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Genese und Geschichte der Politikwissenschaft in Korea Ihre Entwicklungsgeschichte im Spannungsfeld von konfuzianischer Tradition und amerikanischem Wissenschaftsverständnis Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades rerum politicarum (Dr. rer.Soc.) der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum Vorgelegt von In-Su Kim aus Danyang, Chungcheong-do, Republik of Korea Juni 2010

Genese und Geschichte der Politikwissenschaft in Korea · bestimmt, das Korea bis 1945 beherrschte, der zweite Abschnitt, die Zeit nach dem Korea- krieg seit den 50er Jahren, ist

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  • Genese und Geschichte

    der Politikwissenschaft in Korea

    Ihre Entwicklungsgeschichte im Spannungsfeld

    von konfuzianischer Tradition und amerikanischem Wissenschaftsverstndnis

    Inaugural-Dissertation

    zur

    Erlangung des Doktorgrades rerum politicarum (Dr. rer.Soc.)

    der

    Sozialwissenschaftlichen Fakultt der

    Ruhr-Universitt Bochum

    Vorgelegt von

    In-Su Kim aus Danyang, Chungcheong-do, Republik of Korea

    Juni 2010

  • 1

    Inhaltsverzeichnis

    1. Einleitung .............................................................................................................................. 4

    2. Die Einfhrung des Konfuzianismus in Korea und seine politikwissenschaftliche

    Funktion .................................................................................................................................... 7 2. 1. Die Einfhrung des Konfuzianismus im Zeitalter der drei Knigreiche ....................... 8

    2. 1. 1 Koguryeo (37 v. Chr. - 668 n.Chr.) ............................................................................. 8

    2. 1. 2. Baekje (18 v.Chr. 660 n.Chr.) .................................................................................. 9

    2. 1. 3. Shilla (57 v.Chr. - 935 n.Chr.) Buddhismus und konfuzianische Wissenschaft als

    Mittel politischer Stabilisierung ........................................................................................... 10

    2. 2. Der Konfuzianismus in Koryeo (918-1392) als neue Herrschaftsidee ........................ 11

    2. 2. 1. Geschichtsschreibung als Identittsprinzip ............................................................... 14

    2. 2. 2. Die Verbreitung des Schulwesens in den Provinzen und die Etablierung des

    Staatsexamens als Zugang zum Beamtentum in Koryeo ...................................................... 17

    2. 3. Der Konfuzianismus in Choseon Tendenzen, Parteibildungen, Bildungsinstitute und

    das Staatsexamen als System der Amtseinsetzung .............................................................. 19

    2. 3. 1 Die Verbreitung des Schulwesens in die Provinzen, Etablierung des Systems des

    Staatsexamens als Zugang zum Beamtentum in Choseon und Wissenschaft als Stoff des

    Staatsexamens. ...................................................................................................................... 21

    2. 3. 2 Die Ausformung verschiedener wissenschaftlicher Schulen als politische

    Interessentrger ..................................................................................................................... 22

    2. 3. 3. Konfuzianische Wissenschaft als Reformwissenschaft im 18. Jahrhundert ............. 26

    3. Erste Einfhrung westlicher Politikwissenschaft durch exemplarische Pioniere im

    Zeitraum von 1897-1910 (Daehanjeguk) und whrend der japanischen Kolonialzeit bis

    1945 .......................................................................................................................................... 30 3. 1 Der historische Hintergrund der Epoche Daehanjeguk ................................................. 30

    3.2. Der koreanische PolitikwissenschaftlerYu, Gil-Joon (1856-1914) ............................... 31

    3.2.2 Der Kern der Gedanken Yus ........................................................................................ 33

    3. 3. Der koreanische Politikwissenschaftler Ahn Guk-Seon (1878-1926) ......................... 35

    3.3.1. Lebenslauf und Studiengang ....................................................................................... 35

    3. 3. 2 Aufklrerische Publikationsttigkeit nach seiner Haftentlassung ............................. 38

    3.4 Baek, Nam-Woon (1894-1979) ...................................................................................... 42

    3.4.1 Sein Leben und der Aufbau seiner wissenschaftlichen Welt ....................................... 42

    3.4.2 Sein Geschichtsbewusstsein und seine Systematisierung der koreanischen

    Wirtschaftsgeschichte ........................................................................................................... 44

    4. Die Grndung der ersten westlichen Universitt in Korea ........................................ 49 4. 1 Die Bedeutung und Funktion der Gyeongseong-Kaiserliche Universitt in der

    japanischen Kolonialzeit ...................................................................................................... 49

    4. 2 Der Hintergrund ihrer Grndung ................................................................................... 51

    4. 3. Universittsverstndnis und Bildungserwartungen unter besonderer Bercksichtigung

    der Grndungsbewegung fr Privatuniversitten ................................................................. 56

    4. 4. Die Struktur der Gyeongseong kaiserlichen Universitt .............................................. 60

    4. 5. Ihr Veranstaltungssystem und ihre Forschungsaktivitt .............................................. 64

    4. 6. Der Prozess der koreanischen Elitebildung Zur Psyche der Studierenden und die

    erfolgreiche Durchsetzung ehemaliger Absolventen in der Nachkriegsgesellschaft ........... 67

    5. Die Grndung neuer Universitten und der Konstitutionsprozess universitrer

    Politikwissenschaft nach 1945. .............................................................................................. 72 5. 1. Politikwissenschaft als Internationale Politikwissenschaft und ihre Entwicklung bis

    1969. ..................................................................................................................................... 73

    5. 2. Der Fachbereich Koreanischer Politikprozess - Forschungsstand und Entwicklung

    bis 1969 ................................................................................................................................ 77

  • 2

    5. 3. Politikgeschichte: Entwicklung und Forschungsfelder zwischen 1945 und 1969 ....... 85

    5. 4.Vergleichende Politikwissenschaft: Ihre koreanischer Grundlegung zwischen 1945 und

    1969. ..................................................................................................................................... 92

    5. 5. Tabellarischer Zwischenbericht zur Situation der Politikwissenschaft ...................... 101

    5. 6. Zeitschriften kritischer Intellektueller in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts ........ 106

    5. 6. 1. Sasang-gye .............................................................................................................. 108

    5. 6. 2. Changjak-gwa Bipyeong (Schaffen und Literaturkritik (1966) .............................. 110

    6. Koreanische Politikwissenschaft in den 70er Jahren Die Genese ihrer Selbstreflexion.

    ................................................................................................................................................ 114 6. 1. Kritische Einsichten ber die amerikanische Politikwissenschaft ............................. 114

    6. 2. Die koreanische Politikwissenschaft in den 70er Jahren Ihre Identittsfrage und die

    Kritik westlicher Politiktheorien ........................................................................................ 118

    6. 3. Historische Forschung zu verschiedenen Epochen in den 70er Jahren ...................... 121

    6. 4. Tabellarische Darstellung der Forschungsrelevanz verschiedener Fachbereiche in den

    70er Jahren ......................................................................................................................... 123

    6. 5. Vergleichende Politikwissenschaft in den 70er Jahren .............................................. 124

    6. 6. Ein neuer Fachbereich der 70er Jahre Politikfeldforschung (Policy Studies) ..... 130

    6. 7. Die Verwaltungswissenschaft in den 70er Jahren als verwandte Disziplin der

    Politikwissenschaft ............................................................................................................. 134

    6. 8. Die Politikwissenschaft in den 70er Jahren im Spiegel der Statistik ......................... 137

    6. 9. Bewertungen der Politikwissenschaft durch ihre Studierenden ................................. 139

    7. Politikwissenschaft in den 80er Jahren - Das Problem ihres Selbstbewusstseins ...... 143 7. 1. Das Programm der 80er Jahre Verwissenschaftlichung des Fachs .......................... 147

    7. 2. Selbstreflexion und Politikwahrnehmung in den 80er Jahren .................................... 148

    7. 3. Methodologische Betrachtung der Politikforschung in den 80er Jahren ................... 152

    7. 4. Nationalismusforschung bis in die 80er Jahre ............................................................ 153

    7. 4. 1. Amerikanische Forschungsmethoden, die Korea beeinflussten. ............................ 154

    7. 4. 2. Koreanische Nationalismusforschung .................................................................... 155

    7. 5. Eliteforschung bis in die 80er Jahre ........................................................................... 161

    7. 6. Die Entwicklung der Regionalforschung in den 80er Jahren ..................................... 164

    7. 6. 1. Die USA .................................................................................................................. 165

    7. 6. 2. UdSSR .................................................................................................................... 167

    7. 6. 3. Japan-Forschung ..................................................................................................... 169

    7. 6. 4. Die Dritte Welt ....................................................................................................... 172

    7. 7. Kampagnemige Politikwissenschaft als ein Fachthema der 80er Jahre ................. 174

    7. 8. Sozialstruktur und Selbstverstndnis der Politikwissenschaftler und Entwicklungen in

    den 80er Jahren ................................................................................................................... 177

    8. Politikwissenschaft zwischen 1990 und 2000 ................................................................. 183 8. 1. Ein Streitpunkt der 90er Jahre Forschung zur politischen konomie ..................... 184

    8. 2. 1. Politische konomie und staatliches Sozialsystem ................................................ 186

    8. 2. 2. Die Erforschung politischer konomie aus Perspektive der Demokratisierung .... 190

    8. 3. Europaforschung als Regionalforschung ................................................................... 196

    8. 4. Die aktuelle universitre politikwissenschaftliche Ausbildung unter besonderer

    Bercksichtigung Koreanischer Politiklehre oder hnlicher Veranstaltungen an drei

    Universitten im Jahr 1992 (dem eigentlichen Ende der Militrdiktatur) ......................... 201

    8. 4. 1. Koreanische Politik an der Seoul-National-Universitt ...................................... 202

    8. 4. 2. Lehre des koreanischen Politikprozesses an der Korea-Universitt ................... 203

    8. 4. 3. Geschichte koreanischer Politik und Koreanischer Nationalismus an der

    Yeonse-Universitt ............................................................................................................. 204

    8. 5. Die Universittsreform ............................................................................................... 206

  • 3

    8. 6. Die Analyse des Curriculums des Fachs Politik und Diplomatie an allen

    Landesuniversitten in den 90er Jahrenunter Bercksichtigung universitrer Seminartexte

    ............................................................................................................................................ 210

    8. 6. 1. Universitre Curriculumstendenzen zwischen 1990 und 2000 .............................. 211

    8. 6. 2. Analyse der Einfhrungsveranstaltungen fr Politikwissenschaft als Hauptfach .. 212

    8. 6. 3. Eine Analyse der Konstellation von Lehrveranstaltungen der Politikwissenschaft

    Die aktuelle Universittssituation ....................................................................................... 216

    8. 6. 3. 1. Die Seoul-National-Universitt .......................................................................... 216

    8. 6. 3. 2. Die Korea-Universitt ......................................................................................... 217

    8. 6. 3. 3. Die Yeonse (Yonse)-Universitt ......................................................................... 218

    9. Untersuchung der Wiedervereinigungsfrage ................................................................. 218 9. 1. Friedensforschung und nationale Sicherheit in den 80er Jahren ................................ 218

    9. 2. Forschung zur Mglichkeit eines Regimewechsels im Norden in den 90er Jahren... 223

    9. 3. Die Wiedervereinigungsforschung vom Gesichtspunkt nationaler Sicherheit im 21.

    Jahrhundert ......................................................................................................................... 229

    10. Gegenwrtiger Stand und Entwicklungspotentiale koreanischer Politikwissenschaft

    ................................................................................................................................................ 230

    11. Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 241

  • 4

    1. Einleitung

    In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die Genese der koreanischen Politik-

    wissenschaft zu rekonstruieren. Bevor man mit der Untersuchung einer so langen Zeitperiode beginnt, sollte vorab deutlich

    bestimmt werden, ob eine politische Ideengeschichte oder eine Geschichte der Politikwissen-

    schaft angestrebt wird. Hier ist letzteres intendiert, indem die Genese und Entwicklung der

    koreanischen Politikwissenschaft beschrieben und analysiert wird. Sicherlich wre es auch

    notwendig, zugleich auch eine politische Ideengeschichte zu skizzieren, aber dies allein wre

    nicht hinreichend, um den Entwicklungsprozess der universitren Politikwissenschaft in ei-

    nem Land zu verstehen. Denn gerade die koreanische Entwicklung demonstriert sehr ein-

    drcklich, wie sehr die Politikwissenschaft selbst von den politischen Konstellationen ihrer

    Zeit geprgt wird, wobei dann auch erneut Ideen an Bedeutung gewinnen knnen, die ideen-

    geschichtlich veraltet zu sein scheinen.

