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Geschäftsfeld chemie
F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R G R E N z F l ä C H E N - U N d B I O v E R F A H R E N S T E C H N I K I G B
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Geschäftsfeld chemie
Polymere für Kunststoffe, Fasern für Gewebe, Pigmente, Farben und Lacke, Wasch- und Reinigungsmittel, Klebstof-
fe, Baustoffe sowie Düngemittel, Insektizide und Pharmaka – chemische Produkte finden sich in allen Bereichen des
Lebens. So verwundert es nicht, dass die Chemische Industrie zu den bedeutendsten, forschungsintensivsten und ex-
portorientiertesten Branchen in Deutschland gehört. Ohne den Beitrag der Chemie mit Produkten in den Sparten Öl
und Gas, Massenchemikalien, Spezialchemikalien und Pflanzenschutz/Düngemittel wären Innovationen in anderen
Branchen wie Automobil, Elektro- und Elektronikindustrie, Bauwirtschaft oder Verpackungstechnik nicht möglich.
Herausforderungen
Mit enormen Fortschritten, beispielsweise in der Polymerfor-
schung, hat die Chemie in den letzten Dekaden Weichen für
Entwicklungen gestellt, die uns heute wie selbstverständlich
den Alltag erleichtern. Aktuelle globale Herausforderungen
wie Bevölkerungswachstum, demographischer Wandel, ein
weltweit steigender Energiebedarf und der Trend zur Urbani-
sierung erfordern jedoch neue innovative Lösungen. Dies gilt
auch für den Klimawandel und die Endlichkeit mineralischer
(z. B. Phosphat, Seltene Erden) und fossiler Rohstoffe (Erdöl,
Erdgas und Kohle).
Bei der Aufgabe, diese Herausforderungen zu meistern, kommt
der Chemie, als Querschnittstechnologie und Zulieferbranche
für viele weitere Sektoren, eine herausragende Rolle zu. Fort-
schritte in der Agrarwissenschaft und die Sicherstellung der
Nahrungsmittelproduktion sind dabei ebenso wichtig, wie
die Erschließung neuer Rohstoff- und Energiequellen oder die
effizientere Nutzung fossiler Rohstoffe. Der Verband der Che-
mischen Industrie benennt daher als Schwerpunkte für zukünf-
tiges Wachstum die Erforschung und Produktion neuer Materi-
alien, die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz,
die Erneuerung der Rohstoffbasis der Chemie sowie Beiträge
zur Elektromobilität.
lösungsansätze am Fraunhofer IGB
Als Forschungspartner für die Chemische Industrie, die ge-
kennzeichnet ist durch rohstoff- und energieintensive Prozesse,
ist das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfah-
renstechnik IGB bestens aufgestellt. Wir stellen in unseren
Arbeiten und Forschungsprojekten unter anderem zukunfts-
fähige Ansätze zur besseren stofflichen und energetischen
Nutzung von Ressourcen, die Substitution durch regenerative
Quellen, die Kreislaufführung von Stoffströmen und die Ent-
wicklung innovativer funktioneller Materialoberflächen in den
Vordergrund. Hier schlagen wir vor allem folgende Wege ein:
Biobasierte Chemikalien und Materialien
Unsere Arbeiten zielen auf die Entwicklung von biotechnolo-
gischen Prozessen zur Herstellung von Chemikalien und Ener-
gieträgern aus nachwachsenden Rohstoffen und die Kopplung
mit chemischen Prozessen.
Funktionale Oberflächen und Materialien
Mittels Grenzflächenverfahrenstechnik entkoppeln wir die Volu-
men- und Oberflächeneigenschaften von Materialien. Maßge-
schneiderte, funktionale Beschichtungen, die ihrerseits mittels
ressourceneffizienten Verfahren aufgebracht werden, ermögli-
chen die Verwendung ökonomischer und nachhaltiger Roh-
stoffmaterialien bei gleichzeitig erhöhter Produktfunktionalität.
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Prozessintensivierung und -integration
Hier steht die effektivere Nutzung von Rohstoffen und Energie
in unserem Fokus. Dazu entwickeln wir u. a. Verfahren zum
Upstream- und Downstream-Processing mit effektiver Separa-
tion von Stoffströmen, z. B. mittels Membranen, oder zur
Kreislaufführung von Stoffströmen (Recycling, nachhaltiges
Abfallmanagement).
vernetzung und Kooperation
Unsere ausgeprägte Vernetzung mit anderen Instituten der
Fraunhofer-Verbünde LIFE SCIENCES und Werkstoffe,
Bauteile – MATERIALS den Fraunhofer-Allianzen Nanotech-
nologie, Photokatalyse, Polymere Oberflächen (POLO) und
Reinigungstechnik, zu Universitäten und anderen Forschungs-
einrichtungen ist ein Garant für die kompetente Bearbeitung
auch interdisziplinärer Fragestellungen.
Neue Impulse, die stoffliche Nutzung nachwachsender
Rohstoffe in den industriellen Maßstab zu übertragen, gibt
das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Pro-
zesse CBP in Leuna, welches gemeinsam von den Fraunhofer-
Instituten für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und
für Chemische Technologie ICT, errichtet und betrieben wird.
Kompetenzen für das Geschäftsfeld Chemie
Um die interdisziplinären FuE-Projekte für das Geschäftsfeld
Chemie kompetent bedienen zu können, greift das Fraunhofer
IGB auf folgende Kernkompetenzen zurück:
Grenzflächentechnologie und Materialwissenschaft
Grenzflächen
Partikel
Membranen
Plasmatechnologie
Molekulare Biotechnologie
Enzym-, Stamm- und Prozessentwicklung
Physikalische Prozesstechnik
Wärme- und Sorptionsprozesse
Elektrophysikalische Prozesse
Umweltbiotechnologie und Bioverfahrenstechnik
Bioenergie und Bioprozesstechnik
Algentechnologie
zellsysteme
In-vitro-Testsysteme
Fraunhofer-zentrum für
Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP
Skalierung von Aufbereitungs-, Konversions- und
Aufarbeitungsprozessen
Projektgruppe BioCat
Synthese und Optimierung von Chemo- und Biokatalysatoren
Chemisch-enzymatische Prozesse
»Veränderungen begünstigen nur den, der darauf vorbereitet ist.« Louis Pasteur (1822–1895)
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BioBasierte chemikalien und materialien
Erdgas und Erdöl sind momentan noch unverzichtbar als Aus-
gangsstoff für die Herstellung von Grundchemikalien. So wer-
den derzeit in Deutschland etwa 77 Prozent aller Chemikalien
aus Erdöl, 10 Prozent aus Erdgas, 2 Prozent aus Kohle und nur
11 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen. Doch
unbestritten gehen die fossilen Rohstoffe langsam zur Neige.
Eines der wichtigsten Forschungsfelder ist somit die Rohstoff-
basis der Chemie.
von der Petrochemie zur biobasierten Chemie
Für die Erzeugung chemischer Produkte ist Biomasse derzeit
die einzige erneuerbare alternative Kohlenstoffquelle zu Erdöl
und Erdgas. Die industrielle Biotechnologie, auch »weiße«
Biotechnologie genannt, ist die Schlüsseltechnologie für eine
nachhaltige Produktion von chemischen Grundstoffen, Mate-
rialien und Kraftstoffen auf der Basis von Biomasse. Die aus-
reichende Bereitstellung und die ressourcenschonende und ef-
fiziente Nutzung biogener Rohstoffe ist daher der Schlüssel
zum Erfolg. Um jedoch die Konkurrenz zwischen Lebens- und
Futtermittel einerseits und die stoffliche und energetische
Nutzung andererseits in Balance zu halten, müssen ertragsrei-
chere Nutzpflanzen gezüchtet, die Agrartechnik weiterentwi-
ckelt und die Wertschöpfungskette durch prozessintegrierte
Aufarbeitung von Roh- und Abfallstoffen effizienter gestaltet
werden.
Deshalb forscht das Fraunhofer IGB bereits seit mehreren
Jahren intensiv daran, die Rohstoffbasis für chemische Pro-
dukte zu erweitern. Im Fokus stehen dabei die stoffliche
Nutzung von
biogenen Rest- und Abfallstoffen aus Land- und
Forstwirtschaft,
biogenen Reststoffen aus der Lebensmittelindustrie und
organischen Abfällen,
Pflanzen, die nicht als Nahrungs- und Futtermittel nutzbar
sind und
aquatischen Mikroalgen.
Ein Schwerpunkt stellt dabei die Biokonversion dar, bei der
entweder mit Mikroorganismen (Fermentation) oder Enzymen
(Biokatalyse) die Rohstoffe in verwertbare Produkte umge-
wandelt werden. Um das gesamte Potenzial der stofflichen
Vielfalt pflanzlicher Biomasse ausschöpfen zu können, werden
biotechnologische Verfahren gegebenenfalls mit geeigneten
chemischen Verfahren kombiniert.
