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Gestaltungsmöglichkeiten im Vergabeverfahren für PPP-Modelle Handout zum Vortrag auf der Veranstaltung „Public Private Partnership bei Bau und Betrieb von Einrichtungen der Wissenschaft“ Mannheim, 03. Juni 2005 Rechtsanwalt Dr. Heiko Höfler FPS Fritze Paul Seelig Eschersheimer Landstraße 25-27 60322 Frankfurt am Main Tel. +49 / 69 / 9595 73107 [email protected] www.fps-law.de

Gestaltungsmöglichkeiten im Vergabeverfahren für PPP-Modelle · PPP-Modelle kennzeichnet allgemein eine gleichartige Grundstruktur, die maßgeblich durch die drei wichtigsten Akteure

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Gestaltungsmöglichkeiten im Vergabeverfahren für PPP-Modelle Handout zum Vortrag auf der Veranstaltung „Public Private Partnership bei Bau und Betrieb von Einrichtungen der Wissenschaft“ Mannheim, 03. Juni 2005 Rechtsanwalt Dr. Heiko Höfler FPS Fritze Paul Seelig Eschersheimer Landstraße 25-27 60322 Frankfurt am Main Tel. +49 / 69 / 9595 73107 [email protected]

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Vita Dr. Heiko Höfler

Dr. Heiko Höfler ist als Rechtsanwalt Partner der Frankfurter Sozietät FPS Fritze Paul Seelig.

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften (Würzburg, München) sowie wirtschaftswis-

senschaftlicher Promotion (München), ist er seit 1992 mit dem Vergaberecht befasst. An der

Bauhaus-Universität Weimar ist er außerdem Lehrbeauftragter für Vergaberecht und Recht

der Public Private Partnerships am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hans-Wilhelm Alfen. Zu den Ar-

beitsschwerpunkten von Herrn Dr. Höfler zählt die Beratung öffentlicher Auftraggeber, bei

der Gestaltung und Durchführung von Vergabeverfahren in konventionellen Beschaffungs-

vorhaben und PPP-Projekten. Auf Bieterseite berät Herr Dr. Höfler Unternehmen, Banken

und Investoren bei der Teilnahme an Vergabeverfahren und Vertragsverhandlungen.

Herr Dr. Höfler hat in vergaberechtlichen Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren eine

Reihe von Grundsatzentscheidungen in Deutschland herbeigeführt; er ist beratend an weg-

weisenden Privatisierungsvorhaben im Technologie- und IT-Bereich, in der Verkehrsinfra-

struktur, im kommunalen Hochbau und bei öffentlichen Dienstleistungen beteiligt. In Verfah-

ren und Verhandlungen in Korruptionsfällen vertritt er betroffene Unternehmen vor nationalen

Kartellbehörden sowie internationalen Institutionen wie Weltbank und Europäisches Amt für

Betrugsbekämpfung (OLAF).

Aktuell berät Herr Dr. Höfler die TU Darmstadt im Rahmen der Vorplanung und Strukturie-

rung von Kooperationsverfahren mit privaten Partnern zur Bewältigung bestehender Bau-,

Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen. Im PPP-Projekt „Gießen, Berliner Platz“ ist

Herr Dr. Höfler im Auftrag der Stadtverwaltung mit der rechtlichen Betreuung laufender Ver-

gabeverfahren für Bau, Betrieb und Finanzierung eines neuen Verwaltungszentrums beauf-

tragt. Daneben berät Herr Dr. Höfler u.a. eine der privatisierten Dienstleistungsgesellschaften

im Bundeswehrumfeld sowie die Stadt Wiesbaden in einem gemeinsam mit dem Land Hes-

sen geplanten PPP-Hochbau-Projekt.

Stand 27.05.2005

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0. Zielformulierung

Der Vortrag gibt einen Überblick über

die Strukturen für öffentlich-private Partnerschaften (Public Private Partnerships -

PPP) in Deutschland aus vergaberechtlicher Sicht,

Zielsetzungen, die mit PPP-Modellen verfolgt werden können,

den Stand der PPP-Diskussion auf europäischer Ebene,

PPP-Vertragsmodelle, die in Deutschland derzeit eingesetzt werden,

Finanzierungsaspekte bei PPP-Modellen,

Anwendungsfelder für Baukonzessionen und Dienstleistungskonzessionen,

den verbleibenden Anwendungsbereich für Inhouse-Geschäfte aufgrund der neues-

ten Rechtsprechung des EuGH,

Einsatzmöglichkeiten von Projektgesellschaften,

wie die Gründung von Projektgesellschaften vergaberechtlich zu beurteilen ist.

1. Privatisierungsarten und Zielsetzungen

Public Private Partnerships, abgekürzt “PPP”, sind eine alternative Form der Bedarfsdeckung

im öffentlichen Auftragswesen, die neben die traditionelle öffentliche Auftragsvergabe in

Gestalt einzelner öffentlicher Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträge hinzutritt. Mit PPP-

Projekten handelt es sich zumeist um Projekte, in denen eine Vielzahl von Verträgen ge-

schlossen wird, die eine große Anzahl von Akteuren binden. PPP ist demgemäss ein Pro-

gramm-Begriff, der prozessorientiert eine nachhaltige und auf Dauer angelegte Zusammen-

arbeit zwischen der öffentlichen Hand und privaten Partnern kennzeichnet. Der sogenannte

Lebenszyklusansatz ist das herausragende Charakteristikum des PPP-Begriffs (vgl. nachfol-

gendes Schaubild Nr. 1).

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PPP-Modelle (Lebenszyklusansatz):

Konventionelle Realisierung:

Finanzierung Betrieb

KommunaldarlehenPlanungBau/

Sanierung Finanzierung Betrieb Verwertung

Planung Bau/Sanierung

Verwertung Projekt/ Immobilien-finanzierung

= Aufgabenübertragung auf die Privatwirtschaft

PPP-Modelle kennzeichnet allgemein eine gleichartige Grundstruktur, die maßgeblich durch

die drei wichtigsten Akteure im PPP-Projekt geprägt wird: Den Auftraggeber, den Auftrag-

nehmer (Provider) sowie den Finanzierungspartner (Bank). Das nachfolgende Schaubild Nr.

2 verdeutlicht dies:

Grundstruktur:

Auftraggeber• Zieldefinition

• Vorplanung

• Vertragsmanagement

• Vergütung

Auftragnehmer• Planung

• Bau

• Finanzierung

• Betrieb

Bank• Arrangierung

• Bonitätsbeurteilung

• Finanzierung

• Risikoübernahme

Finanzierung

Auftrag (ggf. Besicherung)

Die Attraktivität von PPP-Projekten ist aus Sicht der öffentlichen Hand vor allem dadurch ge-

kennzeichnet, dass weite Teile der Daseinsvorsorge, die bisher in staatlicher Eigenregie oh-

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ne Hinzunahme privaten Know-hows geleistet worden sind, durch Wettbewerb in der Moder-

nisierung gefördert werden. Strukturdefizite des öffentlichen Systems, wie beispielsweise die

Kosten-Intransparenz oder die fehlende ganzheitliche Betrachtung von Projektabläufen wer-

den durch PPP-Alternativen meist wirtschaftlicheren Lösungen zugeführt. Verschiedene Stu-

dien errechnen Einsparungspotentiale von PPP´s gegenüber der konventionellen Beschaf-

fung bei Baukosten im Rahmen von ca. 15 – 20 %. Auch bei der Bauzeit wird unterstellt,

dass das PPP-Modell die Möglichkeit eröffnet, Bauzeiten erheblich (bis zu 50 %) zu reduzie-

ren.

Schwierig und bisher maßgebliches Hindernis für den Durchbruch des PPP-Konzepts in al-

len Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge ist das Problem der Visualisierung der Effi-

zienzsteigerung. Aus Sicht der öffentlichen Hand ist es vielfach aufgrund der nicht verfügba-

ren Transparenz der Kosten der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht nachvollziehbar, welche

Effizienzsteigerungen durch die Einbindung privater Partner erzielt werden können.

Ein weiteres typisches Problemfeld für PPP-Projekte ist die Risikoverlagerung. Etwa bei

Hochbau-PPP-Projekten ist die öffentliche Hand häufig bestrebt, sämtliche Risiken in Gestalt

der Planungsrisiken sowie der Risiken aus Bau und Entwicklung und letztlich auch Betriebs-

und Unterhaltungsrisiken auf den privaten Partner zu verlagern. Der private Partner soll

demgemäß für das Abweichen des Projekts von der Planung sowie für Planungsänderungen

und fehlerhafte Umsetzung der Planung bis hin zur Planungsqualität haften. Weiterhin sollen

aus Sicht der öffentlichen Hand vorzugsweise sämtliche Hoffnungen für Kalkulationsmängel

sowie Qualitäts- und Terminmängel durch den privaten Partner zu tragen sein. In der Be-

triebsphase soll der private Partner haftbar gemacht werden für die Überschreitung von Be-

triebs- und Unterhaltungskosten. Die Verfügbarkeit und das Nachfragerisiko soll ebenfalls

vorzugsweise auf den privaten Partner verlagert werden.

Diese Sichtweise des öffentlichen Nachfragers führt in der Planung von PPP-Projekten häu-

fig zu einer nicht marktgerechten Gestaltung des Vergabeverfahrens. die vertraglich zu re-

gelnde Risikoverteilung in erfolgreichen PPP-Projekten orientiert sich sinnvollerweise nicht

an der Nachfragemacht der Projektbeteiligten. Maßgebliches Kriterium sollte vielmehr das

Qualifikationskriterium, mithin die Frage „wer kann welches Risiko sinnvollerweise verantwor-

ten?“ sein. Einen knappen Überblick über die Abhängigkeiten von Risikoübertragung und

Aufgabenübertragung in verschiedenen Formen der Kooperationen gibt das nachfolgende

Schaubild Nr. 3.

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Risikoübertragung

Aufgabenübertragung

Zeitrahmen

Vergaberecht

Eigentumszuordnung

Steuerliche Auswirkungen

Lokale Besonderheiten und Vorgaben

Privatisierung

Konzessionen

Betreibermodelle

Leasing

Nutzungsüber-lassung

Betriebsführung

Werkvertrag

Eigenregie

Das Schaubild zeigt, dass das Maß der Aufgabenübertragung in einem engen Zusammen-

hang steht mit dem Maß der Risikoübertragung. Wo keine Aufgaben auf die private Seite

verlagert werden, wie in dem hier als „Eigenregie“ gekennzeichneten Fall, erfolgt auch keine

Risikoübertragung auf die private Seite. Im Konzessions- oder Privatisierungs-Modell hinge-

gen werden nahezu sämtliche Daseinsvorsorge-Aufgaben auf die private Seite verlagert.

Hiermit geht ein entsprechender Risikotransfer einher. D.h., bei der Privatisierung im Sinne

einer materiellen Privatisierung werden sämtliche Aufgaben im Zusammenhang mit der rele-

vanten Daseinsvorsorgeaufgabe auf die private Seite übertragen. In diesem Fall trägt der pri-

vate Partner zumeist auch sämtliche hiermit einhergehenden Leistungsrisiken.

2. Das Grünbuch der EU-Kommission Im März 2004 veröffentlichte die EU-Kommission ein Grünbuch zu Public Private Partnership

und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen.

Mit dem Grünbuch soll eine Diskussion über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts für öf-

fentliche Aufträge und Konzessionen auf PPP angestoßen werden. Im Grünbuch beschreibt

die Kommission die politischen Zielsetzungen für Public Private Partnership, gibt Empfehlung

zu einem erfolgreichen PPP und stellt Fall Studien vor. Dabei soll es im wesentlichen um die

Regeln gehen, die nach der Entscheidung gelten, ein PPP-Modell anzuwenden. Es geht also

um die Phase nach der wirtschaftlichen und organisatorischen Entscheidung einer öffentli-

chen Stelle und nicht um die allgemeine Frage, ob überhaupt ein PPP-Modell sinnvoll ist.

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Das Grünbuch ist im Internet unter http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/gpr/2004/com

2004_0327de01.pdf erhältlich

a) Politische Zielsetzung

Das Grünbuch umschreibt die politischen Zielsetzungen im wesentlichen wie folgt:

Die vermehrte Kooperation zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor in den Mitglied-

staaten der EU in der Vergangenheit ist das Ergebnis von Bemühungen die Qualität und Ef-

fizienz von öffentlichen Aufgaben zu verbessern. Knappe öffentliche Ressourcen und Haus-

haltssperren zwingen zu neuen Denkmodellen. Die Möglichkeit Finanzmittel, das Know-how

und die Arbeitsmethoden der Privatwirtschaft stellen nur einige Vorteile von PPP-Modellen

dar. Hinzu kommt, dass die Zunahme von PPP eine allgemeine Entwicklung hinsichtlich der

Rolle des Staates in der Wirtschaft widerspiegelt: der Staat nimmt Abstand von seiner Funk-

tion als direkter Akteur und geht zu Organisation, Regulierung und Controlling über. Trotz der

Vorteile gerade im wirtschaftlichen Bereich, sind PPP-Modelle allerdings nicht für jedes Pro-

jekt zu empfehlen. Vielmehr muss für jedes einzelne Projekt bewertet werden, ob PPP-

Modelle einen tatsächlichen Vorteil gegenüber anderen Möglichkeiten bringen, wie etwa der

klassischen Vergabe eines öffentlichen Auftrags (vgl. Mitteilungen der Kommission an den

Rat und das Europäische Parlament „Öffentliche Finanzen in der WWU – 2003“, veröffent-

licht in European Economy Nr.3/2003).

Die Mitgliedsstaaten der EU nutzen PPP vermehrt, um Infrastrukturprojekte insbesondere im

Bereich Verkehr, öffentliche Gesundheit, Bildung und öffentliche Sicherheit durchzuführen.

Hinzu kommt eine verstärkte Nutzung im Bereich der Bereitstellung öffentlicher Dienstleis-

tung in den Bereichen Abfallwirtschaft, Wasserversorgung oder Energieversorgung.

Die Kommission beobachtet die Tendenz in den Mitgliedsstaaten, Instrumente zur Koordinie-

rung und Förderung von PPP-Modellen zu schaffen und versucht dies zu fördern und auf die

europäische Ebene auszuweiten. Die Instrumente sollen durch die Verbreitung der Erfahrun-

gen der Mitgliedsstaaten dazu beitragen, die Nutzer hinsichtlich der verschiedenen PPP-

Modelle sowie der unterschiedlichen Verfahrensabschnitte zu beraten. Das ist auch deswe-

gen wichtig, da es im europäischen Gemeinschaftsrecht kein besonderes rechtlich geregel-

tes System für PPP gibt. Nach der Kommission muss trotzdem jede Maßnahme vor den Re-

gelungen und Grundsätzen betrachtet werden, die sich aus dem EG-Vertrag ergeben. Dazu

zählen vor allem der Grundsatz der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Verhältnis-

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mäßigkeit (vgl Mitteilungen der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen

im Gemeinschaftsrecht, Abl. C 121 vom 29.04.2000).

b) Ziel und Struktur des Grünbuchs

Mit dem Grünbuch soll der Zweck verfolgt werden, die Tragweite der Gemeinschaftsregeln

zu erläutern, die für die Phase der Auswahl des privaten Partners und für die sich daran an-

schließende Phase gelten. Gegebenenfalls bestehende Unsicherheiten sollen ermittelt wer-

den und es soll analysiert werden, ob der Gemeinschaftsrahmen den Herausforderungen

und spezifischen Merkmalen von PPP gerecht wird. Es werden Denkanstöße für etwaige

Gemeinschaftsmaßnahmen geliefert. Allerdings enthält das Grünbuch noch keine fertigen

Lösungen. Als Instrumente für die Ausgestaltung von PPP werden gemeinschaftliche

Rechtsakte, Mitteilungen zu Auslegungsfragen, Maßnahmen zur besseren Koordinierung der

nationalen Praktiken und Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedsstaaten ge-

nannt. Das Grünbuch konzentriert sich also auf Fragen im Zusammenhang mit den Rechts-

vorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen.

