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Goethe und die Mathematik Einführende Betrachtungen Der Betrachtung von Goethes Verhältnis zur Mathematik haben bisher oft gewis- se Hemmnisse entgegengestanden; zu sehr ist diese Beziehung durch den Streit Goethes mit Newton über Goethes Farbenlehre belastet, durch einen Streit, in dem es ja nicht eigentlich um die Bedeutung der Mathematik, sondern darum geht, ob die physikalischen Erkenntnisse Goethes oder Newtons richtig sind. Was Goethe über das Charakteristische der reinen von aller Empirie losgelösten Mathematik und auch deren Anwendung in der Praxis gedacht und gesagt hat, darum haben die Biogra- phen und Literaturwissenschaftler sich nicht oder doch recht wenig gekümmert - ih- nen war es um das Leben und um die Dichtungen Goethes zu tun -; viele Physiker und Biologen betrachten infolgedessen heute noch die Studien Goethes über natur- wissenschaftliche Themen lediglich als Verirrungen eines bedeutenden Genies. Mit Recht wird heute und wurde auch schon damals der physikalische Teil der Farben- lehre Goethes als unzutreffend beurteilt, hier behält Newton und nicht Goethe Recht. Nahm man sich der naturwissenschaftlichen Studien Goethes an, dann tat man dies in der Wissenschaft der Biologie, und hier hauptsächlich im Hinblick auf die Morphologie, oder besprach in Würdigung der Erkenntnisse Goethes in der Farbpsychologie, in der Farbphysiologie die entsprechenden Kapitel der Farbenleh- re. 1 Hier hat Goethe manch Richtiges und auch sehr Grundlegendes erkannt. Die Bemerkungen Goethes über die Bedeutung und die Denkweise der Mathematik aber blieben lange Zeit beinahe unbeachtet. Aber auch hier hat Goethe bereits zu seiner Zeit manches richtig gesehen und beurteilt, was heute nicht mehr in Frage steht, da- mals aber neu oder wenig bekannt gewesen ist. Im älteren und verschiedentlich auch im neueren Schrifttum wird meist recht lapi- dar festgestellt, Goethes Kenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik seien sehr ge- ring gewesen. Diese Feststellung trifft nur bedingt zu, wenn man sie im Hinblick auf die Kenntnisse untersucht, wie sie in diesem Fach bei den Menschen des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts üblich waren. Damals gehörten solche Kenntnisse nicht zur Allgemeinbildung; diese erstreckte sich neben dem Beherrschen der französi- schen Sprache, die innerhalb der höheren Stände die Sprache der Konversation war, 1 Für die Naturwissenschaften gliedert sich das Sehen in einen objektiven und einen subjektiven Bereich, die unterschieden werden. Nachdem diese Trennung erfolgt ist, untersucht die Physik die objektiven Tatbestände, die Zusammensetzung, die Ausbreitung und die Fortpflanzung des Lichts; die Physiologie wendet sich dagegen dem subjektiven Vorgang des Sehens zu und ob- jektiviert ihn dann ebenfalls im Hinblick auf den Tatbestand des Sehens als einen biologischen Prozess. 1

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Goethe und die Mathematik

Einführende Betrachtungen

Der Betrachtung von Goethes Verhältnis zur Mathematik haben bisher oft gewis-se Hemmnisse entgegengestanden; zu sehr ist diese Beziehung durch den StreitGoethes mit Newton über Goethes Farbenlehre belastet, durch einen Streit, in demes ja nicht eigentlich um die Bedeutung der Mathematik, sondern darum geht, ob diephysikalischen Erkenntnisse Goethes oder Newtons richtig sind. Was Goethe überdas Charakteristische der reinen von aller Empirie losgelösten Mathematik und auchderen Anwendung in der Praxis gedacht und gesagt hat, darum haben die Biogra-phen und Literaturwissenschaftler sich nicht oder doch recht wenig gekümmert - ih-nen war es um das Leben und um die Dichtungen Goethes zu tun -; viele Physikerund Biologen betrachten infolgedessen heute noch die Studien Goethes über natur-wissenschaftliche Themen lediglich als Verirrungen eines bedeutenden Genies. MitRecht wird heute und wurde auch schon damals der physikalische Teil der Farben-lehre Goethes als unzutreffend beurteilt, hier behält Newton und nicht GoetheRecht. Nahm man sich der naturwissenschaftlichen Studien Goethes an, dann tatman dies in der Wissenschaft der Biologie, und hier hauptsächlich im Hinblick aufdie Morphologie, oder besprach in Würdigung der Erkenntnisse Goethes in derFarbpsychologie, in der Farbphysiologie die entsprechenden Kapitel der Farbenleh-re.1 Hier hat Goethe manch Richtiges und auch sehr Grundlegendes erkannt. DieBemerkungen Goethes über die Bedeutung und die Denkweise der Mathematik aberblieben lange Zeit beinahe unbeachtet. Aber auch hier hat Goethe bereits zu seinerZeit manches richtig gesehen und beurteilt, was heute nicht mehr in Frage steht, da-mals aber neu oder wenig bekannt gewesen ist.

Im älteren und verschiedentlich auch im neueren Schrifttum wird meist recht lapi-dar festgestellt, Goethes Kenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik seien sehr ge-ring gewesen. Diese Feststellung trifft nur bedingt zu, wenn man sie im Hinblick aufdie Kenntnisse untersucht, wie sie in diesem Fach bei den Menschen des 18. und zuBeginn des 19. Jahrhunderts üblich waren. Damals gehörten solche Kenntnisse nichtzur Allgemeinbildung; diese erstreckte sich neben dem Beherrschen der französi-schen Sprache, die innerhalb der höheren Stände die Sprache der Konversation war,

1 Für die Naturwissenschaften gliedert sich das Sehen in einen objektiven und einen subjektivenBereich, die unterschieden werden. Nachdem diese Trennung erfolgt ist, untersucht die Physikdie objektiven Tatbestände, die Zusammensetzung, die Ausbreitung und die Fortpflanzung desLichts; die Physiologie wendet sich dagegen dem subjektiven Vorgang des Sehens zu und ob-jektiviert ihn dann ebenfalls im Hinblick auf den Tatbestand des Sehens als einen biologischenProzess.

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auf ein Wissen über die Griechen und Römer und auf die Beherrschung der lateini-schen Sprache. Im Gegensatz zu den meisten Mitmenschen seiner Zeit aber hatGoethe sich eingehender mit der Bedeutung und der Denkweise der Mathematik be-schäftigt. Dazu war er gezwungen, weil er mit seinen Ansichten über die Art natur-wissenschaftlichen Forschens in einen Gegensatz zu andern Wissenschaftlern geriet,er musste sich aber auch von Amts wegen mit solchen Fragen beschäftigen, da er ineinem starken Maße mitverantwortlich für die Besetzung der Lehrstühle an der Uni-versität Jena war und dieses Amt verantwortungsvoll ausübte.

