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Georg-August-Universität Göttingen
Sozialwissenschaftliche Fakultät
Bildungswissenschaften im Master of Education
Ganztagsschulen – ein Etikettenschwindel?
Projektleitung: Peter Brammer
Projektteam:
Jonas Hildebrandt Corinna Meyer Maria Linnemann Nicole Peinemann Ramona Reichpietsch Martin Wusterack
Modul M.BW.4 Mp: Innovieren und Schule entwickeln/M.BW.500.HA: Bildung und
Schulentwicklung
Sommersemester 2013
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis II
Tabellenverzeichnis II
1. Einleitung 1
2. Definition Ganztagsschule 2
3. Konzepte der Ganztagsschule 3
4. Entwicklung der ganztägigen Grundschulen in Deutschland 5
5. Entwicklung der ganztägigen Grundschulen in Niedersachsen 9
6. Entwicklung der Ganztagsschulen in Göttingen 11
7. Ganztagsschule im internationalen Vergleich 14
8. Besondere Charakteristika einer Ganztagsschule 16
8.1. Rhythmisierung 16
8.2. Personal 17
8.3. Mittagessen 19
8.4. Nachmittagsangebot 21
8.5. Kosten 23
9. Untersuchung der Ganztagsgrundschulen in Göttingen 24
9.1. Rhythmisierung 25
9.2. Personal 28
9.3. Mittagessen 29
9.4. Nachmittagsangebot 29
9.5. Kosten 30
10. Fazit 31
11. Literaturverzeichnis III
12. Anhang VI
II
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung des Anteils der Schulen mit Ganztagsschulbetrieb an allen Schulen
2006 bis 2010. ....................................................................................................................... 6
Abbildung 2: Schulen nach Form des Ganztagsangebots 2010. ............................................ 8
Abbildung 3: Entwicklung der Schülerzahlen. ......................................................................... 8
Abbildung 4: Anzahl der Ganztagsschulen in Niedersachsen, eigene Darstellung. ................ 9
Abbildung 5: Anzahl der Grundschulen mit Ganztagsangebot in Niedersachsen ................. 10
Abbildung 6: Anteil der Ganztagsschulen an den Schulformen im Kreis Göttingen. ............. 12
Abbildung 7: Wofür müssen die Eltern an Ihrer Schule im Rahmen der Inanspruchnahme des
Ganztagsbetriebes durch ihr Kind einen finanziellen Beitrag leisten?. .................................. 23
Abbildung 8: Ganztagsgrundschulen Zeiten (mit Betreuungszeiten). ................................... 25
Abbildung 9: Ganztagsgrundschule Zeiten (ohne Betreuungszeiten). .................................. 26
Abbildung 10: Ganztagsgrundschulangebot Mo-Fr nach dem Rahmenkonzept der Stadt
Göttingen ............................................................................................................................. 27
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Anzahl der Ganztagschulen je Schulart in Deutschland. ........................................ 6
Tabelle 2: Anteil der Schulen mit Ganztagsschulbetrieb sowie die Veränderung zum Vorjahr
in Prozent............................................................................................................................... 7
Tabelle 3: Schülerinnen und Schüler in Ganztagsschulen mit Teilnahme am
Ganztagsangebot. ................................................................................................................ 11
Tabelle 4: Liste aller ganztäglichen Grundschulen im Kreis Göttingen, Stand 14.09.2012. .. 13
Tabelle 5: Liste aller ganztäglichen Grundschulen der Stadt Göttingen, Stand 14.09.2012. . 14
Tabelle 6: Liste aller ganztäglichen Grundschulen der Stadt Göttingen, Stand 14.09.2012. . 25
1
1. Einleitung
Innerhalb Europas stellt das deutsche Schulsystem vor allem durch die Unterscheidung in
Halbtags- und Ganztagsschulen eine Besonderheit dar. Bis vor wenigen Jahren wurde die
Halbtagsschule noch als die gängige Schulform angesehen und die Mehrheit der deutschen
Schülerinnen und Schüler hatte noch keinen Nachmittagsunterricht beziehungsweise keine
Nachmittagsbetreuung in der Schule. Jedoch haben die Ergebnisse der ersten PISA-Studie
und die Umstellung auf G8 eine zunehmende Umgestaltung der Schulen zu
Ganztagsschulen notwendig gemacht und seitdem einen enormen Umstellungsprozess in
der deutschen Schullandschaft ausgelöst. Daran wird deutlich, dass die Schaffung und
Entwicklung von Ganztagsschulen einen bedeutsamen Beitrag zur Schulentwicklung liefert.
Die vorliegende Arbeit trägt den Titel „Ganztagsschulen – ein Etikettenschwindel?“ und
beinhaltet neben den theoretischen Grundlagen und Vorgaben von Ganztagsschulen eine
Untersuchung zu den Göttinger Grundschulen bezüglich der Umsetzung eines
Ganztagskonzeptes. Zu Beginn der theoretischen Grundlagenbildung erfolgen eine Definition
zur Ganztagsschule sowie die Vorstellung der unterschiedlichen Konzepte von
Ganztagsschulen. Anschließend wird die Entwicklung der ganztägigen Grundschulen in
Deutschland erläutert und im weiteren Verlauf erst auf Niedersachsen und dann konkret auf
die Göttinger Grundschulen präzisiert. Um auf diese Besonderheit des deutschen
Schulsystems aufmerksam zu machen, sollen in einem kurzen Teil zum internationalen
Vergleich die Unterschiede zu anderen europäischen Ländern aufgezeigt werden.
Daraufhin werden fünf besondere Charakteristika einer Ganztagsschule erläutert und
transparent gemacht, damit anhand dieser im Anschluss die Göttinger Grundschulen
untersucht werden können. Dabei handelt es sich um die Charakteristika Rhythmisierung,
Personal, Mittagessen, Nachmittagsangebot und Kosten, die bei der Entwicklung von
Ganztagsschulen besonders berücksichtigt werden müssen.
Schließlich erfolgt eine Untersuchung der Göttinger Ganztagsgrundschulen, die aufzeigen
soll, inwieweit die zuvor erläuterten Charakteristika in ihren Konzepten umgesetzt werden
und welche Unterschiede zwischen den Schulen bestehen. Letztendlich soll herausgefunden
werden, welche Ganztagskonzepte in den Göttinger Grundschulen umgesetzt werden und
ob sie den daraus resultierenden Anforderungen gerecht werden. Somit soll am Ende dieser
Arbeit in einem Fazit herausgestellt werden, inwieweit es sich bei der Betitelung der
Ganztagsgrundschulen womöglich um einen Etikettenschwindel handeln könnte und womit
dies zusammenhängen könnte.
2
2. Definition Ganztagsschule
Ganztagsschulen stellen eine Schulform dar, die im Zuge der Gleichstellungspolitik und dem
Diskurs um Chancengleichheit landesweit immer häufiger eingeführt wird.
Nach §23 des Niedersächsischen Schulgesetz‘ können alle allgemeinbildenden Schulen mit
Ausnahme der Abendgymnasien als Ganztagsschule geführt werden. Doch was macht
eigentlich eine Ganztagsschule aus? Wie definiert sich eine Ganztagsschule? Eine
Definition, die auf alle verschiedenen Formen der Ganztagsschulen in den Ländern zutrifft,
wurde vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz formuliert: Demnach sind
Ganztagsschulen „Schulen, bei denen im Primär- und Sekundärbereich I an mindestens drei
Tagen in der Woche ein ganztägiges Angebot für die Schülerinnen und Schüler bereitgestellt
wird, das täglich mindestens sieben Zeitstunden umfasst“ (Sekretariat der Ständigen
Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 4). Die
Ganztagsangebote werden „unter der Aufsicht und Verantwortung der Schulleitung
organisiert und in enger Kooperation mit der Schulleitung durchgeführt“ und stehen „in einem
konzeptionellen Zusammenhang mit dem Unterricht“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz
der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 4). Nicht zuletzt
haben alle Ganztagsschulen gemeinsam, dass „an allen Tagen des Ganztagsschulbetriebs
den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern ein Mittagsessen bereitgestellt wird“
(Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland 2012, S. 4).
Eine Ganztagsschule erweitert also den Unterricht zu einem ganztägigen Unterrichts-,
Förder- und Freizeitangebot (vgl. Niedersächsisches Schulgesetz §23). Die
organisatorischen und inhaltlichen Gegebenheiten können sich dabei von Schule zu Schule
unterscheiden. So können Ganztagsschulen beispielsweise in ihren Öffnungszeiten
zwischen drei und fünf Tagen pro Woche und zwischen sieben und neun Stunden pro Tag
variieren. Die Teilnahme an dem zusätzlichen Förder- und Freizeitangebot ist in der Regel
freiwillig (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 5).
Um eine Ganztagsschule werden zu können, bedarf es einer Genehmigung der
Schulbehörde. Nach Antragstellung des Schulträgers, der Schule oder des Schulelternrats
wird diese Genehmigung erteilt, sofern ein geeignetes pädagogisches Konzept vorliegt und
die organisatorischen, personellen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen sind (vgl.
Niedersächsisches Schulgesetz §23).
3
3. Konzepte der Ganztagsschule
Im Bereich der Ganztagsschulen gibt es verschiedene Formen, die unter dem Begriff
Ganztagsschule zusammengefasst werden.
