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Hartmut Zwick (Hrsg.) Bewegung als Therapie Gezielte ...€¦ · ein effizientes Training und darüber, wie man es durchführt. Es werden Ihnen keine „Wunderkuren“ aufgeschwatzt,

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Hartmut Zwick (Hrsg.)

Bewegung als Therapie

Gezielte Schritte zum Wohlbefinden

Zweite, erweiterte Auflage

SpringerWienNewYork

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Univ.-Prof. Dr. Hartmut ZwickAbteilung für Atmungs- und Lungenerkrankungen,

Krankenhaus Lainz, Wien

Lektorat: Mag. Elisabeth Illnar

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nach-druckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe aufphotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverar-beitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

© 2004 und 2007 Springer-Verlag/WienPrinted in Austria

Springer-Verlag Wien New York ist ein Unternehmen vonSpringer Science + Business Media

springer.at

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungenusw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zuder Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Marken-schutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann be-aaaaa nutzt werden dürfen.Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichenWerk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Insbe-sondere Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen müs-sen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen aufihre Richtigkeit überprüft werden. Eine Haftung des Herausgebers, der Autorenaa oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen.

Umschlagbild: Getty Images / Person running / Ron ChappleSatz: Composition & Design Services, Minsk 220027, Belarus

Druck: G. Grasl Ges.m.b.H., 2540 Bad Vöslau, ÖsterreichGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier – TCF

SPIN 11567189

Mit 10 Abbildungen

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN-10 3-211-29357-4 SpringerWienNewYorkISBN-13 987-3-211-29357-7 SpringerWienNewYorkISBN 3-211-20153-X 1. Aufl. SpringerWienNewYork

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Geleitwort

In der heutigen Zeit kommt regelmäßiger Sportausübung fraglos eineganz große psychosomatische Bedeutung zu. Dies sowohl in Hinblickauf eine Prophylaxe als auch zur Erhaltung der Lebensqualität, auf dieder verzichten muss, der sich – aus welchen Gründen auch immer – auffalsche Weise schont. Dabei spielt sicher auch die im Berufsleben häu-fig geforderte, aber oft missdeutete, „adäquate“ Belastungsökonomieeine Rolle. Das richtet sich letztlich aber gegen den Menschen selbstund stellt eine Ursache vieler Zivilisationskrankheiten dar. Auch die ein-seitige Interpretation des Begriffes „Stress“ trägt dazu bei. Doch nurmit dem richtigen Ausmaß an körperlicher, geistiger und psychischerBelastung können wir gesund leben.

Die Autoren dieses Buches beziehen zu diesem Problemkreis – auszum Teil sehr unterschiedlicher Sicht – klar Stellung. Die Bedeutung derrichtigen körperlichen Belastung für Körper und Psyche des modernenMenschen ist wissenschaftlich bewiesen. Daher stellt Bewegung völligberechtigt einen integralen Bestandteil der komplexen Prävention undTherapie dar. Der Begriff „Anti-Aging“ soll besonders angesprochenwerden, da ihm hier eine spezifische Bedeutung zukommt.

Bewegung als Therapie ist hochaktuell und kann die Lebensqualitätvieler Menschen positiv beeinflussen. Deshalb ist zu wünschen, dass sichnicht nur Mediziner dieser Fragen annehmen.

em. Univ.-Prof. DDDDr. Ludwig Prokop

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Vorwort

Sind Sie jung und schlank, gerade richtig gebaut? Körperliche Be-schwerden und Laster wie Nikotin, Alkohol und Süßigkeiten sind Ih-nen fremd? Im Fitness-Center zählen Sie zu den fittesten und Ihr Bauchgleicht einem Waschbrett? Ja, dann können Sie dieses Buch getrostweglegen. Es ist nichts für Sie.

Wenn Sie aber schon etwas älter oder übergewichtig sind, eineKrankheit haben, die Sie stört, oder wenn Sie nikotinabhängig sind,dann sollten Sie dieses Buch lesen. Je untrainierter und je weniger fitSie sind, desto mehr werden Sie von unserem Buch profitieren. Ärzte mitviel Wissen und Erfahrung erklären Ihnen, worum es bei „Bewegungals Therapie“ geht. Sie informieren Sie über die Voraussetzungen fürein effizientes Training und darüber, wie man es durchführt.

Es werden Ihnen keine „Wunderkuren“ aufgeschwatzt, vielmehrwird von Ihnen hohe Motivation verlangt. Schweiß muss fließen. Wirsurfen nicht auf der Wellness-Welle, wir reden Ihnen keine Sensatio-nen ein, wir verkaufen keine Gefühle. Einer Sache sind wir allerdingssicher: Sie können durch gezielte, ärztlich indizierte, dosierte undkontrollierte Bewegungstherapie bei fast allen chronisch stabilen Er-krankungen eine deutliche Besserung Ihrer Leistungsfähigkeit undIhrer Lebensqualität erreichen. Durch ungesunden Lebensstil oderdurch angeborene „Schwachstellen“ haben viele von uns mit chroni-schen Leiden oder Krankheiten zu kämpfen. Der therapeutische Einsatzvon Bewegung erhöht die Leistungsfähigkeit und lindert Schmerzen,hilft uns, von Medikamenten loszukommen, und garantiert Mobilität,welche für unsere Lebensqualität so wichtig ist.

Wir sind für alle Ihre Fragen, Informationen, Anregungen und kri-tischen Stellungnahmen offen.

In diesem Sinne viel Freude mit diesem Buch. Auf geht’s!

Wien, im April 2004 Hartmut Zwick

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Inhaltsverzeichnis

Autorenadressen................................................................................................... XIII

Anti-Aging (Paul Haber) ....................................................................................... 1

1. Was bedeutet Anti-Aging? .......................................................................... 12. Ein Blick in die Geschichte ......................................................................... 13. Der Alterungsprozess .................................................................................. 44. Gibt es eine Anti-Aging-Medizin? ............................................................. 10

Epidemiologie der Zivilisationskrankheiten (Marcus Müllner) ....................... 13

1. Was sind eigentlich Zivilisationskrankheiten? .......................................... 132. Die typischen Zivilisationskrankheiten...................................................... 153. Alter und Erkrankungshäufigkeit .............................................................. 294. Wirkt sich Training auf die Gesundheit aus?............................................. 30

Gesundheitscheck vor dem Training (Christian Leithner und Gudrun Wolner-Strohmeyer) .................................. 33

Training bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen(Christian Leithner und Gudrun Wolner-Strohmeyer) .................................. 35