Als erster hat Rudolf Steiner am Ende des vorigen Jahrhunderts Goethes Stellungzur Mathematik näher ins Auge gefasst. Im Anschluss daran folgten kleinere Schrif-ten von Paul Epstein, Wilhelm Lorey, Ernst Cassirer, Andreas Speiser u. a.2 Den-noch ist selbst heute die Auffassung, Goethe habe der Mathematik gänzlich ableh-nend gegenübergestanden, noch immer weit verbreitet und so mancher entschuldigtseine mangelnden Kenntnisse im diesem Fach mit dem Hinweis, dass Goethe undSchopenhauer ebenfalls wenig Kenntnisse auf diesem Gebiet besessen hätten. Selbst1976 behauptet John Neubauer noch in seinem Aufsatz „Die Abstraktion vor derwir uns fürchten“ - einer Abhandlung, in der er „Goethes Auffassung der Mathema-tik und das Goethebild in der Geschichte der Naturwissenschaft“ beschreibt -, Goe-the habe die Mathematik als Wissenschaft abgelehnt. Er trennt, wie dies meistensder Fall ist, Goethes Angriffe auf die Mathematiker nicht entschieden genug vonGoethes Aussagen über die Mathematik als Wissenschaft. Neubauer sieht in denAngriffen Goethes auf „die Gilde der Mathematiker“, in denen Goethe oft eine ge-gen ihn verschworene Einheit sieht, die ihn als Wissenschaftler ablehnt, auch unmit-telbar Angriffe auf die Mathematik selbst. Goethe aber hat das Fach Mathematik alsTeilbereich der Wissenschaft geschätzt, dies allein schon wegen der neuen Erkennt-nisse in der Astronomie, die ohne die Hilfe mathematischer Berechnungen nichtmöglich gewesen wären, wenn er sich auch oft über „die Mathematiker“ geärgerthat. Zwar hat Goethe nie wirklich mathematisch gedacht, er hat auch nie Fertigkei-ten in der Anwendung mathematischer Formeln erlangt; dies aber beweist nicht,dass er nicht intensiv über die Denkweise der Mathematik und ihre besondere Be-deutung für die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse nachgedacht hat. Goethe siehtin der Mathematik ein Denksystem, das für die Gewinnung von neuen Erkenntnis-sen, aber auch für die Erziehung der jungen Menschen von großem Nutzen ist, dasie zu einem klarem Denken zwingt. Wogegen er allerdings angeht, ist, dass manglaubt, mit Hilfe der Mathematik jedes Problem lösen zu können.

2 Siehe Literaturverzeichnis am Ende des Aufsatzes.

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Goethes Werdegang im Hinblick auf die Mathematik und sein Verhältnis zudieser Wissenschaft

Goethes Lehrer in der Mathematik waren in seiner Jugend u. a. Friedrich WilhelmHüsgen, Legationsrat Johann Friedrich Moritz und Johann Heinrich Thym. (H.Thym unterrichtete Goethe außerdem auch in Geschichte, Geographie und lehrte ihnSchönschreiben). Von Thym hat Goethe wahrscheinlich die Anfänge des geometri-schen Zeichnens gelernt. Durch ihn und seinen Unterricht entdeckte Goethe als jun-ger Schüler anscheinend seine Vorliebe für geometrische Darstellungen. Wahr-scheinlich waren es die Grundbegriffe in der Geometrie nach den „Elementen“ desEuklid, in denen der junge Schüler von seinem Lehrer unterwiesen wurde, einemWerk, das meist noch bis ins 19. Jahrhundert hinein dem Unterricht in der Geome-trie zugrunde lag; aber auch die Grundkenntnisse in der Algebra wurden ihm wahr-scheinlich schon damals beigebracht. Wir sind hier auf Vermutungen angewiesen,da exakte Kenntnisse hierüber fehlen. Der Unterricht Goethes erfolgte privat zuHause, denn der Vater Goethes war sehr wohlhabend und konnte sich dies zumWohle seiner Kinder leisten. Der Unterricht scheint auch um einiges über das hi-nausgegangen zu sein, was man zu dieser Zeit in den öffentlichen Schulen derReichsstadt Frankfurt und auch des alten deutschen Reiches im Fach Mathematikdie Schüler lehrte. Um 1760 war innerhalb Deutschlands der Schulunterricht imFach Mathematik allgemein noch recht dürftig.

Als Goethe mit sechzehn Jahren in Leipzig studierte, belegte er ein Kolleg „ma-thesis pura“, dessen Besuch dort den Studenten vor dem Eintritt in die höheren Fa-kultäten zur Pflicht gemacht wurde. Dass Goethe wenigstens für einige Zeit diesesKolleg tatsächlich besucht und sich nicht lediglich dafür eingeschrieben hat, davonzeugen mehrere Briefstellen an seine Schwester und seinen Freund Riese in Frank-furt.3 In einem Brief an seine Schwester Cornelia brüstet er sich ihr gegenüber sogareinmal mit seinem Wissen in dieser Materie. Dennoch dürfte der in diesem Kollegvorgetragene Stoff nicht über die Grundbegriffe der Geometrie und der Algebra hi-nausgegangen sein und dem Inhalt nach dem in etwa entsprochen haben, was manauch noch bis in die vierziger dieses Jahrhunderts in Gymnasien von der Quarta biszur Untersekunda in der Mathematik gelehrt hat. Auch hier sind wir auf Vermutun-gen angewiesen, die sich aus dem Vergleich mit den Kollegien anderer Universitä-ten und dem Unterricht an manchen höheren Schulen während der damaligen Zeitergeben. Später aber hat Goethe sich intensiver mit Mathematik beschäftigt, auchmit der Algebra in diesem Fach. Als er sich, bereits in Weimar im Dienst der Her-zogs Carl August tätig, eine Zeitlang in der Universitätsstadt Jena aufhielt, nahm er

3 Brief an Cornelie Goethe vom 6. Dez. 1765 als Antwort auf deren Brief vom 21. Nov.(WA IV, 1, Riese: S. 14, Cornelie: S. 22).

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im Jahre 1786 Mathematikunterricht bei Ernst Basilius Wiedeburg, Professor derMathematik. Über diesen Unterricht schreibt er an Frau von Stein am 21. Mai 1786:„Algebra ist angefangen worden, sie macht noch ein grimmig Gesicht, doch denckeich es soll mir auch ein Geist aus diesen Chiffern sprechen, und wenn ich den nureinmal vernehme; so wollen wir uns schon durchhelfen.“ Zwei Tage später berichteter wiederum an Frau von Stein: „Es wird alles darauf ankommen, daß ich mir selbsteinen Weeg (sic) suche über diese steile Mauren (sic) zu kommen. Vielleicht treffich irgendwo eine Lücke durch die ich mich einschleiche. Übrigens hat Wiedeburgeine treffliche Methode.“ (WA IV, 7 S. 219f. und 221.) Der Unterricht bei Wiede-burg scheint, wie später noch zu sehen sein wird, nicht ganz ohne Nutzen gebliebenzu sein.

In seiner Privatbibliothek besaß Goethe sogar 30 mathematische Werke, wie W.Lorey (S. 135) festgestellt hat.4 Bei verschiedenen Gelegenheiten stellte sich Goetheauch eine Bibliographie von mathematischen Werken zusammen; unter den dabeiaufgeführten Büchern befanden sich u. a. Werke über angewandte Mathematik. Desöfteren entlieh Goethe solche Bücher auch aus der Weimarer Bibliothek, wie aus ei-ner Zusammenstellung der ausgeliehenen Bücher in „Goethe als Benutzer der Wei-marer Bibliothek“5 hervorgeht. Die Erinnerungen eines preußischen Artillerieoffi-ziers, der berichtet, dass er während der Belagerung von Mainz mit Goethe ein län-geres Gespräch über mathematische Probleme geführt habe und Goethe dabei be-achtliche Kenntnisse in der Mathematik gezeigt haben soll - sie werden in fast je-dem älteren Aufsatz über das Thema Goethe und die Mathematik zitiert -, sind in-zwischen als Fälschung entlarvt worden.6 Eine andere Begebenheit aber zeigt deut-lich, dass Goethe sich selbst noch im hohen Alter für Fragen der Geometrie interes-siert hat. Kurz vor seinem Tod (um den 10 März 1832, Goethe starb am 22. März)hatte Oberbaurat C. W. Coudray ihm auf sein Verlangen hin einen kleinen „Kegelaus Holz“ mitgebracht, der sich so zerlegen ließ, dass das Dreieck, der Kreis, dieEllipse, die Parabel und die Hyperbel mit Hilfe von fünf Schnitten als Figuren ge-zeigt werden konnten. Coudray musste Goethe erklären, wie die Kurven an Handvon Projektionen in Grund- und Aufrissen dargestellt wurden. Bei dieser Gelegen-

