierungen,Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung und Rege-lungen angepasst.

2Mehr Geld für Niedriglohnjobs

Im vergangenen Jahr hatte das Bundeskabinett eineErhöhung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,84 Euroauf 9,19 Euro pro Stunde sowie eine weitere Anhebungbeschlossen. Demzufolge wird die Lohnuntergrenze

Vieles, was Recht wirdVon DSGVO bis Brexit, von Qualifizierung bis Entsenderichtlinie: 2020 müssen Arbeitgeber und Personaler eine Reihe neuer Gesetze und Vorschriften beachten. Und die Bundesregierung will noch weitere ans Laufen bringen. VON CHRISTIANE SIEMANN

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ab dem 1. Januar 2020 bei 9,35 Euro pro Stunde liegen.Zusammen ergibt sich somit eine Steigerung um 5,8Prozent in zwei Jahren. Außerdem steht 2020 eine Evaluation des Mindest-lohngesetzes an: Die Regelung wird daraufhin über-prüft, ob sie den Minimalschutz der Arbeitnehmer vorsozialem Abstieg ebenso gewährleistet wie faire Wett-bewerbsbedingungen. Anschließend könnte der Stun-densatz einmalig stark erhöht werden: Bundesfinanz-minister Olaf Scholz plädiert für zwölf Euro. 

3 Fachkräfteeinwanderung erleichtert

Ab März 2020 tritt das neue Fachkräfteeinwanderungs-gesetz in Kraft. Künftig sollen neben Akademikernauch Nichtakademiker mit qualifizierter Berufsausbil-dung aus Nicht-EU-Staaten für sechs Monate zurArbeitsplatzsuche nach Deutschland kommen dürfen.Für diese Zeit erhalten sie eine Aufenthaltsgenehmigung,wenn sie über eine anerkannte Qualifikation, ausrei-chende Deutschkenntnisse und einen gesichertenLebensunterhalt verfügen. Bei einer qualifiziertenBerufsausbildung soll künftig die Begrenzung auf soge-nannte Mangel- oder Engpassberufe wegfallen. DieAnerkennung ausländischer Abschlüsse soll zudembeschleunigt und vereinfacht werden. Für IT-Spezialisten, die aus Ländern außerhalb der EUkommen, existiert eine Spezialregelung: Sie dürfen auchohne formalen Abschluss einreisen, müssen aber Berufs-erfahrung von drei Jahren nachweisen und mindestens50 000 Euro im Jahr verdienen (siehe auch Ausgabe11/2019, Seite 40).

4BAG-Urteil stärkt Betriebsratsrechte

Obwohl sich der individuelle Auskunftsanspruch einesBeschäftigten über die Vergütungsstrukturen eigentlichan den Arbeitgeber richtet, muss ihn in tarifgebundenenoder einen Tarifvertrag anwendenden Betrieben derBetriebsrat erfüllen. Dazu benötigt er vom Arbeitgeberalle notwendigen Unterlagen. Sowohl mehrere Landesarbeitsgerichte als auch dasBundesarbeitsgericht (BAG) bestätigten 2019: DerArbeitgeber muss dem Betriebsrat auf dessen VerlangenEinblick in die Bruttogehaltslisten mit Namensnennunggewähren. Anonymisierte Gehaltslisten reichen nichtaus. Datenschutzrechtliche Bedenken stehen dem Ein-sichtsrecht nicht entgegen. Nur so lasse sich feststellen,ob der Arbeitgeber die Vergütungsgrundsätze einge-halten hat. Wie es in der BAG-Entscheidung heißt, kann einBetriebsausschuss die „effektive Wahrnehmung seinerÜberwachungsrechte“ nur sicherstellen, wenn „auchdie Zuordnung der gezahlten Entgeltkomponenten zu

den Klarnamen der im Betrieb beschäftigten Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer“ gezeigt werde. Aller-dings muss der Arbeitgeber nur vorhandene Listenaushändigen. Für den Betriebsrat neue zu erstellen,liegt nicht in seiner Pflicht.

5Brexit und Folgen: Neverending Story?

Bereits 2019 hat der Gesetzgeber das „BrexitSozSichÜG“auf den Weg gebracht. Dahinter verbergen sich die„Übergangsregelungen in den Bereichen Arbeit, Bil-dung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeitnach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Groß-britannien und Nordirland aus der EuropäischenUnion“. Nach aktuellem Stand soll der Brexit bis zum 31. Januar2020 realisiert werden. Kommt der Austritt regulärzustande, dann könnten bisherige Entwürfe eines Aus-trittsvertrages zwischen der EU und Großbritannienzur Geltung kommen, die eine Koordinierung der Sozi-alversicherungssysteme vorsehen. Wenn das bis dahinneu gewählte britische Parlament den Entwürfenzustimmt, wird sich in der Sozialversicherung vermut-lich nichts ändern. Kommt es doch noch zu einem harten Brexit, ändernsich zahlreiche Bedingungen für das Aufenthaltsrechtund Arbeitsgenehmigungen, für den Krankenversiche-rungsschutz, die Sozialversicherung und EU-Entsen-dungen. Ein Beispiel: Mit einem No-Deal-Austritt endetdie Leistungspflicht des britischen Versicherungsträgersfür die Krankenversicherung. Britische Staatsbürger inDeutschland haben dann ein Beitrittsrecht zur freiwil-ligen Krankenversicherung, oder sie schließen eine pri-vate Krankenversicherung ab.Umgekehrt endet der Anspruch auf Leistungen fürArbeitnehmer, die in Deutschland versichert sind undin Großbritannien arbeiten. Bis zum Austritt bestehenLeistungsansprüche, die vom britischen Versicherungs-träger mit der deutschen Krankenkasse abgerechnetwerden. Besteht kein Anspruch mehr gegenüber demNational Health Service, ist eine Kostenerstattung inDeutschland (Abrechnung mit der Krankenkasse) vor-gesehen.

6Abschied vom AU-Schein ab 2021

Im Herbst hat der Bundestag das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) sowie das BürokratieentlastungsgesetzIII verabschiedet. Beide treiben die Digitalisierung desGesundheitswesens voran und dürften gerade in ihrerKombination relevant für Arbeitgeber und Arbeitneh-mer werden. Das DVG, das im Januar in Kraft tretensoll, sieht unter anderem die Vereinbarung von Online-Sprechstunden vor. Ab 2021 greift dann das für Unter-

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RECHT & POLITIK JAHRESVORSCHAU

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nehmen unmittelbar relevante Bürokratieentlastungs-gesetz III, denn damit wird die Arbeitsunfähigkeits-bescheinigung (AU) abgeschafft. Künftig informierendie Krankenkassen den Arbeitgeber auf Abruf elektro-nisch über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeitder gesetzlich versicherten Arbeitnehmer.

7 Die neue EU-Entsenderichtlinie

Ab Mitte 2020 gelten neue Regelungen für die Beschäf-tigung von Arbeitnehmern aus EU-Staaten, die imEU-Ausland arbeiten. Das betrifft in Deutschlandrund 450 000 entsandte Arbeitskräfte, so viel wie inkeinem anderen europäischen Staat. Diese Arbeitneh-mer müssen künftig nach den gleichen Bedingungenbeschäftigt werden wie ihre einheimischen Kollegen.Neben der Lohngleichheit und Ansprüchen aufUrlaubs-, Weihnachts- oder Schlechtwettergeld,Zuschlägen sowie Sonderzahlungen vom ersten Tagan soll künftig nach zwölf beziehungsweise 18 Monatendas Arbeitsrecht des Gastlandes Anwendung finden.Und zwar in allen Bereichen. Bisher mussten lediglich die festgelegten zwingendenarbeitsrechtlichen Rechtsvorschriften, wie zum BeispielMindestlöhne, Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen,eingehalten werden. Die EU hat die Reform der Ent-senderichtlinie 2018 beschlossen und den Mitglieds-staaten bis Juli 2020 Zeit gelassen, die Richtlinie innationale Gesetze umzusetzen. Das Bundesarbeitsmi-nisterium hat zwar im Mai 2019 hat die ersten Eck-punkte für die Reform vorgelegt – es wird jedoch zwin-gend mehr passieren müssen.

In der Pipeline

Darüber hinaus ist Folgendes in Planung:

Qualifizierung und Kurzarbeit: Seit Januar 2019 kön-nen Arbeitgeber eine Förderung beantragen, wennihre Beschäftigten vor allem aufgrund der Digitalisie-rung einen Qualifizierungsbedarf haben. Die Weiter-bildungskosten werden je nach Betriebsgröße volloder teilweise übernommen, zusätzlich kann der Lohn-ausfall erstattet werden (siehe FAQ im SonderheftWeiterbildung, 12/2019, Seite 32). Jetzt ist der Nach-folger des Qualifizierungschancengesetzes am Start.Denn Minister Hubertus Heil plant für 2020 das„Arbeit-von-morgen-Gesetz“ durchzusetzen, dasArbeitsplätze im Fall einer Wirtschaftskrise schützenund den Arbeitnehmern zukunftsorientierte Qualifi-kationen erleichtern soll. Weil es an das Qualifizie-rungschancengesetz anknüpft, wird es auch mit mehr

Geld für Förderungen ausgestattet. Es sieht unteranderem Folgendes vor:

Der Bezug des Kurzarbeitergeldes wird vereinfacht.Wenn ein Unternehmen wegen eines Konjunkturein-bruchs vorübergehend die Arbeitszeit verringert, erhal-ten Arbeitnehmer mindestens 60 Prozent der Ein-kommensdifferenz aus Mitteln der Bundesagentur fürArbeit (BA). Für den Fall, dass Arbeitnehmer in solchenPhasen gleichzeitig in einer Weiterbildung sind, sollendie Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers vomStaat unkomplizierter übernommen werden. Außerdem ist geplant, dass Beschäftigte, die in einemUnternehmen arbeiten, in dem sie keine dauerhaftePerspektive mehr haben, zunächst mit öffentlicherFörderung im Betrieb bleiben können. Bei dieser „Per-spektivqualifizierung“ soll es Zuschüsse sowohl zurWeiterbildung als auch zum Lohn geben.

Sachgrundlose Befristungen: Schon 2019 rechnetenArbeitgeber und Arbeitsrechtler mit Änderungenbeim Thema sachgrundlose Befristung von Arbeits-verträgen. Denn im Koalitionsvertrag 2018 wurdevereinbart, dass Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäf-tigten in Zukunft nur noch maximal 2,5 Prozent derBelegschaft sachgrundlos befristen dürfen und dieDauer auf 18 statt 24 Monate beschränkt wird. AuchKettenbefristungen sollen eingeschränkt werden.Zwar wurde angekündigt, dass der Gesetzentwurfschon vor der Sommerpause durchs Parlament gehenwürde, aber nichts passierte. Ob 2020 noch mit denneuen Befristungsregeln zu rechnen ist, bleibt derweiloffen.

Schreckgespenst Zeiterfassung: Der EuropäischeGerichtshof (EuGH) hat im Sommer 2019 ein Bebenausgelöst, indem er befand, dass Arbeitgeber die Arbeits-zeiten ihrer Mitarbeiter in der EU dokumentieren müs-sen. Das Ziel: Arbeitnehmer sollen die täglichen wiewöchentlichen Mindestruhezeiten sowie die in derArbeitszeitrichtlinie formulierten Obergrenzen tat-sächlich einhalten. Die Luxemburger Richter habenden Mitgliedstaaten zugleich signalisiert, dass sie Spiel-raum haben, um auf die Besonderheiten des jeweiligenTätigkeitsbereichs oder die Eigenheiten bestimmterUnternehmen einzugehen. Vorläufig hat das Urteil keine direkten Auswirkungenfür Arbeitgeber, denn es enthält keine Umsetzungsfrist.Bleibt abzuwarten, wann und wie die Politik daraufreagiert. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier lässterst einmal prüfen, ob sich aus dem Luxemburger Rich-terspruch überhaupt ein Umsetzungsbedarf ergibt. p

… und Gesetze in Arbeit

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u Während immer mehr junge Menschen studieren, sinken dieAnfängerzahlen in der dualen Berufsausbildung. Rund 57 000Ausbildungsstellen blieben im Jahr 2019 unbesetzt. Der Trendzur Akademisierung setzt sich seit Jahren fort und bereitet Wirt-schaft, Kammern und Politikern Sorgen. Vor allem wegen derdemografischen Entwicklung: Bis 2030 gehen 10,5 MillionenFachkräfte aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand.Daher wurde das Berufsbildungsgesetz zum 1. Januar 2020 moder-nisiert. Damit sich mehr junge Menschen nicht für ein Studium,sondern für einen Ausbildungsberuf entscheiden, hat das Bil-dungsministerium einige Änderungen auf den Weg gebracht.Wie folgt:

1Mehr Geld und Teilzeitoptionen Es gibt eine neue Mindestvergütung; Tarifverträge haben jedochVorrang. Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, haben Auszu-bildende Anspruch auf den gesetzlich festgelegten Betrag. Ab2020 erhalten sie im ersten Lehrjahr 515 Euro im Monat; 2021steigt dieser Betrag auf 550 Euro, 2022 auf 585 Euro. Ab 2023sind es dann 620 Euro. Ab 2024 wird die Mindestvergütung fürdas erste Lehrjahr jährlich an die durch-schnittliche Entwicklung aller Ausbildungs-vergütungen angepasst. Von der steigendenMindestvergütung könnten langfristig rund115 000 junge Menschen profitieren. ImJahr 2017 erhielten Auszubildende lautBundesagentur für Arbeit weniger als 500Euro im Monat. Eine weitere Änderung: Jeder Azubi kann sich für eine Teilzeit-ausbildung entscheiden und die Lehre verlängern – wenn derBetrieb zustimmt. Bisher war dies nur möglich, wenn betreffendePersonen „ein berechtigtes Interesse“ nachweisen konnten, etwaeine Betreuung der Kinder oder Pflege von Angehörigen. Auchsollen Prüfungsleistungen und erste Abschlüsse im Beruf besseranerkannt werden, um „eine größere Durchlässigkeit innerhalbder beruflichen Bildung“ zu erreichen. Beispiel: Wer eine zwei-jährige Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, kann sich vomersten Teil einer Abschlussprüfung bei einer aufbauenden Berufs-qualifizierung befreien lassen.

2Neuer Titelwirrwarr Die offensichtlichste Veränderung bringen die neuen Berufsbe-zeichnungen mit. Sie sind hochumstritten und lauten „geprüfte/rBerufsspezialist/in“, „Bachelor Professional“ und „Master Pro-

fessional“. Wer also seine Lehre als Augenoptiker erfolgreichbeendet hat, wird als „Geprüfter Berufsspezialist Augenoptik“bezeichnet. Ein Bäckermeister darf sich „Bachelor Professionalim Bäckereihandwerk“ nennen, ein Metzger „Bachelor Professionalim Metzgerhandwerk“. Noch höhere duale Ausbildungsstufen,etwa zum Betriebswirt oder zum Informatiker, erhalten denZusatz „Master Professional“. Mit diesen Bezeichnungen will das Bundesministerium die duale

Ausbildung aufwerten, eine Analogie zuUniversitätsabschlüssen herstellen unddeutsche Abschlüsse auch im Ausland ver-ständlicher machen. Diesen Effekt bezwei-feln Handwerks-, Berufs- und Arbeitge-berverbände. Während bei den etabliertenBezeichnungen „Geselle“ und „Meister“jeder wusste, was gemeint war, verwirren

die neuen Titel ihrer Befürchtung nach und erzeugen Intrans-parenz. Auch der DGB übt Kritik: „Nur weil ein Bäckermeister sichkünftig auch ,Bachelor Professional‘ nennen darf, wird die Fort-bildung nicht attraktiver. Es reicht nicht, den Abschlüssen neueEtiketten aufzukleben. Um die Qualität der beruflichen Auf-stiegsfortbildung zu verbessern, sind verbindliche Inhaltsplänefür die Lernprozesse wichtig.“ Der VDI weist daraufhin, dass esab Januar 2020 zur „Unklarheit bei der Berufs- und Studienori-entierung junger Menschen, aber auch bei Stellenausschreibungenund der Personalrekrutierung“ kommen könne. Auch interna-tional seien Missverständnisse zu erwarten, heißt es bei der Hoch-schulrektorenkonferenz (HRK) – und zwar gerade, weil in Europaendlich ein einheitliches Verständnis zu den Hochschulabschlüssen„Bachelor“ und „Master“ bestehe. Im deutschen Kontext sinddiese Begriffe nun mehrdeutig. (cs) p

„Nur weil sich ein Bäckermeister,Bachelor Professional‘ nennen darf, wird die

Fortbildung nicht attraktiver.“ Deutscher Gewerkschaftsbund

Bäckermeister

Bachelor Professional

im Bäckereihandwerk

Vom Azubi zum BerufsspezialistenAlles Etikettenschwindel? Die neuen Bezeichnungen für Berufsabschlüsse stiften große Verwirrung. Dabei will das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz (BBiG) eigentlich nur die duale Ausbildung stärken. Die Änderungen im Überblick.

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RECHT & POLITIK AUS DEM GERICHTSSAAL

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Der skurrile Fall des Monats

Das Bad ist PrivatvergnügenDas häusliche Arbeitszimmer ist stets ein Quell richterlicher Auseinandersetzungen.Wer damit Kosten für seinen Badumbau oder eine Fotovoltaikanlage auf dem Dachsteuerlich geltend machen will, sollte einhalten.

VON DAVID SCHAHINIAN

Gebäudesubstanz eingegriffen worden, dass der Umbauden Wert des gesamten Wohnhauses erhöht habe. Der BFH sah das anders: Ausgaben für einen Raum, derwie das Badezimmer und der Flur ausschließlich oder mehr

als nur untergeordnet privaten Wohn-zwecken dient, seien nicht anteiligabzugsfähig. Entscheidend sei nichtder Umfang der durchgeführtenArbeiten, sondern worauf sie sichbeziehen. Immerhin: Die Kosten fürden Austausch der Tür zum Arbeits-zimmer hatte bereits das Finanzamtanerkannt. Strittig sind nun noch dieRollläden, über die das FG laut BFH

keine hinreichenden Feststellungen getroffen habe, weswegender Fall nun an dieses zurückverwiesen wurde. An einemlassen die obersten Richter keinen Zweifel: Sollte es dabeium die Rollladenanlage des Wohnzimmers gehen, lägenkeine abziehbaren Aufwendungen vor.

Sonnenschein als gewerbliche Einkünfte

Das häusliche Arbeitszimmer ist ein Klassiker in der deut-schen Steuerrechtsprechung, bei der immer die Frage imRaum steht, was steuerlich abzugsfähig ist und was nicht.Gleichwohl sind auch der Fantasie der Kläger keine Grenzengesetzt. So wollte ein Ehepaar – beide berufstätig – Auf-wendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 1700 Euroals Betriebsausgaben geltend machen. Als Begründungwurden gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Fotovoltaikanlage angeführt. Nach Würdigung allerUmstände kam das FG Rheinland-Pfalz zu der Auffassung,dass das Arbeitszimmer „allenfalls wenige Stunden proJahr“ für betriebliche Zwecke genutzt worden sei. Dahersei bereits eine geringe private Mitbenutzung schädlich.Die „Würdigung aller Umstände“ offenbart die Detektiv-arbeit, die Finanzbeamte mitunter leisten müssen. EinErmittlungsbeamter des Finanzamts kündigte seinen Besuchan, kam – und sah nur zwei Ordner im Regal. Es sei lebens-fremd, dass ein vorhandenes Regal im Übrigen ungenutztbleibe, monierte er. Der leere Spiegelschrank im angeblichenArbeitszimmer verstärkte seine Einschätzung noch, diesererscheine zumindest erklärungsbedürftig. p

uUnter einem Arbeitszimmer verstehen die meisten Men-schen gemeinhin einen Raum, in dem man seine Geschäftemacht. Ein Ehepaar muss das falsch verstanden haben: Esmachte 8,43 Prozent der entstandenen Kosten für denUmbau des Badezimmers und desvorgelagerten Flurs steuerlich geltend– als Betriebsausgaben in Zusammen-hang mit seinem häuslichen Arbeits-zimmer. Da bekommt das WortArbeitssitzung gleich eine ganz neueBedeutung! Bevor noch mehr Bilderim Kopf entstehen: Vor dem Bundes-finanzhof (BFH) drang es damit nichtdurch. Der entschied, dass die Kostenfür den Umbau eines privat genutzten Badezimmers nichtzu den abziehbaren (sic) Aufwendungen für ein häuslichesArbeitszimmer zählen.So abwegig, wie es sich zunächst anhören mag, war dasAnsinnen nicht. Der Ehemann arbeitete als Steuerberaterausschließlich in einem Einfamilienhaus, das er mit seinerFrau bewohnte. Das Arbeitszimmer nahm 8,43 Prozentder gesamten Wohnfläche ein. Im Streitjahr 2011 – dieMühlen der Justiz mahlen langsam – hat das Ehepaar dasBadezimmer und den Flur umbauen beziehungsweisebehindertengerecht ausbauen lassen. Die Badezimmertürgeht von einem Flur ab, auf dem sich insgesamt vier Türenbefinden – auch die zum Arbeitszimmer des Klägers. Dadas ursprüngliche Türmodell nicht mehr verfügbar war,entschlossen sich die Eheleute, alle vier Türen auszutauschen,um ein einheitliches Erscheinungsbild zu bewahren. Insgesamt schlugen die Arbeiten mit rund 40 000 Euro zu Buche.

