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c Doris Samm 2008 1 Gekoppeltes Pendel 1 Der Versuch im ¨ Uberblick Wasserwellen bereiten Ihnen Vergn¨ ugen, Erdbebenwellen eher nicht, Schallwellen onnen manchmal nur Flederm¨ ause h¨ oren (Abb. 1, Abb. 2). Abbildung 1: Erdbebenwellen k¨onnen große Sch¨aden anrichten. Man unterscheidet longitudinale und transversale Erdbebenwellen. Abbildung 2: Wasserwellen und Ultraschall (ausgesandt von Flederm¨ausen) sind weitere Beispiele f¨ ur Wellen. So unterschiedlich diese Naturph¨ anomene sind, basieren sie doch alle auf dem sel- ben physikalischen Prinzip: Eine St¨ orung breitet sich im Raum aus. Wie tut sie das? Wie entsteht eine Wasserwelle, eine Erdbebenwelle oder eine Schallwelle? Allen Ph¨ anomenen ist gemeinsam, dass viele schwingungsf¨ ahige Ob- jekte, z. B. die Wasser- Erd- und Luftteilchen miteinander verbunden sind: Sie sind miteinander gekoppelt.

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Gekoppeltes Pendel

1 Der Versuch im Uberblick

Wasserwellen bereiten Ihnen Vergnugen, Erdbebenwellen eher nicht, Schallwellenkonnen manchmal nur Fledermause horen (Abb. 1, Abb. 2).

Abbildung 1: Erdbebenwellen konnen große Schaden anrichten. Man unterscheidetlongitudinale und transversale Erdbebenwellen.

Abbildung 2: Wasserwellen und Ultraschall (ausgesandt von Fledermausen) sindweitere Beispiele fur Wellen.

So unterschiedlich diese Naturphanomene sind, basieren sie doch alle auf dem sel-ben physikalischen Prinzip:

Eine Storung breitet sich im Raum aus.

Wie tut sie das? Wie entsteht eine Wasserwelle, eine Erdbebenwelle oder eineSchallwelle? Allen Phanomenen ist gemeinsam, dass viele schwingungsfahige Ob-jekte, z. B. die Wasser- Erd- und Luftteilchen miteinander verbunden sind: Sie sindmiteinander gekoppelt.

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2 Gekoppeltes Pendel

Wird ein Teilchen (Wasser, Erde, Luft) aus seiner Ruhelage ausgelenkt, beeinflusstes die Bewegung der Nachbarteilchen. Die Storung breitet sich im Raum aus: Esentsteht eine Welle.

Allgemein gilt: Sind schwingungsfahige Systeme miteinander verknupft, konnensich die einzelnen Objekte nicht unabhangig voneinander bewegen. Es kommt zusogenannten gekoppelten Schwingungen.

Ein Beispiel eines gekoppelten Systems ist eine lineare Kette aus einzelnen Massen(hier kleine Hanteln), die mit einem Gummiband gekoppelt sind. Lenkt man eineHantel aus der Ruhelage aus, ubertragt sich die Storung auf die benachbartenHanteln und die Storung breitet sich im Raum aus.

Abbildung 3: Eine Storung breitet sich entlang eines gekoppelten Systems von Han-teln aus.

Die Beschreibung dieser linearen Kette ist recht kompliziert. Im Rahmen des Prak-tikumversuchs beschranken wir uns auf ein einfaches Beispiel eines gekoppeltenSystems, namlich auf zwei Schwerependel (idealisiert als mathematische Pendel),die durch eine Feder miteinander verbunden sind. In diesem Fall erfolgt die Be-wegung des ersten Schwerependels ebenfalls nicht unabhangig von der Bewegungdes zweiten Pendels. Der Bewegungszustand des einen Pendels kann sich auf dasandere Pendel ubertragen.

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Die gekoppelten Pendel konnen unterschiedliche Schwingungsformen durchfuhren.Lenkt man z.B. beide Pendel aus, gibt es die Moglichkeit, dass beide Pendel gleich-sinnig oder gegensinnig (Abb. 4) schwingen.

Abbildung 4: Beispiel einer gekoppelten Schwingung: Die beiden Schwerependelschwingen gleichsinnig (oben) oder gegensinnig (unten).

Mit Hilfe der gekoppelten Pendel sollen Sie unterschiedliche Schwingungsformenuntersuchen und die entsprechenden Schwingungsdauern messen.