4 In einem dieser Bücher „Johann Ephraim Scheibel: Einleitung zur mathematischen Bücher-kenntnis. Neuntes Stück, Breslau 1770“, einem durchschossenen Exemplar, finden sich zahlrei-che Ergänzungen über nachzutragende Bücher, die von Goethes eigener Hand stammen, aberauch solche von der Hand eines anderen Schreibers, dem Goethe die Ergänzungen wahrschein-lich in die Feder diktiert hat. (Lorey, S. 135)

5 Goethe als Benutzer der Weimarer Bibliothek. Ein Verzeichnis der von ihm ausgeliehenenWerke. Bearb. von Elise von Keudell. Weimar 1931. Rep. Leipzig 1982.

6 In diesem Gespräch, in dem der Offizier sich längere Zeit mit Goethe darüber unterhalten ha-ben soll, „wie Artilleristen die Flugbahnen der Geschosse am raschesten und praktischsten be-rechnen können“, soll der Offizier erkannt haben, „daß er (Goethe) ein ganz tüchtiger Mathe-matiker sei, dem die verschiedenen mathematischen Formeln vollkommen geläufig waren.“

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heit erzählte Goethe Coudray, dass er sich früher gerne mit der Reißkunst beschäf-tigt habe. Er wünschte dringend, ein ähnliches Modell zu besitzen, weil er dies, wieer behauptete, für seine Zwecke benötige. Coudray bestellte das Modell sogleich beieinem Drechsler; doch scheint Goethe es nicht mehr bekommen zu haben, weil erschon bald darauf starb (W. Herwig: Goethes Gespräche III, 2, S. 853f., Nr. 6969).

Als Beauftragter oder später als Staatsminister für Kultur und Erziehung und alsKurator der Universität Jena hatte Goethe großen Einfluss auf die Berufung von Do-zenten und Professoren an die Universität in Jena. In dieser Funktion nahm er auchbrieflich und mündlich Kontakt mit mehreren Mathematikern auf, so z.B. mit Kon-rad Dietrich Martin Stahl, Johann Heinrich Voigt, Johann Friedrich Posselt, Fried-rich Wilhelm Ludwig Wahl, Johann Friedrich Christian Werneburg, Georg SimonKlügel u. a. m. Einige unter diesen waren damals anerkannte Wissenschaftler in die-sem Fach. Auch wenn sie nicht zu den bedeutendsten Mathematikern ihrer Zeit ge-hörten, so hatten sie doch Lehrbücher über Mathematik geschrieben oder auf eini-gen Gebieten dieser Wissenschaft elementare Beweise von größerem Wert erstellt.(W. Lorey S. 142-151). Unter ihnen schätzte Goethe besonders den MathematikerPosselt. Er bedauerte den frühen Tod dieses begabten Mannes aufs tiefste. Posseltwar Schüler von Carl Friedrich Gauß; dieser hielt ihn für einen seiner begabtestenMitarbeiter;7 unter der Leitung von Gauß war Posselt an der Sternwarte von Göttin-gen tätig. Neben D'Alembert, den er häufiger zitiert, hat Goethe auch Lagrange, La-place und Euler als Mathematiker geschätzt.8 Lambert Adolphe Jacques Quetelet,Direktor der Brüsseler Sternwarte und später durch seine statistischen Arbeitenweithin bekannt, hat Goethe mit einem persönlichen Brief zwei Bände seiner „Cor-respondance mathématique et physique“ zugeschickt.9 Die Bemerkung Paul Ep-steins, Goethe sei nie einem wirklichen Mathematiker persönlich begegnet (EpsteinS. 78), muss darum eingeschränkt werden. Dass Goethe, obwohl er verschiedentlichnach Göttingen kam, mit Gauß keinen persönlichen Kontakt hatte, ist wahrschein-lich darauf zurückzuführen, dass gerade die Göttinger Mathematiker seine „Farben-lehre“ scharf abgelehnt haben. Auf diese aber legte Goethe einen so großen Wert,dass er sogar seine Dichtungen ihr gegenüber zurückstellte.

7 In einem Brief an Bessel schreibt Gauß: Herr Scherk scheint mir ein guter Kopf zu sein, alsMathematiker vielleicht außer Posselt und von Staudt, der beste, den ich hier gekannt habe.(Zitiert nach W. Lorey S. 149.)

8 W. Lorey, S. 1369 Siehe hierzu W. Lorey S. 151f.

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Goethes Gedanken über die Mathematik a) Bemerkungen über die Mathematik als Wissenschaft

Betrachtet man Goethes Bemerkungen über die Mathematik, so muss man, wiebereits bemerkt, zweierlei deutlich unterscheiden: was Goethe über die Mathematikund was er im allgemeinen über die Mathematiker als Vertreter ihre Faches sagt.Auch andere, die die Mathematik als Wissenschaft hoch geschätzt haben, hatten da-mals manches an den Mathematikern ihrer Zeit auszusetzen, so z. B. auch GeorgChristoph Lichtenberg, wenn er die Worte Newtons „Errores non sunt artis sed arti-ficum“ in ein derbes Deutsch übersetzte und schrieb: „Die Mathematik ist eine garherrliche Wissenschaft, aber die Mathematiker taugen oft den Henker nicht“. Goe-thes Äußerungen über die Mathematik loben diese Wissenschaft fast stets; seine Be-merkungen über die Mathematiker hingegen fallen in der Regel negativ aus, ja siesind oft beleidigend und dazu ironisch oder derb verletzend. Dies erklärt sich auspersönlichen Gründen.

Aber auch bei den Äußerungen Goethes über die Mathematik muss man zwischendem trennen, was Goethe über die Mathematik selbst und was er über deren An-wendung in der Praxis sagt. Ebenso hat man innerhalb seiner Äußerungen über dieMathematik als Wissenschaft zu unterscheiden, was er über die Geometrie und waser über die Algebra äußert. Wenn Goethe nicht immer klar zwischen der reinen Ma-thematik und ihrer Anwendung unterscheidet, obwohl er diesen Unterschied kennt,dann folgt er dem Sprachgebrauch seiner Zeit. Ebenfalls darf nicht unbeachtet blei-ben, dass man damals weithin noch nicht streng zwischen der Mathematik und derRechenkunst unterschied, obwohl bei Fachgelehrten der Unterschied bekannt war.Oft trennt auch Goethe dem Sprachgebrauch seiner Zeit folgend nicht exakt zwi-schen der Kunst des Rechnens und der Mathematik, besonders dann nicht, wenn erdas Wort Mathematik in einem lockeren Gespräch oder in heftigem Streit oder garin flüchtig dahin geworfenen schriftlichen Bemerkungen gebraucht, Bemerkungen,die zum eigenen Gebrauch, nicht aber für die Öffentlichkeit bestimmt waren, abernach seinem Tode von anderen dennoch veröffentlicht worden sind. Den Unter-schied zwischen der Mathematik und dem Rechnen hat Goethe recht gut gekannt,und er unterscheidet ihn auch meist, wenn er exakt formuliert. Im Gegensatz zu an-deren Menschen dieser Zeit ist uns von den Gesprächen Goethes vieles überliefertworden ist, was Goethe spontan und als Angegriffener in Augenblicken des Unmutsgeäußert hat und das darum nur wenig genau formuliert eine augenblickliche Be-trachtung und nicht seine bleibende Ansicht wiedergibt. Ein mit erhobenem Zeige-finger geäußertes „Hier irrt Goethe“ ist hier nicht recht am Platz.