    In der vorliegenden Arbeit wird die Entwicklung der theoretischen Konzeptionen bzw. poli-

    tikwissenschaftlichen Schulen in Korea untersucht. Dabei stehen zwei Aspekte im Vorder-

    grund: Erstens der systematische, strukturelle und funktionale Einfluss des traditionellen Kon-

    fuzianismus, der hier als eine Frhform der Politikwissenschaft verstanden wird. Er hat in der

    koreanischen Geschichte einen konservativen Einfluss ausgebt und ist die These sei vorab

    genannt am notwendigen Modernisierungsprozess des Landes gescheitert. Der zweite As-

    pekt, der den Hauptteil dieser Arbeit ausmachen wird, ist die Wissenschaftsgeschichte der

    Politikwissenschaft selbst, deren historischer und methodologischer Entwicklungsprozess

    rekonstruiert werden soll. Es wird sich dabei zeigen dass ihre Neukonstituierung als Wissen-

    schaft im 20. Jahrhundert nur mglich war, indem gezielt auslndische Ideen bernommen

    wurden. Der erste Zeitabschnitt dieser Rezeptionsgeschichte ist durch den Einfluss Japans

    bestimmt, das Korea bis 1945 beherrschte, der zweite Abschnitt, die Zeit nach dem Korea-

    krieg seit den 50er Jahren, ist primr durch die Aufnahme amerikanischer Konzeptionen ge-

    prgt, da deren Wissenschaftsmodelle dominierend waren. Allerdings zeigt die sptere Ent-

    wicklung, dass der einfache unvermittelte Rezeptionsprozess sich spter modifizierte, da man

    versuchte, westliche Konzepte den koreanischen Besonderheiten anzupassen, wobei die kon-

    fuzianische Tradition wiederum eine wichtige Rolle bernahm.

    In der Endphase der Choseon-Dynastie ( Guhanmal bzw. Daehanjeguk ( genannt) zwischen 1897 und 1910 setzt die Grndung der Politikwissenschaft als eigenstn-

    diger Wissenschaft ein. Ihre Konstituierung und Verbreitung geht aber nicht auf staatliche

    Anordnung oder Initiative zurck, sondern wird durch einige Wissenschaftler initiiert. Diese

    gelten bis heute als epochenprgende Pioniere, weshalb die Erforschung dieses Zeitabschnitts

    zum grten Teil durch ihre biographische Darstellung erfolgen muss. Im sich daran an-

    schlieenden Zeitabschnitt der japanischen Okkupation war das wichtigste Ereignis der ko-

    reanischen Wissenschaftsgeschichte die Grndung der ersten modernen Universitt durch die

    Besatzungsmacht. Wenn man ihren Grndungsprozess, ihre Verwaltungsstruktur und ihre

    wissenschaftliche Forschungstendenz analysiert, zeigt sich ihre groe Bedeutung fr die Uni-

    versittspolitik nach der Befreiung, denn sie hat einen Einfluss ausgebt, der sogar bis in die

    Gegenwart reicht.

    Diese Untersuchung ist jedoch nicht nur eine deskriptive Arbeit ber die Geschichte koreani-

    scher Politikwissenschaft, denn sie versucht nicht nur den Prozess zu rekonstruieren, in dem

    sie nach der Befreiung ihre Selbstndigkeit erlangte, sondern auch die Tendenzen ihres Ent-

    wicklungsprozesses aufzuzeigen. Weiterhin interessiert uns die Frage, inwieweit sich in ihr

    nach 1945 Formen der Selbstreflexion ihrer Methodik und Forschungsinteressen gebildet ha-

  • 5

    ben, die zu Selbstkritik fhren knnten. Parallel zur Politikwissenschaft muss immer die Ver-

    waltungswissenschaft betrachtet werden, denn obwohl sie erst durch den Einfluss der USA

    den Status einer universitren Wissenschaft erlangte, ist sie viel strker verbreitet und aner-

    kannter als die Politikwissenschaft, ja ihre Bedeutung ist sogar grer als in Amerika selbst.

    Der Grund ihres Ansehens ist in der eigenartigen politischen Kultur Koreas zu finden, da die

    Brokratiekultur im traditionellen konfuzianischen Einfluss stark verwurzelt ist, der Koreas

    Geschichte mageblich geprgt hat. Somit ist es ihr viel leichter als der Politikwissenschaft

    gefallen, eine gewissermaen einheimische Wissenschaft zu werden, da der Verwaltungsge-

    danke bereits Koreas alte Geschichte dominierend geprgt hat.

    Die angemessene Erklrung, warum die Politikwissenschaft in Korea nicht selbstndig ge-

    worden ist, indem sie nach ihrer Etablierung spezifische Theorieformen und Reflexionsmo-

    delle entwickelt hat, sondern sich permanent an der amerikanischen oder europischen Poli-

    tikwissenschaft orientiert, liegt jedoch nicht in der mangelnden Kompetenz ihrer Vertreter,

    sondern eher darin, dass sie sich unbewusst von dieser Haltung hat beeinflussen lassen. Man-

    che Kritiker fhren dies aber auch auf den Einfluss der japanischen Politikwissenschaft zu-

    rck, die die koreanischen Anfnge geprgt hat. Dies hat zu dem Phnomen gefhrt, das bis

    heute in den meisten Fachbchern zu sehen ist, nmlich dass die Politikwissenschaftler ei-

    gentlich nur einer einzigen Forschungsmethode folgen, nmlich der geschichtlich-

    deskriptiven Methode.

    Zwar sind in der letzten Zeit immer sehr schnell neue wissenschaftliche Methoden unkritisch

    aufgenommen worden, aber man muss schlielich feststellen, dass trotz alledem forschungs-

    mig leider fast immer noch die alte Position vertreten wird, die ich als eine brokratische

    Haltung charakterisieren mchte. Dass sie diese Selbstbeschrnkung tendenziell berwinden

    knnte, aber trotzdem immer wieder beim alten Ansatz bleibt oder in ihn zurckfllt, scheint

    ein typisches Merkmal koreanischer Politikwissenschaft zu sein. Die konfuzianische Tradition

    dominiert unbewusst den Rezeptionsprozess neuer Theorien und offenbart oft genug im Hinb-

    lick auf die wissenschaftliche Methodik Unzulnglichkeiten, da ihr die Bereitschaft fehlt, sich

    auf Vernderungen einzulassen. Ihre Traditionsorientiertheit scheitert an der Dynamik der

    Moderne. Der negative, verfestigende Charakter dieser Tradition ist sowohl in Brokratie,

    Politik und Politikwissenschaft, als auch in der Gesellschaftsstruktur ziemlich zh verwurzelt.

    Koreanische Politiker sind daher oft nicht als Politiker zu charakterisieren, die Reformen in-

    tendieren oder dazu bereit sind, sondern eher als Brokraten, die Strukturen konservieren wol-

    len. Allerdings ist die koreanische Gesellschaft zugleich einem rapiden Modernisierungspro-

    zess unterworfen, aber dessen Antriebskraft entstammt der Logik der konomie, whrend die

    Politik hingegen eine Steuerungsfunktion durchzusetzen versucht, die aber vor allem darauf

    zielt, traditionelle politische Strukturen zu konservieren.

    Auch die universitre Politikwissenschaft an sich ist bislang vor allem brokratisch veran-

    lagt. Bislang wurde diese Tendenz von Kritikern fast immer nur negativ bewertet, nicht aber

    als produktiv verstanden. Aber sie muss nicht nur unbedingt nur negativ verstanden werden,

    sondern gerade in dieser Tendenz knnte man vielleicht die Zukunft der Politikwissenschaft

    in Korea sehen. Aber dies setzte voraus, dass die unbewusste Prgung sich in einen bewussten

    Umgang mit der eigenen Tradition verwandelt. Der Kern der Problematik ist die Frage, ob die

    westliche Politikwissenschaft, einheimisch fundiert werden kann bzw. ob die koreanische

    Politikwissenschaft eine eigene Identitt im Prozess ihrer Verselbstndigung verwirklichen

    knnte. In diesem Sinne knnte ein zwei Sulenmodell - Verwaltungswissenschaft und Wis-

    senschaft der politischen Theorien und Systeme - das Zukunftsmodell koreanischer Politik-

    wissenschaft sein. Hier wird auch der Grund der Notwendigkeit klar, warum die These Bleeks,

  • 6

    Politikwissenschaft als Sozialwissenschaft betont werden soll.1 Denn eine Politikwissen-

    schaft, die auf einer Weltanschauung beruht, die den Zusammenhang zur realen Gesellschaft

    aus dem Auge verliert, verfllt sehr wahrscheinlich einem verengten verwaltungswissen-

    schaftlichen Politikverstndnis. Hauptaufgabenbereiche der Politikwissenschaft in Korea als

    sozialwissenschaftliche Politikwissenschaft wren institutionelle Stabilitt, parlamentarische

    Demokratie, Sozial- und Wirtschaftspolitik, regionale Selbstverwaltung und Kommunalpoli-

    tik. Dabei mssen kritisch-statistische mit empirisch-analytischen Methoden verknpft wer-

    den, um den zu hufig rein deskriptiven bisherigen Ansatz zu berwinden. Vor allem aber

    muss sie auch angemessener auf die Frage der Wiedervereinigung eingehen und eigene Vor-

    schlge hierzu unterbreiten. Gerade dies ist der Punkt, an dem deutlich wird, dass Politikwis-

    senschaft nicht nur deskriptiv und analytisch, sondern auch konstruktiv wirken kann.

    Der Versuch, die Genese der koreanischen Politikwissenschaft zu rekonstruieren, soll sich in

    drei Schritten vollziehen:

    Im ersten groen Abschnitt wird die Einfhrung des ursprnglichen Konfuzianismus und

    Neokonfuzianismus nach Korea beschrieben, der damals auch als Politikwissenschaft fungier-

    te.

    Anschlieend wird in einem zweiten Abschnitt die Zeit seit dem Ende des 19. Jahrhunderts

    thematisch. Diese Epoche ist geprgt vom Niedergang des Staates, da der Konfuzianismus an

    der Moderne scheiterte. Daraufhin kam es zu vereinzelten Versuchen, westliche Politiktheo-

    rien zu rezipieren, um eine erfolgreiche Modernisierung nach japanischem Vorbild zu initiie-

    ren. Doch Japan okkupierte Korea und beherrschte es bis 1945. In dieser Zeit kam es aller-

    dings auch zur Grndung der ersten westlichen Universitt, wodurch indirekt auch die Poli-

    tikwissenschaft nun universitr wurde, da sie zuvor fast nur in Publikationen freier Autoren

    existierte. Die Universittsgrndung muss ausfhrlich untersucht werden, da sie auch als Mo-

    dell fr die Universittspolitik der Nachkriegszeit diente.

    Im dritten Abschnitt wird dann die Geschichte der universitren Politikwissenschaft analy-

    siert, die damit eigentlich erst 1945 beginnt. Die Untersuchung ihrer Entwicklungstendenz bis

    zur Gegenwart erfolgt hauptschlich durch die Analyse ihrer Organisationsstruktur und der

    Vorlesungsverzeichnisse. Auerdem gilt unsere Aufmerksamkeit den verschiedenen Zeit-

    schriften der wissenschaftlichen Institute und Gesellschaften sowie den Verffentlichungen

    der Politikwissenschaftler selbst. Herausgearbeitet werden auch Vernderungen der For-

    schungsbereiche und Forschungsmethoden. Auerdem wird der Versuch unternommen, eine

    Identittsanalyse der Politikwissenschaft vorzulegen, die auf Untersuchungen ber Dozenten

    und Studierende des Faches basiert.

    Untersuchungsmethodologisch werden geschichtlich-deskriptive, empirisch-analytische und

    kritisch-statistische Methoden angewendet, aber teilweise wird auch die behavioristische Me-

    thodologie einbezogen, indem das Verhalten der koreanischen Wissenschaftler und Studenten

    in Erwgung eingezogen werden.