Zusammenfassung

Gekoppelte Schwingungen stellen eine Vorstufe zum Verstandnis der Wellen dar.In diesem Versuch sollen Sie das Schwingungsverhalten zweier mit einer Federgekoppelten Schwerependel untersuchen und den Kopplungsgrad bestimmen.

Benotigte Kenntnisse: Geschwindigkeit, Beschleunigung, Kraft, harmonischeSchwingungen, Federpendel, mathematisches Pendel.

(Zum Verstandnis dieses Versuchs mussen Sie ebenfalls die Grundlagen zum Versuch Bestim-mung der Federkonstanten nach der statischen und dynamischen Methode durchar-beiten.)

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4 Gekoppeltes Pendel

2 Grundlagen

Gekoppelte Schwingungen kommen haufig vor und sind der erste Schritt zumVerstandnis von Wellen. Beispiele wie Wasserwellen, Erdbebenwellen und Schall-wellen wurden bereits genannt. Weiterhin stellen z.B. Festkorper ein System vonschwingungsfahigen Objekten dar: Sie bestehen aus Atomen und Molekulen, diedurch ihre Bindungskrafte miteinander gekoppelt sind.

Das bei diesem Versuch genutzte gekoppelte Pendel (Abb. 5) besteht aus zweiidentisch aufgebauten Schwerependeln, die durch eine Feder miteinander verbundenund somit elastisch gekoppelt sind. Die Schwerependel bestehen jeweils aus einerMetallmasse, die an einer dunnen Stange befestigt ist.

Abbildung 5: Zwei Schwerependel sind mit einer Feder gekoppelt.

Werden die Pendel um eine Strecke x1 bzw. x2 aus ihrer Gleichgewichtslage aus-gelenkt, so kann es je nach Art der Auslenkung zu unterschiedlichen Schwingungs-formen kommen.

Abbildung 6: Gleichsinnige Auslenkung der Schwerependel.

Betrachten wir als Beispiel die gleichsinnige Auslenkung der beiden Schwerependel(Abb. 6).

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Hierbei werden beide Pendel in gleicher Richtung ausgelenkt, wobei die Betrageder Auslenkungen x1 und x2 unterschiedlich sein durfen.

Die rucktreibenden Krafte nach der Auslenkung aus der Gleichgewichtslage derPendel setzen sich im Fall des gekoppelten Pendels aus der Schwerkraftm~g undder Federkraft ~FF zusammen. Zur mathematischen Beschreibung der Bewegungidealisieren wir das Schwerependel zu einem mathematischen Pendel und unter-stellen, dass die Krafte im Schwerpunkt angreifen.

Den Einfluss der Schwerkraft beschreiben wir zunachst nur fur die Auslenkung vonPendel 1. Es hat die Lange l1 und die Masse m1.

In der Gleichgewichtsposition wird die wirkende Schwerkraft m~g vollstandig durchdie Kraft im Faden (~FFa) kompensiert, das Pendel ruht. Wird das Pendel ausge-lenkt, kann der Faden die Schwerkraft nicht vollstandig kompensieren. Es bleibteine resultierende Kraft ~Fg ubrig, die das Pendel in Richtung der Gleichgewichtslagebeschleunigt (Abb. 7). Fur kleine Auslenkungen gilt fur den Betrag der rucktrei-benden Kraft

Fg = m1g ·x1

l1. (1)

Abbildung 7: Kraft auf die Pendelmasse m1.

Weiterhin wirkt die Federkraft Ff , die proportional zur Auslenkung (∆x = x2−x1)ist

Ff = k∆x , (2)

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6 Gekoppeltes Pendel

k ist die Federkonstante.

Beachten Sie, dass nicht die Auslenkung aus der Gleichgewichtslage die Federkraftbestimmt, sondern die Differenz der Auslenkungen zwischen Pendel 1 und Pendel2 also ∆x = x2 − x1, also die Dehnung der Feder!

Bis hierher haben wir nur die Betrage der Krafte betrachtet, doch was ist mit ihrenRichtungen? (Sie wissen doch: die Kraft ist ein Vektor und somit nur eindeutigdurch ihren Betrag und ihre Richtung bestimmt.)

