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Forschungszentrum für Umweltpolitik (ffu)FU BerlinDr. Dörte Ohlhorst
Goal 7: Ensure access to affordable, reliable, sustainable and modern energy for all
- Energiewende in Deutschland als gesellschaftliche Herausforderung
Freie Universität Berlin,Ringvorlesung
Transforming Our World: Nachhaltigkeit an der Freien Universität Berlin
30. Mai 2017
Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern
• Energie (Strom, Wärme, Mobilität) ist zentraler Aspekt bei vielen globalen Aufgaben: Nahrungsmittelproduktion, Arbeitsplätze, Wohnen, Sicherheit etc. - Zugang zu Energie für alle ist wichtig
• ca. 1,3 Mrd. Menschen (19 %) haben keinen Zugang zu elektrischem Strom (v.a. Afrika und Asien) - Armutsfalle
• ca. 2,5 Mrd. Menschen sind abhängig von Holz, Kohle, Holzkohle oder Dung zum Kochen und Heizen – ca. 1,5 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen
Quelle: AFFORDABLE AND CLEAN ENERGY:WHY IT MATTERS
Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern
Unterziele bis 2030
7.1 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern
7.2 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen7.3 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln
7.a die internationale Zusammenarbeit verstärken, um den Zugang zur Forschung und Technologie im Bereich erneuerbare Energie, Energieeffizienz sowie fortschrittliche und saubere Technologien für fossile Brennstoffe, zu erleichtern, und Investitionen in Energieinfrastruktur und saubere Energietechnologien fördern
7.b die Infrastruktur ausbauen und die Technologie modernisieren, um in den Entwicklungsländern und insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern, den kleinen Inselentwicklungsländern und den Binnenentwicklungsländern im Einklang mit ihren jeweiligen Unterstützungsprogrammen moderne und nachhaltige Energiedienstleistungen für alle bereitzustellen
Globale CO2-Emissionen nach Regionen
Pro Kopf CO2-Emissionen in 2014, ausgewählte Länder
Nachhaltige Energie für alle
Forderungen an die Industrieländer:
• Industrieländer müssen Verantwortung übernehmen, Emissionen schnellstmöglich reduzieren
• Änderung des Lebensstils der BürgerInnen in Industrieländern
• Änderung der Wirtschaftsweise – Postwachstumsmodelle (Entkopplung des Wachstums vom Energieverbrauch, Suffizienz, Subsistenz….)
• Greenhouse Development Rights-Ansatz: berücksichtigt jeweils unterschiedliche Verantwortung der Länder je nach historischen Klimaschulden und Handlungsmöglichkeiten (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit)
‚Energiewende‘ in Deutschland
Ziele der deutschen Klima- und Energiepolitik
• Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022
• Reduktion der CO2 -Emissionen um 40% bis 2040, um 80 - 95% bis 2050 (im Vergleich zu 1990)
• 80% EE-Anteil am Energieverbrauch (Bruttostromverbrauch) bis 2050 [50% by 2030; 65% by 2040]
• Verbesserung der Energieeffizienz:Reduktion des Primärenergieverbrauchs um 20% bis 2020 und um 50% bis 2050 (im Vergleich zu 2008)
‚Energiewende‘ in Deutschland
Herkules-Aufgabe• „Größte Herausforderung für die Umwelt- und Wirtschaftspolitik des Begins des
21sten Jahrhunderts“ (Peter Altmeier, früherer Umweltminister Deutschlands)• Energiewende wird auch mit der großen Transformation von der agrikulturellen
zur industrialisierten Gesellschaft verglichen
Energiewende in allen Sektoren?
• Erste Erfolge vor allem im Stromsektor
• Effizienz: Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) vom Bundeskabinett Dez. 2014 verabschiedet
• „Energieeffizienz-Strategie Gebäude“ - kleine Schritte im Bereich der Modernisierung von Gebäuden
• Mobilitätssektor hinkt hinterher
• hier: Fokus auf den Stromsektor
Strommix in Deutschland?