Die offene Form der Ganztagsschule umfasst das Konzept, welches den Halbtagsschulen
am meisten ähnelt. Hierbei „können Schülerinnen und Schüler auf Wunsch an den
ganztägigen Angeboten […] teilnehmen“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S.5). Die Schülerinnen
und Schüler beziehungsweise die Eltern oder Erziehungsberechtigten legen in diesem
Konzept zu Beginn eines Schuljahres fest, ob das Kind an den nachmittäglichen Angeboten,
welche an mindestens drei Tagen in der Woche ermöglicht werden müssen, teilnimmt.
Wählen sie die Option am Programm der Ganztagsschule teilzunehmen, so ist der Schüler
oder die Schülerin zur Anwesenheit verpflichtet. Aufgrund der freiwilligen Inanspruchnahme
des Nachmittagsangebotes, beschränkt sich der Unterricht an den offenen Ganztagsschulen
auf den Vormittag und findet unabhängig vom Ganztagsprogramm statt. Die Schülerinnen
und Schüler einer Schule mit einem offenen Ganztagskonzept haben die Möglichkeit in der
Mensa der Schule ihr Mittagessen einzunehmen, bevor sie das Nachmittagsangebot
beginnen, das sowohl aus Arbeitsgemeinschaften, sportlichen Aktivitäten,
Hausaufgabenbetreuung oder Förderangeboten bestehen kann. Mit Hilfe der Vielzahl an
nachmittäglichen Angeboten können die Schülerinnen und Schüler lernen, Freiräume selbst
zu nutzen und unabhängig Entscheidungen zu treffen und bekommen „vielfältige
Möglichkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen“ (Niedersächsisches Kultusministerium 2010, S.
4).
Vorteile der offenen Form liegen darin, dass Schülerinnen und Schüler zusammen mit ihren
Eltern entscheiden können, ob sie das Nachmittagsangebot in Anspruch nehmen wollen.
Den Eltern, die beruflich stark eingespannt sind, bleibt die Option, ihr Kind an mindestens
drei Tagen die Woche mindestens sieben Stunden versorgt zu wissen, während Eltern, die
ihr Kind am Nachmittag selbst betreuen können, keine Verpflichtung gegenüber der Schule
eingehen. Ändert sich etwas an den beruflichen Umständen der Eltern, so gibt es die
Möglichkeit, halbjährlich das Nachmittagsangebot zu wählen. Die Schülerinnen und Schüler,
die außerhalb der Schule lieber einem Sport- oder Musikverein beitreten wollen, können
nach dem Unterricht am Vormittag ihren Nachmittag selbstständig gestalten.
Die vollgebundene Form der Ganztagsschule steht dem offenen Konzept gegenüber und
verpflichtet „alle Schülerinnen und Schüler […] an mindestens drei Wochentagen für jeweils
mindestens sieben Zeitstunden an den ganztätigen Angeboten der Schule teilzunehmen“
(Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland 2012, S. 5). Aufgrund der Verpflichtung, das Nachmittagsangebot zu besuchen,
können der Unterricht und somit die Lern- und Entspannungsphasen sinnvoll über den Tag
4
verteilt werden, sodass eine bestmögliche Anpassung an physiologische, lernpsychologische
und pädagogische Faktoren gewährleistet wird (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium
2004, S. 221f.). Vollgebundene Ganztagsschulen organisieren einen rhythmisierten Ablauf
zwischen Unterricht und Freizeit mit musischen, sportlichen und künstlerischen Aktivitäten,
die jeder Schülerin und jedem Schüler individuelle Entfaltung ermöglichen können. Da sich
die Stundenanzahl, zu der die Schülerinnen und Schüler in der Schule sind, deutlich erhöht,
können sowohl bestimmte Förder- als auch integrative Maßnahmen in den Stundenplan
integriert werden. Neben diesen speziellen Förderangeboten, ist auch das Angebot im
Freizeitbereich an Schulen, die den Nachmittag verpflichtend eingeführt haben, oft größer als
an Ganztagsschulen mit einem offenen Konzept. Weitere Vorteile der vollgebundenen
Ganztagsschule sind darüber hinaus eine größere personelle Kontinuität sowie eine
gezieltere Förderung der Schülerinnen und Schüler aufgrund erweiterter Lernzeit (vgl.
Höhmann u.a. 2009).
Zwischen den Konzepten der vollgebundenen und offenen Ganztagsschulen steht die
teilgebundene Ganztagsschule, bei der sich „ein Teil der Schülerinnen und Schüler
[verpflichtet], an mindestens drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeitstunden an
den ganztägigen Angeboten der Schule teilzunehmen“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz
der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 5). Zu den
Ganztagsschülern gehören hier nicht, wie im offenen Konzept, einzelne Schüler, sondern
übergreifend entweder ganze Jahrgänge oder einzelne Klassen. Es ist zum Beispiel ein
Modell denkbar, in dem die Sekundarstufe I verpflichtet ist, am ganztätigen Angebot der
Schule teilzunehmen, die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II hingegen davon
befreit werden. In Ganztagsschulen, in denen eine ganztätige Betreuung klassenweise
angeboten wird, entscheiden die Schülerinnen und Schüler beziehungsweise die Eltern oder
Erziehungsberechtigten am Beginn der Schulzeit, ob sie das Ganztagsangebot in Anspruch
nehmen wollen (vgl. Höhmann 2005).
Ein Vorteil des teilgebundenen Konzepts besteht darin, dass für die Schülerschaft, die am
Ganztagsbetrieb teilnimmt, der Unterricht rhythmisiert werden kann, sodass die Vorteile
eines vollgebundenen Konzepts gegeben sind. Es bietet sich jedoch an, das teilgebundene
Konzept als Übergangsstufe zu einer vollgebundenen Ganztagsschule einzurichten, da auf
Dauer organisatorische Schwierigkeiten auftauchen. Dazu gehört beispielsweise, dass sich
ein Wechsel einzelner Schülerinnen und Schüler von Ganztag auf Halbtag schwierig
gestaltet und unmittelbar mit einem Klassenwechsel verbunden ist. Letztlich kommt es durch
die Trennung der Schülerschaft in Halbtags- und Ganztagsschülerinnen und –schüler zu
einer Zweiklassengesellschaft, die eine Einheit der gesamten Schülerschaft erschwert (vgl.
Höhmann 2005).
5
Die Einführung eines dieser Ganztagsschulkonzepte an Schulen muss sowohl vom
Schulvorstand, dem Schulträger und dem Träger der Schulbeförderung als auch vom
Elternrat mit einer Mehrheit beschlossen werden. Die Schulen, die ein Ganztagsangebot
einführen, verpflichten sich zur Bereitstellung eines Mittagessens sowie einer Mittagspause
für alle Schülerinnen und Schüler: „Zwischen den schulischen Veranstaltungen am Vormittag
und denen am Nachmittag müssen die Schülerinnen und Schüler eine Mittagspause haben.
In dieser Zeit sollen sie […] ein Mittagessen einnehmen können […]“ (Niedersächsisches
Kultusministerium 2004, S. 221).
4. Entwicklung der ganztägigen Grundschulen in Deutschland
In Deutschland ist die Zahl der Ganztagsschulen in den letzten Jahren erheblich
angestiegen. Gründe dafür sind einerseits der hohe Bedarf nach ganztägiger Betreuung,
wodurch eine leichtere Vereinigung von Familie und Beruf garantiert ist, andererseits der
durch die Ergebnisse der OECD-Studie PISA angeregte Diskurs über die besten
Rahmenbedingungen für schulisches Lernen (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 4). Doch gibt es
Daten und Statistiken, die den enormen Anstieg der Ganztagsschulen belegen? Dazu
veröffentlichte die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland im Jahre 2012 eine Analyse zu „Allgemein bildenden Schulen in Ganztagsform“
(Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland 2012, S. 1). Die dafür erhobenen Daten beziehen sich auf die Jahre 2006 bis
2010.
Die folgende Tabelle veranschaulicht die Entwicklung der Anzahl der Ganztagsschulen nach
der jeweiligen Schulart.
6
Tabelle 1: Anzahl der Ganztagschulen je Schulart in Deutschland (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 9).
Vergleicht man die Jahre 2006 und 2010 miteinander, so wird deutlich, dass in jeder
Schulform ein allgemeiner Anstieg der Ganztagsschulen in Deutschland zu verzeichnen ist.
Die nachfolgenden Betrachtungen beziehen sich auf die Entwicklung der Grundschulen in
Deutschland.
Die folgende Grafik verdeutlicht sehr anschaulich, dass die Grundschulen den Hauptanteil an
Ganztagsschulen ausmachen.
Abbildung 1: Entwicklung des Anteils der Schulen mit Ganztagsschulbetrieb an allen Schulen 2006 bis 2010 (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 10).
7
Im Jahre 2006 besaßen 4.878 Grundschulen ein Konzept der Ganztagsschule. Innerhalb von
vier Jahren erhöhte sich die Anzahl auf 7.207, was einem Anstieg von 147,7 Prozent
entspricht (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 9).
Betrachtet man den prozentualen Anteil der Ganztagsschulen an der Grundschule, so wird
ebenfalls deutlich, dass ein Anstieg zu verzeichnen ist.
Tabelle 2: Anteil der Schulen mit Ganztagsschulbetrieb sowie die Veränderung zum Vorjahr in Prozent (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 9).
Besaßen 2006 29,1 Prozent der Grundschulen eine Ganztagsschulform, so erhöhte sich der
Anteil bis 2007 auf 35,0 Prozent und bis 2010 auf 44,2 Prozent.