Im Gegensatz zur Gravitation (ihr Vorzeichen ist negativ) versucht die Federkraftdie Auslenkung von Pendel 1 zu vergroßern. Daher muss das Vorzeichen der Fe-derkraft entgegengesetzt zur Komponente der Gravitationskraft und somit positivsein (Abb. 8).

Abbildung 8: Federkraft und Gravitationskraftkomponente auf Pendel 1.

Man erhalt fur die Kraft auf das erste Pendel der Masse m1 und der Lange l1

F1 = Fg + Ff = −m1gx1

l1+ k∆x . (3)

Nach dem 2. Newton‘schen Gesetz ist eine Kraft F Ursache fur eine Beschleunigunga und es gilt

−m1gx1

l1+ k∆x = m1a . (4)

Auf das 2. Pendel, mit der Lange l2 und der Masse m2, wirken ebenfalls die Gra-vitation und die Federkraft. Da x2 großer als x1 ist (Abb. 9), versucht in diesem

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Abbildung 9: Federkraft und Gravitationskraftkomponente auf das Pendel 2.

Fall die Federkraft die Auslenkung von Pendel 2 zu verringern. Die Federkraftist daher in diesem Fall negativ.

Fur die Kraft auf das zweite Pendel erhalt man somit:

F2 = Fg + Ff = −m2gx2

l2− k∆x . (5)

Nach dem 2. Newton’schen Gesetz folgt:

−m2gx2

l2− k∆x = m2a . (6)

Lost man die Gleichungen (4) und (6) nach der Beschleunigung auf, erhalt man dieBewegungsgleichungen. Zur Vereinfachung wurden fur die beiden Pendel dieselbenMassen m1 = m2 = m und dieselben Langen l1 = l2 = l gewahlt:

a1 =d2x1

dt2= −ω2

gx1 + ω2f (x2 − x1) (7)

a2 =d2x2

dt2= −ω2

gx2 − ω2f (x2 − x1) . (8)

Außerdem haben wir die Kenntnis genutzt, dass die Eigenfrequenz des reinen

Schwerependels durch ωg =√g/l und die Eigenfrequenz der reinen Federschwin-

gung durch ωf =√k/m gegeben ist.

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8 Gekoppeltes Pendel

Die Herleitung der Losungen der Bewegungsgleichungen ist ziemlich kompliziertund ubersteigt den theoretischen Rahmen der Versuchsanleitung. Wir geben dahernur die Losungen an:

x1 = A sinωgt− C sinωgf t (9)

x2 = A sinωgt+ C sinωgf t , (10)

mit

ωgf =√ω2

g + 2ω2f . (11)

Sie konnen relativ leicht durch Einsetzen uberprufen, dass die Gleichungen (9) und(10) die Differentialgleichungen (7) und (8) losen. (Bitte tun Sie dies!)

Die Bewegung der Pendelmassen wird mit Hilfe der Gleichungen (9) und (10)vollstandig beschrieben. Wir haben zwar einen Speziallfall der Auslenkung derPendelmassen betrachtet, dennoch ist unsere Losung allgemein gultig fur alle denk-baren Auslenkungen der Pendel. Die spezielle Art der Schwingung steckt in denKonstanten A und C, die aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden. Anfangs-bedingungen sind z.B. die Auslenkungen x1, x2 und die Geschwindigkeiten v1, v2

zum Zeitpunkt t = 0.

Im Folgenden wird die Berechnung der Konstanten A,C beschrieben, wobei wirdrei verschiedene Arten der Auslenkung betrachten:

• beide Pendel werden gleichsinnig ausgelenkt,

• die Pendel werden gegensinnig ausgelenkt,

• ein Pendel wird ausgelenkt, das andere ruht.

2.1 Gleichsinniges Schwingen

Betrachten wir zunachst den Fall, dass beide Pendel gleich stark und in gleicherWeise angestoßen werden (Abb. 10). Zum Zeitpunkt t = 0 erhalten beide Pendeldieselbe Anfangsgeschwindigkeit v0.

Was passiert? Da die beiden Pendel in gleicher Weise angestoßen werden, bleibtdie Feder entspannt und hat somit keinen Einfluss auf die Bewegung. Als Ergebnisvollziehen beide Pendel eine harmonische Schwingung mit jeweils gleicher Schwin-gungsdauer Tg bzw. gleicher Kreisfrequenz ωg.

