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11 GROSSTIERPRAXIS 2/2006 Influenzaviren und aviäre Influenza Man kann die Bedeutung der Influenza und der Vogelinfluenza für den Men- schen nur richtig verstehen, wenn man über einige Grundkenntnisse der Viro- logie der Influenzaviren, der Geschichte der Influenza bei Menschen und Tieren und der Klinik verfügt. Deshalb sei zu Beginn eine kurze Zusammenfassung dieser Basiskenntnisse erlaubt. Virologie und Epidemiologie Die Influenzaviren werden in den Ty- pen A, B und C eingeteilt. Typ A gibt es bei Tieren und Menschen, die Typen B und C nur beim Menschen. Influen- za A-Viren sind zusätzlich nach den antigenetischen Eigenschaften der Oberflächenantigene in Subtypen eingeteilt. Die Influenza A ist beim Menschen die gefährlichste Form. Humanmedizinische Bedeutung Aviären Influenza von W. Lange Großtierpraxis 7:02, 11-25 (2006) Das Influenzavirus ist ein komplex aufgebautes Partikel (Abb. 1) mit ei- ner Lipid-Hülle, in der die Oberflä- chenantigene Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N) verankert sind, dem unter der Hülle gelagerten Matrixantigen (M) und den internen RNS-Segmenten mit den sie bede- ckenden Nukleoproteinen (NP). Auswirkungen auf die Empfänglich- keit einer Population für die Viren und auf die Ausbreitungsfähigkeit der Vi- ren in der Population. Eine durch In- fektion mit einer bestimmten Variante eines Influenzavirus erworbene Im- munität schützt umso schlechter vor durch Drift entstandenen neuen Vari- anten, je weiter diese sich vom dem die Titelbild: Influenzaviren im Elektronenmikroskop. Abb. 2. Influenzavirus-Modell. Während die internen Proteine NP und M weitge- hend stabil und typspezi- fisch sind, sind die Oberflä- chenantigene subtyp- oder stammspezifisch und unter- liegen einer häufigen Va- riation durch Punktmuta- tionen (Drift; Abb. 2). Die Mutationen führen zu ei- nem Austausch bestimmter Aminosäuren an den Mole- külen und damit zu einer Veränderung der Antigen- struktur der Oberflächen- antigene. Dies hat enorme

Humanmedizinische Bedeutung Aviären Influenza · struktur der Oberflächen-antigene. Dies hat enorme. 12 GROSSTIERPRAXIS 2/2006 Immunität auslösenden Stamm ent- ... H5N1 und H5N2

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11GROSSTIERPRAXIS 2/2006

Influenzaviren undaviäre InfluenzaMan kann die Bedeutung der Influenzaund der Vogelinfluenza für den Men-schen nur richtig verstehen, wenn manüber einige Grundkenntnisse der Viro-logie der Influenzaviren, der Geschichteder Influenza bei Menschen und Tierenund der Klinik verfügt. Deshalb sei zuBeginn eine kurze Zusammenfassungdieser Basiskenntnisse erlaubt.

Virologie undEpidemiologieDie Influenzaviren werden in den Ty-pen A, B und C eingeteilt. Typ A gibtes bei Tieren und Menschen, die TypenB und C nur beim Menschen. Influen-za A-Viren sind zusätzlich nach denantigenetischen Eigenschaften derOberflächenantigene in Subtypeneingeteilt. Die Influenza A ist beimMenschen die gefährlichste Form.

Humanmedizinische Bedeutung

Aviären Influenza

von W. Lange

Großtierpraxis 7:02, 11-25 (2006)

Das Influenzavirus ist ein komplexaufgebautes Partikel (Abb. 1) mit ei-ner Lipid-Hülle, in der die Oberflä-chenantigene Hämagglutinin (H)und Neuraminidase (N) verankertsind, dem unter der Hülle gelagertenMatrixantigen (M) und den internenRNS-Segmenten mit den sie bede-ckenden Nukleoproteinen (NP).

Auswirkungen auf die Empfänglich-keit einer Population für die Viren undauf die Ausbreitungsfähigkeit der Vi-ren in der Population. Eine durch In-fektion mit einer bestimmten Varianteeines Influenzavirus erworbene Im-munität schützt umso schlechter vordurch Drift entstandenen neuen Vari-anten, je weiter diese sich vom dem die

Titelbild: Influenzaviren im Elektronenmikroskop.

Abb. 2. Influenzavirus-Modell.

Während die internenProteine NP und M weitge-hend stabil und typspezi-fisch sind, sind die Oberflä-chenantigene subtyp- oderstammspezifisch und unter-liegen einer häufigen Va-riation durch Punktmuta-tionen (Drift; Abb. 2). DieMutationen führen zu ei-nem Austausch bestimmterAminosäuren an den Mole-külen und damit zu einerVeränderung der Antigen-struktur der Oberflächen-antigene. Dies hat enorme

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Immunität auslösenden Stamm ent-fernt haben. Noch stärker wirkt sichdie Drift auf den durch Impfung er-worbenen Schutz auf Zeit aus. Diemeisten heutigen Impfstoffe induzie-ren einen gegen die Impfstämme ge-richteten Schutz. Stimmen die in dernächsten Epidemie zirkulierenden Va-rianten nicht mit den Impfstämmenüberein, kommt es zu einer Häufungvon Impfdurchbrüchen. Beim Men-schen zirkulierende Influenza A-Virenbringen jährlich neue Varianten her-vor. Sie zwingen zu einer regelmäßi-gen Neuformulierung der Impfstoffe.Die Viren umgehen auf diese Weise

INFLUENZA den in der Bevölkerung durch frühereInfektionen oder Impfung aufgebau-ten Schutz.

Neue Subtypen der Influenza A-Viren entstehen durch Genaustausch(Shift) zwischen zwei verschiedenenInfluenza A-Viren, die in derselbenZelle zur Vermehrung kommen (Abb.3). Werden 2 verschiedene InfluenzaA-Viren in einer Zelle vermehrt, kannes beim Zusammenbau neuer Virus-partikel zu einer falschen Verpackungder neu produzierten Gensegmentekommen. In dem Schema ist der Falldargestellt, dass ein aviäres und einhumanes Influenza A-Virus vermehrtwerden. Beim Zusammenbau könnendie neuen Gensegmente beider Eltern-viren miteinander vermischt werden.

Jedes neue Virus erhält zwar erneut 8Segmente, aber diese sind nach derVorlage des aviären oder des huma-nen Virus kopiert. Epidemiologischrelevant sind solche Tochterviren, diedas Gen für das Hämagglutinin und/oder die Neuraminidase vom aviärenund den Rest von humanen Virus er-halten haben. Das neue Virus ent-spricht auf seiner Oberfläche demaviären Virus und in seinen innerenKomponenten sowie seiner Fähigkeit,sich schnell von Mensch zu Menschauszubreiten, von dem humanen. Esentsteht also ein für die Menschenvöllig unbekanntes Virus, gegen dases weltweit keine Immunität gibt. Daes keine relevante Kreuzimmunitätzwischen den Subtypen der InfluenzaA-Viren gibt, treffen neue Subtypenauf eine völlig ungeschützte mensch-liche Population und können die Weltumgreifende Epidemien, so genanntePandemien, auslösen.

Ursprünglich war die Influenza Avermutlich eine Influenza der Vögel.Erst später wurde sie auf Säugetiereund Menschen übertragen. Bei Vö-geln wurden alle bisher bekannten 16Subtypen des Hämagglutinins undalle 9 Subtypen der Neuraminidaseder Influenza A-Viren nachgewiesen(Übersicht 1). Sie kommen in unter-schiedlichen Kombinationen vor.

Die beim Menschen bekanntenSubtypen der Influenza A-Virenstammen ursprünglich von Vögelnoder besitzen Gene von Vogelinfluen-zaviren. Deshalb stehen in der Ökolo-gie der Influenza A die Vögel im Mit-telpunkt (Abb. 4). Heute gibt es beiMenschen und einigen Haustierartenheimische Subtypen, z.B. H1N1, H2N2und H3N2 beim Menschen, H7N7 undH3N8 beim Pferd und H1N1 undH3N2 beim Schwein. Die drei Subty-pen des Menschen haben zu verschie-denen Zeiten im Wechsel Pandemien(Übersicht 2) ausgelöst und in den in-terpandemischen Zeiten durch ihreVarianten zahlreiche, unterschiedlichschwere Epidemien.

Bei Vögeln verursachen nicht alleSubtypen der Influenza A-Viren Er-krankungen. Als Erreger schwerer In-fluenza-Seuchenzüge ist seit langem

Abb. 2. Antigendrift der Influenzaviren (Punktmutation).

Abb. 3. Antigen-Shift – Influenza Typ A.

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der Subtyp H7N7 bekannt, der dieklassische Geflügelpest verursacht.Seit einiger Zeit werden auch die Sub-typen H9N2, H5N1 und H5N2 als Erre-ger von seuchenhafter Influenza beiWild- und Hausvögeln bekannt. Inden letzten Jahren hat besonders derSubtyp H5N1 ungewöhnliche Bedeu-tung gewonnen. Millionen von Vö-geln sind ihm zum Opfer gefallen,teils als direkte Folge der Virusinfekti-on, teils im Rahmen von Keulungsak-tionen zur Eindämmung der Seuche.Der Eingang in die Zugvogelarten er-öffnete dem Virus die Möglichkeit derweltweiten Ausbreitung.

Die Besorgnis der Experten vor ei-ner neuen Pandemie durch H5N1-Vi-ren wird durch den Verlauf der Vogel-influenza seit 2003 genährt. Drei ent-scheidende Fragen für die Einschät-zung ihrer Bedeutung für den Men-schen stehen im Raum:

1.Wird es das A/H5N1-Virus lernen,schnell von Mensch zu Mensch zuspringen?