Dabei lässt sich in Grundschulen eine deutliche Präferenz der offenen Form des
Ganztagsangebots feststellen.
8
Abbildung 2: Schulen nach Form des Ganztagsangebots 2010 (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 10).
Mit dem steigenden Anteil an ganztägigen Grundschulen geht der Anstieg an Schülerzahlen,
die das Ganztagsangebot nutzen, einher. Diese Entwicklung ist in der nachfolgenden Grafik
ersichtlich.
: Abbildung 3: Entwicklung der Schülerzahlen (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2012, S. 12).
Nahmen 2006 rund 400.000 Schülerinnen und Schüler an dem ganztägigen Angebot einer
Grundschule teil, waren es 2010 bereits rund 650.000 Kinder. Der Anteil der Schülerinnen
und Schüler hat sich somit auf 162,5 Prozent erhöht.
9
Zusammenfassend zeigen alle Tabellen und Grafiken, dass in der Entwicklung der
ganztägigen Grundschule eine enorme Steigerung zu verzeichnen ist.
5. Entwicklung der ganztägigen Grundschulen in Niedersachsen
Wie in der gesamten Bundesrepublik Deutschland ist auch in Niedersachsen in den letzten
zehn Jahren der Anteil an Ganztagsschulen enorm gestiegen.
Abbildung 4: Anzahl der Ganztagsschulen in Niedersachsen, eigene Darstellung, (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2008, S. 5).
Zum Schuljahr 2012/2013 sollen mindestens 187 neue Ganztagsschulen hinzukommen.
Damit arbeiten in Niedersachsen rund 1.500 öffentlich allgemein bildende Ganztagsschulen -
von insgesamt rund 2900 Schulen. „Jede zweite Schule in Niedersachsen ist künftig eine
Ganztagsschule“, sagte Dr. Bernd Althusmann. Vergleicht man demnach die Anzahl der
Ganztagsschulen von 2003 bis 2013 so wurde die Anzahl der Ganztagsschulen in zehn
Jahren verzehnfacht (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium Presseinformation 2012).
33 90
133
450 504 534
665
876
1.131
1.311
Anzahl der Ganztagsschulen in Niedersachsen
10
Abbildung 5: Anzahl der Grundschulen mit Ganztagsangebot in Niedersachsen, eigene Darstellung, (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2012, S. 34).
Betrachtet man lediglich die Grundschulen des Bundeslandes, so fällt insbesondere dort ein
enormer Anstieg des Ganztagsangebotes auf. Während der Anstieg der Grundschulen, die
ein Nachmittagsprogramm anbieten von 2000 auf 2005 nur eine Neueröffnung von 25
Schulen umfasste, erweiterten in den darauffolgenden Jahren über 350 Grundschulen ihr
Programm auf den Nachmittag. Mittlerweile sind von den 1.140 Ganztagsschulen
Niedersachsens 665 Grundschulen. Dies entspricht mehr als einem Drittel aller öffentlich
allgemein bildenden Schulen des Landes (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2010,
S. 4).
Auch unter den 154 neuen offenen Ganztagsschulen, die 2012 durch die Niedersächsische
Landesschulbehörde genehmigt werden, sind mit 119 darunter besonders viele
Grundschulen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium Presseinformation 2012)
15 40 47 58 114
234
402
522
Anzahl der Grundschulen mit Ganztagsangebot in Niedersachsen
11
Tabelle 3: Schülerinnen und Schüler in Ganztagsschulen mit Teilnahme am Ganztagsangebot, (Niedersächsisches Kultusministerium 2012, S. 34).
Einhergehend mit dem Anstieg der Schulen, die ein Ganztagsprogramm anbieten, nimmt
auch die Zahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler zum Jahr 2011 um 2,4 Prozent
auf 33,3 Prozent zu. Das bedeutet einen fünffachen Anstieg in den letzten zehn Jahren.
Von den 293.000 Schülerinnen und Schülern, die in Niedersachsen eine Grundschule
besuchen, nehmen 49.879 an dem Ganztagsangebot ihrer Schule teil. Das bedeutet, 17
Prozent der Niedersächsischen Grundschülerinnen und –schüler werden mindestens dreimal
wöchentlich für mindestens sieben Stunden in der Schule versorgt (vgl. Tabelle 3). Damit
steigt die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die ganztäglich eine Grundschule besuchen,
von 2010 auf 2011 um 4 Prozent und erreicht einen neuen Höchstwert. Besonders auffällig
ist dabei der Anstieg der Grundschulen mit Ganztagsschulbetrieb seit 2008. Waren es in
diesem Jahr noch 4,6 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die am Nachmittagsangebot
teilnahmen, lag der Anteil 2010 schon bei 13 Prozent.
6. Entwicklung der Ganztagsschulen in Göttingen
Auch in Göttingen bieten mittlerweile die meisten – vor allem weiterführenden – Schulen ein
Ganztagsangebot an. Das nachfolgende Diagramm zeigt die Gesamtanzahl der Schulformen
sowie den Anteil der Ganztagsschulen an der jeweiligen Schulform.
12
Abbildung 6: Anteil der Ganztagsschulen an den Schulformen im Kreis Göttingen, eigene Darstellung.
Von den sechs Gymnasien im Kreis Göttingen sind ausnahmslos alle den Ganztagsschulen
zugeordnet. Gleiches gilt für die IGS und die KGS Göttingen sowie für die Hauptschulen im
Kreis. Lediglich eine Realschule ist bis zum Jahr 2013 ohne ein Ganztagsschulkonzept.
Abweichend davon sind lediglich die Grundschulen zu betrachten, obwohl auch dort – wie
nachfolgend dargestellt – der Anteil der Ganztagsschulen zunimmt.
Die nachfolgende Tabelle zeigt alle ganztägigen Grundschulen im Kreis Göttingen.
GS GS Bovenden Bovenden
GS GS Eibenwaldschule Bovenden
GS GS Lenglern Bovenden
GS GS Wilhelm Busch Ebergötzen
GS GS Friedland Friedland
GS GS Heinrich Gruppe Rosdorf
GS GS Dransfeld Dransfeld
GS GS Hilkerode Duderstadt
GS GS Mingerode Duderstadt
GS GS Bremke Gleichen
GS GS Diemarden Gleichen
0
5
10
15
20
25
Ganztagsschule
ohne Ganztagsangebot
13
GS GS Groß Lengden Gleichen
GS GS Reinhausen Gleichen
GS GS Gartetal Gleichen
GS, FÖS-Kl. GS, FÖS-Kl. GS am Wall Hann Münden
GS GS Johann Joachim Quantz Scheden
GS GS Uschlag Staufenberg
GS GS Albani Göttingen
GS GS Bonifatiusschule I Göttingen
GS, FÖS-Kl. GS Brüder Grimm Göttingen
GS GS Egelsbergschule Göttingen
GS GS Godehard (kath.) Göttingen
GS GS Herman Nohl Göttingen
GS GS Hölty Göttingen
GS GS Erich Kästner Göttingen
GS GS Hainbundschule Göttingen
GS GS Astrid-Lindgren Göttingen
GS GS Waake Waake
GS GS Janosch Seulingen
GS GS Hagenberg Göttingen
GS GS Leineberg Göttingen
GS GS Plesse Reyershausen Bovenden
GS GS Groß Schneen Schneen
GS GS Janusz Korczak Duderstadt
GS GS Nesselröden Duderstadt
Tabelle 4: Liste aller ganztäglichen Grundschulen im Kreis Göttingen, Stand 14.09.2012.
In der Stadt Göttingen arbeiten von den rund 20 Grundschulen aktuell zwölf als
Ganztagsschule. Die nachfolgende Tabelle stellt eine Auflistung der Göttinger
Ganztagsgrundschulen dar.
14
Schule Ganztagsschule seit
GS Albani 2012
GS Bonitifatiusschule I 2012
GS Brüder Grimm 2010
GS Egelsbergschule 2012/2013
GS Godhard (kath.) 2009
GS Herman Nohl 2007
GS Hötly 2012/2013
GS Erich Kästner 2003
GS Hainbundschule 2011/2012
GS Astrid-Lindgren 2010
GS Hagenberg 2011
GS Leineberg 2008
Tabelle 5: Liste aller ganztäglichen Grundschulen der Stadt Göttingen, Stand 14.09.2012.
Die Auflistung der Grundschulen, die ein offenes Konzept der Ganztagsschule anbieten,
spiegelt die Entwicklung der Ganztagsschulen in Niedersachsen und Deutschland wider:
Gerade in den Jahren von 2008 bis 2012 führten viele Grundschulen den Ganztagsbetrieb
ein. Lediglich zwei Schulen, die im Göttinger Stadtbereich liegen, boten bereits vor 2008 ein
Nachmittagsprogramm für die Schülerinnen und Schüler an. Die meisten Grundschulen, die
kein Angebot im Rahmen der Ganztagsschule anbieten, sind dem Bereich der verlässlichen
Grundschulen zuzuordnen.