Zur vollstandigen Beschreibung der Bewegung der Pendel differenzieren wir dieGleichungen (9),(10) jeweils nach der Zeit und erhalten allgemeingultige Gleichun-gen fur die Geschwindigkeiten der beiden Pendel.

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Abbildung 10: Beide Pendel werden in gleicher Weise angestoßen.

v1 =dx1

dt= Aωg cosωgt− Cωgf cosωgf t (12)

v2 =dx2

dt= Aωg cosωgt+ Cωgf cosωgf t . (13)

Setzt man fur den Zeitpunkt t = 0 die Bedingungen v1 = v2 = v0 in die beidenGleichungen ein, ergibt sich nach ihrer Addition (bitte nachvollziehen):

2v0 = 2Aωg =⇒ A =v0

ωg

=⇒ C = 0 . (14)

Wir haben somit fur den Spezialfall des gleichsinnigen Schwingens die KonstantenA und C mit Hilfe der Anfangsbedingungen bestimmt.

Fur die Losung der Bewegungsgleichung x(t) erhalt man nach Einsetzen der Kon-stanten A und C in die Gleichungen (7) bzw. (8):

x1(t) = x2(t) =v0

ωg

sinωgt . (15)

Die zeitliche Anderung der Auslenkung beider Pendel ist in Abb. 11. dargestellt.

Beide Pendel schwingen gleichsinnig mit der Frequenz des Schwerependels. Dieelastische Kopplung ist ohne Wirkung.

Das Ergebnis ist sicherlich nicht uberraschend und war Ihnen vielleicht bereits vorder Rechnung anschaulich klar. Betrachten wir im nachsten Abschnitt was passiert,wenn die Pendel entgegengesetzt angestoßen werden.

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10 Gekoppeltes Pendel

Abbildung 11: Die Auslenkungen x(t) der beiden Pendel sind phasengleich.

2.2 Gegensinniges Schwingen

Die beiden Pendel werden zum Zeitpunkt t = 0 wieder gleich stark angestoßen, indiesem Fall aber gegensinnig (Abb. 12). Dem Pendel 1 wird die Anfangsgeschwin-digkeit −v0 dem Pendel 2 die Anfangsgeschwindigkeit +v0 erteilt. Die Betrage derGeschwindigkeiten sollen gleich sein, die Richtungen sind aber entgegengesetzt.

Abbildung 12: Die Pendel werden zur Zeit t = 0 gegensinnig angestoßen.

Es gelten somit die Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t = 0:

v1 = −v0, v2 = +v0 .

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Wir nutzen unsere allgemein gultigen Gleichungen (12), (13) zur Beschreibung derGeschwindigkeiten und setzen die Anfangsbedingungen ein. Man erhalt:

−v0 = Aωg − Cωgf (16)

+v0 = Aωg + Cωgf , (17)

womit man fur die Konstanten A,C nach Addition von Gl. (16) und Gl. (17) erhalt:

A = 0 =⇒ C =v0

ωgf

. (18)

Setzt man diese Werte fur die Konstanten in Gl. (9) und Gl. (10) ein, erhalt manfur die Losungen der Bewegungsgleichungen:

x1 = − v0

ωgf

sinωgf t (19)

x2 =v0

ωgf

sinωgf t . (20)

Die Auslenkungen der beiden Pendel sind nun nicht mehr phasengleich sondernschwingen phasenverschoben (Abb. 13).

Abbildung 13: Die Auslenkungen der beiden Pendel sind phasenverschoben. Sieschwingen gegensinnig.

Die Kreisfrequenz der Schwingung der Pendel setzt sich aus der Frequenz des reinenSchwerependels und der der elastischen Feder zusammen. Sie ist somit großer als

ωg allein (es galt nach Gl. (11): ωgf =√ω2

g + 2ω2f ).

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Die Pendel schwingen wieder mit derselben Amplitude und Frequenz aber in diesemFall gegensinnig.

Im letzten Teil kommen wir zum schwierigsten aber auch zum interessantestenSchwingungsfall: Es wird nur ein Pendel angestoßen, wahrend das zweite in Ruheist. In diesem Fall wird der Schwingungszustand von dem einen Pendel auf dasandere ubertragen, es entsteht eine sogenannte Schwebung.