Was bisher erreicht wurde:Strommix in Deutschland 2015
Steinkohle 18,2 %
Atom-energie14,1 %
Braunkohle 24,0 %
Erdgas 8,8 %
Erneuer-bare30 %
Andere 4,9 %
13,3 %
7,7 %2015
AG Energiebilanzen 12/2015
6,0 %
3,3 %Strommix
in Deutsch-
land2015
Anteil der erneuerbaren Energien 1990-2014 (Stromsektor)Wind und PV werden die Hauptsäulen der künftigen Stromversorgung sein
Quelle: IASS, basierend auf Daten des BMWi
Gibt es einen Masterplan?
Erschwingliche, verlässliche, nachhaltige und moderne Energie für alle ….ist eine sozio-ökonomische, technische und politische Herausforderung auf mehreren Ebenen.
Politische, technische, ökonomische und gesellschaftliche Elemente einer nachhaltigen Energieversorgung (Beispiele)
Politik & Planung Technologie Markt Gesellschaft
Energiepolitik, Ziele, Regulierung & Recht, Monitoring
Stromerzeugungs-technologien
Kosten & Preise Öffentliche Akzeptanz
Entscheidungsträger/ Interessen
Netze Investitionen Energienachfrage
Politiklernen Speicher/ Ausgleichsenergie
Marktakteure / Interessen
Lebensstile, Werte, Historie
Organisationen, Institutionen
Effizienz Arbeitsplätze Interessen-gruppen, Bürger, NGOs
nationale, supra-, subnationale Politik
Kommunikations-technologie, IT
lead markets Medien
Planung Transformatoren Marktanreize Wissenschaft
etc. etc. etc. etc.
…hohe Systemkomplexität
transnationale Kooperation EU Politik Internationale
Vereinbarungen
bott
om-u
pEn
gage
men
ttop-dow
n Ansätze
Nationale Strategie der Energiewende
Regionen
Länder
Gemeinden
horizontale Politikdiffusion/Politiklernen
Multi-level Governance-Struktur: Integration europäischer, nationaler und subnationalerEnergiepolitik erforderlich
Energiewende mit Geschichte
Die heutigen Energiewendeziele fußen auf vielen Ereignissen der Vergangenheit
– Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung der 1970er Jahre– Wahlerfolg der Anti-Atom-Partei Die Grünen
(1983)– Tschernobyl Atomkatastrophe
(1986)– Fukushima Atomkatastrophe
(2011)
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Nationale Ebene
Zentrales Instrument: Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seit 2000 bis 2014
• Garantierter Netzzugang • Vorrang für Erneuerbare• Netzbetreiber sind gesetzlich verpflichtet, den Strom aus EE einzuspeisen und zu
vergüten • Investoren in EE erhalten eine rechtlich festgelegt Vergütung, die Kapitalerträge
sicherstellt – unabhängig vom Marktpreis für Strom-> hohe Investitionssicherheit
• Alle drei bis vier Jahre werden die Einspeisetarife geprüft und das Gesetz novelliert
• Degression der Einspeisetarife senkt die Kosten von EE• Weltweit nachgeahmtes Instrument
Nicht-lineare Innovationsbiographie der Windenergie
1975-1986Pionierphase
1986-1990Aufbruch
Seit 2002:Konsolidierung
1980 1990 201020001970
91-95Durchbruch
97-2002Boom
95-97 Entwick-
lungs-knick
100 MW Windenergie-Programm;;Förderprogramme der Länder;Netzzugang und Einspeisetarife ausgehandelt
250 MW Windenergie-Programm;Förderprogramme der Länder;Stromeinspeisegesetz
Förderprogramme laufen aus;Rechtsstreit vor dem EuGH über StrEG;Investitionsunsicherheit;Akzeptanzprobleme; Markteinbruch
EEG: höhere Einspeisetarife;Novellierung Baugesetzbuch;Windräder interessant als Investitionsobjekte
EEG: degressive, aber kostendeckende Einspeisetarife;Raumplanung (Netze),Partizipation;Ambitionierte nat. und subnationale Ziele, offshore und onshore
Innovationsbiographie der Photovoltaik
1980 1990 201020001970
85-90F&E;
sinkendes industr. En-gagement
91-94Massen-
test
94-98 Slow
down, Unsicher-
heit
99-08Durchbruch
09-12Boom
13-16slowdown