    1 Wilhelm Bleek, Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland, Mnchen 2001, S. 376.

  • 7

    2. Die Einfhrung des Konfuzianismus in Korea und seine poli-

    tikwissenschaftliche Funktion2

    Der Konfuzianismus wird im Allgemeinen als eine Lehre oder Bildungsidee verstanden, die

    von Konfuzius (: 551-479 v. Chr.) in Lehrform zusammengefasst wurde. In seinem Zent-

    rum steht der Begriff des Himmels und wahrhaftige Menschlichkeit (: Ren = Humanitt, Wohlwollen), die vom Menschen selbst verwirklicht werden kann und soll. Die in jedem In-

    dividuum angelegte Humanitt ist sein programmatisches Axiom. Der Weg (: Do), der die

    Menschen dazu fhrt, sind die Tugend (: D) und Regeln der Lebensfhrung, die streng

    eingehalten werden sollen. Der Einbung der Tugenden und Regeln dient das Ritual (: Li). Der Konfuzianismus ist darum eigentlich keine Religion, und er zielt deshalb gerade nicht auf

    Erleuchtung oder gar Erlsung, sondern es wird ein inneres Gleichgewicht und Aufrichtigkeit

    angestrebt, was durch die Bewegung nach innen verwirklicht wird. Jedermann, also vom

    Herrscher bis zum einfachen Bauern, kann an der Vervollkommnung seiner eigenen Tugend

    arbeiten. Aber der Herrscher soll besonders eifrig sein, den Weg zu erkennen, um idealerwei-

    se sein Volk auf Grundlage dieser Moralprinzipien zu regieren. Alle Regeln zielen darauf, den

    Herrscher zu einem moralischen und edlen Verhalten zu verpflichten, denn er soll sein Volk

    gewaltlos und tugendhaft leiten, so dass jeder an seinem persnlichen Ort das angemessene

    Tugendhafte verwirklichen kann. Aus diesem universellen Prinzip einer hierarchischen, stati-

    schen und somit stabilen Ordnung werden fnf sittliche Grundpflichten abgeleitet. Es gilt bis

    auf eine Ausnahme das Unterordnungsprinzip innerhalb der Fnf Beziehungen: Herrscher-

    Untertan, Vater-Sohn, Ehemann-Ehefrau, lterer Bruder-jngerer Bruder, Freund-Freund. Die

    ersten vier Beziehungen sind immer durch den Hierachiegedanken geprgt, einzig die Bezie-

    hung zwischen Freunden kann frei von Unterordnung sein. Die Beachtung dieser Regeln

    sttzt - ja garantiert - die dauerhafte Ordnung der Diesseitigkeit.

    Die Kultur und Geschichte vor der Zeit des Konfuzius und die urkonfuzianischen Vorstellun-

    gen seiner Zeit sind in vier Bchern und fnf weiteren Texten verschiedener Denker tradiert

    worden, die entweder Konfuzius oder seine Schler verfasst oder zusammengestellt haben

    sollen. Als konfuzianische Lehrmaterialien oder Grundtexte bezeichnet man die Vier Bcher

    und fnf Klassiker (). Erstens nmlich die Lehrgesprche von Konfuzius (: Ln Y), das dessen Analekten enthlt, die von seinen Schlern aufgeschrieben wurden, zweitens

    das Buch Mencius(), das Mencius(372-289 v.Chr.) verfasst hat, drittens Groes Lernen

    (: D Xu), das ursprnglich das 42. Buch des Buchklassikers Rites (: L J) bildete,

    aber spter separat ediert wurde, und viertens Lehre der Mitte (: Zhng Yng), verfasst

    von Zi Si (), dem Enkel des Konfuzius.

    Die fnf heiligen Schriften heien Klassiker der Poesie, Buch der Lieder oder Oden (: Sh Jng). Sie bestehen aus einer Gedichtsammlung aus der chinesischen Urzeit, die Konfu-

    zius zusammengestellt hat. Klassiker der Geschichte (: Sh Jng), ein Aktensammelband

    aus der mystischen Urzeit der Kaiser Yao (: 2357 v. Chr.) und Shun (: 2255 v. Chr.)

    aus dem Zeitalter der Kaiserreiche Xia(: 2231-1766 v. Chr.), Shang (spter auch Yin) (/:

    1766-1123 v. Chr.), die er zusammenfasste. Das Buch der Wandlung (: Zhu Y bzw.

    : Y Jng) kommentiert von Konfuzius. Frhling und Herbst-Annalen (: Chn Qi),

    in dem er die Geschichte seiner Zeit und die seines Geburtslandes Lu () beschrieb und

    schlielich das Buch der Riten (: L J).

    2 Vgl. Hwang, Eui-Dong, Hanguk-eui Yuhaksasang (Die konfuzianische Idee in Korea) Seoul 1995.

    http://www.worldlingo.com/ma/enwiki/de/Zisihttp://www.worldlingo.com/ma/enwiki/de/Yao_(ruler)
  • 8

    2. 1. Die Einfhrung des Konfuzianismus im Zeitalter der drei Knigreiche

    Es ist nicht genau bekannt, wann genau der Konfuzianismus in Korea eingefhrt und hei-

    misch wurde. Es gibt einige unterschiedliche Datierungsversuche, nmlich einerseits die The-

    se von Jang, Ji-Yeon, dass er durch Gija nach Korea gelangte (Gija-dongraeseol) und anderer-

    seits die These von Lee, Byeong-Do, der das Zeitalter der Jin-Han Dynastie annimmt. Hinge-

    gen vermutet Choi, Nam-Seon, dass er erst zur Zeit der drei Knigreiche eingefhrt wurde,

    aber Kim, Chung-Ryeol, behauptet, dass der Konfuzianismus im 4. Jahrhundert durch den

    regelmigen Austausch und die Kontakte mit der chinesischen Yeon-Dynastie nach Korea

    gelangte. Es ist aber allgemein anerkannt, dass es bereits vor der Periode der drei Knigreiche

    (Koguryeo, Baekje und Shilla) konfuzianische Rituale im Kontext des Ahnenkults gegeben

    hat.

    2. 1. 1 Koguryeo (37 v. Chr. - 668 n.Chr.)

    Das Knigreich Koguryeo ist wegen seiner nrdlichen geographischen Lage sicherlich zuerst

    vom chinesischen Konfuzianismus beeinflusst worden. Sein 17. Knig, Sosurim (371-384)

    grndete bereits 372 eine konfuzianische Hochschule namens Taehak ().3 Ihre berlie-ferten Archivbestnde lassen erkennen, dass es schon damals ein Bildungssystem mit Doktor-

    grad gab, denn der sogenannte Doktor von Taehak, Lee, Mun-Jin soll whrend der Herrschaft

    des Knigs Yeongyang (590-618) im Jahr 600 eine neue fnfbndige Textsammlung des

    Konfuzianismus erstellt haben.4 Taehak war ein staatliches Bildungsinstitut fr die Kinder

    adeliger Familien und gab den Ansto zur Grndung weiterer Institute. Es folgte die Einrich-

    tung von Privatschulen (Gyeong-Dang) in den Provinzen, die sich aber auch an den konfuzia-

    nischen Klassikern orientierten, gelehrt wurde Literatur und Kriegskunst. Diese Privatschulen

    bildeten ebenfalls die Kinder der Aristokratie bzw. aus dem hheren Brgerstand aus. Sie

    erhielten Unterricht im klassischen Chinesisch, und konfuzianische Lehrbcher ber Poetik

    prgten z.B. den Literaturunterricht.

    Die Inschrift auf dem Gedenkstein fr Gwanggaetodaewang, dem 19. Knig Koguryeos

    Gwanggaeto der Groe (Regentschaft: 391-413), lsst erkennen, dass die Idee des Konfuzia-

    nismus zwar noch keine institutionalisierte Form gewonnen hatte, aber sich dennoch schon als

    Herrschaftsidee durchzusetzen begann. Das Monument wurde von seinem Sohn und Nachfol-

    ger Knig Jangsu (Regentschaft: 413-491) im Jahr 414 errichtet, um die groe Leistung seines

    Vaters ehren. Er ist das lteste steinerne Dokument Koreas, das noch heute existiert, und es

    umfasst 42 Zeilen mit insgesamt 1722 Schriftzeichen. Es lobt die Leistungen des Knigs und

    erzhlt die Grndungslegende des Koguryeo-Reichs. berliefert wurde aber auch die Herr-

    schaftsphilosophie des Grndungsknigs Dongmyeong (Regentschaft: 37 v.Chr.-19 n Chr.),

    der auch als Jumong bezeichnet wird. Besonders eindrcklich wird der Moment seines Todes

    3 Vgl. Samguksagi (: Geschichte der Drei Reiche) 18. Buch ( 18), Hauptteil Koguryeo-Reich, 6.

    Unterteil, Sosurimwang - 2. Jahr - jo () (Kapitel Knig Sosurim). Das Geschichtsbuch Samguksagi wurde im Jahr 1145 im Reich Koryeo auf Befehl des Knigs Injong in seinem 23. Regierungsjahr von Kim, Bu-Shik

    und elf weiteren Wissenschaftlern verfasst. Es besteht aus insgesamt 50 Bchern, die sich in vier Bereiche glie-

    dern: Bongi, das die Geschichte der drei Reiche von Shilla, Koguryeo und Baekje beschreibt, Yeonpyo, das die

    Regierungszeit aller Knige bersichtlich ordnet, Jabji, in dem die Institutionen beschrieben werden, und Yeol-

    jeon, das die Biographien wichtiger Personen bietet. Es ist eins der ltesten Geschichtsbcher Koreas, das ber-

    liefert worden ist. 4 Vgl. Samguksagi, 20. Buch ( 20), Hauptteil Koguryeo-Reich, 8. Unterteil, Yeongyangwang -jo ()

    (Kapitel Knig Yeongyang).

  • 9

    und sein Vermchtnis geschildert, da der Knig nach 18 jhriger Herrschaft dem Kronprinzen

    Yuri (Regentschaft: 19 v. Chr.- 18 n. Chr.), dem 2. Knig Koguryeos befahl, dass Do ()

    sein Herrschaftsprinzip sein solle. Es gibt im Buch Sh Jng(), einem der fnf heiligen konfuzianischen Lehrbcher, die gleiche Form eines letzten Wunsches eines Knigs auf dem

    Totenbett. Dies deutet darauf hin, dass Do als Grundprinzip der Politik bereits aufgenommen

    worden war. Doch der Begriff besitzt allerdings nicht nur eine konfuzianische Bedeutung,

    sondern bezeichnet auch die traditionelle Idee des alten gttlichen Prinzips, als das Volk den

    Himmel vergtterte, um sein Lebensprinzip aus ihm herzuleiten, weshalb dies kein zwingen-

    der Beweis fr den frhen Einfluss des Konfuzianismus ist, sondern lediglich ein Indiz dar-

    stellt.5

    2. 1. 2. Baekje (18 v.Chr. 660 n.Chr.)

    Das Reich Baekje - so dessen Tradition - wurde durch denselben Stamm wie Koguryeo ge-

    grndet, denn ein Teil seiner Bevlkerung wanderte mit zwei Prinzen nach Sden und siedelte

    sich in der Nhe der heutigen Hauptstadt Seoul an. Man fhrte hier die chinesische Schrift

    zum Studium der konfuzianischen Originaltexte ein, und der Konfuzianismus wurde unter der

    heimischen Bevlkerung verbreitet. In Baekje lsst sich bereits an verschiedenen Phnome-

    nen des Alltagslebens der Einfluss des Konfuzianismus erkennen. Z. B. gab es fr den neuen

    Knig eine Krnungszeremonie vor dem Ahnentempel des mythischen Knigs Dongmyeong,

    dem Begrnder von Koguryeo,6 was die Idee der Ahnenverehrung aufgriff. Aber die konfu-

    zianische Tradition konnte man in Baekje berall in der Alltagssitte und ordnung finden, und

    besonders stark ist das Gesetzesverstndnis von ihm geprgt. Zudem zeigt sich ihr Einfluss im

    Verwaltungsaufbau, denn die Verwaltungsbezirke weisen eine Fnfereinteilung auf, und diese

    prgt sogar die militrische Organisation. In Baekje war die Umgebung der Hauptstadt am

    Han-Fluss in fnf Verwaltungsbezirke namens Bu () gegliedert, die wiederum jeweils in

    fnf Unterbezirke, Hang () genannt, unterteilt waren. Auch die Provinzen waren in fnf

    Regionen gegliedert, Bang ()-Einheiten je nach Himmelsrichtung also Ost, West, Sd und Nord und um die Fnfzahl zu erreichen gab es noch die Mitte.