Neues Bad steigert Wohnwert

Renovierungs- und Reparaturarbeiten, die für das gesamteGebäude anfallen, sind zwar nach dem Flächenverhältnisaufzuteilen und damit anteilig zu berücksichtigen, so derBFH. Daher machte der Mann den entsprechenden Anteilder Umbaukosten als Betriebsausgaben geltend. Nachdemihm das Finanzamt einen Strich durch diese Rechnungmachte, gab ihm das FG Münster zunächst recht: Durchdie Modernisierung des Badezimmers sei derart in die

Ausgaben für einen Raum,der wie Badezimmer undFlur ausschließlich oder

mehr als nur untergeordnetprivaten Wohnzwecken dient, sind nicht anteilig

abzugsfähig.

Strafverfahren:

Urteil des BFH vom 14. Mai 2019(Az.: VIII R 16/15)Vorinstanz: Urteil des FG Münster vom 18. März 2015(Az.: 11 K 829/14)

Urteil des FG Rheinland-Pfalzvom 25. Januar 2018 (Az.: 6 K 2234/17)

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TITEL NAME DES BEITRAGS

u Klassische Vorkrisenbegriffe prägen momentan die Wirt-schaftsnachrichten. Schwächezeichen im Export, Abkühlung derWirtschaft, sektoral steigender Kostendruck, Protektionismus,bedrohte Geschäftsmodelle und so weiter.Trotzdem gibt es keinen Grund zur Panik: Das Bruttoinlands-produkt wird 2019 laut Prognose des DIW um 0,9 Prozent gegen-über dem Vorjahr wachsen, die Arbeitslosigkeit ist bisher nichtnennenswert gestiegen. Zwar steckt die Produktion im verarbei-tenden Gewerbe in einer Rezession, dagegen boomen die Bau-wirtschaft sowie die Dienstleistungsbranche. Außerdem stützenKonsum und Investitionen die Konjunktur. Dass es nach der jet-zigen milden Rezession schnell wieder zur Erholung kommt, istmöglich – oder auch nicht. Verlässlich lässt sich das nicht vor-hersagen, was zu einer Verunsicherung in den Unternehmenführt. In der Automotive-Branche und den Zulieferbetriebengibt es Kurzarbeit und Stellenabbau; Konzerne sparen an Reise-kosten und tüfteln an Programmen zu weiteren Einsparungen.Welche Auswirkungen haben diese Rahmenbedingungen aufHR, die Führungskultur und Organisation? An welchen Stellensind jetzt HRM-Berater gefragt? Oder stehen sie vor verschlossenenTüren?

Status quo: Milde Rezession

Zwischen Stagnation undTransformationKonjunkturknick, Handelskonflikte und sinkende Gewinnprognosen mitten in der digitalen Transformation: Was wird jetzt von HR erwartet? Bleibt New Work auf der Strecke? Über diese und andere aktuelle Herausforderungen diskutierten HRM-Berater beim Round Table.VON CHRISTIANE SIEMANN

u In den vergangenen Jahren waren HR- und Strategieberaterintensiv beschäftigt. Ihre Aufgaben: Geschäftsmodelle und HRauf die digitale Wirtschaft ausrichten, alte Strukturen aufbrechen,Organisationsformen, Führung und Kompetenzprofile neu den-ken, kurzum sie halfen den digitalen Wandel voranzutreibenund dabei die HR-Funktion zu unterstützen. Nun berichtet dieZunft beim Round Table: Die Beratungsbudgets stehen unterDruck, manche Unternehmen setzen für die nächsten Monateihre Projekte aus oder ändern ihre Projektziele. „Die Zeit der Kultur- und New Work-Programme, in denen mankeinen Impact messen kann und es um reine Wohlfühlthemengeht, sind vorbei“, analysiert Marc Wagner von Detecon dieSituation. In sehr unter Druck geratenen Branchen wie demMaschinenbau und der Automobilindustrie gehe es jetzt um„Profitabilität und Operational Excellence“, also die perfekte Beherrschung von HR-Prozessen. „Das Pendel schlägt um zuklassischen und auf kurzfristige Effizienz ausgerichteten Ansätzen.“Auch bei der Restrukturierung greife man zu alten Instrumentenwie Personalabbau oder der Verschlankung und Automatisierungvon operativen Prozessen.Die Lage für HR ist kompliziert. „Jeder schreit nach Selbstorga-nisation und Dezentralisierung, aber sobald die Zahlen nicht stim-men, schaltet sich das Management ein und Entscheidungen wer-den wieder von oben nach unten getroffen“, beschreibt MaximilianRahn von Lurse den aktuellen Trend. Doch das, was in gutenZeiten funktioniert hat – nämlich die Systeme und Prozesse, dieAgilität und damit Selbstorganisation möglich machen –, wurdenicht nur für Sonnenscheinwetter entwickelt, „sondern ist ganzbesonders geeignet, um in Krisensituationen schnelle und guteEntscheidungen zu treffen“. Gerade jetzt sei die Phase „der Probeaufs Exempel“, und es zeige sich, ob sich Organisationen wirklichverändert haben oder ob es nur Lippenbekenntnisse sind.

Kuscheltour wargestern

SPECIAL HR-MANAGEMENTBERATUNG

Für ausgewählte Themen holt sich diePersonalwirtschaft Experten an einenTisch, um mit diesen Trends, den Marktund die Bedürfnisse von HR zu diskutie-ren. Die Expertenrunde HR-Manage-mentberatung wurde von Erwin Stick-ling, Herausgeber der Personalwirt-schaft, moderiert.

Info zum Round Table

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Leadership-Programme gut nachgefragt

uNur weil Teile der Wirtschaft schwächeln, bremst der Wandelzur digitalen Wirtschafts- und Arbeitswelt nicht ab. Erfreuli-cherweise ist das Arbeitgebern durchaus bewusst: Sie müssenweiterhin technische, kulturelle und arbeitsorganisatorische Ver-änderungen managen und Leadership-Konzepte anpassen. TrotzEinsparprogrammen treten die Herausforderungen der VUCA-Welt nicht reflexartig in den Hintergrund. Dies zeigt sich an ver-mehrten Nachfragen für Führungsprogramme, wissen die HR-Berater zu berichten.Unternehmen haben verstanden, dass sie mit alten klassischenFührungsmodellen nicht mehr weiterkommen. Lange seien siedavon ausgegangen, dass sie „ihre Probleme analytisch lösenkönnen, und sehen jetzt, dass dies nicht möglich ist“, resümiertKienbaum-Berater Eberhard Hübbe. Nach seiner Beobachtungfalle das Pendel nicht in alte Führungsstile zurück. Gleichwohlbedürfe es der Überzeugungsarbeit, „dass auch auf der Basis einesmodernen aufgeklärten Führungsverhaltens schwierige Entschei-

dungen getroffen werden dürfen und müssen“. Leadership 4.0bedeute nicht, dass die Belegschaft sage, wo es langgehe. DieHerausforderung laute, „in einem vertrauenswürdigen Prozessmit der Belegschaft eine unangenehme Entscheidung zu treffen,die die Mitarbeiter verstehen“. Hier haben die Organisationendie Wahl, für welchen Weg sie sich in der neuen Situation ent-scheiden.    Auch beim Beratungshaus  Detecon, das auf Management- undTechnologieberatung spezialisiert ist, registriert man vermehrtKundenanfragen zum Thema Agile Leadership. Berater MarcWagner weist daraufhin, dass „isolierte und nicht auf den Unter-nehmenskontext angepasste Einführungen von agilen Standardswie zum Beispiel Scaled Agile Framework, Scrum im IT-Bereichoder einzelnen Units plus Standardtrainings nicht zum Ziel führen“.Stattdessen sei es erforderlich, das Thema Agilität kontextspezifischanzugehen und eine jeweils individuelle Lösung zu finden. Vieleaktuelle Umsetzungen krankten allerdings genau daran.

Das wirft wiederum die Frage auf, ob HR unter diesem Drucknoch die Chance hat, soeben gelernte Leadership-4.0-Prinzipienumzusetzen. Können Prinzipien wie Partizipation, Transparenz,Working out Loud, Inspiration und Teamgeist standhalten? Aber ja, bekräftigt Dr. Daniel Tasch von Promerit. Gerade jetztsolle HR nicht alle Werte über Bord werfen, sondern könne sichprofilieren und „für eine smarte Restrukturierung stark machen“.Also Effizienzen heben, mit den Mitarbeitern und Führungskräftenwertschätzend umgehen und alle Instrumente nutzen, die eineTransformation wirksam begleiten können. Und HR sollte denAufbau der digitalen Kompetenzen steuern. Daher „schlägt dieStunde des ganzheitlichen Personalprofis, der Gaspedal undBremse beherrscht und der dazwischen schalten und lenkenkann“. Und Tasch ergänzt: Jetzt komme „die Nagelprobe“, beider bewiesen werden müsse, dass die Prozesse und Instrumenteder Führung in der digitalen Welt auch funktionieren, „wennder Wind mal von vorne weht“. Wenn HR und Führungskräftean dem neu Gelernten festhalten, entfalte sich auch die Wirkung.  Als „Reality Check“ bezeichnet Michael Terstesse von HR Pioneersdie derzeitigen Rahmenbedingungen. Nun müsse sich zeigen,wie konsequent in den Organisationen agile Arbeitsweisen prak-tiziert, aber vor allem agile Werte wie Mut, Fokus oder Commit-ment etabliert werden konnten. Dagegen richten Unternehmen, die jetzt unangenehme Entschei-dungen einfach nur durchexerzieren, einen großen Flurschadenan, hebt Daniel Tasch hervor: „Statt Werte, die über Jahren auf-gebaut wurden, kurzfristig zu vernichten, ist es sinnvoller, umsich-tig und langfristig zu agieren.“

Die Experten des Round Tables

Holger Jungk, Partner, hkp Deutschland GmbH

Daniel Tasch, Vorstand, Partner, Promerit AG

Marc Wagner, Managing Partner, Detecon International GmbH

Eberhard Hübbe, Managing Director, Kienbaum Consultants International GmbH

Maximilian Rahn, Consultant People & Organization, Lurse AG

Michael Terstesse, Agile Management Consultant, HR Pioneers GmbH

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uOb Krise oder nicht, das Management Board hat viele Wünschean das Personalmanagement, wobei die wirtschaftliche Konstel-lation einige der Herausforderungen noch deutlicher ans Tages-licht bringt oder auch verdrängt. So ist das Thema Rolle weit inden Hintergrund gerückt, wie die HR-Sparringspartner berichten.Sie selbst fokussieren sich beim Kunden häufig auf HR-Basis-aufgaben, die auch nach Jahren noch nicht sind. Nur 25 Prozentder HR-Aufgaben werden in der Cloud bearbeitet, „da gibt esNachholbedarf“, meint Promerit-Berater Daniel Tasch. „Prozessesimplifizieren, standardisieren, digitalisieren und automatisieren.Wenn es uns als Berater gelingt, der HR-Funktion den praktischenNutzen dieser HRM-Lösungen aufzuzeigen, dann haben wir vielerreicht.“ Ähnlich argumentiert Eberhard Hübbe von Kienbaum: Erst wennHR seine Basisfunktionen im Griff habe, stehe der nächste inhalt-liche Schritt an. Für ihn steht dabei im Vordergrund, „die einzelnenoperativen Themen wirklich im Detail anzuschauen, um zu ent-scheiden, wo schnelle und effiziente End-to-End-Prozesse etabliertwerden können.“ Trotz des Handlungsdrucks von vielen Seiten, der wenig mit einerRollenklärung zu tun hat, sollte HR die Vorteile nach dem Drei-Säulen-Modell nicht unterschätzen. Zum Beispiel wenn es mit einerCloud-Lösung arbeitet. Um den Standard des jeweiligen Cloud-

Im Brennpunkt: Der People-Manager von morgen

Anbieters bedienen zu können, helfen klare Strukturen, betontHKP-Berater Holger Jungk. Eine Prozesskonsistenz ergebe sichnämlich nur dann, wenn „lediglich ein Process Owner den kom-pletten Prozess verantwortet und nicht mehrere“. Seine Erfahrung:In einem klassischen Recruiting-Modell, das auf Zentralität ausgelegtist, lässt sich beispielweise die Anzahl der Prozessvarianten deutlichreduzieren, was einen enormen Effizienzschub darstelle.Operational Excellence ist unbestritten ein wesentlicher Daseins-grund von HR, aber die operativen Anteile sind nur eine Seiteder Medaille. HR muss ebenso die Transformation der Organi-sation vorantreiben. Und hierbei, so HR-Pioneers-Berater MichaelTerstesse, gehe es um die „strukturell richtige Aufstellung, wieFührung und damit Macht anders verteilt oder wie HR-Instru-mente für ein agileres Organisationsmodell adaptiert werdenkönnen“. Dabei helfe keine Cloud-Lösung weiter. So sieht dieManagmentberatung HR Pioneers in ihrem sogenannten „HR-Edgellence-Modell“, das zusammen mit der Hochschule Pforzheimentwickelt wurde, explizit ein Transformation Center für dieganzheitliche Unternehmensentwicklung vor. „Es macht keinenSinn, wenn HR alleine herumdoktert, vielmehr müssen Organi-sations- und Personalentwickler sowie das Business Developmentinterdisziplinär eng zusammenarbeiten, um den notwendigenWandel gemeinsam zu gestalten.“

SPECIAL HR-MANAGEMENTBERATUNG

Eine Bilderstrecke mit den wichtigsten Zitaten der Round-Table-Teilnehmer finden Sie auf www.personalwirtschaft.de in der Rubrik Führung.

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u „Vom Kunden aus gedacht“ – das klingt nach einer ausge-lutschten Phrase, beschäftigt aber schon seit vielen Jahren dieHR-Strategen in den Organisationen, eigentlich seit der Einfüh-rung automatisierter Prozesse. Dennoch führt die Optimierungkundenorientierter Strukturen immer noch die HR-Agendavieler Unternehmen an. Wie also die Servicefunktion für dieFührungskräfte und Mitarbeiter im Unternehmen wahrnehmen,wie die Mitarbeiterorientierung in der HR-Strategie verankern?Beginnen wir bei der Definition des Kunden. Was sich auf denersten Blick nebensächlich anhört, hat einen tieferen Sinn. Denndass Mitarbeiter als „interne Kunden“ bezeichnet werden, findennicht alle Berater passend. „Der Mitarbeiter ist derjenige, der amEnde des Tages dafür sorgen soll, dass der Endkunde ein optimalesProdukt bekommt“, sagt Detecon-Managing-Partner Marc Wag-ner. Alles, was Mitarbeiter vollbringen würden, müsse letztlicheinen Wert für den externen Kunden erzeugen. Daher solltenArbeitgeber „bei der Employee Journey nicht in Kleinteiligkeitverfallen und Hunderte interne Leistungsbeziehungen“ abbilden,sondern vom Endkunden ausgehen. „Letztlich geht es darum,die viel zitierte Customer Journey mit der Employee Journey inEinklang zu bringen.“Ähnlich argumentiert Michael Terstesse von HR Pioneers: „Füruns gibt es nur einen Kunden und das ist der Endkunde.“ ImSinne einer agilen Menschenzentrierung sei aber der Blick nachinnen auf die Mitarbeiter gleichsam wichtig. Hier gelte es, dieEmployee Experience immer wieder zu hinterfragen und zu opti-mieren. Dabei könnten sicher ähnliche Vorgehensmodelle undInstrumente genutzt werden, wie sie beim Endkunden zumEinsatz kommen. „Eine positive Employee Experience entstehtdann, wenn HR ehrlich fragt, was gebraucht wird, damit die Mit-arbeiter einen großartigen Job machen können. Also mehr Pullals Push.“ Das Personalmanagement sollte Mitarbeiter zur Par-tizipation und Reflexion einladen und viel konsequenter in Rich-tung Co-Creation denken.Wie aber nun sinnvoll die Employee Experience umsetzen? Dennals Problem stellt sich immer wieder heraus, dass HR zwar inhalt-lich gute Angebote macht, die aber beim Kunden nicht ankommen,„gerade in dezentralen Organisationen, wo sich dieses Problemnoch verschärft“, ergänzt Holger Jungk von HKP. Der Hauptgrund:HR konzentriert sich auf die Prozesse, die Innensicht, doch essollte „in Produkten denken, was bedeutet, auch die Vermarktungim Blick zu haben, an der es dann oft scheitert“. Mitarbeiter inte-ressiere nicht, wie eine Leistung zustande komme, „sie möchtenverstehen, welche Leistungen und Produkte HR zur Verfügungstellt“. „Statt HR im Modus Operandi braucht es HR in der Interaktion“,rät Daniel Tasch von Promerit. Außerdem gehöre die Ausformungder Employee Experience in die Hände eines Transformations-

Was verhindert eine gute EmployeeExperience?

teams, das hierarchie-, funktions- und standortübergreifendzusammengesetzt ist. Die IT, Kommunikations- und Strategie-funktion sollten gemeinsam mit dem Personalmanagement gestal-ten. Bei aller berechtigten Fehleranalyse gibt es auch Fortschritte. EinBeispiel nennt Maximilian Rahm von Lurse: Früher sei die Ent-wicklung eines Performance Managements sehr langwierig gewe-sen und am Ende trotzdem an den Bedürfnissen der Anwendervorbeigegangen. „HR ist heute wesentlich weiter, sodass wir inwenigen Tagen vorstandsreife Prototypen entwickeln können.“Im nächsten Schritt erfolge das Feedback der zukünftigen Anwen-der und wenig später könne das Konzept in ausgewählten Mit-arbeitergruppen pilotiert und Erfahrungen eingebaut werden.„Um sich auf dieses inkrementelle und iterative Vorgehen ein-zulassen, spielt die richtige Haltung eine große Rolle ebenso wieder Faktor Sicherheit.“ Kienbaum-Berater Eberhard Hübbe geht die Diskussion zu weit:„Wenn wir immer an Kleinstschrauben der HR-Funktion herum-drehen, verlieren wir das große Ganze aus dem Auge.“ HR müssein der Lage sein, eine Organisation erfolgreich zu machen, undes ihr ermöglichen, die Geschäftsmodelle erfolgreich zu machen.„Das ist die erste Funktion von HR. Wir verkommen sonstin Kleinfragestellungen, die zwar alle berechtigt sind, aber erstesZiel sollte es sein, Mitarbeitern und Führungskräften eine Umge-bung zu schaffen, in der sie ihre Aufgaben zum Erfolg führenkönnen.“

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u Die Mega-KPI, mit der sich die Mitarbeitererfahrung vonKultur, Arbeitsatmosphäre und Kommunikation, Engagementbis zu Interaktionen messen lässt, gibt es nicht. Es fließenverschiedene Faktoren zusammen wie die Fluktuationsrate,Befragungsergebnisse zur Mitarbeiterzufriedenheit und Kenn-zahlen zur Unternehmenskultur. Viele Kontaktpunkte sum-mieren sich zu einer Art Engagement-Index, der sinnvoller-weise in Relation zu den Unternehmens-KPIs gesetzt werdensollte. Sinnvoll sei es, so Marc Wagner von Detecon, die Anzahl derFeedback-Punkte zu Mitarbeitern zu erhöhen, um ein möglichstgenaues Bild vom Mitarbeiter zu erzeugen und einzelne Ver-zerrungen zu reduzieren. Seine Empfehlung: Gerade im Umfeldgroßer Unternehmen, in denen sich die Kontaktpunkte von

Wie die Employee Experience messen?