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Komplexität erhalten
Die Natur stellt bereits über ihre Biosynthesewege eine Vielfalt
komplexer Inhaltsstoffe zur Verfügung. Öle und Fette, Poly-
saccharide sowie sekundäre Pflanzenstoffe sind Wertstoffe,
die mittels weißer Biotechnologie nutzbar gemacht werden
können. Auch im Wasser lebende einzellige Mikroalgen fixie-
ren im Zuge der Photosynthese atmosphärisches CO2 und pro-
duzieren komplexe Substanzen wie Farbstoffe oder Pharma-
zeutika. Dabei wachsen sie schneller als Landpflanzen und
benötigen keine landgestützte Anbaufläche.
vollständige Nutzung in Bioraffinerien
Bioraffinerien zeichnen sich durch eine ganzheitliche Betrach-
tung der Biokonversion aus und berücksichtigen das Zusam-
menspiel der Wertstoffgewinnung mit Prozessen des Stoff-
und Wärmetransports, der nachgelagerten Produktisolierung
und -reinigung, der Kreislaufführung sowie der Koppel- und
Kaskadennutzung. Zentrales Ziel unserer Arbeiten ist daher
die Aufbereitung, Umsetzung und Nutzung nachwachsender
Rohstoffe nach dem Prinzip einer Bioraffinerie, die direkt mit
bestehenden Produktionsstrukturen der Chemieindustrie ver-
netzt werden kann. In einer solchen, integrativen Bioraffinerie
wird Biomasse durch fermentative oder biokatalytische und
kombinierte chemische Prozesse zu Basischemikalien umge-
setzt, die weiter zu Feinchemikalien oder Biopolymeren aufge-
arbeitet werden. Die parallele oder anschließende energeti-
sche Nutzung der Restmasse schließt den Kreislauf und erhöht
den Gesamtwirkungsgrad.
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Aktuelle Forschungsthemen
Biokatalysatorentwicklung und -nutzung
Metagenomisches Enzymscreening nach neuen Enzymen,
Stammoptimierung und heterologe Expression
Effiziente Herstellung technischer Enzyme im industriellen
Maßstab
Enzymatische Spaltung von Chitin aus Krebsschalen zur
Herstellung von Chemikalien
Screening nach und Optimierung von Cellulasen und
Xylanasen zur Verzuckerung von Lignocellulose in ionischen
Flüssigkeiten
Gezielte Modifikation von Lipiden durch integrierte
Emulgierung und Enzymreaktionen
Erzeugung und Nutzung von Biomasse
Herstellung von Algenbiomasse zur stofflichen Nutzung:
Pigmente, langkettige Fettsäuren, Speicherlipide als
Kraftstoff
Entwicklung wirtschaftlicher Verfahren zur stofflichen
Nutzung von Rohstoffen der zweiten Generation (Ligno-
cellulose, als Nahrungsmittel ungeeignete Öle und Fette)
durch enzymatische, mikrobielle und chemische Reaktionen
Entwicklung kontinuierlicher Prozesse, neuer Reaktoren
und selektiver Aufarbeitungstechnologien
Fein- und Basischemikalien aus
nachwachsenden Rohstoffen
Verfahrensentwicklung für die Herstellung von
Basischemikalien und Biokraftstoffen aus Lignocellulose
Chemo-enzymatische Herstellung von Epoxiden auf
Basis pflanzlicher Öle
Fermentative Herstellung von 1,3-Propandiol aus Rohglycerin
Fermentative Gewinnung organischer Säuren (z. B. Milch-
und Essigsäure) aus kohlenhydrathaltigen Reststoffen wie
Abfallstärke oder Molke
Fermentative Erzeugung von C2-Verbindungen wie Ethylen,
Essigsäure / Acetat und Ethanol
Fermentative Herstellung von C3-Verbindungen wie
Propen, Propanol, Propandiol und Propionsäure
Fermentative Synthese und Optimierung von Biotensiden
Herstellung von Latex, Kautschuk und Inulin aus Löwen-
zahn und Aufarbeitung der Produkte mit umweltfreund-
lichen Trennverfahren
Ressourcenschonung
Prozessoptimierung für die substratspezifische integrierte
Verwertung von biogenen Rest- und Abfallstoffen durch
Vergärung zu Methan
Verwertung fester und flüssiger organischer Reststoffe
(Reststoffe aus der Olivenölproduktion, Gärreste, Gülle,
Abwasser) für organische Bodenverbesserer und Düngemittel
Entwicklung von Verfahren zur Nährstoffrückgewinnung
inkl. Trocknung und Pelletierung als Dünger
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Beispiele aus unserer forschunG
© Thomas Ernsting
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Algen – Nachhaltiger Wertstofflieferant
Um eine Vielzahl chemischer Grundstoffe wie Vitamine und
Farbpigmente, essenzielle Fettsäuren und Aminosäuren zu pro-
duzieren, brauchen Algen nichts weiter als Sonnenlicht, Koh-
lenstoffdioxid und mineralische Nährstoffe. Kennzeichnend für
Mikroalgen-Biomasse, im Vergleich zu höheren Landpflanzen,
ist das Fehlen von Lignin, ein geringerer Cellulose- und Nukle-
insäuregehalt, aber ein höherer Proteinanteil und Kohlen-
hydratgehalt. Der rote Farbstoff Astaxanthin aus der Alge Ha-
ematococcus pluvialis kann beispielsweise für die dekorative
Kosmetik eingesetzt werden. EPA aus der Mikroalge Phaeod-
actylum tricornutum ist eine mehrfach ungesättigte Omega-3-
Fettsäure zur Nahrungsergänzung. Mit gereinigtem CO2 und
synthetischen Mineralnährmedien erzielen wir respektable
Wachstumsraten von bis zu 1 Gramm pro Liter und Tag und
Nettoenergie produzierende Raum-Zeit-Ausbeuten.
Andere Algen produzieren Öle, die als Biokraftstoff nutzbar
sind. Die Algenrestbiomasse kann wegen ihres fehlenden
Ligninanteils vorteilhaft zu Biogas als Energieträger vergoren
werden. Das Fraunhofer IGB entwickelt Prozesse für die Kulti-
vierung von Mikroalgen in einem eigens entwickelten Flachplat-
ten-Airliftreaktor. Dies sind abgeschlossene und somit gegen
Verunreinigung geschützte Reaktoren. Ein weiterer Schwer-
punkt ist die Prozessentwicklung im Bereich der Isolierung und
Aufarbeitung von Wertstoffen aus der Algenbiomasse.
Dr. Ulrike Schmid-Staiger
Telefon +49 711 970-4111
www.igb.fraunhofer.de/algen
Biotenside – Herstellung und Optimierung
Die meisten Tenside in Waschpulver, Spülmitteln und Scham-
poos werden chemisch, aus Erdöl oder pflanzlichen Ölen,
hergestellt, was ihre Strukturvielfalt einschränkt. Mikroorga-
nismen bilden eine Vielzahl oberflächenaktiver Substanzen,
sogenannte Biotenside, die ein breites Spektrum chemischer
Strukturen umfassen wie Glykolipide, Lipopeptide, Lipoprotei-
ne und Heteropolysaccharide. Das Fraunhofer IGB untersucht
die Herstellung von Cellobioselipiden (CL) und Mannosyleryth-
ritollipiden (MEL), zweier für den industriellen Einsatz geeigne-
ten Biotensidklassen, mithilfe von Brandpilzen der Gattungen
Pseudozyma und Ustilago. Um die Raum-Zeit-Ausbeute an
Biotensid zu erhöhen und die Produktionskosten zu senken,
wird der Herstellungsprozess im Hinblick auf Kultivierung und
Prozessführung optimiert. Gegenwärtig erreichen wir so Pro-
duktkonzentrationen von 20–30 g/L für Cellobioselipide und
100 g/L für Mannosylerythritollipide. Zudem haben wir ver-
schiedene Aufreinigungsmethoden etabliert.
Die Biotenside sind biologisch abbaubar und ihre Eigenschaften
in Bezug auf die Tensidwirkung denen der synthetischen Ten-
side vergleichbar oder überlegen. Die Tensidstruktur und da-
mit die Tensideigenschaften können weiter mittels gentechni-
schen, enzymatischen oder bioprozesstechnischen Methoden
modifiziert werden. Beispielsweise ist es in dem vom BMELV
geförderten Projekt PolyTe gelungen, die Wasserlöslichkeit
eines Biotensids zu erhöhen. In den EU-Projekten BioSurf und
O4S werden weitere Aufgabenstellungen bearbeitet.