    7

    Es gab in Baekje auch die Bezeichnung Doktor im Zusammenhang mit dem Konfuzianismus8

    und die Geschichtsschreibung berichtet gar von fnf verschiedenen Doktoren, denn es gab

    Doktoren fr Sh Jng (), Sh Jng (), Y Jng (), L J () und

    Chn Qi (), also fr jedes konfuzianische Lehrbuch.9 Doktor war wohl eine Rang- oder Amtsbezeichnung der Beamten, die fr den Bildungsbereich zustndig waren und aner-

    kannte Experten waren. Es gab zudem zwei verschiedene Doktorgruppen, nmlich einerseits

    Doktoren fr die fnf konfuzianischen Lehrbcher und andererseits Doktoren fr spezielle

    Wissensgebiete, z. B. Medizin (), Orakel () und Kalender (). Insgesamt bildeten sie die Gruppe, die die Geschichtsbcher von Koguryeo, Baekje und Shilla verfassten.

    10 Aufgrund

    der Geschichtsschreibung vermutet man, dass die Institution des Doktorats in Baekje bereits

    in der letzten Hlfte des 4. Jahrhunderts whrend der Regierungszeit des 13. Knigs Geun-

    5 Vgl. Yu, Seung-Guk, a.a.O.

    6 Vgl. Geschichte der Drei Reiche, 23. Buch ( 23), Hauptteil Baekje-Reich (), 1. Unterteil, Knig

    Daru () (28-77 n. Chr.). 7 Vgl. Lee, Gi-Baek, Hanguksa Shinron (Neue Theorie koreanischer Geschichte), Verlag Iljogak, Seoul 1979.

    8 Vgl. Geschichte der drei Reiche, 24. Buch ( 24), Hauptteil Baekje-Reich (), 2. Unterteil, Knig

    Geunchogo (346-375) 30. Jahr. 9 Vgl. Geschichte der drei Reiche, 26. Buch ( 26), Hauptteil Baekje-Reich (), 4. Unterteil, Knig

    Seong (523-554) 19. Jahr. 10

    Im Reich Baekje wurde 375 das Geschichtsbuch Seo-gi () geschrieben.

    http://www.worldlingo.com/ma/enwiki/de/Taoism
  • 10

    chogo (346-375) bestand und die Doktoren der fnf konfuzianischen heiligen Lehrbcher

    () sind ab der ersten Hlfte des 6. Jahrhunderts nachweisbar. Die Bezeichnung Dok-tor fr konfuzianische Lehrer ist seit dem 25. Knig Muryeong (Regentschaft: 501-523) zu

    finden und Doktoren fr spezifische Gebiete () seit dem 26. Knig Seong (Regent-schaft: 523-524).

    11

    2. 1. 3. Shilla (57 v.Chr. - 935 n.Chr.) Buddhismus und konfuzianische Wissen-

    schaft als Mittel politischer Stabilisierung

    In der Ideenwelt von Shilla herrschten hnlich wie in Koguryeo oder Baekje Konfuzianismus,

    Buddhismus, Taoismus und die traditionelle Idee des alten gttlichen Prinzips (: Gos-hindo) zugleich. Dabei spielte der Konfuzianismus jedoch die Hauptrolle fr die politische

    Bildung.

    In Shilla ernannten die Oberhupter der sechs Stmme einen exemplarisch Tugendhaften zum

    ersten Knig, nmlich Park Hyeokgeose (Regentschaft: 57 v. Chr. - 4 n. Chr.). Als wichtigste

    Voraussetzung fr die Ausbung des Herrschaftsamts galt vor allem die persnliche Tugend

    des Amtsinhabers und wichtige staatliche Entscheidungen wurden erst nach Diskussionen

    unter den Verantwortlichen getroffen. Es gab eine hchste staatliche Entscheidungsinstanz

    namens Hwabaek (), deren Entscheidungen in absoluter Einstimmigkeit fallen mussten. Ihre Beschreibung zeigt uns die wichtige Rolle und das hohe Gewicht des Konfuzianismus in

    Politik und Verwaltung Shillas, denn berliefert wird, dass der Knig und seine Ratgeber -

    einander konfuzianische Lehrbcher zitierend - Ratschlge austauschten.12

    Unter der Herrschaft des 22. Knigs Jijeung (Regentschaft: 500-514) und des 23. Knigs Be-

    opheung (Regentschaft: 514-540) wurde ein neues Beamtensystem nach chinesischem Vor-

    bild eingefhrt, weshalb nun von einer institutionellen Verbreitung des Konfuzianismus keine

    Rede mehr sein konnte, denn insgesamt gab es nur noch wenige eigenstndige konfuzianische

    Organisationen und Institute, aber dennoch bewahrte sich sein Einfluss auf Moral und Denken,

    sowie Literatur und Kunst in Shilla.

    Hingegen breitete sich im spteren Reich Vereinigtes Shilla (676- 935) die konfuzianische

    Kultur verstrkt aus. Der 31. Knig Shinmun (Regentschaft: 681-691) grndete bereits in sei-

    nem zweiten Regierungsjahr die Schule Gukhak (), eine staatliche Akademie nach chinesisch-konfuzianischem Vorbild zur Erziehung der aristokratischen Jugend.

    13 Sie wurde

    im 18. Regierungsjahr des Knig Gyeongdeok(Regentschaft: 742-765) in Taehakgam um-

    benannt, doch die Ausbildung basierte weiterhin auf den Lehrbchern der konfuzianischen

    Klassik.14

    In allen drei Reichen - Koguryeo, Baekje und Shilla - wurden Konfuzianismus, Buddhismus

    und Taoismus als auslndische Ideen rezipiert, aber besonders dem Konfuzianismus gelang es,

    die Bereiche von Politik, Bildung und Moral stark zu prgen, da seine Weltoffenheit und

    Weltbejahung ihn dazu disponierten.

    11

    Vgl. Geschichte der Drei Reiche, 3. Buch ( 23), Hauptteil Baekje-Reich, 1. Unterteil, Knig Seong. 12

    Geschichte der Drei Reiche, 45. Buch ( 45), Yeoljeon (Teil der Biographie), 5. Heft. 13

    Vgl. a.a.O., 8. Buch ( 8), Hauptteil Shilla, 8. Unterteil, Knig Shinmun. 14

    Vgl. a.a.O., 38. Buch, (Ji), (Jikgwan); A.a.O., 10. Buch ( 10), Hauptteil Shilla, 10. Unterteil, K-nig Wonseong (785-798).

  • 11

    2. 2. Der Konfuzianismus in Koryeo (918-1392) als neue Herrschaftsidee

    Die Staatsgrndung des Reichs Koryeo (918-1392) geht auf dessen ersten Knig Taejo Wang,

    Geon (, Regentschaft: 918-943) zurck, der sofort eine Neuordnung der Verwaltung ein-fhrte, indem er das Land in Bezirke gliederte Im Jahr 983 verwirklichte der 6. Knig Seong-

    jong (Regentschaft: 981-997) eine Reform des Verwaltungssystems, die 995 durch eine weite-

    re ergnzt wurde. Im Jahr 1018, dem neunten Regierungsjahr des Knigs Hyeonjong wurden

    die Verwaltungsbezirke abermals neu geordnet, und unter den Knigen Yejong und Injong

    fanden sie ihre endgltige Form. Die Einzelheiten der Einteilung sind fr unser Thema nicht

    sonderlich wichtig, Relevanz besitzen diese Reformen nur als Indizien fr das Bestehen eines

    komplexen Verwaltungsapparats, der wiederum ein Bildungssystem zur Ausbildung der Be-

    amtenschaft voraussetzt. Fr die Verwaltung der Bezirke waren die drei Seong zustndig (: Jungseoseong, Munhaseong, Sangseoseong), die in etwa der modernen dreifachen Gewalten-

    teilung zwischen Legislative, Judikative und Exekutive entsprechen. Daneben gab es die In-

    stitution der 6 Bu (), die heutigen Ministerien entsprechen. Im Reich Koryeo war der Buddhismus als Staatsreligion die strkste geistige religise Kraft

    und seine Mnche hatten wichtige Positionen im Staat und seiner Verwaltung inne. Aber der

    Konfuzianismus erlangte dennoch immer strkere Bedeutung als gemeinsam akzeptierte und

    allgemein verbreitete Moral in der Gesellschaft, und auch dem Knigshaus diente er zur Legi-

    timation seiner Macht. Die Besonderheit Koryeos war, dass Konfuzianismus, Buddhismus,

    Taoismus und die traditionelle Idee des alten gttlichen Prinzips miteinander harmonierten,

    und es keine Konflikte zwischen ihnen gab, stattdessen kam es sogar zum wechselseitigen

    Austausch. 15

    Dies kann man dem Epitaph Hyeonhwasabimun des Tempels Hyeonhwa-sa

    () entnehmen, die von Chae, Chung-Sun16 zur Zeit des Knigs Hyeonjong (Re-gentschaft: 1009-1031) verfasst worden sein soll. Das buddhistische Gesetz hat das Ziel, das

    Herz zu reinigen und es zum Glck zu fhren, whrend sich der Konfuzianismus darum be-

    mht, der Politik und Erziehung der Gesellschaft zu dienen. Eine individuelle und eine gesell-

    schaftliche Perspektive ergnzen sich so harmonisch.

    Zur Periodisierung des Konfuzianismus in Koryeo gibt es zwei verschiedene Positionen:

    Kim, Chung-Ryeol setzt vier Phasen an, nmlich Einfhrung, Ausformung, Entfaltung und

    Rckgang bzw. Zerfall.

    1. Die erste Periode umfasst den Zeitraum der letzten Phase des vereinigten Shilla-Reichs und den Anfang der Koryeo-Dynastie (910-980), eine Zeit, in der sich der

    Konfuzianismus als Verwaltungswissenschaft durchzusetzen begann.

    2. Die zweite Periode, die der Ausformung, liegt zwischen 980 und 1070, d. h. sie be-ginnt mit dem 6. Knigs Seongjong und reicht bis zum Tod des groen konfuziani-

    schen Wissenschaftlers Choi, Chung (984-1068).17

    Er wurde in der Zeit des Knigs

    Seongjong geboren, wurde unter dem 7. Knigs Mokjong (Regentschaft: 997-1009)

    Zivilbeamter und diente bis zum 11. Knig Munjong (Regentschaft: 1046-1083) dem

    Staat. Auf kniglichen Befehl verfasste er eine Dynastiegeschichte und grndete ers-

    tmals eine Privatakademie. In dieser Zeit wurde die Staatsordnung endgltig festgelegt,

    sie sollte der konfuzianischen Wissenschaft entsprechen, wobei das chinesische

    Staatssystem als Vorbild diente. Zugleich entstanden staatliche Bildungsinstitutionen

    15

    Vgl. Yu, Seung-Gu, Koreanischer Konfuzianismus, hrsg. von der Gedchtnisgesellschaft des Knigs Sejong

    des Groen, 1980, S. 141. 16

    Chae, Chung-Sun (?-1032) soll im Jahr 1022 den Epitaph des Tempels Hyeonhwasa verfasst haben. 17

    Choi, Chung (984-1068).

  • 12

    und durch private Bildungsinstitute bzw. Privatakademien setzte sich die konfuziani-

    sche Bildung auch in der ganzen Gesellschaft durch.

    3. Die Entfaltungsphase dauert von 1070-1170, ihr Beginn wird mit dem Tod von Choi, Chung angesetzt, ihr Ende bildet der Militrputsch von Jeong, Jung-Bu. In dieser Pha-

    se beherrschte der Konfuzianismus die staatliche Ausbildung, und es kam zur Heraus-

    gabe von Literatursammlungen, da die Lektre konfuzianischer Schriften fr Gebilde-

    te obligatorisch war. Allerdings ist das Ende dieser Phase durch eine dogmatische Ers-

    tarrung der Lehren zu charakterisieren.

    4. Die Rckgangsperiode dauerte von 1170-1270, also vom Militrputsch bis zum end-gltigen Reichszerfall. Die Epoche ist von militrischer Gewalt geprgt, und das Ein-

    dringen der Mongolen schwchte die Staatsmacht endgltig. Die konfuzianischen

    Wissenschaftler wichen aber der Realitt aus, denn sie interessierten sich primr fr

    Poesie und chinesische Literatur. Daher hatten diese Bereiche damals ihre Bltezeit

    sie bildeten eine Rckzugsmglichkeit, um dem unsicheren Gesellschaftszustand zu

    entgehen oder um vor ihm zu flchten.18

    Yu, Seung-Guk gliedert den Konfuzianismus in Koryeo in lediglich zwei Phasen, wobei die

    Einfhrung des Neo-Konfuzianismus von Zhu Xi (: 1130-1200) sein Kriterium bildet, um zwischen Anfangs- und Sptphase zu unterscheiden.

