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ARBEITSFÖRDERUNGSINSTITUT AFI/IPL Industrie-Standort Südtirol Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und die Rolle der Arbeitskräfte Autoren: Alexander Ebner - Markus Perkmann Ifai - Institut für Angewandte Innovationsforschung, Frankfurt/Main

Industrie-Standort Südtirol¼dtirol.pdf4 INNOVATION IN SÜDTIROL: TYPEN UND MUSTER BETRIEBLICHER AKTIVITÄT. . . . . 23 ... In welchem Aus- ... Es folgt, daß die beobachte-ten Engpässe

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

AFI/IPL - DOKUMENTATION 13/1999

ARBEITSFÖRDERUNGSINSTITUT

AFI/IPL

Industrie-Standort SüdtirolInnovation, Wettbewerbsfähigkeit und die Rolle der

Arbeitskräfte

Autoren:Alexander Ebner - Markus PerkmannIfai - Institut für Angewandte Innovationsforschung, Frankfurt/Main

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

AFI/IPL - DOKUMENTATION 13/1999

Impressum

Herausgeber: AFI-IPL ArbeitsförderungsinstitutKörperschaft öffentlichen Rechts für Forschung, Bildung und Information im Bereich ArbeitNeubruchweg, 5/b/739100 BOZENTelefon: 0471 / 413540 - Fax: 0471 / 413549E-Mail: [email protected] zu: “Dimension Arbeit - Dimensione Lavoro”Registriert beim Landesgericht Bozen unter Nr. 23/1996 s.t.

Druck: Druckerei Alto Adige - Bozen

V.i.S.d.PG: Walther Andreaus

Die Studie ist Besitz des AFI-IPL. Nachdruck, Verwendung von Erkenntnissen, Entnahme von Tabellen und Graphiken -auch auszugsweise - nur unter Angabe der Quelle (Herausgeber und Titel) gestattet.

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

AFI/IPL - DOKUMENTATION 13/1999

Wettbewerbsfähigkeit ist in der heute weit verbreiteten neoliberalen Diktion vor allem mit Deregulierung derwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Absenkung der Lohnkosten verbunden. Dieses Wirtschafts-konzept ist auf die unternehmerischen Einzelinteressen ausgerichtet und stellt demzufolge den größtmög-lichen kurzfristigen Gewinn der AktionärInnen in den Vordergrund. Entscheidend für langfristige Prosperitäteines Unternehmens sind jedoch die Produktivität desselben und insbesondere die Fähigkeit des/r Unter-nehmers/in, den Strukturwandel in bezug auf Produkte, Produktionsweisen und MitarbeiterInnenqualifizierungmitzuvollziehen, den entwickelte Volkswirtschaften derzeit durchlaufen.

Insofern ist Wettbewerbsfähigkeit immer stärker mit Innovation verknüpft. Und Innovation wird durch denAnwendungsvorsprung in Wissen und Lernen bestimmt. Es handelt sich um einen Prozeß, der nicht nurvon der Aktivierung des betriebseigenen Potentials getragen wird, sondern aus der vielfältig verflochtenenBeziehung des Betriebes und seiner MitarbeiterInnen mit dem engeren und weiteren unternehmerischenund wirtschaftlichen Kontext seine Impulse bezieht. Dies gilt auch für regionale Produktionssysteme. DieInnovationsdynamik in den Unternehmen hängt wesentlich davon ab, wie sie in das regionale Innovations-system eingebettet sind, das sich in der Zusammenwirkung zwischen Unternehmen, öffentlicher Handsowie Forschung und Bildung und weiteren (sozialpartnerschaftlichen) Institutionen entfaltet.

Die Südtiroler Industrie verdient es in diesem Zusammenhang, besonders unter die Lupe genommen zuwerden. Zum einen ist die anstehende Ausarbeitung des Südtiroler Industrieplanes für das Arbeitsförderungs-institut Anlaß dazu, die Diskussion durch einen eigenständigen Beitrag zu den Arbeitschancen und zurInnovation anzureichern. Zum anderen ist es die Auseinandersetzung um die Rahmenbedingungen für dieEntwicklung des Wirtschaftszweiges mit den vergleichsweise besten Wertschöpfungszahlen, die Aufmerk-samkeit verdient. Die Südtiroler Industrie spürt den Innovationsdruck in Zuge der Globalisierung in beson-derem Maße. Auch bei zufriedenstellender Produktivitätsentwicklung ist es für die Südtiroler Industrieun-ternehmen bereits kurzfristig für deren Marktfähigkeit von herausragender Bedeutung, wie schnell sie sichden Entwicklungen auf einem globalisierten Markt anpassen können. Ihrem Entwicklungsdrang wurde je-doch nicht durch entsprechende Weichenstellungen bei den Rahmenbedingungen Rechnung getragen,lautete in den letzten Jahren die unverhohlene Kritik mit dem mitschwingenden Zweifel, ob die Industrieüberhaupt als Wirtschafts- und Beschäftigungsfaktor in unserem Lande gebührend beachtet wird.

Dipl. VW Alexander Ebner und Dr. Markus Perkmann sind im Auftrag des Arbeitsförderungsinstitutes derFrage nachgegangen, welche Anforderungen eine erfolgreiche Bewältigung der Herausforderungen derInnovation an die Südtiroler Industriebetriebe und an die Landespolitik stellt und wie es im Bereich derSüdtiroler Industrie um die Beschäftigungschancen steht. Ausgehend von einer repräsentativen Erhebungder grundlegenden Daten zu Innovationsleistungen, Innovationsbereitschaft, Innovationshemmnissen undInnovationszielen werden in der Studie die entscheidenden Handlungsfelder herausgearbeitet, um die Zu-kunft der Industrie als wichtiges wirtschaftliches Standbein für den Standort Südtirol sicherzustellen: Aus-und Weiterbildung und Arbeitsmarkt, Unternehmenskooperation und Netzwerke, Technologiepolitik.

Dr. Karl Gudauner,Direktor des Arbeitsförderungsinstituts AFI/IPL

VORWORT

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

AFI/IPL - DOKUMENTATION 13/1999

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1 INDUSTRIELLE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT UND REGIONALE INNOVATIONSDYNAMIK:

EINE POSITIONSBESTIMMUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.1 Industrielle Wettbewerbsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.2 Innovationsbedingtes Wirtschaftswachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.3 Innovationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.4 Der Wandel des techno-ökonomischen Leitbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.5 Regionalwirtschaften und industrielle Distrikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.6 Cluster und Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.7 Netzwerke und kleinbetriebliche Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.8 Arbeitskräfte und Humankapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.9 Kernpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2 DIE SÜDTIROLER INDUSTRIE: EIN ÜBERBLICK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.1 Grundzüge der Wirtschaft Südtirols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.2 Industrielle Beschäftigung und Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.3 Branchen und Betriebsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.4 Industrielle Innovation in Südtirol: die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.5 Bildung und Ausbildung der Südtiroler Arbeitskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.6 Thesen zu Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitskräften in der Südtiroler Industrie 15

3 DIE ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.1 Innovationen, Industriestruktur und organisatorischer Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.1.1 Produkt- und Prozeßinnovationen in Unternehmen und Branchen . . . . . . . . . . 16

3.1.2 Innovationsbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.1.3 Veränderungen der Arbeitsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.1.4 Räumliche Koppelungen und strukturelle Verflechtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.1.5 Die räumliche Dimension des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.1.6 Zwischenbetriebliche Koppelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.1.7 Innovationsorientierte Kooperation der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.2 Arbeitsmarkt, Qualifikationsbedarfe und die Muster der Aus- und Weiterbildung . . . 20

3.2.1 Die Engpässe des Arbeitsmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.2.2 Berufliche Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.2.3 Der neue Bedarf: Qualifikationen und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3.2.4 Arbeitskräfte, Bildung und Kompetenzen: Langfristige Tendenzen . . . . . . . . . 22

INHALT

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

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VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN UND TABELLEN

Abb. 1: Dimensionen der Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Abb. 2: Wettbewerbsvorteile im innovationsbedingten Wachstumstyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Abb. 3: Akteure und Strukturen im Innovationsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Abb. 4: Umgesetzte Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Abb. 5: Innovationsbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Abb. 6: Betriebliche Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Abb. 7: Weiterbildung durch externe Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Tab. 1: Innovationsmuster in Südtiroler Industrieunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Tab. 2: Innovationsneigung und Unternehmensentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Tab. 3: Innovationsneigung und Auslandsverflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Tab. 4: Industriepolitische Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Tab. A1: Innovationen nach Branchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Tab. A2: Betriebliche Innovationsbarrieren, nach Betriebsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Tab. A3: Wichtige Qualifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Tab. A4: Wichtige Fähigkeiten u. Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

4 INNOVATION IN SÜDTIROL: TYPEN UND MUSTER BETRIEBLICHER AKTIVITÄT . . . . . 23

4.1 Das Grundkonzept der Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.2 Zur Begründung der Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.3 Die empirischen Unterschiede zwischen den Unternehmenstypen . . . . . . . . . . . . . . 24

4.4 Innovationsimpulse und Innovationsbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

4.5 Arbeitskräfte und Arbeitsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4.6 Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

5 GRUNDZÜGE EINER INNOVATIONSORIENTIERTEN INDUSTRIEPOLITIK FÜR SÜDTIROL 28

5.1 Industriepolitische Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

5.2 Handlungsfeld Aus- und Weiterbildung: Die Bildungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

5.3 Handlungsfeld Industrie- und Technologiepolitik: Die Innovationsstrategie . . . . . . . 30

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

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Zielsetzung, Konzepte, MethodenDie vorliegende Studie zur Südtiroler Industrie zieltauf eine Untersuchung des Zusammenspiels vonstruktureller Wettbewerbsfähigkeit, betrieblicherInnovationsdynamik und regionalen Entwicklungs-perspektiven ab und legt entsprechende Schlußfol-gerungen für eine innovationsorientierte Industrie-politik vor.Der besondere Gehalt der Studie basiert auf den fol-genden Aspekten. Zunächst werden neben denInnovationsprozessen in Großbetrieben erstmalsauch die entsprechenden Aktivitäten der kleinerenSüdtiroler Industriebetriebe ausführlich in die Unter-suchung einbezogen. Darüber hinaus wird die insti-tutionelle Einbettung der Industrieproduktion als we-sentlicher regionaler Standortfaktor betrachtet undals Grundlage handlungsorientierter Überlegungenzu den Entwicklungsperspektiven der Südtiroler In-dustrie herangezogen. Die Studie konzentriert sichauf die folgenden Fragestellungen:• Betriebliche Innovationsdynamik: Welche Be-

triebstypen und welche Branchen weisen einehohe Innovationsneigung auf? Aus welchen inner-und überbetrieblichen Quellen heraus werden dieInnovationen erzeugt?

• Regionale Institutionen: In welchem Ausmaß sinddie Industrieunternehmen in das regionale Umfeldeingebunden? Inwiefern wirken die regionalen In-stitutionen unterstützend oder hemmend bei derUmsetzung von Innovationen?

• Arbeitsmarkt und Arbeitskräfte: Welche Betrie-be sind vom Arbeitskräftemangel besonders be-troffen und bezüglich welcher Qualifikationen herr-schen ausgewiesene Engpässe? In welchem Aus-maß wird betriebliche Weiterbildung betrieben?

Der empirische Kern der Studie stützt sich auf eineeigens durchgeführte Fragebogen-Erhebung, die 120Südtiroler Industrieunternehmen einschließt und vonInterviews sowie Expertengesprächen ergänzt wur-de. Die so gewonnenen Daten wurden anhand aktuel-ler Konzepte der Innovations- und Regionalforschunggeordnet und anschließend vor dem Hintergrund derwirtschaftlichen Lage Südtirols interpretiert.

Ergebnisse und Perspektiven

Unterschiedliche Innovationsmuster in den Süd-tiroler BetriebenInnerhalb der Südtiroler Industrie gibt es große Un-terschiede zwischen den Unternehmen. Dies betrifftauch die Art und Weise, wie Innovationen umgesetztwerden. In der Studie wurden zwei Gruppen von in-

ZUSAMMENFASSUNG

novativen Unternehmen unterschieden. Damit wur-de dem Unterschied zwischen der Massenprodukti-on der Großbetriebe und der eher handwerklich ori-entierten Produktion in kleineren Betrieben Rech-nung getragen. Als Hauptkriterien für diese Eintei-lung dienten die Produktinnovationen sowie die je-weiligen organisatorischen Strukturen der Betriebe,womit also sowohl technologische als auch organi-satorische Innovationen berücksichtigt wurden.Die beiden Typen von Unternehmen wurden „forma-le Neuerer“ und „flexible Neuerer“ genannt. FormaleNeuerer, zu denen etwa 15% der Südtiroler Industrie-betriebe zu rechnen sind, sind meist größere Betrie-be mit differenzierten Organisationsstrukturen. DieUmsetzung von Innovationen wird in diesen Betrie-ben durch formale Strukturen, wie etwa Entwick-lungs-Abteilungen, unterstützt. Sie beschäftigenmeist einen hohen Personalanteil von Akademikernund sind von den betrieblichen Koppelungen her starkauswärtsorientiert.Demgegenüber sind die flexiblen Neuerer kleinereBetriebe, die eher handwerklich orientiert sind, einenhöheren Anteil von Facharbeitern beschäftigen undweniger Anbindungen nach außen unterhalten. In-novationen erfolgen in diesen Betrieben eher infor-mell und spontan. Etwa 20% der Betriebe sind zudieser Kategorie zu rechnen. Diese unterschiedlichenbetrieblichen Muster der Produktion und Innovationverweisen auf die Notwendigkeit einer entsprechenddifferenzierten Industriepolitik.

Strukturprobleme des regionalen Innovations-systemsAls Innovationssysteme bezeichnet man institutio-nelle Netzwerke zur Erzeugung und Verbreitung vonneuen Technologien und Organisationsformen. Sol-che Netzwerke können sowohl auf nationaler als auchauf regionaler Ebene existieren.In Südtirol ist das regionale Innovationssystem nurbruchstückhaft ausgeprägt. Diese Beurteilung läßtsich an den folgenden Indikatoren festmachen:• eine geringe Dichte der betrieblichen Beziehun-

gen zwischen Zulieferern und Abnehmern• eine geringe Kooperationsdichte zwischen den

Südtiroler Betrieben• ein mangelhaftes öffentliches und privates Ange-

bot an wissensintensiven Dienstleistungen in Süd-tirol

Der Technologie- und Wissenstransfer wird zumeistvon den Unternehmen selbst organisiert. Dies be-günstigt den Innovationstyp der großbetrieblichenformalen Neuerer, der die Mängel des SüdtirolerInnovationssystems zum Teil durch internationaleVerbindungen kompensieren kann. All das verstärkt

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

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wiederum die bei diesen Unternehmen vorherrschen-de geringe institutionelle und strukturelle Bindung anden regionalen Kontext.Für die kleinbetrieblichen flexiblen Neuerer mangeltes im Rahmen des derzeitigen Südtiroler Innovations-systems vor allem an regionalen Anlaufpunkten für denzwischenbetrieblichen Informations-, Wissens-, undTechnologietransfer. Dabei setzen die Kleinbetriebezugleich besonders stark auf die Nutzung interner Res-sourcen, was mit einer niedrigen Kooperationsneigungeinhergeht. Bezüglich der maßgeblichen Inno-vationsbarrieren muß sich der Typ der „flexiblen Neue-rer“ primär mit Schwierigkeiten bei der kommerziellenUmsetzung der Innovationen auseinandersetzen.

Engpässe am Arbeitsmarkt und Mängel des Bil-dungssystemsWas Ausbildungsstand, Lohnkosten und industrielleBeziehungen angeht, bietet der Südtiroler Arbeits-markt auch im internationalen Maßstab guteStandortbedingungen. Dessen ungeachtet bestehenin quantitativer und qualitativer Hinsicht eindeutigeEngpässe, die industriepolitischen Handlungsbedarfanzeigen. Mehr als 80% der Unternehmen habenSchwierigkeiten bei der Stellenbesetzung, wobei in-novative Branchen und mittelgroße Betriebe beson-ders betroffen sind. Der Mangel bezieht sich dabeivor allem auf das Segment der Facharbeiter undkaum auf Akademiker. Es folgt, daß die beobachte-ten Engpässe des Arbeitsmarktes in erster Liniedie Leistungsfähigkeit der kleinbetrieblichen „fle-xiblen Neuerer“ beeinträchtigen.In ihren Weiterbildungsaktivitäten setzen die Betrie-be vor allem auf informell und flexibel zu erwerbendeQualifikationen, also weniger auf den Erwerb forma-ler Abschlüsse. Besonders in den kleineren Betrie-ben sind dabei Barrieren gegenüber der Wahrneh-mung externer Weiterbildungsangebote festzustel-len, vor allem im technischen Bereich. Hinzu kommteine mangelhafte Identifizierung neuer Qualifikations-bedarfe.