Dipl.-Biol. (t.o.) Dipl.-Ing. (FH) Susanne Zibek
Telefon +49 711 970-4167
www.igb.fraunhofer.de/biotenside
© Thomas Ernsting
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O
OH2C
HC
H2CO
OO
O
langkettige dicarbonsäuren aus pflanzlichen Ölen
Langkettige Dicarbonsäuren (C>12) sind chemisch aufwendig
zu synthetisieren, stellen jedoch interessante Zwischenproduk-
te für die Synthese von Kunststoffen wie Polyamiden und Poly-
estern mit neuen Eigenschaften dar. In manchen Hefen wie
Candida tropicalis oder Yarrowia lipolytica ist der Stoffwechsel-
weg der ω-Oxidation vorhanden. Bei diesem Stoffwechselweg
werden Alkane oder Fettsäuren (Monocarbonsäuren) zu Dicar-
bonsäuren oxidiert. Am Fraunhofer IGB untersuchen wir im
Rahmen der Projekte »Integrierte Bioproduktion« (BMELV) und
BioConSepT (EU) verschiedene Ansätze zur fermentativen Her-
stellung von Dicarbonsäuren aus pflanzlichen Ölen. Die Verfah-
rensentwicklung erfolgte am Beispiel von Rapsöl-Derivaten,
gilt aber ebenso für Öle, die nicht im Lebensmittelbereich ver-
wendet werden.
Durch die Entwicklung unterschiedlicher Fed-Batch-Verfahren
mit Organismen der Gattung Candida konnten wir Dicarbon-
säurekonzentrationen von bis zu 100 g/L aus Ölsäure errei-
chen. Gegenwärtig untersuchen wir eine Reihe weiterer Orga-
nismen zur Bereitstellung neuer, einfacher handzuhabender
Produktionsstämme, die eine möglichst hohe Dicarbonsäure-
ausbeute ermöglichen. In einem zweiten Ansatz werden
ausgewählte Stämme gentechnisch modifiziert. Die rekom-
binanten Stämme werden derzeit auf ihre Eignung als Pro-
duktionsstämme untersucht.
Dipl.-Biol. (t.o.) Dipl.-Ing. (FH) Susanne Zibek
Telefon +49 711 970-4167
www.igb.fraunhofer.de/dicarbonsaeuren
Epoxide aus pflanzlichen Ölen
Bei der Epoxidierung ungesättigter Fettsäuren und Triglyceride
entstehen polare Produkte mit hoher Reaktivität. Epoxide wer-
den daher als PVC-Stabilisatoren, Weichmacher, Quervernetzer
in Pulverbeschichtungen oder als Zusätze in Schmierölen und
Epoxidharzen eingesetzt. Bisher werden sie aus petrochemi-
schen Rohstoffen, neuerdings auch aus Sojaöl, hergestellt. Das
Fraunhofer IGB hat im vom BMELV geförderten Projekt »Integ-
rierte Bioproduktion« eine chemo-enzymatische Epoxidierung
pflanzlicher Öle untersucht, bei der Lipasen die Persäurebil-
dung aus Fettsäure und Wasserstoffperoxid katalysieren. Vor-
teile sind mildere Prozessbedingungen und eine höhere Selek-
tivität der Umsetzung. Als Rohstoff kam das nicht als
Lebensmittel verwendete Öl des einjährigen, krautigen Iberi-
schen Drachenkopfs zum Einsatz.
Den Umsatz unterschiedlicher Fettsäuren und Öle durch eine
immobilisierte Lipase aus Candida antarctica (Novozym® 435)
konnten wir im Hinblick auf Substratkonzentration, Wasser-
stoffperoxidzugabe, Lipasemenge und Temperatur so opti-
mieren, dass die Substrate zu 100 Prozent zu den korres-
pondierenden Epoxiden umgesetzt wurden. Darüber hinaus
haben wir in einem Screening neue, nicht kommerziell erhält-
liche Enzyme identifiziert, die eine Persäurebildung und somit
in einem Folgeschritt die Epoxidierung ungesättigter Fettsäu-
ren katalysieren. Die Enzyme werden derzeit charakterisiert
und auf einen technischen Einsatz untersucht, um das Verfah-
ren im technischen Maßstab umzusetzen.
Dipl.-Biol. (t.o.) Dipl.-Ing. (FH) Susanne Zibek
Telefon +49 711 970-4167
www.igb.fraunhofer.de/epoxide
BIOBASIERTE CHEMIKAlIEN UNd MATERIAlIEN
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vollständige verwertung von lignocellulose
Da die widerstandsfähige Struktur der Lignocellulose eine
effiziente Spaltung der Biomasse verhindert, können die in
ihr gebundenen Zucker und das Lignin nicht direkt aus ligno-
cellulosehaltigen Pflanzenmaterialien gewonnen werden. Das
Pflanzenmaterial muss daher in aller Regel mit physikalischen,
chemischen oder biologischen Verfahren vorbehandelt wer-
den. Beim Aufschluss der Lignocellulose nach dem Organo-
solv-Verfahren entstehen drei Wertstoffströme: Zum einen
die cellulosehaltige Faser, die durch cellulolytische Enzyme zu
Glukose hydrolysiert werden kann. Zum anderen die Auf-
schlusslösung, welche die gelösten Hemicellulose-Zucker so-
wie gelöstes Lignin enthält. Nach Ausfällung des Lignins und
enzymatischer Spaltung der enthaltenen Zucker-Oligomere
kann die Aufschlusslösung zur Fermentation von Mikroorga-
nismen verwendet werden. Die Fermentierbarkeit der Auf-
schlusslösung kann dabei durch eine enzymatische Detoxifika-
tion mit Laccase deutlich erhöht werden.
Innerhalb des vom BMELV geförderten Projekts »Lignocellulo-
se-Bioraffinerie« entwickeln Fraunhofer IGB und Fraunhofer
CBP mit weiteren Partnern aus Forschung und Wirtschaft das
Scale-up der Prozessschritte bis zu einem Maßstab von 1 Ton-
ne Holz pro Woche, um das Konzept eines integrierten Pro-
zessansatzes vom Rohstoff Lignocellulose bis zur Produktge-
winnung im Sinne einer Bioraffinerie umzusetzen.
Dipl.-Biol. (t.o.) Dipl.-Ing. (FH) Susanne Zibek
Telefon +49 711 970-4167
www.igb.fraunhofer.de/lignocellulose
Dr. Moritz Leschinsky
Telefon +49 3461 43-3502
www.cbp.fraunhofer.de
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Krabbenschalen als Rohstoff für Chemikalien
In dem von der EU geförderten Projekt ChiBio entwickelt das
Fraunhofer IGB unter Federführung der Straubinger Projekt-
gruppe BioCat neue Verfahren, um als Abfall anfallende Krab-
benschalen als Rohstoff für Chemikalien und neue Materialien
zu erschließen. Das Projektkonsortium setzt dabei auf einen
ganzheitlichen und umfassenden Ansatz. Nach Art einer Bio-
raffinerie sollen für den Krabbenschalenabfall verschiedene
stoffliche und energetische Nutzungswege entwickelt und op-
timiert werden, um so den Reststoff möglichst effizient und
vollständig zu verwerten.
Zunächst müssen die Reste des Krebsfleisches von den Schalen
entfernt werden. Die Biomassereste, die aus Proteinen und Fet-
ten bestehen, werden so abgetrennt, dass sie direkt vergoren
und energetisch genutzt werden können. Das gereinigte Chitin
kann dann mit Mikroorganismen oder Chitinasen, die bereits
am IGB isoliert und charakterisiert wurden, in seine monome-
ren Bausteine, den stickstoffhaltigen Zucker Glucosamin, ge-
spalten werden. Eine zentrale Aufgabe wird sein, Glucosamin
zu Grundbausteinen mit mindestens zwei funktionellen Grup-
pen umzusetzen, damit diese zu neuen, biobasierten Polyme-
ren verknüpft werden können. Hierzu werden chemische
Schritte mit biotechnologischen Verfahren kombiniert. Alle in
der Prozesskette anfallenden biobasierten Nebenprodukte sol-
len gemeinsam mit den anfänglich abgetrennten Proteinen
und Fetten zu Biogas als Energieträger vergoren werden.
Dr. Lars Wiemann
Telefon +49 9421 187-353
www.igb.fraunhofer.de/chibio
Rückgewinnung von Nährstoffen als dünger
Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor, Kalium, Calcium und
Schwefel sind unverzichtbar für die Produktion von Nahrungs-
mitteln und nachwachsenden Rohstoffen. So ist der Bedarf an
Nährstoffen weltweit stark gestiegen und mineralische Reser-
ven, z. B. von Phosphaterzen, sind knapp geworden. Bisher
werden die Nährstoffe mit der Ernte der Pflanzen aus dem Ag-
rarökosystem entfernt, eine Rückgewinnung findet kaum statt.