Kein Nachfolgeprogramm des 1000-Dächerprogramms;Förderprogramme der Bundesländer und von ca. 40 Gemeinden; private Investitionen;StrEG kaum Auswirkungen (keine kostendeckende Vergütung)
1000-Dächer-Programm;Förderprogramme der Bundesländer;F&E-Programm
Sinkendes industrielles Engagement,Energforschungsprogramm; Markteinführungsprogramm durch NRW (REN)
100.000-Dächer-Programm;Förderprogramme der Bundesländer EEG – erhöhte Einspeisetarife für PV
EEG-Novellierung;massive Kostenreduktion aufgrund techn. Fortschritts
1975-1985Pionierphase
Starke Reduktion der Einspeisetarife;
55% Reduktion der Neuinstallierungen
Klaus Töpfer: „EEG hat vielen Mio Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern Zugang zu klimafreundlichem Strom ermöglicht“
EEG beschleunigte Kostendegression und Technologieentwicklung
Nationale EbeneRevision des EEG 2014 und 2017: Paradigmenwechsel/ Wechsel des Fördersystems
• Ausschreibungen• Ermittlung der Einspeisetarife im wettbewerblichen Verfahren (mit dem Ziel der
Kostensenkung)• Festlegung von Ausbaukorridoren (Zeit- und Mengenziele) - Anteil der EE soll 35 bis
40% bis 2020 nicht überschreiten• Abkehr vom Prinzip eines möglichst hohen und schnellen Zubaus - Bundesregierung
will nur noch jährlichen Zubau von 2.800 MW Windkraft• Chancen zur Konfliktlösung mit dem Naturschutz und Synchronisation der
Erzeugungsmengen mit dem Fortschritt des Netzausbaus• Erste Ausschreibung Wind onshore 2017:
93% der Zuschläge an Bürgerenergiegemeinschaften; für neu gegründete Bürgerenergiegemeinschaften sind Hürden der Ausschreibung jedoch zu hoch
Regionale Ebene:Mehr als 130 Gemeinden, Kreise und Regionen in Deutschland verfolgen das Ziel einer 100% EE-Stromversorgung – manche haben es bereits erreicht
Energiewende wirdstark ‘bottom up’ angetrieben
• Fast die Hälfte des in Deutschland installierten Ökostroms ist im Besitz von BürgerInnen, Prosumern, Genossenschaften und anderen kleinen Akteuren -> Akteursvielfalt , Beteiligung an der Wertschöpfung -> Auswirkungen auf Akzeptanz
Erste Ausschreibung Wind onshore 2017• 93% der Zuschläge an Bürgerenergiegemeinschaften; Aber• für neu gegründete Bürgerenergiegemeinschaften sind Hürden der
Ausschreibung künftig zu hoch• dezentrale initiativen adressieren meist nicht die Frage, wie Nachfrage und
Angebot aufeinander abgestimmt werden können (systemweite Herausforderungen) -> sollten stärker die neuen Aufgaben ins Auge fassen und zu Lösungen beitragen
Energie in Bürgerhand
Motivierende Faktoren für Bundesländer, Regionen und Gemeinden, ambitionierte Ziele für EE-Ausbau zu setzen
• Mehr ökologische und klimafreundliche Energie• Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen• Treibt Innovationsentwicklung an • Wirtschaftliche Entwicklung und Strukturwandel• Steuereinnahmen
Energiekonzepte der Bundesländer
Quelle: www.foederal-erneuerbar.de, Energiekonzepte der Länder
state target
Baden-Württemberg [BW] GEG 38% bis 2020
Bayern [BY] GEC 50% bis 2021
Berlin [B] GEG 17,8% bis 2020
Brandenburg [BB] GEC 90% bis 2020
Bremen [HB] ns 100% bis 2050
Hamburg [HH] EG 17% bis 2020
Hessen [HE] FEC 100% bis 2050
Mecklenburg-Vorpommern [MV] GEC 100% bis 2050
Niedersachsen GEC 90% bis 2020
Nordrhein-Westfalen [NRW] (Wind) GEG 15% bis 2020
Rheinland-Pfalz [RLP] GEC 100% bis 2030
Saarland [SL] GEC 20-40% bis 2020
Sachsen [SN] GEC 28% bis 2022
Sachsen-Anhalt [ST] GEG 35% bis 2020
Schleswig-Holstein [SH] GEC 300-400% bis
2020
Thüringen [TH] NEC 45% bis 2020
Bundesrepublik GEC 35% bis 2020
• nationales Ziel: 35% by 2020
• Bundesländer werden (insgesamt) ca. 50% EE-Anteil bis2020 bereitstellen
->übersteigt das Bundesziel !