    19 Die Anfangsphase umfasst die Zeit

    vom ersten Knig Taejo (Regentschaft: 918-943) bis zum 24. Knig Wongjong (Regent-

    schaft: 1259-1274); die Sptphase umfasst die Zeit vom 25. Knig Chungoyeol (Regent-

    schaft: 1274-1308) bis zum Ende des Koryeo-Reichs im Jahr 1389.

    Der Verfall des vereinigten Shilla, die Entstehung der drei bergangsreiche und die erneute

    Vereinigung durch das Reich Koryeo kann als ein historischer Prozess verstanden werden, in

    dem die altertmliche Feudalordnung einer adeligen Standesgesellschaft berwunden wird, da

    sich eine Zentralmacht durchsetzte, deren Herrschaft sich als brokratische Verwaltung durch

    Experten vollzieht. Das vereinigte Koryeos hatte zwei zentrale Aufgaben, nmlich die Wie-

    derherstellung der Wirtschaftskraft und das Brechen der lokalen Adelsmacht in den Provinzen.

    Die verarmten Bauern mussten befriedet werden, um erneute Aufstnde, die die Endphase des

    vereinigten Shilla erschttert hatten, zu vermeiden. Deshalb wurde das Steuersystem refor-

    miert und die Korruption bekmpft. Die Adelsfamilien, die durch den Niedergang der alten

    Knigsmacht und die so entstandene Ordnungslosigkeit zu lokalen Provinzherren aufgestie-

    gen waren, mussten entmachtet werden, indem sie erneut in den staatlichen Machtapparat

    integriert wurden. Das Herrschaftssystem bentigte vor allem die Grundlegung eines neuen

    Verhltnisses zwischen Knig und Untertan, wofr der Konfuzianismus die systematische

    Basis und das ntige Prinzip lieferte.

    Die konfuzianischen Leitideen des Koryeo-Reichs sind in zwei exemplarischen Texten nie-

    dergelegt, ihre autoritative Geltung zeigt sich darin, dass sie entweder dem Knig direkt zuge-

    schrieben wurden oder auf seine Umgebung zurckgehen. Der erste stammt vom ersten Knig

    Taejo Wang, Geon (Lebenszeit: 877-943, Regentschaft: 918-943) Hoonyo-

    shipjo (: Zehn Ansatzpunkte, die gelehrt und streng eingehalten werden sollen) war ein Grundriss der Staatsverwaltung, in dem der Knig seinen Nachfolgern die Grundprin-

    zipien und Aufgaben der Staatsverwaltung anwies.20

    . Vierzig Jahre spter wurde Shimusang-

    seo (: Die 28 dringenden Aufgaben fr die Zeit) von Choi, Seung-Ro (927-989)

    18

    Vgl. Kim, Chung-Ryeol, Koryeo Yuhaksa (Geschichte des Konfuzianismus in Koryeo), a.a.O., 1987. 19

    Vgl. Yu, Seung-Guk, Koreanischer Konfuzianismus. 20

    Vgl. Kim, Seong-jun, Shiphoonyo-wa Koryeo Taejo-eui Jeongchisasang (Die zehn Ansatzpunkte und die

    politische Idee des Knigs Taejo, in: Hanguksasangdaegye 3 Jeongchi, Beopjedo, Sasang Pyeon (Der Grund-

    riss der politischen Ideen Koreas 3 Politik, Rechtssystem, Idee), Seonggyungwan Universittsverlag,1979.

  • 13

    verfasst, das der Linie von Hoonyo folgte. Das Werk wies auf politisch-gesellschaftliche

    Probleme hin und schlug zugleich notwendige Hilfsmanahmen vor,21

    die sodann die Institu-

    tionen unter dem Knig Seongjong prgten.

    Der Reichsgrnder Taejo Wang, Geon schrieb im ersten Satz von Hoonyo: Koryeo wurde

    mit Untersttzung des Buddhismus gegrndet und darum sollten die Herrscher dessen Lehre

    eingehend studieren und Tempel errichten. Dies deutet zwar auf einen buddhistischen Staat

    hin und scheint einen neuen Glauben gegen den alten zu setzen, aber das eigentliche Herr-

    schaftsprinzip muss in der Vernderung der Sittlichkeit und Ausbildung des Volks durch den

    Konfuzianismus gefunden werden, dessen Bedeutung sich somit also erhlt.22

    Der siebte Satz fordert, dass der Knig das Herz seines Volks gewinnen soll, er soll daher

    Ratschlge befolgen und harte Strafe vermeiden. Zu ffentlichen Arbeiten darf er das Volk in

    den Hochzeiten der Landarbeit nicht verpflichten, sondern nur in arbeitsrmeren Zeiten und

    zudem soll er die Arbeit leicht machen. Dies formuliert eine Tugendlehre fr den Knig und

    bestimmt das Volk als Grundelement des Staates, das gerade nicht als bloes Objekt zu be-

    handeln ist, da es auch legitime eigene Rechte besitzt.

    Der neunte Satz fordert, dass der Knig nicht bedenkenlos die Lhne der Amtsinhaber erh-

    hen oder aus persnlichen Motiven mter vergeben darf.

    Hauptfiguren, die bei der Gestaltung des Konfuzianismus in Koryeo eine zentrale Rolle spiel-

    ten, waren der 6. Knig Seongjong (Regentschaft: 981-997), sowie die Wissenschaftler Choi,

    Seung-Ro (927-989) und Choi, Chung (984-1068). Der Konfuzianismus wurde nun zu der

    Wissenschaft schlechthin und zugleich diente er auch als politische Leitidee. Der Knig ver-

    suchte die Ordnung der fnf moralischen Prinzipien durchzusetzen und betonte die Bedeutung

    der Bildung fr das Landeswohl. Die Ausbildung der Begabten folgte den Regeln konfuziani-

    scher Bildung. Die Regierung des Landes muss zuerst eine Grundbasis sicherstellen, wobei

    die Familienordnung der Ausgangspunkt ist. Ihr wichtigstes Element ist Xiao (), die kindli-che Piett gegenber den Eltern, eins der fnf moralischen Prinzipien des Konfuzianismus.

    Daraus sollte eine allgemeine Sittlichkeit erwachsen, denn die Piett und Ehrerbietung gegen

    den Hhergestellten sollte alle Lebensbereiche prgen.23

    Der Konfuzianismus wurde so zu der

    politischen Philosophie der Monarchie.

    Choi, Seung-Ro wurde schon mit zwlf Jahren der Vertraute des Knigs Taejo Wanggeon

    und diente auch den sechs Nachfolgern bis hin zu Seongjong. Choi stellte heraus, dass die

    drei Geistesrichtungen - Konfuzianismus, Buddhismus und Taoismus - jeweils spezifische

    Gesellschaftsfunktionen haben, weswegen sie sich harmonisch ergnzen mssen, da keine

    von ihnen allein alle Aufgaben wahrnehmen knne. Fr ihn bildet der buddhistische Glaube

    die Basis moralischer Selbsterziehung und das Studium des Konfuzianismus sodann die Basis

    des Staatsprinzips. Denn die moralische Selbsterziehung ist die Grundaufgabe fr das kom-

    mende Leben, und das Studium des Konfuzianismus als Basis des Staatsprinzips ist notwen-

    dige Aufgabe des gegenwrtigen Lebens. Fr ihn wre es vllig falsch, wenn man das Nhere

    miede, um sich nur um das Fernere zu bemhen.24

    Dies kann als Hinweis auf die Grenze des

    21

    Vgl. Kim, Cheol-Jun, Die 28 Aufgaben fr die aktuelle Zeit nach Choi, Seung-Ro, in: Erforschung der Gesell-

    schaft des Altertums in Korea, Verlag Jishiksaneopsa, Seoul 1975; Oh, Yeong-Seop, Die gedankliche Basis und

    historische Bedeutung der Denkschrift von Choi, Seung-Ro, in: Taedonggojeonyeongu (Die Erforschung der

    Klassik am Forschungsinstitut Taedong) 10, 1993. 22

    Vgl. Kim, Chung-Ryeol (1987), a.a.O. 23

    Vgl. Kim, Chung-Ryeol (1987), a.a.O. 24

    Vgl. Koryeosajeolyo (: Zusammenfassung der Geschichte Koryeos), 2. Buch, 1. Regierungsjahr des Knigs Seongjong. Das Geschichtsbuch wurde auf kniglichen Befehl von Kim, Jong-Seo u. a. mit der

    Schreibweise Pyeonnyeonche chronologisch geschrieben und 1452, im 2. Regierungsjahr des 5. Knigs Mun-

    jong herausgegeben. Das Buch basiert inhaltlich auf dem im vorherigen Jahr (1451) herausgegebenen Buch

    Koryeosa (Geschichte Koryeos) mit der Schreibweise Gijeonche, aber es wurde vieles ergnzt.

  • 14

    Buddhismus gedeutet werden, da der Konfuzianismus die Grundidee des Regierens bilden

    soll. Er bemhte sich whrend der Zeit seines Dienstes bei Seongjong um die Durchsetzung

    der konfuzianischen Idee, und in seinem Werk Sangseomun (Ein Brief an eine hhergestell-

    te Person) zitierte er hufig das konfuzianische Lehrbuch Ln Y (). Seine politische

    Philosophie entwickelt er auch in den Lehrbchern Y Jng (), L J () und

    Chn Qi ().

    Whrend Choi, Seung-Ro die Grundlage fr die poltische Funktion des Konfuzianismus in

    Koryeo schuf, versuchte hingegen Choi, Chung dessen Bildungsfunktion zu entwickeln. Er

    grndete erstmals in Korea eine Privatakademie fr begabte Schler, woraus eine wissen-

    schaftliche Schule entstand. Gujaehakdang () war gewissermaen eine Privatuni-versitt. Es gab je nach Klasse neun Gebude und neun verschiedene Lernbereiche, was auch

    den Namen erklrt, denn Gujaehakdang bedeutet schlicht eine Akademie mit neun Lernberei-

    chen und Gebuden. Spter wurden noch elf weitere Privatakademien gegrndet.

    2. 2. 1. Geschichtsschreibung als Identittsprinzip

    In Koryeo wurden dank der Entwicklung des Konfuzianismus und der Einfhrung einer sys-

    tematischen Geschichtsschreibung viele Geschichtswerke verfasst. Bereits seit der Staats-

    grndung gab es eine Edition der Geschichtsquellen der Dynastie, aber sie ging durch das

    Eindringen des nrdlichen Volks Khitan () im Jahr 1010 leider verloren. Das Koryeo-Reich verstand sich in seiner Anfangsphase als Nachfolger Koguryeos, aber sp-

    ter verstrkte sich die Vorstellung Nachfolger Shillas zu sein, da die Aristokratie dort ihre

    Wurzel hatte, was zeigt, dass ihre Macht zugenommen hatte, was zu Spannungen im Staat

    fhrte.

    Das Geschichtsbuch Samguksagi (: Geschichte der drei Reiche), das das Nach-folgebewusstsein Shillas strker widerzuspiegeln scheint, verfasste Kim, Bu-Shik (1075-

    1151) auf Befehl des Knigs Injong (Regentschaft: 1122-1146), und es ist das lteste noch

    existierende Geschichtswerk Koreas. Seine Basis bildet das ltere Werk Gusamguksa aus

    der Anfangszeit Koryeos (: Alte Drei Reiche Geschichte), dessen Geschichtsauffas-sung durch den konfuzianischen Rationalismus und die Darstellungsweise Gijeon (Gijeon-

    che: )25 geprgt ist. Die einzigartige Stellung in der koreanischen Tradition der Ge-schichtsbcher gewinnt das Buch durch die Darstellungsmethode und sein Geschichtsbewuss-

    tsein, das auch noch die viel sptere Choseon-Dynastie noch stark beeinflusste.

    Hier wird Samguksagi aber nicht geschichtswissenschaftlich betrachtet, sondern primr in

    seiner Bedeutung als Quelle der Entwicklung der konfuzianischen Idee des 12. Jahrhunderts.

    Kim, Bu-Shik ist einer der wichtigsten konfuzianischen Wissenschaftler whrend der Koryeo-

    Dynastie gewesen und hatte auf Politik und Gesellschaft groen Einfluss.