2.Sind wir auf die nächste Pandemievorbereitet?

3.Kann man die Entwicklung einerPandemie erstmals in der Geschichteverhindern oder wenigstens ihreFolgen mildern?

Unter Experten herrschte lange dieAnsicht, dass die Anzahl der Pandemi-en auslösenden Subtypen begrenzt sei,und dass diese Subtypen sich immerwieder in derselben Reihenfolge ablö-sen würden. Wenn man die Reihe derPandemien der Neuzeit betrachtet(Übersicht 2), scheint die bisherigeAufeinanderfolge der Subtypen dafürzu sprechen: Das 1898 aufgetreteneH3-Virus wurde 1917/19 von einemH1-Virus abgelöst. 1947 folgte ein H2-und 1968 erneut ein H3-Virus. Wennman das H1N1-Virus von 1977/78hinzurechnet, könnte als nächsterPandemieerreger wieder ein H2-Virusfolgen. Zweimal wurde eine Pandemievon Epizootien durch eng verwandteViren bei Tieren begleitet: 1898 tratenwährend der H3N8-Pandemie gleich-zeitig ausgedehnte Epozootien beiPferden auf und während der Pande-mie von 1918/19 gab es gleichzeitig

Übersicht 1: Subtypen der Influenza A-Viren bei VögelnHämagglutinin NeuraminidaseH1 (Mensch, Schwein) N1 (Mensch, Schwein)H2 (Mensch, Schwein) N2 (Mensch, Schwein)H3 (Mensch, Schwein, Pferd) N3H4 N4H5 (Mensch, Schwein?) N5H6 N6H7 (Mensch, Pferd) N7 (Mensch, Pferd)H8 N8 (Pferd)H9 (Mensch, Schwein?) N9 (Mensch)H10H11H12H13H14H15H16

große Ausbrüche durch engverwandte H1N1-Viren beiSchweinen.

Pandemien zeichnensich durch eine extrem hoheMorbidität und Mortalitätaus. Während man in nor-malen Epidemien, die in je-dem Winter auftreten, welt-weit mit 200.000 bis 500.000Todesfällen rechnet (inDeutschland jährlich zwi-schen 8.000 und 30.000),sterben in Pandemien meh-rere Millionen Menschen.Die bisher schwerste Pande-mie der Neuzeit 1918/19 for-derte ca. 40-50 MillionenTote. Für die übrigen Pande-mien schätzt man die Zahl

Abb. 4. Influenza A-Viren.

Übersicht 2: Pandemien in der Neuzeit Rolle der Vögel•1889-1891 H2N2•1898-1915 H3N8 (verw. m. Pferdeinfl.)• 1918-1933 H1N1* („Spanische Grippe“)• 1957-1968 H2N2* („Asia-Grippe“)• 1968- H3N2* („Hongkong-Grippe“)• 1977- H1N1** („Russische Grippe“)

* Gene von aviären Influenza A-Viren nachgewiesen

der Todesopfer auf jeweils 1 bis 4 Mil-lionen. Die zwischen Pandemien lie-genden interpandemischen Phasensind unterschiedlich lang (10 bis >30Jahre).

Bisher wurde angenommen, dass Vo-gelinfluenzaviren nicht direkt auf denMenschen und andere Säuger über-tragen werden können. Da Influenza-viren von Vögeln und Säugern für

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unterschiedliche Rezeptoren an denEpithelien der Atemwege spezialisiertsind, galt, dass sich Vogelinfluenzavi-ren auf den Atemwegen der Säugernicht oder nur sehr schwer vermehrenkönnen. Nur das Schwein besitzt Re-zeptoren für Vogel- und Säugerinflu-enzaviren. Deshalb wurde die Passageüber das Schwein als Voraussetzungfür eine erfolgreiche Übertragung vonaviären Influenzaviren auf Säugerangesehen. Diese Ansicht wurde inden letzten Jahren unhaltbar.

Nach dem heutigen Stand desWissens gibt es drei Möglichkeiten derEinführung eines neuen Subtyps indie menschliche Population, die zurEntstehung einer erneuten Pandemieführen könnte:

1.Die Übertragung eines Vogelinflu-enzavirus auf das Schwein, dort dieNeukombination von Genen mit ei-nem vom Menschen stammendenInfluenza A-Virus (z.B. 1918/19,1957 und 1968-70) und die Übertra-gung des neuen Subtyps auf denMenschen.

2.Das Wiederauftreten eines aus dermenschlichen Population ver-schwundenen Subtyps aus demVogelreservoir (evtl. H1N1 im Jahre1977/78).

3.Die direkte Übertragung eines Vo-gelinfluenzavirus auf den Men-schen, wo es durch Passagen lernt,schnell von Mensch zu Mensch zuspringen und damit zum Auslösereiner weltweiten Influenza-Epide-mie (= Pandemie) zu werden, oderwo es bei gleichzeitigem Zusam-mentreffen von humanen undaviären Influenzaviren zur Neu-kombination von Genen und zurEntstehung eines neuen Subtypskommen kann.

Die im Jahre 1997 in Hongkong (undim übrigen China?) ausgebrochene In-fluenza A/H5N1 konnte noch durchKeulung aller Vögel eingedämmt wer-den. Damit endeten auch die Fälle beimMenschen. Seit 2003 breitete sich dasA/H5N1-Virus in Asien erneut aus,

vermutlich aus Reservoiren in Zentral-china. Bekannt wurden vor allem Aus-brüche in Vogelbeständen in Vietnam,später in Kambodscha, Japan, Paki-stan, Laos, Taiwan, Thailand und Indo-nesien. Erst sehr spät wurde beispiels-weise aus China bekannt, dass auchdort ein gewaltiges Vogelsterben durchA/H5N1 auftrat. Bis heute gibt es keinesicheren Anhaltspunkte für die wirkli-che Verbreitung der Influenza A/H5N1in Asien. Dass der Seuchenzug nichtgestoppt werden konnte, liegt einerseitsan der unklaren Situation in verschie-denen asiatischen Ländern und ande-rerseits am Einbruch in die Zugvogel-Populationen. Heute sind Virusnach-weise bei verendeten Wildvögeln ausder GUS, der Türkei, Rumänien, Grie-chenland und Kroatien bekannt. DasVirus hat damit den Sprung nach Eu-ropa geschafft. Es ist vermutlich nureine Frage der Zeit, bis es auch bei unsnachgewiesen wird.

Die Übertragung der Influenza er-folgt beim Menschen und Säugetierendurch virusbeladene Schleimtröpf-chen, die beim Husten und Niesenausgestoßen und von Kontaktperso-nen oder Kontakttieren eingeatmetwerden. Da die Influenza bei Vögelnsystemisch verläuft und die Viren inallen Geweben, vor allem aber imAtem- und Verdauungstrakt vermehrtwerden, sind sowohl die Sekrete derAtemwege als auch der Kot infektiös.Als Infektionsquellen müssen aberauch Blut, Fleisch und innere Organeder Vögel angesehen werden.

Noch eine abschließende Bemer-kung: Kürzlich wurde in der Presse be-hauptet, dass ein kranker Zugvogelnicht flöge. Das trifft wohl zu, hat aberfür die Verbreitung der Vogelinfluenzawenig Bedeutung. Wir wissen, dass be-stimmte Zugvogelarten (z. B. Wilden-ten) das Virus tragen können, ohneselbst zu erkranken. Sie wandern, auchwenn sie das Virus in sich tragen. DieRolle des “Trojanischen Pferdes” derH5N1-Influenza haben offensichtlichdie Wildenten übernommen. Sie kön-nen das Virus, ohne selbst zu erkran-ken, für bis zu 17 Tagen ausscheiden.Auch die Behauptung, dass zu uns fastkeine Zugvögel aus den betroffenen

Gebieten kämen, ist falsch. Bei Be-trachtung der klassischen Zugroutenerkennt man Routen, die sich gegensei-tig berühren oder kreuzen. Einige vonihnen, wie die Ostasien-Australien-,die Zentralasien- und die Ostafrika-Westasien-Route, berühren Gebiete, indenen die Vogelinfluenza H5N1 aufge-treten oder endemisch ist. Sie habenKontakt mit anderen Zugrouten, überdie die Viren sowohl zu uns als auchnach Amerika gelangen können. Fürdie Verbreitung der aviären InfluenzaH5N1 gilt das Wort des Generaldirek-tors der WHO, Dr. Jonh-wook LEE(2005): “Auf der Karte gibt es zahlrei-che Grenzen, aber das Virus führt kei-nen Pass mit sich.”

In einem Schreiben vom 28.10.2005zeichnet die WHO ein düsteres Szenariofür Afrika, falls das H5N1-Virus durchZugvögel auch dorthin verbracht wird.Während Europa und Nordamerika re-lativ gut gerüstet sind, fehlen in Afrikadie Infrastrukturen für eine schnelleErkennung von H5N1-Infektionen beiTieren und Menschen und für Isolie-rung und sachgerechte ärztliche Ver-sorgung betroffener Menschen. Es istzu befürchten, dass niemand bemerkenwird, wenn Menschen an H5N1-Influ-enza sterben. Da die Menschen auf en-gem Raum mit Vögeln und anderenTieren zusammen leben, in nichtmosle-mischen Ländern auch mit Schweinen,ist eine Übertragung des Virus leichtmöglich.