Mitarbeitern und Führungskräften häufig auf zwei Performance-Gespräche reduzieren, sollten Mitarbeiterumfragen, Perfor-mance-Gespräche und datengetriebene Bewertungen, die Mit-arbeiter vornehmen können, häufiger stattfinden. Kienbaum geht im eigenen Haus beispielweise den Weg, konti-nuierlich den Engagement-Score zu messen. Wöchentlich erhältjeder Mitarbeiter vier Fragen zum individuellen Engagement aufBasis von 16 Konstrukten. Es wird also nicht nach Personalzu-satzleistungen gefragt, sondern nach dem Befinden, das Aufschlussdarüber gibt, wie engagiert die Beschäftigten in der Organisationsind. „Es kommen viele Themen auf den Tisch“, sagt EberhardHübbe, „die einen Einblick geben, worauf wir uns fokussierenmüssen, damit die Menschen ihren Job gut machen und die Orga-nisation nach vorne bringen können“.

uWebbasierte Anwendungen wie die Verwaltung von Arbeits-zeiten, die Personalbedarfsplanung und -beschaffung oder ebensofür das Talent oder Performance Management sind von Füh-rungskräften nie begeistert aufgenommen worden. Auch wenndie Programme intuitiv zu bedienen sind, der Tenor der Kritikerlautete häufig: „Wir müssen die Arbeit von HR übernehmen.“Dabei blenden sie offensichtlich aus, dass sie viele der Tätigkeitenvor der Digitalisierung auf Papier erledigt haben, erinnert HKP-Berater Holger Jungk. Nicht selten sei zu erleben, dass Führungs-kräfte in den Managment-Self-Service-Portalen die Delegate-Funktion nutzen und ihre Assistenzperson eintragen. „AberFührungsaufgaben wie das Bewerten von Mitarbeitern fallenoriginär in ihr Aufgabenspektrum und dürfen nicht delegiertwerden.“ Wie kommt es zu dieser Fehlentwicklung? Die Erklärung ist ein-fach: Lange Zeit hat HR alles das übernommen, was schwierigund kompliziert war. Zum Beispiel, wenn eine Diskussion mitdem Mitarbeiter erforderlich war, weil eine Beurteilung nicht soausfiel, wie er es sich gedacht hatte. Eine klassische Situation fürKienbaum-Berater Eberhard Hübbe. „Aber daran kranken vieleOrganisationen, denn es war ein Fehler, weil es eigentlich Aufgabeder Führungskraft ist.“ Die Management Self Services zwingennun die Führungskräfte, ihre Aufgaben wieder wahrzunehmen,was ihnen nicht selten schwerfällt.   „Doch die Verantwortung für diese Fehlentwicklung liegt nichtnur bei den Führungskräften“, wendet Maximilian Rahm vonLurse ein, „sondern auch bei den Organisationsmodellen: Sie

Management Self Service forciertFührungsarbeit

wurden in den vergangenen Jahren entwickelt, um flachere Hie-rarchien mit größeren Führungsspannen zu forcieren, aber gleich-zeitig wurde verpasst, Mitarbeiter so zu empowern, dass diesesFührungsvakuum durch eine erhöhte Selbstorganisation derTeams geschlossen werden kann.“ Nun würden sich viele Füh-rungskräfte zu Recht fragen, wie sie ihrer originären Aufgabenoch nachkommen sollen, wenn das Organisationsdesign derletzten Jahre es gar nicht mehr zulasse.  

SPECIAL HR-MANAGEMENTBERATUNG

1 Reine Wohlfühlprogramme, die keinen schnell messbaren Impact liefern,sind passé – im Gegensatz zu Leadership-Programmen, die Arbeitgeberals sehr notwendig ansehen, weil klassische Führungsmodelle scheitern.

2 Gerade in konjunkturellen Schwächephasen sollte HR nicht alle Werte über Bord werfen, sondern sich profilieren und für eine smarte Restruk-turierung stark machen.

3 Die Basisaufgaben von HR haben oft noch nicht das Siegel Operational Excellence verdient. Es herrscht weiter Optimierungsbedarf.

4 Employee Experience bedeutet häufig noch die Fokussierung auf HR-Prozesse. Wichtiger ist das Denken aus Sicht der Mitarbeiter, die bei der Gestaltung eingebunden werden sollten. Ebenso darf die „Vermarktung“ der Produkte nicht ausgeblendet werden.

5 HR sollte nicht länger die Pflichten der Führungskräfte übernehmen,die wieder lernen müssen, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Die MMS-Portale katalysieren diese Entwicklung.

Kompakt: Die fünf wichtigsten Erkenntnissedes Round Tables

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uDigitale HR-Produkte, digitale Geschäftsmodelle, digitale Pro-duktion: Kann HR einschätzen, welche Lösungen wo und wiezum Einsatz kommen sollten? Im Jahr 2016 waren laut einerStudie von HKP mit Abstand die häufigsten Verhinderungsgründefür die Digitalisierung „ein mangelndes Budget und zu wenigstandardisierte Prozesse“. Als im Jahr 2019 die Fragen zum digitalen Reifegrad von und inHR wiederholt wurden, standen „an erster Stelle die mangelndendigitale Kompetenzen der Führungskräfte und an zweiter diefehlenden Kompetenzen bei HR“. Unabhängig von der Unter-nehmensgröße zeige sich, dass HR nicht als Treiber der Digita-lisierung wahrgenommen werde, erläutert Holger Jungk. „Oftmalsliegt das daran, dass der Fokus noch auf nicht digitalisierten Pro-zessen liegt.“ Diese binden in der Regel aber viele Kapazitäten,sodass wenig Raum für die Steigerung des digitalen Reifegradsin HR bleibe.  Ähnlich sieht es Maximilian Rahm von Lurse: In vielen Fällensei HR so damit beschäftigt, klassische Prozesse einfach digital

Digitale Kompetenz: Da geht noch mehr

abzubilden, dass für die wirklich neuen Themen in diesem Bereichkeine Ressourcen mehr blieben. Er nennt als Beispiel das ThemaPeople Analytics und sieht darin „einen zukünftigen Hebel umrelevante Businessentscheidungen zu beeinflussen und einenwirklichen Wertbeitrag im Sinne des Geschäftserfolgs zu leisten“.   Einen anderen Weg skizziert HR-Pioneers-Berater MichaelTerstesse: Um den digitalen Reifegrad von HR zu steigern,müssten Silos überwunden und die crossfunktionale Zusam-menarbeit gefördert werden. Nur wenn HR-Experten, Produkt-spezialisten, UX-Designer, Softwarentwickler und auch DataScientists interdisziplinär zusammenarbeiten und kontinuierlichden Nutzer einbinden, können wertvolle digitale HR-Produkteentstehen. Nach einer aktuellen Studie von Promerit sind drei Viertel der HRM-Systeme in der „Welt von gestern“, also „on premise“,verankert. Das Fazit von Daniel Tasch: Mit veraltetem Wissenlässt sich keine digitale Transformation zukunftsorientiert gestalten. p

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u Klare Worte: „Unsere Personalarbeit muss sich unbedingterneuern“, beteuert die Personalleiterin einer süddeutschenMaschinenbaufirma, die ihren Namen nicht in der Presselesen will. „Doch dass mir diese Schlaumeier einbläuenwollen, wir müssten uns mit Google oder irgendwelchenStart-ups messen, geht mir ziemlich auf die Nerven“, lässtsie ihrem Unmut freien Lauf. „Sollten diese Berater erneutantanzen, werfe ich sie achtkantig raus.“ Den Ärger derambitionierten Personalleiterin können viele HR-Verant-wortliche in der Wirtschaft nachempfinden. Mehr dennje sind sie von Experten umzingelt, die ihnen alles Möglicheaufschwatzen. Nicht zuletzt in puncto Digitalisierung. Eini-gen Beratern ist der Deckungsgrad zwischen Wunsch undWirklichkeit egal. Sie meinen, was in einem Konzern funk-tioniert, sei auch auf einen mittelständischen Betrieb oderein Familienunternehmen übertragbar.

Personalleiter sind aufgeschlossen für Expertise

Meist lassen sich Personaler nicht auf Abenteuer ein: „Mis-sionare, die mir die Welt erklären wollen, fallen durchsSieb“, sagt Wolfgang Runge, HR Director Germany vonNTT in Bad Homburg. „In den meisten Fällen reagiere ichgar nicht“, betont auch Andreas Grieger, Executive VicePresident HR Global von Weidmüller in Detmold, der täg-lich Anfragen „auf allen Kanälen“ registriert. „Als hätte man nur auf sie gewartet“, wundert sich RupertFelder, HR-Chef der Heidelberger Druckmaschinen AG,über derlei Chuzpe. Grundsätzlich sind die meisten Ent-scheider jedoch aufgeschlossen gegenüber jeglicher Expertisevon außen. Denn der Alleskönner, der dank seines Wis-sens- und Erfahrungsschatzes administrative Hausaufgabenerledigt und zusätzlich knifflige Sachverhalte der Betrieb-lichen Altersversorgung oder der Entgeltfindung in denGriff kriegt, ist unbestreitbar eine Ausnahme unter denPersonalern.

So zieht Felder in Vergütungsfragen Berater hinzu undlässt das erarbeitete bAV-Konzept durch ein Gutachtenuntermauern. „Solche Themen sind von großer Tragweite.Also bin ich gut beraten, mich abzusichern.“ Auch HenningMartens, Personalleiter der im westfälischen Blombergansässigen Synflex Elektro GmbH, schätzt den „unbefan-genen Blick von außen“. Auf diesen Mehrwert hält er großeStücke. Projektweise sind in der Personalabteilung Beraterfür Payroll, Employer Benefits, bAV und Personalentwick-lung einbezogen.

Womit Berater bei Personalverantwortlichen punkten

Warum sich Martens für sie entschied, sagt viel über dasWesen eines kleineren mittelständischen Betriebs aus. Umbei der Beraterauswahl auf der sicheren Seite zu sein, verlässtsich das vor 55 Jahren gegründete Familienunternehmen,dessen Elektroisoliersysteme in Windradgeneratoren oderin Bremssystemen verbaut werden, auf ein gediegenes Prin-zip. Martens zufolge würden meist Berater bevorzugt, diebereits für andere Firmenbereiche tätig und deshalb mitden Grundzügen und der Kultur des Betriebs vertraut sind.„Als es beispielsweise um die Optimierung der Karriere-Website ging, haben wir übers Marketing einen IT-Beraterangesprochen.“ Vertrauen und Verlässlichkeit, ein Miteinander auf Augen-höhe: So in etwa könnte man also das Anforderungsprofilfür HR-Berater zusammenfassen, die erfolgreich mit denmeist mittelständischen Unternehmen ins Gespräch kom-men wollen. Während fachliche Kompetenz schlichtwegvorausgesetzt wird, sind es insbesondere die persönlichenEigenschaften, die unter den Akteuren die Spreu vom Wei-zen trennen. Joachim Schledt, jahrelang Personalchef vonAlnatura und aktuell dabei, sich in eine neue Aufgabe ein-zuarbeiten, gefallen Berater, die sich durch kreative Anspra-che Gehör verschaffen. „Unschlagbar ist, wenn sie Themenansprechen, an denen ich gerade arbeite.“Schledt erinnert sich an ein in der Tat ungewöhnlichesAkquisitionsschreiben, mit dem sich ein Berater hand-schriftlich an ihn wandte. „Dieser Brief war so formuliert,dass ich wusste, den gibt es nur einmal.“ Eher negativ bliebdem HR-Experten eine andere Erfahrung in Erinnerung.Als ein renommierter Berater bei einem Pitch bloß Stan-

Ständig neue Herausforderungen in der HR-Welt erfordern von den Personalern ein Aufrüsten ihres Wissens. Dafür wenden sich insbesondere Personalleiter aus dem Mittelstand häufig an Berater. Halten diese, was sie versprechen?VON WINFRIED GERTZ

Von arrogant bis kompetent

SPECIAL HR-MANAGEMENTBERATUNG

„Missionare, die mir die Welt erklärenwollen, fallen durchs Sieb.“Wolfgang Runge, HR Director Germany, NTT

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genware lieferte, schlummerte Schledt ein. „Für mich wares unangenehm“, sagt der HR-Experte augenzwinkernd.„Für den Berater jedoch ein herber Rückschlag.“

Kulturelles Feingefühl undsystemischer Blick

Kehren wir zu den positiven Erfahrungen zurück. ThomasPerlitz, CHRO des Modehändlers Schustermann & Boren-stein in München, erwartet vom Berater gesunden Prag-matismus. „Der Berater will verstehen, was wir tun. Er willuns unbedingt weiterentwickeln“, erklärt er. Exakt auf dieseWeise habe ihn erst jüngst ein Beratungshaus überzeugt.Besonders gut gefiel Perlitz das „kulturelle Feingefühl“ derBerater, die nicht als Fremdkörper wahrgenommen werdenwollten. „Bereits nach zwei Tagen ließen sie ihre Krawattenim Schrank“, sagt der tief beeindruckte Personalleiter.Hier knüpft auch Runge mit seinen Erfahrungen an. Dievon ihm angeheuerten Berater könnten sich schnell inihren Kunden hineinversetzen. Man habe das Gefühl, erläu-tert er, als würden die Berater gleich nah heranrücken. Alswürden sie sagen: „Wir wissen, wie es geht. Wir erklärenes euch. Mal schauen, wie wir es umsetzen.“ Kurz: Sie ver-

stünden es, so schnell bei ihren Kunden anzudocken, dassman sie in kürzester Zeit als Teil des Teams erlebe statt als„etwas Angeflanschtes“, wie Runge es ausdrückt.An Optionen, um sich als Berater einen guten Ruf bei derKundschaft zu erarbeiten, besteht also gewiss kein Mangel.Andreas Grieger erinnert sich an jemanden, dessen „sys-temischer Blick“ ihn überzeugte. „Er wies uns auf Themenhin, die ihm auch rechts und links von seinem eigentlichen

„Der Berater will verstehen, was wir tun.Er will uns unbedingt weiterentwickeln.“Thomas Perlitz, CHRO, Modehändler Schustermann & Borenstein

„Wenn ich mich als Personalleiter vom Berater führen lasse, dann bin ich am falschen Platz.“Joachim Schledt, ehemaliger Personalleiter von Alnatura, Vorsitzender der Selbst GmbH

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Auftrag auffielen.“ Dabei agierte er, ohne den nächstenAuftrag im Auge zu haben.

Vorsicht vor Beratern ohne belastbareErfahrung

Doch solche einfühlsam auf den Kunden ausgerichtetenVerhaltensweisen sind zum Leidwesen der Personalver-antwortlichen keineswegs die Regel. „Was gar nicht geht“,so Perlitz, „ist zur Schau gestellte Arroganz.“ Statt sichanzupassen, zögen manche Berater ihr Ding fast zwanghaftdurch. Für Perlitz ist das ein Hinweis auf unzureichendeFlexibilität: „Den Beratern fehlt die Erfahrung auf der ande-ren Seite des Tisches.“ Ihnen mangele es an praktischerUmsetzungsexpertise. In führender Position hätten sieselbst keinerlei Projekte geleitet.Nicht zuletzt deshalb sollten Personalverantwortliche inder Kooperation mit Beratern fest die Zügel in der Handbehalten. „Wenn ich mich als Personalleiter vom Beraterführen lasse, dann bin ich am falschen Platz“, sagt JoachimSchledt klipp und klar. Ob sich diese Position immer haltenlässt? Professor Rupert Felder empfiehlt eine differenziertereSichtweise. Er hält nichts davon, ständig das Kommandozu führen. Bisweilen übergibt er dem Berater sogar dasZepter: bei Spezialthemen, auch in IT-Projekten, wo esihm als Personalleiter, wie er sagt, „schlicht an Kompe-tenztiefe mangelt“.

Was Vertrauen stärkt und vor Gefahren schützt

Grundsätzlich sollte der Auftraggeber das Steuer in derHand halten. Vorausgesetzt, er hat den Beratungsaufwandeinschließlich Meilensteinen definiert und klare Zielebenannt. Beispielsweise entwickelt Andreas Grieger vonWeidmüller derzeit mit zwei Beratern neue Führungskräf-tetrainings. „Im Konzeptionsworkshop tasten wir uns anei-nander heran und einigen uns auf Rahmenbedingungen,Inhalte und die generelle Zielrichtung.“ Auf dieser Basiskönne sich der jeweilige Trainer dann „frei bewegen“.Dieser Aufwand, um sich über das Wesentliche der Zusam-menarbeit zu verständigen und verbindliche Eckpunktefestzuzurren, wird laut Rupert Felder oft unterschätzt. Aberselbst wenn die Hausaufgaben erledigt wurden, sind Fehl-entwicklungen nicht gänzlich auszuschließen. ThomasPerlitz bleibt deshalb am Ball und will wissen: Wie kommtder Berater in der Organisation an? „Dazu tausche ich michmit meinem Projektleiter und den Mitarbeitern aus.“Auf keinen Fall darf man Berater einfach laufen lassen.Manche nutzen die Situation schamlos aus. Andreas Griegerberichtet von einem Personalentwickler, der während desTrainings mit Führungskräften gezielt Coachings akqui-rierte. „Das zerstört Vertrauen“, bemerkt er enttäuscht.Thomas Perlitz zufolge müssten Personalverantwortlichedann unverzüglich reagieren. Er selbst habe bereits Berater„auf der Hälfte des Weges“ herausgenommen, weil dieErgebnisse nicht stimmten oder die Externen wie Fremd-körper wahrgenommen worden seien.

Kein Schrecken ohne Ende

Auch Joachim Schledt kann Personaler nur warnen, dementtäuschenden Treiben zu lange passiv beizuwohnen.„Selbst wenn das Projekt weit vorangeschritten ist“, betonter, sollten sie keine Scheu haben, den Berater vor die Türzu setzen. Laut Perlitz sei es von Vorteil, sich mit denBeratern auf „vertraglich festgezurrte Ausstiegsklauseln“zu verständigen. Käme es zu einer Trennung, finde sichimmer eine Lösung, mit der beide Seiten „ihr Gesichtwahren können“. Um solchen gleichsam unerwarteten wie unerwünschtenEntwicklungen vorzubeugen, ist Personalverantwortlichennur zu empfehlen, bei der Beraterwahl nicht übereilt vor-zugehen. Rupert Felder hält nicht viel von oberflächlichenKontakten, die man auf einschlägigen Messen knüpfenkönne. Sie seien zuvörderst „von Success Stories“ beherrscht.Wer jedoch substanzielle Informationen über Berater suche,dem böten sich kollegiale Netzwerke an. „Für mich sindsie ein vertrauensvoller Raum, in dem man sich auch übergescheiterte Projekte und begangene Fehler austauschenkann“, sagt der HR-Experte. Grundsätzlich sollten bei der Auswahl eines Beraters stetsdie persönlichen Eigenschaften den Ausschlag geben. Hen-

SPECIAL HR-MANAGEMENTBERATUNG

Augen auf bei der Beraterwahl

Personalverantwortliche favorisieren Berater, die ...• bedarfsgerechte Konzepte entwickeln statt Stangenware zu verkaufen,• sich einfühlsam statt in herablassender Attitüde auf den Auftraggeber einlassen,• neben der fachlichen Kompetenz vor allem persönlich überzeugen,• ihren Kunden auf Mängel hinweisen und ihm nicht nach dem Mund reden,• nicht bei ihrem Auftraggeber zukünftige Kunden akquirieren,• bereits in der Organisation tätig sind und von dort empfohlen werden,• Referenzen vorweisen, die zur Unternehmensgröße des Auftraggebers passen.