Das Fraunhofer IGB entwickelt Technologien zur Rückgewin-
nung von Nährstoffen aus Abwasser und organischen Rest-
stoffen wie Klärschlamm, Gülle oder Abfällen der Lebensmit-
telindustrie. Dabei werden Nährstoffe so ausgefällt oder
pelletiert, dass sie direkt als Dünger in der Landwirtschaft zur
Verfügung stehen. Patentiert hat das Fraunhofer IGB einen
elektrochemischen Prozess, mit dem Stickstoff und Phosphor,
ohne Zugabe von Salzen oder Laugen, als Magnesium-Ammo-
nium-Phosphat (Struvit) ausgefällt werden. Am Fraunhofer IGB
werden zudem Düngepellets aus organischen Verbindungen
mit definierter Zusammensetzung an Stickstoff und Phosphor
hergestellt. Mit organischen Bodenverbesserern können die
Verluste an organischer Substanz der Böden ausgeglichen und
die Bodenfruchtbarkeit verbessert werden. Düngepellets aus
organischen Reststoffen wurden auch mit Flocken von Cyano-
bakterien, die gegenüber Kohlpflanzen eine ausgewiesene
Repellentaktivität für den Schädling Kohlfliege besitzen, er-
folgreich kombiniert.
Jennifer Bilbao M. Sc.
Telefon +49 711 970-3646
www.igb.fraunhofer.de/naehrstoffrueckgewinnung
BIOBASIERTE CHEMIKAlIEN UNd MATERIAlIEN
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stoffliche nutzunG nachwachsender
rohstoffe im industriellen massstaB
Das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna schließt die
Lücke zwischen Labor und industrieller Umsetzung: Durch die Bereitstellung von Infrastruktur
und Technikums-/Miniplant-Anlagen ermöglicht das CBP Partnern aus Forschung und Industrie
die Entwicklung und Skalierung biotechnologischer und chemischer Prozesse zur Nutzung
nachwachsender Rohstoffe bis zum industriellen Maßstab. Mit einem flexibel einsetzbaren Bio-
raffineriekonzept können pflanzliche Öle, Cellulose, Stärke oder Zucker aufbereitet und zu
chemischen Produkten umgesetzt werden.
Die Module Technische Enzyme und Fermentation ermöglichen die Entwicklung und Skalierung
biotechnologischer Prozesse, beispielsweise zur Produktion technischer Enzyme, bis in den
Maßstab von 10 m3. Die Anlage ist maximal flexibel gestaltet, indem die verschiedenen Appara-
te beliebig miteinander kombiniert werden können.
Das Fraunhofer CBP gehört zum Spitzencluster BioEconomy, der vom BMBF gefördert wird. Ziel
ist die nachhaltige Wertschöpfung aus Non-Food-Biomasse wie Holz zur Herstellung von Werk-
stoffen, Chemieprodukten und Energie.
Dipl.-Ing. (FH) Gerd Unkelbach
Telefon +49 3461 43-3508
www.cbp.fraunhofer.de
© Scherr + Klimke AG, Ulm
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funktionale oBerflächen und materialien
Ein Großteil von Produktinnovationen basiert auf der Entwick-
lung neuer Materialien oder neuer Materialeigenschaften. Am
Fraunhofer IGB entwickeln wir funktionale Oberflächen und
Materialien in Hinblick auf konkrete Anwendungen. Dazu ent-
koppeln wir die Eigenschaften, die das Material im Volumen
besitzt, von denen seiner Oberfläche – durch Grenzflächen-
verfahrenstechnik unter Nutzung der Nanotechnologie. Mit
maßgeschneiderten Beschichtungen, die ihrerseits verfahrens-
technisch auf Ressourceneffizienz getrimmt sind, ergeben sich
neue Wahlmöglichkeiten für die Basismaterialien von Werk-
stücken und damit für neue Produkte.
Mit funktionalen Oberflächen lassen sich sehr
unterschiedliche Anforderungen erfüllen:
Schutz- und Barriereschichten
In Form von Schutzschichten können sie, durch mechanische
Eigenschaften und chemische Resistenz, Materialien gegen
Verkratzen oder Korrosion schützen. Hier beschichten wir
Schaugläser aus Polycarbonat von Armaturen, um ein Verkrat-
zen zu verhindern. Als Barriere auf Verpackungen kann die
Oxidation von Füllgütern verzögert oder vermindert und damit
die Lebensdauer von Produkten verlängert werden. Umge-
kehrt kann auch die Austrocknung oder das Entweichen von
Gasen wie CO2 deutlich vermindert werden.
Haftung
Eine Ausrüstung mit chemischen Funktionen kann genutzt
werden, um die Haftung von Materialien im Verbund zu errei-
chen, wie es beispielsweise im Leichtbau für Faserverbund-
werkstoffe erforderlich ist. Die chemische Anbindung funktio-
neller Gruppen hilft so, nachhaltige Produkte zu generieren.
Auch das Gegenteil kann erreicht werden. Zum Beispiel wur-
den in einem vom BMBF geförderten Projekt gemeinsam mit
industriellen Partnern Oberflächen mit deutlich verminderter
Eishaftung für die Luftfahrt entwickelt.
Tribologie
Neue Beschichtungen im dynamischen Kontakt von Kompo-
nenten (zum Beispiel in Lagern) können einerseits die Reib-
werte senken und andererseits den Verschleiß minimieren. Sie
liefern somit sowohl einen Beitrag zur Energie- wie auch zur
Materialeffizienz. Hierzu wurden neuartige Schichten für alle
Komponenten von Keramiklagern in einem vom BMBF geför-
derten Projekt entwickelt.
Biotechnologie und Medizin
Ebenso erforschen wir Oberflächen für die industrielle Bio-
technologie (Analytik, Stofftrennung) und Träger für die hete-
rogene (Bio)-Katalyse. Zudem werden Oberflächen an medizi-
nische Bedürfnisse (Biokompatibilität) angepasst. Hier haben
wir beispielsweise Silber freisetzende Schichten für Trachea-
implantate entwickelt, die den Befall mit Bakterien deutlich
reduzieren. Für die Blutwäsche sind Oberflächen von Plasma-
pheresemembranen so ausgerüstet worden, dass spezielle
Giftstoffe, sogenannte Endotoxine, spezifisch aus dem Blut
gefischt werden können.
Dünne Schichten mit inneren Strukturen
Zunehmendes Interesse finden auch dünne Schichten mit inne-
ren Strukturen, zum Beispiel amorphe Schichten mit Mikrokris-
talliten für die Photovoltaik oder Nanoschäume und poröse
Schichten als Träger für prokaryotische und eukaryotische Zellen.
15
Diese können auch als Reservoir für die Freisetzung von
Wirkstoffen (Release-Systeme) oder als Trägerstrukturen für
elektrische Ladungen dienen (Supercaps).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch die Ver-
edelung der Materialoberflächen mittels Grenzflächenverfah-
renstechnik neue Produkte für die Geschäftsfelder Energie,
Pharmazie und Medizin entwickelt werden, wobei Aspekte
der Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit im Fokus
stehen.