Über die reine Mathematik hat Goethe oft sehr lobende Worte gefunden. In einemGespräch mit dem Historiker Heinrich Luden äußert er z. B. folgendes:

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Um so mehr wundert mich, daß Sie [Luden] diese erste aller Wissenschaf-ten, in welcher alles Gewißheit und Wahrheit ist, verlassen haben, um sichauf der Bahn der Geschichte zu versuchen, die bei jedem Schritte schwankt,und in einer Arbeit zu verharren, in welcher Sie, selbst mit drei Hebeln,nichts zutage fördern werden, das Ihnen nicht streitig gemacht werdenkönnte. (H. Luden 19.8.1806. W. Herwig Bd. II, S. 116f. Nr. 2264.)

Goethe hebt hier hervor, dass im Gegensatz zu anderen Wissenschaften die Mathe-matik stets sichere Erkenntnisse zutage fördert, die von niemand angezweifelt wer-den können, und er lobt sie darum.

In dem lesenswerten Aufsatz „Der Versuch als Vermittler von Subjekt und Ob-jekt“ lobt er ebenfalls die Sorgfalt, mit der die Mathematik in ihren Beweisen ihreArgumente Schritt für Schritt aneinander reiht. Er schreibt dort:

Diese Bedächtlichkeit, nur das Nächste ans Nächste zu reihen oder vielmehrdas Nächste aus dem Nächsten zu folgern, haben wir von den Mathemati-kern zu lernen, und selbst da, wo wir uns keiner Rechnung bedienen, müs-sen wir immer so zu Werke gehen, als wenn wir dem strengsten GeometerRechenschaft schuldig wären. (Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt. (WA II, 11, S. 33f.; GA 16, S. 852.)

Im Dezember 1798 befürwortet Goethe ein Gesuch des Konrad Dietrich MartinStahl um die Beförderung zum außerordentlichen Professor an der Universität Jenaund setzt sich in diesem Zusammenhang auch für einen intensiveren Unterricht inder Mathematik ein, als dies damals im allgemeinen üblich war. Er schreibt hieru. a.:

Da es eine wahre Wohltat für die Jugend ist Mathematik soweit als möglichzu verbreiten und zu erleichtern, so möchte sein Gesuch und seine Personwohl Aufmerksamkeit verdienen.10

Da Goethe dies in seiner amtlichen Tätigkeit als Mitglied des Geheimen Conseilsan die Person des Herzogs schreibt und gleichzeitig auch an Voigt, Geheimer Rat inWeimar, der Goethe besonders, was die Anliegen der Universität Jena anging, un-terstützte, verdient die Bitte besondere Beachtung. Nicht allzu oft hat sich im 18.und 19. Jahrhundert ein Mitglied eines Ministeriums so wie Goethe hier für denSchulunterricht im Fach Mathematik eingesetzt.11

10 Geheime Kanzleiakten Weimar, die Philosophische Fakultät zu Jena betreffend. A. 6437. Auchin: Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium, 2. Band Schriften der Jahre 1788-1819, 2. Halb-band 1798-1819, bearb. von Helma Dahl; hrsg. in der Reihe: Goethes amtliche Schriften, Ver-öffentlichung des Staatsarchivs Weimar, 2. Band, 2. Halbband, Weimar 1970, S. 584 (29. Dec.1798). Ebenso: Brief an C. G. Voigt vom 29. Dez. 1798. WA IV, 13, S. 364

11 In diesem Zusammenhang dürfte es auch nicht ohne Interesse sein, dass sich eine Schrift vonDr. Adolf Peters mit dem Titel „Über das Studium der Mathematik auf Gymnasien. Ein Beitrag

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Um eine Förderung des Faches Mathematik war Goethe u. a. darum sehr bemüht,weil das, was mit Hilfe von mathematischen Rechnungen auf dem Gebiet der Astro-nomie geleistet worden war, für ihn stets als des Lobes wert galt: Galilei und Kep-ler, aber auch D'Alembert, Lagrange und Newton hatten hier mit Hilfe der Mathe-matik Bahnbrechendes geleistet. Auf diesem Gebiet kannte Goethe auch die Ergeb-nisse der Entdeckungen Newtons ohne Einschränkung an. Goethe, der besonders ab1809 die „Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft undKunst“12 besaß, förderte die Wissenschaft der Sternkunde, wo er nur konnte; er tatdies aus einem echtem Interesse, denn an der Beobachtung der Sterne und an neuenErkenntnissen über die Erde und das Weltall war er stets sehr interessiert. Die Ma-thematiker an der Universität in Jena mussten sich um die Sternwarte am Ort küm-mern. Stets wurde einer von ihnen zum Direktor der Sternwarte ernannt.

Immer wieder betont Goethe in seinen Äußerungen über die Mathematik, dassmathematische Lehrsätze stets aus vorher angenommenen Axiomen abgeleitetsind.13 Innerhalb eines von jeder Empirie freien Bereiches enthalten die gewonnenenSchlüsse und Ableitungen keinerlei Fehler. Außerhalb ihres eigensten Bereichessind Berechnungen mit Hilfe mathematischer Formeln aber nur insoweit richtig, alssie auf richtigen und vollständigen Annahmen beruhen. Dies hat Goethe immer wie-der hervorgehoben.14 In Maximen und Reflexionen (1391) schreibt er dazu:

In diesem Sinne kann man die Mathematik als die höchste und sichersteWissenschaft ansprechen. / Aber wahr kann sie nichts machen, als was wahrist. (GA 9, S. 675)

Auch ist nicht alles, was richtig ist, für die Menschheit von Nutzen, betont Goe-the. Nur was „fruchtbar“ ist, d. h. was die Wissenschaft fördert, ist für Goethe„wahr“, ist für ihn bedeutungsvoll und der Menschheit förderlich. (Zur Naturwissen-schaft. Erfinden und Entdecken. WA II, 11 S. 264.)

Für Goethe sind die Erkenntnisse der Mathematik analytisch, nicht synthetisch;denn die Ergebnisse mathematischer Berechnungen werden nicht als Resultate auseiner Induktion erzielt. Darum enthalten sie, meint Goethe, im Grunde nichts Neues.Zwar ist die Mathematik in ihrer inneren Logik von keiner anderen Wissenschaft zuübertreffen; diese Sicherheit beruht jedoch nur darauf, dass sie, wie Goethe fälschli-cherweise behauptet, nichts anderes als Identität zutage fördert.

zur Beförderung einer gründlichen Einsicht in den Begriff, den Charakter, die Bedeutung unddie Lehrart dieser Wissenschaft“ in Goethes Bibliothek befindet. Siehe: Lorey S. 152.

12 Zur „Kunst“ im oben genannten Sinne zählten damals die Naturwissenschaften.13 Diese Erkenntnis ist an und für sich etwa Selbstverständliches, wurde aber damals in ihrer Be-

deutung von vielen nicht recht erkannt oder nicht in ihrer vollen Tragweite beachtet.14 Diese Erkenntnis gilt heute als selbstverständlich, sie war aber selbst vielen Gelehrten damals

nicht bewusst.