Industriepolitische HandlungsoptionenFür die Umsetzung einer innovationsorientiertenIndustriepolitik in Südtirol sind zwei Handlungsfeldervon zentraler Bedeutung:• die Aus- und Weiterbildung der Arbeitskräfte• die Innovationsförderung, insbesondere kleiner

UnternehmenBezüglich der Humanressourcen besteht nebendem Facharbeitermangel ein qualitatives Problem:die notwendige Anpassung der beruflichen Weiter-bildung an jene neuen Erfordernisse und Bedarfe,die sich aus dem laufenden technologischen und or-ganisatorischen Wandel ergeben. Gegen den Man-gel an Facharbeitern ist einerseits die Steigerung derAttraktivität und Aufwertung der Berufsbildung, an-derseits die Nachqualifizierung bereits im Beruf ste-

hender Arbeitskräfte angezeigt. Qualitativ besteht inder beruflichen Bildung ein erhöhter Bedarf anSchlüsselqualifikationen und flexiblen Berufsbildern.Auf betrieblicher Ebene sollte die Wahrnehmung vonAngeboten zur Weiterbildung durch eine Förderungvon Personalentwicklungsplänen und integriertenBildungskonzepten gefördert werden.Die organisatorischen Grundlagen der beruflichenWeiterbildung müssen sich darüber hinaus erhöhtenAnforderungen an Transparenz und Qualitätskontrollestellen. Hier könnte eine verbesserte Bedarfsermitt-lung sowie die verstärkte Koordinierung der Berufs-bildung innerhalb der Landesverwaltung einen wei-teren positiven Beitrag leisten.In Abstimmung mit der Berufsbildungspolitik geht esim Bereich der betrieblichen Innovationsförderungvor allem um den Ausbau des Südtiroler Innovations-systems, dessen derzeitige Strukturen nur unzurei-chend ausgestaltet sind und kaum den Bedürfnis-sen der innovativen Kleinbetriebe entsprechen. Füreine gezielte Innovationsförderung werden vor allemfolgende industriepolitische Initiativen vorgeschlagen:• Die Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen

Südtiroler Unternehmen, etwa in Form von Pro-jekten zum Austausch von Erfahrungen, oderdurch die gezielte Vergabe öffentlicher Aufträge

• Die Einrichtung einer Technologietransfer-Agentur,die Beratungsleistungen für kleine und mittelgro-ße Betriebe vermittelt

• Die öffentliche Bereitstellung oder Vermittlung vonWagniskapital für innovative Projekte

• Die Förderung produktionsnaher DienstleistungenSchließlich sollten die Umsetzung dieser Hand-lungsoptionen mit einer selektiven Ausrichtung derWirtschaftsförderung verbunden werden. Einer ent-sprechenden Arbeitsgruppe käme die Aufgabe zu,ein industrielles Leitbild zu entwickeln, das Inno-vationsdynamik und industriepolitischen Konsens inSüdtirol miteinander verbindet.

Aufbau des BerichtsIm ersten Teil werden konzeptionelle Überlegungenzum Thema Innovation sowie zur wirtschaftlichenBedeutung von Regionen dargelegt. Im zweiten Teilwerden ausgewählte Ergebnisse der empirischenBefragung nach Themengruppen geordnet aufge-führt. Im dritten Teil wird eine Analyse des Innovations-verhaltens der Südtiroler Industrieunternehmen prä-sentiert, indem die Betriebe nach spezifischenInnovationsmustern in verschiedene Gruppen einge-teilt werden. Im vierten Teil wird schließlich eine Rei-he von Handlungsoptionen vorgestellt. Diese indu-striepolitischen Vorschläge konzentrieren sich auf dieGebiete der Aus- und Weiterbildung, sowie auf diebetriebliche Innovationsförderung und verweisen aufdie Möglichkeiten einer zukünftigen innovations-orientierten Entwicklung der Südtiroler Industrie.

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

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Dies ist die Kurzfassung des Endberichts zum For-schungsprojekt „Perspektiven der Südtiroler Indu-strie: Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Ar-beitskräfte“.1 Die Zielsetzung des Projekts war es,die Situation der Südtiroler Industrie aus der Per-spektive einer umfassenden Fragestellung zur re-gionalen2 Innovationsdynamik zu analysieren undentsprechende industriepolitische Schlußfolgerun-gen auszuarbeiten.Vor diesem Hintergrund wurde eine empirischeErhebung durchgeführt, deren Kern eine schriftli-che Befragung von 120 Südtiroler Industrieunter-nehmen war.3 Die Erhebung konzentrierte sich aufdie folgenden Fragen:• Wie gestaltet sich die Innovationsdynamik der

Südtiroler Industrie? Welches sind die Unter-schiede zwischen den Unternehmen in Bezugauf Branchen und Betriebsgrößen, sowie inner-und überbetrieblichen Quellen, aus denen her-aus die Innovationen realisiert werden?

• In welchem Ausmaß sind die Unternehmen andas regionale Umfeld gebunden? Inwiefern wir-ken die regionalen Institutionen unterstützendbzw. hemmend bei der Umsetzung von Innova-tionen?

• Wie können die aktuellen Entwicklungen aufdem Arbeitsmarkt aus einer innovationsorien-tierten Perspektive eingeschätzt werden? Wel-che Betriebe sind vom Arbeitskräftemangel be-sonders betroffen und bezüglich welcher Quali-fikationen herrschen Engpässe?

Bei der Datenerhebung wurden die Schwerpunkteso gesetzt, daß betriebliche und institutionelle Ebe-nen der Fragestellung miteinander verbunden wer-den konnten. Dabei weist die Studie gegenüberbereits vorliegenden Erhebungen die folgendenVorzüge und Besonderheiten auf:Erstens wurden die für kleinbetriebliche Innova-tionsprozesse typischen informellen Aspekte aus-drücklich einbezogen, was gerade für die Südtiro-

ler Industrie von großer Bedeutung ist.4 Um zu dif-ferenzierten Schlußfolgerungen zu kommen, wur-den die Südtiroler Industriebetriebe nicht nur an-hand umgesetzter Innovationen beurteilt, sondernauch nach der Art und Weise, wie diese Innovatio-nen zustande kamen. Dies umfaßte unter ande-rem eine Berücksichtigung der Arbeitsorganisati-on und der Weiterbildungsaktivitäten der Unterneh-men.Zweitens wurden räumliche Standortaspekte da-durch berücksichtigt, daß erhoben wurde, inwie-weit die Unternehmen mit anderen Südtiroler Un-ternehmen bzw. Organisationen vernetzt sind undin welchem Ausmaß sie mit Partnern außerhalb desLandes zusammenarbeiten. Dabei wurden dieMuster der zwischenbetrieblichen Kontakte alsbesonderes Element des regionalen Innovations-systems aufgefaßt.Drittens wurde besonderes Gewicht auf die Unter-suchung qualitativer Aspekte der regionalenStandortfaktoren und der industriellen Produkti-on gelegt. Standortfaktoren wie die Verfügbarkeitvon Industriegründen, oder die Verkehrsanbindung,wurden bereits in anderen Arbeiten ausreichendbetrachtet (Management-Zentrum St. Gallen 1994).In der vorliegenden Studie wurden dagegen derArbeitsmarkt, die Arbeitskräfte und die innova-tionsrelevanten Institutionen als Faktoren indu-strieller Wettbewerbsfähigkeit analysiert. Be-züglich des ersten Bereiches wurde zunächst derMangel an Arbeitskräften thematisiert, um differen-zierte Ergebnisse nach Unternehmenstyp, Bran-che und Arbeitnehmergruppen zu erhalten. In derFolge wurden auch qualitative Fragen geklärt, etwaindem die Unternehmen nach zukünftig bedeut-samen Qualifikationen und Fähigkeiten der Arbeits-kräfte gefragt wurden. Ebenso wurde auf die Fra-ge eingegangen, woher und auf welche Weise dieSüdtiroler Unternehmen ihr Wissen und ihre Tech-nologie beziehen.

1 Der Endbericht ist auf Anfrage beim AFI/IPL erhältlich.

2 Die Bezeichnungen „regional“ bzw. „Region“ werden in die-ser Studie im Sinne von „auf das Land Südtirol bezogen“verwendet.

EINLEITUNG

3 Zu Methodik und Ablauf der Befragung s. Anhang 1.

4 Eine aktuelle Innovationsstudie, die sich nur auf größereBetriebe konzentriert, liegt mit einer Arbeit des WIFO vor(Larch u.a. 1997).

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

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1.1 IndustrielleWettbewerbsfähigkeit

Die aktuelle Diskussion um die Bestimmungs-gründe industrieller Wettbewerbsfähigkeit ist deut-lich vom Thema der Innovation geprägt. Innova-tionen bezeichnen allgemein sowohl technolo-gische als auch organisatorische Neuerungen.Dabei handelt es sich um Produktinnovationen inForm neuer bzw. verbesserter Produkte oder umProzeßinnovationen in Form neuer bzw. verbes-serter Produktionsprozesse. Hinzu kommen orga-nisatorische Neuerungen in den Betrieben, die manebenfalls als Innovationen bezeichnen kann. Da-bei kann es sich um Änderungen der Produktions-organisation handeln, sowie um den Wandel derallgemeinen Arbeitsorganisation (vgl. Abb. 1). Dieverschiedenen Formen der Innovation hängen da-bei ursächlich zusammen; beispielsweise gehenProzeßinnovationen, etwa in Form neuer Maschi-nen, oft mit einer Veränderung der Arbeitsorgani-sation einher.Durch ihre Wirkung auf Produktivität und Absatz-volumen sind Innovationen eine notwendige Be-dingung für die langfristige Wettbewerbsfähig-keit von Unternehmen. Je nach Produktbereichund Absatzmarkt ist die betriebliche Innovations-kapazität also ein Schlüsselfaktor für die Unterneh-mensentwicklung.

Bei der Untersuchung der Bestimmungsgründeindustrieller Wettbewerbsfähigkeit ist allerdingsauch zu beachten, daß Unternehmen nie isolierttätig sind. Sie sind vielmehr in einen bestimmteninstitutionellen Kontext eingebettet, und unterlie-gen dabei den Einflüssen der Faktorangebote so-wie der jeweiligen Nachfrage- und Wettbewerbs-muster. All diese Einflüsse formen eine Struktur,welche die Leistungsfähigkeit der Unternehmen jenach deren strategischer Ausrichtung vorteilhaftoder nachteilig beeinflußt. Es ist dann die Wahr-nehmung solcher strukturellen Wettbewerbsvor-teile, die es den Unternehmen ermöglicht, ihreWettbewerbspositionen zu sichern (Porter 1993).In Porters Konzept der strategischen Wettbewerbs-vorteile sind Unternehmen in ein Wirkungsgeflechtaus Faktorbedingungen, Nachfragebedingungen,Branchenstrukturen und Wettbewerbsmustern ein-gebunden (vgl. Abb. 2). Dabei bilden sich eigen-ständige strategische Vorteile aus, die jeweils aufFaktor-, Nachfrage- oder Branchenbedingungenzurückzuführen sind, und die jeweils national bzw.regional spezifisch sind. Im Rahmen dieser Er-kenntnis von der institutionellen Einbindung be-trieblicher Aktivitäten ist auch von struktureller odersystemischer Wettbewerbsfähigkeit gesprochenworden (Messner 1995).

1 Industrielle Wettbewerbsfähigkeit und regionaleInnovationsdynamik: eine Positionsbestimmung

Abb. 1: Dimensionen der Innovation

© AFI/IPL

INNOVATION

TECHNOLOGISCHEINNOVATION

ORGANISATORISCHEINNOVATION

PRODUKT-INNOVATION

PROZESS-INNOVATION

INNERBETRIEBLICHEORGANISATION

ÜBERBETRIEBLICHEBEZIEHUNGEN

NEUEPRODUKTE

PRODUKTVER-BESSERUNGEN

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1.2 Innovationsbedingtes Wirtschaftswachstum

Daß Innovation ein Schlüsselfaktor insbesonderein den hochindustrialisierten Ländern und Regio-nen ist, kann anhand der Triebkräfte für wirtschaft-liche Entwicklung nachvollzogen werden. Wirt-schaftliches Wachstum vollzieht sich in unter-schiedlichen Formen. In weniger entwickeltenVolkswirtschaften müssen Arbeit und Kapital erstangehäuft werden; typisch ist das Ansteigen derErwerbsquote. In entwickelten Volkswirtschaftenerschöpfen sich diese Potentiale und das Wirt-schaftswachstum vollzieht sich dann zusehendsdurch die verbesserte Qualität, mit der die Pro-duktionsfaktoren kombiniert werden. Es erfolgt alsoein Übergang von extensiver zu intensiver Entwick-lung, wobei faktorbedingtes Wachstum von inno-vationsbedingtem Wachstum abgelöst wird.5 DieDynamik des innovationsbedingten Wachstumswird auf zwei Quellen zurückgeführt: auf den tech-nologischen Wandel, sowie auf die Bildung von Hu-mankapital im Sinne eines erhöhten Ausbildungs-und Wissensstandes der Arbeitskräfte. Technolo-gische und organisatorische Innovationen werdendaher als entscheidende Triebkräfte des Wachs-tums moderner Volkswirtschaften angesehen(Freeman/Soete 1997). Die Umsetzung von Inno-vationen beruht immer auch auf der Nutzung be-

Abb. 2: Wettbewerbsvorteile im innovationsbedingten Wachstumstyp

Quelle: Porter (1993), Abb.10-4, S.571

stehenden Wissens sowie auf dem Erwerb neu-en Wissens. Lernen auf betrieblicher, sektoraler undinstitutioneller Ebene wird damit zur strategischenGröße der Industriepolitik (Lundvall 1996). Dabeikommt den Fertigkeiten und Kompetenzen der in-dustriellen Arbeitskräfte eine Schlüsselrolle zu(Cohen/Zysman 1987).

1.3 InnovationssystemeGerade für Innovationsprozesse gilt, daß kein Un-ternehmen ohne die Zusammenarbeit mit ande-ren Unternehmen und Institutionen langfristig er-folgreich sein kann. Das Netzwerk der Unterneh-men und Institutionen in einem Land oder einerRegion, die an der Schaffung, Veränderung undVerbreitung technologischer und organisatori-scher Neuerungen beteiligt sind, wird als Inno-vationssystem bezeichnet. Man spricht dann vonnationalen oder regionalen Innovationssystemen.Dabei geht es sowohl um die Kooperation zwi-schen den Unternehmen, als auch um die Zusam-menarbeit von Unternehmen, dem öffentlichenSektor und den Forschungs- und Bildungseinrich-tungen. Die für jedes Land bzw. Region typischeStruktur des Innovationssystems wird für Unter-schiede in der betrieblichen Innovationstätigkeitund damit auch für die Existenz unterschiedlichervolkswirtschaftlicher Wachstumspfade verantwort-lich gemacht. In diesem Sinne sind leistungsfähi-

5 Eine Zwischenform wäre diesem Schema zufolge das aufKapitalakkumulation gegründete investitionsbedingte Wachs-tum (Porter 1993).

UNTERNEHMENS-STRATEGIE,

STRUKTUR, WETTBEWERB

NACHFRAGE-BEDINGUNGEN

FAKTORBEDINGUNGEN

VERWANDTE UND

UNTERSTÜTZENDE

BRANCHEN

Die anspruchsvolle Nachfrage wirdein Vorteil. Selektive Faktornachteilebeschleunigen die Aufwertung des

Wettbewerbvorteils.

Fortschrittliche und spezielleFaktoren werden gebildet.

Firmen entwickelnGlobalstrategien

Die verwandten undunterstützenden Branchen sind

gut entwickelt.

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1.4 Der Wandel des techno-ökonomischen Leitbildes

Das Konzept des “techno-ökonomischen Paradig-mas” behauptet, daß sich die Leitbilder der Produkt-ions- und Innovationstätigkeit periodisch im Rah-men technologisch verursachter Strukturkrisen wan-deln. Die fordistische Massenproduktion ist ein sol-ches Leitbild, das sich derzeit im Übergang zu ei-nem auf Informationstechnologien gegründeten “fle-xiblen” Paradigma befindet. Es ist möglich,Innovationssysteme zumindest im Ansatz so zugestalten, daß sie den Anforderungen eines neuenLeitbildes entsprechen. Damit kann im Rahmen desStrukturwandels auch ein anhaltend hoher Beschäf-tigungsstand eingeleitet oder aufrechterhalten wer-den. Zu diesem Zweck muß vor allem das Bildungs-und Ausbildungsniveau der Arbeitskräfte einer kon-tinuierlichen Vorbereitung auf absehbare technolo-gische Herausforderungen genügen. Um bei derAbschätzung zukünftiger Entwicklungen nicht inetwaigen technologischen und institutionellen“Sackgassen” stecken zu bleiben, ist allerdings zu-nächst eine hinreichende Vielfalt an entsprechen-den Strukturen notwendig. Die Unterstützung ver-schiedener Innovationsmuster in unterschiedlichenBranchen und Betriebstypen wird daher als Gebotleistungsfähiger Industrie- und Technologiepolitikenbehandelt (Carlsson/Jacobsson 1997).