    Vor Samguksagi gab es schon andere Bcher ber die drei Reiche. Doch weshalb Kim, Bu-

    Shik noch ein weiteres Geschichtswerk verfasste ist umstritten. Man nimmt an, dass er so

    versuchte durch gegenber der Alten drei Reiche Geschichte die politischen Ansichten sei-

    ner eigenen Partei zu rechtfertigen.26

    Zweitens wollte er die legendenhafte Form der bisheri-

    25

    Eine Darstellung der Geschichte, die nicht chronologisch, sondern nach Themen oder Bereichen geschrieben

    ist. 26

    Vgl. Kim, Cheol-Jun, Koryeojunggi-eui Munhwaeuishikgwa Sahak()-eui Seonggyeok (Das Kulturbe-wusstsein in der mittleren Phase Koryeos und der Charakter der Geschichtswissenschaft, in: Zeitschrift fr die

    Erforschung der koreanischen Geschichte 9, 1973; ders., Hanguk Godaesa Yeongu, Verlag Jishiksameopsa,

    Seoul 1975.

  • 15

    gen Darstellungen berwinden und zugleich den moralischen Rationalismus des Konfuzia-

    nismus demonstrieren.27

    Und drittens sollte nun Shilla im Mittelpunkt stehen, weil Gusam-

    guksagi (Alte Geschichte der drei Reiche) Koguryeo ins Zentrum gestellt hatte.28

    Das Geschichtsbuch Samguksagi selbst nennt vier Abfassungsgrnde. Erstens, die Ge-

    schehnisse des eigenen Landes zu berliefern, ist eine Grundlehre des Konfuzianismus, da

    sich darin die Ehrfurcht vor den Vtern ausdrckt. Zweitens, der Knig Injong erkannte, dass

    die Konfuzianer zwar die fnf Lehrbcher, alte chinesische Lehren und das chinesische Ge-

    schichtsbuch Sh j () von Ssma Ch'ien (145 v. Chr. 86 v. Chr.) gut kannten, aber nicht die Geschehnisse des eigenen Landes. Drittens, die Darstellung der drei Reiche in den

    chinesischen Geschichtsbchern war fr den Knig unzureichend, weil sie zu kurz war. Vier-

    tens wollte Injong durch ein eigenes Geschichtswerks der spteren Generation zeigen, was

    gute Herrschaft bedeutet, um die Sicherheit des Landes und den Wohlstand des Volkes dauer-

    haft zu wahren.29

    Das Politikverstndnis von Kim, Bu-Shik konzentrierte sich auf das Verhltnis zwischen K-

    nig und Untertan. Er verstand es nach Art der Familienmoral, deren Mittelpunkt das Vater-

    Sohn-Verhltnis ist.30

    Sein Volksverstndnis verdeutlicht sein folgender Grundsatz, das Da-

    sein des Volks ist das Grundelement, das ber Blhen oder Verblhen des Landes entscheidet.

    Es war die Grunderkenntnis des Konfuzianismus, dass der Wille des Volks dem Willen des

    Himmels entspricht. Darum erklrte er den Untergang der drei Reiche durch die Entfremdung

    zwischen der Herrschaft und dem Herzen des Volks.31

    Hinter seiner Volkslehre steht die

    Volkslehre des Mengste. Aber das Volk wird hier nicht als handelndes Subjekt, sondern als

    Objekt der Erziehung und des Regierens verstanden. Wenn hier von der Sicherheit und Beh-

    tung des Volks die Rede ist, dann zielt dies auf die die Sicherheit der Herrschaft. Es ist nicht

    zu bersehen, dass das Geschichtsbuch Samguksagi ein Kriterium konfuzianischer Politik

    entwickelte, welches im Herrschaftssystem Koryeos aufgenommen und weiterentwickelt

    wurde.

    Doch Koryeo geriet im 12. Jahrhundert in eine Krise. Denn je strker sich das moderne Herr-

    schaftssystem dank des konfuzianischen Politikverstndnisses als Verwaltungsmacht entwi-

    ckelte, desto grer wurde der innergesellschaftliche Konflikt. Er brach auf, als Teile des

    Adels um ihre traditionelle Vormacht frchteten, denn die neue Ideologie des Konfuzianismus

    bedrohte dessen gesellschaftliche Macht mit der Basis der mchtigen Sippenverbnde.32

    Ver-

    krzt und prgnant: der Machtzugang wird nun durch Bildung ermglicht, was dem bisheri-

    gen Prinzip widerspricht, das vor allem militrische Fhigkeiten honoriert hat.

    Auch auenpolitisch vernderte sich die Machtordnung der Region grundlegend, da nicht

    mehr das chinesische Hn Volk () das internationale Machtzentrum bildete, sondern die

    nrdlichen chinesischen Vlker Liao (: 916-1125) und Jin (: 1115-1234). Diese Macht-vernderung fhrte auch zur Neubestimmung der Haltung Koryeos gegenber dem chinesi-

    schen Reich, denn die bisherige untertnige Position wurde hinfllig, was eine Neuorientie-

    rung erforderte.

    Der Aufstand von Myocheong im Jahr 1135 (dem 13. Regierungsjahr des Knigs Injong)

    war deshalb der Ausbruch eines Konflikts innerhalb der herrschenden Klasse, der innen- und

    27

    Lee, Gi-Baek, Samguksagiron (Die Theorie ber die Geschichte der drei Reiche), in: Monatszeitschrift Mun-

    hak-gwa Jiseong (Literatur und Intellekt), Verlag Munhakgwa Jiseongsa, Seoul 1976. 28

    Lee, Woo-Seong, Das Zeitalter des Sd- und Nordstaates und Choi, Chi-Won, in: Vierteljahreszeitschrift

    Changjak-gwa Bipyeong (Schaffen und Literaturkritik) 38, 1975, S. 242. 29

    Vgl. Kim, Jun-Seok, Hanguk Jungse Yugyojeongchisasangsaron (Die Theorie der konfuzianischen Politik und

    die mittelalterliche Ideengeschichte Koreas), Verlag Jishiksaneopsa, Seoul 2005. 30

    Vgl. Die Geschichte der drei Reiche, 23. Buch, Hauptteil Baekje 1. 31

    Vgl. Kim, Jun-Seo, a.a.O. 32

    Vgl. Ha, Hyeon-Gang, Koryeoshidae-eui Yeoksagyeseung Euishik (Das Bewusstsein der Nachfolge im Zeital-

    ter Koryeos), in: Zeitschrift Ihwa Sahakyeongu (Ihwa - Geschichtswissenschaftliche Forschung) 8, 1975.

  • 16

    auenpolitische Grnde hatte. Der Aufstand war ein Ausdruck des Selektionsprozesses inner-

    halb der herrschenden Klasse, und er bestimmte entscheidend den Entwicklungsprozess der

    koreanischen Geschichte.33

    Als Folge des Aufstands verlor die Partei Seogyeong ihre Macht

    innerhalb der herrschenden Klasse, was den Machtverlust der mchtigen Sippen bedeutete,

    die in der Tradition Koguryeo standen. Das Scheitern fhrte zu einer Abwertung des Militrs

    und dem Ende der Plne einer Reichsexpansion nach Norden. Der Sieg der Partei Gaegyeong

    dessen Chefdenker Kim, Bu-Shik war - bedeutete den Sieg der Aristokratie Shillas. Damit

    setzte sich der Konfuzianismus gegen den Buddhismus und Pungsujiriseol (: die Lehre der Pengsui) durch. Dieser Sieg besttigte aber auch die Dominanz Chinas in allen Ge-

    sellschaftsbereichen, und Politik vollzog sich mehr und mehr als Verwaltung durch Zivilbe-

    amte und Gelehrte.

    In der zweiten Hlfte des Koryeo-Reichs stieg die Tendenz, die traditionelle Kultur aufgrund

    des nationalen Autonomiebewusstseins hher zu bewerten. Insofern spiegeln die verschiede-

    nen Geschichtsbcher der Epoche diese Tendenz. Die Bewusstseinsvernderung folgte nach

    der totalen gesellschaftlichen Verwirrung, die die mongolische Invasion verursacht hatte.

    Haedonggoseungjeon (1215), verfasst von Gak, Hoon, enthlt Biographien von dreiig

    Mnchen aus der Zeit der drei Reiche und ist nur fragmentarisch berliefert. Dongmyeong-

    wangpyeon (1193) von Lee, Gyu-Bo ist ein Heldenepos, das die Leistung des Grndungsk-

    nigs Dongmyeong preist. Es zeigt das Nachfolgebewusstsein Koguryeos und rhmt seine

    Tradition. Das Geschichtsbuch Samgukyusa (1281) des Mnchs Il, Yeon (: 1206-1289), das zur Zeit des Knigs Chungryeol geschrieben wurde, stellt die Geschichte des

    Buddhismus ins Zentrum, weiterhin berliefert es Volkslegenden und die Staatsgrndungsle-

    gende Koreas von Dangun (), dem Urvorfahr der koreanischen Nation. Das Geschichts-buch Jewangwoongi (1287) von Lee, Seung-Hyu (1224-1300) beschreibt die koreanische

    Geschichte seit der Herrschaft Danguns und stellt sie gleichberechtigt mit der chinesischen

    Geschichte dar, um so ihre Selbstndigkeit zu beweisen.

    In der letzten Phase der Koryeo-Dynastie setzte sich die konfuzianistische Geschichtsauffas-

    sung durch neue Gelehrte und die Rezeption der neokonfuzianischen Schule Seong-Ri-Hak

    aus der Zeit der chinesischen Song-Dynastie (960-1279) noch strker durch. Sie versuchte die

    menschliche Natur zu bestimmen, sie forschte nach ihren Gesetzen bzw. versuchte die Regeln

    des Himmels zu entdecken, um es in ihrer Sprache zu formulieren. Betont wurden die Wich-

    tigkeit des traditionellen Rituals und vor allem das Pflichtgebot. Das Ziel war eine stabile Le-

    bensordnung, deren Dauerhaftigkeit die Ewigkeit des Himmels widerspiegelt. Als das exemp-

    larische Buch dieser Auffassung gilt das Saryak () von Lee, Je-Hyeon (1278-1367), aber von ihm ist nur der Teil Saron (Geschichtslehre) berliefert worden. Seine Geschichts-

    lehre zielt auf die Reform der Knigsherrschaft, um eine zentralistische Staatsordnung wie-

    derherzustellen, deren Macht durch Beamte ausgebt wird.

    Die bewusste Herausgabe von Geschichtsbchern im Koryeo-Reich kann als ein Beleg dafr

    betrachtet werden, dass dessen Machthaber die Bedeutung der Geschichtsschreibung erfasst

    hatten, denn es gibt kaum ein effektiveres Mittel als Geschichtsbcher, um seine Identitt

    auszudrcken oder bewusst zu formieren. Auch wenn die Methode der Geschichtsschreibung

    vom chinesischen Konfuzianismus beeinflusst wurde, vollzogen sich die Beschreibung der

    Ereignisse und ihre Bewertung autonom, worin man den Grundstein der Gewinnung einer

    eigenstndigen Identitt erkennen kann.

    33

    Vgl. Shin, Chae-Ho, Choseon Yeoksasang Ilcheonnyeonrae Jeil Daesageon (Das allergrte Ereignis in den

    letzten 1000 Jahren in der Geschichte Choseons), in: Choseonsayeongucho (Forschungsentwurf zur Geschichte

    Choseons), 1930; auch im Gesamtwerk von Danjae Shin, Chae-Ho, 1972 erneut abgedruckt.

  • 17

    2. 2. 2. Die Verbreitung des Schulwesens in den Provinzen und die Etablierung

    des Staatsexamens als Zugang zum Beamtentum in Koryeo

    In Koryeo gab es schon seit der Staatsgrndung durch Taejo Wanggeon (Regentschaft: 918-

    943) eine Hochschule namens Gunkhak (), die Vorlufer in Shilla besa. Im 13. Regie-

    rungsjahr richtete er auch in Seogyeong eine Schule ein, die Hakgyo (: Schule) hie. Wie wichtig dem Monarchen die Bildung war, illustriert seine Stipendienvergabe an Begabte.

    Die Geschichte Koryeos (), berichtet aus dem 6. Regierungsjahr des Knigs Seong-

    jong(Regentschaft: 981-997) das Doktoren ber Gyeonghak (: Gyeonghakbaksa) in

    die regionalen Verwaltungsbezirke geschickt wurden (die 12 Mok ).34 Das hchste konfu-

    zianische Bildungsinstitut war damals die staatliche Hochschule Gukjagam () in der

    Hauptstadt und in Seogyeong gab es noch die Zweigstelle Haksajagam (). Die Einrichtung von Gukjagam erfolgte 992, im 11. Regierungsjahr des Knigs Seongjong.