Dabei unterscheidet das Grünbuch zwischen zwei PPP-Formen:

• PPP auf Vertragsbasis, bei denen die Partnerschaft zwischen öffentlichen

und privatem Sektor nur auf vertraglichen Beziehungen basiert;

• institutionalisierte PPP, bei denen die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem

und privatem Sektor innerhalb eines eigenständigen Rechtssubjekts erfolgt

Die Unterscheidung folgt daraus, dass die vielfältigen PPP-Formen, die in den verschiede-

nen Mitgliedsstaaten anzutreffen sind, zwei übergeordneten Modellen zugeordnet werden

können, die beide spezifische Fragen der Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvor-

schriften für öffentliche Aufträge aufwerfen.

c) Empfehlungen und Fallstudien

Die Empfehlungen und Fallstudien sind in englischer und französischer Sprache erhältlich

unter http://europa.eu.int/comm/regional_policy/sources/docgener/guides/pppguide.htm

Die Empfehlungen der EU-Kommission zu einem erfolgreichen PPP haben zum Ziel eine

„Anleitung“ für die Einführung und Ausführung von PPP-Modellen zu liefern. Dabei analysie-

ren sie auch eine Anzahl von problematischen Fällen bei der Entwicklung von PPP Projek-

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ten. Die Empfehlungen stellen keinen abschließenden Ansatz dar, vielmehr sollen sie öffent-

liche Auftraggeber unterstützen, Entscheidungen über den möglichen Einbezug Privater bei

öffentlichen Aufgaben zu treffen.

Zur Veranschaulichung präsentiert die Kommission aktuelle Fälle von PPP Projekten in Eu-

ropa in verschiedenen Bereichen, hauptsächlich jedoch in den Bereichen Abfall- und Abwas-

serbeseitigung, die die Kommission auch finanziell unterstützt hat.

3. PPP-Vertragsmodelle im Überblick

Weder die europäische noch die deutsche Rechtsordnung kennt einen abgeschlossenen Ka-

talog von Vertragsmodellen, die in PPP-Projekten umgesetzt werden können oder gar dür-

fen. In der Praxis der Gestaltung von PPP-Modellen haben sich 6 Modell-Typen herausge-

bildet. Es handelt sich bei PPP-Projekten in den Bereichen Hochbau, Infrastruktur und

Dienstleistungen um:

Miet-Modelle (einschließlich Leasing) mit variierenden Endschaftsregelungen.

Inhaber-Modelle, in denen die Bau- und Dienstleistungserbringung zu Gunsten des

Nachfragers Öffentliche Hand kombiniert wird.

Contracting-Modelle, bei denen es um die Optimierung in Gestalt baulicher Verän-

derung und Findung neuer Betriebslösungen für technische Anlagen geht.

Konzessionsmodelle (vgl. hierzu ausführlich nachfolgend Kapitel 4) in Gestalt von

Bau- und Dienstleistungskonzessionen.

Gesellschaftsmodelle (vgl. hierzu ausführlich nachfolgend Kapitel 6). Hierunter wer-

den Modelle verstanden, in denen Projektgesellschaften eingesetzt werden, um

nachgefragte Leistungen zu Gunsten der öffentlichen Hand zu erbringen.

Sogenannte „ABC-Modelle“, in denen Parallelausschreibungen durchgeführt wer-

den, um konventionelle Beschaffungen mit kombinierten Leistungen (z.B. Bau, Be-

trieb, Finanzierung) zu vergleichen.

Die wesentlichen Merkmale dieser Modelle sind folgende:

a. Miet-Modelle (einschließlich Leasing)

Im Gegensatz zur konventionellen Beschaffung in Gestalt der Vergabe eines öffentlichen

Auftrages, dessen Gegenstand eine Bau- oder Dienstleistung ist, sind die Miet-Modelle da-

durch gekennzeichnet, dass der öffentliche Auftraggeber, insbesondere im Bereich des öf-

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fentlichen Hochbaus, Leistungen nachfragt, die nicht im Wege eines Bau-Werkvertrages er-

bracht werden, sondern deren vertragliche Gestaltung durch einen Mietvertrag charakteri-

siert wird. Anstelle des Mietvertrages kommt auch ein Leasing-Vertrag in Frage.

Der Kerngedanke dieser Modelle ist die Erkenntnis, dass Bauleistungen, etwa die Sanierung

bestehender Verwaltungsgebäude oder der Neubau von Sportstätten, durch den Auftragge-

ber ebenso gut genutzt werden können, wenn anstelle eines Eigenbaus die Anmietung einer

Immobilie erfolgt.

Der öffentliche Auftraggeber schreibt typischerweise in diesen Modellen einen Mietvertrag

mit einer Mieterbaubeschreibung aus. Vergaberechtlich ist dieser Auftrag als öffentlicher

Bauauftrag (§ 99 Abs. 3 GWB) zu qualifizieren. Die Ausnahmeregelung in § 100 Abs. 2 lit. h

GWB gilt hier nicht, weil der Zweck des Vertrages zumindest auch in der Deckung eines

konkreten Baubedarfs des Auftraggebers liegt. Aus der Mieterbaubeschreibung gehen die

baulichen Anforderungen des Auftraggebers exakt hervor. Der erfolgreiche Bieter wird ver-

pflichtet, die anzumietende Immobilie genau nach den Beschreibungen des Auftraggebers zu

erstellen. Üblicherweise hat der Auftraggeber kein Interesse an einer Eigentümerstellung, so

dass in vielen dieser Miet-Modelle Immobilien auf Grundstücken errichtet werden, die Dritten

also nicht dem Auftraggeber, gehören. Grundstückseigentümer könnte z.B. ein Immobilien-

fonds sein.

Unabhängig von der Regelung des Eigentums für die Dauer der Nutzung können verschie-

dene Endschaftsregelungen denkbar sein. Der Auftraggeber kann sich vertraglich verpflich-

ten, die Liegenschaft nach Ablauf der Mietdauer zu erwerben. Ebenso sind Modelle denkbar,

in denen es dem Auftraggeber lediglich als Option eingeräumt wird nach Ablauf der Mietzeit

das Grundstück, auf dem sich Mietobjekt befindet, zu erwerben. Schließlich wäre es auch

möglich, die Immobilie nach Ablauf der Mietzeit zurückzugeben, d.h., das Mietverhältnis

schlicht zu beenden.

Die Vertragslaufzeiten derartiger Modelle liegen in der Regel bei 20 - 30 Jahren. Die Leis-

tungen für Planung, Bau, Betrieb und Verwertung der Immobilie fallen typischerweise in den

Aufgabenbereich der Auftragnehmers. Der Auftraggeber hingegen wird nur zur Zahlung ei-

nes Entgelts in Gestalt von Miet- oder Leasingraten verpflichtet. Zusätzlich kann ein Entgelt

für das Facilitymanagement anfallen.

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Miet-Modell

Bank

Objekt GmbH

Bauunternehmen

Landkreis

Forderungskaufvertrag

Werkvertrag

Mietvertrag

Eigentumsüberlassung (Erbbaurecht; Nutzungsüberlassung; Nießbrauch)

Einredeverzichtserklärung

b. Inhaber-Modelle

Anders als bei den zuvor vorgestellten Miet-Modellen, sind die Inhaber-Modelle dadurch ge-

kennzeichnet, dass die Partnerschaft zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem pri-

vaten Partner durch ein Auftragsverhältnis gekennzeichnet ist. Bei den Inhaber-Modellen,

werden im öffentlichen Hochbau die Bau- oder Sanierungsleistungen einschließlich des Faci-

litymanagements für einen Auftraggeber erbracht, der Eigentümer der Immobilie ist, die Ge-

genstand der zu erbringenden Leistungen sein soll. Gegenstand des Auftrages kann es z.B.

sein, ein Gebäude auf dem Grundstück des öffentlichen Auftraggebers zu sanieren oder neu

zu errichten und anschließend durch den privaten Auftragnehmer betreiben zu lassen. Die

Vertragslaufzeiten dieser Projekte liegen typischerweise unter denen der Miet-Modelle. 15 –

20 Jahre sind in der Praxis die Regel.

c. Contracting

Das sogenannte Contracting als besondere Form der Public Private Partnership bezeichnet

den Bau und die betriebliche Optimierung technischer Anlagen oder Anlagenteile. Zweck des

Contracting-Modells ist es, Energiebedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers aus einer

Hand über vertraglich vereinbarte längere Laufzeiten (in der Regel 5 –15 Jahre) durch einen

privaten Partner umfassend decken zu lassen. Im Unterschied zu den Miet- oder Inhaber-

Modellen ist weder die Errichtung oder Sanierung einer bestimmten Immobilie notwendiger

Bestandteil des Contracting-Modells. Noch spielt das Facilitymanagement eine herausra-

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gende Rolle. Gleichwohl sind auch Contracting-Modelle denkbar, z.B. im Krankenhausbe-

reich, in denen öffentliche Auftraggeber komplette Energieanlagen (z.B. Heizkraftwerke),

nachfragen, die auf dem Gelände des Auftraggebers errichtet und sodann über einen be-

stimmten Zeitraum von dem privaten Partner betrieben werden sollen. Gegenstand der Leis-

tung, zu der der private Partner verpflichtet werden soll, wäre hier die Errichtung einer Ener-

gieanlage und deren anschließender Betrieb über die Vertragslaufzeit einschließlich der Be-

wirtschaftung der Immobilien des öffentlichen Auftraggebers mit Energie.

Strukturbeispiel:

Objektgesellschaft einschl. Contracting

Bank

Objekt GmbH

Bauunternehmen

öffentl. Hand

Forderungskaufvertrag

Werkvertrag

Mietvertrag

Eigentumsüber-lassung

Einredeverzichtserklärung

Energieversorgungs-Unternehmen (Contractor)

Contracting-vereinbarung

d. Konzessionen

Das einzige vom Gesetzgeber normativ erfasste PPP–Modell ist das der Baukonzession (§

98 Nr. 6 GWB). Kennzeichnend für die Baukonzession (vgl. hierzu ausführlich nachfolgend

Kapitel 4) ist die Beauftragung eines privaten Partners durch einen öffentlichen Auftraggeber

mit der Verpflichtung zur Errichtung einer baulichen Anlage, die mit der weiteren Verpflich-

tung verbunden ist, diese bauliche Anlage über einen bestimmten Zeitraum zu betreiben. Im

Gegensatz zum öffentlichen Bauauftrag wird im Baukonzessionsmodell auch die Verpflich-

tung zur Tragung des Nutzerausfallrisikos auf den privaten Partner verlagert. Die Gegenleis-

tung des öffentlichen Auftraggebers besteht darin, dem privaten Partner das exklusive Nut-

zungs- und Betriebsrecht an der baulichen Anlage einzuräumen und ihm ggf. eine zusätzli-

che Anschubfinanzierung zu gewähren.

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Die typischen Vertragslaufzeiten in Baukonzessionen richten sich stark nach der Lebens-

dauer des Projekts. Baukonzessionen spielen eine herausragende Rolle im Verkehrsinfra-

strukturbereich. Hier sind Vertragslaufzeiten von 10 – 30 Jahren bekannt geworden.

Baukonzessionen sind ausschreibungspflichtig. Im Regelfall würde es sich um eine EU–

weite Ausschreibung handeln.

Im Gegensatz zur Baukonzession ist die Dienstleistungskonzession gem. Art. 17 der EU-

Vergabekoordinierungsrichtlinie nicht EU–weit auszuschreiben. Gleichwohl sind auch hier

die maßgeblichen Grundsätze, die der EU–Vertrag für die wirtschaftliche Betätigung der öf-

fentlichen Hand regelt, zu wahren (z.B. Transparenzgebot, Diskriminierungsverbot). Im Ge-

gensatz zur Baukonzession ist die Dienstleistungskonzession dadurch geprägt, dass Haupt-

gegenstand des Vertrages die Erbringung einer Dienstleitung ist. Beispiele für Dienstleis-

tungskonzessionen sind der Betrieb öffentlicher WC–Anlagen durch einen privaten Partner,

die Betankung von Flugzeugen auf Verkehrsflughäfen kann ebenso im Wege einer Dienst-

leistungskonzession auf einen privaten Partner übertragen werden.

e. Gesellschaftsmodell

Streng genommen handelt es sich beim dem Gesellschaftsmodell nicht um einen eigenstän-

digen Typus innerhalb der marktgängigen PPP-Modelle (vgl. zum Gesellschaftsmodell aus-

führlich auch nachfolgend Kapitel 6). Prägend für das Gesellschaftsmodell ist die Beauftra-

gung einer Gesellschaft, die der Auftraggeber und der erfolgreiche Bieter nach einem Verga-

beverfahren gründen (gemischtwirtschaftliche Gesellschaft), damit diese nachfolgend eine

bestimmte Leistung für den Auftraggeber erbringt. Beispiele sind hier der Betrieb von Sport-

stätten oder auch Flughäfen. Zwischen dem Auftraggeber und der im Anschluss an das Ver-

gabefahren gegründeten Projektgesellschaft wird ein Vertrag geschlossen, der die Ausfüh-

rungsleistungen (z.B. Bau, Finanzierung, Facilitymanagement u.s.w.) beinhaltet.

Problematisch bei diesen Modellen ist, dass nach der jüngsten EuGH-Rechtsprechung (vgl.

hierzu ausführlich nachfolgend Kapitel 5) die Beaufragung gemischtwirtschaftlicher Projekt-

gesellschaften ohne förmliches Vergabeverfahren nicht mehr zulässig ist.

Das Gesellschaftsmodell kann mit allen anderen PPP–Modellen kombiniert werden. Auch die

Miet-Modelle oder Inhaber-Modelle sind organisatorisch in einer Gestalt denkbar, die eine

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Projektgesellschaft einschließt. Dasselbe gilt für das Contracting-Modell, die Konzessionen

sowie das nachfolgend noch vorzustellende ABC–Modell.

Strukturbeispiel:

öffentl. Hand Auftragnehmer

Gesellschaftsgründung

Dritte

Auftrag

1. Stufe

2. StufeVerträge über Ausführungsleistungen (z.B. Bau, FM, Finanzierung)

Beteiligung Beteiligung

f. „ABC–Modell“

Bei dem sogenannten „ABC–Modell“ handelt sich um eine Parallelausschreibung. Hier wird

einer konventionellen Beschaffung, beispielsweise einer Bau- oder Betriebsleistung, die Be-

schaffung in Gestalt einer kombinierten Leistung gegenüber gestellt. Die Ausschreibung be-

steht in der Regel aus wenigstens den Teilen A (Bauleistung), B (Betriebsleistung) und C

(Bau, Betrieb und Finanzierung als Investorenmodell). Ggf. kann als weiteres Los die Finan-

zierung auch separat ausgeschrieben werden. Auch das Facilitymanagement könnte als zu-

sätzliches Los hinzutreten.