„Ein systemischer Berater weist auf Themen hin, die ihm auch rechts und links von seinem eigentlichen Auftrag auffallen.“Andreas Grieger, Executive VP HR Global, Weidmüller

„Gute Berater respektieren, welchen Weg das Unternehmen bisher gegangen ist.“Dr. Henning Martens, Personalleiter, Synflex Elektro GmbH

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ning Martens rät dazu, die Berater einschließlich ihrer Mit-arbeiter, die das Projekt letztlich umsetzen, persönlich ken-nenzulernen. „Die Chemie muss einfach stimmen.“ Dasheißt jedoch nicht, sich auf einen gemeinsamen Weg ein-zulassen, der sich in zwanghafter Harmonie erweise. „Tat-sächlich sind manche Berater devot“, weiß Joachim Schledt.„Sie reden ihrem Kunden nach dem Mund.“ Vielmehrgeht es um die soziale Kompetenz des Beraters. „Ist er mitmeinem Team kompatibel, trauen wir uns gemeinsam dieAufgabe zu“, fragt Wolfgang Runge. Das könne der Per-sonalleiter nicht „in einsamer Entscheidung“ allein ermessen.Zudem warnt Runge davor, Berater auf Empfehlung zufavorisieren. Denn es gebe keinerlei Garantie, dass der oderdie Personalverantwortliche mit dem Team ebenfalls gutmit der Person auskomme.

Warum Referenzlisten nicht überzeugen

Am schlimmsten jedoch sind aus Sicht der Personalver-antwortlichen jene Berater, die bloß austauschbares Einerleidarbieten statt sich der Aufgabe zu widmen, eine individuellauf die jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtete Lösung zu ent-wickeln. Die Dienstleister, mit denen Henning Martensbisher bei Synflex zusammenarbeitete, seien stets bereit

gewesen, sich flexibel anzupassen. „Zugleich respektiertensie, welchen Weg das Unternehmen bisher gegangen ist“,erklärt er. Diese Anpassungsbereitschaft aller Beteiligten aufseitendes Beraters sollten Unternehmen so früh wie möglichherausfinden, empfiehlt Thomas Perlitz. Dabei sollte dasFachliche nicht zu sehr in den Hintergrund rücken: Wieviele Projekte vergleichbarer Natur kann der Berater vor-weisen? „Mir nützt es nichts, wenn er die Deutsche Bankals Referenz vorweist“, erklärt Perlitz, „denn sie ist nichtmit unserer Struktur und Kultur vergleichbar.“ Zu emp-fehlen sei ebenfalls, Berater erfolgsbasiert statt nach Tagessatzzu vergüten. Halten wir fest: Wer sich von den hier skiz-zierten Erfahrungswerten leiten lässt, dem steht aller Voraus-sicht nach kein Abenteuer mit ungewissem Ausgang insHaus. p

„Bei Themen von großer Tragweite binich gut beraten, mich abzusichern.“Prof. Dr. Rupert Felder, Personalleiter, Heidelberger Druckmaschinen AG

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u Die vierte industrielle Revolution ist eine disruptiveKraft, die weltweit beispiellose Veränderungen in Organi-sationen und Branchen bewirkt. Angetrieben von Big Data,künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge eröffnensich für Unternehmen neue Möglichkeiten, aber vor allemauch vielfältige Herausforderungen. Effektive Führungs-kräfte sind ein wichtiger Schlüssel, um sich diesen Heraus-forderungen optimal zu stellen und in diesen Zeiten desWandels Orientierung zu geben. Doch wann ist eine Füh-rungskraft effektiv und wie kann man sie auf dem Wegdahin am besten begleiten?

Wann ist eine Führungskraft effektiv?

Führungskräfte sind dann effektiv, wenn sie eine positiveEmployee Experience prägen und somit zum Erfolg desUnternehmens beitragen. Allerdings ist die EmployeeExperience ein breit gefächertes Konzept – worauf kommtes also wirklich an? Dieser Frage ist Willis Towers Watsonim Rahmen seiner aktuellen Employee-Experience-For-schungen nachgegangen. Hierfür wurden die Daten vonMitarbeiterbefragungen aus weltweit 500 Unternehmen,welche fast zehn Millionen Mitarbeitermeinungen umfas-sen, analysiert. Es wurde untersucht, was genau High-Performance-Unternehmen von durchschnittlichenUnternehmen unterscheidet. Als High-Performance-Unternehmen werden Organisationen bezeichnet, diesowohl finanziell wiederholt herausragende Leistungenerzielen als auch von ihren Mitarbeitern besonders gutbewertet werden und hoch engagierte Mitarbeiter auf-weisen. Die umfassenden Analysen haben gezeigt, dassHigh-Performance-Unternehmen eine Employee Expe-rience bieten, die sich vor allem durch Inspiration, Ver-änderung, Entwicklung und Vertrauen auszeichnet unddass dies die Merkmale sind, welche Höchstleistungs-unternehmen von durchschnittlichen Unternehmen dif-ferenziert (siehe Abbildung auf Seite 47). Erfolgreiche

Unternehmen haben Mitarbeiter, die immer wieder aufsNeue inspiriert werden von den Dingen, die sie tun; diedas Gefühl haben, dass sich das eigene Unternehmen indie richtige Richtung weiterentwickelt; die ihr Potenzialvollkommen nutzen können und die sich eines gegen-seitigen Vertrauens sicher sind (Vertrauen in die Füh-rungskräfte und auch die Sicherheit, dass die Führungs-kräfte in die Mitarbeiter vertrauen). Ein Unternehmen wird also nur dann zu den Top Playernam Markt zählen, wenn Inspiration, Veränderung, Ent-wicklung und Vertrauen in dem direkten Arbeitsumfeldeines Mitarbeiters spürbar sind. Damit dies Realität wird,braucht es Führungskräfte, die dafür Sorge tragen, dassihre Mitarbeiter genau diese Art der Erfahrungen machenkönnen. Dies ist eine Aufgabe, welche den Menschen inseiner Gesamtheit fordert – nicht nur den Teil der klassischenKompetenzen und Skills, sondern auch die Haltung derPerson.

Loslassen und Empathie erforderlich

Um Mitarbeitern jeden Tag Inspirations-, Veränderungs-,Entwicklungs- und Vertrauenserfahrungen ermöglichenzu können, ist es essenziell, dass Führungskräfte empathischsind und die richtige Haltung aufweisen. Wenn MitarbeiterFührungsverantwortung erstmalig übernehmen, wandeltsich ihre Tätigkeit radikal. Sie sind von nun an nicht mehrverantwortlich für die Ausführung ihres vorherigen Jobs,sondern für die Personen, die diesen Job ausführen. Dieserfordert die Fähigkeit des Loslassens und ein hohes Maßan Empathie. Maßgebend im Umgang mit den eigenenMitarbeitern sollten daher Fragen sein wie etwa: Wie gehtes dir? Was möchtest du erreichen? Wie kann ich dir helfen,dieses Ziel zu erreichen? Empathisch sein bedeutet alsoauch, den eigenen Blickwinkel auf die Dinge zu reflektierenund die Situationen auch aus der Perspektive der Mitarbeiterzu betrachten.

Gute Führungskräfte schaffen es, ihre Mitarbeiter für ihre Arbeit zu begeistern. Um das tun zu können, müssen sie selber inspiriert werden – was sich eher durch eine Leadership Journey alsdurch klassische Führungskräftetrainings erreichen lässt.

SPECIAL HR-MANAGEMENTBERATUNG

Inspirieren statt trainieren

Umfassende Analysen von WTW haben gezeigt, dass High-Performance-Unternehmen eine Employee Experience bieten, die sich vor allem durchInspiration, Veränderung, Entwicklung und Vertrauenauszeichnet.

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Heike Bruch, Professorin für Leadership und Leiterin desInstituts für Führung und Personalmanagement der Uni-versität St. Gallen, betont in diesem Zusammenhang zudem,dass Führen nur funktioniert, wenn die Führungskraft auseigener Motivation heraus führt. Denn jede Führungskraftsteht vor Herausforderungen, die sich nur mit dem ent-sprechenden Selbstvertrauen und Engagement bewältigenlassen.

Kompetenzen und Skills

Neben der richtigen Haltung benötigen Führungskräfteauch weiterhin eine stabile Basis an Kompetenzen undSkills, um die Führungsaufgaben effektiv bewältigen zukönnen. Diese Kompetenzen sind im 3P-Modell von WillisTowers Watson in drei Dimensionen zusammengefasst:People (Fokus auf Menschen), Pio-neering (Fokus auf Pioniergeist) undProfessional (Fokus auf Fachwissen).In Anlehnung an bereits beschriebeneTreiber organisationaler Höchstleis-tung sollte der Fokus klar auf die Berei-che People and Pioneering gelegt wer-den. People-Kompetenzen speisendie Entwicklungs- und Vertrauens-erfahrungen, während die Pioneering-Kompetenzen fürInspirations- und Veränderungsmomente sorgen. People-Kompetenzen mit Fokus auf die Elemente Entwicklungund Vertrauen sind etwa „Mitarbeiter und Teams entwi-ckeln“, „Verantwortung übernehmen“ und „Glaubwür-digkeit aufbauen“. Pioneering-Kompetenzen mit Fokusauf die Elemente Inspiration und Veränderung sind bei-spielsweise „Transformation leben“ und „Mitarbeiter inspi-rieren und begeistern“. Die Kompetenzen im Bereich Pro-fessional sind im Vergleich zu den anderen beiden

Dimensionen und im Hinblick auf die Anforderungen derzukünftigen Arbeitswelt eher nachgelagert.

Lernen durch emotionales Erleben

Personalentwicklung zielt seit jeher darauf ab, dass Mitar-beiter etwas Neues erlernen und dies anschließend in ihremArbeitsalltag anwenden. Sie will also eine direkte Verhal-tensänderung bewirken. Allerdings hat sich gezeigt, dasssich dies mit klassischen Trainings, insbesondere im Kontextder Führungskräfteentwicklung, kaum erreichen lässt, dasie oftmals keine nachhaltige Veränderung bewirken.Wenn man die Praxis der Mitarbeiter- und Führungskräf-teentwicklung unter Berücksichtigung der neuesten Hirn-forschung betrachtet, wird klarer, warum die Trainingsmeist nicht den erwünschten Effekt erzielen.

Die Annahme, etwas lernen zu kön-nen, indem man es häufig genug wie-derholt, ist ein Relikt eines längst über-holten Bildungsideals. In der Schulewie auch bei klassischen Führungs-kräftetrainings wird davon ausgegan-gen, dass sich das menschliche Hirnwie ein Muskel verhält, welcher dasgewünschte Verhalten erzeugt, sobald

er häufig genug trainiert wurde. Aufgrund neurobiologischerForschung weiß man jedoch inzwischen, dass nachhaltigesLernen nicht durch stumpfes Trainieren erfolgen kann,sondern nur dann gelingt, wenn Emotionen im Spiel sind.Untersuchungen haben gezeigt, dass etwas neu Gelerntesnur dann im Hirn verankert wird, wenn durch die Akti-vierung emotionaler Hirnzentren die notwendigen Boten-stoffe ausgeschüttet werden. Der bekannte Neurobiologeund Hirnforscher Gerald Hüther betont, dass das, was manlernen will, „unter die Haut“ gehen muss.

Nachhaltiges Lernen kannnicht durch stumpfes Trainieren erfolgen,

sondern gelingt nur, wennEmotionen im Spiel sind.

Elemente der Employee Experience Abbildung

Was unterscheidet High-Perfor-mance-Unternehmen von durchschnittlichen Unterneh-men? Ihre Employee Experiencezeichnet sich durch Inspiration,Veränderung, Mitsprache und Vertrauen aus. Qu

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Nicht Trainer, sondern Begleiter

Wir kommen auf die Welt mit einer unerschöpflichen Ent-deckerfreude, die wir jedoch oftmals verlieren, währendwir unser Bildungssystem durchlaufen. Daher gilt es, dieseFreude am Entdecken, Experimentieren und Gestaltenwieder aufleben zu lassen und Erfahrungen zu machen,die uns emotional berühren. Hüther betont in diesemZusammenhang, dass dies nur in einer Gemeinschaft statt-finden kann – durch die Begegnung und Interaktion mitanderen. Es braucht daher keine klassischen Trainer, dieanderen erzählen, wie die Dinge anzugehen sind, sonderneinen Begleiter, einen Mitgestalter, der andere inspiriertund deren Potenzial erkennt. Anstelle von herkömmlichenTrainings müssen wir wieder Möglichkeiten zum Gestaltenschaffen – weg von der reinen Wissensvermittlung hin zueiner echten Leadership Journey, die unter die Haut geht.Dazu müssen möglichst viele interaktive Elemente einge-bunden werden, welche es den Teilnehmern ermöglichen,mit anderen zusammen wertvolle Lernerfahrungen zu sam-meln.

Die Leadership Journey als Möglichkeit zumErleben und Gestalten

Wie das Wort „Journey“ bereits impliziert, geht es darum,Führungskräfte nicht nur einmalig zu trainieren, sondernsie kontinuierlich zu verschiedenen Zeitpunkten zusam-menkommen zu lassen und somiteine Plattform zu schaffen, wo sie ineiner Gemeinschaft emotionale Lern-erfahrungen sammeln können. DieElemente und Themen der Leader-ship Journey werden basierend aufden gewählten Schwerpunkten fest-gelegt. Die Leadership Journey bestehtaus diversen Elementen und kannvielfältige Methoden nutzen (unter anderem Design Thin-king, Pulse Surveys, Hackathon), wobei jedoch das Prinzipder Co-Creation maßgebend sein sollte.

Mögliche Elemente einer Leadership Journey sind bei-spielsweise:l Leadership-Forum: Der Fokus liegt hier auf den ThemenInspiration, Gestalten, Entdecken. Die Methode bezie-hungsweise das Format kann jeweils unterschiedlich gewähltwerden. Anbieten würde sich zum Beispiel ein Hackathon.Der Begriff Hackathon wurde durch die Soft-/Hardware-industrie geprägt und setzt sich zusammen aus „Hack“ und„Marathon“. Ziel sogenannter Hackathons war es, überdie Dauer der Veranstaltung gemeinsam kreative, neueSoftwarelösungen zu entwickeln. Übertragen auf andereBereiche zielt ein Hackathon darauf ab, gemeinsam Lösun-gen für bestimmte Probleme zu erarbeiten (beispielsweise

anhand der Design-Thinking-Methode). Wichtig ist jedoch,dass die Führungskräfte tatsächlich Zeit haben, sich mitden Dingen auseinanderzusetzen, diese weiterzudenkenund konkret zu gestalten.l Inspiration Lab: Jede Führungskraft hat im Vorfeld dieMöglichkeit, eigene Frage-/Problemstellungen aus ihremArbeitsalltag vorzuschlagen. Zu den Topthemen wirddaraufhin ein passendes Angebot unter Einbezug verschie-dener Methoden ausgearbeitet – wie zum Beispiel konkreteImpulse zu Fragestellungen oder gezieltem Austausch mitKollegen. So können sich die Führungskräfte individuellden für sie interessanten Themen widmen. l Digital Hub: Damit der Effekt und Schwung nicht ver-sandet, ist ein kontinuierlicher Austausch/eine kontinu-ierliche Interaktion mit Kollegen wichtig. Eine digitalePlattform, auf welche die Führungskräfte jederzeit zugreifenkönnen (beispielsweise eine App), bietet die Möglichkeit,immer wieder Impulse in die Gruppe zu geben, Austauschanzuregen, Fragen zu beantworten et cetera. Dies sollteden gesamten Prozess der Leadership Journey begleitenund untermalen.

Gegenseitige Inspiration und Unterstützung

Der zentral organisierte und durchgeführte Teil einer Leadership Journey kann sich über ein gesamtes Jahroder länger erstrecken – das Ziel jedoch ist, dass die Füh-rungskräfte sich im Anschluss auch weiterhin gegenseitig

auf ihrer Journey unterstützen undinspirieren. Für den Erfolg der Leader-ship Journey ist es essenziell, die Füh-rungskräfte bereits früh in die Ent-wicklung und Planung der Journeyaktiv einzubinden, ein Gesamtkon-zept inklusive motivierender Story-line zu entwickeln und das Vorhabendurch ein Branding auch emotional

aufzuladen. Alles in allem sollte sich die Definition des Zielbilds (Wassollen unsere Führungskräfte können?) an den Treibernorganisationalen Erfolgs (Inspiration, Veränderung, Ent-wicklung und Vertrauen) ausrichten. Die Stellschraubenbei den Führungskräften bilden nach wie vor die Kompe-tenzen als grundlegendes Rüstzeug, aber vor allem auchdie Haltung der Führungskräfte. Um die Führungskräfteauf dem Weg zu begleiten, sollten Personalverantwortlicheabseits der klassischen Trainingspfade denken und statt-dessen eine kollektive, inspirierende und emotionale Leadership Journey initiieren.Kurz zusammengefasst: Effektive Führungskräfteentwicklungsollte die Themen Inspiration, Veränderung, Entwicklungund Vertrauen adressieren, die Haltung und Kompetenzender Führungskräfte einbeziehen, Möglichkeiten zum Gestal-ten bieten und vor allem in Interaktion stattfinden. p

SPECIAL HR-MANAGEMENTBERATUNG

Es braucht keinen klassischen Trainer,

sondern einen Begleiter,einen Mitgestalter, derandere inspiriert und

deren Potenzial erkennt.

AUTORIN

Bettina Faude, Director, Willis Towers Watson, Frankfurt am Main, [email protected]

„Führen funktioniert nur,wenn die Führungskraft auseigener Motivation herausführt.“Heike Bruch, Professorin fürLeadership und Leiterin, Institutfür Führung und Personalmana-gement, Universität St. Gallen

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TECHNIK & TOOLS IDEENMANAGEMENT

uWenigstens im Grundsatz ist die Sache klar: Nie warein stetig-starker Fluss von Ideen und Innovationen sowichtig wie heute. Tatsächlich ist dieser Fluss in derPraxis meist so stetig und stark, dass er sich ohne Soft-ware nicht mehr beherrschen lässt. Das gilt für jedesUnternehmen, egal welche Größe und welche Branche.Dort, wo Einfälle und Neuerungen entstehen, oft unterder Überschrift des betrieblichen Vorschlagswesens,geschieht das in der Regel mittels technischer Werk-zeuge. Dieser wachsende Bedarf an Ideen- und Inno-vationsinitiativen will befriedigt werden.Womit die Klarheit schon Kontur verliert. Denn jenach Fokus suchen Unternehmen Software, die dieAufgabe unter den Stichworten Ideenmanagement(IM), Innovationsmanagement oder kontinuierlicherVerbesserungsprozess (KVP) angeht. Und auch orga-nisatorisch setzen die einen diesen, die anderen jenen

Akzent: Im Zuge der digitalen Transformation und desverschärften globalen Wettbewerbs ist das Interesse anideenfördernden Lösungen in HR, aber auch in IT-Abteilungen gestiegen. Und in größeren Unternehmenmanagt häufig der Chief Innovation Officer diese Pro-zesse.

Buzzword ohne Boom

Davon abgesehen ist mit der Aussage über den stetig-starken Fluss und die steigende Software-Nachfragenicht die für Unternehmen entscheidende Frage beant-wortet: Entstehen nach Wahrnehmung der Unterneh-men genügend Ideen und daraus wiederum genügendInnovationen, um die eigene Position im Wettbewerbzu halten oder gar zu verbessern? Welche Bedeutungdas Thema hat, konnte man im US-amerikanischen

Der Fluss von Ideen ist eine Lebensader jeder Organisation. Kein Unternehmen kommt ohne Einfälle und Impulse aus, die in Innovationen oder Verbesserungen münden. Aber welche Softwareist die größte Hilfe in diesem Prozess? Das kann eine durchaus knifflige Frage sein.VON ULLI PESCH

Das Denken lenken

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Wired-Magazin nachlesen. Das bezeichnet „Innovation“als das wichtigste und am häufigsten überstrapazierteWort in den USA. Und das Wall Street Journal stuftden Begriff als einen der Topanwärter auf die Kronedes „Business Buzzword of the Decade“ ein. In Europahätte es diesen Rang ebenso verdient.

Die Grundsatzfrage: Was brauchen wir?