1. Herz-Kreislauf-Erkrankungen .................................................................... 352. Prophylaxe bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.......................................... 473. Bewegung als Therapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen..................... 484. Risiken – Plötzlicher Herztod durch Ausdauertraining? ........................... 625. Fallbeispiele ................................................................................................. 636. Zusammenfassung ....................................................................................... 66

Erkrankungen der Bronchien (Hartmut Zwick) ................................................. 67

1. Das luftleitende System............................................................................... 672. Welche Erkrankung liegt vor? .................................................................... 693. Ursachen und Prophylaxe ........................................................................... 734. Bewegung als Therapie............................................................................... 765. Trainingspläne.............................................................................................. 796. Risiken .......................................................................................................... 847. Training trotz oder wegen einer bronchopulmonalen Krankheit............. 878. Fallbeispiele ................................................................................................. 889. Zusammenfassung ....................................................................................... 90

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X Inhaltsverzeichnis

Diabetes mellitus und Fettleibigkeit (Dagmar Rabensteiner)........................... 91

1. Was versteht man unter Diabetes? ............................................................. 912. Wie entsteht Diabetes? ................................................................................ 913. Was lässt sich vorbeugend tun?.................................................................. 934. Ausdauertraining als Therapie ................................................................... 965. Gefahren und Kontraindikationen .............................................................1116. Veränderung des Lebensstils und der Ernährung .................................... 1197. Wie lässt sich der Gefahr einer Unterzuckerung beim

Training begegnen?................................................................................ 1208. Fallbeispiele .................................................................................................1249. Zusammenfassung.......................................................................................126

Periphere Durchblutungsstörungen – die periphere arterielleVerschlusskrankheit (Martin Schillinger).....................................................127

1. Wer versorgt unsere Beine mit Blut? .......................................................... 1272. Periphere Durchblutungsstörungen und ihre Ursachen...........................1283. Häufigkeit und Bedeutung der peripheren

Durchblutungsstörungen .......................................................................1314. Risikofaktoren, Prophylaxe und Verlauf arterieller

Verschlusskrankheiten ...........................................................................1315. Bewegung als Therapie .............................................................................. 1346. Training bei Durchblutungsstörungen....................................................... 1377. Wie soll trainiert werden – und vor allem wie lange?...............................1418. Nebenwirkungen versus positive Effekte..................................................1489. Fallbeispiele .................................................................................................150

10. Zusammenfassung.......................................................................................152

Häufige orthopädische Probleme (Dieter Gehmacher) ..................................... 153

1. Auswirkungen der Durchblutungsstörungen auf den Bewegungsapparat ................................................................... 153

2. Wie lassen sich Schäden vermeiden?......................................................... 1553. Sport bei Arthrose........................................................................................1584. Training bei Osteoporose ............................................................................1705. Sport mit künstlichem Gelenksersatz ........................................................ 1786. Medizinisches Krafttraining........................................................................1867. Zusammenfassung.......................................................................................197

Bewegungstherapie aus psychiatrischer Sicht(Otto M. Lesch, Gabriele Hofmann und Henriette Walter).......................... 199

1. Hinweise für Bewegungstherapie für Patienten derAllgemeinmedizin aus psychiatrischer Sicht........................................199

2. Bewegungstherapie in der Psychiatrie ......................................................2033. Störungen auf funktionell-organischer, sensomotorischer und

sozioemotionaler Ebene .........................................................................2084. Bewegungstherapie bei spezifischen psychiatrischen

Krankheitsbildern ...................................................................................2165. Spezifische Techniken in Bewegungstherapien .......................................233

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Inhaltsverzeichnis XI

Literatur ..................................................................................................................235

Glossar ....................................................................................................................237

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Autorenadressen

Prim. Univ.-Prof. Dr. Hartmut Zwick

Krankenhaus LainzAbteilung für Atmungs- und LungenerkrankungenWolkersbergenstraße 11130 WienTel: (01) 801 10 2472oderMedical Fitness TeamWohllebengasse 9/71040 WienTel: (01) 503 53 [email protected]://www.med-fit-team.at

Dr. Dieter Gehmacher Facharzt für Orthopädie und orthopädische ChirurgieAmraserstraße 36020 InnsbruckTel: (0512) 393400Fax: (0512) 393400 [email protected]

Univ.-Prof. Dr. Paul Haber Klinische Abteilung PulmologieUniv.-Klinik für Innere Medizin IVWähringer Gürtel 18–201090 WienTel: (01) 40400 [email protected]

Gabriele Hofmann Univ.-Klinik für PsychiatrieWähringer Gürtel 18–201090 [email protected]

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XIV Autorenadressen

Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Leithner

Kaiser Franz Josef SpitalKundratstraße 31100 WienTel: (01) 60191 [email protected]

Univ.-Prof. Dr. Otto-Michael Lesch Univ.-Klinik für PsychiatrieWähringer Gürtel 18–201090 WienTel: (01) 40400 [email protected]

Univ.-Prof. Dr. Marcus Müllner Univ.-Klinik für NotfallsmedizinWähringer Gürtel 18–20/6D1090 WienTel: (01) 40400 [email protected]

Dr. Dagmar Rabensteiner Zentrum für Medizin und SportPaniglgasse 91040 WienTel: (01) 228 00 [email protected]

Univ.-Prof. Dr. Martin Schillinger Univ.-Klinik für Innere Medizin II Währinger Gürtel 18–20 1090 WienTelefon: (01) 40400 4671 [email protected]

Dr. Gudrun Wolner-Strohmeyer Kaiser Franz Josef SpitalKundratstraße 31100 WienTel: (01) 60191 9992 [email protected]

Univ.-Prof. Dr. Henriette Walter Univ.-Klinik für PsychiatrieWähringer Gürtel 18–201090 WienTel: (01) 40400 [email protected]

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Anti-Aging

Paul Haber

1. Was bedeutet Anti-Aging?

Anti-Aging ist ein modernes, aus dem Englischen stammendes Schlag-wort, dessen Bedeutung nicht genau definiert ist. Wörtlich übersetztbedeutet Anti-Aging „gegen das Altwerden“. Das Älterwerden istzunächst eine simple Funktion der Zeit. Es kann natürlich wederbeeinflusst und schon gar nicht verhindert werden. Eine – etwas zyni-sche – Volksweisheit besagt: Wer nicht alt werden will, muss jung sterben!Nun, das ist sicher nicht das, was Anti-Aging bezweckt. Im Gegenteil,die meisten Menschen wünschen sich durchaus, möglichst lange zuleben, also möglichst alt zu werden. Allerdings ist mit dem Altwerdenauch ein vollkommen normaler, physiologischer Prozess verbunden, näm-lich das Altern, und genau dieses Altern ist es, das den Menschen Prob-leme macht. Mit Anti-Aging ist also gemeint, lange zu leben, ohnekörperlich zu altern. Das ist es! Alt werden und jung bleiben. Ist dasmöglich? Kann der Alterungsprozess beeinflusst und das Leben verlän-gert werden? Gibt es den „Jungbrunnen“, von dem die Menschen schonseit Jahrhunderten träumen? Um auf diese und ähnliche Fragen plau-sible Antworten zu finden, ist es sinnvoll, zunächst Begriffe wie Altern,Lebenserwartung und Einflussmöglichkeiten näher zu besprechen.