Vogelinfluenza undder Mensch

Früher wurde die Influenza der Vögelfür den Menschen als ungefährlichangesehen. Gelegentliche Virusüber-tragungen auf die Schleimhäute (Kon-junktiven) von Vogelhaltern, Tierpfle-gern und Tierärzten waren harmlosund führten nicht zu ernsten Erkran-kungen (Übersicht 3). Die Tierärztelernten früher, als man noch gegen dieklassische Geflügelpest (H7N7) impfte,dass es bei unsachgemäßem Umgangmit dem Impfstoff zu Konjunktivitidenkommen kann. Deshalb erregte die2003 in den Niederlanden ausgebro-chene Geflügelpest (H7N7) besonderes

INFLUENZA

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Aufsehen, als es erstmals bei insgesamt453 Erkrankungen 90 Influenza-ähn-liche Verläufe und 1 Todesfall gab.

Seit dem Auftreten des A/H5N1-Virus änderte sich die Situation grund-legend. In einer am 28. Oktober 2005veröffentlichten Liste von Ereignissenbei Vögeln und Menschen durch dasH5N1-Virus hat die WHO die Ent-wicklung eindrucksvoll dokumentiert(Übersicht 4). Die neue Geschichte deraviären Influenza H5N1 wird darin ineine Frühphase und in 3 Haupthasenvon 2003-2005 eingeteilt. Schon 1996wurde das Virus in China nachgewie-sen. Die WHO zeigt in der zeitlichenAbfolge, wie das Virus zunächst einehöhere Pathogenität für Geflügel ent-wickelte. Die Seuche konnte 1997durch rigorose Keulung der Geflügel-bestände gestoppt werden. Seit es Zu-gang zu Wild- und Zugvogelarten ge-wann, ist eine Beendigung der Ausbrü-che durch Keulung betroffener Bestän-

de unmöglich geworden. Gleichzeitigveränderte das Virus seine Fähigkeit, anRezeptoren von Säugerzellen zu bin-den. Schon 1997 wurden MenschenOpfer des aviären Influenzavirus H5N1.Ein ungewöhnlich großer Teil der be-kannt gewordenen Erkrankungen ver-

lief tödlich. Mit Tigern, Zibetkatzen undHauskatzen erkrankten und starbenspäter Säugetierarten, von denen frü-her nie jemand angenommen hätte,dass sie für Influenzaviren empfäng-lich sein könnten. Hinzu kommen In-fektionen in Schweinebeständen. Das

Übersicht 3: Dokumentierte Fälle von Vogelinfluenzabeim Menschen*Jahr Land Subtyp Fälle Todesfälle Quelle1959 USA H7N7 1 0 Reise1995 UK H7N7 1 0 Enten1997 Hongkong H5N1 18 6 Geflügel1998 China H9N2 5 0 Unbekannt1999 Hongkong H9N2 2 0 Geflügel2003 Hongkong H5N1 2 1 Unbekannt2003 Niederlande H7N7 453* 1 Geflügel2003 Hongkong H9N2 1 0 Unbekannt2003-? Asien H5N1 121 62 Geflügel2004 Kanada H7N3 2 0 Geflügel

Quelle WHO 2005; *davon 349 Konjunktivitis u. 90 ILI

Übersicht 4.1: Zeittafel der aviären InfluenzaDatum Tiere Menschen1996 hochpathogenes H5N1- -

Virus bei einer Gans in Guandong/China1997 Hochpathogenes H5N 1-Virus in 18 bestätigte Erkrankungen, 6 Todesfälle

Geflügelbeständen in HongkongFebr. 2003 - 2 Fälle H5N 1 (1 tödl.) in Hongkong; Infektion bei Reise nach

Fujian/China; 1 weiteres Familienmitglied verstarb in China

Übersicht 4.2: Zeittafel Teil 2: Welle IDatum Tiere MenschenMitte 2003 Unentdeckte H5N1-Ausbrüche in AsienDez. 2003 Thailand: 2 Tiger u. 2 Leoparden sterben nach Fütterung

mit verendeten Hühnern; H5N1 nachgewiesen19.12.2003 Ausbrüche bei Geflügel in Korea08.01.2004 H5N1 bei Geflügel in Vietnam11.01.2004 Weitere H5N1-Ausbrüche in Vietnam Erkrankungen u. Todesfälle durch H5N1 in

Vietnam bis Mitte März12.01.2004 H5N1 bei Geflügel in Japan23.01.2004 H5N1 bei Geflügel in Thailand 2 H5N1-Fälle in Thailand, weitere

sporadische Fälle bis März24.01.2004 H5N1 bei Geflügel in Kambodscha27.01.2004 H5N1 bei Geflügel in Laos01.02.2004 Familienausbruch H5N1 in Vietnam Anfang

Januar 04: mögl. Mensch zu Mensch?02.02 2004 H5N1 bei Geflügel in Indonesien04.02.2004 H5N1 bei Geflügel in China20.02.2004 H5N1 bei Hauskatzen in Thailand18.03.2004 Fallstudie an 10 Patienten in VietnamMitte März 2004 Ende der H5N1-Fälle: Insges. 12 Fälle in Thailand

(8 tödl.) u. 23. Fälle in Vietnam (16 tödl.)

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Virus ändert derzeit ganz offensichtlichsein Wirtsspektrum und könnte ange-sichts der Veränderung der Rezeptorab-hängigkeit den Menschen in diesesSpektrum mit einbeziehen.

Nach Beendigung des Ausbruchs1997 in Hongkong durch rigoroseKeulung der Vogelbestände hörte mannichts mehr über die H5N1-Influenza.Im Februar 2003 erkrankten in Hong-

kong 2 Menschen nach Rückkehr voneiner Reise nach China. Ein weitererFamilienangehöriger verstarb vorRückkehr nach Hongkong bereits inChina an gleichen Symptomen. Seit

Übersicht 4.3: Zeittafel Teil 3: Welle IIDatum Tiere MenschenJuni/Juli 2004 H5N1 bei Geflügel in Indonesien, Thailand, Vietnam08.07.2004 Genotyp Z dominiert, Wildvögel betroffen13.07.2004 H5N1 tödlicher für Säuger u. VögelJuli 2004 Atypische Fälle H5N1 in Thailand23.07.2004 Ende H5N1 in Japan07.08.2004 H5N1 bei Geflügel in Malaysia12.08.2004 3 neue FäIIe H5N1 in Vietnam, aIle tödl.20.08.2004 H5N1 bei Schweinen in China03.09.2004 H5N1 bei Hauskatzen tödlich07.09.2004 Weiterer tödl. Fall H5N1 in Vietnam09.09.2004 Koreafrei von H5N121 u. 28.09.2004 3 Fälle H5N1 in Thailand04.10.2004 4 Fall H5N1 in Thailand11.10.2004 H5N1 bei Zootigern in Thailand: 147 von 441 starben22.10.2004 H5N1 bei 2 Adlern aus Thailand in Brüssel25.10.2004 5. Fall H5N1 in Thailand29.10.2005 Hausenten stille ReservoireNov. 2004 Keine weiteren Fälle. Insg. 5 in Thailand (4 tödl.),

4 in Vietnam (4 tödlich)

Übersicht 4.4: Zeittafel Teil 4: Welle IIIDatum Tiere MenschenDez. 2004 H5N1 in Indonesien, Thailand, Vietnam, Kambodscha, Laos30.12.2003 1 Fall H5N 1 in Vi etnam03.01.2005 H5N1 in Malaysia zuende06.01.2005 2 Fall H5N1 in Vietnam14.01.2005 Weitere 3 Fälle in Vietnam, in Folge mehr Fälle27.01.2005 H5N1 in Thailand: Kind zu Mutter02.02.2005 1 Fall H5N1 in Kambodscha17.02.2005 2 atypische Fälle in Vietnam retrospektiv H5N129.03.2005) 2. Fall H5N1 in Kambodscha12.04.2005 3. Fall H5N1 in Kambodscha30.04.2005 Todesfälle bei Wildvögeln in Zentralchina04.05.2005 4. Fall H5:1 in Kambodscha08.06.2005 H 5N1 bei Geflügel in China30.06.2005 Mensch zu Mensch-Übertragung unklar06.07.2005 Neue H5N1-Variante bei Wildgänsen, Zugvögel!14.07 2005 H5N1 bei Zugvögeln15.07.2005 3 als Haustiere gehaltene Zibetkatzen H5N121.07.2005 1 Fall H5N1 Indonesien, 2 weitere Fälle? 23.07.2005 H5N1 in Westsibirien, Geflügel, tote Zugvögel02.08.2005 H5N1 in Kasachstan, Geflügel , Zugvögel05.08.2005 Vietnam 64 Fälle, 21 Tote in Welle III 10.08.2005 H5N1 in Tibet12.08.2005 H5N1 in Mongolei (Zugvögel)16.09.2005 2. Fall H5N1 in Indonesien22.09.2005 3. Fall H5N1 in Indonesien29.09.2005 4. Fall H5N1 in IndonesienOkt. 2005 Veränderungen an Rezeptorbindungsstelle06.10.2005 H1N1 von 1918 ähnlich H5N1 von heute10.10.2005 5. Fall H5N 1 in Indonesien13.+15.10.2005 H5N1 in Türkei bzw. Rumänien20.10.2005 H5N1 Taiwan bei Singvögeln aus China 1 Fall H5N 1 in Thailand24.10.2005 H5N1 in weiteren Provinzen in China26.10.2005 H5N1 in weiteren Provinzen in China und in Kroatien

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Ende 2003 riss in Asien die Ketteschwerer Erkrankungen und Todes-fälle beim Menschen nicht ab. Infekti-onsquellen waren bisher überwiegendkrankes Geflügel oder von diesemstammende Produkte oder Ausschei-dungen. Voraussetzung für die Infek-tion des Menschen ist demnach zur-zeit noch ein direkter Kontakt mit Vö-geln oder Vogelprodukten. Bis MitteOktober 2005 kam es zu ca.124 virolo-gisch bestätigten Erkrankungen und63 Todesfällen bei Menschen durchA/H5N1 (Übersicht 5). Bis auf wenigeVerdachtsfälle gab es keine Hinweiseauf eine Übertragung der Influenzavon Mensch zu Mensch – die Haupt-bedingung für die Entstehung einerPandemie beim Menschen. Zu denVerdachtsfällen werden Fälle gerech-net, in denen Angehörige ein Famili-enmitglied mit Influenza A/H5N1 ge-pflegt hatten und selbst erkrankten. Inallen Fällen konnte allerdings ein di-rekter Kontakt zu Vögeln oder Vogel-fleisch nicht ganz ausgeschlossenwerden. Die bei Menschen und beimassenhaft verendeten Vögeln nach-gewiesenen Virusstämme waren weit-gehend identisch.