7. Ganztagsschule im internationalen Vergleich
In Deutschland gehen mit der Umstellung vom Halbtags- zum Ganztagsschulsystem
kontroverse Diskussionen der medialen und politischen Öffentlichkeit einher. Ein Problem,
das die meisten europäischen Länder nicht kennen, da die ganztägige Schule dort eine
Selbstverständlichkeit darstellt. Ein Beispiel für ein ausgebautes und als selbstverständlich
angesehenes Ganztagsschulsystem bildet unser Nachbarland Frankreich. Französische
Schülerinnen und Schüler verbringen in der Regel täglich sieben Zeitstunden (von 9:00 bis
16:00 Uhr) in der Schule, wobei eine Rhythmisierung der Schulzeit nicht zwangsläufig
vorgesehen ist (vgl. Burow / Pauli 2004, S. 181.). Diese Zeit bildet die reine Schulzeit –
Hausaufgaben werden am Nachmittag oder Abend zu Hause angefertigt. Der schulische
15
Nachmittag ist durch Unterricht der gängigen Fächer sowie Musik, Sport, Tanz und anderen
meist vorgegebenen Aktivitäten bestimmt. Das Ganztagsschulsystem in Frankreich ist derart
ausgebaut, dass dort vor allem eine ausgeprägte Zusammenarbeit zwischen Lehrern und
Nicht-Lehrern das Schulbild bestimmt: externe Musikpädagogen, Tänzer und Trainer sind
Teil der Schule (vgl. Burow / Pauli 2004, S. 182).
Auch für die Schülerinnen und Schüler Großbritanniens sind Halbtagsschulen ein
Fremdwort. Jedes Kind ist verpflichtet den Nachmittag – bis 16:00 Uhr – in der Schule zu
verbringen. Anders als in Frankreich, ist das Nachmittagsangebot aber durch viele
verschiedene Wahlangebote freier zu gestalten und beschränkt sich vor allem auf
Freizeitangebote anstelle von Unterricht. Eine Ausnahme bildet in Großbritannien die
Anfertigung der Hausaufgaben, die unter Aufsicht von Lehrerinnen und Lehrern direkt nach
dem Mittagessen stattfindet. (vgl. Spiegel online 2002).
In den skandinavischen Ländern, die im PISA-Vergleich besonders gut abschnitten, besucht
jede Schülerin und jeder Schüler eine gebundene Ganztagsschule. Exemplarisch soll hier
das Grundschulsystem Finnlands konkreter dargestellt werden. Die finnischen Schülerinnen
und Schüler besuchen neun Jahre lang die Grundschule, in der sie in den ersten beiden
Jahrgängen 19 Schulstunden wöchentlich, in den Jahrgängen sieben bis neun bereits 30
Wochenstunden absolvieren (vgl. Aslan 2011, S. 7). Die Besonderheit finnischer Schulen
besteht in dem so genannten „integrierten Schultag“. Gemäß dessen werden die
Schülerinnen und Schüler vormittags in den schulüblichen Fächern unterrichtet, bevor sie
mittags gemeinsam unter Beaufsichtigung der Lehrerinnen und Lehrer essen. Anschließend
betreuen die Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler bei den Hausaufgaben (Vgl. Rendtorff
2008, S. 25).
In den ersten beiden Jahrgangsstufen findet lediglich eine „Care group“ statt, bei der die
jungen Erst- und Zweitklässler spielen und sich erholen können. Die älteren Schülerinnen
und Schüler können Klubs oder Hobby-Gruppen beitreten, in denen sie ihren Nachmittag
verbringen. Auffällig dabei ist, dass die Aktivitäten nach den Interessen der Schülerinnen und
Schüler ausgerichtet sind und ständig überprüft und angepasst werden. Das
Ganztagsschulsystem Finnlands dient dazu, die unbeaufsichtigte Zeit, in welcher die Eltern
arbeiten, zu verkürzen, die Kinder sozio-emotional zu fördern und Aktivitäten zu bieten (vgl.
Bosse u.a. 2008, S. 182.).
16
8. Besondere Charakteristika einer Ganztagsschule
8.1. Rhythmisierung
In der Diskussion um die Ganztagsschulen und ihrer Gestaltung kommt dem Konzept der
„Rhythmisierung“ eine zentrale Bedeutung zu. Damit Schülerinnen und Schüler in der Schule
Lernerfolge erzielen können, benötigen sie neben ausreichend Zeit zum Lernen auch „eine
schüler- und lerngerechte Rhythmisierung des Schulalltages“ (Holtappels 2007, S. 8).
Unter Rhythmisierung wird, gemäß der griechischen Wurzel des Wortes, ein Wechsel
zwischen natürlichen Vorgängen verstanden. In Bezug auf die Schule wird mit diesem Begriff
der Wechsel von Anspannung und Entspannung für die Schülerinnen und Schüler
bezeichnet (vgl. Appel 2003, S.142).
Im Schulalltag kann zwischen drei verschiedenen Dimensionen der Rhythmisierung
unterschieden werden. Dabei handelt es sich zum einen um die „Äußere Rhythmisierung“,
die sich auf die Ebene der Schule als Organisation bezieht, so zum Beispiel die Einteilung
von Unterricht in Blöcke und darauf folgende Pausen, die als Entspannungsphasen dienen
(vgl. Kamski 2012, S. 6f.). Die Einteilung des Unterrichts in größere Blöcke wird empfohlen,
da der Lehrkraft so mehr Möglichkeiten bleiben, die verschiedenen Unterrichtsphasen nach
den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler auszurichten. Einheiten, die das
selbstbestimmende Lernen der Kinder und Jugendlichen fördern, können durch den
größeren Handlungsspielraum der Lehrerinnen und Lehrer leichter integriert werden.
Trotzdem muss der Tagesablauf eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen, damit den
Lernenden so ein Gefühl von Sicherheit vermittelt werden kann (vgl. Burk 2006, S. 98-100).
Auch die Einführung eines „offenen Anfangs“ für die ganze Schule ist eine Maßnahme im
Sinne der „Äußeren Rhythmisierung“. Des Weiteren wird von der „Binnen Rhythmisierung“
als zweite Dimension gesprochen, die auf der Ebene des Unterrichts und der
außerunterrichtlichen Angebote stattfindet. In Bezug auf den Unterricht handelt es sich dabei
zum Beispiel um den Wechsel von Lehr- und Lernmethoden (vgl. Kamski 2012, S. 6f.). Dabei
soll es beispielsweise einen angemessenen Wechsel zwischen Freiarbeit und gemeinsamer
Arbeit im Plenum geben, sodass auch während des Unterrichts zwischen
Konzentrationsphasen und Phasen der Entspannung unterschieden wird (vgl. Bloße 2011, S.
186). Als dritte Dimension wird die „individuelle Rhythmisierung“ angesehen, die das
individuelle Lerntempo der Schülerinnen und Schüler in den Blick nimmt (vgl. Kamski 2012,
S. 6f.). Demnach sollen die Schülerinnen und Schüler durch verschiedene Angebote, wie
zum Beispiel offene Unterrichtsformen oder die Möglichkeit zur freiwilligen Teilnahme an
Zusatzangeboten die Gelegenheit haben, ihr Lerntempo gemäß ihrer Bedürfnisse individuell
zu gestalten (vgl. Bloße 2011, S. 187).
17
Diese Bestrebungen zur Rhythmisierung bestanden bereits während der 1920er Jahre, als
ebenfalls ganztägige Schulen eingeführt wurden. Auch damals wurde dieses Konzept mit der
Forderung nach einer kindgerechten Schule begründet (vgl. Kamski 2012, S. 4f.). In der
heutigen Forschung wird das Konzept der Rhythmisierung auch mit Befunden aus der
Chronobiologie gerechtfertigt. Demnach zeigt die Leistungskurve von Schülerinnen und
Schülern über den Tag verteilt Schwankungen, die bei der Rhythmisierung des Schultages
berücksichtigt werden müssen, um die Kinder und Jugendlichen nicht zu überfordern. Diese
Leistungskurve zeigt, dass die meisten Kinder und Jugendlichen am späten Vormittag und
am späten Nachmittag am leistungsfähigsten sind, während sie am frühen Morgen und um
die Mittagszeit keine große Leistungsfähigkeit aufweisen (vgl. Weier 2010, S. 207-209).
Diese Befunde führten unter anderem zu der Forderung nach einem „offenen Anfang“ des
Schultages. Nach diesem Ansatz kommen die Schülerinnen und Schüler in einem
vorgegebenen Zeitrahmen von etwa 30 Minuten in der Schule an und können ihre Tätigkeit
frei wählen. Durch diese Form des Unterrichtsbeginns wird das Verhalten der Kinder und
Jugendlichen in erheblichem Maße beeinflusst, die soziale Interaktion und das
selbstständige Arbeiten werden gefördert (vgl. Burk 2006, S. 101). Außerdem soll dem
Leistungstief in der Mittagszeit dadurch Rechnung getragen werden, dass in der
Mittagspause neben der Mahlzeit auch genügend Zeit für Bewegung oder Entspannung
bleibt. Des Weiteren ergibt sich aus diesen Befunden, dass am besten zwischen 9.00 Uhr
und 11.30 Uhr und zwischen 15.00 Uhr und 17.00 Uhr die Unterrichtsblöcke eingeschoben
werden sollten, die eine besonders hohe Konzentrationsfähigkeit erfordern (vgl. Weier 2010,
S. 209-211).
Ebenfalls entscheidend für das Konzept der Rhythmisierung sind Befunde zur Konzentration
und Aufmerksamkeit. So haben zum Beispiel Untersuchungen ergeben, dass Kinder
zwischen sieben und zehn Jahren eine durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne von
zwanzig Minuten haben. Daraus ergeben sich für den Schulalltag verschiedene
Konsequenzen. Zum einen sollte auf ein gutes Verhältnis zwischen Unterrichtszeiten und
Pausenzeiten geachtet werden. Zum anderen sollte auch eine Umstrukturierung der
Unterrichtseinheiten von 45 Minuten auf 90 Minuten vorgenommen werden, da so mehr Zeit
für offene Unterrichtsphasen entsteht (vgl. Weier 2010, S. 210f.).