In einer Befragung des Dienstleisters Planview Spigitunter 50 Kunden antworteten drei von vier Entschei-dern, dass es bei ihnen an Ideen mangele, um Innova-tionen voranzutreiben, und zwei von drei haben keineausformulierte Innovationsstrategie. Wobei 90 Prozentvon ihnen bestätigen, dass eine Innovationskultur imUnternehmen das Mitarbeiterengagement erhöhe.Abgesehen davon sparen Ideen und verbesserte oderneue Produkte und Prozesse potenziell viel Geld. Allerdings: Wer auf die Suche nach einer entsprechen-den Softwarelösung geht, sollte gut darüber nachdenken,was genau er damit anfangen möchte. Laut Gartners„Market Guide for Innovation Management Tools2019“ unterstützen Werkzeuge für das Innovations-und Ideenmanagement verschiedenste Szenarien, voneiner permanenten Ideengenerierung über Events undKampagnen, Trendscouting und Roadmapping sowieunterschiedliche Umsetzungsmodelle bis hin zumHandling von intellektuellem Eigentum und dessenKommerzialisierung. Vereinfacht könnte man die Frage so stellen: Geht esdarum, Mitarbeiter anzuspornen, ihre Ideen mit demUnternehmen zu teilen? Liegt der Fokus im Outputvon Innovationen, die das Unternehmen immer wiederauf die Überholspur schicken? Oder soll die Technikhelfen, durch kontinuierliche, verhältnismäßig kleineVerbesserungen Prozesse und in der Folge Produktesowie interne Strukturen stetig weiterzuentwickeln undzu optimieren?Wobei nicht nur Unternehmen mit diesen Fragen rin-gen. Auch Praktiker sprechen von einer schwierigenUnterscheidung zwischen Ideenmanagement, Innova-tionsmanagement und KVP. Stefan Hemmers, Eigen-tümer und Geschäftsführer des auf derlei Lösungenspezialisierten Unternehmens Trevios Software, sagt:„So richtig scharf ist das in vielen Firmen nicht zu tren-nen, und es gibt immer wieder Diskussionen, was wozugeordnet werden sollte. Letztlich ist die Ordnungaber nicht wichtig, sondern dass man einen Nutzen fürdas Unternehmen erzielt.“ Auch Arko Steinwender,Experte für Ideenmanagement bei Fraunhofer AustriaResearch, hält „die Klärung von Verantwortlichkeitensowie eindeutig definierte Vorgehensweisen und Pro-zesse“ für wichtiger als die Frage nach dem richtigenTool (siehe Seite 53).

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TECHNIK & TOOLS IDEENMANAGEMENT

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Hemmers trennt das eine vom anderen so: KVP sei einteamorientierter, ideengeführter Prozess, in dem Maß-nahmen erarbeitet werden, um beispielsweise ein kon-kretes Problem zu lösen oder ein Ziel zu erreichen, undfinde überwiegend im produzierenden Gewerbe statt.Beim Ideenmanagement hingegen warte man darauf,dass der Benutzer eine Idee eingibt. Dort gehe es „umdas Abgreifen von Verbesserungen“. Auch seine Kollegin Alexandra Hamerla, CustomerSuccess Manager bei Innolytics, sieht den Unterschiedim Wesentlichen nicht in derSoftware, sondern im speziellenAnwendungsfall. Eine KVP-Lösung benötige beispielsweiseandere hinterlegte Statusanga-ben, Prozesse und Votingkrite-rien als ein Tool für Innovati-onsmanagement. Bei Innolyticsbereite man dasselbe technische Grundgerüst jeweilsanders auf und passe es an den Anwendungsfall an.Alles ganz einfach und doch schwer zu beantworten.Ebenso wie die Frage, welche Rolle HR im Ideenma-nagement spielt. Stefan Hemmers sagt, Ideenmanage-ment müsse sich mit Kennzahlen im Reporting aus-drücken, um die Ergebnisse auf Abteilungs- oderGeschäftsleitungsebene runterbrechen zu können.„Dazu braucht man die hierarchischen Bezüge derDaten zueinander, zum Beispiel wenn es um verschie-dene Standorte geht, um zu wissen, was wo passiert.Diese Daten kommen in der Regel aus der HR-Abtei-lung.“

Lösungsvielfalt ohne Ende

Zu wissen, welche Lösung man sucht, ist die eine Heraus-forderung. Aus dem sehr heterogenen Angebot dasrichtige Tool zu filtern, könnte fast die größere sein.

Laut Gartner durchläuft der Markt für Ideen- und Inno-vationsmanagement zwar eine Konsolidierung, bleibtaber stark fragmentiert. Vor allem in Europa und ins-besondere hierzulande tummelt sich eine große Anzahleinschlägiger Anbieter. Viele von ihnen, beispielsweiseTrevios, Innolytics oder Itonics, bieten sowohl Modulefür Ideen- und Innovationsmanagement als auch fürKVP an.Die meisten Produkte bieten ähnliche Kernfunktionenfür den Ideenprozess: Kollaboration, Stage-Gate-Work-

flows (Stage Gate ist ein Prozess-modell für die Innovations- undProduktentwicklung) und Repor-ting. Signifikante Unterschiedeund Entwicklungen gibt es im Use-Case-Support, in der Projektaus-führung, beim Einsatz künstlicherIntelligenz und bei modernen

Analyseverfahren. In der Regel sind diese Softwarelö-sungen als Plattformen konzipiert, auf die der Anwendervon jedem beliebigen Ort zugreifen kann.Jenseits dessen bringen kleine wie große Akteure the-matisch fokussierte Apps auf den Markt. KVP 4.0 vonFraunhofer Research in Österreich etwa lässt sichzunächst 90 Tage lang kostenlos nutzen. SAP verfügtmit SAP Innovation Management ebenso über eineeigene Anwendung zum Stichwort Innovation wie dasBeratungsunternehmen KPMG (das selbst eine Inno-vation Factory betreibt) mit Innovation Toolkit. Am schwierigsten ist aber die Suche nach einer Spezi-allösung fürs Ideenmanagement. Da sind Anbieter wieHLP Software, Loolia oder auch Target, dessen IM-Werkzeug auf SAP-Technologie basiert. Planview sei-nerseits kaufte 2018 Software Spigit. Der nach eigenenAngaben weltweit führende Anbieter für IM-Tools setztebenso auf Crowdsourcing wie das deutsche Unter-nehmen Table of Visions. Und während Hype in Bonndem Prinzip des Design Thinking folgt, hat sich Inno-lytics in Leipzig auf den Gaming-Ansatz spezialisiert(wobei die Basisversion Innolytics Freemium für biszu 15 Nutzer sogar kostenlos ist). Schließlich lassensich auch Lösungen fürs Business Process Managementauf IM (und auf KVP) anwenden.Aber es gibt Auswege: Wer sich von der Vielfalt über-fordert sieht und sein Budget schonen will, kann sichauf den einschlägigen Open-Source- oder Freeware-Seiten und Foren umsehen. Oder er geht einen ganzanderen, eher konventionellen Weg: den des Mind-mapping. Dabei bringen Mitarbeiter, meist in Gruppenund über den verteilten Zugriff, den Ideenfluss perBrainstorming in Schwung. p

Ideenmanagement und Urheberrecht

Neben allen technischen Themen sollte es im Ideenbusiness zumindest am Rande umetwas ganz anderes gehen: Ideen fließen häufig in neue Produktdesigns ein, führen zur Entwicklung oder Verbesserung von Technologien. Manche Unternehmen müs-sen sich deshalb mit dem Urheberrecht befassen, genauer dem Schutz geistigen Eigentumsbis hin zu Geschäftsgeheimnissen. Seit Ende April 2019 gilt in Deutschland ein Gesetz, das diesen Schutz gewährt. Laut Wettbewerbsrechtler Dr. Thorsten Troge, Partner der Kanzlei Taylor Wessing, hebt es Geschäftsgeheimnisse und geheimes Know-how nahezu auf das Level eines geistigen Eigentums. Allerdings: Geschützt sindInformationen nicht schon, wenn sie geheim und dadurch für das Unternehmen von wirtschaftlichem Wert sind, sondern nur dann, wenn angemessene Geheim-haltungsmaßnahmen getroffen wurden.

Auf personalwirtschaft.definden Sie einen Beitrag mit Hinweisen zur Einführung einesIdeenmanagement-Konzepts:pwgo.de/ideenmanagement

Der Markt für Ideen- und Innovationsmanagement

durchläuft eine Konsolidierung, bleibt aber stark fragmentiert.

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u Personalwirtschaft: Welche Vorteile bringt ein professionellesIdeenmanagement – kurz IM – in Unternehmen?Arko Steinwender: Das ist vor allem der höhere Innovationsgrad,der damit erreicht werden kann.

Wo liegt der große Unterschied zwischen IM und KVP, also demkontinuierlichen Verbesserungsprozess?Das Ideenmanagement ist weiter gefasst. KVP wird häufig dazueingesetzt, kleinere Verbesserungen in internen Prozessen undAbläufen oder Bereichen anzustoßen. IM ist eine wesentliche Phasein der Produktentwicklung beziehungsweise im Innovationsprozess.Dabei werden Produktideen oder Verbesserungen erdacht, die auchgrößere Veränderungen – möglicherweise sogar solche mit dis-ruptivem Charakter – auslösen können.

Wo sind in diesem Kontext die Begriffe „Innovationsmanagement“und „betriebliches Vorschlagswesen“ einzuordnen?Ein umfassendes Innovationsmanagement hat auch die Aufgabe,Innovationen „planbar“ zu machen. Dort sind Aktivitäten im Unter-nehmen subsummiert, die für die umfassende Identifikation, Ent-wicklung und Realisierung von neuen Produkten und Prozessenverantwortlich sind. Das betriebliche Vorschlagswesen (BVW) undder KVP sind beide Subbereiche des Ideenmanagements. Sie sind wesentliche Inputgeber für das, was dann zum Innovations-management wird, und charakterisieren eine entscheidende Phaseim Innovationsprozess.

Im IM werden häufig Softwaretools eingesetzt. Worauf solltenUnternehmen achten, die sich solch eine Lösung anschaffen wollen?Wir beschäftigen uns tatsächlich viel mit der Entwicklung von Toolszur Ideengenerierung. Für viel wichtiger als diese Tools halte ichallerdings die Klärung von Verantwortlichkeiten sowie eindeutigdefinierte Vorgehensweisen und Prozesse, sowohl im Bereich desKVP wie auch im Ideenmanagement.

Was ist beim Ideenmanagement grundsätzlich zu beachten?In meinen Augen sollten die Barrieren für die Einbringung vonIdeen durch die Mitarbeiter möglichst gering gehalten werden.Offenheit und Vertrauen stellen wesentliche Aspekte dar. Es darfkein Falsch oder Richtig geben. Jede „Idee“ ist eine „Idee“, die eineMöglichkeit bietet, weiterentwickelt zu werden – auch wenn sieaktuell vielleicht weniger Relevanz enthält. Wichtig dabei ist, dassdies begründbar ist und der Mitarbeiter ein Feedback bekommt,

was mit seiner Idee passiert beziehungsweise warum sie eventuellnicht weiterbearbeitet wird.

Inwiefern ist IM überhaupt ein unternehmenskultureller Faktor?Ich bin überzeugt, dass geeignete Tools und entsprechende Prozessesehr stark die Mitarbeitermotivation und mittelfristig auch dieUnternehmenskultur beeinflussen können.

In welchen Bereichen oder Branchen sollte IM eine Rolle spielen?Ideen und in weiterer Folge Innovationen sind unsere Zukunft undfür alle Bereiche in Unternehmen relevant. Niemand kann es sichleisten, auf Dauer nicht innovativ zu sein – vielmehr sollte dasThema in Unternehmen mehr Bedeutung bekommen und Inno-vation einschließlich eines aktiven, bewussten und kreativen IMselbstverständlich zum „Tagesgeschäft“ von Unternehmen gehören.Aktuell ist das zu selten der Fall. Was fast schon absurd ist, wennman bedenkt, dass es dabei um die zukünftige Ausrichtung desUnternehmens geht.

Halten Sie es für richtig, das Ideenmanagement in HR an-zusiedeln?Es sollte einen wesentlichen Bereich im Innovationsprozess abbildenund somit eigentlich der Innovationsabteilung zugeordnet werden.In vielen Unternehmen wird die Trennung zwischen KVP, BVWund Ideenmanagement aber nicht klar gezogen, Deshalb kann essein, dass es unterschiedliche Zuordnungen gibt und Abteilungenfür IM verantwortlich sind, die eigentlich andere Aufgaben habensollten. p

Arko Steinwender ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Fabrikplanung und Produktionsorganisationbei Fraunhofer Austria Research. Der Experte für Ideenmanagement erklärt die unterschiedlichenAnsätze – und wer dafür zuständig ist, Innovation planbar zu machen. INTERVIEW: ULLI PESCH

„Ideenmanagement sollte zum Alltagsgeschäft gehören“

Arko Steinwender: „Viel wichtiger als Tools ist im IM die Klärung von Verantwortlichkeiten.“

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TECHNIK & TOOLS UPDATE

Software und Dienstleister für den Job HRDer Marktplatz für Technik, Tools und Arbeitshilfen. Hier berichten wir über Software-Themenund stellen Anbieter und Produkte für HR vor.

AnwendungsentwicklungCitizen Developer sollen IT entlasten

Weil IT-Fachkräfte in vielen Branchen fehlen, werden Anwendungen vonNicht-Profis entwickelt: Eine Software des US-amerikanischen Unterneh-mens Outsystems soll auch sogenannte „Citizen Developers“ befähigen,Apps zur Unternehmensorganisation zu erstellen.

Dafür vereint das Tool die Funktionen, bei denen mit Quellcode gearbei-tet wird, mit solchen, die auch Laien bedienen können. Die IT-Abteilungbehält dabei die Kontrolle und stellt die App-Qualität sicher. Mit denkombinierten Tools sollen Web- und Mobile-Anwendungen erstellt,Geschäftsprozesse automatisiert abgebildet und Anwendungsarchitek-turen intelligenter ermittelt werden.www.outsystems.com

Online-JobbörseNeue Plattform speziell für Blue Collar

Das Portal Blauesbrett.com hilft Unternehmen bei der Suche nach nicht akademischen Arbeitskräften. Eine automatisierte Online-Marketing-Lösung übernimmt für Kunden die Aufgabe, passende Recruiting-Kanäle zu finden und die Stellenanzeigen einzuspielen. Auch ein mobiler Bewerbungsprozess ist integriert, mit dem Bewerbungen vom Handy oder Tablet verschickt werden können.

Die Funktionen basieren auf der Technik der Recruiting-DienstleisterMobilejob.com und Jobufo, die die Plattform gemeinsam betreiben. Mit Blauesbrett.com wollen die Anbieter die große Nachfrage nach nichtakademischen Arbeitskräften bedienen – sechs der zehn am häufigstengesuchten Berufe gehören laut Dekra Arbeitsmarkt-Report 2019 zumBlue-Collar-Segment. Unternehmen können auf der Plattform aber auchStellen für duale Studiengänge anbieten.Blauesbrett.com

StudieIT macht agil

IT und Business arbeiten bereits sehr agilzusammen: Das hat eine Studie der Manage-mentberatung Horváth und Partners ergeben.Demnach geben 89 Prozent der rund 200befragten Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern an, ihre IT- und Business-Abteilungen arbeiteten in ausschließlich agilen Teams zusammen. Die beliebtestenMethoden sind dabei Scrum, Design Thinking,DevOps, Kanban und agile Frameworks. Laut Befragung kommen solche Instrumente in 77 Prozent der IT-Abteilungen zum Einsatz,mehr als in den Fachabteilungen.

Überhaupt beschreibt die Studie die Techno-logie als Innovationsmotor: 80 Prozent derbefragten Entscheider planen, das Digitalisie-rungsbudget aufzustocken, 73 Prozent rechnenmit steigenden IT-Ausgaben. Nachholbedarfherrscht hingegen bei der Erfolgsmessung von agilem Arbeiten: 43 Prozent der von Horváth und Partners befragten Unternehmen verzichten komplett darauf – und das, obwohlagile Arbeitsformen nach Prognosen ihrer Vertreter auch perspektivisch immer relevanterwerden.horvath-partners.com

Mehr Anbieter von Technik, Tools und

Dienstleistungen für HR finden Sie in

unserem Anbieterverzeichnis:

www.pwgo.de/anbieter.

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FORSCHUNG & LEHRE FÜHRUNGSVERHALTEN

u Auch in der digitalisierten Arbeitswelt ist es wichtig,dass Menschen in Organisationen motiviert, befähigtund beeinflusst werden, damit sie nachhaltig zur Effek-tivität und zum Erfolg beitragen. Anders ausgedrückt:Auch in Zukunft bedarf es guter Führung. Doch wasist unter „guter Führung“ zu verstehen? Einfache Ant-worten gibt es nicht, denn was als gut oder schlechtgilt, ist zum einen abhängig vom jeweiligen unterneh-merischen Kontext und zum anderen von der strate-

gischen Ausrichtung. Weiterhin hängt dies von derErwartungshaltung der Menschen ab, die geführt werden. Zum Kreis der Arbeitnehmer und teilweise auch derFührungskräfte zählen bereits heute viele der im Zeit-raum der frühen 1980er- bis Mitte der 1990er-JahreGeborenen – also der Generation Y. Ebenso ist dienachfolgende Generation in den Arbeitsmarkt einge-treten. Beide treffen auf Führungskräfte, die zum Groß-teil der Generation X und den Babyboomern angehören,die zwischen 1955 und 1979 geboren wurden. Somitprallen unterschiedliche Wertvorstellungen und Erwar-tungen aufeinander, die, wenn sie ignoriert werden,zu Konflikten führen können. Daher kommt der Erfor-schung von Führungsauffassungen und -idealen derGenerationen Y und Z eine besondere Bedeutung zu. Die Anzahl der wissenschaftlichen Arbeiten, die sichmit den Vorstellungen von guter Führung aus Sichtder Generationen Y und Z beschäftigt, ist allerdingsrecht begrenzt. Häufig werden Meinungen von Perso-nalverantwortlichen oder Führungskräften eingeholt,die Aufschluss darüber geben sollen, wie sie junge Men-schen einschätzen. Doch gibt es bisher verhältnismäßigwenig Aufmerksamkeit dafür, die Ansichten der jungenGenerationen direkt zu erfassen. Daher führte die Hochschule für Wirtschaft und Gesell-schaft Ludwigshafen mit dem Forschungsbereich Per-sonalmanagement in Zusammenarbeit mit der Jobactive

Welche Erwartungen haben die Generationen Y und Z an Führungskräfte? Und worauf treffen ihre Hoffnungen in der Praxis? Eine Studie zeigt, wo beides auseinanderklafft.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Studie kompakt

Forschungsfragen:Welche Führungsstile assoziieren Vertreter der Generationen Y und Z als „gute Führung“? Auf welche Art der Führung treffen sie in der Praxis? Wo gibt es Diskrepanzen?

Forschungsansatz:Die Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen befragte Anfang 2019 inZusammenarbeit mit der Job@ctive GmbH rund 320 Personen. Jeweils rund 30 Prozent derTeilnehmer zählen zu den Generationen Y und Z, knapp 40 Prozent sind Führungskräfte.

Forschungsergebnisse: Partizipative Führung wird von jungen Menschen der Generationen Y und Z als gut emp-funden. Die Führungspraxis strebt hingegen vorrangig einen charismatischen Ansatz an,der sich vor allem an Leistung orientiert. Führungskräfte favorisieren Entscheidungsfreude,feste Regeln und Strukturen. Diese Attribute sind für die jungen Generationen jedochwenig attraktiv. Die Ansprüche klaffen also in wesentlichen Punkten auseinander.

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GmbH (Unternehmensschreibweise: Job@ctive) die hiervorgestellte Studie durch.