2. Ein Blick in die Geschichte

Lebenserwartung

Der berühmte Philosoph Immanuel Kant war Professor an der Univer-sität in Königsberg. Zu seinem 50. Geburtstag fand ihm zu Ehren einegroße Festversammlung statt, bei der natürlich auch eine Laudatio gehal-

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ten wurde. Diese Laudatio eröffnete der Festredner mit der Anrede:„Verehrungswürdiger Greis.“ Das Wort „Greis“ bezeichnet – damalswie heute – einen sehr alten Menschen. Heute aber wären die meistenMenschen in vergleichbarem Alter ob einer solchen Anrede höchstwahr-scheinlich unangenehm berührt. Von Kant ist derartiges nicht überlie-fert. Es ist im Gegenteil eher anzunehmen, er habe sich geehrt gefühlt.So ändern sich die Zeiten!

Warum konnte zu Kants Zeit ein 50-Jähriger mit Recht als Greisbezeichnet werden, was heutzutage zu Empörung führen würde? EinGrund dafür liegt in der historisch unterschiedlichen Lebenserwartung.Die Lebenserwartung der Menschen im 18. Jahrhundert lag weit unterder heutigen. Sie betrug damals weniger als 40 Jahre und hat sich bisheute nahezu verdoppelt! Das bedeutet, dass zu Kants 50. Geburtstagbereits weit mehr als die Hälfte seines Jahrganges verstorben war! Ganzallgemein war der Anteil der Menschen über 60 an der gesamten Bevöl-kerung sehr klein (unter 10%). Dies erklärt, warum man sich damalsüber die besonderen Probleme des Älterwerdens, wie wir sie kennen,kaum den Kopf zerbrach. Diejenigen, die – mit viel Glück – alt gewor-den waren, betrauerten die dahingegangene Jugend. Dafür machte mansich umso mehr Gedanken über den Tod, der allgegenwärtig war.

Übrigens: Schon im alten Ägypten erreichten Pharaonen ein Lebens-alter, das dem in der heutigen Zeit vergleichbar ist. Pharao Ramses II.,der im 13. Jahrhundert v. Chr. lebte, wurde 88 Jahre alt. Von einemnoch früheren Pharao, Pepi II., der der 6. Dynastie angehört und im 3.Jahrtausend v. Chr. lebte, ist sogar eine Regierungszeit von 96 Jahrenüberliefert. Seine Lebenszeit muss also mehr als 100 Jahre betragenhaben. Ein derart hohes Alter kam aber nur sehr selten vor. Es zeigtallerdings, dass die artspezifische Lebenserwartung des Homo sapiensunter günstigen Bedingungen etwa 90–110 Jahre betragen kann. (AuchTiere haben eine solche arttypische Lebenserwartung, Katzen werdenz.B. etwa 20 Jahre alt.) Diese Beispiele aus dem alten Ägypten stelleneinen historischen Hinweis auf eine artspezifische Lebenserwartung desMenschen dar. Der Homo sapiens hat sich in den letzten 5000 Jahrenmit Sicherheit nicht biologisch verändert, deshalb ist auch seine artty-pische Lebenserwartung heute dieselbe.

Infektionskrankheiten

Die meisten Menschen starben in früheren Zeiten aber weit vor demErreichen dieser artspezifischen Lebenserwartung. Vom Altertum bis

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zum Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Menschen durchschnittlich35 Jahre alt. Die dominierende Todesursache waren die Infektionskrank-heiten. Keineswegs nur Pest oder Pocken rafften die Menschen dahin,sondern alltägliche Infektionen, wie Enteritis, Lungen- und Blinddarment-zündung, Wundinfektion oder Kindbettfieber. Insbesondere die Säug-lingssterblichkeit war aus diesen Gründen sehr hoch: 40% allerNeugeborenen starben bis zum 5. Lebensjahr! Die Lebenserwartungderer, die das 5. Lebensjahr erreichten, lag bereits bei 45 Jahren. Wurdeim antiken Rom jemand 50 Jahre alt, so waren seine Chancen, 70 zuwerden, annähernd so hoch wie heute.

Die Infektionskrankheiten wurden in den letzten 150 Jahren ent-scheidend zurückgedrängt. Mit der Verbesserung der Ernährung, derWohnverhältnisse und der allgemeinen Hygiene erhöhte sich der Lebens-standard. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung verschwandenz.B. die Säuglingskrankheiten, die Tuberkulose und das Kindbettfie-ber weit gehend. Die Möglichkeit, Infektionskrankheiten mittels antibi-otischer Medikamente zu heilen, hat aber auf den allgemeinen Rückgangder Infektionskrankheiten erstaunlicherweise keinen erkennbaren Ein-fluss. Der Anteil der Infektionskrankheiten an allen Todesursachen istin den westlichen Industriegesellschaften aufgrund des hohen Lebens-standards gering. In Ländern mit niedrigem Lebensstandard und niedri-ger Lebenserwartung, wie z.B. in den Entwicklungsländern der DrittenWelt, ist auch heute noch der Anteil der Infektionskrankheiten an allenTodesursachen im Vergleich zu dem westlicher Industriestaaten hoch.

Der Rückgang der Infektionskrankheiten in den letzten 100 Jahrenermöglichte in unseren Breiten einen explosionsartigen Anstieg derLebenserwartung um etwa 100%. In Österreich beträgt sie derzeitzirka 76 Jahre. Dies bedeutet nicht, dass die dem Homo sapiens zuge-messene arttypische Lebensspanne von zirka 90–110 Jahren zuge-nommen hätte. Das kann biologisch völlig ausgeschlossen werden. Esist vielmehr so zu verstehen, dass weniger Menschen einer Infektions-krankheit erliegen und sehr viele vor einem frühen Tod bewahrt wer-den. Daher erleben sie auch tatsächlich einen immer größeren Teil derarttypischen Lebensspanne.