Dieses Modell birgt den Vorzug in sich, dass der öffentliche Auftraggeber sich nicht auf der

Grundlage einer vor Einleitung eines Vergabeverfahrens anzustellen theoretischen Analyse

dafür entscheiden muss, entweder die PPP–Variante zu wählen oder konventionell auszu-

schreiben. Stattdessen erhält der Auftraggeber die Möglichkeit, auf der Grundlage von Wett-

bewerbsergebnissen, die aus der Ausschreibung resultieren, miteinander zu vergleichen,

welche Beschaffungsform tatsächlich wirtschaftlicher ist. Eine bessere Dokumentation der

Wirtschaftlichkeit des Vorgehens des Auftraggebers ist im Vergabeverfahren schwerlich

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denkbar. Andererseits birgt diese Art der Ausschreibung den Nachteil in sich, dass bei den

Bietern erheblicher Kalkulations- und Angebotserstellungsaufwand ausgelöst wird, der mög-

licherweise nicht gerechtfertigt ist, wenn losweise vergeben wird. Da jedoch losweise nur

dann vergeben werden dürfte, wenn die losweise Vergabe sich als die wirtschaftlichste Form

der Beschaffung darstellt, liegt es letztlich bei den Bietern Leistungen anzubieten, die als Pa-

ket- oder Gesamtleistungen der losweisen Vergabe überlegen sind.

Es ist im Ergebnis eine Frage des Einzelfalls, ob die ABC–Ausschreibung zweckmäßig ist.

Sämtliche Grundsätze der ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung in § 9 VOB/A ein-

schließlich des Verbots der Abwälzung unkalkulierbarer Risiken gelten natürlich auch für das

ABC – Modell.

Übersicht:

Übersicht:Bestandteile einer ABC-AusschreibungTeil A: BauleistungMeist als Generalunternehmer-Vertrag unter VOB-Bedingungen ausgeschrieben

Teil B: Finanzierung zu Teil AB1: konventionelle Kreditfinanzierung über den HaushaltB2: reines Finanzierungsleasing (ohne Eigenkapital privater Zeichner und somit ohne Steuereffekte), meist mit ForfaitierungB3: steueroptimierte Fondsleasingmodelle mit Eigenkapital privater Zeichner.

Teil C: Investorenmodelld.h. Bauen und Finanzieren aus einer Hand aufgrund der Vorgaben zu den Teilen A und B mit einem pauschalen Preismodell, ohne die Kalkulationsdetails offen zu legen

Daneben können in geeigneten Fällen noch zusätzlich ausgeschrieben werden:

Teil D: wie Teil C, jedoch anhand funktionaler Baubeschreibung, jedoch mit eigener Planung des Bieters ggf. auch auf einem Grundstück des Anbieters errichtet.

Teil E: Kauf-, Mietkauf oder reine Mietangebote über fertige oder im Bau befindliche, geeignete Objekte.

4. Konzessionen Konzessionen sind ein in vielen Mitgliedsstaaten schon lange genutztes Instrument

,insbesondere zur Finanzierung und Realisierung von großen Infrastrukturvorhaben. Kon-

zessionen sind von öffentlichen Aufträgen zu unterscheiden.

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a) Definitionen

Der Begriff der Konzession wird im EG-Vertrag nicht definiert. Gerade der Begriff der Dienst-

leistungskonzession war lange Zeit sogar im sekundären Gemeinschaftsrecht nicht definiert.

Eine Definition des Begriffs der Baukonzession findet sich erstmals in der Richtlinie

93/37/EWG zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge. In der

Richtlinie 2004/17/EG zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Be-

reich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste werden beide Kon-

zessionsarten nun ausdrücklich definiert. Obwohl im EG-Vertrag nicht erwähnt gelten dessen

Vorschriften für Konzessionen uneingeschränkt.

aa) Baukonzession

Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat den Begriff der Baukonzession ausgehend vom Begriff

der öffentlichen Bauaufträge definiert. Gemäß Artikel 2b) der Richtlinie 2004/17/EG „gelten

als öffentliche Bauaufträge die zwischen einem Unternehmer und einem (...) öffentlichem

Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge über entweder die Ausfüh-

rung und die Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang II ge-

nannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks (...) oder die Erbringung einer Bauleistung durch

Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten

Erfordernissen.“ Artikel 3 a) der Richtlinie definiert die Baukonzessionen als ein „Vertrag, der

von einem Bauauftrag nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Arbeiten aus-

schließlich in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich der

Zahlung eines Preises besteht.“

Nach Ansicht der Kommission ist das Kriterium des Nutzungsrechts ein Anhaltspunkt für die

Abgrenzung der Begriffe „öffentlicher Bauauftrag“ und „öffentliche Baukonzession“.(vgl. Mit-

teilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschafts-

recht, ABl. C 121 vom 29.04.2000). Das Nutzungsrecht erlaubt dem Konzessionär also von

den Nutzern des Bauwerks während eines bestimmten Zeitraums eine Vergütung zu verlan-

gen. Damit stellt die Dauer der Konzession für die Entlohnung des Konzessionärs ein we-

sentliches Element dar.

Das bekannteste Beispiel aus europäischen Mitgliedsstaaten für eine öffentliche Baukonzes-

sion ist der Vertrag, durch den der Staat eine Gesellschaft dazu ermächtigt, eine Autobahn

zu bauen und zu nutzen und ihr gestattet, als Entlohnung von den Benutzern Gebühren zu

erheben. Mit dem Nutzungsrecht wird auch die technische und finanzielle Verantwortung für

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die Nutzung übertragen. Zusammenfassend werden also bei einer Baukonzession die sich

aus der Natur der Nutzung ergebenden Risiken dem Konzessionär übertragen. Ein berühm-

tes europäisches Anwendungsbeispiel ist der Bau und die Betreibung des Kanaltunnels zwi-

schen England und Frankreich auf der Grundlage eines Konzessionsvertrages mit einem pri-

vaten britisch-französischem Konsortium. Die gegründete Gesellschaft „Eurotunnel“ erhielt

die Genehmigung zum Bau, Besitz, Betrieb und späteren Übereignung und wird die Anlage

noch über 50 Jahre der Gesamtlaufzeit von 65 Jahren betreiben und besitzen (vgl. auch

www.eurotunnel.com).

Ein öffentlicher Bauauftrag liegt hingegen vor, wenn die Kosten des Werks im wesentlichen

vom Auftraggeber getragen werden und der Auftragnehmer seine Vergütung nicht im Wege

von direkt bei den Benutzern des Werks erhobenen Gebühren erlangt. Unter den Begriff der

Konzession fallen allerdings solche Fälle, bei denen der Staat zwar als Gegenleistung für die

Arbeiten einen Preis bezahlt, dadurch aber nicht das ungewisse und sich aus der Natur der

Nutzung ergebende Risiko beseitigt wird. Zwar geht auch im Rahmen öffentlicher Bauaufträ-

ge ein Teil des Risikos zu Lasten des Auftragnehmers, wie z.B. solche im Zusammenhang

mit einer Änderung von Rechtsvorschriften während der Vertragserfüllung oder solche tech-

nischer Art. Das finanzielle Risiko ist jedoch nur bei Konzessionen vorhanden. (vgl. auch In-

genstau/Korbion, zu § 32 VOB/A, Rn. 10 ff).

Das deutsche innerstaatliche Recht definiert die Baukonzession u.a. in § 32 Nr. 1 VOB/A

(vgl. außerdem § 98 Nr. 6 GWB und § 6 S.2 VgV). Danach sind Baukonzessionen Bauauf-

träge zwischen einem Auftraggeber und einem Unternehmer (Baukonzessionär), bei denen

die Gegenleistung für die Bauarbeiten statt in einer Vergütung in dem Recht auf Nutzung der

baulichen Anlage, gegebenenfalls zuzüglich der Zahlung eines Preises, besteht.

bb) Dienstleistungskonzession

Anders als in der Richtlinie über Bauaufträge enthält die Richtlinie 92/50/EWG über die Ko-

ordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge keine Definition

der Dienstleistungskonzession. Nach der Rechtssprechung des EuGH fallen Dienstleis-

tungskonzessionen auch nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50. Da die Richt-

linie 92/50 keine spezifische Regelung über öffentliche Dienstleistungskonzessionen enthält

und angesichts ihrer Entstehungsgeschichte, ist davon auszugehen, dass der Gemein-

schaftsgesetzgeber diese Konzessionen bewusst vom Anwendungsbereich der Richtlinie

ausgenommen hat. (vgl. EuGH-Urteil vom 07.12.2000, Rechtssache C-324/98, Telaustria

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und Telefonadress, Slg. I-10745 und diese Rechtssprechung bestätigend EuGH-Urteil vom

30.05.2002, Rechtssache C-358/00, Buchhändler Vereinigung, NZBau 2003, 50)

Neuerdings ist der Begriff der Dienstleistungskonzession allerdings in der Richtlinie

2004/17/EG definiert. Auch hier hat der Gemeinschaftsgesetzgeber den Begriff ausgehend

vom Dienstleistungsauftrag bzw. Lieferauftrag definiert. Nach Artikel 1 (2) d) der Richtlinie

sind „Dienstleistungsaufträge Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne

von Anhang XVII, die keine Bau- oder Lieferaufträge sind“. Nach Artikel 1 (2) c) sind Liefer-

aufträge andere Aufträge als Bauaufträge; sie betreffen den Kauf, das Leasing, die Miete, die

Pacht oder den Ratenkauf, mit oder ohne Kaufoption, von Waren. Dementsprechend defi-

niert Artikel 1 (3) b) Dienstleistungskonzessionen als „ein Vertrag, der von einem Dienstleis-

tungsauftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleis-

tungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht

zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.“ Die neue Richtlinie gründet sich auf der

Rechtsprechung des Gerichtshofes und der Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen

im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht.

Nach Auffassung der Kommission ist das Kriterium der Nutzung auch bei Dienstleistungs-

konzessionen von entscheidender Bedeutung. Dementsprechend liegt eine Konzession dann

vor, wenn der Unternehmer die mit der Dienstleistung verbundenen Risiken trägt, indem er

seine Vergütung, in welcher Form auch immer über den Benutzer insbesondere durch die

Erhebung von Gebühren erhält. Unterstützt wird diese Auffassung auch durch den EuGH,

der im Urteil vom 10.11.1998 in der Rechtssache C-360/95, Arnhem, das Vorliegen einer

Dienstleistungskonzession verneint, da das Entgelt ausschließlich einen Preis, nicht aber

das Recht zur Gebührenerhebung umfasse. Eine Dienstleistungskonzession hat zudem übli-

cherweise Tätigkeiten zum Inhalt, die nach ihrer Natur, ihrem Gegenstand und nach den

Vorschriften, denen sie unterliegen, in den Verantwortungsbereich des Staates fallen und die

Gegenstand von ausschließlichen und besonderen Rechten sein können (vgl. EuGH, a.a.O.

und außerdem EuGH-Urteil vom 26.04.1996, Rechtssache C-272/91, Kommission gegen Ita-

lien (Lottomatica), Slg. I-1409)

Ein Beispiel für eine mögliche Vergabe einer Dienstleistungskonzession ist das Instandset-

zen und Betreiben von öffentlichen WC-Anlagen nach folgendem Modell: Die Ausgangslage

ist, dass unattraktive WC-Anlagen das Stadtbild stören und für den öffentlichen Betreiber die

Einnahmen aus der WC-Nutzung unattraktiv ist. Für die Kommune ist der Unterhaltungsauf-

wand einer solchen Anlage hoch und sie hat oft keine personellen Kapazitäten. Der Dienst-

leistungskonzessionär setzt marode Anlagen teilweise wieder Instand bzw. modernisiert sie.

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Er betreibt (insbesondere Reinigung) und unterhält (durch Instandhaltung) die Anlage hinter-

her und nimmt dafür Benutzungsentgelte ein. Zusätzlich nutzt er die Anlage noch durch zu-

sätzlich eingeräumte Werberechte an der Anlage und weiteren Standorten.

cc) Abgrenzung von Bau- und Dienstleistungskonzessionen

Da nur die Richtlinie 93/97/EWG spezielle Verfahrensbestimmungen für die Erteilung von

Baukonzessionen enthält, ist es notwendig eine Abgrenzung von Bau- und Dienstleistungs-

konzessionen vorzunehmen. In der Praxis sind „gemischte Verträge“ häufig, d.h. solche die

auch Dienstleistungselement beinhalten. Nach Auffassung des EuGH kann die gesamte

Bauleistung nicht als öffentlicher Bauauftrag angesehen werden, wenn die Bauarbeiten ge-

genüber dem Hauptgegenstand der Ausschreibung von untergeordneter Bedeutung sind

(vgl. Urteil vom 19.04.1994 in der Rechtssache C-331/92, Gestion Hotelera Internacional,

Slg. I-1329). Wenn ein Vertrag zwei voneinander trennbare Elemente beinhaltet (z.B. Liefe-

rung und Dienstleistung), sind auf jedes dieser Elemente die jeweiligen spezifischen Regeln

anzuwenden (vgl. EuGH-Urteil vom 5.12.1989 in der Rechtssache C-3/88, Data Processing,

Slg. I-4035). Es geht also vor allem darum festzustellen, ob der Hauptgegenstand des Ver-

trages die Errichtung des Bauwerks bzw. die Durchführung von Bauarbeiten für Rechnung

des Konzessionsgebers ist oder ob die Bauarbeiten gegenüber dem Hauptgegenstand des

Vertrages lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Wann von einer untergeordneten

Bedeutung der Bauleistungen auszugehen ist, hängt vom Einzelfall ab. Auch wenn die An-

gabe einer exakten Prozentzahl nicht möglich ist, dürfte eine Baukonzession immer dann

gegenüber einer Dienstleistungskonzession nicht von untergeordneter Bedeutung sein, wenn

die Bauleistung zumindest 40 % des Auftragsvolumens oder mehr beträgt. (vgl. In-

genstau/Korbion zu § 32, Rn. 17)

In der Praxis treten auch Fälle auf, in denen am Rande einer Baukonzession auch Dienst-

leistungskonzessionen für ergänzende Tätigkeiten vergeben werden, die jedoch unabhängig

von der Nutzung des Bauwerks sind. Nach Auffassung der Kommission ist auf jeden der Ver-

träge die entsprechenden Regeln anzuwenden, wenn die Vertragsgegenstände voneinander

getrennt werden können (vgl. auch Ingenstau/Korbion zu § 32, Rn. 17)

b) Für Konzessionen geltende Bestimmungen

Konzessionen unterliegen wie jeder staatliche Akt zur Festlegung der Bedingungen für die

Erbringung von wirtschaftlichen Leistungen den Artikeln 28 bis 30 und 43 bis 55 EG-Vertrag

sowie den vom EuGH entwickelten Grundsätzen. Dabei handelt es sich insbesondere um

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die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gleichbehandlung, der Transparenz, der ge-

genseitigen Anerkennung sowie der Verhältnismäßigkeit.

aa) Gleichbehandlung

Der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet vor allem, dass die Bedingungen zur Konzessi-

onsvergabe allen potentiellen Konzessionären bekannt sein und auf alle in gleicher Art und

Weise angewendet werden müssen. Die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes be-

deutet nicht nur die Festlegung von nichtdiskriminierenden Zugangsbedingungen zu einer

wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern verpflichtet die Behörden gleichfalls, alle geeigneten

Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausübung dieser Tätigkeit sicherzustellen. Nach der

Rechtssprechung des EuGH gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur im Bereich der

öffentlichen Auftragsvergabe, (so schon EuGH-Urteil vom 25.04.1996, Rechtssache C-87/94,

Wallonische Busse, erhältlich unter

http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexapi!prod!CELEXnumdoc&lg=DE&nu

mdoc=61994J0087&model=guichett) sondern auch im Bereich von Konzessionen (vgl.