Aktuelle Forschungsthemen
Funktionale Oberflächen
Entwicklung von Schutzschichten gegen Permeation,
Korrosion, Abrieb und Verkratzen
Verbesserung der Restentleerbarkeit von Kunststoffbe-
hältern für Lebensmittel, Pflanzenschutzmittel, Kosmetik
sowie Medizin- und Pharmaprodukte
Entwicklung von Schichten für eine verminderte Reibung
in Lagern
Oberflächenstrukturen, die die Eishaftung für die Luftfahrt,
für Windenergieanlagen und Latentwärmespeicher deut-
lich reduzieren
Untersuchung von Mechanismen, mit denen sich die
Eigenschaften von Biomaterialoberflächen schalten lassen
Entwicklung und Charakterisierung photokatalytischer
Oberflächen für den Dentalbereich wie auch für den
Abbau von Schadstoffen
Beschichtungs-/ Funktionalisierungsverfahren
Plasmaprozesse, beispielsweise für Reinigung und Sterili-
sierung oder Aufbringung von Schutz- und Funktions-
schichten
Mikro- und Nanostrukturierung von Oberflächen durch
(reaktives) Bedrucken mit speziellen Tinten
Ersatz von lösemittelbasierten Oberflächenprozessen
(Reinigung, Verklebung, Bedrucken)
Partikuläre Materialien
Entwicklung und Herstellung von NANOCYTES®,
funktioneller Kern-Schale-Partikel
Modifizierung von Kohlenstoffnanoröhren und Graphen
für den Einsatz in Polymerkompositen, Membranen, trans-
parenten leitfähigen Schichten und Elektrodenmaterialien
Synthese von multifunktionellen PEGs durch Seitenketten-
funktionalisierung für elastische und biokompatible Hydrogele
Kompositmaterialien
Entwicklung und Skalierung von Materialien mit variablem
Anteil an inneren Grenzflächen (Membranen, Barriere-
schichten, Nanoschäume) zur Nutzung von korngrenzen-
gesteuertem Transport
Materialcharakterisierung und Analytik
Untersuchung von Oberflächenstrukturen bis in den
Nanometerbereich
Analyse der chemischen Zusammensetzung nach
Element und chemischen Funktionen bis in nanometrische
Dimensionen
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Anti-Eis-Schichten
Die Vereisung von Oberflächen ist für Tragflächen von Flugzeu-
gen, Rotorblätter von Windrädern oder auch Stromleitungen
ein Problem. In dem vom BMBF geförderten Verbundprojekt
NANODYN hat das Fraunhofer IGB eine effektive Anti-Eis-Aus-
rüstung für Kunststoffoberflächen entwickelt. Hierzu werden
wasserabweisende mikro- und nanostrukturierte Schichten
mittels Plasmatechnologie auf Kunststofffolien aus schlag- und
stoßfestem Polyurethan (PU) aufgebracht. Die nur wenige Na-
nometer messenden Schichten verändern die Benetzung mit
Wasser, so dass dies von der Oberfläche abgestoßen wird. So
bleibt Wasser auch bei Temperaturen unter Null Grad auf den
beschichteten Folien flüssig, denn die Schichten bieten dem
Wasser keine Kristallisationskeime auf der Oberfläche und es
verbleibt in einem »stark unterkühlten« Zustand. In der Eiskam-
mer bei Minus 30 Grad zeigte sich, dass die Anti-Eis-Ausrüs-
tung die Haftung von Eis um mehr als 90 Prozent reduziert.
Die nanostrukturierte Folie kann einfach auf Rotorblätter, Trag-
flächen, Solarpaneele, Freileitungen und Gebäudeteile aufge-
klebt werden.
Dr. Michael Haupt
Telefon +49 711 970-4028
www.igb.fraunhofer.de/eisfrei
Reibungsmindernde Schichten
Schätzungen zufolge entstehen in den Industrieländern durch
Reibung und Verschleiß von Maschinenbauteilen (wobei Wär-
me erzeugt und freigesetzt wird) jedes Jahr Verluste in Höhe
von fünf Prozent des Bruttosozialprodukts. Durch eine gezielte
Veränderung der physikalisch-chemischen Eigenschaften der
Materialoberflächen könnten Reibung und Verschleiß vermin-
dert und die Verluste beträchtlich reduziert werden. Ein viel-
versprechender Weg dabei ist, das Benetzungsverhalten von
Oberflächen gegenüber Medien wie Schmierstoffen, Luft-
feuchte, Wasser oder Reinigungsmitteln mittels einer Plasma-
modifikation zu verändern.
Das Fraunhofer IGB hat daher im Verbund mit Partnern aus
Forschung und Industrie mikro- und nanoskalig strukturierte
Schichten entwickelt, mit denen sich die Benetzungseigen-
schaften von Oberflächen steuern lassen. Mikro- und nanos-
trukturierte Oberflächen weisen geordnete Strukturen bis zu
einer Größenordnung von nur wenigen Nanometern auf. Die
Strukturierung der Oberflächen beeinflusst neben den chemi-
schen Eigenschaften auch die Benetzungseigenschaften. Bei-
des, sowohl die Chemie der Oberfläche als auch die Topogra-
phie, konnten wir durch eine Plasmabeschichtung gezielt auf
die Anwendung abstimmen. So konnten wir die Reibung in
beschichteten Wälzlagern um bis zu 30 Prozent reduzieren.
Die Grundlagen wurden in dem BMBF-geförderten Projekt
NANODYN entwickelt.
Dr. Michael Haupt
Telefon +49 711 970-4028
www.igb.fraunhofer.de/reibungsmindernd
Beispiele aus unserer forschunG
FUNKTIONAlE OBERFläCHEN UNd MATERIAlIEN
17
Kombinierte Schichten – Barriere und Restentleerbarkeit
Mittels Plasmatechnik erzeugt das Fraunhofer IGB anorgani-
sche Barriereschichten, die wie eine Sperre gegenüber Sauer-
stoff oder Wasserdampf wirken und das verpackte Produkt
vor Oxidation und Feuchte schützen. Durch Optimierung ver-
schiedener Prozessparameter wie der Art und Menge des
eingesetzten Plasmagases, der Anregungsfrequenz, der Gas-
strömung, dem Druck und der Behandlungszeit können die
abgeschiedenen Barriereschichten, durch silikonartige Zwi-
schenschichten voneinander getrennt und zusätzlich mit einer
weiteren Schicht kombiniert werden, die ein Ablaufen des
Füllguts beim Entleeren der Verpackung verbessert.
Auf diese Weise konnte die Barrierewirkung des Kunststoffes
PET gegen Wasserdampf und Sauerstoff um etwa den Faktor
1000 gegenüber dem unbehandelten Material erhöht werden.
Vergleicht man die Beschichtung mit einer handelsüblichen
Beschichtung auf Basis von Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer
(EVOH), dann wird Sauerstoff fünfmal besser und Wasser-
dampf sogar 50-mal besser zurückgehalten. Die Restentleer-
barkeit ist um den Faktor vier erhöht. Die kombinierten Multi-
funktionsschichten eignen sich sowohl für Kunststoffflaschen,
die sauerstoffempfindliche und viskose Lebensmittel wie Ket-
chup enthalten, als auch für Kanister, in denen Chemikalien
aufbewahrt werden. Auch für proteinbasierte Medikamente,
die trotz Bruchgefahr in Glasfläschchen verpackt werden, wä-
ren sie geeignet. Die Grundlagen wurden in dem vom BMBF
geförderten Projekt INNOFUNK entwickelt.
Dr. Jakob Barz
Telefon +49 711 970-4114
www.igb.fraunhofer.de/barriereschichten
NANOCYTES® – Biofunktionale Kern-Schale-Partikel
In der Nanobiotechnologie kommt den »biofunktionalen«,
mit biologisch aktiven Molekülen ausgestatteten Oberflächen,
eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie fischen bestimmte
Moleküle aus ihrer biologischen Umgebung, empfangen Sig-
nale oder stimulieren eine Reaktion. Nano- und Mikropartikel
mit einem Durchmesser von 30 Nanometern bis mehreren
100 Mikrometern werden am Fraunhofer IGB aus organischen
und anorganischen Materialien nach der NANOCYTES®-
Technologie hergestellt. Die Partikelkerne können aus bestän-
digen oder abbaubaren Stoffen bestehen.
Mit unserer NANOCYTES®-Technologie können wir Biomole-
küle wie Peptide, Antikörper oder auch Enzyme an partikuläre
Systeme im Nanometerbereich ankoppeln und immobilisieren.
Hierbei beruhen die grundlegenden Eigenschaften und Vor-
teile der Konjugate auf ihrer geringen Größe und dem daraus
resultierenden Volumen/Oberflächen-Effekt. Beladen mit
Biomolekülen und/oder Farbstoffen finden die Partikel An-
wendungen als Träger für Wirkstoffe im Drug Targeting, auf
Microarrays oder Sensoren. Molekular geprägte Nanopartikel
ermöglichen als selektive Adsorber neue Lösungen in der
Trenntechnik (siehe Prozessintensivierung und -integration).
Dr. Achim Weber
Telefon +49 711 970-4022
www.igb.fraunhofer.de/nanocytes
18
on
R
Multifunktionelle PEG über Seitenkettenfunktionalisierung
Das Polymer Polyethylenglykol (PEG) ist nicht toxisch, nicht
immunogen, hydrophil und hochelastisch. Es eignet sich somit
für vielfältige Anwendungen in Medizintechnik, Pharmazie,
Chemie- und Kosmetikindustrie. Derzeit stehen kommerziell
endgruppenfunktionalisierte PEG zur Verfügung, die Auswahl
verfügbarer Kettenlängen ist allerdings begrenzt.