Die Charakterisierung der bisherisolierten H5N1-Viren zeigt, dass sieeine deutliche Entwicklung durchge-macht haben, die auch die Bindungs-fähigkeit an menschliche Rezeptorenbetrifft. Anhand ihrer Eigenschaftenhat man sie in Cluster eingeteilt, die mitden Buchstaben A-Z bezeichnet wur-den. War ein 2001 in der Mongolei iso-liertes Virus nur in der Lage, an aviäreRezeptoren zu binden (a-2,3 linked Po-lymere), so binden Stämme von 2004sowohl an aviäre als auch an humaneRezeptoren (a-2,6 linked Polymere).Derzeit dominieren Viren des ClustersZ. Diese neueren Isolate von 2005 besit-zen eine noch breitere Bindungskapa-zität, was als Hinweis auf eine langsa-me Adaptation der Viren an den Men-schen gewertet werden kann. Sie besit-zen zudem Gene von Schweine-Influ-enzaviren. Erstmals wurden Infektio-nen mit A/H5N1 bei Schweinen aufJava (Indonesien) und in China gemel-det, die betroffenen Schweine zeigtenkeine klinischen Symptome.

her erwähnten Veränderungen der Vi-ren hin zu einer besseren Bindungsfä-higkeit an Rezeptoren auf menschli-chen Epithelzellen lassen befürchten,dass es nur eine Frage der Zeit ist, bisdie Pandemie beginnt.

Zwei der drei Vorbedingungen für dieEntstehung einer neuen Pandemiesind bereits erfüllt:• Auftreten eines neuen, beim Men-

schen bisher unbekannte Subtypsder Influenza A-Viren

• Hohe Pathogenität des neuen Sub-typs für den Menschen.

Es fehlt noch die Bedingung Nr. 3:• Fähigkeit des neuen Subtyps, schnell

von Mensch zu Mensch zu springen.

Es ist deshalb legitim, die Bedeutungder Vogelinfluenza für den Men-schen vor allem unter dem Gesichts-punkt der drohenden Pandemie zubetrachten. Die Frage, die uns alle be-wegt ist: Wird es das A/H5N1-Viruslernen, ebenso leicht Menschen wieVögel zu infizieren und schnell vonMensch zu Mensch zu springen? Jelänger die Epizootie anhält und je

Klinik

Grundlage der Influenza-Symptoma-tik ist die Infektion und Zerstörung derEpithelien der Atemwege. Sie kommtdadurch zustande, dass mit Influenza-viren infizierte Zellen gezwungen wer-den, neue Viren zu produzieren. Diesewerden an die Zellloberfläche ge-schleust und lösen sich dort mit demviruseigenen Enzym Neuraminidase(= Oberflächenantigen) von der Zelleab. Am Ende der Virusvermehrungsterben die Zellen ab. Der Zyklus derVirusvermehrung ist in Abbildung 5gezeigt. Feldmann und Mitarbeiter(2000) wiesen nach, dass Influenza A-Viren auch in Endothelien der Blutge-fäße vermehrt werden (Abb. 6).

Abbildung 7 zeigt das Ausmaß derZerstörung des Atemwegsepithels beimMenschen durch Influenzaviren.

Bisher liegen nur wenige Be-schreibungen der Symptomatik derH5N1-Influenza beim Menschenvor. Sie zeichnen ein dramatischesBild. Zunächst beunruhigt die unge-wöhnlich hohe Mortalität beimMenschen. Während sie bei der nor-

Übersicht 5: Bestätigte Fälle vonH5N1-Influenza beim MenschenLand Erkrankungen Todesfälle ProzentIndonesien 9 5 55,5Kambodscha 4 4 100,0Thailand 19 13 70,6Vietnam 91 41 45,05Gesamt 124 63 50,8

Stand 07.11.2005

Aus humanmedizinischer Sichtsind deshalb nicht die wenigenbisher registrierten Erkrankun-gen und Todesfälle durch dasH5N1-Virus besorgniserregend,so bedauerlich die Einzelfällesind, sondern es ist die Gefahr,dass dieses Virus der Auslöserder seit langem erwarteten In-fluenza-Pandemie beim Men-schen werden könnte. Die vor-

Abb. 5. Vermehrungszyklus der Influenzaviren.

weiter sie sich auf der Weltausbreitet, umso mehrMenschen werden infiziertund umso größer wird dieGefahr sein, dass das Viruslernt, die Spezies-Barriereleicht zu überspringen.

Die WHO stuft die Si-tuation nach ihrem Pande-mie-Alarmplan derzeit inStufe 3 ein: Ein für Men-schen neues Virus verur-sacht Infektionen, kannaber (noch) nicht leicht voneiner Person zur anderenspringen.

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18 GROSSTIERPRAXIS 2/2006

malen Influenza des Menschen un-ter 1 % liegt und in Pandemien we-niger als 10 % der Erkrankten ster-ben, sind es bei der A/H5N1-Influ-enza ca. 50 % der registrierten Er-krankten. Wie viele Menschen soleicht erkrankten, dass sie keinenArzt aufsuchten, oder wie vieleMenschen bei schwerer Erkrankung

keinen Zugang zu ärztlicher Versor-gung hatten, ist unbekannt.

Klinisch verliefen die bekannt ge-wordenen Fälle von Influenza A/H5N1beim Menschen extrem schwer. Sie äh-neln darin der Symptomatik der aviä-ren Influenza A/H5N1 (Übersicht 6).

Auch bei Überlebenden wurdenvorwiegend schwere Erkrankungen be-

schrieben. Offensichtlich kommt esbeim Menschen wie beim Vogel zu einerschnellen systemischen Verbreitung derInfektion. Außer den Atemwegen sindGefäßendothelien, Herzmuskel, Leberund das zentrale Nervensystem betrof-fen. In den Atemwegen kommt es zumassiven Hämorrhagien, die Lungenwerden als weitgehend hepatisiert be-schrieben. Von großer Bedeutung ist,dass das Virus die Blut-Hirn-Schrankeüberwinden kann. Das bedeutet, dassInfluenza A-Viren in allen Regionendes Organismus zur Vermehrung kom-men und Krankheitssymptome auslösenkann (Abb. 8).

Neben schweren Pneumonienbis zur Ausbildung des respiratoryDistress-Syndroms (Abb. 9) kommt eszu Herzmuskelschäden und Begleithe-patitiden sowie zu Enzephalitiden. DieTodesfälle traten in der Regel untermultiplem Organversagen ein. Auffal-lend ist in den klinischen Berichten dieextrem hohe Ausschüttung von ent-zündungsfördernden Zyokinen. Eswird von einem “Cytokine storm” ge-sprochen (Yuen und Wong, 2005). Zy-tokine können neben der direkten Vi-ruswirkung eine weitere Ursache fürdie extreme schwere Symptomatik sein,denn einige besitzen proinflammatori-sche Aktivität. De Jong et al. (2005) be-schrieben eine von dem klassischenBild einer Influenza abweichendeSymptomatik: Zwei Geschwister er-krankten an Fieber, Enzephalitis undDarmsymptomen. RespiratorischeSymptome wurden nicht gesehen. Beidem letzten der Kinder, die im Abstand

Abb. 7. Intaktes und durch Influenza geschädigtesLungenepithel.

Übersicht 6: Klinik der VogelinfluenzaVogel Mensch• Systemische Infektion • Fieber (38,5-40,0oC• Hämorrhagische Verläufe • Halsschmerzen• Schneller Verfall der Tiere • Husten• Massive Zerstörungen von • Diarrhoe

Epithelien und Endothelien • Enzephalitis• Tod nach Stunden bis • Gerinnungsstörungen

wenigen Tagen • Dramatischer Verlauf• Mortalität > 90 % • Massive Zerstörung der Atemepithelien

und Gefäßendothelien• Ausgedehnte Haemorrhagien• Systemische Infektionen• Mortalität > 50 %

Abb. 6. Virusvermehrung in Gefäßendothelien (nachFeldmann et al. 2000).

Abb. 8. Virusreplikation und Organmanifestation.

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19GROSSTIERPRAXIS 2/2006

von ca. 2 Wochen verstarben, wurde A/H5N1-Virus in den Geweben, im Stuhl(!) und auch im ZNS nachgewiesen.Für das erste Kind wurde kein Virus-nachweis versucht. Die Ähnlichkeit derSymptome lässt die Vermutung zu, dassbeide Fälle von dem H5N1-Virus ver-ursacht waren. Es dürfte daher mehrErkrankungs- und wohl auch Todes-fälle als die von der WHO bestätigtengeben. Besonders in ländlichen Gebie-ten, die vorwiegend betroffen sind, sindfieberhafte Atemwegsinfektionen mitLungenentzündungen häufig. Es wirdals schwierig angesehen, diese ohneZugang zu einer Virusdiagnostik vonder Influenza zu unterscheiden.