1.5 Regionalwirtschaften undindustrielle Distrikte

Über die Gestalt des Nachfolgemodells für dasfordistische Leitbild der Industrieproduktion sindintensive Debatten geführt worden. Im Zusammen-hang mit der Ablösung fordistischer Massenproduk-tion durch flexiblere Produktionsmodelle, behaup-tet das Konzept der flexiblen Spezialisierung, daßhandwerklich geprägte Industrieproduktion in Klein-betrieben wieder an Bedeutung gewinne, wobeiqualifizierte Arbeit aufgewertet werde (Piore/Sabel1984). In räumlicher Hinsicht zeigt sich dies in “in-dustriellen Distrikten”, die aus Gruppen kleinerer,lokal konzentrierter Unternehmen bestehen und dieteilweise auf vorindustrielle soziale Strukturen ge-stützt sind. Spezialisierte Kleinbetriebe, untereinan-der über Kunden- und Abnehmerbeziehungen ver-netzt, können hier Produktvielfalt und Angebots-flexibilität kombinieren. Daneben wirken “externeEffekte“, die sich aus der Tätigkeit eines Unterneh-mens ergeben und kostenlos von den anderen Un-ternehmen genutzt werden können, wie etwa Ar-beitskräfte, die nach ihrer Ausbildung frei in anderelokale Unternehmen wechseln können. Nur wenigeRegionalwirtschaften sind jedoch tatsächlich „indu-strielle Distrikte“; vielmehr gibt es eine Vielfalt anTypen und Formen. Ein anderer regionalwirtschaft-licher Typ ist das Modell der diffusen Industrialisie-rung, das die Situation traditionell orientierter,fragmentierter Branchenstrukturen mit schwacherinterner Vernetzung und hohem lokalen Absatzanteilbeschreibt (Krätke u. a. 1997). Dieses Modell trifft dieRealität der Südtiroler Regionalwirtschaft eher als dasder „flexiblen Spezialisierung“.

1.6 Cluster und KonventionenRegional konzentrierte Zulieferer-Abnehmer-Bezie-hungen sind meist in branchenspezifischen Ballun-gen, sogenannten „Clustern“, aufzufinden, die oftentlang einer Wertschöpfungskette vom Vor- zumEndprodukt angesiedelt sind. Dabei ist die Bedeu-tung regionaler Konventionen als Grundlage derBeziehungen zwischen Unternehmen und regiona-lem Umfeld betont worden. Beispiele für die Wir-kung solcher Konventionen sind etwa regionale Ar-beitsmärkte mit spezifischen Ausbildungstradi-tionen. Je nachdem wie stark die betriebliche Lei-stung von territorial spezifischen Ressourcen, wieder verfügbaren Arbeitskraft, abhängig ist, kann manden Grad der Territorialisierung des Betriebes be-stimmen (Storper 1997). In kleinbetrieblich gepräg-ten Regionen können territorial verwurzelte institu-tionelle Zusammenhänge zur Entstehung “innovati-ver Milieus” beitragen und damit die Defizite kleinbe-trieblicher Strukturen ausgleichen (Camagni 1995).

Abb. 3: Akteure und Strukturen imInnovationsprozeß

Innovationen

Forschungs- undHochschuleinrichtungen

Industrielle Beziehungenund soziale Kompromisse

Aus- undWeiterbildungssystem

IndustriepolitikPrivate/öffentliche

Dienstleister

Unternehmen

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ge Innovationssysteme der institutionelle Ausdruckstruktureller bzw. systemischer Wettbewerbsfähig-keit, der immer auch die Fähigkeit zur Bewältigungdes technologischen Wandels zugrunde liegt.

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Insbesondere Kleinbetriebe können Ressourcen wieausgebildete Arbeitskräfte, technologisches Wissenoder Marktkenntnisse nur in geringem Maße selbsterstellen; daher müssen sie extern bereitgestelltwerden. In den gängigen Konzepten der Industrie-politik hat deshalb ein Umdenken eingesetzt, dasstatt rein finanzieller Förderungen die Bereitstellungrealer Dienstleistungen betont. Solche realenDienstleistungen sind Informations-, Beratungs-oder Dispositionsleistungen, die den Unternehmenvon öffentlichen oder privaten Organisationen an-geboten werden.

1.7 Netzwerke und kleinbetrieblicheProduktion

Betriebliche Netzwerke begründen oft die Leistungs-fähigkeit kleinbetrieblicher Regionalwirtschaften. Siesind Geflechte aus mittel- oder langfristig stabilenBeziehungen, beispielsweise zwischen Kleinbetrie-ben, oder zwischen einem Großunternehmen unddessen Zulieferern. Netzwerke sind stabiler als rei-ne Marktkontakte, dabei aber flexibler als die hier-archische Organisation von Firmen (vgl. Powell1990). Wegen der räumlichen Nähe, die meist auchsoziale Nähe bedeutet, bieten Regionen für die Ent-wicklung solcher Netzwerke sehr gute Vorausset-zungen (Florida 1995). Diese Kooperationsform istgerade für Kleinunternehmen aus verschiedenenGründen von Bedeutung. Netzwerke ermöglichendie gemeinsame Nutzung knapper Ressourcen, för-dern Lerneffekte durch wiederholte Kontakte underhöhen letztlich auch die langfristige Planbarkeitbetrieblicher Aktivitäten.Kleinbetriebe können zudem von ihren informellenBetriebsstrukturen profitieren. Die Delegierung vonVerantwortung an die Arbeitskräfte ist hier bedeut-sam. Die Ausbildung ist in Kleinunternehmen eben-falls weniger formal als in Großunternehmen, dabetriebliches Lernen erstrangig über Nachahmungund persönliche Weitergabe erfolgt. Als Nachteilerweist sich allerdings, daß kaum systematischeInvestitionen in die Weiterbildung erfolgen (Bellonund Whittington 1996: 214). Auch Innovationenwerden in Kleinunternehmen eher informell entwor-fen. Anstöße kommen dann meist von außerhalb,etwa von Kunden oder Zulieferern, wobei langfri-stig angelegte Kooperationsformen die betrieblicheInnovationsneigung steigern.

1.8 Arbeitskräfte und HumankapitalDie Erkenntnis von der tragenden Rolle des Wis-sens als ökonomischer Ressource und des Lernensals entsprechender Aktivität hat Begriffe wie„Wissensgesellschaft“ und „lernende Wirtschaft“

geprägt. Die Arbeitskräfte sind die wichtigstenTräger des Wissens und eine bedeutende Quel-le von betrieblicher Kreativität. Das Aus-bildungsniveau der Arbeitskräfte ist deshalb aucheine entscheidende Ressource nationaler und re-gionaler Wirtschaften im Zeitalter der ökonomischenGlobalisierung, denn die industrielle Wettbewerbs-fähigkeit hängt demzufolge maßgeblich von derLernfähigkeit der Arbeitskräfte ab (Reich 1991).Dabei ist es wichtig, daß Wissen und Lernen nichtals Privilegien einer Minderheit, sondern als Res-sourcen und Aktivitäten der ganzen Gesellschaft an-erkannt werden. Sozialer Zusammenhalt kann da-mit als unverzichtbare Voraussetzung für langfristi-ges innovationsbedingtes Wirtschaftswachstumgelten (Lundvall 1996).Zur besseren Nutzung des Wissens und der Fähig-keiten der Arbeitskräfte haben Industrieunternehmenneue Formen der Arbeitsorganisation erprobt. Dabeihat sich gezeigt, daß die Produktivitätszuwächse insolchen Betrieben am deutlichsten ausgeprägt wa-ren, in denen die Arbeitskräfte aktiv am Betriebslebenteilhaben konnten (Kersley/Martin 1997). Auch aufbetrieblicher Ebene wirkt somit die innovations-fördernde Rolle des sozialen Zusammenhalts. Be-triebliche Mitbestimmung und Humanisierung derArbeit sind demnach nicht nur Aspekte der sozialenGerechtigkeit, sondern zugleich langfristige Garan-ten der betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit.

1.9 Kernpunkte• Die Innovationsneigung der Unternehmen be-

stimmt in hohem Maße deren langfristige indu-strielle Wettbewerbsfähigkeit. Innovationen um-fassen sowohl technologische, als auch organi-satorische Neuerungen. Innovationen werdendabei nicht nur von Großunternehmen durchge-führt, vielmehr werden sie in unterschiedlicherWeise auch von kleinen Unternehmen umgesetzt.

• Gerade für kleinere Unternehmen ist das regio-nale Umfeld wichtig. Bedeutende Standortfakto-ren sind etwa die industriellen Beziehungen, dieStrukturen der Aus- und Weiterbildung oder dieTätigkeit von Forschungseinrichtungen. Die Ein-bettung in diese institutionellen Strukturen ist sehrwichtig für die betriebliche Innovationsneigung,da sie an der Erzeugung, Weitergabe und Anwen-dung von Wissen beteiligt sind.

• Wissen ist für Unternehmen zur Sicherung vonWettbewerbsvorteilen unverzichtbar. Die Unter-nehmen stehen vor der Herausforderung, ihrProduzentenwissen durch permanentes Lernenzu erweitern. Den Fertigkeiten und Kompeten-zen der Arbeitskräften kommt daher eine sowohlbetrieblich als auch volkswirtschaftlich wirksameSchlüsselrolle zu.

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Eingebettet in den regionalen Kontext der Südti-roler Wirtschaft, unterscheidet sich die SüdtirolerIndustrie sowohl von den altindustriellen Struktu-ren des italienischen Nordwestens als auch vomitalienischen Nordosten, dem von industriellen Di-strikten geprägten sogenannten „Dritten Italien“.Im folgenden soll ein Überblick über die wesentli-chen Strukturmerkmale der Südtiroler Industriegegeben werden.

2.1 Grundzüge der WirtschaftSüdtirols

Im Jahre 1996 betrug das BruttoinlandsproduktSüdtirols 16.940 Mrd. Lire. Das Pro-Kopf-BIP lagbei 37,5 Mio. Lire, was rund 14% über dem italie-nischen Vergleichswert lag (ASTAT 1997a: 302). DieInflationsrate ist in Südtirol ebenfalls höher als aufgesamtstaatlicher Ebene. Sie betrug 1997 in Bo-zen 3,3% gegenüber 1,7% in ganz Italien.6 Die realeLohnentwicklung blieb zwischen 1980 und 1993um 6% hinter dem gesamtstaatlichen Durchschnittzurück (Larch 1997). Die Arbeitslosenrate betrugdabei im Jahre 1996 nur 2,7% gegenüber circa12% in Italien und 11% auf der EU-Ebene (Carle-varis 1997).Relativ zum OECD-Durchschnitt verfügt SüdtirolsWirtschaftsstruktur über einen sehr hohen Be-schäftigtenanteil der Landwirtschaft von 12,6%,sowie über einen ausgedehnten Beschäftigtenan-teil des Dienstleistungssektors von 60,4%. Dasproduzierende Gewerbe weist einen Anteil von27% auf (ASTAT 1997a: 192). Von der Wertschöp-fung her entfielen im Jahre 1994 etwa 6% auf dieLand- und Forstwirtschaft, 26% auf das Produ-zierende Gewerbe, 53% auf marktbestimmteDienstleistungen, sowie 15% auf die nicht-markt-bestimmten Dienstleistungen (für 1994). Der Ver-gleich mit den Zahlen der Volkszählung von 1961verdeutlicht die Dienstleistungsorientierung desStrukturwandels: damals waren noch 30% der Er-werbstätigen in der Landwirtschaft, aber bereits28% in der Industrie beschäftigt. Zwischen 1971bis 1991 stieg die Gesamtzahl der Beschäftigtenum 65% an (ASTAT 1997a: 244). Dies ist typisch

für wirtschaftliche Entwicklung durch faktor-bedingtes Wachstum.87% der Unternehmen in Südtirol sind Kleinbe-triebe mit 1 bis 5 Mitarbeitern; sie bieten mit ei-nem Beschäftigtenanteil von 40% ein bedeuten-des Beschäftigungspotential. In Zusammenhangdamit steht die Tatsache, daß 30% der Erwerbsbe-völkerung Südtirols selbständig sind (ASTAT 1997a:194). Die meisten Kleinbetriebe weist das Hotel-und Gastgewerbe auf, im verarbeitenden Gewer-be sind dagegen eher Großbetriebe anzutreffen.

2.2 Industrielle Beschäftigung undWertschöpfung

Von allen 33.600 Südtiroler Betrieben sind nur etwa5% als Industrieunternehmen7 zu bezeichnen(Arbeitsstättenzählung 1991, ASTAT 1997c: 244).Diese beschäftigten 1996 mit 28.000 Personenetwa 13% aller Südtiroler Arbeitskräfte. Die größ-ten Beschäftigtenanteile nach Branchen stelltender Fahrzeug- und Maschinenbau inklusive Elek-tronik mit 19%, Metalle und Metallverarbeitung mit15%, sowie Holzverarbeitung/Möbel mit 9%.Die Industrie trug im Jahre 1994 mit circa 2100Mrd. Lire umgerechnet nur 17% zur Wertschöp-fung der Südtiroler Wirtschaft bei (WIFO o.J.: 26).Dabei führten die Branchen Maschinen- und Fahr-zeugbau inklusive Elektro/Elektronik mit 20%, Nah-rungsmittel/Getränke mit 12%, und Metall/Metall-verarbeitung mit 11% (für 1994, WIFO o.J.: 25).Nach den Daten der volkswirtschaftlichen Gesamt-rechnung haben die Branchen Metallprodukte/Maschinen mit 28%, Holz/Gummi mit 26%, sowieLebensmittel mit 19% den größten Anteil an derWertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes (für1994, ASTAT 1997c: 70). Die höchsten Werte derdurchschnittlichen Wertschöpfung pro Beschäftig-ten weisen die Branchen Nahrungsmittel/Geträn-ke, Holzverarbeitung/Möbel und Chemie/Kunst-stoffe auf.

2 Die Südtiroler Industrie:ein Überblick

6 ASTAT-Landesinstitut für Statistik: Preise: 4. Trimester 1997.

7 Nach der vom WIFO verwendeten Definition sind Industrie-unternehmen solche Unternehmen, die dem produzieren-den Gewerbe angehören, keine Handwerker sind und beider Handelskammer gemeldet sind (WIFO o.J.: 1).

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2.3 Branchen und BetriebsgrößenMehr als 35% der Beschäftigten arbeiten, gemes-sen an der Gesamtbeschäftigung in der Industrie,in Großbetrieben mit über 250 Beschäftigten. Amhöchsten ist der Beschäftigungsanteil der Groß-betriebe in den Branchen Metall/Metallverarbei-tung, Fahrzeug- und Maschinenbau und Chemie/Kunststoffe (WIFO o.J.: 4). Höhere Beschäftigungs-anteile mittelgroßer Betriebe mit 50 bis 249 Be-schäftigten finden sich vor allem in den BranchenTextil/Bekleidung und Nahrungsmittel/Getränke,während die Branchen Holz/Möbel und Papier/Druck/Graphik relativ hohe Beschäftigungsanteilein Kleinbetrieben mit weniger als 50 Beschäftigtenaufweisen.Der Schwerpunkt der industriellen Beschäftigungs-dynamik ist seit 1990 allerdings von Kleinstunter-nehmen mit bis zu 10 Beschäftigten getragen wor-den, während die Großunternehmen eine rückläu-fige Entwicklung verzeichneten (WIFO o.J.: 7). Diessteht jedoch in Einklang mit der allgemeinen Ten-denz auf europäischer Ebene.

2.4 Industrielle Innovation inSüdtirol: die Ausgangslage

Zum Innovationsverhalten der Südtiroler Industrie-betriebe hat das WIFO eine Pionierstudie erstellt,in der 41 ausgewählte Betriebe aus Industrie undHandwerk befragt wurden. Bezüglich desInnovationsoutput der Betriebe ergab diese Stu-die einen Überhang von Prozeßinnovationen imVerhältnis zu den Produktinnovationen. Zwei Fünf-tel der Betriebe gaben an, Prozeßinnovationendurchgeführt zu haben, ein Fünftel wies Produktin-novationen vor, während etwas mehr als ein Drit-tel der Betriebe kombinierte Prozeß- und Produkt-innovationen angab (Larch u.a. 1997: 8).Branchen mit dem höchsten Umsatzanteil der In-novationsausgaben waren Maschinenbau, Nah-rungsmittel und Elektronik. Unternehmen mit über500 Beschäftigten und solche mit 11 bis 50 Be-schäftigten verbuchten die höchsten Innovations-aufwendungen relativ zum Umsatz. Aber nur vierBetriebe verfügten über eine ausgewiesene FuE-Abteilung (ibid.: 12).8 Insgesamt wiesen die inno-vativen Unternehmen zwischen 1983 und 1996 ei-nen überdurchschnittlichen Beschäftigtenzuwachsauf (ibid.: 25).