EuGH-Urteil vom 23.01.2003, Rechtssache C-57/01, Makedoniko Metro, NZBau 2003, 219).

bb) Transparenz

Zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der Transparenz be-

steht nach der Rechtssprechung des EuGH ein Zusammenhang. Der Grundsatz der Trans-

parenz sichert den Zweck des Grundsatzes der Gleichbehandlung indem er unverfälschte

Wettbewerbsbedingungen garantiert (Urteil Wallonische Busse, a.a.O.) Die Anwendung des

Grundsatzes der Transparenz hat der EuGH auch hier nicht nur für die Vergabe öffentlicher

Aufträge angenommen (so schon EuGH-Urteil vom 18.11.1999, Rechtssache C-275/98, U-

nitron Scandinavia A/S, Slg. I-8291) sondern auch für den Bereich von Konzessionen bestä-

tigt (Urteil Telaustria und Telefonadress a.a.O.). Der EuGH äußert sich in dieser Entschei-

dung speziell zu Dienstleistungskonzessionen. Das Gericht führt aus: „Obwohl ein Vertrag

über Dienstleistungskonzession von der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie erfasst wird,

ist er beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts vom Anwendungsbereich der Richtli-

nie insbesondere deshalb ausgenommen, weil die Gegenleistung (....) darin besteht, dass

der Auftragnehmer als Vergütung das Recht zur Verwertung seiner eigenen Leistung erhält.

Die Auftraggeber haben die Grundregeln des Vertrags im Allgemeinen und das Verbot der

Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten, das ins-

besondere eine Verpflichtung zur Transparenz einschließt, damit festgestellt werden kann,

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ob es beachtet wurde. Der Auftraggeber muss zu Gunsten potentieller Bieter einen ange-

messenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbe-

werb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchge-

führt wurden.“

cc) Verhältnismäßigkeit

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Ge-

meinschaftsrechts. Er verlangt, dass die gewählten Maßnahmen nicht die Grenzen dessen

überschreiten dürfen, was zur Erreichung des Ziels notwendig und geeignet ist. Der Grund-

satz der Verhältnismäßigkeit macht es notwendig, Wettbewerb und finanzielle Ausgewogen-

heit in Einklang zu bringen. Nach Auffassung der Kommission ist die Laufzeit der Konzession

daher so festzulegen, dass der freie Wettbewerb nur so weit eingeschränkt wird, wie es er-

forderlich ist, um die Amortisierung der Investitionen und eine angemessene Verzinsung des

eingesetzten Kapitals sicherzustellen. Hierbei ist jedoch das mit der Nutzung verbundene Ri-

siko für den Konzessionär beizubehalten (vgl. Mitteilungen der Kommission zu Auslegungs-

fragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht, a.a.O.).

dd) Gegenseitige Anerkennung

Gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung muss ein Mitgliedsstaat die Liefe-

rung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Wirtschaftsteilnehmer

aus einem anderen Gemeinschaftsstaat zulassen, wenn diese Waren und Dienstleistungen

den vom Bestimmungsland festgelegten gerechtfertigten Vorgaben entsprechen. Die An-

wendung dieses Grundsatzes auf Konzessionen bedeutet insbesondere, dass der Mitglieds-

staat, in dem die Leistung erbracht werden soll, technische Spezifikationen, Kontrollen, aber

auch Titel, Bescheinigungen und Qualifikationen, die in einem anderen Mitgliedsstaat erfor-

derlich sind, akzeptieren muss, soweit sie in bezug auf die von ihm festgelegten Erfordernis-

se als gleichwertig anerkannt sind.

ee) Besondere Vorschriften der Richtlinie 93/97/EWG

Die Richtlinie 93/97/EWG sieht für Baukonzessionen besondere Vorschriften vor. Für Kon-

zessionen, die den in der Richtlinie festgesetzten Schwellenwert nicht erreichen gelten aus-

schließlich die Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags. Die Richtlinie 2004/19/EWG

enthält keine besonderen Vorschriften über die Vergabe von Bau- oder Dienstleistungskon-

zessionen.

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Vergleichbar der Vergabe öffentlicher Aufträge sind die Auftraggeber bei Baukonzessionen

verpflichtet im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft bekannt zu machen und somit den

Wettbewerb auf europäischer Ebene zu ermöglichen. Das gilt unabhängig davon, ob der po-

tentielle Konzessionär dem privaten oder dem öffentlichen Bereich angehört. Artikel 3 (3) der

Richtlinie 93/97/EWG berücksichtigt auch ausdrücklich den Fall, dass der Konzessionär

selbst öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie ist. Der Konzessionsgeber kann den

geeigneten Verfahrenstyp wählen und insbesondere auch ins Verhandlungsverfahren eintre-

ten.

Ist der Konzessionär selbst Auftraggeber im Sinne der Richtlinie, so müssen die Verträge für

die Ausführung der Bauarbeiten unter Einhaltung sämtlicher Bestimmungen der Richtlinie für

öffentliche Bauaufträge vergeben werden. Das gleiche gilt im übrigen für Dienstleistungskon-

zessionen. Ist der Konzessionär nicht selbst öffentlicher Auftraggeber, so verlangt die Richt-

linie nur die Einhaltung bestimmter Bekanntmachungsvorschriften.

ff) Vorschriften für das Nachprüfungsverfahren

Artikel 1 der Richtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschrif-

ten für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Bau-

und Lieferaufträge (erhältlich unter

http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexapi!prod!CELEXnumdoc&lg=DE&nu

mdoc=31989L0665R(01)&model=guichett) sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten die erforderli-

chen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen der Vergabebe-

hörden wirksam und möglichst rasch auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Be-

reich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die die-

ses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können. Diese Bestimmung ist auf Konzessionen

anwendbar (vgl. EuGH-Urteil vom 19.06.2002, Rechtssache C-92/00, Hospital Ingenieure

Krankenhaustechnik, Slg. 2002 I-05553). Zur Umsetzung ins nationale Recht siehe folgen-

den Abschnitt.

gg) Nationales Recht

Gemäß § 32 Nr.2 VOB/A sind die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge (§§ 1-

31 VOB/A) für den Bereich des Baukonzessionsvertrages sinngemäß anzuwenden. Die Re-

gelungen der VOB/A passen aber dort nicht, wo es sich um Regelungen handelt, die den

normalen bauvertraglichen Vergütungsbereich betreffen. Diejenigen Basisparagrafen, die

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sich auf die Art, die Festsetzung und die Bewertung des Entgelts des Auftragnehmers bezie-

hen, können – soweit dem Konzessionär nicht eine Zuzahlung gewährt wird – für die Bau-

konzession keine Geltung beanspruchen.

§ 32 a VOB/A beinhaltet spezielle Bestimmungen für die Vergabe von Baukonzessionen. Die

Vorschrift ist in 3 Stufen aufgebaut. § 32 a Nr.1 VOB/A bezieht sich auf die eigentliche Kon-

zessionsvergabe durch den öffentlichen Auftraggeber an den Konzessionär. § 32 a Nr.2 und

3 VOB/A befassen sich demgegenüber mit der Vergabe der Bauaufträge durch die Konzes-

sionäre selbst. Dabei betrifft § 32 a Nr.2 VOB/A Regelungen für die Vergabe von Bauaufträ-

gen durch private Konzessionäre an Dritte, während § 32 a Nr.3 VOB/A schließlich den Son-

derfall regelt, dass der Konzessionär selbst öffentlicher Auftraggeber ist. Dadurch, dass § 32

Nr. 2 VOB/A die Vorschriften §§ 1-31 VOB/A für anwendbar erklärt, ist der Rechtsschutz

auch im Wege des Nachprüfungsverfahrens gewährleistet.

Die Dienstleistungskonzession ist im nationalen deutschen Recht nicht ausdrücklich gere-

gelt. Im Gegensatz zur Baukonzession fehlt für den Bereich von Liefer- und Dienstleistungen

jeglicher Anhaltspunkt für eine Einbeziehung von Konzessionsverträgen in den Regelungs-

bereich des deutschen Vergaberechts der § 97 ff. GWB (vgl auch OLG München, Beschluss

vom 11.12.2001 - Az.: Verg 15/01; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.11.2002 - Az.: 2 Verg

4/02) Das bedeutet gleichzeitig, dass der Primärrechtsschutz zu den Vergabekammern im

Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet ist. (zum Problem des Rechtschutz bei der Vergabe

von Dienstleistungskonzessionen vgl. auch Gröning, „Der Begriff der Dienstleistungskonzes-

sion, Rechtsschutz und Rechtsweg“ in VergabeR 2002, 24 ff.)

c) Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht

Im Jahr 1999 hat die Kommission einen Entwurf einer Mitteilung zu Auslegungsfragen im Be-

reich Konzessionen und gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen zum öffentlichen Auftrags-

wesen angenommen, der danach veröffentlicht wurde. Der Entwurf war das Ergebnis erster

Überlegungen seitens der Kommission, welchen diese nach der Diskussion der Problematik

in den beiden Beratenden Ausschüssen für das öffentliche Auftragswesen und nach Kennt-

nisnahme der Beiträge der betroffenen Kreise erstellt hat. Er war Gegenstand breit angeleg-

ter Konsultationen. Im Jahr 2000 hat die Kommission unter Berücksichtung zahlreicher Bei-

träge von Wirtschaftsteilnehmern, Vertretern des öffentlichen Interesses, staatlicher Behör-

den und Privatpersonen eine Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich

Konzessionen im Gemeinschaftsrecht veröffentlicht (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union

vom 29.4.2000, C 121/2). Der Anwendungsbereich der Mitteilung bezieht sich auf dem Staat

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zurechenbare Akte, durch die eine Behörde einen Dritten entweder vertraglich oder durch ei-

nen einseitigen Akt mit Zustimmung dieses Dritten die vollständige oder teilweise Durchfüh-

rung von Dienstleistungen überträgt, die grundsätzlich in seine Zuständigkeit fallen und für

die der Dritte die Nutzung trägt. Die Mitteilung bezieht sich allerdings nicht auf Akte, durch

die eine Behörde die Genehmigung zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit erteilt,

auch wenn sie in einigen Mitgliedsstaaten als Konzessionen bezeichnet werden. Außerdem

ausgenommen sind Akte im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätig-

keit, wie etwa das Pflichtschulwesen oder die Sozialversicherung.

5. Inhouse-Geschäfte

Eine bis in die jüngere Vergangenheit bei der Gestaltung von PPP-Modellen häufig genutzte

Rechtsfigur ist das sogenannte Inhouse-Geschäft. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass ein

öffentlicher Auftraggeber nicht allein deshalb einen Beschaffungsvorgang auszuschreiben

verpflichtet sein soll, weil der Auftragnehmer in privater Rechtsform organisiert ist. Vielmehr

sollen solche Auftragsvergaben nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des Vergabe-

rechts erfasst werden, die sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nur innerhalb der öffentlichen

Sphäre vollziehen, ungeachtet der Rechtsform der Beteiligten.

In der Vergabepraxis erwerben öffentliche Auftraggeber in der Regel bestehende Gesell-

schaften, zumeist in Form der GmbH, um diese Gesellschaften sodann „inhouse“, also ohne

förmliches Vergabeverfahren, zu beauftragen eine bestimmte Leistung, etwa Bau oder Be-

trieb eines Gebäudes, zu erbringen. Die jüngste Rechtsprechung des EuGH engt den An-

wendungsbereich dieser Rechtsfigur jedoch stark ein, wie nachfolgend zu erörtern sein wird.

Nach dem Erwerb aller Anteile an der Gesellschaft kann der öffentliche Auftraggeber un-

ter den im folgenden dargestellten Voraussetzungen im Wege der In-house Vergabe

Aufträge an die Gesellschaft vergeben, ohne vergaberechtlichen Anforderungen zu un-

terliegen.

Allgemein setzt die In-house Fähigkeit voraus, (1) dass die Gesellschaft „im wesentli-

chen“ für den Öffentliche Auftraggeber tätig wird und (2) der Öffentliche Auftraggeber ei-

ne Kontrolle über die Gesellschaft „wie über eine eigene Dienststelle“ ausübt.

Wesentliches Tätigwerden

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Kumulativ zur Kontrolle der Gesellschaft wie über eine eigene Dienststelle muss, nach

der Teckal-Rechtsprechung, der Auftragnehmer „im Wesentlichen“ für den Auftraggeber

tätig werden (EuGH, C-107/98, Teckal gegen Gemeinde Viano, Urteil vom 18. Novem-

ber 1999, NZBau 2000, 90 f, Rdnr 50 des Urteils).

Im Gegensatz zur zweiten Voraussetzung, hat der Europäische Gerichtshof im Urteil

„Stadt Halle“ (EuGH Rs. C-26/03 Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau Gmbh ./. Ar-

beitsgemeinschaft Thermische Restabfall- und Energieverwertungsanlage TREA Leuna,

Urteil vom 11. Januar 2005) offen gelassen, welche Anforderungen an ein „wesentliches

Tätigwerden“ zu stellen sind.

In der deutschen Literatur wird weit überwiegend davon ausgegangen, dass ein Auftrag-

nehmer 80% seines Umsatzes für den öffentlichen Auftraggeber erwirtschaften muss,

um „wesentlich“ für diesen tätig zu werden (Endler, NZBau 2002, 125, 132; Faber,

DVBl., 2001, 248, 254; Müller NZBau 2001, 416, 421; Eschenbruch, in: Nie-

buhr/Kulartz/Kus/Portz, GWB (2000), §99 Rdnr. 62; Marx, NZBau 2002, 311, 314).

Diese Ansicht wird auf den Rechtsgedanken des Artikel 13 Abs.1 SKR und den wortglei-

chen § 10 VgV in Verbindung mit § 100 Abs. 2 lit. i) GWB gestützt, der im Sektorenbe-

reich Dienstleistungsverträge an verbundene Unternehmen vom Vergaberegime aus-

nimmt:

§ 10 Freistellung verbundener Unternehmen (1) § 7 gilt nicht für Dienstleistungsaufträge, 1. die ein Auftraggeber an ein mit ihm verbundenes Unternehmen vergibt, 2. die ein gemeinsames Unternehmen, das mehrere Auftraggeber zur Durchfüh-rung von Tätigkeiten im Sinne des § 8 gebildet haben, an einen dieser Auftragge-ber oder an ein Unternehmen vergibt, das mit einem dieser Auftraggeber verbun-den ist, sofern mindestens 80 vom Hundert des von diesem Unternehmen wäh-rend der letzten drei Jahre in der Europäischen Gemeinschaft erzielten durch-schnittlichen Umsatzes im Dienstleistungssektor aus der Erbringung dieser Dienstleistungen für die mit ihm verbundenen Unternehmen stammen.

Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift außerhalb des Sektorenbereichs wird

angeführt, dass eine vergleichbare Interessenlage vorliege: Auch bei Verbindung zwi-

schen Unternehmen außerhalb des Sektorenbereichs bestehe ein Bedürfnis, dass inter-

ne Verträge nicht dem Wettbewerb unterliegen (Jasper/Pooth, VergR 2003, 613, 621).

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Zudem sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine vergleichbare Re-

gelung für Vergaben außerhalb des Sektorenbereichs verzichtet habe, so dass insoweit

eine planwidrige Regelungslücke vorliege.

Dem wird entgegnet, dass der Schwellenwert von 80% zwar praktikabel sei, es für ein

In-house Geschäft vielmehr darauf ankomme, dass der Auftragnehmer regelmäßig nicht

am Markt tätig sei. Die Vertreter dieser Ansicht fordern, dass der Auftragnehmer nahezu

ausschließlich für den Auftraggeber und damit für den öffentlichen Bereich tätig wird

(Dreher, NZBau 2001, 360, 364; NZBau 2002, 245, 253) und die zusätzliche Tätigkeit

des Auftragnehmers am Markt im Verhältnis zu seiner gesamten Tätigkeit nur eine un-

tergeordnete Stellung einnimmt (Generalanwalt Léger, Schlussanträge vom 15. Juni

2000 in der Rechtssache

C-94/99 Teckal, Rdnr. 81; Stickler, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht (2003),

§ 99, Rdnr. 5c, der die Grenze demzufolge bei 10 bis 20% zieht).