Das Fraunhofer IGB hat mittels polymeranaloger und mono-
merbasierter Synthesestrategien neuartige multifunktionelle
PEG entwickelt, bei denen die chemisch reaktiven funktionel-
len Gruppen (Thiol, Amin, Carboxyl, photoaktivierbare Grup-
pen) in Seitenketten des PEG vorliegen. Ein zum Patent ange-
meldetes multifunktionelles Thiol-PEG beispielsweise bildet mit
Michael-Akzeptoren wie PEG-700-Diacrylat innerhalb weniger
Sekunden biokompatible Hydrogele. Eigenschaften wie die
Quellbarkeit lassen sich über das Verhältnis der Reagenzien
einstellen. Über gezielte Variation der Reaktionsführung kön-
nen wir beliebige Mengen Thiolgruppen an PEG anbringen
und Copolymere aus verschieden funktionalisierten PEG her-
stellen. Weitere Anwendungen sind die »PEGylierung« von
Oberflächen aus Gold oder von acrylgruppentragenden Ober-
flächen sowie der Einsatz als biokompatible Matrix von Drug-
Delivery-Systemen.
Dr. Michaela Müller
Telefon +49 711 970-4140
www.igb.fraunhofer.de/peg
Strukturierte Oberflächen mittels moderner drucktechnik
Unter den etablierten Drucktechniken bietet der Inkjet-Druck
eine hochattraktive Technik, um in der Fläche oder dreidimen-
sional Strukturen zu erzeugen, die zuvor am Rechner entwor-
fen werden. Am Fraunhofer IGB werden Tintenformulierungen
für die Verarbeitung vielfältiger Funktionskomponenten wie
Hydrogele, Nanopartikel, Proteine und leitfähige Materialien
erarbeitet. Zur Einstellung der Viskosität und Oberflächenspan-
nung funktioneller Tinten passen wir die Eigenschaften der
Funktionskomponenten an. Je nach Anforderung werden
wässrige oder lösemittelbasierte Tinten hergestellt. Für Anwen-
dungen im Tissue Engineering werden beispielsweise initiator-
frei vernetzende biokompatible Hydrogele entwickelt und Bio-
moleküle, durch chemische Modifizierung mit vernetzbaren
Gruppen oder Funktionalitäten, zur Steuerung der Löslichkeits-
eigenschaften und Viskosität ausgestattet.
Für optimale Druckergebnisse werden unterschiedliche Subst-
ratmaterialien nasschemisch oder mittels Plasmatechnologie
vorbehandelt, um ein optimales Druckbild zu erhalten. Folgen-
de Beispiele für Tinten stehen in unserem Fokus:
Initiatorfrei vernetzende Zwei-Komponenten-Systeme
Modifizierte Biomoleküle
Zellhaltige Tinten
Suspensionen metallischer oder oxidischer Partikel
Kohlenstoffhaltige Tinten
Dr. Kirsten Borchers
Telefon +49 711 970-4121
www.igb.fraunhofer.de/druckverfahren
FUNKTIONAlE OBERFläCHEN UNd MATERIAlIEN
19
20
prozessintensivierunG und -inteGration
Technische Verfahren werden zunehmend in Hinsicht auf ihre
Ressourceneffizienz bewertet und für industrielle Prozesse ein-
gesetzt. So sind die umfassende Kontrolle von Stoffströmen
und gegebenenfalls die Kreislaufführung von Nebenproduk-
ten in das Zentrum des Interesses der chemischen Industrie
gerückt. Dementsprechend entwickeln wir am Fraunhofer IGB
effektive Stofftrennverfahren, um hochreine Substanzströme
für definierte Stoffwandlungsprozesse garantieren zu können.
Je besser die Stoffwandlung kontrolliert wird, umso besser
lassen sich auch Nebenproduktströme handhaben. Dies dient
sowohl der Materialeffizienz als auch der Energieeffizienz –
und damit der Wirtschaftlichkeit der Prozesse.
Integraler Produktionsfaktor Stofftrennung
In der Natur liegen die meisten organischen und anorgani-
schen Stoffe, die der Mensch als Ausgangssubstanzen für Pro-
dukte gewinnt, als Stoffgemische vor. Auch bei der chemi-
schen Synthese entstehen in der Regel Stoffgemische oder
Produkte, die mit Nebenprodukten verunreinigt sind. Eine
Schlüsselaufgabe bei den meisten Prozessen in Chemie und
Biotechnologie ist daher die Abtrennung von Molekülen aus
Gemischen, entweder zur Gewinnung oder Aufreinigung von
Stoffen oder zur Entfernung störender Nebenprodukte.
Gleichbedeutend mit dem eigentlichen chemischen oder bio-
technologischen Herstellungsverfahren ist daher die Abtren-
nung und Reinigung des Produkts ein integraler Bestandteil
des Produktionsprozesses, die Effizienz der Trenn- und Reini-
gungsverfahren somit ein entscheidender Kostenfaktor. Dies
gilt auch und besonders für biotechnologische Verfahren, de-
ren Produkte oft empfindlich gegenüber höheren Temperatu-
ren oder Drücken sind.
Schwerpunkt Membranverfahren
Technische Membranen sind das Werkzeug der Wahl, wenn es
um die Trennung von Stoffgemischen geht. Am Fraunhofer IGB
entwickeln wir neuartige Membranen für Anwendungsgebiete
wie Hochtemperaturanwendungen (H2- und O2-Gasgewin-
nung bzw. -Reinigung), Reformierung, die Filtration von ag-
gressiven Medien und die Medizintechnik (biokompatible oder
bioabbaubare Membranen). Außerdem arbeiten wir an der
Entwicklung von Membranreaktoren, die die direkte Integrati-
on von chemischen Reaktionen mit Stofftrennungen erlauben.
Dabei stellen wir Hohlfasermembranen (Außendurchmesser
von 0,5 bis 4 mm und Wandstärken zwischen 50 und 500 µm),
Flachmembranen (20–200 µm), Kapillarmembranen oder
Submikronfasern (Elektrospinnen) her und verarbeiten sowohl
polymere und keramische Werkstoffe als auch Komposite.
Bei der Stofftrennung mittels Membranen werden die Kompo-
nenten eines Gemisches nach Größe (Porenradien und Vernet-
zungsgrad der Membranstruktur) und Wechselwirkung mit
den inneren chemischen Funktionen der Membranstruktur
sortiert. Eine Optimierung dieser Eigenschaften auf optimale
Stofftrennung führt häufig zur Instabilität der Struktur oder
zu geringem Durchsatz. Daher sind neue materialtechnische
Ansätze gefordert, die speziell auf das zu trennende Stoff-
gemisch angepasst werden müssen. Hier entwickeln wir neue
Materialien, die sowohl eine hohe Selektivität im Trennprozess
als auch einen hohen Durchsatz erlauben.
21
Mechanische, thermische und elektrophysikalische
Trennfahren
Die Membranverfahren werden durch Kompetenzen zu klassi-
schen Verfahren der Stofftrennung wie Flotation oder Sedi-
mentation ergänzt. Darüber hinaus bearbeiten wir auch ther-
mische Trennverfahren sowie Trennverfahren, deren
Funktionalität auf der Wirkung von statischen und frequenten
Magnetfeldern beruht. Hier werden physikalische Eigenschaf-
ten der Atome bzw. Moleküle von Stoffen, beispielsweise ihre
Polarität, direkt genutzt.
Auch bei diesen Prozessentwicklungen verfolgen wir das Ziel
einer möglichst hohen Effizienz. Ein wichtiger Faktor hierbei
ist die Kombination von Funktionalitäten in einem einzigen
Prozessschritt. Beispielhaft sei hier die Trocknung mit integ-
rierter Rückgewinnung volatiler Stoffe genannt.
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Entwicklung von
Prozessen zur Aufarbeitung von Produktströmen aus der Bio-
technologie und pharmazeutischen Industrie, beispielsweise
mittels präparativer Chromatographie.