GEC = gross electricity consumption (Bruttostromverbrauch)GEG = gross electricity generation (Bruttostromeerzeugung)EG = electricity generation (Stromerzeugung)FEC = final energy consumption (Endenergieverbrauch)NEC = net electricity consumption (Nettostromverbrauch)ns = not specified
Ziele für den EE-Ausbau
Übertragungsnetz –Ertüchtigung und Ausbau
sind erforderlich für hohe EE-Anteile
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Bestätigter NEP 2012: 317
bis zu 25.000 MW offshore-Kapazität wird als realisierbar betrachtet bis 2030;
derzeit 2400 MW “under construction”
Verteilung von Windenergie- und PV-
Anlagen in Deutschland
Akzeptanz des Übertragungsnetzausbaus
Betroffene Gemeinden
• Haben keine wirtschaftlichen Vorteile (außer Konzessionsabgaben)
• Befürchten Einschränkungen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten• Haben Interesse an finanzieller Kompensation
Bürgerinitiativen
• Fürchten, dass sie alle Lasten tragen müssen- potentielle Gesundheitseffekte, geringere Lebensqualität- Wertverluste von Immobilien und Land- Umweltbeeinträchtigung / Wohnumfeldbeeinträchtigung- unfaire Verteilung von Kosten und Lasten:
Konsumenten & KMU zahlen• Verlangen erhöhte Abstände zu Wohnbebauung• Fordern Erdverkabelung• Möchten kohärenten Plan
einer umfassenden Systemtransformation
Akzeptanz des Übertragungsnetzausbaus
Naturschutzorganisationen
• Klimaschutz, Landschaftsschutz, Biodiversität (insbesondere Vögel)
• Netzausbau soll so umweltfreundlich wie möglich erfolgen• Fürchten das Risiko reduzierter Uweltstandards • Bevorzugen nicht immer Erdkabel • Fordern Bündelung mit anderen Infrastrukturen
Akzeptanz des Übertragungsnetzausbaus
‚Energiewende‘ in Deutschland- Vorreiter?
• nationale Emissionen sind seit Verabschiedung des Energiekonzepts 2010 nur geringfügig zurückgegangen
• vorgegebener Emissionsminderungspfad wurde seit 2010 jedes Jahr überschritten – 2015 mit knapp 9 % sogar deutlich
• Emissionsziele für 2020 und 2035 können - vor dem Hintergrund der bisherigen Zielverfehlung – voraussichtlich nicht erreicht werden (Projektionsbericht 2015 der Bundesregierung)
• Um das Ziel von Paris - Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf möglichst 1,5 °C - zu erreichen, sind eine Nullemissionswirtschaft sowie 100 % Erneuerbare Energien spätestens bis 2030 weltweit und somit auch in Deutschland umzusetzen
‚Energiewende‘ in Deutschland- Vorreiter?
Klimaschutzziel 2017 kann nicht erreicht werden;besonders im Verkehrsbereich steigen die Emissionen
Multiple Herausforderungen
Komplexe Systemzusammenhänge• dezentralisierte Versorgungsstrukturen, Kopplung von Infrastrukturen und Sektoren• komplexes Management von Energiehandel und –versorgung
Weites Spektrum von Akteuren, Interessen und Macht• Mehrere Ebenen (Europa, Nationalstaat, Bundesland, Region, Gemeinde)• Multiple Akteure/ Akteursgruppen:
Entscheidungsträger, Wirtschaftsakteure, Nicht-Regierungsorganisationen, Gesellschaft
Konkurrierende Belange• Naturschutz, Tourismus, Landschaftspflege, Wohnumfeld, Arbeitsplätze etc.
Zeitdruck
Rolle der Universität?
• Forschung & Ausbildung• Innovationstreiber:
Technologie, Materialien, Prozesse, Effizienz, Lebensstile… • Schnittstelle Technik und Gesellschaft• “living laboratory”
Danke fürs Zuhören!