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Was wollen denn die meisten dieser Axiome bedeuten, worauf die Geome-trie so stolz ist? Sie sind eigentlich nur der Ausdruck einer einfachen Ideedurch zwei verschiedene Zeichen oder Worte. Derjenige der sagt, daß 2 mal2 4 sei, hat der mehr Kenntnis als derjenige welcher sagen möchte: 2 mal 2ist 2 mal 2? Die Ideen des Ganzen, der Teile, des Größeren, des Kleineren,sind sie nicht, eigentlich zu reden, dieselbe einfache und einwohnende Idee;indem man die eine nicht haben kann, ohne daß die übrigen alle zur glei-chen Zeit sich darstellen. (WA II, 11, S. 80f.)

Ähnlich äußert sich Goethe in einem Gespräch mit Kanzler Friedrich von Müller am18. 6. 1826 (Herwig III, 2, S. 52, Nr. 5860; GA 23, S, 440)

Mit dieser seiner Meinung steht Goethe damals nicht allein. Hier gibt er die Auf-fassung wieder, die auch D'Alembert in der französischen Enzyklopädie von 1771ff. vertritt. Goethe hat das entsprechende Kapitel über die Mathematik ins Deutscheübersetzt fast ganz exzerpiert.

b) Die Mathematik und ihre Anwendung im Bereich der Wissenschaften

Goethe schätzt die Mathematik, solange sie auf dem ihr eigenen Gebiet verbleibtund in der rechten Weise angewendet wird. Eine falsche Anwendung und die Aus-dehnung der Mathematik auf alle Bereiche der Wissenschaft, eine Art Herrschafts-anspruch über die anderen Wissenschaften, lehnt er jedoch entschieden ab. Am20.12.1826 äußert er hierzu gegenüber Eckermann:

Ich ehre die Mathematik als die erhabenste und nützlichste Wissenschaft,solange man sie da anwendet, wo sie am Platze ist; allein ich kann nicht lo-ben, daß man sie bei Dingen mißbrauchen will, die gar nicht in ihrem Be-reich liegen, und wo die edle Wissenschaft sogleich als Unsinn erscheint.Und ob alles nur dann existierte, wenn es sich mathematisch beweisen läßt.Es wäre doch töricht, wenn jemand nicht an die Liebe seines Mädchensglauben wollte, weil sie ihm solche nicht mathematisch beweisen kann! IhreMitgift kann sie ihm mathematisch beweisen [ausrechnen], aber nicht ihreLiebe. Haben doch auch die Mathematiker nicht die Metamorphose derPflanzen erfunden! Ich habe dies ohne die Mathematik vollbracht und dieMathematiker haben es müssen gelten lassen.

In Maximen und Reflexionen (1281) heißt es ebenfalls dazu: Wir müssen erkennen und bekennen, was Mathematik sei, wozu sie der Na-turforschung wesentlich dienen könne, wo hingegen sie nicht hingehöre,und in welche klägliche Abirrung Wissenschaft und Kunst durch falscheAnwendung seit ihrer Regeneration [d. h. seit der Zeit der Renaissance] ge-raten sei. (GA 9, S. 661 u. 17, S. 772).

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Goethe trennt hier die reine Mathematik von ihrer Anwendung im Bereich derWissenschaften. Diese Trennung war unter den Mathematikern damals bereits üb-lich, aber sonst noch nicht ein allgemein anerkanntes Gedankengut. Im allgemeinenwurde die Mathematik zur Zeit Goethes noch als eine Wissenschaft angesehen, dieErgebnisse zustande brachte. Sie galt weitgehend noch nicht als eine Wissenschaft,die frei von aller Empirie und den Beziehungen zur Außenwelt eine ihr eigene Da-seinsberechtigung hat.

Dass die Mathematik keinen Stein der Weisen darstellt, mit dem man alle Ge-heimnisse entdecken, alle Probleme, die sich stellen, lösen kann, bekundet Goetheimmer wieder mit Entschiedenheit. Mit Hilfe der Mathematik sei man darum auchnicht in der Lage, so betont er, ethische Fragen zu beantworten; denn Ethik setzeWerte voraus, die Mathematik aber sei als Wissenschaft wertfrei, da sie mit der vomMenschen erfahrenen Wirklichkeit und ihren Werten in keinem unmittelbaren Bezugstehe.

Vieles, was zur Zeit Goethes Mathematik genannt wurde, war außerdem alles an-dere als dieses. Es war reine Spekulation und verdiente den Namen Wissenschaftnicht: so zum Beispiel, wenn man im 17. und 18. Jahrhundert versuchte, Fragen derReligion, der Metaphysik, der Moral und der Medizin auf deduktiv mathematischeWeise zu lösen. Gegen solche Methoden als ein Übergriff in die Verfahren andererWissenschaften wehrte sich Goethe entschieden.

c) Die Mathematik und das Messbare in der Auffassung Goethes

Nach Goethes Auffassung gehört zum Anwendungsbereich der Mathematik alles,was der Zahl und dem Messen zugeordnet werden kann. Hier, wo sie als angewand-te Mathematik „zu regeln, zu bestimmen und zu entscheiden“ weiß, ordnet sie dieisolierten Elemente in ein System. Nicht immer, darauf sei hier noch einmal nach-drücklich hingewiesen, unterscheidet Goethe in seinem Äußerungen zwischen derreinen Mathematik und ihrer Anwendung. Goethe wehrt sich aufs entschiedenste da-gegen, dass die Naturwissenschaften nur auf das rein Messbare beschränkt werdensollen. Messen und Wiegen waren für Goethe lediglich Hilfsmittel zur Erforschungder Natur, mit denen ein größerer Teil von ihr, aber eben nicht alles, was von Be-deutung ist, erkannt werden kann. Messbare Größen sind für Goethe Eigenschaftenan den Dingen (Akzidenzien), über die man manchmal bis in den Kern einer Sachevordringen kann, aber nicht immer.

Goethe befürchtet, dass mit der Reduktion auf das Messbare, auf das Quantitativenur zu oft die Sicht auf das Wesentliche in Bezug auf die Gegenstände und die Er-scheinungen in der Natur behindert, ja versperrt werde. Für ihn gibt es, dies gilt fürihn selbst innerhalb der Physik, viele Zusammenhänge und darüber hinaus auchnoch manches andere, das sich mit mathematischen Methoden nicht erklären lässt.

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Zwar wird die Natur durch Zahlen und Formeln stärker berechen- und beherrschbar,aber das Wesentliche erfasst man auf diese Weise, glaubt Goethe, nicht bei allen Er-scheinungen der Natur.

Gegenüber einer Vergötterung der Zahl wie dies bei den Pythagoreern, aber auchim Mittelalter der Fall war, verhielt sich Goethe ebenfalls äußerst skeptisch. ZuKanzler Friedrich von Müller äußert er sich dazu am 18. Juni 1826:

Die Pythagoräer, die Platoniker, meinten wunder was in den Zahlen allesstecke, die Religion selbst; aber Gott muß anderswo gesucht werden. (Her-wig III, 2, S. 52, Nr. 5860; GA 23,S. 440)

Aber nicht überall finden wir bei Goethe eine solche Scheu vor Zahlen, wie sichdies oben zeigt. In der Witterungslehre, mit der sich Goethe sehr intensiv beschäftigthat, schätzt er exakte Messungen sehr. Er selbst hat eine Reihe von Barometerstän-den mit den Wolkenbildungen verglichen und dabei Beziehungen zwischen den Ba-rometerständen und den Wolkenbildungen festgestellt.