Zur besseren Erkennung der In-fluenza H5N1 beim Menschen hat dieWHO klinische Fallkriterien publi-ziert. Sie sind in Übersicht 7 zusam-mengefasst, und wurden in deutscherSprache u. a. vom NiedersächsischenLandesgesundheitsamt in Hannoververöffentlicht (Internetadresse).

Therapeutische Optionen

Bis zum Jahrhundertwechsel konntedie Influenza nur symptomatisch be-handelt werden. Gegen die Virusin-fektion selbst stand kein Medikamentzur Verfügung. Erst seit 1999 bzw.2002 sind so genannten Neuramini-dasehemmer zugelassen, die antiviralwirksam sind. Die Neuraminidase-hemmer Relenza (Zanamivir) undTamiflu (Oseltamivir) stoppen beifrühzeitigem Einsatz die Vermehrungder Influenzaviren, die Ausbreitungder Infektion im Körper und die Ent-wicklung der schweren Verlaufsfor-men. Komplikationen der Influenzawerden verhindert und die Krank-heitsverläufe verkürzt. Einige Studienkonnten zeigen, dass die Mortalitätder Influenza gesenkt wird. Tamifluwird oral eingenommen und wirkt sy-stemisch, erfasst also auch die Infekti-on anderer Organe als des Atemtrak-tes, Relenza wird inhaliert und ent-wickelt nur auf den Atemwegen seineWirkung.

Im Gegensatz zu den schon längerbekannten M2-Hemmern Amantadinund Rimantadin, die nur gegen Influ-

Abb. 9. Röntgenaufnahme der Lunge bei Infektion mit H5N1-Virus;a. bilaterale Pneumonitis, b. akutes respiratorisches Distress-Syndrom.

Übersicht 7: Falldefinition Influenza H5N11. Klinik

➠ Erkrankung mit folgenden Kriterien:• Fieber (mind. 1 Messung > 38 oC)• plötzlicher Beginn• Husten und/oder Dyspnoe (Atemnot)

➠ Todesfall: Unklare akute Atemwegserkrankung2. Epidemiologische Exposition

(mind. 1 der folgenden Expositionen innerhalb von 7 Tagen vor Erkrankungsbeginnmuss zutreffen)➠ direkter Kontakt mit lebenden oder toten Tieren (Geflügel, Wildvögel, Schweine),

deren Körperflüssigkeiten oder rohen Produkten➠ Tätigkeit in Geflügel- oder Schweinefarmen, in denen innerhalb der letzten 6 Wochen

infizierte oder infektionsverdächte Tiere identifiziert wurden➠ Leben im gleichen Haushalt oder Pflege eines Menschen mit entsprechender ErkrankungOder➠ direkter Kontakt mit einem Menschen oder seinen Sekreten mit nachgewiesener

H5N1-Infektion➠ Laborexposition (Beschäftigte in Labor, in dem mit H5N1-Virus gearbeitet wird

enza A-Viren wirksam sind, sind dieNeuraminidasehemmer besser ver-träglich. Der schnellen Resistenzent-wicklung gegen Amantadin und Ri-mantadin, bei der die resistent gewor-denen Viren die gleiche Pathogenitätund Ausbreitungsfähigkeit wie dieempfindlichen Ursprungsstämme be-sitzen, steht eine sehr seltene (0,4 %)Resistenz gegen die Neuraminidase-hemmer gegenüber. Resistente Stäm-me können sind in ihrer Vermeh-rungs- und Verbreitungsfähigkeitstark eingeschränkt und spielen des-halb praktisch keine Rolle. Dennoch

wird die Resistenzentwicklung von ei-ner internationalen Arbeitsgruppeengmaschig überwacht. Es ist bewie-sen, dass die M2-Hemmer gegenH5N1-Viren unwirksam sind. Im Jah-re 2004 bezeichnete die WHO dieNeuraminidasehemmer als die einzi-gen wirksamen antiviralen Mittel ge-gen die aviäre Influenza A/H5N1.Oseltamivir wird dabei als das Mittelder Wahl bezeichnet (Übersicht 8), zu-mal sein Einsatz wegen seiner system-ischen Wirksamkeit im Falle derH5N1-Influenza mit ihrer starkenTendenz zu systemischen Krankheits-

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20 GROSSTIERPRAXIS 2/2006

verläufen besonders sinnvoll ist. Dar-an ändert auch der kürzlich berichteteFall einer Resistenz gegen Tamiflunichts. Das Virus stammt aus einer Pa-tientin, die wegen eines H5N1-Fallesin der Familie prophylaktisch Tamiflueingenommen hatte (einmal täglich75 mg), obwohl sie vermutlich schoninfiziert war. Sie erkrankte trotz derProphylaxe. Durch Umstellung aufdie therapeutische Dosis (zweimal täg-lich 75 mg) konnte sie geheilt werden.Offensichtlich konnte sich die “resi-stente” Variante nicht durchsetzen.

Von den Überlebenden der aviärenInfluenza verdanken die meisten ihrLeben dem frühen Einsatz vonOseltamivir (Tamiflu). Nach den klini-schen Berichten profitieren diejenigen

am meisten, bei denen die Therapiefrühzeitig beginnen konnte. Es scheintjedoch auch ein späterer Behandlungs-beginn in manchen Fällen sinnvoll ge-wesen zu sein. Möglicherweise könntedadurch die systemische Ausbreitungder Infektion verhindert werden.

Management vonH5N1-Erkrankungenbeim MenschenDie Vorschläge der WHO zum Manage-ment der Influenza H5N1 bei Menschensind in Übersicht 9 zusammengefasst.Sie umfassen sowohl Maßnahmenzum Schutz von Pflege- und Kontakt-personen vor Infektionen und zur Ver-hinderung der Verbreitung des Virus

von dem Indexfall als auch Anweisun-gen zur antiviralen Behandlung zurBehandlung betroffener Patienten.

Diagnostisches Vorgehen

Überall auf der Welt kommt es im Au-genblick darauf an, Erkrankungen anH5N1-Influenza so schnell wie mög-lich zu erkennen und zu melden. Dasgilt auch für Deutschland. Deshalb hatdas Robert Koch-Institut in einemFlussdiagramm das Vorgehen bei ei-nem Verdachtsfall von H5N1-Influen-za analog zu ähnlichen Vorschlägender WHO dargestellt. Man kann dasFlussdiagramm im Internet unterwww.rki.de finden. Hauptpunkte sinddie schnelle Diagnostik in der Praxisoder Klinik, die schnelle Entnahmevon Abstrichen für Virusanzüchtungund PCR und die umgehende Meldungnach § 7 IfSG an das zuständige Ge-sundheitsamt. Besonders hervorgeho-ben wird zunächst bei einem klini-schen Verdachtsfall von Vogelinfluen-za die Notwendigkeit von Infektions-schutz für das medizinische Personal.Nasen- oder Rachenabstriche sollen ineinem Influenza-Schnelltest unter-sucht und im positiven Fall gemeldetwerden. Im Schnelltest negative Pati-enten sollten nach der klinischen Dia-gnose behandelt bzw. erneut getestetwerden (Anmerkung: Da Influenza-Schnelltests gelegentlich falsch negativanzeigen können, sollte bei Fortbeste-hen des Verdachts dennoch eine PCRangefordert werden). Positiv getestetePatienten sollen mit einem Neuramini-dasehemmer behandelt werden. Pro-ben der positiven getesteten Patientensollen zur Untersuchung in der PCRund zur Subtypisierung an ein ent-sprechendes Labor gegeben werden.

BekämpfungFür die Bekämpfung der aviären Influ-enza A/H5N1 finden wie bei der übli-chen Influenza des Menschen prinzipi-ell dieselben Strategien Anwendung:Schutzimpfung (falls möglich), Che-motherapie mit Neuraminidasehem-mern zur Verringerung der Virusbela-stung von Kontaktpersonen, Chemo-prophylaxe mit Neuraminidasehem-

Übersicht 9: WHO-Empfehlungen zum klinischen Mana-gement der Vogelgrippe• Diagnose anhand der Symptomatik• Hospitalisierung und Isolierung des Patienten (Raum mit negativem Druck)• Wenn Isolierung nicht möglich, Betten im Abstand von > 1 m mit Trennwand• High Efficiency Masks oder chirurgische Masken für Personal• Sicherheitskleidung: Kittel, Gesichtsschutz oder Schutzbrille, Handschuhe• Begrenzung der Personen, die Zugang zum Raum haben• Überwachung der Körpertemperatur bei Kontakt- und Pflegepersonen• Postexpositionsprophylaxe (Oseltamivir)• Entsorgung von Abfall in verschlossenen Beuteln mit Hinweis „Biohazard“

und Verbrennung (Kinder können bis 21 Tage Virus ausscheiden!)• Behandlung des Patienten mit Neuraminidasehemmer (Oseltamivir) so früh

wie möglich beginnen• Keine Behandlung mit Amantadin oder Rimantadin oder Ribavirin• Überwachung der Sauerstoffsättigung, Sauerstoffversorgung, falls nötig• Entnahme von Blutproben und Rachenabstrichen für virologische Unter-

suchung und evtl. bakteriologische Kontrolle• Meldung an Gesundheitsbehörden

Übersicht 8: Antivirale Therapie und Prophylaxe bei“Vogelgrippe” (H5N1)• Amantadin und Rimantadin unwirksam (L. K. Altmann: New York Times,

25.01.2004)• Neuraminidasehemmer wirksam [I.A. Leneva et al.: Antiviral Res. 48 (2000)]• WHO: Tamiflu (Oseltamivir) Mittel der Wahl (WHO: Avian Influenza

(H5N1) – update 22; 12.02.2004)• Wegen systemischem Verlauf der H5N1-Influenza bei Menschen Oseltamivir

(Tamiflu) Mittel der Wahl (wg. system. Wirksamkeit).*• Prognose wird durch frühen Therapiebeginn verbessert*• Prophylaktische Anwendung von Oseltamivir für med. Personal in Asien

empfohlen*

*KY Yuen and SSY Wong: HongKong Med.J. 3 (2005) 189-199

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Abb. 10. Vogelgrippe (H5N1).