Derzeit sind die Geburtenzahlen rückläufig, aber die Lebenserwar-tung steigt. Deshalb prophezeien die Demoskopen, dass der Anteil derMenschen über 60 in unserer Gesellschaft in den nächsten Jahrzehn-ten zunehmen wird. Heute liegt dieser Anteil bei etwa 15%, das sindin Österreich ungefähr 1,2 Mio Menschen. Für das Jahr 2050 wird einAnteil von 30% prognostiziert, das sind zirka 2,5 Millionen Menschen.Im Gegensatz dazu wird der Anteil der Jugendlichen von 25% auf

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20% und der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter von heute60% auf 50% zurückgehen. Die Bevölkerungszahl von etwa 8 Millio-nen Einwohnern wird aber gleich bleiben. Daher besteht zunehmendKonsens, dass die Probleme des Alterns zu einem zentralen Anliegenunserer Gesellschaft werden. Das beinhaltet nicht nur medizinische,sondern auch soziale, wirtschaftliche, pensionsrechtliche, familiäre undviele andere Aspekte. Prognosen bezüglich der wirtschaftlichen Entwick-lung besagen, dass die durchschnittliche Produktivität eines Erwerbs-tätigen im gleichen Zeitraum um zirka 100% zunehmen wird. Obwohlder Anteil der Erwerbstätigen abnimmt, wird 2050 das Bruttonational-produkt daher etwa das 1,67-fache des heutigen Wertes betragen. Andieser Stelle sei ein Wort zur Pensionsproblematik erlaubt. Bezieht mansowohl die wirtschaftlichen als auch die demoskopischen Prognosenmit ein, ist nicht nachvollziehbar, warum die Pensionen in Zukunft drama-tisch gekürzt werden müssen. Dies setzt allerdings einen gesellschaft-lichen Konsens voraus. Alle Menschen sollten in gerechter Weise ander Entwicklung und am Reichtum der Gesellschaft teilhaben. Derzeitprofitieren hauptsächlich die Shareholder und zu einem kleineren Teildie aktiv Erwerbstätigen – Kinder, Jugendliche und Pensionisten hin-gegen überhaupt nicht.

3. Der Alterungsprozess

Altern – ein uraltes genetisches Programm

Zunächst eine gute Nachricht: Altern ist keine Krankheit, sondern einphysiologischer, natürlicher Vorgang, der an sich keiner medizinischenBehandlung bedarf. Nun kann man einwenden, dass eine medizini-sche Behandlung zwar nicht notwendig, aber vielleicht nützlich sei,da sie das Altern verzögere. Derartigen Spekulationen muss aus biolo-gischer Sicht klar entgegengehalten werden, dass das Altern ein aus derEntwicklungsgeschichte stammendes, uraltes genetisches Programm ist.Mit den heute bekannten medizinischen Methoden und Mitteln kannes weder verlangsamt noch außer Kraft gesetzt werden. Wie erläutert,war die geringe Lebenserwartung in den vergangenen Jahrhundertennicht das Produkt rascheren Alterns. Die Menschen starben wegendes niedrigeren Lebensstandards bereits in jüngeren Jahren. Aus heu-tiger Sicht sind diese Ursachen vermeidbar. Was also zugenommen hat,ist die Wahrscheinlichkeit eines normal ablaufenden und daher entspre-chend langfristigen Alterungsprozesses. Dieser Alterungsprozess endet

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in unabänderlicher Weise mit dem Tod. Unter idealen Lebensbedin-gungen würde der Tod nach 90–110 Jahren eintreten, wenn der Mensch,wie einst Abraham, „alt und lebenssatt“ geworden ist. Abraham istallerdings, wenn man dem biblischen Bericht Glauben schenken darf,erheblich älter geworden!

Medizinische Aspekte des Alterns

Worin besteht das Altern eigentlich? Nun, ganz genau weiß das auchdie moderne Medizin noch nicht, aber bestimmte Merkmale wie dieÄnderung des Aussehens und die Abnahme der Leistungsfähigkeitverschiedener Organe sind allgemein bekannt. Ein Physiologe aus Kiel,der immer zu einem Scherz aufgelegt war, pflegte zu formulieren: „AlleSinne nehmen ab, nur einer nimmt zu, der Starrsinn.“

Abnahme der Sauerstoff- und Energiebereitstellung

Aus der Sicht des Leistungsmediziners hat der Alterungsprozess aller-dings ein dominantes Merkmal: Die Körperzellen, insbesondere dieMuskelzellen, haben die Aufgabe, Energie bereitzustellen. Zu diesemZweck verbrennen sie Nährstoffe mit Sauerstoff. Genau diese Fähig-keit nimmt im Laufe des Alterungsprozesses ab. Auch die Ausdauerleis-tungsfähigkeit geht zurück. Die Leistungsfähigkeit kann medizinischfolgendermaßen bestimmt werden: Während körperlicher Belastungwird die Sauerstoffmenge gemessen, die der Körper für das Verbren-nen der Nährstoffe aufnimmt. Die Sauerstoffmenge, die der Körper beianstrengender Belastung (Fahren auf dem Ergometerrad) äußersten-falls aufnehmen kann, ist das anerkannte Maß für die Leistungsfähig-keit. Es wird maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) genannt. Mit25 Jahren, dem Alter der größten Leistungsfähigkeit des ganzen Lebens,beträgt sie beim Mann 42 ml Sauerstoff pro kg Körpergewicht und beider Frau 33,5 ml, das sind zirka 20% weniger.

Während des Älterwerdens verringert sich die maximale Sauerstoff-aufnahme. Wie rasch und wie stark die Leistungsfähigkeit im Laufe desLebens abnimmt, ist bekannt: Bei Männern beträgt der Rückgang proDekade (also in zehn Jahren) zirka 10% des Wertes mit 25 Jahren, beiFrauen ungefähr 6%. Es lässt sich leicht ausrechnen, dass die Körper-zellen eines Mannes nach 100 Lebensjahren nicht mehr fähig sind,Energie bereitzustellen. Tatsächlich sinkt aber die Leistungsfähigkeit

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bereits nach 8 Dekaden auf ein derart niedriges Niveau, dass die dau-erhafte und ausreichende Energieversorgung des Körpers nicht mehrgewährleistet ist. Die vitalen Funktionen wie Atmung, Herztätigkeit,Verdauung, Körperwärme u.a. können nicht mehr aufrechterhalten wer-den. Damit ist auch aus leistungsmedizinischer Sicht der Zeitpunktdes natürlichen Todes gekommen.