Bei den innerbetrieblichen Innovationsimpulsendominierte die Firmenleitung in Betrieben mit 11bis 99 Beschäftigten, während in größeren Betrie-ben noch die Technische Abteilung sowie die Mar-keting-Abteilung hinzukamen. Nur 25% der Betrie-be gaben die Belegschaft als Quelle wesentlicherInnovationsimpulse an. Bei außerbetrieblichenInnovationsimpulsen dominierten die Rückkoppe-lungen mit den Kunden; die Großunternehmen re-gistrierten hier zusätzliche Impulse von Universi-täten und Forschungseinrichtungen (ibid.: 20).Es bleibt hinzuzufügen, daß die Technologie-intensität der Südtiroler Exportgüter weit unter demOECD-Niveau liegt. Im Jahre 1996 machten sol-che Güter mit hoher FuE-Intensität, also Güter, fürderen Produktion ein deutlicher FuE-Aufwand be-trieben wurde, nur 3,1% der Exportpalette aus(WIFO o.J.: 28). Dies entspricht dem allgemeinenAktivitätsprofil der Südtiroler Industrie, denn dieFuE-Aufwendungen liegen ohnehin weit unter demgesamtstaatlichen Durchschnitt.9 Daraus folgt aberkeine generelle Innovationsschwäche der Südtiro-ler Industrie, wie im folgenden verdeutlicht werdenwird.

2.5 Bildung und Ausbildung derSüdtiroler Arbeitskräfte

Im Jahre 1996 besaßen etwa 18% der SüdtirolerBeschäftigten einen Grundschulabschluß, 45%einen Mittelschulabschluß und 37% einenOberschul- bzw. Hochschulabschluß (ASTAT1997a: 192). Das Niveau der formalen Bildung derBevölkerung ist im Vergleich zum italienischenDurchschnitt eher niedrig; dies wird jedoch durchdie Berufsabschlüsse der dualen Ausbildung teil-weise ausgeglichen. An den Berufsschulen studie-ren insgesamt ca. 4.500 Südtiroler, und zwar pri-mär in den Fachrichtungen Metallverarbeitung,Maschinenbau sowie Holz und Möbel.Im Bereich der beruflichen Weiterbildung hat 1995ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung an einemberuflichen Weiterbildungskurs mit mehreren Un-terrichtseinheiten teilgenommen, wobei Elektronik-und Informatikkurse am stärksten belegt wurden(ASTAT 1997b).10

Die Situation der Hochschulbildung ist durch regio-nale Besonderheiten charakterisiert. Universitäts-studien werden zu etwa gleichen Teilen in Öster-reich und Italien absolviert. Technische und ma-thematisch-naturwissenschaftliche Studien bleiben

8 Das Kürzel „FuE“ steht für die Begriffe Forschung und Ent-wicklung, die den Innovationsprozeß im formalenOrganisationsverfahren von der wissenschaftlichen Grund-lagenforschung bis hin zur angewandten Anpassungs-entwicklung erfassen. Branchen mit einer sehr hohen FuE-Intensität sind beispielsweise die Pharma- und Chemie-branche.

9 Vgl. die Angaben von Iammarino u.a. (1996: 192) für dieRegion Trentino/Südtirol.

10 Dies entspricht ungefähr der Teilnahmerate in Deutschland.

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dabei gegenüber den Disziplinen Wirtschafts- undHandelswissenschaften, Rechtswissenschaft so-wie Geisteswissenschaften zurück. Dies läßt Rück-schlüsse auf die mangelhafte Verwertbarkeit sol-cher Fähigkeiten in Südtirol zu. Tatsächlich istjüngst gerade für Absolventen technischer Studien-richtungen ein erheblicher Netto-Abfluß von Aka-demikern nachgewiesen worden (Larch u.a. 1997).

2.6 Thesen zu Innovation,Wettbewerbsfähigkeit undArbeitskräften in der SüdtirolerIndustrie

Die Südtiroler Regionalwirtschaft ist von den Mu-stern einer “diffusen Industrialisierung“ mit weitgefächerten Branchenstrukturen geprägt. Im Zugedes industriellen Strukturwandels wurden in derSchwerindustrie Arbeitskräfte freigesetzt; diesekonnten rasch von den Kleinbetrieben des verar-beitenden Gewerbes sowie vom Dienstleistungs-sektor absorbiert werden. Im industriellen Sektorbesteht tatsächlich ein erheblicher Mangel an gutausgebildeten Arbeitskräften. Nach den Ergebnis-sen der vorliegenden Studie leiden gerade die in-novativen Unternehmen unter diesem Mangel. Dieskann die durchaus positive Innovationsbilanz derSüdtiroler Industrie beeinträchtigen; wenn man

nämlich den Anteil jener Betriebe zum Maßstabnimmt, die jüngst Produkt- oder Prozeßinnova-tionen durchführten, so belegte die Südtiroler In-dustrie einen gesamtstaatlichen Spitzenplatz.11

Bemühungen zur Umsetzung von Innovationenkennzeichnen nicht nur die Großbetriebe; auch dieKleinbetriebe sind innovativ. Dies zeigt sich etwadaran, daß der für Großbetriebe typische, formellausgewiesene Innovationsaufwand in Südtirol nuretwa die Hälfte des italienischen Durchschnittsbeträgt (Immarino u.a. 1996: 200).Südtirol hat sich bislang in der Phase des faktor-bedingten Wirtschaftswachstums bewegt. So warder entsprechende Strukturwandel von der Mobi-lisierung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte-Reserven gekennzeichnet, die neben dem Dienst-leistungssektor auch der Industrie zuflossen. Deraktuelle Arbeitskräftemangel, die Verknappung desverfügbaren Landes und die sinkenden Produkti-vitätszuwächse verweisen auf die Grenzen diesesWachstumspfads in Südtirol. Da eine umfassendeinvestitionsbedingte Industrialisierung Südtirolsweder absehbar noch wünschenswert ist, bleibtnur noch der industriepolitisch begleitete Übergangzu einem innovationsbedingten Wachstumspfad.12

Die nach Maßgabe der empirischen Erhebung imSchlußteil angeführten Vorschläge können als Bei-trag zur Ausarbeitung einer angemessenen Stra-tegie aufgefaßt werden.

11 Diese Angabe gilt für die Region Trentino-Südtirol (Iammarinou.a. 1996).

12 In der Südtiroler Industrie wird ohnehin überdurchschnittlichinvestiert, obgleich mit nur sehr bescheidenen Auswirkun-gen auf das Produktivitätswachstum (Larch 1997: 35).

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Eine umfangreiche Fragebogen-Erhebung bildeteden empirischen Kern der vorliegenden Arbeit. Imfolgenden werden die wichtigsten Ergebnisse derErhebung, die von einer Reihe von Interviews mitManagern, Arbeitnehmervertretern und Expertenbegleitet wurde, in Kurzform präsentiert.

3.1 Innovationen, Industriestrukturund organisatorischer Wandel

3.1.1 Produkt- und Prozeßinnova-tionen in Unternehmen undBranchen

Zur Erhebung der Innovationsaktivitäten wurdendie Betriebe nach durchgeführten Produkt- undProzeßinnovationen, geplanten Produktinnovatio-nen und Patentanmeldungen gefragt. Um derentechnologische Tragweite abschätzen zu können,sollten die Betriebe jeweils unterscheiden zwischenInnovationen, die branchenweite Neuheiten bedeu-ten, und Innovationen, die Anpassung an gelten-de Branchenstandards darstellen.Die Befragung ergab, daß 43% der Betriebe imJahre 1997 Innovationen umsetzten, die nach ei-

gener Einschätzung branchenweite Neuheiten dar-stellten. Für 85% dieser Betriebe handelte es sichum Produktinnovationen. Nach Produktinnovatio-nen ragt die Holz/Möbel-Branche mit einem Spit-zenwert hervor, doch sind in dieser von Kleinbe-trieben dominierten Branche kaum Prozeß-innovationen zu registrieren. Zwei weitere Branchenmit hohen Anteilen innovativer Betriebe sind dieBranchen Fahrzeug-/Maschinenbau und Metall/Metallverarbeitung mit einem ausgeglichenerenVerhältnis zwischen Produkt- und Prozeßinno-vationen (vgl. Tab. A1).Nach Betriebsgröße ergibt sich ein ausgewogenesBild, wobei jedoch die Betriebe mit 51 bis 100Beschäftigten durch einen hohen Anteil neuer Pro-dukte auffallen (vgl. Abb. 4). Allgemein sind dieProduktneuerungen auf die Branchen Elektro/Op-tik und Nahrungsmittel/Getränke konzentriert, wäh-rend in den restlichen Branchen eher auf Produkt-verbesserungen gesetzt wird. Eine relativ hoherAnteil an Prozeßinnovationen findet sich schließ-lich in den Branchen Papier/Druck/Graphik, Che-mie/Kunststoff, und Metall/Metallverarbeitung.Patentmeldungen blieben von zweitrangiger Be-deutung; nur 16 Unternehmen der Stichprobemeldeten im Jahre 1997 ein Patent.

3 Die Ergebnisse derempirischen Untersuchung

Abb. 4: Umgesetzte Innovationen

10-20 21-50 51-100 101-250 >2500

10

20

30

40

50

60

70ProduktinnovationProzeßinnovationProdukt- und Prozeßinnovation

Betriebe, die 1997 Produkt- und/oder Prozeßinnovationen umgesetzt haben, die als «neu für die Branche»eingeschätzt wurden, in % der Betriebe pro Größenklasse

(Quelle: Befragung AFI/IPL)

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3.1.2 InnovationsbarrierenAuf die Frage nach den maßgeblichen Hindernis-sen bei der Umsetzung von Innovationen wurdeder Mangel an Facharbeitern am häufigsten ge-nannt. Fast ebenso oft wurden Ertragsunsicherheitund die Verfügbarkeit von Finanzierungsmittelnaufgeführt (vgl. Tab. A2). Es folgten Schwierigkei-ten mit Qualifizierungsmaßnahmen bei den Mitar-beitern. Die genannten Barrieren treffen besondersdie Kleinbetriebe, da Großbetriebe aufgrund ihrerLeistungsfähigkeit und ihres Prestiges einen Vor-teil bei der Anwerbung von Facharbeitern besit-zen. Die Kleinbetriebe sind auch in höherem Maßevon der Ertragsunsicherheit und dem Mangel anFachinformationen betroffen. Der Mangel an In-genieuren und Akademikern war dagegen nur fürBetriebe ab 250 Mitarbeitern ein größeres Problem(vgl. Abb. 5). Nach Branchen gegliedert, herrschteFacharbeitermangel insbesondere im Bereich Me-tall/Metallverarbeitung, wobei hier auch die größ-ten Schwierigkeiten mit der Einschulung der Mit-arbeiter bestanden. Der Mangel an Ingenieuren undAkademikern wurde zumeist in den Bereichen Elek-tro/Optik und wiederum Metall/Metallverarbeitunggenannt.

Zusammenfassend lassen sich die Innovations-barrieren in zwei Gruppen einteilen: Engpässe angeeigneten Qualifikationen auf dem Arbeitsmarktund – vor allem bei den kleineren Unternehmen -Hindernisse beim Wissenstransfer.

3.1.3 Veränderungen der Arbeitsor-ganisation

Die befragten Unternehmen planten mehrheitlicheinen baldigen Wandel der Arbeitsorganisation;eine Minderheit hatte diesen schon durchgeführt,meist wegen einer Anpassung an neue Produkti-onsanlagen. Maßnahmen zur Qualitätsverbesse-rung dominierten bei den Großbetrieben. Etwa einDrittel der Unternehmen gab an, Maßnahmendurchgeführt zu haben, die zu mehr Selbständig-keit der Beschäftigten beitrugen. Hier stechen dieBranchen Chemie/Kunststoffe, Elektro/Optik, Me-tall/Metallverarbeitung und Holz/Möbel hervor.Dabei betonten auch kleinere Betriebe die Eigen-initiative der Belegschaft, unter anderem um so dieFührungskräfte von Routineentscheidungen zuentlasten. Außerdem sind Qualitätserfordernissemit dem Ausmaß an Entscheidungsautonomie derBeschäftigten verknüpft.Etwa die Hälfte der Unternehmen gab an, minde-stens eine Maßnahme zugunsten flexibler Beschäf-tigungsformen getroffen zu haben: In jeweils ei-nem Viertel der Betriebe wurden vermehrt befri-stete Arbeitsverträge oder Teilzeitarbeit eingeführt.Die Neigung zur Flexibilisierung der Beschäfti-gungsverhältnisse nimmt mit der Betriebsgröße zu.Branchenschwerpunkte dieses Zusammenhangessind Nahrungsmittel/Getränke sowie Elektro/Op-tik, wobei es auffällt, daß Unternehmen mit einerPräferenz für flexible Beschäftigungsverhältnisseauch überdurchschnittlich innovativ sind.

Abb. 5: Innovationsbarrieren, in % der Betriebe nach Größenklassen

21-50 51-100 101-250 >2500

10

20

30

40

50

60

70

21-50 51-100 101-250 >250

Mangel FacharbeiterMangel Akademiker

(Quelle: Befragung AFI/IPL)

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3.1.4 Räumliche Koppelungen undstrukturelle Verflechtungen

Zur Erfassung der räumlichen und strukturellen Di-mensionen der industriellen Produktion in Südtirol,wurden die Vorleistungs- und Absatzbeziehungen,die Standorte der Konkurrenzunternehmen, sowiedas Ausmaß der Zusammenarbeit mit anderen Un-ternehmen als Indikatoren verwendet.Um zu Aussagen über die strukturelle Anbindungeines Unternehmens, einer Branche oder einerganzen Volkswirtschaft zu gelangen, ist es sinn-voll, die betrieblichen Vorleistungs- und Absatz-beziehungen, bzw. Koppelungen zu untersuchen.Die Vorleistungskoppelungen der Südtiroler Indu-strie stellen sich wie folgt dar:13 Nur ein Siebtel derVorleistungen für die Südtiroler Industrieprodukti-on werden direkt aus Südtirol bezogen; der größteTeil stammt zu fast gleichen Teilen aus dem restli-chen Italien sowie aus dem Ausland. Nach Bran-chen aufgegliedert, beziehen die Bereiche Chemie/Kunststoff, Elektro/Optik sowie Papier/Druck/Gra-phik mit 60% überdurchschnittlich viele Vorleistun-gen aus dem Ausland, während die Vorleistungenfür Fahrzeug-/Maschinenbau und Metall/Metallver-arbeitung mit über 50% vor allem aus dem restli-chen Italien stammen. Allein die Branchen Holz/Möbel und Lebensmittel/Getränke weisen einenhöheren Anteil von 15% an einheimischen Vorpro-dukten auf.

Für die Absatzgebiete der Südtiroler Industriepro-duktion gilt ähnliches. Ein Sechstel der Gesamt-produktion wird in Südtirol abgesetzt; der Rest wirdetwa zu gleichen Teilen ins restliche Italien und insAusland verbracht. Sieht man vom Baugewerbeab, sind neben dem Bereich Papier/Druck/Graphikmit 37% insbesondere die Holz/Möbel-Branche mit23% und die Nahrungsmittel/Getränke-Branchemit 15% stärker auf den heimischen Absatzmarkthin orientiert.14 Die anderen Branchen verkaufenmeist weniger als 10% ihrer Produktion innerhalbSüdtirols. Die Außenverflechtung hängt dabei mitder Betriebsgröße zusammen: Während Betriebemit 10 bis 20 Beschäftigten ganze 42% ihrer Pro-duktion in Südtirol absetzen, ist dieser Anteil beiden sehr großen Unternehmen mit 3% sehr ge-ring. Es kann geschlossen werden, daß in der Süd-tiroler Industrie kaum „Cluster“ vorhanden sind,und daß vor allem die größeren Unternehmen inüberregionale Wertschöpfungsketten integriertsind.

Abb. 6: Betriebliche Kooperation

13 Die Angaben für die Herkunft der Vorleistungen sowie fürdie Absatzgebiete sind nach Umsatz gewichtete durchschnitt-liche Werte (in Prozent der Gesamtumsätze, gerundet).

14 Zum Vergleich s. auch WIFO (oJ: 27-28).

6224

39

17

19

2

13

4

0 10 20 30 40 50 60 70

Sonstige

Institute/Universitäten

Kunden

Zulieferer

SüdtirolGesamt

Innovationsorientierte Zusammenarbeit der Unternehmen nach Typ der Partner und deren Standort,in % der Betriebe

(Quelle: Befragung AFI/IPL).