Aktuelle Forschungsthemen
Membrantechnik
Entwicklung von Flach- oder Hohlfasermembranen aus
organischen oder anorganischen Materialien
Abtrennung von Sauerstoff aus O2 / N2-Gemischen für
Oxidationsreaktionen, eine reinere Verbrennung fossiler
Energieträger oder die oxidative Dehydrierung
Membranreaktoren für die direkte Kopplung von Reaktion
und Stofftrennung
Abtrennung von Wasserstoff
Abtrennung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid
(CCU, CCS) nach Verbrennungsprozessen für die weitere
Verwertung oder Speicherung von CO2
Elektrodialyse zur integrierten Rückgewinnung von
Hilfsstoffen wie Säuren und Laugen
Extraktion/Adsorption
Extraktion mit überkritischem CO2 und anderen über-
kritischen Fluiden zur schonenden Produktisolierung
Entwicklung von Membranen aus ionischen Flüssigkeiten
für die Gasadsorption, z. B. zur Abtrennung von CO2
Selektive Kondensation zur spezifischen Rückgewinnung
volatiler Stoffe
Prozessentwicklung zur Aufarbeitung von Produktströmen
aus der Pharmaindustrie (präparative Chromatographie)
Kreislaufführung von Stoffströmen
Fällungsprozesse in einer elektrolytischen Zelle, die Metall-
ionen freisetzt, zur Bildung von Hydroxid-Flocken ohne
begleitende Salzfracht
Elektrochemisches Verfahren mit Magnesium-Opferelek-
trode zur Fällung von Magnesium-Ammonium-Phosphat
aus dem Prozesswasser eines Bioreaktors
Elektrische Felder zum Energieeintrag in Stoffvolumina
Energieeffiziente und produktschonende Trocknung
mit überhitztem Dampf bei atmosphärischem Druck
Vakuumverdampfung zur Minimierung von Abfallströmen
und Rückgewinnung volatiler Wertstoffe unter Nutzung
von Abwärme
Entwicklung von Bioleaching-Prozessen zur Isolierung von
Wertstoffen aus festen und flüssigen Stoffen / Stoffströmen
22
Beispiele aus unserer forschunG
Kapillarmembranen für die Gastrennung
Für die Auftrennung von Gasgemischen gibt es verschiedene
Membrantypen. Verglichen mit kryogenen Methoden der
Gastrennung bieten Membranen eine höhere Selektivität und
sind deutlich energieeffizienter. Für die Abtrennung von Was-
serstoff haben wir am Fraunhofer IGB palladiumbeschichtete
Keramikkapillarmembranen entwickelt. Perowskitische Kapillar-
membranen können in Hochtemperaturprozesse integriert
werden und finden Anwendung in der Abtrennung von Sauer-
stoff aus Luft, beispielsweise im Oxyfuel-Prozess in CO2-redu-
zierten Kraftwerken oder in der Synthesegasproduktion.
Dichte Kapillarmembranen, die aus Perowskiten unterschiedli-
cher Zusammensetzung bestehen, stellen wir am Fraunhofer
IGB über einen Phaseninversionsprozess her. Die Geometrie
der Kapillaren kann einerseits über unterschiedliche Spinndü-
sen und andererseits über eine Variation der Spinnparameter
eingestellt werden. Auf diese Weise konnten wir gemischtlei-
tende Kapillarmembranen mit exzellentem Sauerstofffluss her-
stellen. Aufgrund des Transports von Sauerstoff durch das Kris-
tallgitter ist die Selektivität von O2 zu N2 annähernd unendlich.
Diese dichten perowskitischen Kapillarmembranen finden An-
wendung in der partiellen Oxidation von Gasen wie bei der
Syngas-Produktion. Ebenso können sie zur Bereitstellung von
reinem Sauerstoff eingesetzt werden, der beispielsweise für
den Oxyfuel-Prozess in CO2-reduzierten Kohlekraftwerken zur
besseren Abtrennung und Speicherung des Rauchgases benö-
tigt wird. Kapillarmembranen wurden unter anderem in dem
vom BMBF geförderten Projekt KAMERA entwickelt.
Dr. Thomas Schiestel
Telefon +49 711 970-4164
www.igb.fraunhofer.de/gastrennmembranen
Pervaporation mit Mixed-Matrix-Membranen
Ein Ansatz, die Trenneigenschaften von Membranen zu ver-
bessern, sind sogenannte Mixed-Matrix-Membranen. Dabei
werden beispielsweise anorganische Partikel homogen in einer
polymeren Matrix dispergiert. Wichtig ist hierbei, die innere
Grenzfläche zwischen diesen Matrices so zu gestalten, dass
es zu einer guten Haftung zwischen beiden Phasen kommt.
Die Verbesserung der Membranleistung kann dann einerseits
durch die Funktionalität der anorganischen Partikel (z. B. Zeo-
lithe oder MOF), andererseits durch den Einfluss der Phasen-
grenzen auf den Transport erreicht werden.
Unser Ansatz mit Mixed-Matrix-Membranen ermöglicht die
einfache Einstellung von Löslichkeitseigenschaften durch eine
Variation funktioneller Modifikatoren an den Phasengrenzen.
Membraneigenschaften können beispielsweise von hydrophil
zu hydrophob verschoben werden. Auch können wir die
Quelleigenschaften und damit die Siebeffekte der Membran
kontrolliert anpassen. Hierdurch ergibt sich ein breites Anwen-
dungspotenzial, das von der Entwässerung von Alkoholen
bis zur Aufkonzentrierung von Alkoholen aus verdünnten Lö-
sungen reicht (Bioethanol, Biobutanol).
Dr. Thomas Schiestel
Telefon +49 711 970-4164
www.igb.fraunhofer.de/pervaporationsmembranen
PROzESSINTENSIvIERUNG UNd -INTEGRATION
23
Membranreaktoren
Chemische Umsetzungen sind nachfolgend meist mit Stoff-
trennungen verbunden. Eine direkte Kopplung dieser beiden
Prozessschritte erlaubt oft eine Intensivierung des Gesamtpro-
zesses. Dies kann in sogenannten Membranreaktoren genutzt
werden. Ein Beispiel hierfür ist ein Extraktor, bei dem ein ther-
modynamisches Gleichgewicht durch die Abtrennung eines
Produktes verschoben werden kann.
So konnten wir mit perowskitischen Kapillarmembranen durch
die Abtrennung des Sauerstoffes die Spaltung des Wassers
bei deutlich niedrigeren Temperaturen durchführen. Außer-
dem können Reaktanden über Membranen in sogenannten
Distributoren zu einer Reaktion zugegeben werden. Für eine
direkte selektive Hydrierung kann Wasserstoff beispielsweise
über eine Palladiummembran oder für eine oxidative Dehyd-
rierung Sauerstoff über eine MIEC-Membran zu dosiert wer-
den. Sogar gering konzentrierte Spurenschadstoffe, sogenannte
Micropollutants, können mit Membranreaktoren katalytisch
abgebaut werden. Wesentliche Arbeiten wurden im BMBF-
geförderten Projekt SynMem erarbeitet.
Dr. Thomas Schiestel
Telefon +49 711 970-4164
www.igb.fraunhofer.de/membranreaktoren
Membranen auf der Basis ionischer Flüssigkeiten
Verglichen mit gewöhnlichen organischen Lösemitteln haben
ionische Flüssigkeiten nahezu keinen Dampfdruck und eine
hohe thermische Stabilität von bis zu 450 °C. In Kombination
mit (insbesondere keramischen) Membranen als Trägerstruktur
sind Flüssigmembranen zugänglich, die nicht austrocknen.
Unterschiedliche Geometrien und Membranmaterialien in
Kombination mit der Vielfalt verfügbarer ionischer Liquide
bieten ein breites Anwendungspotenzial. Ein Schwerpunkt un-
serer Arbeiten am Fraunhofer IGB liegt in der Entwicklung
von sogenannten Supported Ionic Liquid Membranes (SILM),
trägergestützten Membranen aus ionischen Flüssigkeiten,
für die Abtrennung von CO2 aus Biogas oder der Abluft von
Kraftwerken. Diese werden im Rahmen des Fraunhofer inter-
nen MAVO-Projektes IL-ECHEM bearbeitet.
Dr. Thomas Schiestel
Telefon +49 711 970-4164
www.igb.fraunhofer.de/silm
24
Beispiele aus unserer forschunG
NANOCYTES® – Selektive Adsorberpartikel
Eine Schlüsselaufgabe bei vielen Prozessen in Chemie, aber
auch Pharmazie und Biotechnologie, ist die spezifische Abtren-
nung von Molekülen aus Gemischen, entweder zur Gewin-
nung oder Aufreinigung von Stoffen oder zur Entfernung stö-
render Begleitstoffe. Molekular geprägte Polymernanopartikel
(Nanoscopic Molecularly Imprinted Polymers, NanoMIPs) sind
als Adsorber für die Lösung dieser Fragestellungen hervorra-
gend geeignet und binden Aminosäuren, Peptide und Protei-
ne, aber auch niedermolekulare Verbindungen oder Störstoffe
wie Toxine und Substanzen mit endokriner Wirkung.
Werden die NanoMIPs als Polymerpartikelsuspension einge-
setzt, können sie zur leichteren Abtrennung mit einem magne-
tisierbaren Kern aus Magnetit ausgestattet werden. Dies er-
möglicht eine schnelle und einfache Abtrennung mittels eines
Magnetabscheiders. Ebenso können die Adsorberpartikel als
selektives Element zwischen zwei Membranen eingebunden
werden, so dass eine Sandwich-Kompositmembran entsteht.
Eine weitere Möglichkeit ist, die Adsorberpartikel direkt wäh-
rend der Membranherstellung mittels Phaseninversionstechnik
zu einer Polymerlösung hinzugegeben.