Eine derartige Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung auf den Öffentlichen Be-

reich sei insbesondere in der Satzung der Gesellschaft festzuschreiben (Dreher, a.a.O.).

Zumeist ist es ein bedeutendes Ziel der Parteien, dass die Gesellschaft nur ein unwe-

sentliches Drittgeschäft anstreben soll und damit „im wesentlichen“ für den öffentlichen

Auftraggeber tätig wird. Die Begrenzung des Drittgeschäfts auf maximal 20% des Ge-

samtumsatzes ist dem gemäß sinnvoller Weise in den Gesellschaftsvertrag der Gesell-

schaft aufzunehmen.

Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle

Notwendig ist daneben, daß der öffentliche Auftraggeber die Gesellschaft wie eine „ei-

gene Dienststelle“ kontrollieren kann.

Neben einer Beteiligung am zu beauftragenden Unternehmen muss der Auftraggeber

nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, C-107/98, Teckal gegen Gemeinde Viano,

Urteil vom 18. November 1999, NZBau 2000, S. 90; bestätigt in EuGH, C-94/99 ARGE

Gewässerschutz, Urteil vom 7. Dezember 2000, NZBau 2001, 99, Rdnr. 40 des Urteils)

eine umfassende Kontrolle über den Auftragnehmer ausüben, damit der

Beschaffungsvorgang vergabefrei bleibt. Die Kontrolle muss dem Auftraggeber die

Möglichkeit geben, auf Entscheidungen des Auftragnehmers Einfluss zu nehmen und

diesen „wie eine eigene Dienststelle“ (EuGH, C-107/98, Teckal gegen Gemeinde Viano,

Urteil vom 18. November 1999, Rdnr. 50; EuGH Rs. C-26/03 Stadt Halle, RPL

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vember 1999, Rdnr. 50; EuGH Rs. C-26/03 Stadt Halle, RPL Recyclingpark Lochau

Gmbh ./. Arbeitsgemeinschaft Thermische Restabfall- und Energieverwertungsanlage

TREA Leuna, Urteil vom 11. Januar 2005) zu kontrollieren. Diese Rechtsprechung ist im

Grundsatz von deutschen Gerichten übernommen worden (zum Beispiel: BGH, Be-

schluss vom 12. Juni 2001 – X ZB 10/01, VergabeR 2001, 286, NZBau 2001, 517; OLG

Düsseldorf, Beschluss vom 15. Oktober 2003, VII – Verg 50/03; OLG Naumburg, Be-

schluss vom 13. Mai 2003, 1 Verg 2/03; OLG Brandenburg, Beschluss vom 1. April

2003, Verg W 14/02; OLG Naumburg, Beschluss vom 8. Januar 2003, 1 Verg 7/02).

In der deutschen Rechtsprechung (vgl. nur: BayObLG, Beschluss vom 22. Januar 2002,

Verg 18/01) und Literatur (Faber, Öffentliche Aufträge an kommunalbeherrschte Unter-

nehmen – in-house-Geschäfte oder Vergabe im Wettbewerb, DVBl. 2001, 248, 253) wird

angenommen, dass der vom EuGH geprägte Begriff jedoch keine identische Kontrolle,

sondern nur eine vergleichbare Kontrolle meint. Dafür spricht die Erwägung, dass an-

dernfalls eine in-house Situation nur innerhalb einer Behördenstruktur denkbar wäre

(Jasper/Pooth, Die Auslegung der In-house-Kriterien, VergR 2003, 613, 615).

Ein derartiger Grad an Weisungsgebundenheit wie auch die Ausrichtung am Gemein-

wohlinteresse wäre mit den Instrumentarien des Privatrechts nicht herzustellen, da es

keine verwaltungsrechtlichen Aufsichts- und Weisungsbefugnisse für die Kontrolle pri-

vatrechtlich organisierter Eigengesellschaften gibt (Endler, Privatisierungen und Verga-

berecht, NZBau 2002, 125).

Zum anderen geht diese Interpretation des Urteils auch aus dem italienischen Original-

text wie auch aus dessen englischen und französischen Übersetzungen eindeutig hervor

(italienisches Original: un controllo analogo a quello da esso esercitato sui propri servizi;

englische Übersetzung: control which is similar to that which it exercises over its own

departments; französische Übersetzung: un contrôle analogue à celui qu'elle exerce sur

ses propres services).

Letztlich kommt es bei der Beurteilung, ob ein In-house Geschäft vorliegt weniger auf ei-

ne öffentlich-rechtliche Beherrschung als vielmehr auf die Möglichkeit, Ausgestaltung

und Intensität einer umfassenden Einflussnahme des Auftraggebers auf die Entschei-

dungen des Unternehmens an (Dreher, NZBau, 360, 363; Müller, Langfristige Vertrags-

verhältnisse der Kommunen mit kommunalen Tochtergesellschaften, NZBau 2001, 416,

419; Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts (2001), 111 f.).

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Damit muss die Kontrolle des Auftraggebers über den Auftragnehmer, auch wenn dieser

privatrechtlich organisiert sein sollte (Marx, Verlängerung bestehender Verträge und

Vergaberecht, NZBau 2002, 311, 314), nur vergleichbar sein mit der Weisungsgebun-

denheit über eigene Dienststellen. Die staatlichen Kontrollmöglichkeiten richten sich da-

bei nach den privatrechtlichen Regeln des Gesellschaftsrechts.

Unter Zugrundelegung des funktionalen Ansatzes aus der Rechtsprechung des EuGH

wird bezüglich der Kontrolle über das in-house beauftragte Unternehmen gefordert, dass

auch im Fall der In-house Vergabe eines Auftrags an ein vollständig zu 100% beherrsch-

tes (und damit nicht gemischwirtschaftlich betriebenes) Unternehmen auf die „konkrete

Ausgestaltung“ abzustellen ist. Diese funktionelle Betrachtungsweise, die die tatsächli-

chen Gegebenheiten in den Vordergrund stellt, findet ihre argumentative Grundlage in

der Rechtsprechung zum Auftraggeberbegriff (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Februar 2001,

Rs. C-237/99 Kommission ./. Frankreich; Urteil vom 17. Dezember 1998, Rs. C-353/96

Kommission ./. Irland). Auch dort stellt der EuGH auf die tatsächlichen Umstände des

Einzelfalls ab und weist damit eine rein formale und schematische Betrachtungsweise

zurück.

Nur eine funktionelle Betrachtung erlaubt es, die dem Auftraggeber tatsächlich einge-

räumten Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse zu beurteilen (Jaeger, NZBau 2001, 6, 9;

Müller, NZBau 2001, 416, 419 f.; Dreher, NZBau 2001, 360, 363 f.; Masing ZfBR 2002

450, 453). Dabei kommt der Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen eine wich-

tige Indizfunktion zu (Müller, NZBau 2001, 416, 420). So hat der Europäische Gerichts-

hof in dem oben zitierten Urteil „Stadt Halle“ im Januar 2005 (EuGH Rs. C-26/03 Stadt

Halle, RPL Recyclingpark Lochau Gmbh ./. Arbeitsgemeinschaft Thermische Restabfall-

und Energieverwertungsanlage TREA Leuna, Urteil vom 11. Januar 2005) entschieden,

dass eine Gesellschaft nur dann In-house fähig ist, „wenn die öffentliche Stelle, die ein

öffentlicher Auftraggeber ist, über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle aus-

übt wie über ihre eigenen Dienststellen“. Eine derartige intensive Kontrolle sei nur mög-

lich, wenn „die Einrichtung zu 100 % von öffentlichen Stellen gehalten“ wird. Dagegen

„schließt die auch nur minderheitliche Beteiligung eines privaten Unternehmens am Ka-

pital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt

ist,“ die In-house Fähigkeit der Gesellschaft aus.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist das alleinige Eigentum des Auftraggebers

an der Gesellschaft ein besonders starkes Indiz für die Kontrolle über die Gesellschaft.

Die vollständige Beherrschung der Gesellschaft nach Anteilen ist jedoch lediglich ein

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formales Indiz, das gemäß der vorstehend skizzierten funktionalen Betrachtungsweise

des Europäischen Gerichtshofs nur als eines unter mehreren Indizien gewertet werden

kann (so auch jüngst der EuGH in seinem Urteil in der Rs C-26/03, Rdnr. 49).

Neben dem Anteilseigentum ist die konkrete Ausgestaltung der Beherrschung der Ge-

sellschaft zu betrachten. Vertragliche Bindungen der Gesellschaft gegenüber Dritten

dürfen in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht die gesellschaftsrechtliche Kontrolle des

alleinigen Gesellschafters (öffentlicher Auftraggeber) unterminieren. Zwar hat der Auf-

traggeber als einziger Gesellschafter ein alleiniges Bestimmungsrecht über die Gesell-

schafterversammlung der Gesellschaft. Die Geschäftsführung der Gesellschaft wird je-

doch in der Praxis nicht selten de facto zumindest teilweise durch einen privaten Koope-

rationspartner im Rahmen der „operativen Geschäftsbesorgung“ wahrgenommen. In der

Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages ist daher darauf zu achten, dass die Gesell-

schafterversammlung eine konkrete und laufende Kontrolle über die Geschäftsführer

behält und grundlegende Geschäfte nur mit Zustimmung der Gesellschafterversamm-

lung abgeschlossen werden können (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Juni 2001 – X

ZB 10/01, NZBau 2001, 518, 519). Zudem darf ein etwiger Projektmanagementvertrag

mit einem privaten Partner inhaltlich nicht die Qualität eines Beherrschungsvertrags be-

kommen. Dies bedeutet insbesondere, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft nicht

den Weisungen eines vertraglich gebundenen Kooperationspartners unterstellt werden

darf (vgl. § 291 AktG) und die Gewinne der Gesellschaft nicht aufgrund einer vertragli-

chen Vereinbarung an einen Partner abgeführt werden dürfen.

Werden die genannten Aspekte bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags beach-

tet, so sind die zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und der Gesellschaft geschlos-

senen Verträge von den Grundsätzen der In-house Vergabe umfasst und mithin verga-

befrei.

6. Einsatz von Projektgesellschaften

Eines der komplexesten Themen im deutschen Vergaberecht ist die Feststellung der Eigen-

schaft eines öffentlichen Auftraggebers bei privatrechtlich organisierten Gesellschaften, die

Daseinsvorsorgeaufgaben wahrnehmen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Frage nach der

Auftraggeberqualifikation einer Gesellschaft ist immens. Prominente Beispiele aus der Priva-

tisierungspraxis der vergangenen Jahre belegen die mit der fehlerhaften Beurteilung dieses

Aspekts einhergehenden schwerwiegenden wirtschaftlichen Konsequenzen (z.B. im Fall der

„LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft“).

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Auftraggeberqualifikation

Die Parteien streben in der Regel an, dass die Betreibergesellschaft diejenigen Leistun-

gen, die sie nicht selbst erbringt, möglichst unkompliziert beschaffen kann. Als Optimal-

fall wird im Allgemeinen die Konstellation betrachtet, in der eine Projektgesellschaft in-

house-fähig, nicht jedoch unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers zu subsumie-

ren ist. Aufgrund der zur Erreichung der In-house Kriterien erforderlichen starken Bin-

dung an den öffentlichen Auftraggeber liegt es aber nahe, dass man die Gesellschaft

selbst wiederum als Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts qualifiziert. Unter wel-

chen Voraussetzungen dies der Fall ist, ergibt sich aus § 98 GWB.

Zur Bestimmung der Auftraggebereigenschaft wird bei § 98 Nr. 2 GWB ein funktionaler

Ansatz herangezogen (so vom EuGH grundsätzlich für den Lieferbereich festgelegt, vgl.

EuGH, Rs. C-31/87, Beentjes, Urteil v. 20.9.1988, Slg. 1988, S. 4635 (4655). Es kommt

demnach nicht darauf an, ob eine als Auftraggeber in Frage kommende Person nach öf-

fentlichem oder nach privatem Recht konstituiert ist. § 98 Nr. 2 GWB definiert den öffent-

lichen Auftraggeber im funktionellen Sinne als:

„... juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, die zu dem

besonderen Zweck gegründet wurden, im allgemeinen Interesse liegende Auf-

gaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter Nr. 1 oder 3

fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise

überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr

als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht

berufenen Organe bestimmt haben.“

Anhaltspunkte, ob eine Einrichtung öffentlicher oder privater Art unter diese Definition zu

fassen ist, bietet der Anhang I der Baukoordinierungsrichtlinie, der eine Aufzählung bie-

tet. Diese Liste kann jedoch allenfalls als Indiz oder als Hilfestellung dienen (Kauf-

hold/Mayerhofer/Reichl, Die VOF im Vergaberecht, S. 88).

Daher ist die oben genannte Definition heranzuziehen, die sich in drei wesentliche

Merkmale untergliedern lässt:

1. Eigene Rechtspersönlichkeit

2. Beherrschung durch die öffentliche Hand

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3. Erfüllung von Aufgaben im Allgemeininteresse nichtgewerblicher Art als

Gründungszweck

Diese müssen kumulativ vorliegen, d.h. wenn mindestens eines der genannten Kriterien

nicht erfüllt ist, fällt eine Einrichtung nicht mehr unter den Anwendungsbereich der Richt-

linie (so zuletzt: EuGH, Rs. C-223/99 und 260/99, Agorà und Excelsior, Urteil vom 10.

Mai 2001, Rdnr. 26).

Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hatte sich schon

mehrfach mit Abgrenzungen im Rahmen des § 98 Nr. 2 GWB auseinander zu setzen

hatte (vgl. z.B. EuGH, Rs. C-360/96, Gemeinde Arnhem ./. BFI Holding, Slg. 1998-I,

6861, Urteil vom 10. November 1998, Rdnr. 29). Schwierigkeiten ergeben sich insbe-

sondere daraus, dass es sich bei den einzelnen Merkmalen um unbestimmte Rechts-

begriffe handelt, die auslegungsbedürftig sind (vgl. Müller, in Daub/Eberstein, Kommetar

zur VOL/A, A § 1 a Rdnr. 8).

Im Einzelnen:

Eigene Rechtspersönlichkeit

Voraussetzung für eine Qualifikation als Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB ist zunächst

die Einordnung als juristische Person. Hierbei ist es unerheblich, ob die Körperschaft

privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert ist. Als Gegenbeispiele lassen sich

kommunale Eigenbetriebe und Regiebetriebe anführen: Diesen mangelt es an einer ei-

genen Rechtspersönlichkeit; sie sind lediglich Sondervermögen der Gemeinde (vgl. z.B.

Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Kommentar, Art. 89 GO

RN 7).

Eine Betreiber- oder Projektgesellschaft ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung

gemäß § 13 GmbHG eine juristische Person des privaten Rechts und besitzt damit ei-

gene Rechtspersönlichkeit, so dass dieses Tatbestandsmerkmal unproblematisch gege-

ben ist.

Besondere Staatsgebundenheit § 98 Nr. 2 GWB setzt weiterhin voraus, dass die Körperschaft durch einen klassischen

öffentlichen Auftraggeber entweder überwiegend finanziert oder beherrscht wird. Diese

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Voraussetzung war Gegenstand mehrer Urteile des EuGH (s. nur EuGH, Rs. C.283/00,

Urteil vom 16. Oktober 2003, Kommission ./. Spanien; EuGH, Rs. C-237/99, Urteil vom

1. Februar 2001, Kommission ./. Französische Republik).

a. Überwiegende Finanzierung

Eine überwiegende Finanzierung in diesem Sinne liegt vor, wenn mehr als die Hälfte der

Finanzmittel von öffentlichen Auftraggebern stammen (vgl. EuGH Rs. C 380/98, vom

03.10.2000, VergR 2001, 111 „University of Cambridge“, Urteil vom 3. Oktober 2000).