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3.1.5 Die räumliche Dimension desWettbewerbs

Um zu Aussagen über die räumliche Komponentedes Marktwettbewerbs zu gelangen, wurden dieUnternehmen nach dem Standort ihrer wichtigstenMitbewerber gefragt. Erwartungsgemäß sahen vorallem die kleineren Betriebe ihre Konkurrenten erst-rangig in Südtirol selbst. Allerdings sehen die Klein-betriebe ihre wichtigsten Konkurrenten zu einemDrittel auch im restlichen Italien und zu einem Viertelim Ausland. Mit zunehmender Betriebsgröße nimmtdie Bedeutung von Südtiroler Konkurrenten für diebefragten Unternehmen deutlich ab; sie erreichtbei den mittelgroßen Betrieben mit 101 bis 250Beschäftigten einen Spitzenwert von 40%, was aufden hohen Anteil der Lebensmittelbranche in die-ser Größenklasse verweist. Betriebe mit mehr als250 Beschäftigten sehen ihre Mitbewerber schließ-lich vor allem außerhalb Südtirols. Nach Branchenaufgeschlüsselt dominieren in den Bereichen Holz/Möbel und Lebensmittel die Südtiroler Mitbewer-ber, während Papier/Druck/Graphik und Fahrzeug-/Maschinenbau die Rolle italienischer Mitbewerberbetonen. In den Branchen Elektro/Optik, Metall/Metallverarbeitung und Textil/Bekleidung sehensich die Betriebe vor allem ausländischen Konkur-renten gegenüber.

3.1.6 Zwischenbetriebliche Koppe-lungen

Die Unternehmen wurden gefragt, wie groß derAnteil ihres größten Abnehmers am Gesamtumsatzist. Es zeigte sich, daß durchschnittlich mehr alsein Fünftel der Produktion an nur einen einzigenAbnehmer geliefert wird. Nach Branchen geglie-dert ist dieser Anteil - abgesehen vom Baugewer-be - in den Bereichen Fahrzeuge/Maschinenbauund Metall/Metallverarbeitung besonders groß. Sosind viele Unternehmen in diesen Branchen Zulie-ferer für andere Firmen.Unternehmen, die eine hohes Maß an Abhängig-keit von einem einzigen Abnehmer aufweisen, sindüberdies oft Teil von Mehrbetriebsunternehmen, dievon auswärtigen Unternehmensgruppen kontrol-liert werden. Bei diesen Betrieben beträgt der An-teil des größten Abnehmers denn auch durch-schnittlich 26%, während er bei den Einbetriebs-unternehmen nur 13% beträgt. Da die Mehr-betriebsunternehmen in überdurchschnittlichemMaße auf auswärtigen Märkten operieren, ist diesein weiterer Hinweis für die schwache regionaleKoppelung der Südtiroler Industrie.Auf der anderen Seite ist für die Branchen Nah-rungsmittel/Getränke und Holz/Möbel der Absatz-anteil des größten Abnehmers am niedrigsten aus-geprägt, da diese Branchen vor allem solche Kon-

sumgüter produzieren, die sich nah an derEndnachfrage bewegen.

3.1.7 Innovationsorientierte Koope-ration der Unternehmen

Die Zusammenarbeit mit anderen Firmen oder Or-ganisationen ist für Unternehmen ein wichtigerBestandteil der innovationsorientierten Wettbewer-bsstrategie. Deshalb wurden die Unternehmengefragt, mit welchen Partnern zur Entwicklung neu-er Produkte zusammengearbeitet wird. Dabei sollteunterschieden werden zwischen vor- oder nach-gelagerten vertikalen Beziehungen zu Lieferantenoder Kundenunternehmen und horizontalen Bezie-hungen, wie sie etwa zu Forschungsinstituten, Uni-versitäten oder Beratungsfirmen unterhalten wer-den.38% der Unternehmen gaben an, mit Zulieferernoder Kunden aus Südtirol zusammenzuarbeiten;nur sieben Unternehmen gaben hingegen horizon-tale Südtiroler Kooperationspartner an (vgl. Abb.6). Nach Italien hin orientiert ist vor allem der Be-reich Elektro/Optik, während die Branchen Nah-rungsmittel/Getränke, sowie Fahrzeug-/Maschi-nenbau mit italienischen und ausländischen Part-nern gleichermaßen zusammenarbeiten. Mit Aus-nahme der Holzbranche arbeiten die Unternehmender verarbeitenden Industrie durchwegs öfter mititalienischen oder ausländischen Partnern als mitSüdtiroler Partnern zusammen.Daß die Südtiroler Industriebetriebe bei derinnovationsorientierten Zusammenarbeit vor allemauf auswärtige Partner zurückgreifen, ist als Aus-druck der Strukturschwäche des SüdtirolerInnovationssystems zu werten. Dieses Bild hattesich schon bezüglich der Vorleistungen und Ab-satzmärkte ergeben: es verweist auch darauf, daßes kaum passende Südtiroler Partner gibt. Dies trifftvor allem die kleineren Betriebe, denn weniger als10% der Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftig-ten arbeiten überhaupt mit horizontalen Partnernwie Instituten oder Universitäten zusammen.Die geringe Kooperationsdichte ist allerdings nichtnur strukturellen Umständen zuzuschreiben. Nurfür elf der 59 Unternehmen, die in der Produktent-wicklung eine der Säulen ihrer Wettbewerbsfähig-keit sehen, ist die Zusammenarbeit mit anderenUnternehmen eine wichtige strategische Option.Dies deutet darauf hin, daß die Südtiroler Unter-nehmen bei der Produktentwicklung eher auf in-terne Ressourcen setzen.Betrachtet man nun die Kooperationsbeziehungeninnerhalb Südtirols näher, so ragen die Betriebeder Holzbranche hervor. Unter den Kleinbetriebenlassen außerdem noch relativ dichte Kooperations-beziehungen mit Zulieferern und Abnehmern in den

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Branchen Chemie/Kunststoffe und Metall/Metall-verarbeitung ausmachen. Von den meist zu multi-nationalen Gruppen gehörenden Mehrbetriebs-unternehmen unterhält dagegen nur ein geringerAnteil mit Südtiroler Abnehmern oder Zulieferernentsprechende Beziehungen.

3.2 Arbeitsmarkt, Qualifika-tionsbedarfe und die Muster derAus- und Weiterbildung

3.2.1 Die Engpässe des Arbeits-marktes

Mehr als 80% der Unternehmen gaben an, in letz-ter Zeit Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung

erlebt zu haben. Für mehr als die Hälfte aller Be-triebe ist dies auf den Facharbeitermangel bezo-gen, der besonders die Branchen Elektro/Optik,Metall/Metallverarbeitung und Papier/Druck/Gra-phik trifft. Dabei haben mit einer Nennungsrate von75% insbesondere die Betriebe mit 101 bis 250Mitarbeitern Schwierigkeiten bei der Suche nachFacharbeitern. Dagegen bestehen bei Stellen aufOberschul- bzw. Hochschulniveau kaum Engpäs-se auf dem Arbeitsmarkt. Unter dem Facharbei-termangel leiden besonders die innovativen Bran-chen, wie etwa die Branche Metall/Metallverarbei-tung insgesamt 70% der Betriebe. Die klein-betriebliche Holz/Möbel-Branche scheint hingegenvom Facharbeitermangel kaum betroffen zu sein;allerdings hat hier in den letzten Jahren dieBeschäftigtenanzahl ohnehin eine Anpassung er-fahren.

10-20 21-50 51-100 101-250 >250

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

3.2.2 Berufliche Weiterbildung:Die Aktivitäten der Unter-nehmen

Zur beruflichen Weiterbildung wurden die Unter-nehmen gefragt, in welchen Unternehmensberei-chen entsprechende Maßnahmen durchgeführtwurden, sowie welchen ArbeitnehmergruppenWeiterbildung angeboten wurde. Unterschiedenwurde zwischen unternehmensinternen Angebo-ten, Angeboten anderer Unternehmen - z.B. derZulieferer- sowie Angeboten von Weiterbildungs-einrichtungen.

Unternehmensbereiche: Am breitesten angelegtwaren die Weiterbildungsaktivitäten in den Bran-chen Metall/Metallverarbeitung und Chemie/Kunst-stoff, wo sie sämtliche Unternehmensbereiche wieManagement, EDV/Verwaltung, Produktion, Ein-kauf/Beschaffung und Verkauf/Marketing ein-schlossen. In anderen Branchen war die Weiterbil-dung eher auf einzelne Bereich konzentriert, wo-bei die Mehrheit aller Betriebe bot ihren Arbeits-kräften Kurse vor allem im Bereich EDV/Verwal-tung anbot. Im Bereich Produktion/Fertigung wur-de vor allem in der Branche Holz/Möbel deutlichweniger Ausbildung geboten als in anderen Bran-

Abb. 7: Einrichtungen

Unternehmen, die externe Weiterbildung für angelernte Arbeiter oder Facharbeiter anboten, in % der Betriebepro Größenklasse

(Quelle: Befragung AFI/IPL).

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chen, was primär auf die in dieser Branche domi-nierenden kleinbetrieblichen Strukturen zurückzu-führen ist. In deren handwerklich orientiertemProduktionsleitbild erfolgt Ausbildung eher auf in-formeller Basis; gleichzeitig wird den Tätigkeits-feldern Management, Einkauf/Beschaffung undVerkauf/Marketing weit weniger Aufmerksamkeitgeschenkt als in den großen Betrieben.Arbeitnehmergruppen: Insgesamt 78% der Un-ternehmen boten mindestens einer Gruppe ihrerArbeitskräfte interne Weiterbildung an. Zwei Drit-tel der Unternehmen ließen zumindest einerQualifikationsgruppe externe Weiterbildung zu-kommen, während 34% dieselbe Leistung vonZulieferern oder Abnehmern erbringen ließen. Nur15% der Unternehmen gaben an, keine Weiterbil-dungsmaßnahmen angeboten oder durchgeführtzu haben.Bei den Angeboten für un- und angelernte Arbei-ter ragten die Branchen Elektro/Optik, Fahrzeug-/Maschinenbau und Metall/Metallverarbeitung her-vor; in fast allen Betrieben wurde mindestens einedieser Gruppen intern weitergebildet. Die niedrig-ste Ausbildungsintensität zeigt sich in den Bran-chen Holz/Möbel und Papier/Druck/Graphik, wonur die Hälfte der Betriebe interne Weiterbildungfür diese Beschäftigtengruppen anbot. Auch Fach-arbeiter wurden in den Branchen Holz/Möbel, Pa-pier/Druck/Graphik und Textil/Bekleidung deutlichweniger ausgebildet als in anderen Bereichen.Dasselbe gilt für Hilfsarbeiter sowie fürOberschulabsolventen und Akademiker. Für letz-tere Kategorie gilt dabei, daß sie in diesen Bran-chen ohnehin nur mit einem geringen Anteil ver-treten ist. Auf der anderen Seite fällt auf, daß Klein-betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten eine sehr nied-rige Ausbildungsintensität für angelernte und Fach-arbeiter aufweisen (vgl. Abb. 7).Weiterbildung durch externe Einrichtungen kommtebenfalls kaum den an- und ungelernten Arbeiternzugute. Hierbei ragten die Branchen Elektro/Optikund Nahrungsmittel/Getränke hervor, in denenmehr als ein Viertel der Betriebe solche Maßnah-men für eine der besagten Beschäftigtengruppendurchführte. Bei den Facharbeitern dominiert dieBranche Metall/Metallverarbeitung, wo über dieHälfte der Betriebe solche Angebote der externenWeiterbildung organisierte, während die BranchenHolz/Möbel und Papier/Druck/Graphik nichts Ver-gleichbares anboten. Oberschulabsolventen undAkademiker wurden am häufigsten zu externenWeiterbildungsmaßnahmen geladen, was wieder-um dem Sachverhalt entspricht, daß die Intensitätexterner Weiterbildung in Zusammenhang mit derBetriebsgröße steht.Nur ein Viertel aller Unternehmen war mit dem Er-folg der Weiterbildungsmaßnahmen vollkommen

zufrieden. Firmen, die interne und externe Ausbil-dung verbanden, waren zufriedener als jene, dieneben der internen Ausbildung noch Ausbildungs-leistungen von Zulieferern bzw. Abnehmern erhiel-ten. Dabei waren die Unternehmen vor allem mitden Resultaten der externen Weiterbildung fürOberschulabsolventen und Akademiker unzufrie-den. Nach Betriebsgröße gestaffelt, äußerten Groß-unternehmen mit über 250 Beschäftigten zu 75%das höchste Maß an Zufriedenheit, während dieBetriebe mit 20 bis 50 Beschäftigten die Resultateskeptisch sahen.

3.2.3 Der neue Bedarf: Qualifikatio-nen und Kompetenzen

Die Frage, ob in den Unternehmen jüngst ein ver-stärkter Bedarf an neuen Qualifikationen entstan-den sei, bejahten 39% der Unternehmen. NeueBedarfe wurden am deutlichsten in den BranchenMetall/Metallverarbeitung, Papier/Druck/Graphikund Nahrungsmittel/Getränke gemeldet. Eine ge-ringe Bedarfsdynamik lag dagegen im BereichFahrzeug-/Maschinenbau als einer sehr innovati-ven Branche vor, was nicht zuletzt darauf zurück-zuführen ist, daß der Wandel des Qualifikations-profils in dieser Branche bereits weit fortgeschrit-ten ist. Den Unternehmen wurde zusätzlich die Fra-ge gestellt, welche Qualifikationen sowie welcheFähigkeiten und Kompetenzen künftig von hoherBedeutung sein werden. Betrieblich erlernte Qua-lifikationen nahmen auf der Wunschliste mit 66%den meisten Raum ein, gefolgt von bedarfsgerech-ten Kursen mit 60% (vgl. Tab. A3). Die allgemeinehandwerkliche Erfahrung wurde in 45% der Be-triebe genannt, der Oberschulabschluß schließlichvon 23% der Betriebe. Nur 19% der Firmen nann-ten den Fachhochschulabschluß und gar nur 16%technische Universitätsabschlüsse sowie die Mei-sterprüfung. Die Ergebnisse zeigen, daß die Un-ternehmen informell erworbenen Qualifikationengroße Bedeutung zusprechen, während das Ver-trauen in die von den Ausbildungssystemen ver-mittelten Abschlüsse eher gering zu sein scheint.Bezüglich der formal nicht auszuweisenden Kom-petenzen der Arbeitskräfte lagen mit 63% spezia-lisierte technische Kenntnisse an der Spitze, ge-folgt von der Teamfähigkeit als sozialer Schlüssel-kompetenz, die von 57% der Unternehmen her-vorgehoben wurde (vgl. Tab. A4). Daneben wurdedie Bedeutung von Selbständigkeit und Lern-fähigkeit ebenfalls unterstrichen. Nach Branchengegliedert gestaltete sich der Bedarf nach techni-schen Kenntnissen so, daß für den Bereich Me-tall/Metallverarbeitung die Kenntnisse über auto-matisierte Fertigungssysteme und für Papier/Druck/Graphik die EDV-Kenntnisse im Vordergrund

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standen. Soziale Kompetenzen wie etwa Team-fähigkeit forderten dagegen die Betriebe der Bran-chen Chemie/Kunststoffe, Elektro/Optik und Holz/Möbel am nachdrücklichsten.

3.2.4 Arbeitskräfte, Bildung undKompetenzen: LangfristigeTendenzen

Die Südtiroler Industriebetriebe setzen mehrheit-lich auf informell und flexibel zu erwerbendeQualifikationen: auf handwerkliche Erfahrung, imBetrieb angelernte Fähigkeiten und auf eine be-darfsgerechte Weiterbildung durch entsprechen-de Kurse. Dies bedeutet, daß die Betriebe demMuster der Eignungsorientierung verpflichtet sind,statt einer auf breiten Grundlagenkenntnissen aus-gerichteten Ausbildung zu folgen. Anhand der ent-sprechenden Angaben der Unternehmen kann aufeinen Trend zur technischen Aufwertung der Pro-duktion geschlossen werden. Dies gilt ungeachtet

der Tatsache, daß in der industriellen Produktionin Südtirol eher auf Mechanisierung und hand-werklich geprägte Produktion als auf Automati-sierung gesetzt wird.Während ein deutlicher Nachfrageüberhang nachFacharbeitern zu verzeichnen ist, scheint derenAusbildung von den Unternehmen nicht mehr aus-schließlich im Südtiroler dualen Bildungssystemverortet zu werden. Dafür spricht die Betonung voninterner Ausbildung und flexibler externer Weiter-bildung in Kombination mit formaler Schul- undHochschulbildung. Es kann geschlossen werden,daß an die Facharbeiter neue Anforderungen ge-stellt werden, die in der dualen Grundausbildungunzureichend vermittelt werden. Allerdings mußberücksichtigt werden, daß sich die meisten Un-ternehmen mit der Berufsschulausbildung sehrzufrieden zeigten. Dies verweist auf die unverzicht-bare Rolle der dualen Ausbildung bei der Vermitt-lung von Lernfähigkeit und der Motivation zu le-benslangem Lernen.