Übersicht 10: Infektionsquellen für den Menschen• Sekrete aus Atemwegen, Darminhalt, Kot, Blut, rohes Fleisch/Eier von

infizierten Vögeln• Staub in Märkten und Vogelzuchten• Importiertes Fleisch von Geflügel aus Gebieten mit A/H5N1-Infektionen

bei Geflügel• Sekret aus Atemwegen, Stuhl und Blut erkrankter Menschen

mern (postinfektiös oder Saisonüber-greifend) und die persönlich Maßnah-men zur Verhütung einer Infektion.

Persönliche Vorsorge undSchutz von Mitarbeiternvon Geflügelbetrieben

Angesichts des im Pandemiefall zu-nächst zu erwartenden Fehlens oderMangels an Impfstoffen kommt denMöglichkeiten des persönlichen Schut-zes höchste Priorität zu. Dabei handeltes sich vor allem um die Vermeidungvon Kontakt mit infizierten, erkrank-ten oder an der Influenza gestorbenenVögeln, Haustieren und Menschen. Jeweniger Menschen mit dem Virus inKontakt kommen, umso schwerer hates das Virus, Infektionsketten aufzu-bauen und eine Epidemie zu verursa-chen. Um sich richtig verhalten zukönnen, muss man die wichtigsten In-fektionsquellen und die mit Infektions-gefahr behafteten Situationen kennen.

Vogelinfluenzaviren werden beiVögeln in allen Geweben vermehrt(Abb. 10). Infektionsquellen für denMenschen sind generell infizierte underkrankte Menschen und bei der H5N1-Influenza infizierte und erkrankte Vö-gel, Kot und Sekrete, durch diese verun-reinigte Oberflächen und Gegenständesowie rohe Produkte von Vögeln (Über-sicht 10). Auch Staub in infizierten Vo-gelbeständen kann eine Infektionsquel-le sein, weil er virusbeladene Kotpartikelenthalten kann. Hoch gefährdet sindmit der Versorgung und im Fall einesAusbruchs mit der Keulung von Vogel-beständen Beauftragte. Das Risiko derÜbertragung ist am höchsten beimSchlachten, Rupfen, Zerlegen und Vor-bereiten der Vögel zum Kochen. Influ-enzaviren werden durch Kochen undgründliches Braten abgetötet, gründlichgekochtes oder gebratenes Geflügel oderGeflügelprodukte kommen daher als In-fektionsquelle in Frage.

Speziell für den Umgang mit infi-ziertem Geflügel hat die WHO Vor-schläge gemacht, die in erster Liniedem Schutz der in GeflügelbetriebenBeschäftigten, aber auch aller Personendienen sollen, die mit Geflügelproduk-ten, wie Fleisch, Federn etc., in Kontakt

kommen. Erwähnt werden aber auchMaßnahmen für Kontaktpersonen derBeschäftigten, z. B. Familienangehöri-ge (Übersicht 11 und 12). Diese Vor-schläge dienen in vor allem der Ver-hinderung von Infektionen, im Falleeiner Infektion aber auch der Verhin-derung von schweren Erkrankungenund Todesfällen. Neben Schutzklei-

dung wird auch vorgeschlagen, dassGeflügelbetriebe ausreichende MengenOseltamivir (Tamiflu) vorrätig halten,um so schnell wie möglich mit der The-rapie oder Postinfektionsprophylaxebeginnen zu können.

Übersicht 11: WHO-Empfehlungen zum Umgang mit derVogelgrippe• Tierpfleger, Transporteure und mit der Tötung Beauftragte sollen Schutz-

kleidung, Atemmasken, Plastik-Überschuhe tragen• Personen mit Kontakt zu infizierten Tieren sollen ihre Hände häufig mit

Seifenwasser waschen bzw. desinfizieren.• Exponierte Personen (Kontakt mit infizierten Tieren oder verdächtigen

Farmen) sollen eng überwacht werden.• Oseltamivir soll in ausreichenden Mengen vorrätig gehalten werden.• Arbeiter, Transporteure und mit der Tötung Beauftragte sollen gegen die

humane Influenza geimpft werden, um ihre Infektion mit diesen Virenund ein Reassortment mit dem Vogelgrippe-Virus zu verhindern.

• Die Gesundheitsüberwachung soll auf die Familienangehörigen der Per-sonen mit engem Kontakt zu infizierten Vögeln ausgedehnt werden.

• Es soll eine serologische Überwachung von Tierpflegern und Tierärztendurchgeführt werden.

• Blut- und Autopsieproben aller Organe von verendeten Vögeln sollenbestimmten Laboratorien zur Verfügung gestellt werden.

INFLUENZA

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22 GROSSTIERPRAXIS 2/2006

Übersicht 12: Empfehlungen zum Schutz vorVogelinfluenza A/H5N1• Anlegen eines Tamiflu-Vorrats in Geflügelbetrieben• Bei Erkrankung eines Mitarbeiters in einem Betrieb mit Vogelinfluenza

frühzeitige Behandlung des Patienten mit Tamiflu, vorbeugende Einnah-me von Tamiflu durch die übrigen Mitarbeiter

• Bei gesichertem Ausbruch Familienangehörige der Mitarbeiter vorbeu-gend mit Tamiflu behandeln

• Von erkrankten Personen Rachenabstriche an spezialisiertes Labor zurSchnelltestung (PCR) senden, z.B. an Niedersächsisches Landesgesund-heitsamt oder Influenzazentrum des Robert Koch-Instituts

• Umgehende Meldung an Gesundheitsamt

Übersicht 13: Persönliche Vorsichtsmaßnahmen• Nur gründlich gekochte Mahlzeiten• Nur hart gekochte Eier• Keine Süßspeisen mit rohem Ei• Kein Besuch von Geflügelfarmen• Kein Besuch von Märkten, auf denen mit Geflügel gehandelt wird• bei plötzlicher fieberhafter Erkrankung mit schwerer Symptomatik

möglichst frühzeitig Neuraminidasehemmer einnehmen

Man sollte nach Möglichkeit alle Gele-genheiten vermeiden, mit den genann-ten Infektionsquellen in Kontakt zukommen. Die Empfehlungen zumSelbstschutz vor der Vogelinfluenzasind in Übersicht 13 zusammengestellt.Speziell sollten Reisen in Gebiete, in de-nen die Vogelinfluenza aufgetreten ist,nach Möglichkeit unterlassen werden.Wenn Reisen unabweisbar sind, solltejeder Kontakt mit Geflügelbeständenund Märkten, auf denen mit Geflügelgehandelt wird, unterlassen werden. Essollten nur gut durchgegarte Speisenmit von Vögeln stammenden Produk-ten (Fleisch, Eier) gegessen werden.Kürzlich behauptete ein deutscher Vi-rologe, dass rohe Hühnereier keine Ge-fahr darstellten, weil die kranke Hühnerkeine Eier legen. Das trifft nur zum Teilzu. Infizierte Hühner tragen das Virusbereits in der Kloake, bevor sie so schwererkranken, dass sie keine Eier mehr le-gen. Unter den infizierten Hühnern be-finden sich nach den bisherigen Erfah-rungen bis zu 10 %, die nicht erkranken,

obwohl sie das Virus tragen. Sie legenweiter Eier und diese sind ebenfalls in-fektiös. Dasselbe gilt für Wachteln,Gänse und Enten. Generell muss des-halb gelten, dass rohe Eier in Regionen,in denen Vogelinfluenza H5N1 auftritt,eine Infektionsquelle erster Güte sind.Da das Virus wie alle Influenzavirenleicht inaktiviert wird, reicht es, dieSchalen mit einer Seifenlösung zu wa-schen, bevor man sie verarbeitet. In Ei-ern befindliche Viren werden beim Ko-chen, Braten und Backen abgetötet.Aufgefundene gestorbene Vögel solltennicht ohne Schutz (Handschuhe,Mundschutz) angefasst werden.Nachdem die Übertragung von H5N1auf Katzenarten nachgewiesen wurde,muss verhindert werden, dass Katzenmit gestorbenen Vögeln in Kontakt ge-raten, sobald das Virus bei uns aufge-taucht ist. In einer E-Mail wurde ichkürzlich von einer Frau gefragt, wiehoch die Gefährdung ihrer Katzen sei,die mit rohem Geflügelfleisch gefüttertwerden. Sie wäre, falls A/H5N1 indeutschen Vogelbeständen verbreitetaufträte, sehr hoch. Man kann derFrau nur raten, ihre Katzen rechtzeitig

auf Dosenfutter oder gut gekochtesFleisch umzustellen. Da Hunde nachneueren amerikanischen Daten eben-falls für Influenza A-Viren empfäng-lich sind, sollten auch Hunde währenddes Auftretens von H5N1-Viren beiVögeln und während einer Pandemieim Haus gehalten werden, um Kontak-te mit Infektionsquellen zu verhindern.

In einer Pandemie (und Epidemie)sollte man unabhängig davon, wel-ches Virus der Auslöser ist, jeden un-nötigen Kontakt mit Menschenan-sammlungen vermeiden, z. B. in Ver-kehrsmitteln, Theatern, Kinos, Kon-zertsälen und Kirchen. Während einerPandemie oder Epidemie ist das War-tezimmer des Arztes ein hoch gefähr-licher Ort. Da Influenzapatientenärztliche Hilfe suchen, sammeln sichdort geradezu die Influenzaviren.Routinebesuche sollten in dieser Zeitmöglichst vermieden werden. Zudemkönnte man die Belastung des Arztesin dieser Krisenzeit verringern (wenner selbst noch arbeitsfähig ist). Da alteMenschen aufgrund ihrer altersbe-dingt reduzierten Immunreaktivitätdurch Influenza besonders gefährdetsind und die Impfung ihnen einenweniger sicheren Schutz vermittelt,sollten Besuche durch Familienange-hörige vorübergehend so weit wiemöglich vermieden werden oder nurdurch Geimpfte erfolgen.