8.2. Personal
Die Zusammensetzung des Personals für die Ausstattung einer Ganztagsschule weist
gewisse Besonderheiten auf, die im Folgenden erläutert werden. Denn neben den
Lehrkräften und der Schulverwaltung sowie dem üblichen nicht-pädagogischen Personal wie
dem Hausmeister und den Reinigungskräften treffen an Ganztagsschulen weitere
18
Professionen aufeinander, die für das Bildungs- und Betreuungsangebot im Ganztagsbetrieb
zuständig sind.
Zunächst soll auf die veränderte Rolle des Lehrerberufs an einer Ganztagsschule
eingegangen werden. Neben ihren normalen fachunterrichtlichen und erzieherischen
Aufgaben müssen die Lehrkräfte auch am Ganztagsangebot mitwirken. Demnach werden sie
in der Sekundarstufe I vor allem für fachbezogene Lernangebote und Fördermaßnahmen
eingesetzt. Zudem sind die Lehrkräfte je nach Organisationsform der Schule mehr oder
weniger stark in die Gestaltung des Ganztagsangebots eingebunden. Somit besteht in der
vollgebundenen Form der Ganztagsschule eine stärkere Einbindung als in der offenen (vgl.
Hotappels u.a. 2007, S. 17). Genaueres zu den daraus entstehenden Kosten folgt an einer
späteren Stelle dieser Arbeit unter dem Charakteristikum „Kosten“. Allgemein müssen
Lehrkräfte nach dem Erlass „Die Arbeit an öffentlichen Ganztagsschulen“ unterschiedliche
ganztagsspezifische Angebote, die im Charakteristikum „Nachmittagsangebot“ genauer
erläutert werden, übernehmen, wobei sie sogar für außerunterrichtliche Angebote eingesetzt
werden können (vgl. Niedersächsisches Kulturministerium 2004, S. 221).
Des Weiteren werden pädagogische Mitarbeiter an Ganztagsschulen beschäftigt. In
Niedersachsen handelt es sich dabei meist um Erzieher und sozialpädagogische Fachkräfte,
die teilweise von Mitarbeitern der öffentlichen und freien Jugendhilfe unterstützt werden (vgl.
Niedersächsisches Kultusministerium 2008, S. 22).
Hinzu kommt die Einbeziehung der Eltern und anderer ehrenamtlicher Mitarbeiter in den
Ganztagsbetrieb von Schulen. Ihre Mitarbeit fällt beispielsweise in folgende Bereiche:
Gründung und Mitwirkung in Fördervereinen, Betreuung von Klassenfahrten, Mitwirkung bei
Schulfesten, Leitung von Arbeitsgemeinschaften oder Beschäftigung in der Schulcafeteria
und der Bibliothek (vgl. Appel 2003, S. 194f.).
Zudem zielt die Ganztagsschulbildung auch auf die Kooperation mit außerschulischen
Partnern, d.h. mit nicht-pädagogischem Personal. Folglich können sich unterschiedliche
außerschulische Träger mit ihren eigenen Angeboten in den Ganztagsbetrieb einbringen,
sodass möglichst viele Facetten aus der die Kinder und Jugendlichen umgebenden
Lebenswelt auf die Erziehung und Bildung einwirken können. Daraus kann schließlich eine
umfassende Bildungslandschaft geschaffen werden. Bei den außerschulischen Partnern
kann es sich zum Beispiel um Vereine, Verbände, Musikschulen und Bibliotheken handeln
(vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2008, S. 36f.). Der Erlass „Die Arbeit der
öffentlichen Ganztagsschule“ sieht in diesem Zusammenhang vor, dass sich die
Zusammenarbeit mit außerschulischem Personal nach den örtlichen Gegebenheiten richten
sollte und durchaus auch mit Mitarbeitern von kommunalen Einrichtungen, der Kirche oder
19
ortsansässigen Betrieben kooperiert werden sollte (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium
2004, S. 220).
Ein wichtiger Aspekt bezüglich des Personals an einer Ganztagsschule ist die Notwendigkeit
zur Verbesserung der Kooperation zwischen den verschiedenen Professionen. Insgesamt ist
eine enge Zusammenarbeit wünschenswert, die durch regelmäßige Besprechungszeiten,
verstärkte Teamarbeit und gemeinsame Projekte entstehen kann. In Kombination mit
gezielten Weiterbildungsmaßnahmen für das gesamte pädagogische Personal kann die
Qualität des Ganztagsangebotes gesteigert und die Zusammenarbeit professionalisiert
werden, wovon die Kinder und Jugendlichen letztendlich profitieren können (vgl. Holtappels
u.a. 2007, S. 19).
Schließlich kann festgehalten werden, dass die Art des Beschäftigungsverhältnisses der
unterschiedlichen Kooperationspartner Einfluss auf das Engagement der Mitarbeiter hat. Je
nachdem ob es sich um Hauptberufliche, Honorarkräfte oder Ehrenamtliche handelt, kann
verallgemeinernd von unterschiedlicher Motivation und Einsatzbereitschaft gesprochen
werden. Demnach ist anzunehmen, dass hauptberufliche Mitarbeiter mehr Zeit und Kapazität
für eine intensivere Zusammenarbeit mit Lehrkräften aufbringen können und daher zu einer
erfolgreichen Kooperation an Ganztagsschulen beitragen können (vgl. Holtappels u.a. 2007,
S. 26f.).
8.3. Mittagessen
Das Mittagessen in der Schule gehört ebenfalls zu den zentralen Aspekten des Konzeptes
der Ganztagsschule. Dabei kommen dem Mittagessen verschiedene Funktionen zu. Vor
allem sind die Mittagspause und die Verpflegung als eine Verbindung zwischen Erziehung,
Bildung und Betreuung zu sehen (vgl. Kamski 2008, S. 566f.).
Insbesondere der gemeinschaftliche Aspekt des Mittagessens im Rahmen der
Ganztagsschule ist von zentraler Bedeutung. Durch das gemeinsame Mittagessen haben die
Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit miteinander ins Gespräch zu kommen. Aber auch
einfache Verhaltensnormen, wie zum Beispiel der Umgang mit Messer und Gabel, können
durch Nachahmung bei dem gemeinsamen Mittagessen erlernt werden. Kindern und
Jugendlichen wird so die Möglichkeit geboten in einer Gemeinschaft zu essen, was in ihrem
häuslichen Umfeld unter Umständen nicht möglich ist. Außerdem wird den Lehrerinnen und
Lehrern durch das gemeinsame Essen ermöglicht, auch außerhalb des Unterrichts mit ihren
Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen (vgl. Kamski 2008, S. 567). Das
gemeinsame Mittagessen ist auch für die Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls sehr
förderlich. Von großem Vorteil sind dafür vor allem feste Gruppentische während des
20
Essens, an denen die Schülerinnen und Schüler lernen, sich an gewisse Tischregeln zu
halten und sich ein stabiles Gruppengefühl herausbildet (vgl. Appel 2003, S. 262f.).
Neben dem zentralen gemeinschaftlichen Aspekt muss das Mittagessen in Ganztagsschulen
noch weitere Kriterien erfüllen, so zum Beispiel die ernährungsphysiologischen Kriterien. Es
ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler mit der Schulverpflegung eine ausgewogene
und nährstoffreiche Ernährung bekommen. Auch die sensorischen Kriterien müssen
beachtet werden, darunter wird verstanden, dass die Speisen einen guten Geschmack, ein
ansprechendes Aussehen und einen typischen Geruch aufweisen sollen. Als weiterer Aspekt
gelten die soziokulturellen Kriterien, da mit dem Essen je nach Kulturkreis verschiedene
Gebräuche einhergehen, sollte auf diese auch bei der Schulverpflegung geachtet werden,
zum Beispiel bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund (vgl. Serviceagentur
Ganztägig lernen 2010, S. 24-31).
Für die Versorgung in Ganztagsschulen können vier verschiedene Systeme unterschieden
werden. Zum einen wird von dem Frischkostsystem gesprochen, dabei werden in einer
schuleigenen Küche die Mahlzeiten frisch mit regionalen Produkten zubereitet. Dies ist das
beste System zur Schulverpflegung, aber auch sehr teuer, sodass nur wenige Schulen
dieses System einführen können. Eine weitere Alternative ist das Relaisküchensystem, bei
dem bereits vorbereitete Speisen aus anderen Großküchen geliefert werden und in der
Küche der Schule nur noch fertig gekocht und angerichtet werden müssen. Eine dritte
Möglichkeit ist das Verteilerküchensystem, was die komplette Zubereitung der Speisen
außerhalb der Schule und eine anschließende Auslieferung an die Schule vorsieht. Dieses
Modell ist das am weitesten verbreitete System, da es für die Schule den geringsten
Arbeitsaufwand bedeutet. Als viertes System wird das Mischküchensystem genannt, was die
Zubereitung tiefgekühlter Fertigprodukte vorsieht. Diese Gerichte sollen dann mit frischen
Zutaten ergänzt werden (vgl. Appel 2003, S. 266-270).