Goethe war ein Augenmensch, der an einer rein abstrakten Denkweise, wie diesim Reich der Zahlen und der mathematischen Formeln üblich ist, wenig Gefallenfand. Er liebte das Anschauliche, das konkret Fassbare. Schon als Knabe war er derGeometrie, wenn sie sich der Zeichnung bediente, zugetan. Dies wird deutlich,wenn er in Maximen und Reflexionen sagt (Maximen und Reflexionen Nr. 656):

Wenn der Knabe zu begreifen anfängt, daß einem sichtbaren Punkte ein un-sichtbarer vorhergehen müsse, daß der nächste Weg zwischen zwei Punktenschon als Linie gedacht werde, ehe sie mit dem Bleistift aufs Papier gezogenwird, so fühlt er einen gewissen Stolz, ein Behagen. Und nicht mit Unrecht;denn ihm ist die Quelle alles Denkens aufgeschlossen, Idee und Verwirk-lichtes, „potentia in actu“ ist ihm klar geworden; der Philosoph entdeckt ihmnichts Neues, dem Geometer war von seiner Seite der Grund alles Denkensaufgegangen. (GA 9, S. 586)

Auch hier zeigt sich die Bedeutung der Mathematik für die Erziehung junger Men-schen. Sie zeigt ihm den Unterschied zwischen der Welt der Vorstellungen und derWelt der Realitäten.

d) Die Mathematik und ihre Fachsprache

Die Mathematik besitzt wie auch jede andere Wissenschaft eine ihrem Fach zuge-ordnete Sprache. Für Goethe sind die Probleme dieser Sprache mit denen andererSprachen durchaus vergleichbar. Goethe fürchtet, dass die mathematischen Zeichen,obwohl sie nur austauschbare Symbole sind, am Ende von vielen doch für die Sacheoder die Erscheinung selbst genommen werden. Eine gewisse Scheu befällt ihn,wenn ihn die mathematische Formelsprache in Bereiche führt, die durch sinnliche

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„Anschauung“ nicht mehr überprüft werden können, wenn er den abstrakten For-meln im anschaulichen Denken - wie es z. B. in der darstellenden Geometrie nochmöglich ist - nicht mehr folgen kann. Dann werden ihm die mathematischen Zeichenoft zu einem „Hexengewirr“ (WA IV, S. 274). Hier liegt der tiefere Grund, weshalbGoethe zur höheren Mathematik im letzten kein rechtes Verhältnis gewinnen konn-te. Alle Sprachen, und dies gilt auch für die Zeichen in der Mathematik, sind „ausnahe liegenden menschlichen Bedürfnissen, menschlichen Beschäftigungen und all-gemein menschlichen Empfindungen und Anschauungen entstanden“, stellt Goethefest.15 Bei Sachverhalten, die nicht alltäglich sind, genügen, wie Goethe meint, dieSprachzeichen der üblichen Sprache nicht mehr. Darum greift man zu neuen Symbo-len, es entstehen die Fachsprachen. Aber auch diese so gewonnenen Bezeichnungenwerden unter Umständen zu magischen Formeln, mit denen man auf eine Sache ein-wirken, sie in den Bann zu schlagen und zu beherrschen versucht. (Entwurf einerFarbenlehre Didaktischer Teil, 5. Abt., Nr. 751. WA II, 1, S: 302f.; GA 16, S. 203.)

Mathematische Formeln sind als Teil der mathematischen Fachsprache für Goethein den meisten Fällen zu abstrakt. Dazu schreibt er:

Mathematische Formeln lassen sich in vielen Fällen sehr bequem undglücklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer etwas Steifes und Ungelen-kes, und wir fühlen bald ihre Unzulänglichkeit, weil wir, selbst in Elemen-tarfällen, sehr früh ein Inkomensurables gewahr werden; ferner sind sieauch nur innerhalb eines gewissen Kreises besonders hiezu gebildeter Geis-ter verständlich. (Entwurf einer Farbenlehre Didaktischer Teil, 5. Abt., Nr.752. GA 16, S. 203f.)

Aber nicht immer hat Goethe ungünstig über das Abstrakte in der Mathematikgeurteilt, besonders mit zunehmendem Alter tauchen verschiedentlich günstigere Ur-teile über die Sprache der Mathematik auf. In Maximen und Reflexionen (533 und534) wird der Mathematik ausdrücklich bestätigt, dass sie für die Darstellung natür-licher Phänomene nützlich sein kann. In einem Brief des alten Goethe an SulpizBoisserée vom 3. Nov. 1826 erkennt Goethe sogar indirekt das Bemühen der Ma-thematik um die letzten und tiefsten Erkenntnisse in der Natur an, wenn diese ver-sucht, mit ihren Mitteln die Welt zu deuten. In den Formeln der Mathematik und ih-rer Anwendung auf die Wirklichkeit sieht er nun gar Vereinfachungen von sehr ho-hem Wert und bezeichnet sich selbst als „ethisch ästhetischen Mathematiker“, demdie Welt nur noch in Formeln, die auf das Einfachste und Allgemeinste reduziertsind, fasslich wird. An Boisserée schreibt er:

Ich tadle nicht, wenn sie lächeln, daß ich schon wieder in's Allgemeinegehe; als ethisch ästhetischen Mathematiker muß ich in meinen hohen Jah-

15 An Eckermann am 20.6.1831.

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ren immer auf die letzten Formeln hindringen, durch welche ganz allein mirdie Welt noch faßlich und erträglich wird. (WA IV, 41, S. 220f.)

Hier scheint Goethe im Alter zu neuen Erkenntnissen über die Mathematik gelangtzu sein. Bei aller Gefahr, die von Vereinfachungen ausgeht, weiß er nun durchausdie Vorzüge zu schätzen, weiß er, dass Vereinfachungen mit Hilfe der angewandtenMathematik zuletzt doch zweckdienlich, ja unter Umständen sogar notwendig sind.

Goethes Äußerungen über die Mathematiker

Ganz im Gegensatz zur Mathematik und ihrer Bedeutung als Wissenschaft äußertsich Goethe in der Mehrzahl der Fälle gegenüber den „Mathematikern“ recht nega-tiv, wobei er allerdings meistens, auch wenn er verallgemeinert, bestimmte Vertreterdieser Wissenschaft im Auge hat. Goethe glaubte, dass seine Erkenntnisse auf demGebiet der Farbenlehre und der Meteorologie von der „Gilde der Mathematiker“ nurdeshalb abgelehnt würden, weil er kein Mann vom Fach ist. Er fühlte sich deshalbvon ihnen missachtet und, was er als noch schlimmer empfunden hat, ignoriert.Wurde bei Goethe im Hinblick auf das Licht und die Farben der Name Newton er-wähnt, wirkte dies oft auf ihn provozierend. Seine Reden über „die Mathematiker“sind des öfteren allzu sehr von seinem Zorn über die Ablehnung seiner Farbenlehredurch diese Wissenschaftler geprägt. Goethe verallgemeinert und verschärft in sei-ner Erregung mehr, als er dies mit abgewogenen Worten in einem weniger aufgereg-ten Zustand getan hätte. Darum enthalten seine Äußerungen manche Bitterkeit undSchärfe, die der Sache nicht angemessen und zweckdienlich war. Wenn Goethe ge-gen die Theorien Newtons wettert, meint er weniger Newton als Person und seineLeistung als Wissenschaftler insgesamt als vielmehr dessen Lehre vom Licht undbesonders die unbedingte Gläubigkeit von Newtons Schüler, die ihrem Meister, wieer glaubt, in allem nur allzu blindlings Folge leisten und seine Lehre doktrinär ver-treten. Dies zeigt sich recht deutlich in dem Kapitel „Newtons Charakter“, das Goe-the in die „Materialien zur Geschichte der Farbenlehre“ eingeschaltet hat (WA II, 4S. 95-106; GA 16, S. 573-580). Hier lässt Goethe Newton Gerechtigkeit wi-derfahren, er würdigt dessen Leistung als Wissenschaftler. Er gesteht ein, dass er imZorn in seiner Polemik gegenüber ihm zu weit gegangen ist. Da diese Stelle zu we-nig bekannt ist, aber Goethes wahre Meinung über Newton zeigt, soll sie hier aus-zugsweise wiedergegeben werden:

Newton war ein wohlorganisierter, gesunder, wohltemperierter Mann, ohneLeidenschaft, ohne Begierden. Sein Geist war konstruktiver Natur und zwarim abstraktesten Sinne; daher war die höhere Mathematik ihm als das ei-gentliche Organ gegeben, durch das er seine innere Welt aufzubauen unddie äußere zu gewältigen suchte. Wir maßen uns über dieses sein Hauptver-dienst kein Urteil an und gestehen gern zu, daß sein eigentliches Talent au-ßer unserem Gesichtskreis liegt; aber, wenn wir aus eigener Überzeugung

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sagen können: das von seinen Vorfahren Geleistete ergriff er mit Bequem-lichkeit und führte es bis zum Erstaunen weiter; die mittleren Köpfe seinerZeit ehrten und verehrten ihn, die besten erkannten ihn für ihres gleichenoder gerieten gar wegen bedeutender Erfindungen und Entdeckungen mitihm in Kontestation: so dürfen wir ihn wohl, ohne näheren Beweis, mit derübrigen Welt für einen außerordentlichen Mann erklären. [...] (GA 16, S.574- 575.)Auf diese und noch manche andere Weise möchten wir den ManenNewtons, insofern wir sie beleidigt haben könnten, eine hinlängliche Eh-renerklärung tun. Jeder Irrtum, der aus dem Menschen und aus den Bedin-gungen, die ihn umgeben, unmittelbar entspringt, ist verzeihlich, oft ehr-würdig; aber alle Nachfolger im Irrtum können nicht so billig behandeltwerden. Eine nachgesprochene Wahrheit verliert schon ihre Grazie; einnachgesprochener Irrtum erscheint abgeschmackt und lächerlich. Sich voneinem eigenen Irrtum loszumachen, ist schwer, oft unmöglich bei großemGeist und großen Talenten; wer aber einen fremden Irrtum aufnimmt undhalsstarrig dabei verbleibt, zeigt von gar geringem Vermögen. Die Beharr-lichkeit eines original Irrenden kann uns erzürnen; die Hartnäckigkeit derIrrtumskopisten macht verdrießlich und ärgerlich. (GA 16, S. 580.)

Am 17. 5. 1829 beschwert sich Goethe über „die Mathematiker“ in einem länge-ren Brief an Zelter, seinem intimen Freund im Alter, sehr ärgerlich:

Daß aber ein Mathematiker, aus dem Hexengewirre seiner Formeln heraus,zur Anschauung der Natur käme und Sinn und Verstand, unabhängig, wieein gesunder Mensch brauchte, werd ich wohl nicht erleben. (WA IV, 45, S.274.)

Goethe sah in vielen „Mathematikern“ (gemeint sind hier Mathematiker und ins-besondere die Physiker) Deisten, für die seit Erschaffung der Welt alles nach be-stimmten Gesetzen abläuft, da für sie Gott später nicht mehr in das Geschehen derWelt eingreift. Goethe mit seiner panentheistischen Weltanschauung, in der alles be-lebt ist und sich stets von innen her ändert, befand sich in dieser Hinsicht mit denbetreffenden Wissenschaftlern in einem fortdauernden Streit. Er erkennt, dass einigeder Mathematiker, weil sie alles glauben zu berechnen zu können, leicht in den Ver-dacht kommen, Atheisten zu sein. Dazu schreibt er (Maximen und Reflexionen(1286)):

... ; daher denn auch der Mathematiker seine Formelsprache so hoch stei-gert, um, insofern es möglich, in der meßbaren und zählbaren Welt die un-meßbare mitzubegreifen. Nun erscheint ihm alles greifbar, faßlich und me-chanisch, und er kommt in den Verdacht eines heimlichen Atheismus, in-dem er das Unmeßbarste, welches wir Gott nennen, zugleich mitzuerfassenglaubt und daher dessen besonderes oder vorzügliches Wesen aufzugebenscheint. (GA 9, S. 661f. u. 17, 769)

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Aber nicht immer äußert sich Goethe so negativ über die Mathematiker. So ist inMaximen und Reflexionen auch zu lesen:

Wie man der französischen Sprache niemals den Vorzug streitig machenwird, als ausgebildete Hof- und Weltsprache, sich immer mehr aus- undfortbildend, zu wirken, so wird es niemand einfallen, das Verdienst der Ma-thematiker gering zu schätzen, welches sie, in ihrer Sprache die wichtigstenAngelegenheiten verhandelnd, sich um die Welt erwerben, indem sie alles,was der Zahl und dem Maß im höchsten Sinne unterworfen ist, zu regeln, zubestimmen und zu entscheiden wissen. (Maximen und Reflexionen 710. GA9, S. 594 u. 17, S. 767).

An anderer Stelle in Maximen und Reflexionen heißt es:Hier aber kommt es nun auf die Natur des Menschen an, der ein solches Ge-schäft betreibt, eine solche Kunst ausübt. Ein durchgreifender Advokat in ei-ner gerechten Sache, ein durchdringender Mathematiker vor dem Sternen-himmel erscheinen beide gleich gottähnlich. (Maximen und Reflexionen606. GA 9, S. 578).

In dem letzten Zitat wird noch einmal deutlich, wie sehr Goethe die Leistungen derMathematik im Zusammenhang mit der Astronomie schätzt. Ein Mathematiker, derum die Grenzen weiß, die ihm durch sein Fach gegeben sind und diese gewissenhafteinhält, findet bei Goethe dessen volle Achtung.

Schlussbetrachtung

Die heutigen Naturwissenschaften haben gerade mit der Hilfe der Mathematikgroße Fortschritte gemacht. Dies ist, soweit sie die Kenntnisse über das Weltall unddie Natur erweitert haben, unbedenklich. Sobald aber durch die unbedachte Anwen-dung ihrer Forschungsergebnisse gewisse Veränderungen in der Natur und im sozia-len Gefüge der Menschen hervorgerufen werden, haben auch sie sich als Menschenund Wissenschaftler gegenüber kommenden Generationen zu verantworten. Nichtalles, was machbar ist, darf auch in die Wege geleitet werden, besonders dann nicht,wenn dadurch das Leben auf der Erde gefährdet zu sein scheint. Weder die Mathe-matik noch eine Naturwissenschaft kann ethische Maßstäbe aufstellen und sie alsgültig postulieren - dies beabsichtigen die Naturwissenschaftler auch heute nichtmehr, sie können hier mit ihren Ergebnissen nur Hilfsdienste leisten. Goethe undauch andere bedeutende Menschen seiner Zeit haben dies schon damals recht deut-lich erkannt und öffentlich geäußert. Schon Goethe weist darauf hin, dass die Weltein Ganzes ist, dass in dieser Welt nichts isoliert gesehen werden kann, da eins aufsandere angewiesen ist und einwirkt. Man besinnt sich heute mehr und mehr darauf,

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dass die Welt als ein Ganzes zu betrachten ist; man erkennt, dass die einzelnen Tei-le oder Erscheinungen der Natur oft eng miteinander verbunden sind. Je weniger dasGanze zu überblicken ist und sich der persönlichen Anschauung entzieht, um so vor-sichtiger muss mit einschneidenden Veränderungen umgegangen werden. Was Goe-the als Mensch des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts nicht ahnen konnte,war, dass heute gerade mit der Hilfe der angewandten Mathematik Vorhersagenmöglich sind, die der vorausschauende menschliche Verstand nicht zu leisten ver-mag. Dies ist nicht nur für die moderne Wissenschaft von Vorteil, sondern auch beiso manchen sozialen und politischen Entscheidungen sehr hilfreich.