Schutzimpfung

Die wichtigste Maßnahme gegen dieInfluenza ist normalerweise dieSchutzimpfung. Mit ihr können inkurzer Zeit zahlreiche Menschen zurelativ geringen Kosten gegen die In-fektion geschützt werden. Gegen dieaviäre Influenza H5N1 wird es wie ge-gen eine durch eine anderes InfluenzaA-Virus ausgelöste Pandemie in derersten Welle keinen Impfstoff geben.Die heute bei uns verfügbaren Influ-enza-Impfstoffe schützen nicht vorder Vogelinfluenza. Für den Fall einerPandemie kommt es darauf an, sofrüh wie möglich und in so großerMenge wie möglich Impfstoffe gegendas neue Virus zu haben. Das setztvoraus, dass so früh wie möglich am

INFLUENZA

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23GROSSTIERPRAXIS 2/2006

Entstehungsort der Pandemie das aus-lösende Virus isoliert, für die Impf-stoff-Produktion ein Produktions-stamm hergestellt und an die Impf-stoffhersteller verteilt wird. Es setztaber auch voraus, dass die Produkti-onskapazitäten der Hersteller groß ge-nug sind, um den Bedarf zu decken.Da die Impfstoffe derzeit noch inHühnereiern hergestellt werden, müs-sen ausreichende Mengen zur Verfü-gung stehen. Auf nationaler, europäi-scher und internationaler Ebene sindzahlreiche offene Fragen zu klären.Unter ihnen die wichtigsten sind:

• Wenn Impfstoff verfügbar ist, wersoll geimpft werden, welche Stellenwerden die Verteilung übernehmen,werden die Regierungen in der Lagesein, ausreichende Mengen anImpfstoff für den nationalen Bedarfzu reservieren?

• Werden auch die Länder Impfstoffbekommen, die keine Impfstoffpro-duktion auf ihrem Boden habenoder die Impfstoffe nicht bezahlenkönnen.

Angesichts der hohen Variabilität derneueren H5N1-Viren ist die Herstel-lung von Impfstoffen mit den bisherbekannten Stämmen wenig sinnvoll.Es muss befürchtet werden, dass dasdie Pandemie auslösende Virus sichdurch Drift von den bisher bekanntenStämmen entfernt hat. Impfstoffe ge-gen diese würden keinen sicherenSchutz vermitteln. Experimentalimpf-stoffe können jedoch die Methodikzur Reife bringen und später die Pro-duktion für den Ernstfall erleichtern.

Eine wichtige Abwehrmaßnahmeist außerdem angesichts der Gefahr ei-nes Genaustausches im Menschen dieSchutzimpfung möglichst vielerMenschen gegen die heute bei unsverbreiteten Influenzaviren. Sieschützt jedoch nicht vor der aviärenInfluenza H5N1, sondern soll die Zahlder Menschen reduzieren, in denendie bei uns verbreiteten Influenza A-Viren zusammen mit dem H5N1-Viruszur Vermehrung kommen könnten.Die kürzlich wieder einmal aufge-flammte Diskussion über die Einfüh-rung einer Impfpflicht schießt weit

über das Ziel hinaus. Wichtig wäre,dass sich möglichst viele Menschenfreiwillig der Impfung unterziehenwürden. Leider ist das trotz möglicherBereitschaft der Menschen nicht mög-lich, weil es nicht genug Impfstoffgibt, um schon den heutigen Bedarfzu decken. Es besteht im Augenblickdie Gefahr, dass angesichts der ver-stärkten Nachfrage aus der gesundenBevölkerung die besonders empfohle-ne Schutzimpfung der Risikogruppennicht ausreichend stattfinden kann.

Antivirale Wirkstoffe

Neben der Schutzimpfung besteht seitBeginn des neuen Jahrtausends dieMöglichkeit, die Influenza, auch dieVogelinfluenza, mit Neuraminidase-hemmern zu behandeln oder zu ver-hindern.

Es gibt zwei Wirkstoffe, die gegenalle Influenzaviren wirksam sind: Dieseit 1999 bzw. 2002 zugelassenenNeuraminidasehemmer Zanamivir(Handelsname Relenza) und Oseltami-vir (Handelsname Tamiflu). Die thera-peutische Wirksamkeit ist vorher ange-sprochen. Unter den beiden Konkur-renzpräparaten ist das Tamiflu günsti-ger, weil es für Kinder ab 1 Jahr zuge-lassen ist (Relenza ab 13 Jahren) undebenfalls für die vorbeugende Anwen-dung ab dem 13. Lebensjahr. Epidemio-logisch bedeutsam ist, dass unter derBehandlung mit beiden Präparatenauch die ausgeschiedene Virusmengeverringert und damit der Infektions-druck in der Population verringert wird.Oseltamivir ist auch für die vorbeu-gende Anwendung ab dem 13. Le-bensjahr zugelassen. Es kann entwe-der zur Postinfektionsprophylaxe, d.h.nach Kontakt mit einem Infiziertenoder Erkrankten, eingesetzt werden(täglich einmal 75 mg für 10 Tage)oder zur Überbrückung der Dauer ei-ner Welle oder einer Epidemie (täglicheinmal 75 mg für 6 Wochen). Unterdem Schutz von Oseltamivir kommt esbei Kontakt mit dem Virus zur Ausbil-dung einer stabilen Immunität.

Die WHO hat mehrere MillionenDosen von Oseltamivir (Tamiflu) zurVerfügung gestellt bekommen, um im

Falle des Pandemiebeginns am Entste-hungsort durch prophylaktischen Ein-satz den ersten Ausbruch eingrenzenund seine Ausweitung zu verhindern.

Viele Regierungen haben inzwi-schen Vorräte an Neuraminidasehem-mern, meist Oseltamivir, geordert, be-reits angelegt oder mit Verhandlungenmit dem Ziel der Bevorratung begon-nen. Die starke Nachfrage unter demEindruck der von H5N1 ausgehendenGefahr hat zwar zu einer Ausweitungder Produktionskapazität des Herstel-lers geführt, doch wird die Zahl derzur Verfügung stehenden Dosen nichtausreichen, um den Bedarf zu decken.Die Vorräte der deutschen Bundeslän-der an Oseltamivir sind sehr unter-schiedlich, in der Regel aber zu gering.Während Bayern etwa 20 % des Be-darfs decken kann, können in Berlinnur 200.000 von ca. 3,5 MillionenEinwohnern von dieser Vorsorgemaß-nahme profitieren.

Für die Bekämpfung der Vogelin-fluenza gilt: Je mehr Menschen recht-zeitig mit Neuraminidasehemmernbehandelt werden, umso geringer istdie Belastung der Population mit demVirus, umso schwieriger ist es für dasVirus, effektive Infektionsketten auf-zubauen, umso zögerlicher kann sichdie Infektion in der Bevölkerung aus-breiten. Angesichts des zu erwarten-den Mangels an Impfstoffen währendder ersten Welle ist die breite Anwen-dung der Neuraminidasehemmer dieStrategie der ersten Stunde. Vielleichtkönnte es gelingen, Zeit zu gewinnen,bis Impfstoffe in ausreichenden Men-schen zur Verfügung stehen.

Manche Bundesbürger haben in-zwischen auf eigene Kosten privateVorräte zur Versorgung der Familien-angehörigen angelegt. Dies kann ne-gativ und positiv bewertet werden. Ne-gativ ist, dass die Bevorratung von me-dizinischen Laien einer unsachgemä-ßen Anwendung Tür und Tor öffnenund zudem die zur Verfügung stehen-de Menge an Neuraminidasehemmernverringern könnte. Dennoch ist die Re-aktion der Menschen verständlich und

INFLUENZA

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nicht völlig falsch. Sie wird durch dieInformationen über den Umfang dervon den Länderregierungen angeleg-ten Vorräte geradezu provoziert. Dennjeder normale Mensch kann sich aus-rechnen, dass er im Falle einer Pande-mie nicht von den angelegten Vorrätenprofitieren wird. Ein positiver Aspektist, dass die private Vorratshaltung inZeiten der Verfügbarkeit der Mittel dieAufgabe der Regierungen erleichtert,für den Schutz aller Bürger zu sorgen.Sie entzieht zudem dem zu befürchten-den Schwarzhandel mit Tamiflu denBoden. Dass die Befürchtung einesSchwarzhandels nicht ganz gegen-standslos ist, kann man aus einerNachricht vom 19.10.2005 entnehmen,nach der EBAY die Versteigerung vonTamiflu gestoppt hat, nachdem derPreis für eine Packung die 100 Pfund(ca. • 152) überschritten hatte.

Da Neuraminidasehemmer nur aufRezept abgegeben werden, sollte der ver-ordnende Arzt darauf hinweisen, dassdie Einnahme erst im Falle einer Pande-mie oder Epidemie beginnen soll, undwenn man selbst oder ein Familienan-gehöriger mit typischen Symptomen er-krankt ist (für den Rest der Familie post-infektiöse Prophylaxe). Am besten wärees, wenn man zuvor noch einen Arztkonsultieren würde. Doch kann es imPandemiefall schwierig sein, einen Arztzu finden, es sei denn, die Ärzte hättensich selbst ausreichend mit dem Medi-kament versorgt. Eine weit verbreitetevorbeugende Anwendung ist zu teuerund birgt die theoretische Gefahr insich, dass resistente Virusstämme provo-ziert werden. Das Auftreten des Virus inder Region kann jederzeit aus einemÜberwachungssystem (z.B . über die In-ternet-Seite www.grippe-online.de, überwww.rki.de und international überwww.EISS.org ) erfahren.