Um bestimmen zu können, ob eine überwiegende Finanzierung durch öffentliche Auf-

traggeber vorliegt, müssen in einem ersten Schritt sämtliche Finanzmittel der betroffe-

nen Einrichtungen ermittelt werden. Hierbei handelt es sich um das Eigenkapital, stille

Beteiligungen, von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellte Sachmittel sowie die

Einnahmen des Auftraggebers, einschließlich solcher, die aus einer gewerblichen Tätig-

keit stammen. Maßgebliche Finanzierungsperiode ist dasjenige Geschäfts- bzw. Haus-

haltsjahr, in dem der betreffende Auftrag vergeben wird.

Nach der deutschen Rechtsprechung zu diesem Tatbestandsmerkmal ist eine überwie-

gende Finanzierung bereits dann gegeben, wenn die Mehrheit der Anteile eines Unter-

nehmens in öffentlichem Eigentum stehen (Vergabekammer Baden-Württemberg beim

Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, Beschluss vom 9.10.2001 - Az.: 1 VK 27/01).

Abzustellen ist insoweit auf die juristische Person insgesamt und nicht nur auf die ein-

zelne von ihr durchgeführte Aufgabe. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Wortlaut des

§ 98 Nr. 2 GWB, der im Gegensatz zu § 98 Nr. 5 GWB nicht auf das Aufgabengebiet der

Vergabestelle, sondern nur auf den Rechtsträger als solchen abstellt (Bayerisches O-

berstes Landesgericht, Beschluss vom 24.05.2004 - Az.: Verg 006/04, Beschluss vom

10.9.2002 - Az.: Verg 23/02).

Nach der Auffassung des EuGH ist im Einzelfall zu prüfen, ob die konkrete Ausformung

der Finanzierung eine Verbindung der Einrichtungen mit der öffentlichen Hand schafft,

die es letzterer ermöglicht, die Entscheidungen der Einrichtungen in Bezug auf öffentli-

che Aufträge zu beeinflussen (EuGH, Urteil vom 1.2.2001 Kommission/ Französiche

Republik - Az.: C-237/99 Rdn. 48). Im Umkehrschluss betont der Europäische Gerichts-

hof, dass „nicht alle Zahlungen eines öffentlichen Auftraggebers begründen oder festi-

gen eine besondere Unterordnung oder Verbindung. Nur die Leistungen, die als Finanz-

hilfe ohne spezifische Gegenleistung die Tätigkeiten der betreffenden Einrichtung finan-

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zieren oder unterstützen, können als öffentliche Finanzierung eingestuft werden“ (Rdnr.

21 des oben zitierten Urteils).

Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muß

die Betreibergesellschaft nicht stets vom Öffentliche Auftraggeber finanziert werden.

Zwar stellen Erlöse, z.B. aus Pacht- oder Mietvertrag mit dem öffentlichen Auftraggeber

zuweilen die Haupteinnahmequelle einer Betreibergesellschaft dar. Diese Zahlungen

stellen aber in der Regel keine „Finanzierung“ im Sinne einer Finanzhilfe dar, sondern

die schuldrechtliche Gegenleistung für die von der Betreiber-GmbH erbrachten Leistun-

gen. Diese Leistungen werden, wie unten noch darzustellen sein wird, unter bestimmten

Voraussetzungen durchaus in eigenem wirtschaftlichen Risiko erbracht. Mithin begrün-

den derartige Zahlungen für sich genommen noch keine Subordination der Betriebsge-

sellschaft unter den öffentlichen Auftraggeber.

b. Beherrschung

Eine besondere Staatsgebundenheit gemäß § 98 Nr. 2 GWB kann durch eine „Beherr-

schung“ der Betreiber GmbH durch den Öffentliche Auftraggeber vermittelt werden.

Eine Beherrschung im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB ist dann anzunehmen, wenn eine Ge-

bietskörperschaft oder ein anderer öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 1, 2 oder 3

GWB über die Leitung der zu beurteilenden Einheit die Aufsicht ausübt (1. Alternative)

oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eine seiner zur Geschäftsführung oder zur Auf-

sicht berufenen Organe bestimmt hat (2. Alternative). Eine Aufsicht über die Leitung ei-

nes Unternehmens im Sinne der ersten Alternative ist dann anzunehmen, wenn zwi-

schen dem beherrschenden Auftraggeber und dem Unternehmen Regelungen beste-

hen, die in ihrer Gesamtheit einer Aufsicht durch den öffentlichen Auftraggeber in einem

Ausmaße entstehen lassen, das geeignet ist, Entscheidungen des Unternehmens in Be-

zug auf öffentliche Aufträge (Fremdaufträge der Gesellschaft) zu beeinflussen.

In seiner Spruchpraxis hat das Bundeskartellamt stets die Einflussnahme öffentlicher

Auftraggeber auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts unter dem Begriff der „Beherr-

schung“ zusammengefasst (so schon VÜA Bund 1 VÜ 1/95, WuW, VergAB S. 27 (34

ff)). Dabei orientierte er sich an § 17 Aktiengesetz. Danach hat ein Unternehmen dann

auf ein anderes beherrschenden Einfluss, wenn es seinen Willen hinsichtlich der wett-

bewerbsrelevanten Entscheidungen der Unternehmenspolitik bei dem beherrschten Un-

ternehmen durchsetzen kann (Prieß, in: BauR 1999, S. 1354 (1355). Dabei kann Grund

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der Beherrschung zum einen eine Mehrheitsbeteiligung und die damit verbundenen Ein-

flussmöglichkeiten auf die Besetzung der Entscheidungsgremien sein. Zum anderen

kann sich die Beherrschung auch aus einer entsprechenden vertraglichen Regelung er-

geben. Jedenfalls muss aber die staatliche Stelle einen solchen Einfluss auf den Auf-

traggeber ausüben können, dass sie die Beschaffungsvorgänge kontrollieren und ent-

weder mitentscheiden oder zumindest auf andere Art und Weise ihre Vorstellungen

durchsetzen und so die unternehmerische Vergabepolitik inhaltlich beeinflussen kann

(Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24.5.2004, Az.: 6/04).

Betreiber- oder Projektgesellschaften sind mithin aufgrund einer Beherrschung durch

den öffentlichen Auftraggeber in der Regel „besonders staatsgebunden“ im Sinne des §

98 Nr. 2 GWB.

Gründung zum Zweck der Erfüllung von Aufgaben im Allgemeininteresse in nicht gewerblicher Art

Im Weiteren muss stets geprüft werden, ob die Betreiber GmbH zu dem besonderen

Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher

Art zu erfüllen.

Der besondere Zweck muss allerdings nicht der einzige oder auch nur wesentliche Ge-

schäftszweck der juristischen Person sein; es reicht, dass er neben sonstigen vom Auf-

traggeber verfolgten Zwecken steht, damit dessen gesamte Tätigkeit den Bestimmungen

des Vergaberechts unterliegt (vgl. Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht 2. Aufl. 2003, § 98

GWB Rn. 15 m.w.N.). Deren Anwendung steht mithin nicht entgegen, dass der Auftrag-

geber in erheblichem oder sogar überwiegendem Maße gewerbliche Zwecke verfolgt

und insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht arbeitet; denn sonst ließe sich der Anwen-

dungsbereich der Vergaberegeln ohne weiteres umgehen, indem "klassische" öffentliche

Auftraggeber (z.B. Gebietskörperschaften) im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zur

Erfüllung auf von ihnen finanzierte und beherrschte private Dritte übertragen und diese

zusätzlich eine gewerbliche Betätigung aufnehmen (OLG Dresden, Beschluss vom

9.3.2004, Az.: 20 U 1544 / 03).

Bei der Auslegung und Prüfung dieses Begriffes muss nach der Rechtsprechung des

EuGH wiederum unterschieden werden: Nämlich nach dem Allgemeininteresse und der

Nichtgewerblichkeit. So hat der EuGH schon in der Rechtssache BFI-Holding (EuGH,

Rs. C - 360/96, Urteil vom 10.11.1998, Rdnr. 32, 36; s. auch EuGH, Rs. 223/99 und

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260/99, Urteil vom 10.05.2001, Agorà und Excelsior, Rdnr. 32) entschieden, dass aus

dem Wortlaut des Artikels 1 b unter Abs. 2 der Richtlinie 92/50 EWG in ihren verschie-

denen Sprachfassungen sich ergebe, dass das Kriterium der „nichtgewerblichen Art“

den Begriff der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben im Sinne dieser Bestimmung

präzisieren solle. So müsse zwischen den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben,

die nicht gewerblicher Art sind, einerseits und den im Allgemeininteresse liegenden Auf-

gaben, die gewerblicher Art sind, andererseits unterschieden werden.

In der deutschen Rechtsprechung wird die Ansicht vertreten, dass bei Gründung einer

juristischen Person des öffentlichen Rechts eine tatsächliche Vermutung dafür spricht,

dass die Gründung zum Zweck der Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Auf-

gaben erfolgt ist (Bayerisches Oberstes Landgericht, Beschluss vom 21.10.2004, Az.:

Verg 017/04).

a. Aufgabe im Allgemeininteresse

Weder im nationalen noch im europäischen Vergaberecht findet sich eine Legaldefiniti-

on, dieses unbestimmten Rechtsbegriffes (EuGH in ständiger Rechtsprechung. Vgl. nur:

EuGH Rs. 283/00 Kommission ./. Spanien, Urteil vom

16.10.2003). Der EuGH entscheidet in ständiger Rechtsprechung, dass der Begriff des

Allgemeininteresses in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche

Auslegung erhalten muss. Deutschen Gerichten ist es mithin verwehrt, den Begriff in

Abweichung von der Rechtsprechung des EuGH zu definieren.

Bislang wird es für nicht erforderlich gehalten, dass der fragliche Auftraggeber einzig

und allein zur Erfüllung von Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen gegründet

wurde: Er fällt schon dann unter § 98 Nr. 2 GWB, wenn er überhaupt Aufgaben der frag-

lichen Art erfüllt (vgl. auch EuGH Rs. C-360/96, Slg. 1998-I, 6861, „Gemeinde Arnhem ./.

BFI Holding“, Rdnr. 29: Danach kommt es nicht darauf an, “.. ob die Erfüllung der im All-

gemeininteresse liegenden Aufgaben tatsächlich nur einen relativ geringen Teil der Tä-

tigkeiten der Einrichtung ausmacht, solange sie weiterhin die Aufgaben wahrnimmt, die

sie als besondere Pflicht zu erfüllen hat.“, Rdnr. 55): Die Bestimmung des § 98 Nr. 2

GWB ist als Umsetzung der Vorgaben der gemeinschaftlichen Vergaberichtlinien ergan-

gen.

Bei der Überprüfung, ob eine Körperschaft wie eine Betreiber GmbH Zwecke des Allge-

meininteresses verfolgt, stellt der EuGH primär auf den Gründungsakt (d.h. den Gesell-

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schaftsvertrag oder die Satzung) ab. Vereinzelt wird dagegen vorgebracht, dass die in-

nere Rechtfertigung einer Anwendung der Vergabevorschriften nicht gegeben sei, wenn

ein Unternehmen nur zu einem geringen Teil staatsähnlich agiert und sich ansonsten

wie ein Wettbewerbsunternehmen am Markt verhält (vgl. Öhler, Zum Begriff des Öffent-

lichen Auftraggebers im Europäischen Vergaberecht, 2000, S. 208 unter Berufung auf

eine Analogie zu Art. 6 SKR). Aufgrund der vorrangigen Bedeutung des Gemeinschafts-

rechts würde nach ganz überwiegender Ansicht und der Rechtsprechung des EuGH je-

doch ein Abstellen auf den Umfang dieser Tätigkeit gegen den Grundsatz der Rechtssi-

cherheit verstoßen, der verlangt, dass eine Norm des Gemeinschaftsrechts klar und ihre

Anwendung für alle Betroffenen vorhersehbar sein muss (EuGH Rs. C-44/96, Slg. 1998-

I, 114, „Mannesmann Anlagenbau Austria“, Rdnr. 35; ebenso EuGH Rs. C-360/96 Slg.

1998-I, 6866, Gemeinde Arnhem ./. BFI Holding, Urteil vom 10. November 1998, Rdnr.

55).

Vor diesem Hintergrund hat der EuGH in mehreren Entscheidungen den Begriff „im All-

gemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art“ unter dem Blickwinkel der

Vergaberichtlinien und der Grundsätze des EG-Vertrages konkretisiert. Nach der Recht-

sprechung des EuGH sind Aufgaben, die im Allgemeininteresse liegen, solche, die eng

mit dem institutionellen Funktionieren des Staates verknüpft sind und der Einrichtung

durch Gesetz zugewiesen wurden, obwohl sie nicht förmlich in die staatliche Verwaltung

eingegliedert ist. Diese Aufgaben betreffen hoheitliche Befugnisse, die Wahrnehmung

der Belange des Staates und damit letztlich solche Tätigkeiten, welche der Staat selbst

erfüllen oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte (vgl. Bayeri-

sches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 21.10.2004, Az: Verg 17/04; Dreher DB

1998, 2579/2582; Boesen Vergaberecht § 98 Rn. 42 ff.; Byok/Jaeger/Werner Vergabe-

recht § 98 Rn. 247 ff; Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz/Eschenbruch Vergaberecht § 98 Rn. 34

ff.). Insgesamt kann aus dieser Rechtsprechung geschlossen werden, dass es dem

EuGH gerade darauf ankommt, einen möglichst weiten Anwendungsbereich der Verga-

berichtlinien zu gewährleisten (EuGH, Rs. C-373/00, Truley, Urteil vom 27.02.2003) und

eine Flucht aus der Staatlichkeit zu unterbinden, da privat betriebene Staatsbetriebe

konkurrierenden Privatunternehmen, die keine staatliche Verbindung haben, erhebliche

Marktanteile wegnehmen und so eine Verzerrung des Wettbewerbs herbeiführen (Ober-

landesgericht Naumburg, Beschluss vom 17.2.2004 - 1 Verg 15/03; Vergabekammer bei

der Bezirksregierung Münster, Beschluss vom 24.6.2002 - Az.: VK 03/02).

Als Aufgaben im Allgemeininteresse zählen vor allem alle Aufgaben der Daseinsvorsor-

ge (OLG Stuttgart, Beschluss vom vom 09.08.2001, Az.: 2 Verg 3/01). Daseinsvorsorge

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bedeutet, die durch das Gemeinwesen sicherzustellende Versorgung der Bevölkerung

und der Wirtschaft mit essentiellen Gütern und Dienstleistungen (einschließlich Infra-

struktur). So beschreibt die Europäische Kommission Leistungen der Daseinsvorsorge

mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“, die nach einhelliger

Meinung in der Gemeinschaft solche Tätigkeiten umfassen, die von den Mitgliedsstaaten

mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden und für die das Kriterium

gilt, dass sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden (Kommission, Grünbuch zu

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, 21.05.2003, KOM 2003, 270, S. 7). Darun-

ter fällt, so die Europäische Kommission, auch die allgemeine Bildungsaufgabe (Kom-

mission, Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, 21.05.2003, KOM

(2003) 270, S. 17).