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4.1 Das Grundkonzept derTypenbildung

Was macht ein innovatives Unternehmen aus?Braucht ein Unternehmen eine FuE-Abteilung, uminnovativ zu sein? Allgemein gilt, daß dies nichtunbedingt der Fall sein muß. Vielmehr können In-novationen aus unterschiedlichen organisatori-schen Strukturen heraus erzeugt werden.Diese Überlegung bildete den Hintergrund für diein diesem Abschnitt vorgenommene Einteilung derSüdtiroler Industrieunternehmen nach der Art undWeise, wie Innovationen erzeugt und umgesetztwerden. Aus der Sicht einer innovationsorientiertenIndustriepolitik erweist es sich als sinnvoll, geradesolche Kriterien als Grundlage für eine Einteilungder Industriebetriebe in verschiedene Zielgruppenzu wählen. Industriepolitisch macht es beispiels-weise einen bedeutenden Unterschied, ob Inno-vationen aus Forschungsabteilungen herstammen,oder ob sie sich ungeplant aus dem alltäglichenbetrieblichen Produktionsablauf heraus entwickeln.Die Fähigkeiten und Kompetenzen von Unterneh-men werden entscheidend von ihrer vergangenenEntwicklung beeinflußt. Dies betrifft auch die be-sondere Ausprägung ihrer Innovationsfähigkeit.Anders ausgedrückt, Unternehmen befinden sichauf unterschiedlichen Entwicklungspfaden, densog. industriellen “Trajekten“. Beispielsweise sie-delten sich viele der größeren Unternehmen in Süd-tirol im Laufe politisch unterstützter Industria-lisierungsschübe an, während andere Industrieun-ternehmen organisch aus den traditionellen loka-len Handwerksstrukturen herauswuchsen. Die fol-gende Typologie zum Innovationsverhalten derBetriebe soll diese strukturellen Besonderheiten derSüdtiroler Industrie berücksichtigen, die sich ausder besonderen historischen Entwicklung des Lan-des ergaben. In einer Annäherung sollen so dieUnterschiede zwischen den großindustriellen undden handwerklich orientierten Segmenten her-ausgestellt werden.

4.2 Zur Begründung der TypologieVor dem Hintergrund dieser Überlegungen wurdeeine Typologie entworfen, die sich auf zwei Dimen-sionen betrieblicher Innovation bezieht. Erstens

wurde mit Hilfe des Konzepts der betrieblichenInnovationsneigung zwischen innovativen Unter-nehmen und weniger innovativen Unternehmenunterschieden. “Innovative” Unternehmen sinddefiniert als solche, die 1997 mindestens einebranchenrelevante Produktinnovation umsetzten.Als weiteres Kriterium diente die Angabe, ob wei-tere Produktinnovationen geplant waren. Dies dien-te als Hinweis dafür, inwieweit in dem betreffen-den Betrieb eine Verpflichtung zur permanenteProduktinnovation herrscht. Zweitens wurden dieUnternehmen nach dem Ausmaß der organisato-rischen Veränderungen eingeteilt, die jüngstdurchgeführt wurden bzw. geplant waren. Das Kri-terium des organisatorischen Wandels diente alsAnnäherung für die organisatorische Struktur derUnternehmen. Prozeßinnovationen blieben unbe-rücksichtigt, da sie zu unregelmäßig erfolgen, umals Beleg für Aussagen zur grundsätzlichen Inno-vationsneigung der Betriebe zu wirken. Ordnet mandie technologische und die organisatorische Di-mension auf zwei verschiedenen Achsen an, er-gibt sich eine Kreuztabelle mit vier verschiedenenTypen (vgl. Tab. 1).Formale Neuerer sind diejenigen Unternehmen,die differenzierte Organisationsstrukturen aufwei-sen, welche mittels ausdrücklicher organisatori-scher Veränderungen den neuen technologischenAnforderungen angepaßt werden müssen. DieseUnternehmen betreiben planmäßig eine Strategieder nahezu permanenten Produktneuerungen und–verbesserungen. Dafür verfügen sie unter Um-ständen über ausgewiesene FuE-Abteilungen odersonstige spezialisierte Abteilungen. Sie repräsen-tieren jenen Typ der Industrieunternehmung, derfür die fordistische Massenproduktion typisch ist.Flexible Neuerer sind hingegen Betriebe, bei de-nen organisatorischer Wandel auch aufgrund desniedrigen Differenzierungsgrades eine geringereRolle spielt.15 Produktinnovation verläuft in diesenUnternehmen, die man dem handwerklichen Ent-wicklungspfad zuordnet, eher ungeplant und infor-mell. Mit der Berücksichtigung dieses flexiblen Un-ternehmenstyps wird das in Südtirol sehr wichtige

4 Innovation in Südtirol: Typen und Musterbetrieblicher Aktivität

15 Insbesondere für Kleinunternehmen können jedochzwischenbetriebliche Beziehungen ein Äquivalent für orga-nisatorische Veränderungen sein.

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handwerklich und kleinbetrieblich orientierte Inno-vationsmuster erfaßt. Die Begriffe “formal“ und “fle-xibel“ stellen dabei keinen paarweisen Gegensatzdar; vielmehr sollen sie die typischen Eigenschaf-ten der allen Innovationsprozessen zugrundelie-genden Wissens- und Produktionsformen in denUnternehmen erfassen. Dies gilt auch für die so-genannten “Anpasser”, d.h. die weniger inno-

vativen Unternehmen in den beiden unteren Fel-dern von Tabelle 1. Das sind solche Unternehmen,die ihre Produkte und Anlagen eher an die gelten-den Standards ihrer Branche anpassen. DieseUnternehmen sind also gesamtwirtschaftlich be-trachtet nur in geringem Maße innovativ, da ihrenAktivitäten der eigentliche Pioniercharakter fehlt.

Tabelle 1: Innovationsmuster in Südtiroler Industrieunternehmen

NEIGUNG ZUR ORGANISATORISCHEN INNOVATIONNEIGUNG ZURPRODUKTINNOVATION

NIEDRIG

• erfolgte Produktverbesserung aufBranchenniveau

• erfolgte Produktneuentwicklungmindestens auf Unternehmens-niveau

• strategische Ausrichtung aufProduktentwicklung

• stark ausgeprägterorganisatorischer Wandel

• erfolgte Produktverbesserung aufBranchenniveau

• erfolgte Produktneuentwicklungmindestens auf Unternehmens-niveau

• schwach ausgeprägter organisato-rischer Wandel

• erfolgte Produktverbesserungoder Produktneuentwicklung aufUnternehmensniveau

• stark ausgeprägterorganisatorischer Wandel

• erfolgte Produktverbesserung oderProduktneuentwicklung auf Unter-nehmensniveau

• schwach ausgeprägter organisatori-scher Wandel

NIEDRIGHOCH

«formale Anpasser»

«formale Neuerer» «flexible Neuerer»

«flexible Anpasser»

© AFI/IPL

4.3 Die empirischen Unterschiedezwischen den Unternehmenstypen

Die bisher getroffenen Unterscheidungen beruh-ten auf konzeptionellen Überlegungen. Nun wur-de die Typologie auf die 100 Unternehmen16 ange-wandt, die den Fragebogen zurücksandten. Be-schränkt man sich auf die innovativen Unterneh-men, so entsprechen die Resultate tatsächlich denvorhergesagten Unterschieden zwischen formalenund flexiblen Neuerern.

So sind formale Neuerer mit 229 gegenüber 93 Mit-arbeitern im Durchschnitt weit größer als flexibleNeuerer. Von der Gesellschafts- und Betriebsformher betrachtet sind die formalen Neuerer zu über70% jeweils als Aktiengesellschaften und Mehr-betriebsunternehmen erfaßt und sind vor allem inden Bereichen Fahrzeug-/Maschinenbau mit 31%der Betriebe und Nahrungsmittel/Getränke mit20% der Betriebe repräsentiert. Nach Größenklas-sen konzentrieren sich die formalen Neuerer auf dieBetriebe ab 100 Beschäftigten, während in ersterLinie die Betriebe aus der Größenklasse mit 51 bis100 Beschäftigten als flexible Neuerer zu bezeich-nen sind. Dabei sind auch 20 % der Kleinbetriebe16 Nur verarbeitende Industrie.

HOCH

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zu den flexiblen Neuerern zu zählen. Allerdings sinddie kleineren Betriebe insgesamt in höherem Maße“Anpasser“ oder solche Betriebe, die keinerlei Pro-duktinnovation betreiben. Man kann diese sich an-passenden Kleinbetriebe im gesamtwirtschaftlichenZusammenhang durchaus auch als notwendigesStabilisierungselement angesichts des strukturellenWandels einschätzen.Betrachtet man nun durchschnittliches Umsatz- undBeschäftigungswachstum zwischen 1992 und 1997,

so ergibt sich der folgende interessante Effekt: Wäh-rend die formalen Neuerer überdurchschnittlichwuchsen, fielen bei den flexiblen Unternehmen dieNeuerer weit hinter die Anpasser zurück (vgl. Tab.2). Dies verweist auf die unzureichende Fähigkeitder flexiblen Neuerer, von denen die Hälfte aus derHolz/Möbel-Branche stammt, ihre durchaus vorhan-denen Produktinnovationen auch kommerziell um-zusetzen.Die Innovationsneigung hängt auch mit der auswär-tigen Verflechtung der Unternehmen zusammen.Die formalen Neuerer weisen einen Exportanteil vonknapp 80% sowie einen Importanteil von fast 91%auf (vgl. Tab. 3). Die Vergleichswerte bei den übri-gen Typen liegen beträchtlich niedriger, was bedeu-tet, daß die weniger innovativen Betriebe in einemgrößeren Umfang auf dem heimischen Markt ope-rieren. Die Daten zeigen außerdem, daß im Export-geschäft zwar mehr Innovationskapazität als im bin-nenwirtschaftlichen Segment nötig ist, daß dies aberaufgrund von Begleitumständen wie etwa spezifi-scher Produktzyklen nicht unbedingt positive Aus-wirkungen auf Umsatz- oder Beschäftigungswach-stum hat. Die Situation der Holz/Möbel-Branche lie-fert anschauliche Hinweise darauf, daß auch der hei-mische Markt in bestimmten Situationen maßgebli-che Innovationsimpulse liefern kann, etwa im Sinneeiner anspruchsvollen, spezialisierten Nachfrage.

4.4 Innovationsimpulse undInnovationsbarrieren

Weitere erwartungsgemäße Ergebnisse folgen inBezug auf Patentmeldungen und betriebliche Koo-perationsmuster. Tatsächlich entfallen auf die for-malen Neuerer die meisten Patentmeldungen derSüdtiroler Industrieunternehmen. Die Koope-rationsneigung mit Südtiroler Partnern nimmt mitzunehmender Innovationsneigung deutlich ab. Diesbestätigt den Befund, daß sich das Gros des wirt-schaftlich relevanten Wissenstransfers wenigerüber Kooperationsverbindungen im Rahmen des

Südtiroler Innovationssystems vollzieht, sondernauf auswärtige Impulse angewiesen ist.Die Angaben über die kreative Einbindung der Ar-beitskräfte in die Gestaltung von Innovations-prozessen unterstreicht die positive Rolle einerpartizipativ ausgestalteten Betriebsorganisation,die für die Arbeitskräfte nicht nur Leistungsanrei-ze, sondern auch Kanäle zur Freisetzung derschöpferischen Potentiale schafft. Das Maß derBeteiligung der Beschäftigten am Innovationsvor-gang nimmt mit der Innovationsneigung der Un-ternehmen zu: am deutlichsten ist dies bei den for-

INNOVATIONSNEIGUNG

Formale Flexible Formale Flexible KeineNeuerer Neuerer Anpasser Anpasser Innovationen

Exportanteil (Italien und Ausland) 80,55 73,47 70,71 64,03 54,19

Import Vorleistungen (Italien und Ausland) 90,83 80,76 79,33 70,47 60,17

Tabelle 3: Innovationsneigung undAuslandsverflechtung

Unternehmen der verarbeitenden Industrie, in % der gesamten Verkäufe/Vorleistungen

(Quelle: Befragung AFI/IPL)

Tabelle 2: Innovationsneigung und Unternehmens-entwicklung

Unternehmen der verarbeitenden Industrie, Wachs-tum 1992-97, in %

Quelle: Befragung AFI/IPL

Formale Neuerer 95,73 23,41

Flexible Neuerer 22,34 2,50

Formale Anpasser 29,71 12,14

Flexible Anpasser 64,58 35,71

Keine Innovationen 57,26 14,48

Umsatzwachstum

92-97

Beschäftigungs-wachstum

92-97

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malen Neuerern zu erkennen, die sich zu 100%regelmäßig auf Vorschläge der Arbeitskräfte stüt-zen.Als wichtigste Innovationsbarrieren geben insbe-sondere die innovativen Betriebe die ProblemfelderFinanzierung und Ertragsunsicherheit an. Fürden Unternehmenstyp der Anpasser hingegenscheinen Finanzierungsschwierigkeiten nur ein ge-ringes Problem darzustellen. Der Facharbeiterman-gel ist aber ein übergreifendes Problemfeld, dasvon den Betrieben insgesamt am häufigsten ge-nannt wird. Dabei wird der Facharbeitermangel vonflexiblen Neuerern fast doppelt so häufig beklagtwie von formalen Neuerern. Ein ähnliches Verhält-nis gilt für die Finanzierungsschwierigkeiten. DerMangel an Ingenieuren spielt bei formalen Neu-erern eine herausragende Rolle als Innovations-barriere: insgesamt 40% der Betriebe sehen sichdavon betroffen. Dagegen ist dies für die anderenUnternehmen nur am Rande von Bedeutung. Dieflexiblen Neuerer sehen ihre Investitionsentschei-dungen schließlich stärker vom Arbeitsmarkt her be-einflußt als die formalen Neuerer.

4.5 Arbeitskräfte undArbeitsorganisation

Befragt nach den in Zukunft wichtigen Qualifika-tionen nannten die formalen Neuerer einerseitsAkademiker (47%) und Oberschulabsolventen(40%), und anderseits bedarfsgerechte Kurse(67%,) sowie angelernte Arbeit (47%) als Schlüssel-ressourcen im Wettbewerb. Die flexiblen Neuererhingegen verlangen nach einem anderenQualifikationsprofil: Statt auf Universitätsab-schlüsse und andere formale Abschlüsse setztensie mehr auf informelle Qualifikationen wie die all-gemeine handwerkliche Erfahrung oder Kurse.Bei den Schlüsselkenntnissen wurden von den for-malen Neuerern vor allem spezielle technischeKenntnisse nachgefragt. Daneben waren sozialeKompetenzen wie die Teamfähigkeit bedeutsam,während sich relativ niedrige Werte für die Selb-ständigkeit der Arbeitskräfte ergaben. Die flexiblenNeuerer erwarten zu einem geringeren Maß spezi-elle technische Kenntnisse, dafür aber mehr Team-fähigkeit, Selbständigkeit und Lernfähigkeit. Siesind in geringerem Maße auf die Beherrschungneuer Technologien konzentriert, als etwa die for-malen Neuerer, bei denen es sich ja meist um Groß-betriebe handelt, von deren Arbeitskräften beson-ders gute Kenntnisse über Themen wie EDV oderautomatische Fertigungssysteme verlangt werden.Die formalen Neuerer beschäftigten schließlichauch einen höheren Personalanteil von Akademi-kern und Oberschülern, dabei aber anteilig weni-ger Facharbeiter als die flexiblen Neuerer. Auch

sind die Qualifikationen der betrieblichen Arbeits-kräfte bei den formalen Neuerern stärker polari-siert.17 Darüber hinaus bietet dieser Unternehmens-typ beträchtlich mehr Ausbildungsangebote für diehochqualifizierten Arbeitskräfte an. Dies gilt eben-falls für mittlere Qualifikationssegmente wie Fach-arbeiter und angelernte Arbeiter, die von flexiblenNeuerern in geringerem Maße formal ausgebildetwerden, als von den formalen Neuerern.

4.6 SchlußfolgerungenSowohl die Typen der formalen Neuerer als auchdie flexiblen Neuerer gehören zu den innovativenUnternehmen der Südtiroler Industrie. Wie gezeigt,basieren die Innovationen teilweise auf unter-schiedlichen organisatorischen Strukturen,Humankapitalprofilen und Anbindungsmustern.Daß dies der Existenz unterschiedlicher betriebli-cher Innovationsbarrieren entspricht, gibt wichti-ge Aufschlüsse für eine differenzierte industrie-politische Betrachtung.Zusammenfassend weisen die formalen Neuererfolgende typische Eigenschaften auf:

• sie sind größere Betriebe mit differenzierten Or-ganisationsstrukturen,

• sie verfügen über eine formale und systemati-sche Gestaltung von Innovationsprozessen,

• sie setzen den Schwerpunkt auf formale Aus-und Weiterbildung,

• sie beschäftigen einen hohen Personalanteil vonAkademikern,

• sie weisen deutlich auswärtsorientierte Koppe-lungen auf.