Hat man bis in die Mitte dieses Jahrhunderts den Unterricht im Fach Mathematikvielfach noch damit begründet, dass die Mathematik eine solide Grundlage für dasStudium der Physik, Chemie, Astronomie, der Statistik, der Technik u. a. m. dar-stellt, so besinnt man sich heute auch wieder stärker darauf, dass der Unterricht indiesem Fach zum Erreichen formaler Bildungsziele ebenfalls dienlich ist. Wie kaumein anderes Fach schult der Unterricht in dieser Wissenschaft das exakte logischeDenken und die Sorgfalt in der Beweisführung. Goethe hat dies schon zu seiner Zeitgenau erkannt und auch aktiv gefördert. Als Mitglied des Geheimen Conseils desHerzogs Carl August hat er den Unterricht in der Mathematik in den Schulen befür-wortet. Wenn er in Gesprächen mit anderen, in Briefen und verschiedentlich auch inseiner Dichtung über „die Gilde Mathematiker“ erzürnt seinem Unmut äußert, weilsie seine Forschungen in Bezug auf die „Farbenlehre“ richtigerweise abgelehnt oderdiese sogar völlig ignoriert haben, dann ist dies zu bedauern, ist aber menschlichverständlich und sollte nicht als allzu negativ bewertet werden. Seine Erkenntnisseauf dem Gebiet der Farbenlehre hielt Goethe für sehr bedeutend.16 Wenn er, durchdie Vorurteile seiner Zeit beeinflusst, verschiedentlich innerhalb der mathematischenForschungen einen Mangel an echter Kreativität erkennen will, dann irrt er auchhier. Dieses Vorurteil aber scheint er im Alter zumindest teilweise korrigiert zu ha-ben, wenn er sich selbst einen „ethisch ästhetischen Mathematiker“ nennt, dem dieWelt nur noch in Formeln, die auf das Wesentliche reduziert sind, „faßlich und er-träglich wird“. Wer über ein ungenügendes Wissen im Elementarbereich der Mathe-matik verfügt, mag sich zwar darauf berufen, dass Schopenhauer sich wenig umKenntnisse im Bereich der Mathematik bemüht hat, er mag sich mit Berufung aufihn mit seiner Unkenntnis im Fach Mathematik brüsten, im Hinblick auf Goethekann er ein gleiches nicht tun. Dieser hat, und dies bis ins hohe Alter hinein, regesInteresse an geometrischen Aufgaben und deren Lösungen gezeigt. Goethe hat auchden Wert der Mathematik für die Allgemeinbildung deutlich erkannt und nicht we-

16 Sie sind dies tatsächlich auch im Hinblick auf die Ästhetik, die psysiologische und die psycho-logische Wirkung der Farben, auch wenn Goethe mit seinen Anschauungen im physikalischenTeil einem fatalen Irrtum unterlegen ist und Newton recht behält.

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nig Verständnis für die Mathematik als Wissenschaft gezeigt, selbst wenn seine ei-gene Denk- und Arbeitsweise anschaulich und nicht die der abstrakt denkenden Ma-thematiker gewesen ist.

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Literatur

Goethes WerkeGoethes Werke. Herausgegeben im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. - I.Abteilung: Werke. - II. Abteilung: Goethes Naturwissenschaftliche Schriften. - III. Abtei-lung: Goethes Tagebücher. - IV. Abteilung: Goethes Briefe. - Weimar 1887-1919. Repr.[Tb.-Ausg.] München 1987. Ergänzt durch 3 Nachtragsbände zur Abt. IV Goethes Briefe.Hrsg. Von Paul Raabe. München 1990. (Weimarer oder Sophienausgabe. Zitiert als WAI, II, II, IV.)

Johann Wolfgang Goethe: Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Hrsg. vonErnst Beutler. Zürich 1948-1954. Dazu 3 Ergänzungsbände 1960-71. (Artemis-Gedenk-ausgabe. Zitiert als GA.)

Nachschlagewerke

Lexikon der Goethe-Zitate. Hrsg. von Richard Dobel. Zürich und Stuttgart 1968. Tb.-Ausg. München 1972.

Goethes Gespräche. Eine Sammlung zeitgenössischer Berichte aus seinem Umgang. AufGrund der Ausgabe und des Nachlasses von Flodoard Freiherrn von Biedermann erg. undhrsg. Von Wolfgang Herwig. Zürich und Stuttgart 1965-87.

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens.Hrsg. Von H. H. Houben. 25. Auflage Wiesbaden 1959.

Müller, Friedrich von: Unterhaltungen mit Goethe. Kritische Neuausgabe besorgt vonErnst Grumach. Weimar 1956.

Aufsätze

Cassirer, Ernst: Goethe und die mathematische Physik. Eine erkenntnistheoretische Stu-die. In: Ernst Cassirer: Idee und Gestalt. Goethe / Schiller / Hölderlin / Kleist. Fünf Auf-sätze. Berlin 1921, S. 29-76.

Dyck, Martin: Goethe's Views on Pure Mathematics. In: The Germanic Review. Bd. 31(1956), S. 49-69.

Dyck, Martin: Goethes Verhältnis zur Mathematik. I: Goethe. Neue Folge des Jahrbuchsder Goethe-Gesellschaft. Bd. 23 (1961), S. 49-71.

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Epstein, Paul: Goethe und die Mathematik. Vortrag, gehalten am 10. Dezember 1922 inder Gesellschaft der Freunde des Goethemuseums zu Frankfurt a. M. In: Jahrbuch derGoethe-Gesellschaft. Bd. 10 (1924), S. 76-102.

Epstein, Paul: Goethes Stellung zur Mathematik. In: Forschungen und Fortschritte. 8. Jg.(1932), Nr. 7-9, 1., 10. u. 20. März 1932.

Lorey, Wilhelm: Goethes Stellung zur Mathematik. In: Johannes Walther (Hrsg.): Goetheals Seher und Erforscher der Natur. Untersuchungen zu Goethes Stellung zu den Proble-men der Natur. Halle a. S. 1930, S. 131-156.

Meschowski, Herbert: Goethes Stellung zur Mathematik. In: H. Meschowski: Mathematikund Realität. Vorträge und Aufsätze. S. 21-25.- Veröffentlicht auch in: Humanismus undTechnik VIII (1961/63), S. 110-114.

Neubauer, John: Die Abstraktion, vor der wir uns fürchten. Goethes Auffassung der Ma-thematik und das Goethebild in der Geschichte der Naturwissenschaft. In: Versuche zuGoethe. Festschrift für Erich Heller. Zum 65. Geburtstag am 27. 3. 1976 herausgegebenvon Volker Dürr und Géza von Molnár. Heidelberg 1976,S. 305-320.

Steiner, Rudolf: Goethe und die Mathematik. In. Goethes Werke, 34. Teil, Na-turwissenschaftliche Schriften 2. Bd. (Deutsche National-Literatur Bd. 115). Berlin u.Stuttgart o. J., S. LXVII-LXIX.

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