Die deutsche Rechtsprechung gibt dem Begriff einen ähnlich weiten Anwendungsbe-

reich. So entschied das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Beschluss vom 6.02.2003,

Az.: 2 Verg 1/03), dass eine Aufgabe im Allgemeininteresse schon bei einer „Gemein-

wohlorientiertheit“ der Aufgabe anzunehmen sei. Eine derartige Gemeinwohlorientiert-

heit läge insbesondere dann vor, wenn das in Frage stehende Unternehmen von einem

Auftraggeber in Erfüllung gesetzlicher Pflichten (in dem vom KG Berlin entschiedenen

Fall: Wohnungsbauförderung) eingesetzt wird (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom

30.04.2003, Az.: Verg 67/02 für die „im Grundgesetz verankerte Aufgabe der unmittelba-

ren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte“).

Beispielsweise bei dem privaten Betrieb von Bildungseinrichtungen (Universitäten,

Fachhochschulen, Schulen) ist es so, dass die Aufgabe der Bereitstellung der äußeren

und inneren (Schul-)Verwaltung nicht von der Betreibergesellschaft übernommen wird;

diese ist in der Praxis in der Regel lediglich Dienstleister im Bereich des Betriebs, der

Instandhaltung und des Facility-Managements. Die Betreibergesellschaft wird damit

nicht mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben betraut, die der EuGH in dem Urteil betref-

fend die österreichische Staatsdruckerei als „im Allgemeininteresse“ liegend bezeichnete

(EuGH, Rs. C-44/96, Slg. 1998-I, 114, Mannesmann Anlagenbau Austria, Rdnr. 14).

Damit wäre in vielen Fällen schon das Vorliegen einer Aufgabe im Allgemeininteresse

zweifelhaft.

Zum Beispiel aus kommunalrechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich allerdings eine Ver-

pflichtung der Kommunen, Beteiligungen nur insofern zu halten, als dies zur Erfüllung

eines öffentlichen Zwecks erforderlich ist, § 121 ff HGO. Damit wird wohl eine Zuord-

nung der Gesellschaft zur Erfüllung einer Allgemeinwohlaufgabe wie „Bereitstellen der

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(äußeren) Schuleinrichtung“ im Gesellschaftsvertrag durch den Öffentliche Auftraggeber

vorgegeben werden. Dies gilt des Weiteren vor dem Hintergrund, dass für ggf. an die

Gesellschaft weitergeleitete Fördermittel die Einhaltung des Zuwendungszweckes ge-

währleistet werden muss. So gibt beispielsweise das hessische Schulrecht in

§ 158 Abs. 1 SchulG dem öffentlichen Auftraggeber als Schulträger auf,

die erforderlichen Schulgebäude und Schulanlagen zu errichten, mit den not-

wendigen Lehrmitteln, Büchereien, Einrichtungen und technischen Hilfsmitteln

einschließlich der audiovisuellen Hilfsmittel, soweit diese Bestandteil der Schul-

einrichtung sind, auszustatten und ordnungsgemäß zu unterhalten, zu verwalten

und zu bewirtschaften.

Die Sanierung und Bewirtschaftung, hier dargestellt am Beispiel von Schulen, wäre da-

her im Sinne der oben genannten Rechtsprechung der Vergabesenate gemeinwohlori-

entiert, da die Betreibergesellschaft für den öffentlichen Auftraggeber in Erfüllung der

gesetzlichen Pflichten aus dem Schulgesetz tätig werden soll. Es ist daher nicht auszu-

schließen, dass deutsche Vergabekammern und Vergabesenate im vorliegenden Fall

den Standpunkt vertreten, dass die Betreibergesellschaft eine Aufgabe im Allgemeininte-

resse gemäß § 98 Nr. 2 GWB erfüllt.

b. Tätigkeit nichtgewerblicher Art Die oben beschriebene Tätigkeit im Allgemeininteresse müsste weiterhin „nicht gewerb-

licher Art“ sein. Dieser Zusatz soll zur Präzisierung der Art der Aufgabe beitragen und

das Kriterium des Allgemeinwohls präzisiert (vgl. EuGH Rs. C-360/96 Slg. 1998-I, 6862,

Gemeinde Arnhem ./. BFI Holding, Rdnr. 23. Bis zu dieser Entscheidung bestand Unsi-

cherheit, ob es sich dabei um 2 getrennte Merkmale handelt, deren Vorliegen getrennt

überprüft werden müsse, vgl. Prieß in: BauR 12/99, S. 1354 (1355): Würde man die Er-

füllung von Aufgaben im Allgemeininteresse (bzw. die daraus hergeleitete Auftraggeber-

eigenschaft) allein auf genuin staatliche Aufgaben beschränken, würde dies zu eng grei-

fen (Dies erschließt sich auch daraus, dass dann eine Privatisierung ja schon gar nicht

möglich wäre, da der Staat sich der ihm genuine zustehenden Aufgaben nicht begeben

kann).

Auch für den Begriff der Gewerblichkeit fehlt eine Legaldefinition. Der EuGH hat in sei-

ner bisherigen Rechtsprechung lediglich Orientierungspunkte gegeben, die für die Aus-

legung des Begriffes von Bedeutung sein können. Danach handelt es sich um Aufgaben

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nicht gewerblicher Art im Allgemeinen dann, wenn der Staat aus Gründen des Allge-

meininteresses diese selbst erfüllt oder er einen entscheidenden Einfluss behalten

möchte (vgl. EuGH Rs. C-360/96 Slg. 1998-I, 6862, „Gemeinde Arnhem ./. BFI Holding“,

Rdnr. 51). Wesentlich für eine fehlende Gewerblichkeit ist daher, dass sich die Aufga-

benerfüllung außerhalb marktmäßiger Mechanismen oder in Abweichung davon voll-

zieht. Nichtgewerblichkeit ist also in dieser Hinsicht gleichbedeutend mit dem Vorhan-

densein einer staatlich herbeigeführten Sonderstellung (Dreher, WuW 1999, S. 244,

246).

In der Rechtssache „Gemeinde Arnheem“ entschied der Gerichtshof, dass die Abfallent-

sorgung aufgrund der besonderen Bedeutung der öffentlichen Gesundheit und des Um-

weltschutzes eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe sei (vgl. EuGH Rs. C-360/96

Slg. 1998-I, 6862, „Gemeinde Arnhem ./. BFI Holding“, Rdnr. 52). Damit wird zum Aus-

druck gebracht, dass über den Bereich der genuin staatlichen Tätigkeiten hinaus, es

weitere Bereiche staatlichen Handelns im Allgemeininteresse gibt, die grundsätzlich ei-

ner Ausschreibungspflicht unterliegen. Da über das Kriterium des Allgemeininteresse al-

lein hier keine sinnvolle Abgrenzung erreicht werden kann, ist hier das Untermerkmal

der Gewerblichkeit bzw. Nichtgewerblichkeit heranzuziehen (vgl. EuGH Rs. C-360/96

Slg. 1998-I, 6862, „Gemeinde Arnhem ./. BFI Holding“, Rdnr. 49). Nur für nichtgewerb-

lich Handelnde greift die Ausschreibungspflicht.

Organisationsform, Rechnungswesen und Gewinnerzielungsabsicht allein sind keine

tauglichen Abgrenzungskriterien zwischen gewerblichen und nicht gewerblichen Tätig-

keiten, da öffentliche aber auch private Unternehmen , wie z.B. früher die Deutsche Post

AG trotz kaufmännischer Organisationsform, kommerziellem Rechnungswesen und Ge-

winnerzielungsabsicht im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art

wahrnehmen (Müller, in: Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A, A § 1 a RN 21). Eben-

so wenig kann zur Bestimmung dieses Begriffs europarechtlicher Herkunft auf das deut-

sche Gewerberecht zurückgegriffen werden (Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, GWB-

Kommentar, § 98 RN 37; Müller, in: Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A, A § 1 a RN

21).

Wesentlich für eine fehlende Gewerblichkeit ist daher, dass sich die Aufgabenerfüllung

außerhalb marktmäßiger Mechanismen oder in Abweichung davon vollzieht. Nichtge-

werblichkeit ist also in dieser Hinsicht gleichbedeutend mit dem Vorhandensein einer

staatlich herbeigeführten Sonderstellung (vgl. Dreher, WuW 1999, S. 244, 246). Der

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EuGH hat bisher als maßgebliche Anhaltspunkte die folgenden Aspekte identifiziert, die

für das Vorliegen der Gewerblichkeit sprechen können:

1) Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht

2) Tragen des wirtschaftlichen Risikos

3) Bestehen eines nachhaltigen, entwickelten Wettbewerbs mit anderen An-

bietern

Damit ist die Gewerblichkeit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller erheblichen

rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Einzelfall festzustellen (EuGH Rs. C-360/96

Slg. 1998-I, 6861, Gemeinde Arnhem ./. BFI Holding, Urteil vom 10. November 1998,

Rdnr. 49; Schlussanträge GA Pergola, Rs. C-223/99 und 260/99, Agorà und Excelsior,

Rdnr. 69; EuGH, Rs. C-373/00, Truley, Urteil vom 27.02.2003, Rdnr. 66; EuGH, Rs. C -

18/01, Korhonen, Urteil vom 22.05.2003, Rdnr. 50; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker,

GWB-Kommentar (3. Auflage 2001), § 98 RN 38 ff.; ders., in: Der Betrieb 1998, S. 2579

(2583), Franke/Höfler, Auftragsvergabe nach VOL/A und VOF (2003), S. 25).

Zum Vorliegen dieser Voraussetzungen im Einzelnen:

1) Gewinnerzielungsabsicht

Gegen die Annahme der Nichtgewerblichkeit kann zunächst die Gewinnerzielungsab-

sicht einer Körperschaft sprechen. Ist diese nämlich unter normalen Marktbedingungen

tätig, verfolgt sie Gewinnerzielungsabsicht und trägt die mit ihrer Tätigkeit verbundenen

Verluste, dann ist es wahrscheinlich, dass sie Aufgaben gewerblicher Art erfüllt. In ei-

nem solchen Fall besteht auch kein Grund für die Anwendung der vergaberechtlichen

Gemeinschaftsrichtlinien (EuGH, Rs. C-18/01, Korhonen, Urteil vom 22.05.2003, Rdnr.

51). Der Wettbewerbsdruck führt hier bereits zu einem Beschaffungsverhalten, das am

Gedanken der Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist.

In der deutschen Rechtsprechung zu diesem Merkmal wird jedoch betont, dass die Auf-

nahme einer Gewinnorientierung in die Satzung eines Unternehmens für sich genom-

men die Anwendung des § 98 Nr. 2 GWB nicht auszuschließen vermag (OLG Düssel-

dorf, Beschluss vom 30.04.2003, Az.: Verg 67/02; KG Berlin, Beschluss vom 6.02.2003,

Az.: 2 Verg 1/03).

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Die Parteien in einer Public Private Partnership beabsichtigen in der Regel, dass die

Betreibergesellschaft gewinnorientiert handeln soll. Dies kann sich beispielsweise aus-

drücken in der Freiheit zur Akquisition von Drittgeschäft (typisch im Bereich des Gebäu-

demanagements), das einen Umfang von bis zu 20% des Gesamtumsatzes ausmachen

kann. Um zusätzliches Geschäft zu akquirieren und eine an wirtschaftlichen Maßstäben

orientierte Geschäftstätigkeit zu gewährleisten, wird die Gesellschaft zudem häufig mit

Geschäftsführern ausgestattet, deren Handeln an Leistungs-, Effizienz- und Wirtschaft-

lichkeitskriterien ausgerichtet ist (Vgl. EuGH, Rs. C-223/99 und 260/99, Agorà und Ex-

celsior, Urteil vom 10. Mai 2001, Rdnr. 30). Ein weiteres Indiz für die Gewinnerzielungs-

absicht der Betreibergesellschaft kann es sein, dass die Gesellschaft etwaige Verluste

selbst ausgleichen muss und der öffentliche Auftraggeber keine finanziellen Verpflich-

tungen zum Ausgleich derartiger Verluste eingeht. Um etwaigen Bedenken gegenüber

der Gewinnorientierung der Betreibergesellschaft zu begegnen, sollte dieser Aspekt

letztlich ausdrücklich in die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft auf-

genommen werden (Vgl. EuGH, Rs. C.283/00, Kommission ./. Spanien, Urteil vom 16.

Oktober 2003, Rdnr. 89; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, GWB-Kommentar (3. Aufla-

ge 2001), § 98, Rdnr. 39).

2) Wirtschaftliches Risiko

Dem EuGH zufolge sprechen gute Argumente für eine Nichtgewerblichkeit, wenn die

Gebietskörperschaften, denen die Gesellschaft gehört, eine etwaige Zahlungsunfähig-

keit tatsächlich nicht in Kauf nehmen würde, sondern soweit erforderlich eine Rekapitali-

sierung der Gesellschaft durchführen würde, damit diese weiterhin die Aufgaben wahr-

nehmen könnte, für die sie gegründet wurde (EuGH, Rs. C-18/01, Korhonen, Urteil vom

22.05.2003, Rdnr. 53; EuGH, Rs. C-223/99 und 260/99, Agorà und Excelsior, Urteil vom

10. Mai 2001, Rdnr. 40). Wenn die betreffende Einrichtung unter normalen Marktbedin-

gungen tätig ist, Gewinnerzielungsabsicht hat und die mit ihrer Tätigkeit verbundenen

Verluste trägt, dann ist es wahrscheinlich, dass sie Aufgaben gewerblicher Art erfüllt

(EuGH, Rs. C.283/00, Kommission ./. Spanien, Urteil vom 16. Oktober 2003, Rdnr. 91).

In einem solchen Fall besteht auch kein Grund für die Anwendung der vergaberechtli-

chen Gemeinschaftsrichtlinien (EuGH, Rs. C-18/01, Korhonen, Urteil vom 22.05.2003,

Rn. 51). Der Wettbewerbsdruck führt hier bereits zu einem Beschaffungsverhalten, das

am Gedanken der Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist.

Andererseits spreche, so der EuGH, schon vieles für eine Nichtgewerblichkeit, wenn die

Gebietskörperschaften, denen die Gesellschaft gehörte, eine etwaige Zahlungsunfähig-

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keit tatsächlich nicht in Kauf nehmen würden, sondern soweit erforderlich eine Rekapita-

lisierung der Gesellschaft durchführen würde, damit diese weiterhin die Aufgaben wahr-

nehmen könnte, für die sie gegründet wurde (EuGH, Rs. C-18/01, Korhonen, Urteil vom

22.05.2003, Rn. 53). Dieser Einschätzung ist die deutsche Rechtsprechung gefolgt: Die

Vergabekammer des Freistaates Sachsen bejahte die Gewerblichkeit bei einem Unter-

nehmen, das bei seiner gesamten Geschäftstätigkeit im Wettbewerb steht und dem In-

solvenzrisiko ausgesetzt ist oder nicht mit einem Wertausgleich durch den öffentlichen

Anteilseigner rechnen kann (Vergabekammer des Freistaates Sachsen beim Regie-

rungspräsidium Leipzig, Beschluss vom 29.7.2003 - Az.: 1/SVK/076-03). Das Oberlan-

desgericht Düsseldorf hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Übernahme

unternehmerischer Risiken eine Tätigkeit innerhalb marktmäßiger Mechanismen indizie-

re und eine staatlich herbeigeführte marktbezogene Sonderstellung ausschließe (OLG

Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.2003, Az.: Verg 67/02).

In der Gestaltungspraxis bei PPP-Projekten von hoher Bedeutung ist deshalb die Über-

nahme bestimmter Unternehmensrisiken einer Betrieber- oder Projektgesellschaft durch

einen privaten Dritten. Im Rahmen einer derartigen Vereinbarung zwischen dem öffentli-

chen Auftraggeber und seinem privatem Partner, wonach der private Partner zumindest

für einen signifikanten Teil der Leistung eine Kostengarantie übernimmt, trägt mithin ein

Privater ein Unternehmensrisiko der Gesellschaft, also nicht der öffentliche Auftraggeber

oder seine Projektgesellschaft. Eine solche Risikoübernahme kann dazu führen, dass

der private Vertragspartner gegenüber der Gesellschaft maßgeblich auf ein nach wirt-

schaftlichen Grundsätzen funktionierendes Beschaffungsverhalten hinwirkt. Mit dem öf-

fentlichen Auftraggeber ist deshalb aus Sicht des privaten Partners häufig sehr genau zu

erörtern, ob der öffentliche Auftraggeber als Anteilseigner von Maßnahmen absehen

würde, die gegebenenfalls zur Verhinderung einer Insolvenz erforderlich wären.