In Niedersachsen haben die Schulen keine Vorgaben, in welcher Länge und welche Art und
Weise die Mittagspause zu gestalten ist. Es wird jedoch empfohlen, genügend Zeit sowohl
für das Mittagessen, als auch für eine anschließende Bewegungs- und Entspannungsphase
einzuplanen (vgl. Serviceagentur Ganztägig lernen 2010, S. 9). Das Niedersächsische
Kultusministerium weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass keine Verpflichtung zum
Kauf eines Mittagessens in einer Ganztagsschule bestehen darf (vgl. Niedersächsisches
Kultusministerium 2008, S. 16f.).
21
8.4. Nachmittagsangebot
Das Nachmittagsangebot stellt das bedeutendste Kriterium einer Ganztagsschule in
Abgrenzung zu einer Halbtagsschule dar. Dabei wirken alle anderen zuvor beschriebenen
Charakteristika einer Ganztagsschule auf die Gestaltung des Nachmittagsangebots ein und
müssen daher bei dessen Analyse berücksichtigt werden. Des Weiteren ist die
Organisationsform der Ganztagsschule und damit der Verbindlichkeitsgrad der Teilnahme
am Ganztagsangebot ausschlaggebend für den Ablauf des Nachmittags.
In dem Erlass „Die Arbeit in der öffentlichen Ganztagsschule“ des Niedersächsischen
Kultusministeriums werden unter anderem die charakteristischen Angebote einer
Ganztagsschule beschrieben. Dazu zählen Verfügungsstunden, Arbeitsgemeinschaften,
Arbeits- und Übungsstunden, Fördermaßnahmen, Projekte an außerschulischen Lernorten,
die Mittagspause und das Mittagsessen und außerunterrichtliche Angebote. Durch das
Zusammenspiel dieser Angebote kann ein wichtiger Beitrag zur Rhythmisierung des
Ganztagsablaufes geleistet werden (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2004, 220f.).
Zudem gibt der Erlass Auskunft über die zusätzlich zu den Lehrkräften am
Nachmittagsangebot beteiligten Personengruppen, wie beispielsweise
Erziehungsberechtigte, Organisationen der Jugendhilfe, Sportvereine, Musikschulen,
Betriebe usw. (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2004, S. 219).
Allgemein kann die Vielfalt an möglichen Nachmittagsangeboten als sehr heterogen
bezeichnet werden. Dies bezieht sich vor allem auf die inhaltliche und strukturelle Gestaltung
des Angebotes. Dabei gibt es einerseits lernbezogene Angebote wie
Hausaufgabenbetreuung und fachbezogene Angebote wie Förderangebote. Demgegenüber
stehen freizeitorientierte Angebote wie beispielsweise musische Aktivitäten. Hinzu kommen
noch Projektarbeiten und fächerübergreifende Angebote (vgl. Stecher u.a. 2009, S. 193).
Durch die Zusammenarbeit der Schule mit außerschulischen Kooperationspartnern entsteht
die Möglichkeit, das Angebots- und Bildungsspektrum zu erweitern, da auf diese Weise neue
Kompetenzen und Methoden angeeignet werden können und letztendlich eine umfassendere
Bildung der Schülerinnen und Schüler ermöglicht werden kann. Dabei ist insgesamt ein
großes Spektrum an Kooperationsformen zu verzeichnen, das durch Rahmenbedingungen
der Schulen und rechtliche Vorgaben der Länder beeinflusst wird. Das Ziel der
Ganztagsbildung sollte jedoch immer darin bestehen, die Schule zum Sozialraum hin zu
öffnen, das Bildungsprogramm über den vorgegebenen Lehrplan hinaus zu erweitern sowie
verstärkt die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen in den Schulalltag einzubeziehen.
Wichtig ist dabei vor allem, dass ein Ganztagskonzept entwickelt wird, in dem die Angebote
der Kooperationspartner verankert und mit dem Unterricht abgestimmt werden und diese
22
dennoch inhaltlich bedeutsam bleiben und eine eigenständige Bildungsgelegenheit
darstellen. (vgl. Arnoldt / Züchner 2008, S. 633).
Des Weiteren trägt eine gemeinsame Konzeptentwicklung zwischen Schule und
außerschulischen Kooperationspartnern zur Qualität der ganztägigen Bildung bei. Dabei
können in der Schule beispielsweise Arbeitskreise gebildet werden, die sich um die
Gestaltung, Weiterentwicklung und Verbesserung des Ganztagsbetriebes in Kooperation mit
den außerschulischen Partnern kümmern (vgl. Arnoldt / Züchner 2008, S. 638). In Bezug auf
die inhaltliche Ausrichtung des Nachmittagsangebots an Ganztagsschulen ist eine starke
Abhängigkeit von der Organisationsform festzustellen. Da das Nachmittagsangebot an
offenen Ganztagsschulen auf freiwilliger Basis beruht und daher nicht alle Schülerinnen und
Schüler daran teilnehmen, besteht das Angebot hauptsächlich aus Freizeit- und
Betreuungsangeboten und kann daher überwiegend eigenverantwortlich von
außerschulischen Kooperationspartnern gestaltet werden. Hingegen kann in einer
vollgebundenen Ganztagsschule zusätzlich zu Freizeit-, Betreuungs-, und Förderangeboten
eine stärkere Verzahnung mit dem Unterricht erfolgen, die vorwiegend von der Schule selbst
organisiert wird (vgl. Arnoldt / Züchner 2008, S. 638ff.). Außerdem muss an dieser Stelle
festgehalten werden, dass ein Ganztagsangebot, das sich nicht nur auf Betreuung und
Freizeitgestaltung beschränkt, sondern das dazu variantenreich und konzeptionell mit dem
Unterricht verbunden ist, herkunftsbedingte Bildungsdisparitäten abbauen kann. Jedoch gilt
dies wiederum insbesondere für die vollgebundene Form, da dort alle Schülerinnen und
Schüler am Ganztagsangebot teilnehmen und nicht selektiert wird (vgl. Steiner 2011, S.74).
Schließlich kann sich bei der Teilnahme am Nachmittagsangebot für die Schülerinnen und
Schüler ein pädagogischer Mehrwert ergeben, der zusätzlich zu einer erweiterten Lernkultur
führen kann. Dieser Mehrwert ergibt sich zum einen daraus, dass durch die längere Dauer
des Schultages allgemein mehr Zeit für Lernprozesse gegeben ist. Dazu kann anhand eines
vielfältigen Angebots nicht-curricularer Lerninhalte individueller und tiefgehender auf die
Interessensgebiete der Schülerinnen und Schüler eingegangen werden, die ansonsten nicht
berücksichtigt werden könnten. Zum anderen besteht die Möglichkeit, neue Lernformen wie
beispielsweise fächerübergreifendes oder freizeitpädagogisches Lernen auszutesten. Des
Weiteren ermöglichen zielgruppenspezifische Angebote eine individuelle Förderung der
Schülerinnen und Schüler. Und letztlich entstehen an Ganztagsschulen vermutlich
intensivere soziale Beziehungen sowohl zwischen den Schülerinnen und Schülern
untereinander als auch zwischen den Schülerinnen und Schülern und Lehrern bzw. dem
weiteren Personal des Ganztagsangebots (vgl. Stecher u.a. 2009, S. 189-192).
23
8.5. Kosten
Die private Kostenbeteiligung von Eltern an Angeboten der Ganztagsschulen ist je nach
Bundesland unterschiedlich geregelt. Eine Umfrage hat ergeben, dass die Kosten der
Mittagsverpflegung in der Regel immer von den Erziehungsberechtigten getragen werden
müssen (vgl. Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen 2013, S. 70f.).
Abbildung 7: Wofür müssen die Eltern an Ihrer Schule im Rahmen der Inanspruchnahme des Ganztagsbetriebes durch ihr Kind einen finanziellen Beitrag leisten? (Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen 2013, S. 70).
Auch in Niedersachsen ist das Mittagessen kostenpflichtig. Es gibt die Möglichkeit,
Zuschüsse für Kinder aus Familien zu beantragen, die zum Beispiel Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Außerdem wird empfohlen, die Kosten für das
Mittagessen so niedrig wie möglich zu halten, indem unter anderem Sponsoren gesucht
werden oder Fördervereine der Schulen um Unterstützung der Schulverpflegung gebeten
werden (vgl. Niedersächsische Kultusministerium 2008, S. 82-84). Auch Gelder aus dem
Bildungs- und Teilhabepaket, was für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen
Familien, die zum Beispiel das Arbeitslosengeld II empfangen, Mittel zur Verfügung stellt,
können zur Bezuschussung der Mittagsverpflegung genutzt werden, sodass die
Erziehungsberechtigten nur noch einen Euro pro Mahlzeit zahlen müssen (vgl.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2011, S. 7 / S. 14).
Für das Nachmittagsangebot an Ganztagsschulen steht den Schulen ein gewisses Budget
zu, aus dem das Angebot finanziert wird, sodass den Erziehungsberechtigten keine weiteren
24
Kosten entstehen. Die Schulen erhalten einen Ganztagszuschlag an Lehrerstunden, der sich
aus den Teilnehmerzahlen der Schülerinnen und Schüler an dem Ganztagsangebot
errechnet. Da das Land Niedersachsen zur Zeit nicht über genügend Mittel verfügt, um alle
Ganztagsschulen mit den vorgesehenen Personalressourcen auszustatten, werden die
Schulen lediglich mit einer Grundausstattung an zusätzlichen Lehrerstunden versorgt. Für
die Grundschulen richtet sich diese Grundausstattung nach der Anzahl der Klassen in den
Jahrgängen drei und vier. Es werden pro Klasse der Jahrgänge drei und vier 2,5 zusätzliche
Lehrerstunden genehmigt. Diese Lehrerstunden können auch in ein Budget umgewandelt
werden, über das die Schule zur Gestaltung des Ganztagsangebotes frei verfügen kann (vgl.