Insgesamt kann man nach der verwendeten Typo-logie 16% aller Betriebe der verarbeitenden In-dustrie als formale Neuerer bezeichnen. Sie re-präsentieren das großindustrielle Segment der in-novativen Südtiroler Industriebetriebe. Diese fürSüdtirol sehr wichtige Gruppe von Unternehmenist nur schwach in den Standort eingebunden, dennder überwiegende Teil der betrieblichen Koppelun-gen bezüglich Vorleistungen und Absatz entfällt aufdas Ausland bzw. auf das restliche Italien. Auchder Technologietransfer wird größtenteils von au-ßerhalb bewerkstelligt.Demgegenüber umfaßt der Typ der flexiblen Neue-rer 19% der Betriebe, die das eher handwerklichorientierte Segment der innovativen Betriebe dar-stellen und folgende Eigenschaften aufweisen:

17 Die Polarisierung der Qualifikationen wurde über das Ver-hältnis zwischen hoch- und minderqualifizierten Arbeitskräf-ten erfaßt.

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• sie sind kleinere Betriebe mit weniger differen-zierten Organisationsstrukturen

• sie verfügen über eine informelle und spontaneGestaltung von Innovationsprozessen,

• sie setzen den Schwerpunkt auf informelle undimplizite Aus- und Weiterbildung,

• sie beschäftigen einen hohen Anteil von Fach-arbeitern,

• sie weisen deutlichere regionale Koppelungenauf.

Flexible Neuerer setzen auf informelle Koor-dinierungsmechanismen. Dabei sind sie als ehertraditioneller Typ tief im Gefüge der Südtiroler Wirt-schaft verwurzelt und in der Regel weniger mit demAusland verflochten. Die vorliegenden Daten legenallerdings auch nahe, daß dieser industriepolitischbedeutsame Typ der flexiblen Neuerer Schwächenbei der kommerziellen Umsetzung ihrer Innovatio-nen aufweist. Hier liegt ein bedeutender Ansatz-punkt für die industrielle Innovationsförderung.

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5.1 Industriepolitische LeitlinienEine langfristig angelegte Industriepolitik zielt auf dieErhaltung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Mo-bilisierung und den Ausbau der vorhandenenInnovationspotentiale. Dies verweist einerseits aufdie maßgebliche Rolle hochqualifizierter und ange-messen entlohnter Arbeitskräfte, und anderseitsauf die Einbettung industrieller Produktion in deninstitutionellen Kontext. Um eine innovations-orientierte Industriepolitik für Südtirol umsetzen zukönnen, müssen neben der Landesverwaltung und

den Unternehmen auch die Gewerkschaften undVerbände in die Umsetzung der entsprechendenstrategischen Vorgaben eingebunden werden.Südtirols Industrie ist von einer diversifizierten Struk-tur mit Schwerpunkt auf den traditionellen Industrie-branchen geprägt. Diese Struktur bewirkte zwar inder Vergangenheit eine relativ reibungslose Absorp-tion der Auswirkungen internationaler wirtschaftlicherVeränderungen, aber auch den Nachteil geringerVernetzung innerhalb der Region.Dabei werden in Südtirol – vor allem von seiten der

5 Grundzüge einer innovationsorientiertenIndustriepolitik für Südtirol

Entwicklung integrierter bildungs- und industriepolitischer Expertise innerhalbder Gewerkschaften, Verbände und Landesverwaltung

Tab. 4: Industriepolitische Handlungsfelder

Maßnahmen gegen denMangel an qualifizier-ten Arbeitskräften:

• Förderung der Attrakti-vität der Berufsausbil-dung

• Anreize zur berufsbe-gleitenden Nach-qualifizierung

• Förderung von Lern-arbeitsplätzen

• Schaffung eines attrakti-ven Milieus für Akade-miker

Maßnahmen zurSchaffung einer Lernkultur:

• Vermittlung vonSchlüsselkompetenzenund Lernfähigkeit in derBerufsbildung

• Entwicklung der Weiter-bildungsbereitschaftbesonders in kleinerenBetrieben

• Erhöhung der Transpa-renz und Systematik inder Weiterbildung

Maßnahmen zur Förderung der betrieblichenInnovationsneigung und Herstellung geeigneterRahmenbedingungen:

• Schaffung einer Struktur zur Unterstützungvon Technologietransfer, -diffusion und –anwendung, etwa in Form einer Technolo-gietransferagentur zur Beratung von KMU

• Austausch- und Kooperationsprojekte zurFörderung der Netzwerkbildung zwischenBetrieben

• Wagniskapital für Kleinunternehmen undUnternehmensverbünde

• Öffentliche Aufträge und Pilotprojekte zurFörderung der Entwicklung neuer Produkteoder neuer Verfahren mit Beteiligung mehre-rer Unternehmen

• Förderung einheimischer produktions-naher Dienstleistungen

LÄNGERFRISTIGE DISPOSITIVE MASSNAHMEN

AUS- UND WEITERBILDUNG INNOVATIONSFÖRDERUNG

• Nutzung des innovationspolitischen Potentialsder existierenden Wirtschaftsförderung undSchwerpunktsetzung in der Industriepolitik

• Entwicklung eines Leitbilds zur bewußtenGestaltung der längerfristigen Entwicklung derSüdtiroler Industrie

• Schaffung verbesserter Mechanismen zur Ermittlungder konkreten Bedarfe an Qualifikationen undKompetenzen

• Verbesserung der Koordination der Berufsbildunginnerhalb der Landesverwaltung

© AFI/IPL

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größeren Betriebe – durchaus auch wertschöp-fungsintensive Produktions- und Management-aktivitäten betrieben. Gleichzeitig sind insbesonderedie Zweigbetriebe auswärtiger Unternehmens-gruppen wenig an den Standort angebunden, zu-mindest wenn Zulieferer-Abnehmer-Beziehungenoder sonstige Kooperationsbeziehungen zum Maß-stab genommen werden. Dies erweist sich alsindustrie- und standortpolitisches Problemfeld, weildadurch der Wissenstransfer zugunsten der Klein-betriebe behindert wird. Daneben vermindert diegeringe Anbindung die Kosten von Standort-verlagerungen und macht den Standort Südtiroldeshalb potentiell verwundbar.Bei der Beurteilung der Standortbedingungen mußauch die kommende Europäische Währungsunionberücksichtigt werden, die zu einem Wegfallen je-ner Kostenvorteile führen wird, die in der Vergan-genheit durch Abwertungen der Lira bewirkt wur-den. Die Südtiroler Industrie wird deshalb auch indieser Hinsicht zukünftig höheren Leistungsanfor-derungen ausgesetzt sein.Angesichts vorteilhafter institutioneller Strukturen,wie etwa des dualen Ausbildungssystems, bestehtjedoch prinzipiell eine gute Ausgangslage, all dieseHerausforderungen zu meistern, und somit eineinnovationsorientierte Weiterentwicklung der Indu-strie in Südtirol zu leisten. In diesem Zusammen-hang gilt es also, den Übergang von einem faktor-bedingten Wachstumstyp hin zu einem innovations-bedingten Wachstumstyp zu vollziehen, der die öko-nomische Innovationsdynamik mit sozialem Aus-gleich und ökologischer Nachhaltigkeit verbindet.Daher muß an der Struktur und der Leistungsfähig-keit des Südtiroler Innovationssystems angesetztwerden. Vor dem Hintergrund dieses Ansatzes las-sen sich die folgenden Meilensteine einer regiona-len Industrie- und Technologiepolitik formulieren:18

• die vorhandenen Innovationsbarrieren bzw. tech-nologischen Aufwertungspotentiale in Betriebenund Branchen aufdecken, und in eine konkreteNachfrage der Betriebe nach Qualifikationen,Technologie und Wissen umsetzen,

• die dadurch stimulierte Nachfrage mit dem re-gional vorhandenen bzw. zu entwickelnden An-gebot von Humankapital und Wissenstransfer zu-sammenzubringen,

• die Zusammenarbeit zwischen Betrieben, loka-len oder auswärtigen Forschungseinrichtungensowie der öffentlichen Verwaltung unterstützen,

• die Fördermittel auf solche Prioritäten konzen-trieren, die einem stabilen Konsens entspringen.

Dieser Ansatz sollte sich auf die Prinzipien derkonsensuellen Entscheidungsfindung, der langfri-

stigen Koordinierung und der partnerschaftlichenZusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichenAkteuren stützen. Neben der Landesregierung sindes in erster Linie die Gewerkschaften und Verbän-de, deren Gestaltungskompetenz auf diesem Ge-biet gefragt ist.Zwei eindeutig zu benennende Handlungsfelder sindvon unmittelbarer Bedeutung für eine innovations-orientierte industrielle Entwicklung:• die Aus- und Weiterbildung der Arbeitskräfte• die Innovationsförderung, insbesondere kleiner

UnternehmenZu beiden Feldern werden im folgenden konkreteHandlungsoptionen ausgeführt. Dabei werden je-weils die operative und die dispositive Ebene derIndustriepolitik unterschieden. Die operative Ebenebezieht sich auf solche Initiativen, die von den ent-sprechenden Akteuren, also der Landesregierungund den Sozialpartnern, unmittelbar umgesetztwerden können. Die dispositive Ebene hingegen sollauf mittelfristig erreichbare Handlungsoptionen hin-weisen, für welche die Voraussetzungen undWissensgrundlagen erst noch geschaffen werdenmüssen. Mögliche Wege hierzu sind etwa Arbeits-kreise oder Gesprächsforen, aber auch die verbes-serte Abstimmung innerhalb der Landesregierungoder zwischen Verbänden und öffentlicher Hand.Die dispositive Ebene ist deshalb wichtig, weil auchdie öffentliche Verwaltung und andere Organisatio-nen von der Anforderung des permanenten Lernensnicht ausgenommen sind (Teubal 1997). Industrie-politische Handlungsoptionen können nämlich imPrinzip nicht langfristig und exakt geplant werden.Sie müssen vielmehr im Verlauf der Aktivitäten an-passend verändert werden, wozu wiederum geeig-nete institutionelle Vorkehrungen zu treffen sind.

5.2 Handlungsfeld Aus- und Weiter-bildung: Die Bildungsstrategie

Das Niveau der beruflichen Grundausbildung kannin Südtirol grundsätzlich als gut bezeichnet werden.Es stellt damit einen der wesentlichen Standortvor-teile dar. Obwohl von den Unternehmen in ersterLinie unmittelbar einsetzbare Qualifikationen favo-risiert werden, sollte der Wert einer breiteren Grund-ausbildung gerade bezüglich der innovations-orientierten Industrieproduktion nicht unterschätztwerden. Aus diesem Grund sollten die allgemein-bildenden und methodisch orientierten Komponen-ten der Grundausbildung gestärkt werden. DerUmfang der theoretischen Ausbildung der Lehrlin-ge hinkt noch hinter dem deutschen und österrei-chischen Niveau hinterher. Dies betrifft inbesondereden Handwerksektor, da junge Fachkräfte in derIndustrie hauptsächlich aus den Fachschulen rekru-tiert werden.

18 Der folgende Abschnitt basiert auf den Ausführungen vonLandabaso (1997: 20f), eines Experten für Regional-entwicklung bei der Europäischen Kommission.

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Darüber hinaus wird die berufliche Weiterbildungvor dem Hintergrund permanenter technologischerNeuerungen immer wichtiger. Hier besteht ein stei-gender Koordinierungsbedarf, um die beruflicheWeiterbildung qualitativ zu verbessern, quantitativauszudehnen und transparenter zu gestalten.Schließlich sollte gerade in den Kleinbetrieben dieAkzeptanz für Weiterbildungsprogramme geför-dert werden.Im folgenden werden die Handlungsvorschlägeweiter ausgeführt. Dabei wird zwischen einem quan-titativen und einem qualitativen Problembereich imFeld der Aus- und Weiterbildung unterschieden.Quantitativ besteht das Problem darin, daß der Süd-tiroler Arbeitsmarkt den Bedarf insbesondere anFacharbeitern nicht erfüllen kann. In qualitativer Hin-sicht hingegen besteht konkreter Handlungsbedarfin der beruflichen Weiterbildung.

5.2.1 Die operative Ebene derBildungsstrategie

Maßnahmen gegen den ArbeitskräftemangelDie chronischen Engpässe am Arbeitsmarkt erfor-dern in erster Linie eine Erhöhung des Anteils vonFachkräften am bestehenden Beschäftigungsvolu-men. Da gerade die Fachschulausbildung von denIndustrieunternehmen positiv honoriert wird, mußdem System der dualen Ausbildung entsprechen-de Aufmerksamkeit zukommen. Um die Zahl derFacharbeiter zu erhöhen, gibt es die folgendenMöglichkeiten:• Höhere Attraktivität der Berufsausbildung: Zu

unterstützen sind die Pläne der Berufsschule, dasgesamte Berufsschulsystem horizontal zum rest-lichen Schulsystem, sowie vertikal zu einer“Berufsmaturität” durchlässig zu gestalten.19 Dieswürde jungen Menschen mehr Anreize und Auf-stiegschancen über einen Berufsschulabschlußbieten, indem der Zugang zu Fachhochschuleund Universität offen gehalten wird. Anzustrebenwäre auch die Gleichstellung der Fachschulab-solventen mit den Lehrlingen.

• Berufsbegleitende Nachqualifizierung: Einzweiter Weg führt über verstärkte Ausbildungs-angebote für un- und angelernte Arbeitskräfte,die bereits im Berufsleben stehen. Zur Einführungeines solchen Systems der berufsbegleitendenNachqualifizierung sind neben gesetzgeberi-schen Maßnahmen auch Landesergänzungsab-kommen zwischen den Sozialpartnern denkbar.Mittel des Europäischen Sozialfonds könnten ge-zielt für solche Projekte eingesetzt werden.20

• Lernarbeitsplätze: Drittens könnte im Rahmeneines Projekts zur innerbetrieblichen Weiterbil-dung an die Einführung sogenannter “Lernar-beitsplätze” gedacht werden. Dies sind reguläreArbeitsplätze mit einem systematischen innerbe-

trieblichen Ausbildungsanteil, die man im Zusam-menhang mit entsprechenden Personalent-wicklungsplänen fördern könnte. Dies käme ge-rade solchen Kleinbetrieben entgegen, die be-sondere Schwierigkeiten damit haben, Arbeits-kräfte für die Weiterbildung freizustellen. Unterstüt-zung bei der Einrichtung und die Betreuung vonLernarbeitsplätzen könnten als reale Dienstleistungvon der Berufsbildung angeboten werden.

• Akademiker: Von den Großbetrieben wird derMangel an Ingenieuren als wesentliche Innova-tionsbarriere empfunden. Neben dem relativ nied-rigen Lohnniveau in Südtirol ist dieser Mangelauch darauf zurückzuführen, daß in Südtirol einwenig attraktives Milieu für solche Arbeitskräftebesteht. Ein Ausbau universitärer oder forschun-gsnaher Einrichtungen im technischen Bereichkönnte hier Abhilfe schaffen, ebenso wie Bemü-hungen um eine frühe betriebliche Einbindungvon Universitätsstudenten, insbesondere in tech-nischen Studienrichtungen. Es kann auch an eineFörderung von Betriebsgründungen im techni-schen Dienstleistungsbereich gedacht werden,die sich dann primär an Jungakademiker wen-den würde.

Zur Aufwertung von beruflicher Aus- und Wei-terbildungStabile Berufsbilder gehören in vielen Branchen derVergangenheit an. Die Berufsbildung hat im Kon-text des umfassenden technologischen Wandelszwei wichtige Funktionen zu erfüllen: die Vermitt-lung von Lernfähigkeit in der Grundausbildung, unddie permanente Weiterentwicklung von Wissen undFähigkeiten in der Weiterbildung. In dieser Hinsichtsind die folgenden Ansatzpunkte denkbar:• Inhaltliche Anpassung: Die Berufsausbildung

muß vermehrt auf die Entwicklung von Medien-,Kommunikations und Sprachenkompetenz set-zen. Dies entspricht den betrieblichen Heraus-forderungen durch neue Prozeßtechnologien so-wie durch neue Formen der Arbeitsorganisationim Verbund mit wachsenden Anforderungen andie Produktqualität. Den Südtiroler Industrieun-ternehmen ist die Bedeutung von Kompetenzenwie Teamfähigkeit, Eigeninitiative und Selbstän-digkeit der Arbeitnehmer durchaus bewußt. DasAusbildungssystem muß diese Fähigkeiten an-gemessen vermitteln. Daneben bestehen ininnovationsabhängigen Branchen wie Metall/

19 Die Abteilung für deutsche und ladinische Berufsbildung istam europäischen LEONARDO-Projekt „Berufsmaturität-EUROBAC„ beteiligt, in dem Standards für eine EU-weiteBerufsmaturität entwickelt werden sollen.