Interessanterweise kommt man bei dieser Extrapolation auf 105Jahre Lebenszeit. Das deckt sich in etwa mit jener Spanne von 90–110Jahren, die sich auch bei der historischen Betrachtungsweise ergebenhat. Da bei Frauen, wie oben erwähnt, der Leistungsrückgang langsa-mer vor sich geht als bei Männern, errechnet sich für Frauen eine umetwa 10 Jahre längere Lebenserwartung. Das entspricht auch den tat-sächlichen Gegebenheiten.

Veränderung der Muskelmasse

Ein weiterer leistungsmedizinischer Aspekt des Alterns ist der Verlustan Muskelmasse. Bei jungen, schlanken Männern beträgt der Mus-kelanteil an der Körpermasse etwa 40%, der Körperfettanteil 15%, beieinem 75 kg schweren Mann sind das zirka 30 kg. Auch bei den Mus-keln beträgt der altersbedingte Abbau 10% pro Dekade. Da das Kör-pergewicht in der Regel nicht geringer wird, bedeutet das, dass derKörperfettanteil entsprechend zunimmt. Bei 50-jährigen Männern beträgtder durchschnittliche Körperfettanteil daher schon 25%, ohne dass dabeiein wesentliches Übergewicht bestünde. Bei jungen, schlanken Frauenliegt der Muskelanteil bei etwa 30% und der Fettanteil bei 25%. Dafürist auch hier der alternsbedingte Abbau langsamer.

Der Abbau der Muskelmasse hat vor allem die Abnahme der Kör-perkraft zur Folge. Das kann so weit gehen, dass im höheren Alter daseigene Körpergewicht, z.B. beim Aufstehen aus einem Sessel oder beimTreppensteigen, Schwierigkeiten bereitet. Der Verlust an Muskelmasseund der Ersatz durch Fettgewebe verändern das körperliche Erschei-nungsbild mit, was den Alterungsprozess äußerlich sichtbar macht.

Verlust an Knochenmasse

Eine weitere bekannte Folge des Alterungsprozesses ist der Verlust anKnochenmasse. Ausgehend von einem Spitzenwert, etwa um das 25.Lebensjahr, beträgt der Abbau ebenfalls rund 10% pro Dekade (hierallerdings bei Frauen etwas schneller als bei Männern). Es besteht einenger Zusammenhang zwischen Muskelmasse und Knochenmasse.

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Wieso werden wir nicht alle 100 Jahre alt?

Degenerative Erkrankungen

Die Infektionskrankheiten sind leider nicht die einzige Ursache dafür,dass Menschen vor dem Erreichen der arttypischen Lebenserwartungsterben. In der heutigen Statistik der Todesursachen dominieren mitzirka 50% die Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs, wie z.B.Herzinfarkt oder Schlaganfall. Weitere 25% machen die bösartigenTumore (Krebserkrankungen) aus. Alle anderen Todesursachen, inklu-sive der früher dominierenden Infektionskrankheiten oder Unfälle, sindin den restlichen 25% enthalten. Die Herz-Kreislauf-Erkrankungenund bösartigen Neubildungen kann man mit einem Überbegriff alsdegenerative (Entartungs)erkrankungen bezeichnen. Sie werden fürMenschen ab 50 zunehmend relevant. Deshalb entspricht die durch-schnittliche Lebenserwartung noch immer nicht den an sich möglichen90–110 Jahren. Das Wesentliche an degenerativen Erkrankungen ist, dasses nicht möglich ist, eine dominierende Ursache zu benennen, wie z.B.ein Bakterium oder ein Virus bei den Infektionskrankheiten. Man kannlediglich Merkmale beschreiben, die Menschen kennzeichnen, die einhöheres Risiko haben, eine solche degenerative Erkrankung zu bekom-men. Solche Merkmale heißen Risikofaktoren. Es ist zu vermuten, dassbestimmte Risikofaktoren ursächlich an der Entstehung und am Fort-schreiten degenerativer Erkrankungen beteiligt sind. Das lässt sichaber keineswegs immer beweisen.

Risikofaktoren

Es ist eine Reihe von Risikofaktoren für verschiedene Krankheitenbekannt. Ein zu hoher Cholesterinspiegel im Blut, überhöhter Blut-druck und besonders Diabetes mellitus Typ 2 (Alterszucker) gelten alsRisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zigarettenrauchen stellt außerdem einen Risikofaktor für eine Erkran-kung an Bronchialkrebs dar. Wissenschaftliche Erkenntnisse weisenstark daraufhin, dass sich die Gefahr einer Erkrankung tatsächlich ver-ringert, wenn man derartige Risikofaktoren ausschaltet. Ein Herzinfarktzwischen dem 50. und 70. Lebensjahr muss also kein unabänderlichesSchicksal darstellen. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses,das die individuelle Lebensspanne radikal verkürzen kann, wird durchRisikofaktoren erhöht und durch deren Ausschaltung vermindert. Fürden Risikofaktor des Zigarettenrauchens hat der Nobelpreisträger LinusPauling einmal ausgerechnet, dass (statistisch gesehen) jede Zigarette

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das Leben um 13 Minuten verkürzt. Für einen Menschen, der 40 Jahrehindurch täglich ein Päckchen raucht, macht das in Summe rund 7 Jahre.

Wie oben geschildert, ist ein niedriger allgemeiner oder individuel-ler Lebensstandard ein Risikofaktor für Infektionskrankheiten. Wirder ausgeschalten, ist das Auftreten von Infektionskrankheiten erwie-senermaßen weniger wahrscheinlich.

Ein dominanter Risikofaktor ist übrigens das Alter an sich! Das bedeu-tet, dass die genannten körperlichen Risikofaktoren mit dem Alter anHäufigkeit zunehmen. Auch ohne andere nachweisliche Risikofaktorensteigt die Wahrscheinlichkeit, eine degenerative Krankheit zu bekommenund auch daran zu sterben ganz automatisch, je älter man wird.

Kontrolliertes Risiko und Lebensstilmedizin

In welchem Ausmaß lassen sich Gesundheit und Lebenserwartung durchdie Kontrolle von Risikofaktoren beeinflussen?