Niedersächsisches Kultusministerium 2008, S. 19f.).
9. Untersuchung der Ganztagsgrundschulen in Göttingen
Im Folgenden werden die zwölf Göttinger Ganztagsgrundschulen in Bezug auf die
Charakteristika Rhythmisierung, Personal, Mittagessen, Nachmittagsangebot und Kosten
untersucht. Jede dieser Schulen ist eine offene Ganztagsschule und es soll überprüft
werden, inwiefern sich das konkrete Angebot der Schulen von den Vorgaben unterscheidet.
Außerdem soll überprüft werden, ob es sich bei dem Emblem „Ganztagsschule“ nur um
einen Etikettenschwindel handelt. Die gesammelten Informationen wurden zum einen der
Selbstdarstellung der Schulen (Homepage) und zum anderen direkten Nachfragen an die
jeweilige Schule entnommen. Auf keine der Angaben besteht Gewähr. Folgende Schulen
wurden untersucht:
Schule Ganztagsschule seit
GS Albani 2012
GS Bonitifatius I 2012
GS Brüder Grimm 2010
GS Egelsberg 2012/2013
GS Godehard (kath.) 2009
GS Herman Nohl 2007
GS Hölty 2012/2013
GS Erich Kästner 2003
GS Hainbund 2011/2012
GS Astrid-Lindgren 2010
25
GS Hagenberg 2011
GS Leineberg 2008
Tabelle 6: Liste aller ganztäglichen Grundschulen der Stadt Göttingen, Stand 14.09.2012.
9.1. Rhythmisierung
Für die Beurteilung der Rhythmisierung an einer Ganztagsschule müssen die Schulzeiten
betrachtet werden. Im folgenden Diagramm sind die Zeiten eingezeichnet, in denen die
Schülerinnen und Schüler an den jeweiligen Schulen an mindestens drei Tagen in der
Woche betreut werden können. Dabei ist ausdrücklich von der Betreuungszeit die Rede, was
durch Hort und/oder Kids-Club mit Kosten verbunden ist. Die Angaben sind der jeweiligen
Schulwebseite entnommen und ohne Gewähr (Für die Erich Kästner Schule konnten keine
Angaben ermittelt werden).
Abbildung 8: Ganztagsgrundschulen Zeiten (mit Betreuungszeiten).
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die Zeiten dem entsprechen, was von einer
Ganztagsschule erwartet wird. Bei jeder der untersuchten Grundschulen ist eine Betreuung
nach 15.30 Uhr immer mit Kosten verbunden.
Im Folgenden betrachten wir ein weiteres Diagramm, in dem die freiwilligen sowie zum Teil
kostenpflichtigen Betreuungszeiten entfallen.
26
Abbildung 9: Ganztagsgrundschule Zeiten (ohne Betreuungszeiten).
Dieses Diagramm stellt die Pflichtstunden in der Schule für die Schülerinnen und Schüler
dar. Hier würde man alleine von den Zeiten her eher von verlässlichen Grundschulen und
nicht von Ganztagsschulen sprechen. Häufig bieten die Schulen eine beitragsfreie
Nachmittagsbetreuung bis ca. 15:30 Uhr nur für die Klassenstufen 3 und 4 an. Die Erst- und
Zweitklässler können in dem Fall durch einen kostenpflichtigen Hort auch am Nachmittag
betreut werden. Damit erfüllt die Schule nicht das 7-Stunden-Kriterium (vgl. 2. Definition
Ganztagsschule) und es kann in den ersten beiden Klassenstufen nicht die Rede von einer
Ganztagsschule sein. Alternativ kann beispielsweise durch Kooperationen auch für die
Schülerinnen und Schüler der 1. und 2. Klasse kostenlose Betreuung am Nachmittag erreicht
werden. Zum Beispiel kooperiert die Herman-Nohl Schule mit dem Kinderhaus e.V. und
bietet an drei Tagen (Mo bis Mi) ein offenes, kostenfreies Angebot bis 15:30 Uhr für alle
Jahrgänge an.
Die Stadt Göttingen fördert Nachmittagsangebote an Ganztagsgrundschulen mit einem
Rahmenkonzept, nach dem einige Grundschulen arbeiten. Dieses Konzept besteht aus:
1. „einem für Eltern beitragsfreien Angebot für alle Grundschüler/-innen der Klassen 1-4
von Montag – Donnerstag bis 15:30 Uhr
2. einem für Eltern beitragspflichtigen Angebot für Grundschüler/-innen der Klassen 1-4,
von Montag – Freitag bis 17:00 Uhr
27
3. einem für Eltern beitragspflichtigen Ganztagsangebot für Grundschüler/-innen der
jeweiligen Schule mit Hauptwohnsitz in Göttingen der Klassen 1-4 für 8 Wochen in
den Ferienzeiten“ (Stadt Göttingen, Fachbereiche Jugend und Kindertagesstätten
2010).
Abbildung 10: Ganztagsgrundschulangebot Mo-Fr nach dem Rahmenkonzept der Stadt Göttingen, (Stadt Göttingen, Fachbereiche Schule und Jugend 2010, S. 8).
Sechs der von uns untersuchten Göttinger Grundschulen arbeiten nach diesem
Rahmenkonzept der Stadt Göttingen: Hagenbergschule, Hainbundschule, Brüder-Grimm-
Schule, Egelsbergschule, Höltyschule und Albanischule. Damit ist die Planung, welche es
vor drei Jahren gab, sogar um eine Schule übertroffen. Geplant waren bis 2013: neun
Ganztagsgrundschulen, von denen fünf nach dem Rahmenkonzept arbeiten.
Bei dem Konzept einer offenen Ganztagsschule wird den Schülerinnen und Schülern
beziehungsweise den Erziehungsberechtigten freigestellt, ob das Ganztagsangebot genutzt
werden soll. Dies macht eine äußere Rhythmisierung schwierig, da es keine
Unterrichtsblöcke am Nachmittag ermöglicht. Es gibt allerdings Schulen, die angeben, einen
„offenen Anfang“ zu Unterrichtsbeginn zu realisieren. Die Schülerinnen und Schüler können
beispielsweise an der Hagenberg Schule bereits um 7:45 Uhr, also eine Viertelstunde vor
Unterrichtsbeginn, betreut werden. Durch die Möglichkeit nachmittags in der Schule eine
28
Hausaufgabenbetreuung zu erhalten, wird die individuelle Rhythmisierung gefördert und
damit auch Schülerinnen und Schüler, die zu Hause keine ausreichend gute Lernumgebung
besitzen, eine Chance gegeben, im eigenen Tempo zu lernen. Hierbei wird vorausgesetzt,
dass die Schülerinnen und Schüler an der Nachmittagsbetreuung teilnehmen. Die Befunde
(vgl. Abschnitt Rhythmisierung) zur erhöhten Konzentrationsfähigkeit am Nachmittag
zwischen 15:00 Uhr und 17:00 Uhr werden dabei nicht berücksichtigt.
9.2. Personal
„Die Erich Kästner-Schule hat als einzige offene Ganztagsschule eine höhere Personalausstattung des Landes (bei der genehmigten Teilung der Schule ab dem 01.08.2010 ist die künftige Finanzausstattung noch nicht abschließend entschieden). Die anderen Ganztagsschulen erhalten seitens des Landes zusätzlich 2 ½ Lehrerstunden je Klasse in den Jahrgängen 3 und 4.
Alle Lehrerstunden lassen sich grundsätzlich kapitalisieren und somit für zusätzliches pädagogisches Personal einsetzen. Mit diesen Mitteln ist ein Ganztagsschulbetrieb von montags bis Donnerstag jedoch nicht bestreitbar. Deshalb kooperieren die Grundschulen in unterschiedlicher Ausprägung mit freien Jugendhilfeträgern, Vereinen und Verbänden. Unter bestimmten Voraussetzungen gewährt der Schulträger finanzielle Unterstützung.“ (Stadt Göttingen, Fachbereiche Schule und Jugend 2010, S. 2).
Jeder Ganztagsschulstandort, der sich an dem Rahmenkonzept orientiert, richtete eine
Koordinationsstelle ein. Dort wird eine pädagogische Fachkraft mit halber Stelle beschäftigt,
die für den Ablauf des Ganztagsprogramms verantwortlich ist.
Das Nachmittagsangebot wird in der Regel Montag bis Donnerstag von 13:00 – 15:30 Uhr
angeboten. Hierbei werden Gruppen in Klassenstärke gebildet, die von jeweils einer
pädagogischen Fachkraft betreut werden. Die Betreuung wird durch Eltern, Ehrenamtliche,
Hortpersonal und Honorarkräfte ergänzt.
Die Godehardschule gibt als einzige der untersuchten Schulen an, dass auch die Lehrkräfte
am Nachmittagsunterricht beteiligt sind. Ob es sich hierbei nur um die Organisation oder
auch um die tatsächliche Betreuung handelt, bleibt jedoch unklar.