    Auerdem wurden auch die kniglichen Bibliotheken Biseowon und Suseowon errichtet. Das

    Beamtentum Koryeos beruhte auf 18 Rangordnungen bzw. ein Stufensystem (Shibpal-

    pumgye), aber fr die Aufnahme an der Universitt galt eine besondere Voraussetzung, denn

    der Vater des Kindes mindestens die achte Rangstufe erreicht haben.35

    Die Aufnahmevoraus-

    setzungen an der staatlichen Hochschule waren viel strenger als im Reich des vereinigten

    Shilla.

    Auerdem gab es untergeordnete Bildungsinstitute: Dongseohakdang () in der Hauptstadt, und in den Provinzen wurden zahlreiche Privatschulen in Form von Akademien

    gegrndet. Die erste war Gujaehakdang () von Choi, Chung36, was den Ansto zur Grndung weiterer Privatakademien gab.

    Schon der vierte Knig Gwangjong (Regentschaft: 949-975) hatte bereits das System des

    Staatsexamens Gwageoje () eingefhrt, eine zivile Prfungsinstitution fr angehen-de Regierungsbeamte, in der die Kenntnisse konfuzianischer Klassiker geprft wurden. Das

    System des Staatsexamens frderte wiederum in Wechselwirkung die Schulausbildung. Die

    Institution des Staatsexamens war von nun an prgend fr Korea, denn es bestand bis zum

    Ende der Choseon-Dynastie im 20. Jahrhundert!

    Das Staatsexamen hatte drei Hauptfcher, nmlich erstens die umfassende sprachliche Kom-

    petenz und sodann grndliche Kenntnisse der konfuzianistischen Lehrbcher. Der dritte Exa-

    mensteil war Jabeop (), das wiederum dreigeteilt war, woraus unterschiedliche Fach-

    richtungen der Prfungen resultierten. Das Examen Myeongbeoeop () prfte Geset-

    34

    Vgl. Koryeosa (: Geschichte Koryeos), Sega, 8. Regierungsjahr des Knigs Seongjong-Jo; Ebd., 74. Buch, Ji, Seongeo (Wahl), Hakgyo (Schule)-jo. 35

    Vgl. Park, Jong-Gi, Die 500 jhrige Geschichte Koryeos, Verlag Pureunyeoksa, Seoul 1999. 36

    Es ist eine der zwlf Privatakademien in der ersten Hlfte der Koryeo-Dynastie, die vom groen konfuziani-

    schen Wissenschaftler Choi, Chung (984-1068) gegrndet wurde. Das Studium umfasste neun Bereiche, nmlich

    Akseong (), Daejung (), Seongmyeong (), Gyeongeop (), Jodo (), Solseong (),

    Jindeok (), Daehwa (), Daebing () und dazu kamen noch Sonderkurse. Im Mittelpunkt der Verans-

    taltungen standen die Lehrmaterialien der neun Gyeong (: Heilige konfuzianische Schriften), 3 Sh (: die

    drei chinesischen Geschichtsbcher Shi Chi, Han Shu, Hu Han Shu) und Shibu () und Sajang

    () wurden auch gelehrt. Diese Privatakademie diente allmhlich fr die Jugendlichen, die sich auf das Staatsexamen vorbereiteten, wie ein Vorbereitungskurs und war der Ansto zur Grndung weiterer Privataka-

    demien durch hochrangige Beamte. Folglich gingen die Kinder der Aristokratie eher zu diesen Akademien als

    zur staatlichen Hochschule.

  • 18

    zeskenntnisse, Myeongsaneop () die der Finanzwissenschaft und Buchhaltung, und

    Myeongeuieop () zielte auf medizinische Kenntnisse.37 Das Bildungsziel in Koryeo war in erster Linie die Beamtenausbildung, konfuzianische Kenn-

    tnisse und die Bildung der Persnlichkeit bildeten eine Einheit. Insofern wurden die Schler

    und Studenten sowohl in den Stdten als auch in den Provinzen ber Zhong (: Treue, Loya-

    litt) und Xiao (: die kindliche Piett gegenber den Eltern) belehrt. Das Staatsexamen diente als Auswahlinstrument, um in diesem Sinne Qualifizierte auszusuchen, denn die regie-

    rende Macht wollte mit ihrer Personalpolitik die konfuzianistische Ideologie realisieren. Fr

    die Bildung der Persnlichkeit nach dem Vorbild der Heiligen und der frheren groen Ge-

    lehrten gab es an Guksagam und den Provinzschulen symbolische Grabsttten des Konfu-

    zius und anderer Gelehrter mittels der Ahnentafeln.38

    Der sechste Knig Seongjong (Regentschaft: 981-997) reformierte in seinem zweiten Regie-

    rungsjahr das Verwaltungssystem der Provinzen und empfahl den Kindern der mchtigen

    Sippengren den Aufenthalt und das Studium in der Hauptstadt, aber als dies nicht durchzu-

    setzen war, schickte er ab dem sechsten Regierungsjahr Doktoren in die zwlf Regionen, um

    das Bildungssystem der Provinzen auch seiner Kontrolle zu unterstellen.39

    In den Veranstal-

    tungen ging es um konfuzianische Lehrbcher, sowie Medizin und Astrologie. Der Knig

    kontrollierte, ob das Doktorensystem in den Provinzen effizient funktionierte.40

    Wenn die

    Schler in den zwlf Regionen nicht so erfolgreich waren, dass sie die Staatsexamen erfolg-

    reich ablegen konnten, mussten die Doktoren zur Strafe weiterhin in den Provinzen bleiben.

    Ihr Erfolgsgrad wurde auch bei der Stellenverteilung bercksichtigt. Der Knig interessierte

    sich sehr fr die Verwaltung und Effektivitt des Bildungssystems von der Zentrale bis zu den

    Regionen. Das wichtige regionale Bildungsinstitut Hakgyo in Koryeo wurde 1127, im 5.

    Regierungsjahr des 17. Knigs Injong (Regentschaft: 1122-1146) eingerichtet.41

    Das Hochschulbildungssystem in Koryeo nderte sich stndig. Z. B., wurde Gukjagam 992,

    in Gukhak umbenannt und als es gegrndet wurde, gab es nur drei konfuzianische Kurse

    (), nmlich Gukjahak (), Daehak () und Samunhak (). Aber in der Regierungszeit des 11. Knigs Munjong (Regentschaft:1046-1083) kamen zu den drei Ver-

    anstaltungen noch Seohak (: Schreiben) und Sanhak (: Rechnungswesen) hin-zu. Der 16. Knig Yejong (Regentschaft: 1105-1122) erhhte die Zahl sogar von fnf auf

    sieben Kurse (7 Jae: ).42 Die Bildungsreformen hatten die Absicht, die regierende Macht zu strken, denn sie hingen alle mit dem Staatsexamen Gwgeoje zusammen. Sie waren durch

    die Reform im chinesischen Song-Reich (bzw. Sung) veranlasst, die Wang, Ahnseok im Be-

    reich des Finanz- und Verwaltungssystems einleitete. Die Reform des Staatsexamens war eine

    Reaktion, die darauf abzielte, in die Examen auch praktische Fhigkeiten einzubeziehen.

    Nicht nur die Auslegung der Lehr- und Geschichtsbcher, sondern praktische Fhigkeiten, die

    gerade im Verwaltungsbereich zentral sind (z.B. Rechnungswesen) wurden nun auch zu Pr-

    37

    Park, Jong-Gi (1999), a.a.O. 38

    Geschichte Koryeos, Sega Seongjong 8. Regierungsjahr, April-jo. 39

    Geschichte Koryeos, 74. Buch, im Teil Ji, ber Wahl 2, Schule-Jo. 40

    A.a.O. 41

    Geschichte Koryeos, 74. Buch, im Teil Ji, Seongeo (ber Wahl), Hakgyo-jo: Im 5. Regierungsjahr des 17.

    Knigs Injong (1122-1146) wurden in allen Verwaltungsbezirken (Ju ) Schulen eingerichtet und dadurch soll die Tugend der Bildung verbreitet werden. 42

    Koryeosa (Geschichte Koryeos), 7. Buch, 4. Regierungsjahr vom Knig Yejong: 7 Jae bezeichnet die Sieben

    Kurse im Lehrgang an der Hochschule. Hier bezeichnete man Ju-Yeok bzw. I-Ging als Yeotaek (), Sangseo

    als Daebing (), Chunchu als Yangjeong (), Jurye als Guin (), Daerye als Bokeung (), Moshi

    als Gyeongdeok (), Muhak als Kangye (). Vgl. Mun, Yeong-Cheol, Koryeoyuhaksasang-eui saeroun Mosaek (Neue Versuche der konfuzianischen Idee in Koryeo), Verlag Gyeongsewon, Seoul 2005; Vgl. auch

    Geum, Jang-Tae, a.a.O., 2008, S. 196.

  • 19

    fungsthemen.43

    Auerdem sollte dies die Stabilitt der zentralistisch-brokratischen Politik

    sichern.

    Der Knig Yejong wollte zur Verstrkung der kniglichen Zentralmacht die Willkr der Mi-

    nister von hoher Abstammung oder aus der Verwandtschaft der Kniginnen brechen, dem

    diente die Einstellung neuer Beamter, die einen konfuzianischen Rationalismus vertraten.

    Pragmatische Wissenschaften wurden somit fr relevanter als die theoretischen gehalten, die

    sich fast nur noch mit der Interpretation der klassischen Texte beschftigten.

    Es gab in Koryeo sechs Zugangsweisen zum Beamtentum: Der erste und allgemeinste Weg

    war das System des Staatsexamens Gwageoje. Als zweiter Weg gab es die Ordnung Eum-

    seoje (), die Personen honorierte, die dem Land wichtige Verdienste erwiesen hatten, indem ihre Nachkommen das Recht erlangten, Beamter zu werden. Der dritte Weg war eine

    Ausnahmeregelung, ein einzigartiges Talent ermglichte den direkten Zugang. Der vierte

    Weg war, dass man als Dienstbote im untersten Rang anfing und sich im Laufe der Jahre

    zum Beamten hocharbeitete. Die fnfte und sechste Mglichkeit war, dass jemand direkt vom

    Knig oder von Mitgliedern der kniglichen Familie befrdert wird. Aber wie uns die Doku-

    mente und Geschichtsbcher zeigen, war das Staatsexamen der wichtigste und blichste Zu-

    gang zum Beamtentum.

    Im Rahmen der stndigen Bildungsreformen wurde die Universitt Gukjagam mehrfach

    umbenannt. Unter dem 25. Knig Chungryeol (Regentschaft: 1274-1308) hie sie Guk-

    hak (1275) wie beim Knig Taejo. 1298 nannte man sie Seonggyungam (), 1308

    dann wieder Seonggyungwan (. Und im Jahr 1356, unter dem 31. Knig Gongmin (Regentschaft: 1351-1374) hie sie wieder Gukjaga. Doch nicht nur die Namen nderten

    sich, denn auch die Zahl der Kurse wurde mehrfach modifiziert, z.B. umfasste Gyeongsa-

    yukhak (: 6 Kurse mit Geschichtsbchern und heiligen konfuzianischen Schriften) Shilhak jedoch sieben Kurse. In der Zeit des Knigs Chungryeol (Regentschaft: 1274-1308)

    kam Koryeo mit dem sogenannten Neokonfuzianismus in Berhrung, wodurch an der Univer-

    sitt die Wissenschaft der heiligen konfuzianischen Schriften immer wichtiger wurde. Wh-

    rend der Herrschaft des 31. Knigs Gongmin (Regentschaft: 1351-1374) gab es inhaltliche

    Reformen im Bildungsprozess mit den neun konfuzianischen Lehrbchern und eine erneute

    Umbenennung der Universitt, die nun Seonggyungwan hie (Schule der Vervollkomm-

    nung und Ausgeglichenheit).

    2. 3. Der Konfuzianismus in Choseon Tendenzen, Parteibildungen, Bil-

    dungsinstitute und das Staatsexamen als System der Amtseinsetzung

    Die Choseon-Dynastie wurde im Jahr 1392 durch einen Militrputsch von General Yi, Seong-

    Gye (Lebenszeit: 1335-1418) begrndet. Die Hauptstadt wurde von Gaegyeong nach Ha-

    nyang, dem heutigen Seoul verlegt. Der Grnder der Yi-Dynastie (= Choseon-Dynastie, K-

    nig Taejo (Regentschaft: 1392-1398) bestieg den Thron mit Untersttzung jngerer Gelehrten,

    die neokonfuzianische Ideen vertraten, weshalb er seine Regierung auf diese Grundlage stellte

    und die Verehrung des Konfuzianismus frderte.