SurveillanceUm den Beginn einer Pandemie mög-lichst frühzeitig zu erkennen und soschnell wie möglich Isolate der auslö-senden Viren zu bekommen, ist eine gutfunktionierende nationale und interna-

tionale Überwachung (Surveillance) er-forderlich. Surveillance-Systeme für dieInfluenza des Menschen gibt es jedochbisher vorwiegend in entwickelten Län-dern. Einige asiatische Länder habenseit 2003 ihre Surveillance verbessert,vor allem Vietnam. Andere besitzen kei-ne Surveillance oder halten die gewon-nenen Informationen zurück. Anlasszur Sorge bietet vor allem Afrika, wofast in allen Staaten die entsprechendeInfrastruktur fehlt.

Weit schwieriger ist die Situation beider Überwachung der Influenza bei Tie-ren, auch in Deutschland. Zwar wirdauf der Insel Riems über Vogelinfluenzagearbeitet, die Influenza bei Schweinenund anderen Tierarten wird aber inDeutschland nicht überwacht. Wie weitdas Riemser Institut die Geflügel- undWildvogelpopulationen flächendek-kend überwachen kann, ist unbekannt.Es ist zu befürchten, dass das Auftretenvon H5N1-Viren bei Wildvögeln nichtrechtzeitig erkannt werden kann, es seidenn, dass unter ihnen ein unerklärli-ches Massensterben beobachtet wird.

Ähnlich ist es in anderen europäi-schen Ländern. In Europa ist als einzi-ge bekannte Stelle das von Prof. Ost-erhaus geleitete Institut an der Eras-mus-Universität in Rotterdam zu nen-nen. Das Institut verfügt über einegroße Sammlung aller möglichen In-fluenzaviren von Vögeln und ande-ren Tierarten aus allen Regionen derErde. Wissenschaftler des Institutssind oft als erste bei einem Ausbruchauch außerhalb der Niederlande.Nicht umsonst hat die Gruppe umProf. Osterhaus den H5N1-Ausbruch1997 in Hongkong ätiologisch geklärt.

Eine wichtige flankierende Wir-kung für die Anstrengungen zur Be-grenzung der Gefahr durch Vogelin-fluenza für den Menschen könnte diekonsequente Keulung von infiziertenund infektionsgefährdeten Geflügel-beständen haben. Doch wird dies al-lein die Verbreitung der Vogelinfluen-za nicht begrenzen, das zeigen die Er-fahrungen in bisher betroffenen Län-dern. Man kann zwar alle Hausgefü-gelbestände keulen, nicht aber alleZug- und Wildvögel töten.

Ist die Alarmstimmung inder deutschen Bevölke-rung gerechtfertigt?Die H5N1-Influenza ist bis heute eineVogelseuche. Vogelinfluenza oderklassische Geflügelpest haben wirauch früher erlebt, jedoch nie in denheutigen Ausmaßen. Wichtig für dieBeurteilung der von der aviären In-fluenza H5N1 ausgehenden Gefahrfür den Menschen ist, dass die bisherbei Vögeln und Menschen isoliertenViren immer noch bevorzugt aviäreRezeptoren an den Epithelzellen derAtemwege erkennen. Von einerschnellen Ausbreitung beim Men-schen kann derzeit keine Rede sein.Zudem weiß kein Experte, ob dienächste Influenza-Pandemie wirklicheine H5N1-Pandemie sein wird. Eswäre auch denkbar, dass wir in naherZukunft eine Pandemie mit einem derdrei beim Menschen bisher üblichenSubtypen oder mit einem völlig ande-ren Subtyp, an den derzeit niemanddenkt, haben werden.

Es ist völlig verfrüht, in Panik zuverfallen. Panik ist in jedem Fall einschlechter Ratgeber. Für die Menschenim Lande ist die Situation jedochschwer durchschaubar. Sie neigendeshalb dazu, panisch zu reagieren.Man kann Panik nur mit wahrheits-gemäßen, verständlichen Informatio-nen und klaren Handlungsanweisun-gen vermeiden, nicht aber durch wi-dersprüchliche oder leicht als Zweck-information durchschaubare Mittei-lungen. Halbwegs intelligente Men-schen kommen schnell hinter denWahrheitsgehalt mancher Äußerun-gen von offizieller Seite oder in derPresse. Noch einmal: Derzeit bestehtkeine konkrete Gefahr einer Pandemiemit den bekannten Folgen.

Mit zunehmender Verbreitung derA/H5N1-Influenza bei Vögeln steigtdie Gefahr der Übertragung auf Men-schen und einer Neukombination derGene mit einem beim Menschen einge-führten Influenza A-Virus oder derAdaptation des Virus an den Men-schen. Mit der Ausweitung der von Vo-gelinfluenza betroffenen Gebiete undder Zunahme der Infektionen, Erkran-

INFLUENZA

Page 15: Humanmedizinische Bedeutung Aviären Influenza · struktur der Oberflächen-antigene. Dies hat enorme. 12 GROSSTIERPRAXIS 2/2006 Immunität auslösenden Stamm ent- ... H5N1 und H5N2

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kungen und Todesfälle beim Menschenerhöht sich die Gefahr. Die Gefahr wirdvermutlich ganz andere Dimensionenbekommen, wenn es dem Virus gelingt,in Afrika Fuß zu fassen.

Unter diesem Gesichtspunkt wa-ren die bisherigen schweren oder töd-lichen Erkrankungen beim Men-schen in höchstem Grade alarmie-rend. So gering ihre Zahl gemessenan den vielen Millionen toter Vögelauch ist, das Versagen der Anstren-gungen zur Eindämmung der Vogel-seuche bereits am Ursprungsort undderen ungehinderte Ausbreitung bisnach Europa rechtfertigen die Sor-gen. Erschwerend kommt die alljähr-liche Süd- und West-Migration derZugvögel aus betroffenen Gebietenhinzu, die auch stattfindet, wenn derImport von Geflügel aus betroffenenGebieten strikt unterbunden werdenkann. Unter den Zugvögeln sindauch Arten, die das Virus tragenkönnen, ohne selbst zu erkranken.

Der Generaldirektor der WHO, Dr.LEE Jong-Wook, sagte über die Situati-on: “Das H5N1-Virus hat uns nicht nureine klare Warnung, sondern Zeit gege-ben, um unsere Vorbereitungen zu ver-stärken. Im Jahre 2004 hat die Besorgnisvor der Bedrohung durch eine neuePandemie eine Reihe von durch dieWHO koordinierten Aktivitäten in Ganggesetzt, die die Welt besser vorbereitetauf eine neue Pandemie sein lässt, wannimmer sie auftritt und durch welchesVirus immer sie ausgelöst sein wird....”(WHO: Avian influenza: assessing thepandemic threat. Januar 2005).

Fazit

Die Vogelinfluenza A/H5N1 führt derMenschheit deutlich vor Augen, wienahe eine mögliche neue Influenza-Pandemie bevorsteht und wie brüchigunsere Sicherheit vor einer Katastropheist. Die Gefährdung der Menschen wärein dem Augenblick gewaltig, in dem dasVirus die Fähigkeit erwirbt, sich in dermenschlichen Population schnell aus-zubreiten. Obwohl die Vogelinfluenzaim Augenblick keine konkrete Gefahrfür die Menschheit darstellt, für einzel-ne Menschen mit direktem Kontakt zu

kranken Vögeln ist sie durchaus real.Für uns alle steigt sie in dem Maße, indem sich das Virus auch bei uns in derVogelwelt ausbreitet und in dem Kon-taktpersonen erkranken. Da das bei unsin der Winterzeit geschehen wird, dietraditionell die Zeit einer Influenza-Epi-demie ist, steigt täglich die Gefahr einesGen-Austausches, der zur Entstehungeines neuen Subtyps führen kann.

Die Vogelinfluenza lässt aber auchdie Experten hautnah mit erleben, wieein neu aufgetretenes Virus zunächsteinzelne Erkrankungen und lokaleAusbrüche und schließlich Massener-krankungen und Massensterben unterden verschiedensten Vogelarten auszu-lösen lernt und dabei ein gefährlicherSeuchenerreger wird. Mit zunehmenderSorge beobachtet man, wie sich darauseine zunehmende Gefährdung für dieMenschheit entwickeln kann. Wenn eswirklich zu einer Pandemie durch dasA/H5N1-Virus käme, wäre es erstmalsin der Geschichte möglich gewesen, ihreEntstehung vom ersten Augenblick anzu verfolgen und wissenschaftlich zubegleiten. Dies räumt uns die Chanceein, frühzeitig wirksame Maßnahmenzur Eindämmung zu ergreifen. Impf-stoffe könnten rechtzeitig verfügbarsein, antivirale Wirkstoffe könnten inausreichenden Mengen verteilt werden– wenn die für die Seuchenbekämp-fung zuständigen Stellen richtig undohne Rücksicht auf vorhandene finan-zielle Ressourcen reagieren.

Die Experten sind sich einig, dassdie nächste Pandemie in naher Zukunftkommen wird. Viele sind angesichts derneuen virologischen und epidemiologi-schen Daten davon überzeugt, dass dasaviäre Influenza A-H5N1-Virus derAuslöser der neuen Pandemie sein wird(s. a. Ergebnisse der WHO-Tagung zurVogelinfluenza vom 07.-09.11.2005).

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Prof. Werner LangeBrentano Straße 2612163 BerlinE-Mail: [email protected]