2.3 Schwebung

Wir betrachten nun den Fall, dass zum Zeitpunkt t = 0 Pendel 2 angestoßen wirdund die Anfangsgeschwindigkeit v0 erhalt, wahrend Pendel 1 in Ruhe bleibt (Abb.14).

Abbildung 14: Zur Zeit t = 0 wird Pendel 2 angestoßen, Pendel 1 ruht.

Die Anfangsbedingungen lauten somit:

v1 = 0, v2 = v0 .

Die Konstanten werden in gleicher Weise berechnet, wie in den vorausgegangenenFallen. Man erhalt:

0 = A · ωg − C · ωgf (21)

v0 = A · ωg + C · ωgf (22)

=⇒ A =v0

2ωg

, C =v0

2ωgf

. (23)

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Zur weiteren Diskussion der Bewegungsgleichung wahlen wir eine Naherung. Wirnehmen an, dass die Kopplung der Pendel schwach ist. Dies bedeutet, dass sich diebeiden Kreisfrequenzen ωg und ωgf nur wenig voneinander unterscheiden. Nahe-rungsweise gilt:

ωgf ≈ ωg, ωgf − ωg � ωgf + ωg . (24)

In diesem Fall sind die Konstanten A und C gleich:

A =v0

2ωg

= C .

Einsetzen der Konstanten in die allgemein gultigen Losungen der Schwingungsglei-chungen fuhrt zu:

x1 =v0

2ωg

(sinωgt− sinωgf t) (25)

x2 =v0

2ωg

(sinωgt+ sinωgf t) . (26)

Durch Anwendung der Additionstheoreme

sinα− sin β = 2 cosα + β

2sin

α− β2

sinα + sin β = 2 sinα + β

2cos

α− β2

,

konnen die Gleichungen (25) und (26) in eine fur die weitere Diskussion ubersicht-lichere Form gebracht werden. Man erhalt:

x1 =v0

ωg

cosωgf + ωg

2t · sin ωg − ωgf

2t (27)

x2 =v0

ωg

sinωgf + ωg

2t · cos

ωg − ωgf

2t . (28)

Da ωgf > ωg ist, andererseits jedoch nur positive Kreisfrequenzen sinnvoll sind,mussen die Gleichungen (27),(28) unter Nutzung von

sin(−α) = − sinα

cos(−α) = + cosα

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14 Gekoppeltes Pendel

umgeformt werden. Man erhalt:

x1 = − v0

ωg

cosωgf + ωg

2t · sin ωgf − ωg

2t (29)

x2 =v0

ωg

sinωgf + ωg

2t · cos

ωgf − ωg

2t . (30)

Aus den Gleichungen (29), (30) ist zu sehen, dass die Bewegung eines jeden Pen-dels aus der Uberlagerung zweier Schwingungen mit unterschiedlichen Frequenzenbesteht.

In Abb. 15 sind die Auslenkungen als Funktion der Zeit der beiden Pendel darge-stellt. Sie sind um 90◦ gegeneinander phasenverschoben.

Abbildung 15: Auslenkungen der Pendel als Funktion der Zeit. Es entsteht eineSchwebung.

Unter der in Gl. (24) gemachten Voraussetzung, dass die Frequenzen sich nur we-nig unterscheiden – wenn namlich die Kopplung schwach ist –, konnen diese uber-lagerten Schwingungen (Koppelschwingungen genannt) als eine Schwingung derFrequenz

ωgf + ωg

2

angesehen werden, deren Amplitude mit der Frequenz

ωgf − ωg

2.

schwankt. Diese Erscheinung wird als Schwebung bezeichnet.

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2.4 Schwingungsdauern beim gekoppelten Pendel

Der Messung zuganglich sind die Schwingungsdauern, d.h. die Perioden der Schwin-gungen. Zwischen Schwingungsdauer und Kreisfrequenz besteht die Beziehung:

T =2π

ω, ω =

T

Zusammenfassend konnen beim gekoppelten Pendel folgende Schwingungsdauernauftreten:

• Schwingungsdauer bei gleichsinninger Schwingung

Tg =2π

ωg

, (31)

• Schwingungsdauer bei gegensinniger Schwingung

Tgf =2π

ωgf

, (32)

• Schwingungsdauer der Koppelschwingung

TK =4π

ωgf + ωg

, (33)

• Schwingungsdauer der Schwebung

Tsch =4π

ωgf − ωg

. (34)

Die Schwingungsdauer der Koppelschwingung und die der Schwebung kann manmit Hilfe der Schwingungsdauern der gleichsinnigen und gegensinnigen Schwingungdarstellen.