Aufgrund solcher Garantieübernahmen ist es in Einzelfällen vorstellbar, dass die Gesell-

schaft die Dienstleistung in gewerblicher Art wahrnimmt. Damit würde eine Qualifikation

als öffentlicher Auftraggeber ausscheiden. Aufgrund des Einzelfallcharakters der bisher

ergangenen Entscheidungen zur Auslegung des Gewerblichkeitsbegriffs fehlt es aller-

dings bislang an einer gefestigten Beurteilungsgrundlage.

3) Wettbewerbliche Tätigkeit

Das letzte Indiz für das Vorliegen der Nichtgewerblichkeit im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB

ist das Tätigwerden außerhalb einer wettbewerblichen Marktsituation. Die „wettbewerbli-

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che Tätigkeit“ gewinnt zunehmend an Bedeutung in der europäischen Rechtsprechung.

Der Gerichtshof stellt in der Entscheidung „Gemeinde Arnheem“ fest, dass das Vorlie-

gen eines entwickelten Wettbewerbs und insbesondere der Umstand, dass die betref-

fende Einrichtung auf dem betreffenden Markt im Wettbewerb steht, darauf hinweisen

kann, dass es sich nicht um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerbli-

cher Art handelt (EuGH, Rs. C-360/96 Slg. 1998-I, 6862 „Gemeinde Arnhem ./. BFI Hol-

ding, Urteil vom 10. November 1998, Rdnr. 36). Zudem sei zu fragen, ob der Staat über

die in Frage stehende Aufgabe jedenfalls einen gewissen Einfluss behalten möchte, um

eventuell auftretende, politisch nicht hinnehmbare Missstände unabhängig von Gewinn-

maximierungserwägungen gegensteuern zu können (so auch: KG Berlin, Beschluss vom

6.02.2003, Az.: 2 Verg 1/03).

Nach dem EuGH ist hierbei auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen (EuGH,

Rs. C-470/99, Universale-Bau AG, Urteil vom 12. Dezember 2002). Der Gerichtshof hat

zwar entschieden, dass der Begriff der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht-

gewerblicher Art Aufgaben nicht ausschließt, die auch von Privatunternehmen erfüllt

werden oder erfüllt werden könnten (EuGH, Rs. C-360/96 Slg. 1998-I, 6861 Rn 29 „Ge-

meinde Arnhem ./. BFI Holding“, Urteil vom 10. November 1998, Rdnr. 53), er hat aber

auch ausgeführt, dass das Vorliegen eines entwickelten Wettbewerbs und insbesondere

der Umstand, dass die betreffende Einrichtung auf dem Markt im Wettbewerb steht, dar-

auf hinweisen kann, dass es sich nicht um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe

nichtgewerblicher Art handelt (EuGH, Rs. C-360/96 Slg. 1998-I, 6861, Gemeinde Arn-

hem ./. BFI Holding, Urteil vom 10. November 1998, Rdnr. 49). Für Messebetreiber ent-

schied der EuGH, dass das wettbewerbliche Umfeld unter Berücksichtigung nationalen

und internationalen Wettbewerbs zu untersuchen ist (EuGH, Rs. C-223/99 und 260/99,

Agorà und Excelsior, Urteil vom 10. Mai 2001, Rdnr. 42).

Häufig soll die Betreibergesellschaft für den öffentlichen Auftraggeber Dienstleistungen,

etwa in den Bereichen Sanierung und Facility Management oder Softwarepflege, erbrin-

gen. In solchen Geschäftsbereichen besteht meist ein entwickelter Wettbewerb, da der-

artige Leistungen auch von Privatunternehmen erbracht werden. Im Sinne der Recht-

sprechung des Europäischen Gerichtshofes steht die Betreibergesellschaft mithin in den

meisten Fällen ohne weiteres im Wettbewerb mit anderen Unternehmen. Dies gilt eben-

so für das von der Betreibergesellschaft ggfs. zu entwickelnde Drittgeschäft. In dem be-

deutenden Markt der Sanierung von Schulgebäuden und des anschließenden Betriebs

dieser Gebäude ist ein staatliches Handeln aus Gründen des Allgemeininteresses nicht

erforderlich. Mit der Ausgliederung dieser Aufgaben unterstreicht der öffentliche Auftrag-

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geber, dass er über diese rein unterstützenden Annex-Aufgaben keinen staatlichen Ein-

fluss mehr ausüben, sondern ein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführtes Un-

ternehmen mit diesen Aufgaben betrauen möchte. Unter Beachtung der ratio legis ist es

mithin ausgeschlossen, dass der öffentliche Auftraggeber auf Beschaffungsvorgänge

der Betreibergemeinschaft in diskriminierender Weise Einfluss nimmt und sich die Ge-

sellschaft damit von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen bei ihren Beschaffungs-

akten leiten lässt.

Diese Feststellung steht auch keineswegs im Widerspruch zu einer möglichen Kontrolle

der Betreibergesellschaft durch den öffentlichen Auftraggeber. Die Kontrolle über die

Betreibergesellschaft wie über eine eigene Dienststelle schließt nämlich nicht aus, dass

die Gesellschaft im Wettbewerb mit privaten Unternehmen in den genannten Marktseg-

menten steht.

7. Erwerb von Gesellschaftsanteilen an/ Gründung von Projektgesellschaften

Vergaberechtlich bedeutsam ist auch der Vorgang des Erwerbs von Gesellschaftsantei-

len oder der Gesellschaftsgründung. Beide Transaktionstypen sind in PPP-Projekten re-

gelmäßig anzutreffen.

Der Anteilserwerb ist nur dann vergabepflichtig, wenn diesem ein Vertrag im Sinne des §

99 GWB zugrunde läge und damit der sachliche Anwendungsbereich des Vierten Teils

des GWB eröffnet wäre.

Nach Maßgabe des § 99 Abs. 1 GWB muss ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öf-

fentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen vorliegen, der auf eine Lieferung, Bau-

leistung, Dienstleistung oder Auslobung gerichtet ist (§ 99 Abs. 2 - 5 GWB) und den je-

weiligen Schwellenwert übersteigt (§ 100 Abs. 1 GWB). Es darf kein Ausnahmetatbe-

stand des § 100 Abs. 2 GWB erfüllt sein. Es liegt zudem im Wesen des öffentlichen Auf-

trags im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB, dass der öffentliche Auftraggeber mit der Vergabe

einem in seinem Verantwortungsbereich auftretenden eigenen Beschaffungsbedarf

Rechnung trägt (OLG Düsseldorf Verg 2/04, Beschluss vom 28.04.04).

Der Vorgang des Anteilserwerbs durch den Öffentliche Auftraggeber könnte stets dem

Vergaberecht vollständig dadurch entzogen werden, dass die Gesellschaft dem Öffentli-

che Auftraggeber für den Erwerb keinen Kaufpreis berechnet. Bei einer kostenlosen Ab-

tretung aller Anteile an der Gesellschaft läge kein „entgeltlicher“ Vertrag im Sinne von §

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99 GWB vor. Mithin gelangten die vergaberechtlichen Vorschriften nicht zur Anwendung

und der Anteilserwerb wäre der Nachprüfung durch die Vergabekammer entzogen.

Die Parteien können den Vertrag über den Anteilserwerb dem Anwendungsbereich des

Vierten Teils des GWB aber auch dadurch entziehen, dass der von dem Öffentliche Auf-

traggeber zu entrichtende Kaufpreis den Betrag von € 200.000,-- nicht übersteigt. Soll-

ten sich die Parteien auf einen Kaufpreis unterhalb dieses Schwellenwertes einigen

können, so fände das gesetzliche Vergaberecht keine Anwendung. Unter dieser Prämis-

se wäre eine europaweite Ausschreibung und die damit verbundene Durchführung eines

streng formellen Vergabeverfahrens verzichtbar.

Auch wenn ein Veräußerer der Anteile einen Erlös für anstreben sollte, der € 200.000,-

übersteigt, sprächen die besseren Argumente für die Annahme, dass der Vertrag über

den Anteilserwerb dem Vergaberecht entzogen wäre. Maßgebend hierfür ist die Beant-

wortung der Frage, ob der Erwerb einer Gesellschaft mit bestehenden vertraglichen

Verbindlichkeiten einen „Beschaffungsbezug“ aufweist, weil dem Erwerb eine Auftrags-

neuerteilung immanent ist.

Gegenstand eines Beschlusses der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln (VK

9/2003, 15/2003, Beschluss vom 10. Juni 2003) war der Anteilserwerb an einer Gesell-

schaft. Dem Beschluss lag der Sachverhalt zugrunde, dass eine nordrhein-westfälische

Stadt ein Entsorgungsunternehmen kauft, um diese Gesellschaft bei der Erfüllung der

städtischen Entsorgungsaufgaben einzusetzen. In diesem Fall, so die Vergabekammer,

läge kein Beschaffungsvorgang im Sinne des § 99 GWB vor, da mit dem Anteilserwerb

keine Auftragsneuerteilung einherginge. Der reine Erwerb fremder Geschäftsanteile

durch einen öffentlichen Auftraggeber unterscheide sich in diesem Aspekt von den in §

99 GWB geregelten Vertragstypen darin, dass eben kein Beschaffungsbezug bestünde.

Des weiteren sind in der Rechtsprechung Anteilsveräußerungen öffentlicher Auftragge-

ber behandelt worden. So hat das Oberlandesgericht Brandenburg (Verg 3/01, Be-

schluss vom 3.08.2001) im Fall einer Anteilsveräußerung ebenfalls geprüft, ob mit dem

Ankauf der Gesellschaft eine Auftragsneuerteilung zugunsten eines privaten Unterneh-

mens erfolgte. Der Vergabesenat stellte fest, dass eine Ausschreibung immer dann ent-

behrlich sei, wenn die durch den Vertrag geschaffene gesellschaftsrechtliche Bindung

keinerlei beschaffungsrechtlichen Bezug habe. Die öffentliche Verwaltung werde in der

vorliegenden Konstellation nicht als Beschaffer tätig (so auch: Reidt/Stickler/Glahs, Ver-

gaberecht (2. Auflage 2003), § 99 Rn. 4).

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Der Fall des Erwerbs einer privaten Gesellschaft durch einen öffentlichen Auftraggeber,

die bestehende Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zu erfüllen hat, ist dagegen bislang

nicht von der Rechtsprechung behandelt worden. Dies verwundert, weil gerade hierin

erhebliche Gestaltungsphantasien in der Vergabepraxis liegen. Da keine belastbare

Rechtsprechung von Vergabekammern oder Oberlandesgerichten zu dieser Konstellati-

on (Erwerb eines Unternehmens mit Drittverbindlichkeiten) vorliegt, ist in der vergabe-

rechtlichen Beurteilung auf das in der oben skizzierten Rechtsprechung entwickelte Kri-

terium des „Beschaffungsbezugs“ bzw. der „Auftragsneuerteilung“ zurückzugreifen (vgl.

OLG Düsseldorf Verg 2/04, Beschluss vom 28.04.04).

Bei dem Erwerb einer Gesellschaft mit bestehenden Verbindlichkeiten ist ein Beschaf-

fungsbezug dann anzunehmen, wenn vor der Anteilsübertragung schuldrechtliche Ver-

träge zwischen dem zu übertragenden Unternehmen und Dritten geschlossen wurden,

durch die mittelbar der öffentliche Auftraggeber mit dem Anteilskauf schuldrechtlich ver-

pflichtet wird. In einer vertraglichen Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers könnte

bei der gebotenen Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung eine „Auf-

tragsneuerteilung“ liegen.

Für die Annahme eines Beschaffungsbezugs des Anteilserwerbs spricht in der Praxis

häufig schon die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung des von dem öffentlichen Auftrag-

geber und seinem privaten Partner geplanten Projekts. Ziel der Übertragung der Anteile

an der Gesellschaft ist es oft, der Privaten Aufträge ohne öffentliche Ausschreibung zu

erteilen.

Möglicherweise etwas anderes kann sich ergeben, wenn die fragliche Verbindlichkeit

aus einem Rahmenvertrag resultieren würde. Gegen die Annahme eines Beschaffungs-

bezugs spricht in solchen Fällen nämlich, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Rah-

menvertrags ebenso wie im Zeitpunkt der Anteilsübertragung in der Regel noch nicht

absehbar ist, von welcher Art von Auftraggeber und in welchem Umfang später, nach

der Übertragung der Gesellschaftsanteile, Leistungen abgerufen werden. Wollte man

aufgrund der zeitlich vorgelagert begründeten Verbindlichkeit der Gesellschaft aus dem

Rahmenvertrag mit dem Privaten im Sinne einer Gesamtbetrachtung des mehraktigen

Vorgangs einen Beschaffungsbezug herleiten, so käme dies einer vergaberechtlich nicht

zu rechtfertigenden Vorwegnahme der Gestaltung der Gesellschaft mit Blick auf ihre

mögliche Auftraggeberqualifikation gleich. Anders ausgedrückt: Es ist in dem Zeitpunkt

des Anteilserwerbs nicht auszuschließen, dass die Gesellschaft trotz ihrer Beherrschung

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durch die öffentliche Hand keine der in § 98 GWB geregelten Auftraggeberqualifikatio-

nen erfüllt. Prominente Beispiele für staatlich beherrschte Unternehmen in privater

Rechtsform sind aus dem Wirtschaftsleben bekannt, etwa die durch den Bund und die

KfW beherrschte Deutsche Post AG. Die Folge wäre, dass die Gesellschaft mangels

Auftraggeberqualifikation den privaten Partner frei zu beauftragen berechtigt wäre. Man-

gels Auftraggeberqualifikation müsste konsequenterweise auch der Beschaffungsbezug

verneint werden.

Überdies besteht im Zeitpunkt der Übertragung aller Anteile an der Gesellschaft auf den

öffentlichen Auftraggeber in der Regel nur eine schuldrechtliche Verbindlichkeit, etwa in

Form des Projektmanagementvertrags. Auch bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrach-

tung bedeutet diese schuldrechtliche Verpflichtung jedoch keine verdeckte Auftragsver-

gabe. Der Vertrag besteht nämlich auch nach dem Anteilserwerb nur zwischen der Ge-

sellschaft und dem Privaten, die eine von dem öffentlichen Auftraggeber getrennt zu be-

trachtende juristische Person ist. Ein solcher Projektmanagementvertrag beispielsweise

hätte lediglich die Dienstleistungen für die Gesellschaft zum Gegenstand und bliebe da-

mit letztlich für den öffentlichen Auftraggeber ohne unmittelbare wirtschaftliche Rele-

vanz. Schließlich wäre der wirtschaftliche Zweck des Anteilserwerbs an der Gesellschaft

durch den öffentlichen Auftraggeber nicht die Beauftragung des privaten Partners mit ei-

nem Projektmanagementvertrag. Die Gesellschaft soll in der Praxis regelmäßig vielmehr

in der Erfüllung von Daseinsvorsorgeaufgaben eingesetzt werden. Es wird der öffentli-

che Auftraggeber selbst durch den Vertrag nicht schuldrechtlich verpflichtet, so dass

auch insoweit keine Auftragsneuerteilung zu erkennen ist.

* * * * *