Theorie der Führungsstile

Zum Begriff der Führung existieren unzählige Defini-tionen. Genauso kontrovers wird in der Wissenschaftdiskutiert, wie unterschiedliche Arten der Führungsinnvoll erfasst werden können. Im Rahmen dieser Stu-die wurde auf das GLOBE-(Global Leadership andOrganizational Behavior Effectiveness)-Forschungs-projekt zurückgegriffen. Die große internationale Ana-lyse, an der Forscher aus mehr als 30 Ländern mitwirken,untersucht das Phänomen der Führung vor dem Hin-tergrund landes- und organisationskultureller Unter-schiede. Der Fragebogen von GLOBE ermöglicht dieErfassung zentraler Führungsdimensionen auf unter-schiedlichen Betrachtungsebenen. Auf der übergeord-neten Ebene (siehe Info) werden die sogenannten globalen Führungsdimensionen erfasst – von der cha-rismatischen bis zur defensiven. Ihnen können wie-derum Primäreigenschaften zugeordnet werden.

Charisma führt

Am häufigsten versuchen Vorgesetzte, eine charisma-tische Führung zu praktizieren (Abbildung eins). Anzweiter und dritter Stelle stehen ein humanorientiertesund teamorientiertes Verhalten. Dagegen favorisierendie Generationen Y und Z vor allem den partizipativenStil und mit etwas Abstand den charismatischen undteamorientierten. Defensiv Führende lehnen sie über-wiegend ab. Zwischen den beiden Generationen gibtes, was ihre Wünsche an eine gute Führung betrifft, nurgeringe Unterschiede.

Genauere Einsichten liefert der Blick auf die Primär-dimensionen. Speziell auf jene zehn, die die größtenDiskrepanzen zwischen den Erwartungen junger Men-schen einerseits und der gelebten Führung andererseitsoffenbaren (siehe Abbildung zwei, Seite 58). Demnach sprechen sich junge Menschen für solcheAttribute besonders aus, die eine Führung „auf Augen-höhe“ darstellen und das Team in den Vordergrundrücken. Sie wünschen sich eine deutlich ausgeprägteantiautokratische, kollaborative, partizipative undteamintegrierende Führung. Das Verhalten der Vorgesetzten unterscheidet sich indiesen Punkten jedoch deutlich von den Erwartungen.Führungskräfte scheinen vor allem ein Bild anzustreben,das dem Ideal des „kompetenten Managers“ entspricht,dessen Stärken beispielsweise in der Beherrschung vonProzessen zum Tragen kommen. Außerdem sind ihnenbestimmte Persönlichkeitsattribute wie Entscheidungs-freudigkeit und hohe Leistungsorientierung besonderswichtig.

Literatur:

Overview of GLOBE.In R. House, P. Hanges, M. Javidan, P. Dorfman & V. Gupta (Hrsg.). Culture, leadership, and organizations,The GLOBE study of 62 societies(S. 9–28), Sage Publications,Thousand Oaks, 2004

Sechs Typen und ihre Verhaltensweisen Info

Globale Führungstypen

Charismatische Führung

Teamorientierte Führung

Partizipative Führung

Humanorientierte Führung

Autonomieorientierte Führung

Defensive Führung

Zugrunde liegende Primärdimensionen

Visionär, selbstaufopfernd, inspirierend, entscheidungsfreudig, integer, leistungsorientiert

Administrativ kompetent, diplomatisch, kollaborativ

Nicht autokratisch, partizipativ

mitfühlend, bescheiden

ermutigt zu selbstständigem und individuellen Handeln

Konfliktorientiert, gesichtswahrend, bürokratisch, selbst-bezogen, statusorientiert

Quell

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Welche Führungsstile bevorzugen Vorgesetzte? Welche die Gen Y und Z? Abbildung 1

Vorgesetzte präferieren einen charismatischen Führungsstil, doch die Vertreter der Generationen Y und Z schätzen am meistenden partizipativen. Der liegt bei Führungskräften allerdings nicht hoch im Kurs, sondern rangiert an vorletzter Stelle.

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2

1Charismatische

FührungTeamorientierte

FührungPartizipative

FührungHumanorientierte

FührungAutonomierorien-

tierte FührungDefensive Führung

Erwartungen Generation Z Erwartungen Generation Y Gelebte Führungspraxis Skala: 1= keine Präferenz, 7= PräferenzBasis: siehe Kasten „Studie kompakt“

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FORSCHUNG & LEHRE FÜHRUNGSVERHALTEN

Personalwirtschaft 12_2019

Wichtige Hinweise für HR

Wie die Kernergebnisse der Studie zeigen, verstehendie jungen Generationen eine Führung dann als gut,wenn sie partizipativ ist. Die Führungspraxis strebthingegen vorrangig einen charismatischen Ansatz an,also leistungsorientiert, selbstaufopfernd und bestim-mend. Weiterhin favorisieren sie Entscheidungsfreudeund orientieren sich gerne an festen Regeln und Struk-turen. Diese Attribute sind für die befragten Vertreterder Generationen Y und Z jedoch wenig attraktiv. Siewünschen sich ein kollaboratives, teamintegrierendesund partizipatives Vorgehen. Die Ergebnisse liefern wichtige Implikationen für Themen wie das Employer Branding und die Mitar-beiterbindung. So ist es strategisch relevant zu wissen,was junge Menschen von Arbeitgebern erwarten, welcheAnreize sie motivieren können und wie sie mit Ver-tretern anderer Generationen zusammenarbeiten. Dieempirischen Arbeiten auf diesem Feld kommen zwarmitunter zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, über-greifend zeigen sie jedoch, dass junge Menschen vorallem in Organisationen tätig sein wollen, in denen„gute Führung“ vorzufinden ist. Die hier vorliegenden

Erkenntnisse können entsprechend dabei helfen, die„Blackbox“ dieser guten Führung zu öffnen und auf-zuzeigen, was die Zielgruppen der Generationen Z undY darunter im Kern verstehen.Ein weiteres Fokusthema des Personalmanagements stelltdie Mitarbeiterbindung dar. Dabei rückt zunehmend dieFrage in den Vordergrund, was Unternehmen tun können,damit junge Mitarbeiter loyal bleiben. Studien zeigen indiesem Zusammenhang, dass „weiche“ Faktoren, diedirekt oder indirekt in Zusammenhang mit guter Führungstehen – wie Betriebsklima, Wertschätzung durch dieVorgesetzten, Anerkennung im Unternehmen und Sinn-haftigkeit von Arbeitsaufgaben –, besonders stark auf dieBindungsbereitschaft wirken. Die vorliegenden Ergebnisse können helfen, Führungso auszurichten, dass sie von jungen Menschen nichtnur akzeptiert wird, sondern darüber hinaus die Bezie-hung zum Unternehmen intensiviert. Die Studie sagt jedoch nicht aus, wie effektiv die ge-wünschten oder gelebten Führungsansätze mit Blickauf die Geschäftsentwicklung sind. Dies sollte vor demHintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und denjeweiligen organisationsspezifischen Rahmenbedin-gungen geprüft werden. p

AUTOREN

Prof. Dr. Stephan Weinert, Internationales Personalmanage-ment, Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, [email protected]

Kerstin Ohliger, Senior Sales Executive, Job@ctive GmbH, [email protected]

Wie sehen sich Führungskräfte? Und welche Erwartungen stellen Abbildung 2die Generationen Y und Z an Führung?

Administrativ kompetent, leis-tungsorientiert und entschei-dungsfreudig – so sehen sich diebefragten Führungskräfte. Diejungen Menschen wünschen sichhingegen eine Führung, die vorallem teamintegrierend, kollabo-rativ und antiautokratisch ist. Qu

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Selbsteinschätzung Führungskräfte

Teamintegrierend

Partizipativ

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Statusorientiert

Selbstbezogen

Administrativ kompetent

Leistungsorientiert

Konfliktorientiert

Entscheidungsfreudig Erwartungen Generation YErwartungen Generation Z

2 43 5 6 71Skala: 1= nicht ausgeprägt , 7= ausgeprägtBasis: siehe Kasten „Studie kompakt“

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uCoworking wird als Symptom für die grundlegendeTransformation der Arbeitswelt gesehen: eine Formder Arbeitsorganisation, die sich vom hippen Modellfür Freiberufler und digitale Nomaden zum allgemeinenTrend erweitert hat. Denn auch für Mitarbeiter aus tra-ditionellen Unternehmen können sich vielfältige Syner-gien und Möglichkeiten ergeben, beispielsweise unterden Aspekten Mobilität und Vereinbarkeit von Familieund Beruf.An der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) ist indiesem Jahr eine umfassende Analyse des wachsendenMarktes entstanden: Der Coworking Monitor Deutsch-land recherchiert und kategorisiert verschiedene Cowor-

king Spaces und gibt einen Überblick über die Szene.Dabei legt er besonderes Augenmerk auf das Coworkingin ländlichen Gegenden, da dies ein noch wenig erforsch-tes Thema ist. Dieser Beitrag fasst einige zentrale Ergeb-nisse des Coworking Monitors zusammen und skizziertunter Einbeziehung anderer Arbeiten die Potenzialedes Marktes abseits der Metropolregionen.

Hybridanbieter mehren sich

Der Coworking Monitor Deutschland basiert auf Erhe-bungen eines HdM-Teams in den Jahren 2018 und2019. Er berücksichtigt sowohl reine Coworking Spaces,denen die Werte des Modells (siehe Seite 61) sehrwichtig sind, als auch Hybridanbieter. Reine CoworkingSpaces bieten in erster Linie offene Büroflächen bezie-hungsweise einzelne Arbeitsplätze innerhalb dieser Flä-chen an, wohingegen Hybridanbieter im Vergleichdazu mehr zusätzlich abgetrennte Einzel- oder Team-büros vermieten – oft an große Firmen. Insgesamt konnten in Deutschland über 400 CoworkingSpaces identifiziert werden (inzwischen dürfte dieseZahl auf 450 bis 500 gestiegen sein). Zum Zeitpunktder Erhebung gab es etwas mehr „reine“ als Hybridan-

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Coworking greift RaumDer Trend zum ausgelagerten und geteilten Büro hält an. Wissenschaftler der Hochschule der Medien Stuttgart betrachten den jungen Markt genauer – und zeigen, dass sich sein weiteresWachstum nicht auf Metropolen beschränkt.

FORSCHUNG & LEHRE ANALYSE

Agil, mobil, strandnah: Das Coworkland in Schleswig-Holstein funktioniert ehemalige Frachtcontainer zu Pop-up-Coworking-Spaces um.

Was ist Coworking?

Coworking beschreibt eine Organisationsform, bei der sich voneinander unabhängig tätige Wissensarbeiter einen Raum teilen, der Austausch und gegenseitige Inspiration ebenso ermöglichtwie unkomplizierte Vernetzung und niedrigschwellige Kooperation. Auf Basis von Sharing-Modellen haben die Mieter zudem häufig Zugang zu bestimmten Arbeitsmitteln und flexiblenRäumlichkeiten. Das ursprüngliche Modell ist das Flex-Desk-Prinzip, bei dem jeder Coworker an einem oder mehreren Tagen in der Woche einen beliebigen freien Platz besetzen kann. Je nachGröße des Coworking Spaces hat er jederzeit Zugang zu Cafés, Lounges oder Küchen und kann Meeting-, Kreativ- und Telefonräume buchen. Oftmals wird der Community-Charakter durchEvents und Meet-ups gestärkt.

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bieter, aber dieses Verhältnis könnte sich bald umdrehen.Die folgenden Ergebnisse sind besonders auffällig:

l Preise für einen Flex-Desk-Arbeitsplatz: ReineCoworking Spaces sind im Gegensatz zu Hybridan-bietern günstiger. Die monatliche Medianmietebeträgt bei Ersteren 175 Euro, bei Letzteren 230 Europro Arbeitsplatz. Zusätzlich fällt auf, dass der oberstePreisbereich von 400 bis 500 Euro größtenteils vonHybridanbietern dominiert wird.

l Verfügbare Fläche: Das gleiche Bild zeigt sich beider Fläche. Im Median beträgt sie bei reinen Cowor-king Spaces 250 Quadratmeter – im Gegensatz zu1500 Quadratmetern bei Hybridanbietern. Wobeidie Spanne auch bei reinen Coworking Spaces riesigist und von 25 bis 8000 Quadratmetern reicht.

l Regionale Verteilung: Reine Coworking Spaces sindin ländlichen Regionen verbreiteter als Hybridan-bieter. Deshalb sind die Räume dort tendenziellkleiner und günstiger, möglicherweise auch aufgrundder geringeren Nachfrage und der günstigeren Kos-tenstruktur. Der Median der Fläche beträgt bei länd-lichen Coworking Spaces 250 Quadratmeter, inMetropolregionen sind es 650 Quadratmeter.

Besonderheiten auf dem Land

Die Ziele und Absichten von Coworkern in ländlichenGegenden scheinen sich nicht grundlegend von solchenin Metropolregionen zu unterscheiden. So identifiziertJuha Heikkilä (2012) von der finnischen Häme Uni-versity of Applied Sciences das Bedürfnis nach derErweiterung des eigenen sozialen Netzwerks, das Teilen

von Ressourcen und die Möglichkeit, Arbeit und Privateszu trennen. Im Übrigen weisen die Ergebnisse des Coworking Moni-tors auf das große Potenzial des Konzepts im ländlichenRaum hin, wo seine Vertreter teilweise sogar besondersnah am Grundgedanken zu sein scheinen. Zugleichsehen sie sich Herausforderungen gegenüber, die dasEtablieren eines tragfähigen Geschäftsmodells erschwe-ren können, etwa die vielerorts schwache Verkehrsin-frastruktur. Deshalb hängt das Potenzial von den genau-en Umständen ab.So wird in einer aktuellen Studie von Christian Amstadan der Hochschule Luzern unter anderem finanzielleUnterstützung durch Gemeinden und Kleinstädte alsErfolgsfaktor für Coworking Space im ländlichen Raumgenannt, beispielsweise in Form vergünstigter Mieten.Daneben spielen die Bereitschaft der Betreiber zu unent-geltlicher Arbeit sowie vernetzte Kommunikation unddie Größe des Netzwerks eine Rolle. Nicht zuletzt sindein liberales Umfeld und Offenheit der Bevölkerungwichtig, damit die Betreiber an regionale Strukturenanschließen und sich mit lokalen Stakeholdern vernetzenkönnen.Unter dem Strich ist das Zusammenwirken mit Gemein-den und Stadtverwaltungen, regionalen Verbändensowie ortsansässigen Unternehmen im ländlichen Raumentscheidend. Dabei muss es nicht immer um Akquisevon Mietern und die Profitabilität des Coworking Spacesgehen, sondern auch um eine Aufwertung der Regionoder um eine Erweiterung der örtlichen Arbeitsmög-lichkeiten. Auf diese Weise könnte sich Coworkingnicht nur als selbstverständliches Modell auch für denländlichen Raum etablieren, sondern Arbeitnehmernund -gebern gerade in strukturschwachen Gegendenneue Perspektiven eröffnen. p

AUTOR

Prof. Dr. Simon Werther, Professor für Innovationsmanagement an der Hochschule der Medien Stuttgart,Gründer der HRinstruments GmbH,[email protected]

Coworking baut traditionell auf fünf Werten auf, die im Idealfall die Einrichtung derRäume wie auch die Gestaltung der Community und das Verhalten der Mieter prägen.Sie verdeutlichen, dass das Konzept viel mehr als eine besonders trendige Gestaltungvon Arbeitsplatz umfasst: Es geht um Haltung.

1 Collaboration: Echte Zusammenarbeit im Sinne von Kooperationen, Partnerschaften und gegenseitiger Hilfestellung

2 Community: Eine lebhafte Gemeinschaft sowie Geben und Nehmen grenzen Coworking unter anderem von Businesscentern ab

3 Sustainability: Nachhaltige Lebens- und Arbeitsprinzipien sowie sparsame Ressourcennutzung

4 Openness: Jeder Coworking Space sollte Individualität und Diversität befürworten und jedem Interessierten offenstehen.

5 Accessibility: Zugänglichkeit, die bei fairer Preisgestaltung beginnt und nicht bei guter Erreichbarkeit endet

Die fünf Grundwerte

Folgende Beispiele zeigen, wie Coworking jenseits von urbanen Zentren funktionieren kann.

www.boell-sh-digital.de/coworklandDas Coworkland ist eine Initiative der Heinrich-Böll-StiftungSchleswig-Holstein. Sie unterstützt Gründer von Coworking Spaces im regionalen Raum und experimentiert mit mobilenKonzepten in ehemaligen Frachtcontainern.

www.gschafft.comDer Coworking Space Gschafft befindet sich in der Kleinstadt Bad Tölz in Oberbayern. Durch eine Kooperation mit der ortsansässigen Raiffeisenbank wird hier die Hemmschwelle zum Hineinschnuppern durch einen kostenlosen Probetag so gut es geht abgebaut.

www.schreibtischinpruem.deDer Schreibtisch in Prüm ist ein Pilotprojekt in der Eifel, bei demdie Zwischennutzung von Flächen zur Aufwertung von Kommu-nen im Mittelpunkt steht. In einem ehemaligen Kreiswasserwerkstehen dort acht Arbeitsplätze für Coworker zur Verfügung.

Pilotprojekte auf dem Land

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Personalwirtschaft 12_201962

uPersonalwirtschaft: Sie haben in Paris eine HR-Roadmap fürdie nächsten fünf Jahre vorgestellt. Wohin geht die Reise imPersonalmanagement, was sind die Topthemen?Mike Ettling: Mitarbeiter zu motivieren und für eine Sache zubegeistern, ist die größte Herausforderung, aktuell und in derZukunft. Talentvielfalt, Teams mit unterschiedlichen Genera-tionen, Arbeiten von zu Hause: All diese Stichworte hängen damitzusammen. Führungskräfte und Personalverantwortliche sindgefragt, einen neuen strategischen Ansatz zu wählen. Das Problemdabei ist, dass viele Unternehmen nicht die Systeme haben, umStrategien zur Mitarbeiterförderung umzusetzen. Konkret fehlendie vernetzten Arbeitsumgebungen, in denen sich Menschenregelmäßig austauschen und gegenseitig coachen können.

Gibt der Markt solche Systeme nicht zuhauf her?Die von vielen Unternehmen eingesetzten Instrumente sind nochnicht intuitiv und einfach genug, um Mitarbeiter auf ihrem Ent-wicklungsweg zu unterstützen. Zwar wurden in der Vergangenheitviele Tools angeschafft, die vor allem Abläufefür Mitarbeiter optimieren und ihre Moti-vation erhöhen sollten; hinzu kamen imletzten Jahrzehnt Lösungen für das TalentManagement und in letzter Zeit auch fürdas Mitarbeiterengagement. Allerdings: Inder Praxis blieben diese Werkzeuge deutlichhinter den Erwartungen zurück. Es gelingt damit nicht, die UserExperience, die Erfahrungen der Anwender, grundlegend zu ver-ändern. Mit den richtigen Innovationen, die heute zunehmendaus der Cloud kommen, ändert sich das aber.

Lösungen aus der Cloud, das ist Ihr Thema. Was war diesbe-züglich Ihre zentrale Botschaft in Paris?Die Employee-Experience-Plattformen der Zukunft werden alsBasis rund um Enterprise Resource Planning (ERP, d. Red.) auf-gebaut sein. Für viele Mitarbeiter spielen ERP-Systeme im Arbeits-alltag schon eine maßgebliche Rolle. Zum Beispiel bei der Ver-waltung von Projekten, Ressourcen oder im Controlling.

Demzufolge lässt sich mit einem ERP-zentrierten Ansatz einesehr hohe Anzahl an Kontaktpunkten zwischen Mitarbeiternund Unternehmen digitalisieren und optimieren.

Was genau wird dadurch besser?Kontinuierliches Feedback zum Beispiel kann dabei unterstützen,bessere Teams zusammenzustellen und individuelle Talente zufördern. Mitarbeiter können stetig ihre Fertigkeiten steigern undihre Erfahrung ausbauen. Das alles wirkt sich positiv auf die Per-sonalentwicklung und die Zufriedenheit der Mitarbeiter aus.

Studien weisen darauf hin, dass die Digitalisierung mancheMitarbeiter unter Stress setzt. Ist Technik nicht nur die Lösung,sondern auch ein Teil des Problems?Stress am Arbeitsplatz ist ein sensibles Thema mit vielen Facetten,das Unternehmen ernst nehmen sollten. Glücklicherweise gibtes viele Anlaufstellen, die betroffene Menschen unterstützen.Aber auch Softwarelösungen können Mitarbeitern bei der Stress-

minimierung helfen. Unternehmen könnenauf diese Weise angenehmere Arbeitsum-gebungen schaffen und Prozesse ökonomi-scher gestalten. Dadurch können sich dieMitarbeiter auf das wirklich Wichtige kon-zentrieren und müssen weniger Zeit in admi-nistrative Aufgaben investieren.