Setzt man ωg aus der umgeformten Gl. (31) und ωgf aus der umgeformten Gl.(32) in die Gl. (33) und Gl. (34) ein, erhalt man fur die Schwingungsdauer derKoppelschwingung

Tk = 2Tg · Tgf

Tgf + Tg

. (35)

Fur die Schwingungsdauer der Schwebung erhalt man

Tsch = 2Tg · Tgf

Tg − Tgf

. (36)

Kennt man also die Schwingungsdauer Tg der gleichsinnigen Schwingung, sowie dieSchwingungsdauer Tgf der gegensinnigen Schwingung, kann man die Schwingungs-dauer der Koppelschwingung sowie die der Schwebung berechnen.

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16 Gekoppeltes Pendel

3 Versuchsanordnung

Die Versuchsanordnung besteht aus zwei Schwerependeln, die durch eine Federmiteinander gekoppelt sind und einer Winkelskala. Die beiden Schwerependel -aufgebaut aus einer Pendelstange an der eine Metallmasse befestigt ist - habengleiche Schwingungseigenschaften.

Die Feder ist im Schwerpunkt der Schwerependel angebracht.

Abbildung 16: Versuchsaufbau.

Mit Hilfe der Winkelskala konnen Sie die Auslenkwinkel aus der Gleichgewichtslageuberprufen. Zur Zeitmessung steht Ihnen eine Stoppuhr zur Verfugung.

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4 Versuchsdurchfuhrung

Beachten Sie bei der Durchfuhrung aller Versuchsteile, dass die Auslenkung ausder Ruhelage nicht großer als ≈ 5◦ sein darf, da die abgeleiteten Schwingungsglei-chungen nur fur kleine Auslenkungen gelten.

Wie ublich mussen Sie zu jedem Versuchspunkt eine Fehlerrechnung durchfuhren!

1. Die beiden Pendel werden entkoppelt (Abb. 17) (die Feder wird vorsichtig abge-nommen) und die Schwingungsdauer jedes einzelnen Pendels getrennt aus jeweils10 Schwingungen bestimmt. Die Messungen werden 5-mal wiederholt.

Abbildung 17: Die Pendel sind entkoppelt.

2. Befestigen Sie vorsichtig die Feder wieder an die Pendel. Achten Sie darauf,dass die Federn im Schwerpunkt der Schwerependel angebracht werden. Fragen Siehierzu die Laboringenieurin oder den Laboringenieur. Lenken Sie die Pendel nachder Kopplung gleichsinnig (Abb. 18) aus und bestimmen Sie die Schwingungsdaueraus 10 Schwingungen. Wiederholen Sie die Messung 5-mal.

Abbildung 18: Die Pendel werden gleichsinnig ausgelenkt.

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18 Gekoppeltes Pendel

3. Lenken Sie die Pendel gegensinnig aus (Abb. 19) und messen Sie die Schwin-gungszeit aus 10 Schwingungen. Wiederholen Sie die Messung 5-mal.

Abbildung 19: Die Pendel werden gegensinnig ausgelenkt.

4. Lenken Sie ein Pendel aus, das zweite Pendel bleibt unausgelenkt (Abb. 20),und messen Sie aus 10 Schwingungen die Schwingungszeit der Koppelschwingung.Wiederholen Sie die Messung 5-mal.

Abbildung 20: Ein Pendel wird ausgelenkt, das zweite bleibt in Ruhe.

5. Bestimmen Sie die Schwebungsfrequenz aus 5 Stillstanden eines der beidenPendel. Wiederholen Sie die Messung 10-mal. Starten Sie die Zeitmessung erst,wenn das zweite Pendel bei maximaler Amplitude (das erste Pendel ruht) seinenNulldurchgang hat (Abb. 21) . Sie erhohen damit betrachtlich die Messgenauigkeit.

6. Berechnen Sie die theoretischen Werte fur Tk und Tsch und vergleichen Sie dieWerte mit Ihren Messwerten.

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Abbildung 21: Die Zeitmessung wird erst bei maximaler Amplitude von Pendel 2gestartet (Pendel 1 ruht).