Erbanlagen

Auch dazu gibt es plausible Schätzungen: Etwa 25–30% aller Fakto-ren, die sich auf Gesundheit und Lebenserwartung auswirken, sind inden Erbanlagen fixiert, sind also per se nicht beeinflussbar. Das heißtdurchaus, dass es eine Erbanlage für langes Leben gibt! Sie wird übri-gens am stärksten von der Mutter auf den Sohn übertragen. Mit anderenWorten: Die wichtigste genetische Voraussetzung für ein langes Lebenist es, der Sohn einer Mutter zu sein, die sehr lange lebt!

Unbeeinflussbare Umweltfaktoren

Weitere 25–30% sind Umweltfaktoren, die außerhalb des unmittelbarenEinflussbereiches des Einzelnen liegen. Der allgemeine Lebensstan-dard, das Niveau des Gesundheitswesens, der Verkehr, die Arbeitsweltu.a. hängen mit der Entwicklung der gesamten Gesellschaft zusammen.

Lebensgewohnheiten

Die restlichen 40–50% der Umweltfaktoren lassen sich vom Individuumverändern. Schlechte Lebensgewohnheiten können die Ernährung,das Bewegungsverhalten, den Genussmittelkonsum, das Sozialverhal-ten und weitere persönliche Verhaltensweisen betreffen. Sie förderndie Ausbildung von Risikofaktoren im Organismus und letztlich die Ent-

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stehung degenerativer Krankheiten. Eine Änderung derartiger Lebens-gewohnheiten ist allerdings keine leichte Aufgabe. Eher im Gegenteil.Denn persönliche Verhaltensweisen sind – wie bereits erwähnt – in einNetzwerk von allgemeinen Umweltbedingungen eingebettet. Arbeits-zeiten, Einkommen und Familienverhältnisse schaffen relativ fixe Rah-menbedingungen.

Lebensstilmedizin

Lebensstilmedizin befasst sich mit der gezielten Änderung des Lebens-stils, um degenerativen Erkrankungen vorzubeugen oder sie zu behan-deln. Zwischen Lebensstilmedizin und „klassischer“ Medizin, dievorwiegend mit Medikamenten oder Operationen arbeitet, gibt es einenwesentlichen Unterschied: Die Maßnahmen der Lebensstilmedizin kön-nen ausschließlich von den Betroffenen selbst umgesetzt werden. DieRolle des Arztes beschränkt sich auf das Empfehlen und Beraten. DieLebensstilmedizin hat es weniger mit medizinischen als mit pädagogisch-psychologischen Problemen zu tun: Wie gelingt es Ärzten, möglichstviele Menschen dazu zu bewegen, lieb gewonnene, aber ungesundeLebensgewohnheiten aufzugeben und sie durch neue, gesundheits-fördernde zu ersetzen?

Zusammenfassende Übersichtder unerwünschten Aspekte des Alterns

Aspekte des Alterns

– Verlust an Ausdauerleistungsfähigkeit und Muskelkraft– Zunehmende Einschränkung der Mobilität bis hin zur

Pflegebedürftigkeit– Beschwerden und Erkrankungen des Bewegungsapparates– Verlust an Knochenmasse bis hin zur Osteoporose, erhöhte

Bruchgefahr– Veränderung des körperlichen Erscheinungsbildes– Häufiges Auftreten körperlicher Risikofaktoren: Bluthochdruck,

erhöhte Blutspiegel an Cholesterin und Blutfetten, Diabetes mellitus Typ 2

– Kontinuierliche Einnahme von Medikamenten auch ohne körperliche Beschwerden

– Gefahr von Herzinfarkt, Schlaganfall, Karzinomen– Mentale Erkrankungen

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4. Gibt es eine Anti-Aging-Medizin?

„Reparaturmedizin“

Hat nun die moderne Medizin wirksame Möglichkeiten, den Alte-rungsprozess mit seinen unerwünschten Merkmalen wirksam zu beein-flussen? Gibt es also so etwas wie eine Anti-Aging-Medizin? AußerFrage stehen die ans Wunderbare grenzenden Möglichkeiten bei ein-getretenen Schäden Reparaturen anzubieten (z.B. Bypass- oder Unfall-chirurgie und Transplantantionsmedizin). Allerdings wird durch diese„Reparaturmedizin“ nicht ein einziger neuer Erkrankungsfall verhindert.Der Alterungsprozess selber wird ja nicht beeinflusst. Behandlungs-bedürftige Zustände bzw. Schäden treten trotzdem auf. Die moderneMedizin hat durchaus wirksame Medikamente zur Verfügung und sofällt es Patienten mit chronischen Erkrankungen und Schäden leich-ter, diese zu ertragen. Auch das Fortschreiten von Erkrankungen lässtsich verlangsamen. Das ist aber wahrscheinlich nicht das, was sich diemeisten Menschen unter Anti-Aging vorstellen. Der Verlust der körper-lichen Leistungsfähigkeit ist wahrscheinlich der gravierendste Aspektdes Alterns. Er kann auf keine wie immer geartete Weise medizinisch,d.h. mittels Medikamenten oder Operationen, verhindert werden.

Somit bleibt leider nur die ernüchternde Feststellung, dass es, entge-gen anders lautenden Behauptungen der Pharmaindustrie, keine traditi-onelle Anti-Aging-Medizin, das heißt in Form von Medikamenten, gibt.

Regelmäßiges Training

Allerdings gibt es eine Maßnahme, mit der sich alle genannten alters-bedingten Beschwerden wirksam und nachhaltig beeinflussen lassen:

Dabei bedeutet regelmäßig, dass jede Woche an 2–4 Tagen trai-niert werden soll, ganzjährig bedeutet 52 Wochen im Jahr und lebens-länglich bedeutet wirklich ein ganzes Leben lang, nämlich bis zumTod. Die Wirksamkeit des Trainings ist auch für 90-jährige gebrechlicheMenschen und für chronisch Kranke wissenschaftlich seriös bewie-sen. Die meisten Menschen bewegen sich aber in ihrem beruflichenAlltag zu wenig. Spazieren zu gehen reicht erfahrungsgemäß ebenfalls

Regelmäßiges, ganzjähriges und lebenslanges Training

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nicht aus, um ein normales Niveau körperlicher Leistungsfähigkeit auf-recht zu erhalten, geschweige denn, es zu verbessern.

Auf die Qualität und Quantität der Bewegung kommt es an. Nur einganzjähriges, lebenslanges Training sowohl der Ausdauer (Atmung,Kreislauf und Muskelstoffwechsel) als auch der Muskelkraft verbessertdie Leistungsfähigkeit und erzielt die erwünschten präventivmedizi-nischen Effekte. Ausdauer und Kraft sind entscheidende Grundlagenfür die Geschicklichkeit, die zusätzlich durch mannigfaltige Übungenund verschiedene Sportarten erhalten und verbessert werden kann.