    Zum Zeitpunkt des Endes Koryeos und dem Beginn Choseons bernahmen die reformeri-

    schen gelehrten Beamten mit neokonfuzianistischen Politikideen auch die Wissenschaft fr

    43

    Vgl. Lee, Beom-Hak, Songdae Neo-Konfuzianismus-eui Seolrip-gwa Baljeon (Die Entstehung und Entwick-

    lung des Neokonfuzianismus in der chinesischen Song-Dynastie), in: Ders., Gangjwa Jungguksa (Kurs ber

    chinesische Geschichte), Verlag Jishiksaneopsa, Seoul 1989.

  • 20

    die praktischen Angelegenheiten (Sagonghak: ). Das Ende Koryeos war eine gesell-schaftliche Umbruchszeit, es kam zum Staatszerfall, da man das Eindringen chinesischer

    Raubheere Hng Jn (:1358) und japanischer Seeruber nicht verhindern konnte. Zeit-weise fiel sogar die Hauptstadt Gaegyeong und das Binnenland wurde oft stark verwstet.

    Wegen ungewhnlicher Klimavernderungen und anderer Naturkatastrophen verhungerten

    die Bauern, und die Unfhigkeit und Korruption der Beamtenschaft erschwerte zudem das

    Leben der Bevlkerung. Deswegen waren die allerwichtigsten Aufgaben nach der Staatsgrn-

    dung Choseons der Wiederaufbau der Landwirtschaft und die Verstrkung des Militrs, um

    die uere Sicherheit zu garantieren. Daher wurde die Wichtigkeit der Wissenschaft Sa-

    gong ( Wissenschaft fr praktische Angelegenheiten wie Regierungsorganisation, Militr-, Bildungs-, Rechts-, Steuer- und Verwaltungssystem) betont. Dies bildet einen Ge-

    gensatz zum bisherigen Neokonfuzianismus, der einzig die Frderung der menschlichen Na-

    tur und die moralische Erziehung fr geeignet hielt, um die Staatskrise zu berwinden.44

    Die

    Tatsache, dass die Wissenschaft fr praktische Angelegenheiten bei der Reformpolitik rele-

    vant war, kann man im Buch Gyeongjemungam (: Schriften ber Staatswirtschaft, 1397) von Jeong, Do-Jeon (1342-1398) besttigt finden. In ihm steht die Kritik am politischen

    System Koryeos im Zentrum, der Autor pldierte fr die Notwendigkeit von Reformen, um

    ein neues System zu schaffen. Er hielt es fr ideal, dass der Knig bzw. seine Minister bis in

    den kleinsten Verwaltungsbezirk Hyang () hinein durch ihre Beamten herrschen.45 Denn Koryeo besa ein dualistisches Politiksystem, es gab zwar eine Zentralmacht, aber in den

    Provinzen existierte daneben eine Form privatisierter Herrschaft durch Samun (: ein-flussreiche bzw. vermgende Familien), gegen die die Zentralmacht sich nie richtig durchset-

    zen konnte. Ziel war es nun diese Formen privatisierter Herrschaft abzuschaffen und dagegen

    setzte er die Zentralmacht, die ihre Herrschaft mittels einer effektiven Verwaltung durchsetzt.

    Ihr Fundament sind die gelehrten Beamten (Sadaebu: ) 46 mit neokonfuzianischer Weltanschauung.

    47 Um sein Ziel zu erreichen, verband er die Ideen aus Neo-

    Konfuzianismus und Sagonghak, wobei praktisch utilitaristische Aspekte sein Prinzip be-

    stimmten.48

    Jeong, Do-Jeon verfasste auch das Geschichtswerk Chigukjoram (), das den Aufstieg und Niedergang frherer chinesischer Dynastien beschrieb. Das Buch ist ein

    44

    Vgl. Cho, Dong-Won, Yeobjeok ()-eui Sasang-e daehayeo (ber die Idee von Yeopjeok), in: Zeit-schrift Dongyangsa-yeongu (Forschung ber die asiatische Geschichtswissenschaft) 14, 1979; Hu, Wi L

    (), Songming-Lihaksa (: Geschichte der Wissenschaft ber Li() aus der Song- und Ming-Dynastie), Verlag Inminchulpansa, 1995. 45

    Vgl. Gesammelte Werke von Jeong, Do-Jeon Sambongjip (), 5. Buch, Gyeongjemungam, 1.

    Band; Sambong. Jeong, Do-Jeon (: 1342-1398) war ein Schler des groen Konfuzianers Lee, Saek aus der Koryeo-Dynastie, er arbeitete nach dem Bestehen des Staatsexamens als Taehakbaksa an der staatlichen

    Hochschule Seonggyungwan. Aber er untersttzte auch die Grndung der Choseon-Dynastie da er die Grundla-

    gen der Institutionalisierung schuf. 46

    Die Bezeichnung Sadaebu stammt aus der fnfklassigen Einteilung der Standesgesellschaft des chinesischen

    Altertums. Denn damals gab es fnf Stnde bzw. Klassen, nmlich Kaiser (: Tin Z), Knige (: D

    Hu), Frsten (: D F), Gentry (: Shi) und Bevlkerung (: Sh Mn). Neben dem Kaiser und den Knigen bildeten die Daebu und Sa die herrschende Klasse, die von der beherrschten Klasse, der normalen Be-

    vlkerung, streng unterschieden wurde. In der Endphase der Koryeo-Dynastie tauchte der Begriff oft im Zu-

    sammenhang mit den gelehrten Reformern auf. Whrend der Choseon-Dynastie war der Begriff Sadaebu als

    allgemeine Bezeichnung der herrschenden Klasse oder der gelehrten Beamten sehr gelufig. 47

    Vgl. Ha, Hyeon-Gang, Die regionale Herrschaftsorganisation und ihre Struktur, in: Koreanische Geschichte 13,

    hrsg. v. Ausschuss fr die Herausgabe koreanischer Geschichtsbcher, 1993. 48

    Vgl. Han, Yeong-Woo, Choseonjeongi Seongrihakpa-eui Gyeongjesasang (Die Wirtschaftsidee der Schule des

    Neokonfuzianismus in der ersten Hlfte der Choseon-Dynastie), in: Ders., Choseonjeongi Sahoesasangyeongu

    (Forschung ber die gesellschaftlichen Ideen in der ersten Hlfte der Choseon-Dynastie), Verlag Jishiksaneopsa,

    1983.

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    Beweis, dass Jeong, Do-Jeon von Neo-Konfuzianismus und Sagong-hak das Beste zu ber-

    nehmen versuchte. D. h., er muss erkannt haben, dass konfuzianische Prinzipien allein den

    Ansprchen seiner Zeit nicht entsprechen, weshalb sie durch die praktischen Wissenschaften

    ergnzt werden sollten, die sich fr die politische Ordnung, Gesetze und die menschliche

    Umwelt interessierten.

    2. 3. 1 Die Verbreitung des Schulwesens in die Provinzen, Etablierung des Sys-

    tems des Staatsexamens als Zugang zum Beamtentum in Choseon und Wissen-

    schaft als Stoff des Staatsexamens.

    Choseon bernahm den Konfuzianismus als die politische Leitidee und insofern folgte die

    ganze staatliche Politik der neokonfuzianischen Interpretation von Juheui. Die vier groen

    Bcher und die fnf heiligen Schriften von Konfuzius waren nun die grundlegenden Lehrb-

    cher, ergnzt durch Xio Xu () fr die Spracherziehung. Das zustndige Amt fr Dip-

    lomatie, Schule und Staatsexamen war Yejo () unter sechs Ministerien namens I-, Ho-,

    Ye- Byeong, Hyeong-, Gongjo. Seonggyungwan () war das hchste Bildungsinstitut

    Choseons. Weitere Bildungsinstitute sind Sahak (), die Privatschulen in Seoul, dazu kommen Hyanggyo als Ortschulen in den Provinzen sowie Seowon als Privatakademien.

    Neben der staatlichen Universitt Seonggyungwan wurden in den Provinzen landesweit 360

    Hyanggyos eingerichtet. Dadurch vollendete sich das Bildungssystem einer konfuziani-

    schen Bildung.

    Der hchste Amtsinhaber bzw. Rektor in Seonggyungwan war ein Daesaseong (Jeong 3

    Pum, 5. Stufe der 18 stufigen Zivilbeamtenordnung) und darunter gab es dann Jeju (),

    Akjeong (), Jikgang (), Baksa (), Hajeong (), Hakrok (), Hakyu

    () usw. Das Bildungssystem Choseons hing wie das von Koryeo eng mit dem Staatsexa-men zusammen, da schon kurz nach der Staatsgrndung im Oktober 1392 die Ordnung des

    Staatsexamens festgelegt worden war. Personen mit guten Kenntnissen der heiligen konfuzia-

    nischen Lehrbcher, die sie in den verschiedenen Schulen erworben hatten durften sich fr die

    Prfung an der Seonggyungwan bewerben. Es gab Vorbereitungs- bzw. Aufnahmeprfun-

    gen Saengwonshi () und Jinsashi () als Choshi (: Erste Prfung).

    Diejenigen, die die Aufnahmeprfung bestanden hatten, nannte man Sangjaesaeng (: Studenten der oberen Stufe) und sie wurden zuerst an der Seonggyungwan aufgenommen.

    Studenten, die durch eine Aufnahmeprfung wie Seungbo () oder Eumseo () aufge-nommen worden waren, werden als Hajaesaeng (Studenten der unteren Stufe) bezeichnet.

    Die Zahl der Studenten war allerdings gering, sie betrug kurz nach der Staatsgrndung nur

    150 und 1429, im 11. Regierungsjahr des Knig Sejong (Regentschaft: 1418-1450) auch le-

    diglich 200. Die Studenten, die sich dort aufhielten, lebten in Ost- und West-Wohnheimen

    und mussten ber 300 Punkte erlangen, um die Qualifikation fr die Staatsexamen zu errei-

    chen. Sie interessierten sich fr die aktuelle Wissenschaft und Realpolitik, weswegen sie ge-

    legentlich gemeinsam dem Knig zu aktuellen politischen Angelegenheiten Denkschriften

    berreichten. Und wenn diese nicht akzeptiert wurden, demonstrierten sie mitunter sogar. Fr

    die letzte Stufe des Staatsexamens, Mungwa () oder Daegwa () genannt, bewar-ben sich ungefhr 700 Bewerber, entweder aus Seonggyungwan oder Bewerber aus den

    Provinzen, die das Regionalexamen (: Hyangshi) bestanden hatten. Unter diesen wurden schlielich 33 endgltig ausgewhlt. Je nach Zensur wurden die Erfolgreichen nochmals in

    drei Gruppen eingeteilt, die drei Besten nannte man Gabgwa (), vom 4. bis 10. Platz

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    hieen sie Eulgwa () und vom 11. bis zum 33. Rang Byeonggwa (). Derjenige mit dem besten Prfungsergebnis erlangte sofort die 6. Stufe in der 18 stufigen Rangordnung,

    und auch die anderen erhielten je nach ihrer Leistung unterschiedliche Regierungsposten.

    Als eine Art von Privathochschule existierten seit der Frhphase der Choseon-Dynastie die

    fnf Bu-Hakdang (), nmlich Mitte-Bu-, Ost-Bu-, West-Bu-, Sd-Bu-, Nord-Bu-Hakdang, deren Position unter dem 3. Knigs Taejong (Regentschaft: 1400-1418 gestrkt

    wurde. Aber die Nord-Bu-Hakdang wurde im 27. Regierungsjahr des 4. Knigs Sejong der

    Groe (Regentschaft: 1418-1450) geschlossen, die anderen sodann in Yuhak umbenannt

    und wiederum durch die Reform der Regierungsorganisation im 12. Regierungsjahr des K-

    nigs Sejo (Regentschaft: 1455-1468) als Hak () bezeichnet.

    Hyanggyo () war eine Art Ortsschule, ein staatliches Bildungsinstitut fr die konfuzia-nische Bildung der Kinder der herrschenden Klasse Yangban in den Provinzen, z. B. in Gun

    (), Hyeon (), auerhalb der Hauptstadt Hanyang (heutiges Seoul), die das zentralisiert