Dr. Achim Weber
Telefon +49 711 970-4022
www.igb.fraunhofer.de/adsorberpartikel
Stabilisierung und Spaltung von Kühlschmierstoffen
Kühlschmierstoffe dienen der Schmierung, Kühlung und dem
Schutz vor Korrosion von Metalloberflächen während ihrer
Bearbeitung. Im Laufe ihres Einsatzes verschlechtert sich die
Qualität der Kühlschmierstoffemulsionen – die Emulsion trennt
sich in ihre Phasen.
Das Fraunhofer IGB entwickelt effektive und kostengünstige
Technologien, um die Standzeit von Kühlschmierstoffen – ohne
Zugabe toxischer Chemikalien – zu verlängern. Mikrobiologi-
sche Kontaminationen in Kühlschmierstoffen konnten wir er-
folgreich mit fokussiertem Ultraschall reduzieren. Für eine Wei-
ter- und Wiederverwertung der Kühlschmierstoffe müssen die
verbrauchten Emulsionen am Ende ihrer Lebenszeit in ihre Ein-
zelphasen (Wasser, Öl, Additive) aufgetrennt werden. Diese
Aufspaltung der Emulsion konnten wir chemikalienfrei durch
äußere energetische Felder erreichen, ebenso wie die kontinu-
ierliche, selektive Abtrennung von Fremdölen aus der Emulsion
– ohne deren Struktur chemisch oder physikalisch zu verändern.
Alexander Karos M. Sc.
Telefon +49 711 970-3564
www.igb.fraunhofer.de/kuehlschmierstoffe
PROzESSINTENSIvIERUNG UNd -INTEGRATION
25
26
Die in dieser Broschüre für die Wertschöpfungskette in der
Chemie erwähnten Technologien und Verfahren sind vielfach
grundlegende chemische Prozesse und von daher auch in
anderen Bereichen der industriellen Produktion von Relevanz.
So ergeben sich fließende Übergänge zu den vier weiteren
Geschäftsfeldern des Fraunhofer IGB, besonders zu den
Geschäftsfeldern Umwelt und Energie, aber auch zu den Ge-
schäftsfeldern Medizin und Pharmazie.
Ergeben sich Wechselwirkungen zur umgebenden Umwelt
wie Wasser, Luft oder Boden, so finden Sie unsere For-
schungsaktivitäten beispielsweise zu Stofftrennverfahren, die
vorteilhaft zur Rückgewinnung oder Reinigung eingesetzt
werden können, in der Broschüre zum Geschäftsfeld Umwelt.
Membranen für die Energiewandlung und -bereitstellung
(Osmosekraftwerk, Brennstoffzellen) sowie die energetische
Nutzung von Biomasse (Vergärung zu Biogas) und die Bereit-
stellung von Kraftstoffen, finden Sie in der Broschüre zum
Geschäftsfeld Energie.
Die Veredelung von Oberflächen für biokompatible Medizin-
technikprodukte oder der Einsatz von Nanopartikeln zur
Wirkstofffreisetzung werden dementsprechend in weiteren
Broschüren zu den Geschäftsfeldern Medizin und Pharmazie
vorgestellt.
Forschungs- und dienstleistungsangebot
Markt- und Technologieanalysen
Machbarkeitsstudien
Auftragsanalysen (teilweise akkreditiert)
Verfahrens-, Technologie- und Produktentwicklung
Optimierung bestehender Technologien und Anlagen
Erprobung der entwickelten Verfahren und Anlagen vor Ort
(Prototypen, Demonstrationsanlagen)
Informationen zu geeigneten Fördermöglichkeiten
(Land, Bund, EU)
Spezielle dienstleistungen
Physikalisch-chemische Analytik
Qualitätskontrolle, Spuren- und Rückstandsanalytik
Hochauflösende 400-MHz-NMR-Analytik
Molekülstrukturaufklärung, Reaktionsverfolgung
Oberflächen- und Partikelanalytik
Charakterisierung chemischer, physikalischer und morphologi-
scher Eigenschaften von Materialoberflächen, dünnen Schich-
ten, Pulvern und Partikeln
Mikrobiologische Bewertung
Nachweis von Mikroorganismen auf Oberflächen und in
prozessberührten Medien
Bewertung und Ersatz kritischer Chemikalien / REACH
Untersuchung von Chemikalien auf ihr Gefährdungspotenzial
nach Regularien der EU, beispielsweise mit Zellkulturen und
dreidimensionalen organoiden Gewebemodellen
weitere Geschäftsfelder am fraunhofer iGB
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Biobasierte Chemikalien und Materialien
Broschüre »Vom Rohstoff zum Produkt – Industrielle
Biotechnologie in der Fraunhofer-Gesellschaft«
Broschüre »Industrielle Biotechnologie – Die Natur als
chemische Fabrik«
Broschüre »Algen – Nachhaltige Rohstoffquelle für
Wertstoffe und Energie«
Broschüre »Rückgewinnung von Nährstoffen zur
Herstellung von Düngemitteln«
Broschüre »Prozesszentrum für die stoffliche Nutzung
nachwachsender Rohstoffe«, Fraunhofer CBP
Broschüre »Projektgruppe BioCat«
Funktionale Oberflächen und Materialien
Broschüre »Plasmatechnik – Schlüsseltechnologie zur
Herstellung funktioneller Oberflächen«
Broschüre »NANOCYTES® – Maßgeschneiderte Kern-Schale-
Partikel für Chemie, Medizin, Pharmazie und Umwelt«
Broschüre »Photokatalytische Oberflächen – Herstellung,
Charakterisierung und Bewertung«
Broschüre »Biomaterialien – Entwicklung, Synthese und
Charakterisierung von Materialien für den Kontakt mit
biologischen Systemen«
Broschüre »Oberflächenanalytik – Prozesstechnik,
Schadensanalytik, Produktentwicklung, Qualitätssicherung«
Broschüre »Mikrobiologische Charakterisierung antimikro-
bieller und photokatalytisch aktiver Oberflächen«
Vertiefende Informationen zu unseren Forschungsschwerpunkten und dem jeweiligen Leistungsangebot finden
Sie in den nachfolgend aufgelisteten Broschüren. Diese können Sie im Internet bestellen oder herunterladen.
www.igb.fraunhofer.de/publikationen
Prozessintensivierung und -integration
Broschüre »Technische Membranen – Herstellung,
Materialien, Modifizierung, Anwendungen«
Broschüre »NANOCYTES® – Molekular geprägte Nano-
partikel als spezifische Adsorber«
Broschüre »Trocknung mit überhitzem Dampf bei
atmosphärischem Druck«
weiterführende informationen
NANOCYTES® ist eine eingetragene Marke der Fraunhofer-
Gesellschaft.
Verwendete Abkürzungen
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
CCU Carbon Capture Utilization
CCS Carbon Capture Storage
EU Europäische Union
FuE Forschung und Entwicklung
MIEC Mixed Ion and Electron Conducting Membranes
MOF Metal Organic Frameworks
PET Polyethylenterephthalat
REACH EU-Chemikalienverordnung »Verordnung (EG) Nr. 1907/2006«,
REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and
Restriction of Chemicals
Fraunhofer-Institut
für Grenzflächen- und
Bioverfahrenstechnik IGB
Nobelstraße 12
70569 Stuttgart
Telefon +49 711 970-4401
Fax +49 711 970-4200
www.igb.fraunhofer.de
Institutsleiter
Prof. Dr. Thomas Hirth
Telefon +49 711 970-4400
Fraunhofer IGB Kurzprofil
Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickelt und
optimiert Verfahren und Produkte für die Geschäftsfelder Medizin, Pharmazie, Chemie,
Umwelt und Energie. Wir verbinden höchste wissenschaftliche Qualität mit professionellem
Know-how in den Kompetenzfeldern Grenzflächentechnologie und Materialwissenschaft,
Molekulare Biotechnologie, Physikalische Prozesstechnik, Umweltbiotechnologie und Bio-
verfahrenstechnik sowie Zellsystemtechnik – stets mit Blick auf Wirtschaftlichkeit und Nach-
haltigkeit. Komplettlösungen vom Labor- bis zum Pilotmaßstab gehören dabei zu den Stärken
des Instituts. Kunden profitieren auch vom konstruktiven Zusammenspiel der verschiedenen
Disziplinen am Fraunhofer IGB, das in Bereichen wie Medizintechnik, Nanobiotechnologie,
industrieller Biotechnologie oder Abwasserreinigung neue Ansätze eröffnet. Das Fraunhofer
IGB ist eines von 60 Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft, Europas führender Organisation
für anwendungsorientierte Forschung.
www.igb.fraunhofer.de
Ansprechpartner für das Geschäftsfeld Chemie
Dr. Christian Oehr
Abteilungsleiter Grenzflächentechnologie
und Materialwissenschaft
Telefon +49 711 970-4137