Aber kann zu viel Technisierung die Absicht einer verbessertenEmployee Experience nicht auch konterkarieren?Es geht dabei weniger um Quantität als um die Einbindung inein mitarbeiterfreundliches Gesamtkonzept. Zuerst einmal sollteKlarheit über die Unternehmenskultur und die Ziele herrschen.Danach natürlich auch über den Einsatz der Technologie. Diesesollte Arbeitsumgebungen schaffen, in der sich Menschen einfachund effektiv austauschen können. Bisher wurde ja vieles unterder Linse der Optimierung betrachtet und umgesetzt. Das istauch nötig und gut – aber deswegen sollte die Wertschätzungfür die Mitarbeiter nicht abnehmen.

„Die nächsten fünf Jahre in HR“ lautete der Titel der Keynote von Mike Ettling bei der Unleash Conference in Paris. Im Gespräch bezieht der Softwareunternehmer und Investor von Hightech-Start-ups zu seinen dort vertretenen Thesen Stellung.INTERVIEW: ULLI PESCH

„Mitarbeitermotivation ist die Herausforderung der Zukunft“

„Viele Softwaretools sind nicht einfach genug, um die

User Experience grundlegendzu verändern.“

EVENT & SZENE UNLEASH CONFERENCE

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Mike Ettling gilt als internationaler Experte für die Themen cloudbasierte HR und Enter-prise Resource Planning (ERP). Im Frühjahr 2019 übernahm der ehemalige President vonSAP Successfactors den Chefposten beim Softwarehersteller Unit4.

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t4

Sie fordern, die Anforderungen des Unternehmens besser inEinklang mit den Interessen der Menschen zu bringen, dieseseien die „Triebfeder“ der Mitarbeiter. Können Sie das kon-kretisieren?Vor allem kommt es darauf an, wie Unternehmen mit dem ThemaNutzererfahrung umgehen und ihre Mitarbeiter motivieren. HRträgt die Verantwortung für das Personal ja nicht allein. Auchder CEO, der CIO und Führungskräfte sind wichtig, um das Pro-duktivitätspotenzial der Mitarbeiter freizulegen und sie dauerhaftfür das Unternehmen zu begeistern. Es geht darum, Mitarbeiterso fördern, dass sie ihre Karriereziele erreichen. Eine Befragungvon Glassdoor hat in diesem Zusammenhang bemerkenswerteErgebnisse geliefert: Vielen Berufstätigen sind Unternehmens-kultur, Werte, ein souveränes Managementteam und eigene Ent-wicklungsmöglichkeiten wichtiger als die Höhe ihres Gehalts.

Das ist keine neue Erkenntnis.Aber eine enorm wichtige. Außerdem ist damit ein technologischerAspekt verbunden: Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihreHR-Lösungen die Bedürfnisse und Talente der Mitarbeiter abbil-den. Es geht darum, Finanz-, Geschäfts- und Planungstools miteinem neuen Ansatz für People Management zu verknüpfen.Erst dann kann ein Unternehmen seine Ziele mit den Fähigkeitender Mitarbeiter effektiv zusammenbringen und deren Bedürfnisseberücksichtigen, beispielsweise den Wunsch nach Weiterbildungund eine ausgeglicheneren Work-Life-Balance.

Was ist Ihrer Ansicht nach erforderlich, damit Mitarbeiter mitder technischen Entwicklung Schritt halten können?Technologie entwickelt sich unglaublich schnell. Deshalb brauchtes eine Plattform, die einfach zu bedienen ist, Komplexität zu

Info zur Unleash World

Am 22. und 23. Oktober fanden sich über 4400 Besucher, mehr als 250 Speakersowie Vertreter von über 200 Lösungsanbietern und 100 Start-ups im Paris Convention Center ein. Anlass war die Unleash World Conference samt Messe. Jährlich gibt es drei Unleash-Events: die Spring, die America und die World, Letztere wird von ihren Machern als „Epicenter of Workforce Revolution“ bezeichnet – rein inhaltlich wird man dagegen wenig einwenden können. Davon zeugt nicht zuletzt die Riege der Top-Speaker, zu denen in Paris neben Mike Ettling etwa auch die langjährige Siemens-CHRO Janina Kugel zählte. Die nächste Unleash (Spring) findet am 24. und 25. März 2020 in London statt.

managen hilft und Mitarbeitern einen kontinuierlichen Mehrwertbietet. Denn privat sind sie das von ihren Consumer Servicesund Apps gewohnt. Solche Plattformen erleichtern das Arbeiten,denn damit lassen sich Probleme analytisch angehen und präzisekommunizieren.

Wo liegen die Unterschiede zwischen ERP-Lösungen wie derIhren sowie HR-Service-Management-Tools und -Plattformen? Unser Ziel ist es, die People Experience zu einem integralenBestandteil seiner ERP- und HCM-Plattform (HCM: HumanCapital Management, d. Red.) zu machen. Das unterscheidet unsvon anderen Herstellern, die die Nutzererfahrung entweder alsBestandteil eines HR-Tools sehen oder in Messaging- und Col-laboration-Applikationen einbetten. Einfach mal trendige HR-Technologie hinzukaufen, löst das Problem nicht, wenn nebenherdas ERP-Altsystem läuft. Ein Beispiel: Berater im Dienstleis-tungsbereich verbringen etwa 80 Prozent ihrer Zeit in einer ERP-Anwendung – und nicht in der HR-Applikation. Deshalb kon-zentrieren wir uns auf eine moderne, nahtlose ERP- undHCM-Lösung, die auf die Bedürfnisse dienstleistungsorientierterUnternehmen sowie den Einsatz im öffentlichen Sektor zuge-schnitten ist.

Zum Schluss noch ein Blick in die Glaskugel: Wir befinden unsin einer Frühphase künstlicher Intelligenz. Werden Menscheneines Tages noch ins Büro gehen müssen?Keine Bange, die Arbeit wird uns nicht ausgehen. Dafür wird siespannender sein als bisher. Wir werden sich wiederholendeArbeitsabläufe viel öfter an KI-Technologie delegieren können.Künstliche Intelligenz, Bots und automatisierte Workflows werdenuns noch stärker bestimmte Aufgaben abnehmen, sodass wir unsmehr auf die produktive und kreative Arbeit in der Wertschöp-fungskette konzentrieren können. p

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64 Personalwirtschaft 12_2019

u Warum wechselten Sie von Bayer zur wesentlich kleinerenGrünenthal?Mit rund 4900 Mitarbeitern ist Grünenthal zwar wesentlichkleiner als Bayer mit 120 000 Mitarbeitern. Jedoch bin ich über-zeugt, dass wir als forschende Pharmafirma im Familienbesitzhöchst attraktiv und anziehend sind für Kollegen, die einen sicht-baren, aktiven und wichtigen Beitrag zu unserer Vision „a worldfree of pain“ leisten wollen. Hier können Menschen mit ihrerLeidenschaft und Kompetenz einen Unterschied machen. Dashat mich überzeugt.

Grünenthal wirbt mit „We are Grünenthal“ für eine Unterneh-menskultur der Zusammenarbeit. Können Sie ein Beispiel dafürnennen?In meiner Rolle als globaler HR Business Partner für GlobalOperations arbeite ich als Teil des Leitungsteams eng mit meinenKollegen aus Manufacturing, Quality, Procurement, Finance,Operational Development und einigen anderen Funktionenzusammen. Immer mit dem Ziel vor Augen, Wachstum durchExzellenz und Innovation zu erreichen. Uns allen ist klar, dasswir das und unsere Vision nur erreichen können, wenn sichjeder von uns mit seinen unterschiedlichen Perspektiven undStärken einbringt. Auch ist uns klarer denn je, dass eine Kulturder Offenheit, der Zusammenarbeit, des Vertrauens und desgemeinsamen Lernens der Hebel für die Erreichung unsererZiele ist. Meine Rolle als HRler hat in der VUCA-Zeit sicherlicheine andere Bedeutung als in stabileren Kontexten vor 20 Jahren.Dieses herausfordernde Umfeld bringt eine Riesenchance mitsich, uns neu zu erfinden, unsere Aufgabe grundlegend neu zugestalten.

Grünenthal ist in rund 30 Ländern mit Gesellschaften vertreten.Wie wollen Sie trotz dieser Internationalität Teamgeist undVerbundenheit unter den Mitarbeitern sicherstellen?Ja, Grünenthal ist „bunter“ denn je. Wir führen monatlich eineVeranstaltung durch, um neue Kollegen ins Unternehmen ein-zuführen. Dort habe ich gespürt, wie es ist, Teil eines Teams mitMenschen aus den unterschiedlichsten Orten der Welt zu sein.

Gerade die Internationalität in Aachen und der Unternehmergeisthaben mich sehr berührt. Teamgeist und Verbundenheit sindTeil unserer „Values & Behaviors“, somit kulturelle Ausprägungen.Das bedeutet, Kräfte zu bündeln, um Lösungen zu entwickelnund umzusetzen. Dies geht nur, wenn wir uns aktiv zuhören undunser Wissen mit anderen Kollegen teilen.

Sie sind seit vielen Jahren in der Pharma- und Life-Sciences-Branche tätig. Was reizt Sie daran besonders?Ich persönlich habe ein großes Interesse an Medizin. Außerdemist mir gerade bei Grünenthal die Sinnhaftigkeit meiner Arbeitals HRler klar, nämlich Teil einer Organisation zu sein, die anderenMenschen hilft, ihre Lebensqualität zu verbessern.

Sie haben unter anderem Arbeits- und Organisationspsychologiestudiert. Was ist für Sie die derzeit wichtigste psychologischeFrage der Arbeitswelt?Ich beschäftige mich seit längerer Zeit mit der Frage, was unsauch mental helfen kann, den Herausforderungen der Weltberuflich, aber auch privat besser zu begegnen. Besser im Sinnevon gelassener, aufmerksamer, gemeinsamer, authentischerund mutiger. Die Neurowissenschaft hat hier in den letztenJahren tolle Vorarbeit geleistet und kann mittlerweile beweisen,dass wir unser Gehirn trainieren und neu vernetzen können,unter anderem durch verschiedenste achtsamkeitsbasierte Übun-gen. Mein Ziel ist es, diese neuen Erkenntnisse mit der organi-sationalen Welt zu verkoppeln, mit alten esoterischen Mythenaufzuräumen und dadurch Menschen und folglich das Unter-nehmen zu stärken.

Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten zwei Jahre vorge-nommen? Ich wünsche mir, dass ich immer gerne zur Arbeit komme, michmit meinen Stärken einbringen und Spaß haben kann. In zweiJahren will ich viele gute Gespräche geführt, Reibung erzeugt,Probleme gelöst, starke Impulse für die Zukunft gesetzt und etwasPositives für die Menschen, die Organisation und ultimativ fürunsere Patienten erreicht haben. (ds) p

EVENT & SZENE SESSELWECHSEL

Sven Zeising und die Lebensqualität

„Das Umfeld bietet uns eine Riesenchance“Sven Zeising ist seit 1. September Head HR Global Operations bei Grünenthal. Das international aufgestellte Pharmaunternehmenbeschäftigt weltweit knapp 5000 Mitarbeiter.

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65Personalwirtschaft 12_2019

uDer Laie staunt, der Fachmann wundert sich. Inmitteneines tiefgreifenden Konzernumbaus, wohl dem größtenihrer Geschichte, überträgt die Deutsche Bank einemMann die Personalverantwortung, den die wenigsten aufdem Zettel hatten: Dr. Michael Ilgner kommt von derStiftung Deutschen Sporthilfe. Zuvor hatte die BritinPippa Lambert, bisher Global Head of Human Resourcesbei dem Geldhaus, ihren Abschied angekündigt. Sie wirddas Unternehmen Ende April 2020 verlassen. Wie die Wirtschaftswoche berichtete, sollte die Funktionwegen der stärkeren Konzentration auf den Heimatmarktkünftig in Deutschland angesiedelt werden.Nun ist man bei der Nachfolge quasi vorder Haustür in Frankfurt fündig geworden.Dr. Michael Ilgner, langjähriger Vorstands-vorsitzender der Stiftung Deutsche Sport-hilfe, übernimmt die Verantwortung zum1. März 2020 zunächst als Generalbevollmächtigter. Er sollin den Vorstand aufrücken, sobald die Aufsichtsbehörden,namentlich die Europäische Zentralbank, grünes Lichtgegeben haben.Michael Ilgner, verheiratet und Vater dreier Kinder, warein herausragender Wasserballer, der 1995. Als National-spieler gewann er 1995 eine Bronzemedaille bei der Euro-pameisterschaft. Er kann es immer noch: Bei der Masters-WM im südkoreanischen Gwangju wurde er in diesemJahr Vizeweltmeister in einem Allstar-Team. Ilgner hat selbst praktiziert, was die Sporthilfe Topathletenstets zuruft: Denkt auch an die Berufskarriere! Er promo-vierte an der TH Karlsuhe als Wirtschaftsingenieur undsammelte anschließend bei Nokia sowie bei Campana undSchott Vertriebs- und Marketingerfahrungen. 1999 wech-selte er zur Technologieberatung Booz Allen Hamilton,wo er 2003 in die Geschäftsleitung aufrückte und anderemdie Deutsche Sporthilfe beriet. 2006 übernahm er denVorsitz in der Geschäftsführung der Stiftung, 2010 wurdeer ihr Vorstandsvorsitzender.

Netzwerker von Beginn an

Jetzt wechselt der gebürtige Schweinfurter also wiederauf die Wirtschaftsseite. Die Deutsche Bank ist seit 2001Partner der Sporthilfe. Vorstandschef Sewing und seineneue Spitzenkraft kennen und schätzen sich schon seit

längerer Zeit. Ilgner habe gezeigt, dass er Talente entwickelnund Veränderungsprozesse gestalten könne, sagte Sewingangesichts des Wechsels. So hat der Stiftungsboss in denvergangenen Jahren ein Projekt zur Festigung der dualenKarriere von Spitzensportlern eingeführt und die Sporthilfezu einer professionellen Fundraising-Organisation aus-gebaut.„Ich habe sehr viel Respekt vor der neuen Aufgabe undfreue mich, dass ein Sportler so eine Chance bekommt“,zitiert ihn die FAZ. Eine Chance, die mit Risiken verbundenist: Im Juli hat die Deutsche Bank bekannt gegeben, bis

Ende 2022 rund 18 000 Stellen abbauenzu wollen. Dass Wassersport und Wandelgut zusammengehen können, bewies indesschon ein Vornamensvetter: Dr. MichaelGroß ist mittlerweile als Coach, Autorund Berater eine etablierte Größe am

Markt, wenn es um Change und Talent Management,digitale Transformation und Digital Leadership geht.Für diese Themen hat die Deutsche Bank indes eine eigeneRolle geschaffen: Fabrizio Campelli, bisher Chef des welt-weiten Geschäfts mit Vermögenskunden, ist seit 1. Novem-ber als Chief Transformation Officer für Fragen des Wandelsund den Personalbereich verantwortlich. Campelli über-nahm zudem den Posten des Arbeitsdirektors vom stell-vertretenden Vorstandsvorsitzenden Karl von Rohr.Gemeinsam mit Michael Ilgner soll er die Mitarbeiter wei-terentwickeln und gleichzeitig Kosten senken.

Viele Spitzensportler im Top-Management

„Ich bin niemals zufrieden. Ich glaube, das habe ich ausdem Sport mitgenommen“, sagte Michael Ilgner, der injungen Jahren Pilot werden wollte, 2018 in einem Interviewmit dem Bonner General-Anzeiger. Die Studienlage gibtihm recht: Spitzensportler sind besonders engagiert, dis-zipliniert und mental stabil, fand die EBS Universität fürWirtschaft und Recht heraus: „So verwundert es auch nicht,dass es eine Reihe von Spitzensportlern gibt, die es imAnschluss an ihre Sportkarriere bis ins Topmanagementvon Unternehmen schaffen.“ Als Datengrundlage dienteübrigens eine Befragung von mehr als 1000 Topathletenin Deutschland, die von der Stiftung Deutsche Sporthilfegefördert wurden. (ds) p

Michael Ilgner und der Seitenwechsel

Sein größter WurfDie kriselnde Deutsche Bank überraschte mit der Benennung von Dr. Michael Ilgner zum neuenPersonalchef. Dem früheren Spitzenwasserballer und Vorstandsvorsitzenden der Stiftung DeutscheSporthilfe sind hohe Erwartungen und ausgeprägtes Leistungsdenken nicht fremd.

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„Ich bin niemals zufrieden. Das habe ich aus dem Sport mitgenommen.“

Sport und Wirtschaft: Für MichaelIlgner sind und waren das niegetrennte Welten. Im Gegenteil.

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EVENT & SZENE BÜCHER (UND MEHR) FÜRS FEST

Heißa, bald ist Weihnachtstag!Es geht in den Jahresendspurt: Zeit zum Schenken und zum Schmökern! Was Sie auchpräferieren – die Vorschläge unseres Teams mögen Ihnen bei der Entscheidungsfindunghelfen. Unser subjektiver fachliterarischer Geschenkekanon 2019.

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Franziska Fink, Michael Möller

Purpose Driven OrganizationsSinn – Selbstorganisation – Agilität

Lassen sich Unternehmen über Sinn statt über Mehrjahrespläne, Budgets und Strategien steuern?Das Autorenteam erzählt beeindruckende Pioniergeschichten von Organisationen, denen die Trans-formation in Richtung Selbstorganisation und Agilität gelungen ist, wo sie gescheitert sind und wassie daraus gelernt haben. Gekoppelt sind die praktischen Erfahrungen der Autoren mit systemtheo-retischen Ansätzen. Ein inspirierendes Buch, das Mut macht für eine „Sinn-volle“ Arbeitswelt.

Schäffer-Poeschel, 2018. 39,95 EUR Empfohlen von: Annette Neumann, freie Mitarbeiterin

Empfohlen von:Tim Stakenborg, Volontär

Empfohlen von: Cliff Lehnen, Chefredakteur

Sven Franke, Stefanie Hornung, Nadine Nobile

New PayAlternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle

Eine Sammlung von Unternehmensbeispielen für alle, die Impulse für agile Vergütungs- undalternative Arbeitsmodelle benötigen: Sven Franke, Stefanie Hornung und Nadine Nobile –die in HR-Kreisen als Impulsgeber und Sparringspartner sowie publizistisch bekannt sind –beleuchten ein bisher wenig erschlossenes Themengebiet, betten es in den historischen undsoziologischen Kontext ein und liefern Ansätze für konkrete Entlohnungsvarianten.

Haufe, 2019. 39,95 EUR

Daniel Goffart

Das Ende der MittelschichtAbschied von einem deutschen Erfolgsmodell

Daniel Goffart liefert eine scharfe Analyse aktueller und künftiger Entwicklungen und legtden Daumen gleich in mehrere Wunden. Themen sind unter anderem die zunehmendeKluft zwischen Arm und Reich, die Überalterung der Gesellschaft und die Auswirkungender Digitalisierung auf die Wirtschaft. Provokant zeigt Goffart, dass die Festanstellung einAuslaufmodell ist und Errungenschaften wie Arbeitnehmerrechte der Vergangenheit ange-hören werden. Ein wichtiges Buch, über das sich debattieren lässt. Genau das ist notwendig!

Berlin Verlag, 2019. 22,00 EUR

Gerald C. Kane et al.

The Technology FallacyHow people are the real key to digital transformation

Die Kernthese: Wer die Digitalisierung meistern will, braucht nicht nur die richtigeTechnologie, sondern vor allem die richtigen Köpfe in einer passenden Kultur. Das ist nun keine neue Erkenntnis – warum also dieses Buch? Es liefert neueste Datenaus Forschung (MIT) und Beratung (Deloitte), ist trotz inhaltlicher Dichte äußerstleichtverdaulich geschrieben – und bietet HR eine Menge Argumente für eine starkePersonal-, Kultur- und Führungsarbeit im Kontext der digitalen Transformation.