Einige Schulen sprechen von ihrem "Ganztagsteam". Dabei wird deutlich, dass häufig eine
klare Trennung zwischen Vormittagsunterricht mit den Lehrkräften und Nachmittagsunterricht
mit einer bunten Mischung aus pädagogischen Mitarbeitern, Eltern, ehrenamtlichen
Mitarbeitern, externen Partnern und Honorarkräften vorliegt. Inwiefern diese beiden Teams
miteinander kooperieren ist hierbei nicht ersichtlich.
29
9.3. Mittagessen
An jeder der untersuchten Schulen wird, wie bei Ganztagsschulen vorgeschrieben, ein
Mittagessen angeboten.
Vier Schulen legen in ihren Konzepten Wert darauf, ein gemeinsames oder betreutes
Mittagessen zu erwähnen. Eine eigene Mensa wird dabei von vier Schulen genannt, zwei
Weitere lassen ihr Essen an externen schulnahen Orten servieren und die restlichen sechs
Schulen bleiben ohne Angabe.
Eine gesunde Ernährung wird von mehreren Schulen propagiert, wobei die Hermann-Nohl
Schule explizit den kontrollierten Anbau und die ausgewogene Auswahl erwähnt. Die Brüder-
Grimm Schule bietet zusätzlich eine so genannte „Naturkostbar“, an der auch außerhalb der
Mittagszeiten gesundes Essen zum Selbstkostenpreis erworben werden kann. Außerdem
wird dort nur Essen ohne Schweinefleisch angeboten, um dem Umstand gerecht zu werden,
dass viele Kinder mit muslimischem Elternhaus im Einzugsbereich leben. An der Hölty
Schule können die Schülerinnen und Schüler darüber hinaus an Pizza Projekten teilnehmen,
in denen neben dem "Nahrung zu sich nehmen" auch das "Nahrung gestalten" Beachtung
findet.
9.4. Nachmittagsangebot
Das Nachmittagsangebot an den untersuchten Grundschulen besteht im Allgemeinen aus
Hausaufgabenbetreuung und unterschiedlichen Freizeitangeboten. Die
Hausaufgabenbetreuung findet bei allen Schulen, so wie exemplarisch im Rahmenkonzept
angegeben, am frühen Nachmittag statt. Dabei sind in der Regel 1-2 Schulstunden
eingeplant. Elf der untersuchten Schulen geben des Weiteren diverse Sportangebote an,
wobei sechs davon in direkter Kooperation mit einem Sportverein zusammen arbeiten.
Außerdem gibt es an acht Schulen musikalische Angebote wie zum Beispiel einen Chor oder
die Möglichkeit ein Instrument zu erlernen. Eine Kooperation mit anderen Schulen wird von
vier Grundschulen angegeben. Dabei wird mit weiterführenden Schulen wie dem Otto-Hahn-
Gymnasium Göttingen und dem Theodor-Heuss-Gymnasium Göttingen sowie mit der
Förderschule Tannenberg kooperiert. Weitere Kooperationspartner sind das Göttinger
Symphonie Orchester, Altersheime und die Universität Göttingen. Die im Abschnitt
Nachmittagsangebot beschriebene starke Abhängigkeit von der Organisationsform spiegelt
sich bei der Untersuchung in allen Grundschulen wider. Zusammengefasst besteht das
Nachmittagsangebot der Göttinger Ganztagsgrundschulen aus Freizeit- und
Betreuungsangeboten. Einige Förderangebote werden zwar erwähnt, aber nicht weiter
beschrieben:
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Herman Nohl „Förderunterricht“
Godhard „Römische Geschichte: Asterix und Obelix“
Hölty „Projekte: Physik, Chemie“
Astrid-Lindgren „AGs: Bildung“
Hagenberg „Förderunterricht“
Leineberg „Schwerpunkte Englisch und Sport“
9.5. Kosten
Mittagessen:
Jede Ganztagsschule ist dazu verpflichtet ein Mittagessen für die Schülerinnen und Schüler
zu stellen.
Bei den untersuchten Grundschulen liegen die Preise pro Mittagessen bei 1 bis 3€.
Drei Schulen gaben dabei 2,95€ pro Mahlzeit an, eine Schule 2 – 3€ und eine weitere sprach
vom Selbstkostenpreis. Die anderen sieben Schulen blieben dabei ohne Angabe. Die
Godehardschule bietet auf Antrag auch Ermäßigtenkarten an, wodurch der Preis auf 1€ pro
Mahlzeit sinkt. An der Albanischule profitieren Familien mit mindestens drei
Geschwisterkindern, da sie dann einen Rabatt von 50 Prozent erhalten. Keine Schule gab
an, kostenfreies Mittagessen anzubieten.
Weitere Kosten kommen auf die Eltern zu, wenn sie ihre Kinder über das Ganztagsangebot
hinaus betreut wissen wollen.
Die Hortkosten für eine Betreuung bis zu vier Stunden belaufen sich bei den städtischen
Horten auf 99 – 185€ pro Monat. Für eine längere Betreuung, die jedoch nicht nötig ist, wenn
die Kinder bis 13 Uhr in der Schule sind, fallen weitere Kosten an. Die Höhe der Beiträge
unterscheidet sich hierbei je nach Einkommen der Eltern. Auf Antrag kann auch eine
Befreiung von den Beiträgen durch die Stadt Göttingen gewährt werden. Falls die Kinder im
Hort zu Mittag essen, werden Verpflegungskosten von 53,50€ pro Monat fällig.
Der von der Jugendhilfe Göttingen organisierte Kids Club kostet monatlich 60€ pro Schüler
bei zehn Betreuungsmonaten während der Schulzeit. Dabei werden die Kinder der 3. und 4.
Klasse von 15:30 Uhr bis 17:00 Uhr bzw. freitags ab 13:00 Uhr betreut. Es ist möglich für
insgesamt acht Wochen eine ganztägige Ferienbetreuung zu buchen, für 30€ pro Woche.
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Für Schüler der 1./2. Klassen können also jährliche Kosten von 1188€ bis 2862€ für den Hort
entstehen, um eine Betreuung bis 17 Uhr zu erhalten. Für die älteren Schülerinnen und
Schüler reduzieren sich diese Kosten auf 840€ jährlich inkl. Ferienbetreuung jedoch
exklusive Mittagessen.
Ausgehend von 180 Schultagen fallen bei 2,95€ pro Mittagessen hierfür 531€ pro Schuljahr
an.
Für die Angebote am Nachmittag fallen unter Umständen Materialkosten an. Für einige AGs,
die von externen Partnern organisiert werden, fallen zusätzliche Kosten an, wenn
beispielsweise Instrumente erlernt werden.
10. Fazit
Viele Menschen verbinden mit dem Begriff Ganztagsschule in erster Linie das Konzept einer
geschlossenen Ganztagsschule. Für uns war es deshalb wichtig zu untersuchen, welche
Anforderungen „offene Ganztagsschulen“ in Göttingen trotz ihrer genannten
Einschränkungen erfüllen. Ein Großteil der Schulen bewirbt ein überzeugendes Konzept für
die Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen.
Etikettenschwindel? Ja! Allerdings nicht von Seiten der Schulen, sondern vor allem durch die
sehr unterschiedlichen Auswirkungen der gewählten Ganztagsschulform. Da die offenen
Ganztagsgrundschulen seitens des Landes lediglich 2 ½ Lehrerstunden je Klasse in den
Jahrgängen 3 und 4 erhalten, werden diese Stunden kapitalisiert und für zusätzliches
pädagogisches Personal eingesetzt. Selbst durch Kooperationen kann damit nur schwierig
eine Nachmittagsbetreuung gewährleistet werden. Dadurch ergibt sich, dass einige Schulen
die zusätzlichen Kapazitäten auch nur für die 3. und 4. Klassen nutzen, um wenigstens in
diesen Jahrgängen ein Ganztagsangebot bereitstellen zu können. Es entstehen
Grundschulen, an denen nur die älteren Schüler eine kostenlose Betreuung von sieben
Stunden am Tag, mindestens drei Tage die Woche erhalten. Die Schüler der 1. und 2.
Klassen werden hierbei vom Ganztagsmodell ausgeschlossen. An eine Finanzierung für
Lehrkräfte am Nachmittag ist dabei gar nicht erst zu denken. Dass die
Nachmittagsbetreuung der Schulen dann teilweise auf eigenständige Horts ausgelagert wird,
entspricht dann gar nicht mehr dem Verständnis einer Ganztagsschule und gibt dem Vorwurf
des Etikettenschwindels eine endgültige Berechtigung.
Den Göttinger Grundschulen –wie allen Grundschulen in Niedersachsen - wird vor allem
durch die Vorgaben des Landes die Chance genommen, ein wirklich überzeugendes
Ganztagsangebot zu stellen. Gebundene Ganztagsschulen werden bisher nicht genehmigt,
da mit dieser Schulform zu hohe Kosten verbunden sind. Betrachtet man hier den Vergleich
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zu anderen Ländern wird deutlich, dass uns viele weit voraus sind. In einigen Ländern ist ein
geschlossenes Ganztagskonzept etabliert und wird von den Regierungen selbstverständlich
finanziert. Die Betreuung der Schüler wird hierbei, vor allem in den skandinavischen
Ländern, am Nachmittag von den gleichen Lehrkräften wie am Vormittag vorgenommen,
wodurch ein sinnvoll abgestimmtes rhythmisiertes pädagogisches Lehrkonzept ermöglicht
wird und keine Trennung von Vormittagsunterricht und Nachmittagsbetreuung erfolgt.
III
11. Literaturverzeichnis
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IV
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V
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VI
12. Anhang
§23 des Niedersächsischen Schulgesetzes