Die präventivmedizinische Wirkung des Trainings lässt sich natür-lich auch therapeutisch nutzen. Ausdauertraining senkt erhöhtenBlutdruck, erhöhte Cholesterin-und Triglyzeridspiegel im Blut und wirktdadurch vorbeugend auf die Atherosklerose mit allen Folgeerkran-kungen. Es wirkt vorbeugend und behandelnd beim Diabetes mellitusTyp 2, bei Depressionen und unterstützt die Gewichtsabnahme.

Krafttraining wirkt ebenfalls durchschlagend bei Alterszucker, sodass die Feststellung zulässig ist: Training ist die wirksamste bekannteEinzelmaßnahme zur Vorbeugung und Behandlung des Diabetes mellitusTyp 2. Muskeltraining ist von hervorragender Wirkung bei Rücken-schmerzen, weil diese fast immer muskulär bedingt sind. Krafttrainingist die beste Vorbeugung gegen Osteoporose. Es gibt einen direktenZusammenhang zwischen dem Muskelquerschnitt und der Knochen-dichte. Krafttraining hat ebenfalls eine deutliche antidepressive Wirkung.

Auswirkungen auf die Lebenserwartung

Bedeutet das nun, dass Training auch lebensverlängernd wirkt? Die arttypische Lebenserwartung zu verlängern ist – wie gesagt –

biologisch unmöglich. Training vermindert aber die Risikofaktoren unddie Gefahr der Entstehung degenerativer Erkrankungen vor allem desKreislaufs, aber auch von Karzinomen. Dadurch steigt die Wahrschein-

Regelmäßiges, ganzjähriges und lebenslanges Training der Ausdauerund der Kraft ist in jedem Alter die wichtigste und wirkungsvollsteMaßnahme, zur Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Esist die einzige Anti-Aging-Maßnahme von erwiesener Wirksamkeit, dieeine schwache Leistungsfähigkeit wieder verbessern kann. Es gibt keinMedikament und keine Kombination von Medikamenten, die demTraining an umfassender Wirksamkeit und Sicherheit auch nur annä-

hernd gleichkämen.

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lichkeit, einen größeren Teil der arttypischen Lebenserwartung auchzu erleben, so wie das bei der Zurückdrängung der Infektionskrank-heiten zu beobachten war.

Ein zweiter wesentlicher Aspekt ist, dass durch regelmäßiges Trai-ning in jedem Alter die Leistungsfähigkeit und damit die Mobilitäthöher bzw. die Pflegebedürftigkeit geringer ist. Dies wirkt sich sicher-lich auf die Lebensqualität alter Menschen entscheidend aus. DieserAspekt ist auch für die Konzeption zukünftiger gesundheitspolitischerStrategien von erheblicher Bedeutung.

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Epidemiologie der Zivilisationskrankheiten

Marcus Müllner

Unsere Kinder sind zu dick!Das Durchschnittsgewicht der ÖsterreicherInnen nimmt zu!

Die häufigste Todesursache sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen!

Täglich werden wir in den Medien vor den Zivilisationskrankheiten undihren Folgen gewarnt. Die Liste der Schlagzeilen lässt sich beliebiglange fortsetzen. Was steckt nun tatsächlich dahinter? Genauer gesagt,welches Problem liegt vor und wie groß ist es wirklich?

1. Was sind eigentlich Zivilisationskrankheiten?

Zivilisationskrankheiten im weitesten Sinne sind Erkrankungen, diedurch ungesunde Lebensweisen hervorgerufen werden. Kurz, wir rau-chen, wir bewegen uns zu wenig, essen das Falsche – und davon oft zuviel. Außerdem leiden wir unter Stress.

Einfluss der Lebensbedingungen

Die Lebensgewohnheiten des Menschen unterscheiden sich heute grund-legend von denen unserer stammesgeschichtlichen Vorfahren. Seit unge-fähr 120.000 Jahren gibt es den intelligenten Homo sapiens sapiens.Im Laufe der Entwicklungsgeschichte passten sich die Menschen denjeweiligen Lebensbedingungen an: Es ging darum, unter teilweisesehr widrigen Bedingungen zu überleben. 2,5 Millionen Jahre beschäf-tigten sich unsere Vorfahren ausschließlich mit dem Sammeln und Jagen.

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Dies tat auch der Homo sapiens. Durch den Selektionsdruck der Evo-lution richteten sich die Menschen darauf aus, schwer für ihr Essen zuarbeiten. Man könnte fast sagen, der Mensch sei dafür „entwickelt“worden. Um genügend Nahrung zu finden, wurden mitunter ausge-dehnte und unwegsame Areale durchwandert. Das Jagen war mit vielLaufen – sowohl mit kurzen Sprints als auch mit Dauerläufen – ver-bunden, um schnelles Vorwärtskommen zu gewährleisten. Oft musstenunsere Vorfahren schwere Lasten, wie Nahrungsmittel und lebensnot-wendige Güter zu einem Sammelplatz transportieren. Dabei fehltenmeist jegliche technische Hilfsmittel. Nahrungsmittel waren im Ver-hältnis zur verbrauchten Energie jedenfalls nicht im Übermaß vorhan-den.

Trotz der „natürlichen“ Lebensweise starben unsere Vorfahren sehrjung: Die durchschnittliche Lebenserwartung lag etwa zwischen 25 und35 Jahren. Das hat sich erst seit zirka 150 Jahren mit der Verbesserungdes allgemeinen Lebensstandards wesentlich verändert.

Aber auch die Form der Nahrungsbeschaffung und der Sorge um denLebensunterhalt hat sich verhältnismäßig rasch und radikal gewan-delt. Erst seit wenigen Jahren ist in den Ländern der westlichen Weltder Anteil an Menschen mit so genannten „sitzenden Tätigkeiten“ imVergleich zur Gesamtbevölkerung groß. Auch das zunehmende Ange-bot an Fertignahrung (teilweise von extrem geringem Nährwert), diejederzeit griffbereit ist, gibt es erst seit kurzer Zeit.