MIT Press, 2019. 23,99 EUR

ENGLISCHER

TITEL

Empfohlen von: Petra Walther, freie Mitarbeiterin

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EVENT & SZENE BÜCHER (UND MEHR) FÜRS FEST

Armin Trost

Neue Personalstrategien zwischen Stabilität und AgilitätArmin Trost, in der HR-Szene bekannter Hochschullehrer, Autor und Berater, hat imvergangenen Jahr ein bemerkenswertes, 450 Seiten starkes Buch auf den Markt gebracht.Das Versprechen: Orientierung bieten bei der Suche nach einer neuen Personalstrategiein Zeiten der digitalen Transformation. Die Umsetzung: Auf Basis seines sogenannten„HR-Dreiecks“ steckt Trost die Spielfelder der HR-Arbeit einprägsam ab und liefert praxisnahe Impulse zur innovativen Gestaltung von HR-Schlüsselthemen. Das Buchmacht Lust auf Veränderung und mehr Agilität in HR.

Springer Gabler, 2018. 59,99 EUR.

Alica Ryba, Gerhard Roth (Hrsg.)

Coaching und Beratung in der PraxisEin neurowissenschaftlich fundiertes Integrationsmodell

Haben Personalentwickler auf dieses Buch gewartet? Ja. Wenn sie dem inflationären Gebrauchdes Begriffs Coaching mit vertieftem Interesse an seiner Idee begegnen. Wenn sie auf circa 500recht zugänglichen Seiten erfahren wollen, wie und unter welchen Voraussetzungen Coachingwirken kann und wie sich dies neurowissenschaftlich begründen lässt. Wenn sie sich fragen, wiesieben „aktuelle und/oder verbreitete“ Beratungsschulen nach Aussage je eines ihrer Vertreterdabei ansetzen, und wie der Neurobiologe und -philosoph Gerhard Roth dies jeweils einordnet.Und wenn sie sich – unter dem Strich – die Kompetenzen aneignen wollen, Coachs und Bera-tern auf den Zahn zu fühlen.

Klett-Cotta, 2019. 44,00 EUR.

Katharina Zweig

Ein Algorithmus hat kein TaktgefühlWo künstliche Intelligenz sich irrt, warum uns das betrifft und was wir dagegen tun können

Wenn Sie ein tieferes Verständnis von Algorithmen und KI erwerben möchten, werden Sie esnach der Lektüre dieses Buches haben. Außerdem verstehen Sie die Zusammenhänge zwischenEntscheidungsbäumen, messbaren Grundwahrheiten, der Kette der Verantwortlichkeiten und

der algorithmischen Sippenhaft. Zwar sind viele der im Buch ange-gebenen Beispiele bekannt. Doch Katharina Zweig, Infor-

matikprofessorin an der TU Kaiserslautern – wo sieden deutschlandweit ersten Studiengang Sozioinfor-

matik ins Leben gerufen hat – kann Mathematikund Statistik so verständlich erklären, dass Ihnenein Licht aufgeht.

Heyne, 2019. 20,00 EUR.

Empfohlen von: Nicolas Richter, Redakteur

Empfohlen von:Erwin Stickling, Herausgeber

Empfohlen von: Christiane Siemann,freie Mitarbeiterin

Personalwirtschaft 12_201968

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Leonie Seifert, Daniel Erk

Frisch an die ArbeitZeit Online Podcast

Die eigene Einstellung zur Arbeit wird gerne hinter-fragt – mancher schielt sehnsuchtsvoll auf Berufe, dievielleicht nicht ganz der Vorstellung eines Nine-to-five-Jobsentsprechen. Im Podcast „Frisch an die Arbeit“ von Zeit Online wirdalle 14 Tage mit Menschen in ungewöhnlichen und – mal mehr, mal weniger –begehrten Berufen gesprochen. Neben Prominenten wie Heike Makatsch, Max Herre oder Lena Meyer-Landrut kommen auch Urologen, PRler und Erzbischöfe zu Wort.

Kostenlos streamen unter https://www.zeit.de/serie/frisch-an-die-arbeit sowie auf Apple Music, Deezer und Spotify

Peter Drucker Society Europe

GPDF BlogPeter Drucker, Ziehvater der modernen Organisationstheorie,sah es voraus: Die formale Autorität der Führungskraft gerätzunehmend ins Wanken. Im Zeitalter der Plattformen undNetzwerke sind gemeinsame Erfolge wichtiger als die des Ein-zelnen. Wenn Manager sich wie jedes Jahr Ende November inder Wiener Hofburg zum Peter-Drucker-Forum einfinden,dann diskutieren sie, wie sie besser darin werden, Teams auf-zubauen und auf Ziele einzustimmen. Die erfrischend viel-stimmige Debatte wird täglich im Blog fortgesetzt – von inter-nationalen Autoren von Rang.

www.druckerforum.org/blog

Spotlight Verlag

Business SpotlightWer sein Wirtschaftsenglisch auf neuestem Stand halten will, macht mit demSprachmagazin Business Spotlight einen richtig guten Deal. Hier geht es nicht nurum Business English, sondern auch um Arbeitsweltthemen und interkulturelleKommunikation. Vokabeltraining und Grammatikübungen sind klug aufbereitetund verknüpft mit journalistischen Beiträgen zu aktuellen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen. Besonders interessant für HR-Profis: die Rubriken„Business Skills“ sowie „Careers & Management“.

Acht Ausgaben pro Jahr. 13,90 EUR pro Heft. Jahresabo 103,20 EUR. Infos unter www.business-spotlight.de

ENGLISCHER

TITEL

Empfohlen von: Winfried Gertz, freier Mitarbeiter

Empfohlen von: Dr. Andrea Porschen,stellv. Programmleitung

Empfohlen von: Arne Schade, Marketingmanager

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RÜCKBLICK

Was vom Hefte übrig blieb

Wo bin ich? Was mache ich? Wie geht es mir?Die Mehrheit derer, die im sprichwörtlichenTunnel arbeiten, in diesem verdichtenden Dun-kel, in dem man nichts wahrnimmt außer derallernächsten Umgebung und sogar das Lichtam Ende übersieht, kennt diese Fragen. Undstellt sie sich allzu selten klar und deutlich.Wenn doch, meist hinterher, auf freier Strecke:„Wo war ich? Was habe ich gemacht? Wie ginges mir dabei?“

Es ist also keine Überraschung: 71 Prozent der Teilnehmer anunserer BGM-Studie sehen die Arbeitsverdichtung als Grundfür psychische Belastungen und Erkrankungen in ihrem Unter-nehmen (Seite 24), keinen anderen Faktor nennen sie häufiger.Auch messen sie den permanenten Veränderungen (45 Prozent)großes Gewicht bei. Zugleich erleben sie – typischerweise Per-sonaler im Mittelstand –, wie sich im Zuge der DigitalisierungOrganisations- und Arbeitsstrukturen verändern, Innovations-und Informationszyklen verkürzen, wie sich Mitarbeiter weiter-entwickeln und -bilden müssen, um Schritt zu halten. Verdichtungtrifft Veränderung. Willkommen im Tunnel.

Gut daran ist: Das Problem wird häufig erkannt. Nicht gut ist:Es wird offenkundig selten behandelt. Laut Studie ergreifen nur

In diesem Heft kommen sie nur am Rande vor: Das Urteildes Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeiterfassung(Seite 32) und die scheidende Siemens-PersonalchefinJanina Kugel (Seite 63, Kasten). Beide produzierten eineder HR-Schlagzeilen des Jahres 2019. Und beide gebenAnlass, die Brücke nach 2020 schlagen und nochmal ganzkurz den Kopf zu schütteln über die Medien- und Debat-tenkultur des ausgehenden Jahrzehnts. Denn was war dasfür ein Lärm Anfang Mai respektive Ende Juli, als die zweiNachrichten jeweils publik wurden.

Im einen Fall dröhnten einem die Abgesänge aufs mobil-flexible Arbeiten in den Ohren, im anderen – schwächerund besser begründet – die auf das Ende aller soften,diversifizierenden Personalkultur bei Siemens. Beideserwartbar und vielleicht auch mehr oder weniger berech-tigt. Aber vorläufig sind das eben offene Fragen: Wiesetzt der deutsche Gesetzgeber das Urteil um? Wie gestaltetsich der bevorstehende Stellenabbau bei Siemens tat-sächlich? Da bleibt nur: Abwarten und Personalwirtschaftlesen. (nr)

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Arbeitszeit und Kugel

Personalwirtschaft 12_201972

Unsere Superzahl und Schlagworte des Monats

zwölf Prozent der Betriebe – bei Unternehmen mit mehr als 500Mitarbeitern sind es 21 Prozent – gezielt BGM-Maßnahmen, umdie Beschäftigten durch die digitale Transformation zu begleiten.Zum Beispiel mit Mitarbeiterbefragungen (Seite 23) oder indemsie eine Unternehmenskultur begünstigen, die das Gespräch überBelastung und Schwäche fördert (Seite 15).

Das Gros der Entscheider scheint entweder selbst im Tunnel zustecken. Oder es hat nicht das Wissen, das Geld und das Personal,um im Betrieblichen Gesundheitsmanagement so umfassendund vernetzt anzusetzen wie manche Konzerne. Zum BeispielSAP, das mit seinem von Natalie Lotzmann (Seite 26/27) ver-antworteten Konzept auch anderen Dax-Größen ein Vorbildsein dürfte.

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Unsere Topthemen im Januar

TITEL Talent Management 50 plus

Mitarbeiter lernt nie ausMan muss nicht alles ernst nehmen,was einem die Werbeforschung einflüstert, auch nicht solche Label wie „Best Ager“. Aber man darf betonen, dass die Fähigkeiten vonArbeitnehmern jenseits der 50 immernoch unterschätzt werden – die Fähigkeiten und auch das Lernvermögen.Viele Unternehmen und Führungskräfte glauben, Weiterbildung für ältereMitarbeiter zahle sich nicht aus. Schon weil diese unter Umständen garnicht mehr lange Mitarbeiter bleiben. Andere immerhin tun etwas undnehmen sich ein Beispiel an dem, was manche KMU informell leisten:arbeitsplatznahe Angebote zu schaffen, die den Wissensaustausch und die Vernetzung fördern.

SERIE Telearbeit

Die Geschichte mit dem HomeofficeDie Entwicklung begann in den Neunzigern, mit der damaligen Verände-rung der Arbeitsweisen, -techniken und -umgebungen: Menschen und Organisationen kamen auf die Idee, man müsse seinen Job nicht unbedingtim Büro verrichten, nicht immer jedenfalls. Heute sind wir weiter: beim in manchen Branchen und Sektoren fast selbstverständlichen „Arbeitewann und wo Du willst, Hauptsache, das Ergebnis stimmt“, bei der Debatteüber Homeoffice selbst im Blue-Collar-Segment. Wie kam es soweit, wieverlief der Weg? In Teil eins unserer dreiteiligen Serie blicken wir zurückund pirschen uns an den Status quo heran – die nähere und fernereZukunft folgen.

SPECIAL bAV

Abgesichert alt werdenDie bAV ist ein zentraler Baustein des Benefit-Programms eines Unternehmens. Die Gestaltung einer attraktiven und zugleich sicherenbAV fordert die Unternehmen aber mehr denn je heraus. In diesem Special zei gen wir Best Practices, berichten über das Betriebsren ten-stärkungsgesetz und geben Praxistipps zu Fragestellungen in der bAV.

Die nächste Ausgabe der Personalwirtschaft erscheint am 20. Dezember 2019.

VORSCHAU

PERSONALWIRTSCHAFT 01_ 2019

IMPRESSUMVERLAG UND REDAKTIONWolters Kluwer Deutschland GmbH, Luxemburger Straße 449, 50939Köln, Telefon: 0221/94373-7311, Fax: 0221/94373-7292, E-Mail: [email protected], www.personalwirtschaft.de

HERAUSGEBERJürgen Scholl, Erwin Stickling (sti)

CHEFREDAKTEURCliff Lehnen (cl)

REDAKTIONSven Frost (sff), Nicolas Richter (nr), Elke Schwuchow (es), Tim Stakenborg (ts)

KORREKTORAT UND SCHLUSSREDAKTIONHarriet Gehring

FREIE MITARBEITER DIESER AUSGABEKai Felmy, Julius Fiedler (jf), Harriet Gehring (hge), Winfried Gertz (wg),Annette Neumann (an), Lars-Thorben Niggehoff (nig), Ulli Pesch (up),David Schahinian (ds), Christiane Siemann (cs), Petra Walther (pw), Nils Wischmeyer (nw)

BEIRATRoland Hehn, Heraeus; Professor Dr. Wolfgang Jäger, HochschuleRheinMain; Rudolf Kast, Die Personalmanufaktur; Isabell Krone, i-Restart; Professor Dr. Gunther Olesch, Phoenix Contact; Thomas Sattelberger, Publizist und Politiker; Universität Saarbrücken; Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp, DB Mobility Logistics; Professor Dr. Dirk Sliwka, Universität zu Köln

ABONNEMENT UND EINZELVERKAUFWolters Kluwer Deutschland GmbH, Postfach 2352, 56513 NeuwiedTelefon: 02631/801-2222, Fax: 02631/801-2223E-Mail: [email protected]: 12-mal jährlich, 45. Jahrgang 2019Bezugspreis: Standard-Abo jährlich 189,90 €, Halbjahres-Abo 99,80 €,Einzelpreis 17,50 €. Für Studierende und Auszubildende jährlich 49,95 €. Alle Preise zzgl. Versand. Auslandsabonnement auf Anfrage.

ARCHIVFachbeiträge aus bereits erschienenen Ausgaben sind verfügbar unterwww.personalwirtschaft.de.

ANZEIGENDenise Fei (Anzeigenmarketing), Telefon: 0221 94373-7323E-Mail: [email protected] Wenzel (Anzeigenmarketing), Telefon: 0221 94373-7316E-Mail: [email protected]örg Walter (Anzeigenverkauf), Telefon: 0931 359515-66E-Mail: [email protected] Linder (Anzeigendisposition), Telefon: 0221 94373-7338, E-Mail: [email protected]

HERSTELLUNG: Matthias Wand

GESTALTUNG: www.auhage-schwarz.de

BILDNACHWEIS: i-stock/gettyimages

ISSN: 0341-4698

DRUCKEREI: Williams Lea & Tag GmbH, München

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WOLTERS KLUWER DEUTSCHLAND GMBHSitz der Gesellschaft: Luxemburger Straße 449, 50939 KölnTelefon +49 (0) 221 94373-7000, Fax +49 (0) 221 94373-7201E-Mail: [email protected]äftsführer: Martina Bruder, Michael Gloss, Christian Lindemann,Nick Schlattmann, Ralph Vonderstein, Stephanie WalterHandelsregister beim Amtsgericht Köln: HRB 58843Umsatzsteuer-ID-Nummer: DE 188836808Zur außergerichtlichen Beilegung von verbraucherrechtlichen Streitigkeiten hat die Europäische Union eine Online-Plattform („OS-Plattform“) eingerichtet, die Sie unterec.europa.eu/consumers/odr/ erreichen.

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BEILAGENHINWEISDieser Ausgabe liegt eine Beilage der Technischen Akademie Wuppertal bei. Wir bitten freundlich um Beachtung.

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Page 66: Personalwirtschaft 2019... Das Magazin für den Job HR Personalwirtschaft 12 2019 17,50 Euro G 21212 ISSN 0341-4698 Art.-Nr. 07720912 +++ Special: HR-Managementberatung +++ Recht &

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BLICK VON AUSSEN

u Die zwanziger Jahre werfen ihre Schatten voraus. In den nächsten zweibis fünf Jahren werden wir gravierende Veränderungen in der Personalent-wicklung und Firmenkultur erleben.Unternehmen müssen Moonshots for-mulieren, um drängende Fragen zubeantworten: Sind wir in zehn Jahrennoch relevant? Sind wir mutig genug?Sind unsere Produkte und unsere Unter-nehmenskultur zeitgemäß? Wie kannsich die Firmenleitung schnell für diedigitale und nachhaltige Transformationaufstellen? Leader und Personalmanagersollten für 2020 folgende Handlungs-ebenen und Kriterien fest in ihren Stra-tegien verankern:

Nachhaltigkeit: Sie sind in den letzten zwölf Monaten eingroßes Thema geworden: die Klimakrise, die 17 Nachhal-tigkeitsziele der Vereinten Nationen und die Fridays-for-Future-Bewegung einer sich vor allem in Europa neu poli-tisierenden Jugend. Manche Unternehmenslenker undderen CSR-Abteilungen überlegen schon, wie es wäre, wennGreta Thunberg überraschend vor dem Werkstor eineDemonstration abhielte. Hätten sie Antworten, warum sienoch Plastik einsetzen oder warum sie noch einen Fuhrparkhaben statt eines Mobilitätsabonnements?Das Thema Klima und nachhaltige Ressourcenschonungim Umgang mit Betriebsmitteln und Produkten wird einzentraler Baustein der Strategie und für die Gewinnungneuer Talente und Mitarbeiter. Hier liegt die Chance, sichmit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele als Vorreiterzu etablieren, sichtbar nach innen und außen.

Exponentielle Technologien: Hat Ihr Unternehmen schoneinen digitalen Botschafter, der sich mit disruptivenGeschäftsmodellen beschäftigt? Haben Sie Ihre Unterneh-mensstrategie entsprechend aufgestellt? Wer ist bei Ihnender Zukunftsmanager? Hinsichtlich der kommenden Jahre wird das Verständnisvon exponentiellen Technologien wie künstlicher Intelligenz,Robotik, Sensorik oder Nano- und Biotechnologie immerwichtiger. Trends wie Quantum Computing sind zwar noch

nicht Alltag, aber die Quantumtechno-logie kann auch in den nächsten fünf biszehn Jahren schon Auswirkungen aufdie Sicherheitskonzepte (Verschlüsse-lung) oder Wettbewerbsfähigkeit (kom-plexe Rechenmodelle und Finanzmärkte)haben. Zukunftsfähigkeit bedeutet nichtdas Nachholen von Selbstverständlichem,sondern Handeln mit Blick auf die nächs-te Welle der technischen Innovationen. Viele Mittelständler, Konzerne und Hidden Champions haben in den letztenJahren ihre digitale Transformation ange-schoben und teilweise Chief DigitalOfficers installiert. Laut CIO.de sind fast50 Prozent der Unternehmen mit CDOsvertreten – allerdings fragt man sich,warum sich nicht 100 Prozent der Unter-

nehmen mit den Chancen und Risiken der Digitalität aus-einandersetzen. Das Überraschende an exponentiellen Technologien undSprunginnovationen ist, dass sie scheinbar unter dem Radarbleiben und sich zunächst keine konkrete Anwendung oderGefahr ergibt. Wir leben schon seit 30 Jahren mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz, aber jetzt gibt esmassive Veränderungen im Markt. Stichwort autonomesFahren, Sprach- und Bilderanalyse.

Unternehmenskultur: Und wenn Sie schließlich an die nächsteGeneration denken und in neue Mitarbeiter investieren wollen,dann wissen Sie, dass insbesondere auch die Unternehmens-kultur schnell im Hier und Jetzt ankommen muss. Purposeund sinnstiftende Arbeit sind wichtig für junge Talente undihre Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Führungskräfte sind gutberaten, sich diesen Herausforderungen zu stellen.Neue Technologien und neue Märkte und Anforderungenwerden sich auch in neuen Jobrollen wiederfinden. WelchenEinfluss könnten zum Beispiel Biotechnologie und Nano-technologie in Ihrer Branche haben? Welche neuen Job-profile sind 2025 relevant – und woher werden die entspre-chenden Mitarbeiter kommen? p

„Hat Ihr Unternehmen schon einen digitalen

Botschafter, der sich mit disruptiven Geschäfts-modellen beschäftigt?“

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Mond und SchattenUnternehmen müssen sich heute die Fragen von morgen stellen und in exponentielle

Technologien investieren, um attraktiv für kommende Mitarbeitergenerationen zu sein.VON HARALD NEIDHARDT

HARALD NEIDHARDT ist Kurator des Futur/io-Instituts, das seit 2017 unter der Mission „Moonshots für Europa“ Leadership- und Vernetzungssemirare für Entscheider in Europa anbietet.