Wie schnell können wir Menschen uns an geänderte Lebensbedin-gungen anpassen? Einerseits können wir uns innerhalb von Tagen auf-grund unserer Intelligenz auf neue Lebensumstände einstellen, ohneuns körperlich – also genetisch – verändern zu müssen. Andererseitsbrauchen wir Menschen wahrscheinlich mehrere hunderttausend Jahre,um uns genetisch an bestimmte Umweltbedingungen anzupassen. Diekörperliche Anpassung funktioniert so, dass laufend eine Reihe vonzufälligen genetischen Veränderungen, von so genannten Mutationen,stattfindet. Solche Mutationen können nützlich oder auch schädlichsein. Viele Mutationen bleiben jedoch unbemerkt, weil sie keinendirekten Einfluss auf das Funktionieren des Individuums in der Umwelthaben. Oft tritt der Nutzen – oder auch Schaden – einer vorerst unbe-merkten Mutation erst zutage, wenn andere Mutationen hinzukommen.Wenn eine oder mehrere Mutationen eine merkbare Veränderunghervorrufen, die das Überleben des Einzelnen und somit den Fortbe-stand der Art sichert, entsteht ein Auswahldruck. Über tausende vonJahren kann sich die Art, die über diese Anpassung verfügt, besservermehren als andere.

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Zum Glück sind wir aufgrund unserer Intelligenz auch ohne gene-tische Veränderung in der Lage, uns an schwierigste Lebensbedingun-gen anzupassen. Auf ein paar Dinge sind wir aber weder intellektuellnoch genetisch vorbereitet: Dazu zählen der Überfluss in der westli-chen Welt und die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte und Jahrhun-derte rasant verändernden Lebensumstände.

2. Die typischen Zivilisationskrankheiten

Zivilisationskrankheiten sind mittlerweile ein wichtiges Problem, dassowohl den Einzelnen als auch die Volksgesundheit betrifft. Die häu-figsten und wichtigsten davon werden in diesem Kapitel besprochen.

Ärzte und Patienten bewerten wichtige Gesundheitsprobleme auf-grund ihres unterschiedlichen Zugangs oftmals anders. Das trifft beson-ders bei Zivilisationskrankheiten zu. Diese entstehen allmählich undverursachen lange keine Beschwerden, daher werden sie von den Betrof-fenen lange Zeit nicht wahrgenommen. Sie erscheinen dem Betroffe-nen nicht wichtig und werden von ihm nicht als Krankheit gesehen.

Bluthochdruck

Der Bluthochdruck stellt ein gutes Beispiel für diese Problematik dar.Er wird in zwei Werten angegeben, einem oberen und einem unterenWert (zum Beispiel 125/80), und in Millimetern Quecksilbersäule (mmHg)gemessen. Wenn der obere Wert 140 mmHg oder mehr bzw. der untere90 oder mehr beträgt, dann spricht man derzeit von Bluthochdruck.Die Normalwerte liegen unter diesen Grenzwerten. Wahrscheinlich wer-den in absehbarer Zukunft die definierten Normalwerte (unter 140/unter90) weiter reduziert. Die neuen USA-Richtlinien sind bereits strenger.Das Risiko, eine der Begleiterkrankungen zu bekommen, macht nämlichbei diesen Grenzwerten nicht halt. Es nimmt aber bei einer weiteren Sen-kung des Blutdruckes ab. Das heißt, ein Blutdruck von 120/80 ist besserals einer von 135/85.

Ist der Blutdruck dauerhaft erhöht, wird vom Arzt eine Krankheit,nämlich Bluthochdruck (Hypertonie), diagnostiziert. Dies bedeutet inden meisten Fällen, dass der Patient eine Krankheit hat, die er nichtwahrnimmt. Oft ist es sogar so, dass das Krankheitsgefühl erst auftritt,wenn der Bluthochdruck behandelt wird. Durch eine wirksame Behand-lung sinkt der Blutdruck auf Werte, die der Körper nicht mehr als nor-mal empfindet. Immer wieder berichten Patienten, dass sie sich erst

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seit ihrer Behandlung müde und schlapp fühlen, zumindest bis sich derKörper an die normalisierten bzw. niedrigeren Blutdruckwerte gewöhnthat. Das dauert manchmal sogar mehrere Wochen. Aus Menschen, diesich bislang als gesund betrachteten, werden so unversehens Patien-ten, da der Bluthochdruck zufällig entdeckt wurde. Überdies fühlen siesich durch die Behandlung schlechter als zuvor. Das lädt nicht geradezum Mitspielen ein. Obendrein rufen die Medikamente – selten, aberdoch – Nebenwirkungen hervor. Je nach Medikament kann es zumBeispiel zu Husten, Beinschwellungen, Schwindel oder anderen typi-schen Beschwerden kommen.

Die Ursache des Bluthochdrucks ist in den meisten Fällen vollkom-men unklar (idiopathisch), obwohl bekannt ist, dass gewisse Faktoren,zum Beispiel das Gewicht, eine Rolle spielen. Tabelle 4 (siehe S. 28) zeigt,dass die Wahrscheinlichkeit, im Laufe seines Lebens an Bluthochdruckzu erkranken, hoch ist. Auf der Suche nach den körperlichen Ursachenwerden oft weitere Erkrankungen entdeckt, nach deren Behandlungauch der Blutdruck sinkt. Die häufigsten Ursachen des Bluthochdruckssind in Tabelle 1 angeführt.

Bleibt der Bluthochdruck unbehandelt und arbeitet der Patient nichtmit, kommt es über Jahre zu schleichenden Veränderungen in vielenOrgansystemen (siehe Tabelle 2). Diese bleiben lange unbemerkt, beson-ders die Blutgefäße werden geschädigt. Sie verlieren an Geschmeidig-keit und Elastizität und verengen sich. Derart veränderte Blutgefäßeneigen dazu, sich teilweise oder sogar ganz zu verstopfen. Durch dieseVeränderungen zerreißen sie leichter als gesunde Blutgefäße. Bis dieseProbleme zu Tage treten, ist bereits viel wertvolle Zeit vergangen.

In Europa haben etwa 44% aller Erwachsenen einen erhöhten Blut-druck, also fast jeder Zweite. Noch erschreckender ist, dass der Blut-hochdruck nur ungefähr bei einem Viertel der Betroffenen behandeltwird. Die Häufigkeit ist zwar bei 35- bis 44-Jährigen geringer, nimmtaber mit steigendem Lebensalter stark zu.

Interessanterweise bietet sich in Nordamerika ein umgekehrtesBild: Nur 28% der Nordamerikaner haben einen erhöhten Blutdruck,in 44% der Fälle wird er auch medikamentös behandelt.

Tabelle 1. Die häufigsten Ursachen für erhöhten Blutdruck

Unbekannt und auch nicht herauszufinden >90%

Chronische Nierenerkrankungen bzw.Erkrankungen der Nierenarterien

5–7%

Seltene hormonelle Erkrankungen <1–2%