20 In der Metallbranche ist ein solches Projekt bereits initiiertworden, wobei die Teilnehmer jedoch einen Teil ihrer Freizeitaufwenden müssen.

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Metallverarbeitung und Elektro/Optik spezielleEngpässe. Hier könnte ein Aus- und Weiterbil-dungsprogramm ansetzen, das zum Beispiel au-tomatisierte Fertigungssysteme zum Gegen-stand hat.

• Förderung betrieblicher Weiterbildung: Auf-grund permanenter Lernerfordernisse im inno-vationsbedingten Wettbewerb muß die betrieb-liche Weiterbildung systematisch geplant wer-den. Dies umfaßt die Erstellung von Personal-entwicklungsplänen und die Erhebung derAusbildungsbedarfe. Als Anreiz könnte etwa diefinanzielle Unterstützung durch den Europäi-schen Sozialfonds oder durch die Wirtschafts-förderung an die Erstellung von Personalent-wicklungsplänen gebunden werden. Den Betrie-ben kann darüber hinaus eine Beratung bei derPlanung von Weiterbildungsmaßnahmen ange-boten werden. Dies ist um so dringlicher, alsnach den Ergebnissen der vorliegenden Studiedie Mehrzahl der Betriebe auf bedarfsgerechteKurse und interne Weiterbildung setzt.

• Transparenz und Systematik in der Weiter-bildung: Angesichts der Vielzahl von Anbieternist es schwierig, sich bei der Auswahl von ge-eigneten Weiterbildungskursen zu orientieren.Die Ausbildungsangebote entsprechen außer-dem oft nicht den Erwartungen der Unterneh-men und Arbeitnehmer. Es sollte die Möglich-keit geprüft werden, ob eine standardisierteKursbewertung landesweit eingesetzt werdenkann. Um die Bedarfsgerechtigkeit der Weiter-bildung zu erhöhen, sollte der Informationsflußzwischen den Betrieben und den Anbietern vonWeiterbildungsprogrammen verbessert werden.Denkbar wäre die Zusammenarbeit von Betrie-ben mit ähnlichem Profil, um in Zusammenar-beit mit Anbietern, Berufsschule und sonstigenBildungsexperten den Weiterbildungsbedarf zuermitteln und entsprechende Inhalte zu erarbei-ten. Ein weiteres Problem ist die ungenügendeformale Anerkennung erworbener Kompeten-zen. Eine diesbezüglich sinnvolle Maßnahmestellt die “Modularisierung” der Weiterbildungdar. Eine Arbeitsgruppe Südtiroler Berufsschul-lehrer ist derzeit damit beschäftigt, ein Konzeptfür die systematische Weiterbildung auszuarbei-ten, das transparent, abschlußorientiert und mitder Grundausbildung verbunden sein soll.

5.2.2 Die dispositive Ebene derBildungsstrategie

Mittelfristig sind erhöhte Anforderungen sowohl andie Koordinierung als auch an die Wissensvermitt-lung innerhalb des Systems der Berufsbildung zustellen. Folgende Aspekte stehen dabei im Vorder-grund:

• Bedarfsermittlung: Eine generelle Schwierig-keit für die in der Berufsbildung tätigen Institu-tionen ist der unzureichende Informationsstandüber die konkreten Bedarfe. Es mangelt an Ein-richtungen, die den Wissensfluß zwischen Un-ternehmen, den Verbänden und Gewerkschaf-ten und den verantwortlichen Behörden organi-sieren würden. Denkbar wären branchenspezi-fische Arbeitsgruppen, in denen Bildungsexper-ten zusammen mit den Unternehmen die Bedar-fe erfassen können.

• Koordination innerhalb der Landesverwal-tung: Verschiedenen Bereiche der Berufsbildungwerden zur Zeit von unterschiedlichen Abteilun-gen der Landesverwaltung betreut und sind un-terschiedlichen Assessoraten zugeordnet. DieFolge ist eine unzureichende Koordinierung derIndustrie- und Bildungspolitik, insbesondere beider Umsetzung langfristiger Strategien. Die Ein-richtung einer Koordinierungsstelle könnte Ab-hilfe schaffen.

• Verstärktes Engagement der Gewerkschaf-ten: Seitens der Arbeitnehmervertretungen istein verstärkter Einsatz für Fragen der Aus- undWeiterbildung wie auch der Arbeitsorganisationerforderlich. Durch entsprechende Kompetenz-entwicklung auf diesen Gebieten könnten bei-spielsweise Angebote der Berufsschule zur Mit-arbeit bei der Bereitstellung beruflicher Bildungbesser wahrgenommen werden. Da Fragen vonüber- und innerbetrieblichem Lernen sowie derArbeitsorganisation verkoppelt sind, sollte die-se Thematik zum festen Bestandteil der indu-striellen Beziehungen werden. Angesichts derVielzahl von Unternehmen, die arbeitsorganisa-torische Maßnahmen wie Enthierarchisierungund Qualitätsmanagement getroffen haben, soll-te auf diese veränderten Qualifikationsanfor-derungen angemessen eingegangen werden.Anderseits muß die Arbeitsorganisation auch alsGrundlage des betrieblichen Lernens angese-hen werden. Dabei ist die in Südtirol verwurzel-te handwerkliche Tradition, die zur Polyvalenzder Arbeitskräfte beiträgt, sicherlich ein fördern-der Faktor. In diesem Zusammenhang wird dertatsächliche Beitrag der Arbeitnehmer zur Ver-besserung von Produkten und Prozessen vonden Unternehmensleitungen oft unterschätzt.Hier können entsprechende Initiativen der Ge-werkschaften dazu beitragen, betriebliche Mit-bestimmung, Produktivität und Wettbewerbsfä-higkeit miteinander zu verbinden.

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5.3 Handlungsfeld Industrie- undTechnologiepolitik: DieInnovationsstrategie

Ausgehend von der diagnostizierten Strukturschwä-che des Südtiroler Innovationssystems, legen dieErgebnisse der vorliegenden Studie folgende Inter-ventionspunkte für eine gezielte Innovations-förderung nahe:• die geringe zwischenbetriebliche Kooperations-

dichte auf regionaler Ebene,• die Innovationsbarrieren bei Technologietransfer

und Marktzugang bei den Kleinbetrieben,• die unzureichende Attraktivität des regionalen

Umfeldes für die innovativen Großbetriebe.Auch auf dem Gebiet der Innovationsförderung kön-nen rasch zu realisierende operative Maßnahmenvon mittelfristig umsetzbaren dispositivenHandlungsoptionen unterschieden werden.

5.3.1 Die operative Ebene derInnovationsstrategie

• Technologietransfer: Viele Regionen verfügenüber Technologietransfer-Agenturen. Der Südti-roler “Schalter für Technologie und Innovation”kann dafür als ausbaufähige Vorstufe angesehenwerden. Eine Technologietransfer-Agentur unter-stützt Unternehmen bei der Suche nach Informa-tionen und der betrieblichen Aneigung von Wis-sen über neue Produkte, Technologie und Märk-te.21 Eine solche sog. reale Dienstleistungkommt insbesondere kleineren Unternehmenzugute, deren Impulse zur technologischen In-novation sonst meist ausschließlich von Zuliefe-rern oder Kunden stammen. Soll eine regionaleTechnologietransfer-Agentur erfolgreich sein, somuß sie aktiv auf die Unternehmen zugehen. ZurSchaffung einer Atmosphäre des Vertrauens solltedas Personal aus dem regionalen Kontext stam-men und über kleinbetriebliche Arbeitserfahrungverfügen. Zugleich muß von seiten der Agenturselbst ein Aufbau von angemessenen Bera-tungskompetenzen erfolgen. Da in Südtirol für diemeisten Branchen nur wenig Kapazitäten für dieEntwicklung oder Anwendung von Technologienzur Verfügung stehen, stellt sich deshalb geradefür eine solche Agentur selbst das Problem desWissenstransfers. Nicht zufällig sind regionaleTechnologietransfer-Agenturen oft in Universitä-ten angelagert. Eine entsprechende Agentur inSüdtirol sollte sich deshalb zunächst auf die

Projektvermittlung konzentrieren. Dafür kann diebranchenbezogene Zusammenarbeit mit einerauswärtigen Universität oder einer anderenForschungseinrichtung gesucht werden. Ein Bei-spiel wäre der Fachbereich Holztechnik an derFachhochschule Rosenheim, mit dem einige Süd-tiroler Betriebe aus der Holzbranche Kontakte un-terhalten. Ein anderer Partner wäre das Stuttgar-ter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft undOrganisation, welches sich mit betrieblichemTechnologiemanagement befaßt, und dabei auchvon Südtiroler Unternehmen mehrfach frequen-tiert worden ist.22 Für solche Maßnahmen wärensogar EU-Fördermittel verfügbar: die “Errichtungvon Stellen für Technologieberatung“ ist eine un-ter dem Programm INTERREG II finanzierbareMaßnahme.

• Kooperationsprojekte: Die industrielle Bran-chenstruktur Südtirols mit den SchwerpunktenHolzverarbeitung, Nahrungsmittel, Maschinenbauund Metallverarbeitung weist Potentiale für einedichtere betriebliche Vernetzung auf, die vor al-lem auch den Kleinbetrieben zugute kommenwürde. Gemeinsame Projekte, die dem Aus-tausch von Erfahrung und Wissen dienen soll-ten, können den einzelnen Betrieben Anreize zurZusammenarbeit vermitteln. Eine mögliche Ziel-gruppe sind Unternehmen, die ähnliche Produk-te herstellen oder einer gemeinsamen Wertschöp-fungskette angehören. Dies sind etwa Unterneh-men derselben Branche, die zum Beispiel bei derISO-Zertifizierung oder konjunkturbedingten Ab-satzschwierigkeiten vor ähnlichen Problemen ste-hen.23 Ein wichtiger Effekt solcher Projekte ist es,bei den Unternehmen eine Nachfrage nach Pro-blemlösungen zu erzeugen, was eine der wich-tigsten Voraussetzung für die erfolgreiche klein-betriebliche Innovationsförderung ist.

• Wagniskapital für Innovationen: Das Wirt-schaftsförderungsgesetz des Landes sieht vor,daß das Land selbst Anteile an einer Beteiligungs-gesellschaft erwerben kann, die ihrerseits zeit-lich begrenzte Minderheitsbeteiligungen an ver-schiedenen Unternehmen eingehen könnte. Eswäre zu prüfen, inwiefern eine solche Gesellschaftals Vermittlerin von Wagniskapital für Innovations-projekte einsetzbar ist. Insbesondere für kleinereinnovative Unternehmen vom Typ der “flexiblenNeuerer”, ist die Finanzierungsfrage eine der be-deutendsten Innovationsbarrieren. Natürlich müß-ten seitens der Beteiligungsgesellschaft ausge-prägte technologische Kompetenzen entwickelt

21 Im Gegensatz zu einem “Business Innovation Center” (BIC)wendet sich eine Technologietransfer-Agentur auch an Un-ternehmen außerhalb eines bestimmten Geländes bzw.Gebäudes und hat wesentlich weiter gefaßte Aufgabenbe-reiche.

22 Alle hier genannten Einrichtungen wurden aus bloß illustra-tiven Gründen gewählt.

23 Als Beispiel kann das erfolgreiche deutsche Projekt “Chemi-sche Industrie im Bergischen Land” angeführt werden (vgl.Baumer und Rehfeld 1996).

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werden. In dieser Hinsicht bietet sich die engeZusammenarbeit mit einer regionalen Technolo-gietransfer-Agentur an.

• Öffentliche Aufträge und Pilotprojekte: Öffent-liche Aufträge können als Anreiz für Innovatio-nen dienen, wenn Bewerbungsmodalitäten, Ver-gabe und Kontrolle transparent und leistungsori-entiert nach wettbewerblichen Kriterien erfolgen.Mögliche Bereiche für solche öffentlichen Initia-tiven zur innovationsorientierten Auftragsverga-be wären die Entsorgungs- und Umweltschutz-technik oder die Energieversorgung. Beispiels-weise würden sich Projekte im Bereich der inSüdtirol gut etablierten thermischen Solartechnikoder der Photovoltaik anbieten.24 Ein wichtigesZiel solcher Pilotprojekte ist es, daß die Unter-nehmen die gezielte Entwicklung von Produktenund Verfahren mittelfristig selbst initiieren. Dieskann zur Schaffung einer Innovationskultur bei-tragen. Die auf diese Weise verwandtenFördergelder können deshalb viel gezielter wir-ken als eine pauschale Investitionsförderung.

• Produktionsnahe Dienstleistungen: Produk-tionsnahe Dienstleistungen haben in modernenProduktionssystemen eine große Bedeutung fürdie Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erlangt.Größere Südtiroler Industriebetriebe kooperiereninsbesondere im Bereich technischer Dienstlei-stungen oft mit auswärtigen Beratungsfirmen,was auf eine deutliche Nachfrage bei gleichzeiti-gen Defiziten des lokalen Angebotes verweist.Eine Aufwertung des regionalen Dienstleistungs-sektors ist mithin ein Weg, um den Standort fürdie mobilen größeren Unternehmen attraktiver zumachen. Bei den kleineren Unternehmen ist hin-gegen gerade die Nachfrage nach solchenDienstleistungen unzureichend ausgeprägt. Hierkönnte eine Technologietransfer-Agentur einewichtige Rolle als Inkubator im Dienstleistungs-bereich spielen, da durch die Erzeugung undFörderung einer entsprechende Nachfrage beiden Unternehmen ein Markt für private Dienst-leister entstehen würde. Dies könnte auf der An-gebotsseite unter Umständen durch die Förde-rung von entsprechenden ExistenzgründungenSüdtiroler Jungakademiker unterstützt werden.

5.3.2 Die dispositive Ebene derInnovationsstrategie

• Wirtschaftsförderung: Das neue Wirtschafts-förderungsgesetz verleiht dem Land ausgedehnteFörderungsmöglichkeiten, die neben der allge-meinen Investitionsförderung auch Maßnahmenzur Unterstützung von Forschung und Entwick-

lung, Weiterbildung, sowie der Beratung der Be-triebe vorsehen.25 Das Gesetz verweist neben dererwähnten Beteiligungsgesellschaft auch auf diekonkrete Förderung von Forschungs- und Ent-wicklungszentren. Zwar mußten die Fördersätzeden EU-Standards gemäß beschränkt werden,jedoch sind Ausnahmen für Umweltinvestitionensowie für wissensintensive Leistungen wie Bera-tung oder Ausbildung möglich. Daneben könnensolche Einrichtungen, die zu den wirtschaftlichbedeutsamen Standortfaktoren gezählt werden,ausnahmsweise mit beträchtlich höheren Sätzengefördert werden. Die Voraussetzungen für eineFörderung der oben angeführten operativenMaßnahmen sind somit gegeben. Die im we-sentlichen reaktive Ausrichtung der Wirtschafts-förderung könnte in diesem Sinne durch eineaktive, kreative und offensive Strategie ergänztwerden. Um die notwendigen Impulse zu setzen,sollten Akteure wie Land, Handelskammer, Ver-bände und Gewerkschaften entsprechende In-itiativen anstoßen. Dies sollte angesichts desderzeit noch vorherrschenden Gießkannenprin-zips, das u.a. Mitnahmeeffekte bewirkt, eine un-bedingte Prioritätensetzung einschließen.

• Leitbilder für die Zukunft der Südtiroler Indu-strie: Die weitere Entwicklung der Südtiroler In-dustrie unterliegt keinesfalls ausschließlich denanonymen Kräften der globalen Märkte. Tatsäch-lich bestehen gerade in Zeiten des rapiden tech-nologischen und institutionellen Wandels eindeu-tige Möglichkeiten zur Ausgestaltung politisch ge-wollter Modelle der regionalen Entwicklung. Vor-aussetzung dafür ist die Entwicklung von Leitbil-dern im Rahmen einer gemeinsam geführtenDiskussion. In diesem Zusammenhang könnteeine von den Sozialpartnern und dem Land be-schickte Arbeits- und Reflexionsgruppe dieAufgabe übernehmen, den aktuellen Entwick-lungsstand der Industrie zu beurteilen, neue Ide-en zur weiteren Entwicklungsrichtung der Indu-strie auszuarbeiten, sowie neue Formen der So-zialpartnerschaft für eine innovationsorientierteIndustriepolitik aufzuzeigen. Ein wissenschaftlichorientierter Arbeitskreis könnte im Sinne einesIndustrieobservatoriums begleitend tätig sein,um die bei verschiedenen Organisationen vorhan-denen Daten zu bündeln und die laufende Ent-wicklung über langfristig koordinierte Erhebun-gen zu sondieren. Die Leitbildentwicklung könn-te auf diese Weise sachlich fundiert werden, wasletztlich auch zu einem industriepolitischen Kon-sens in Südtirol beitragen würde.

25 “Maßnahmen des Landes Südtirol zur Förderung der ge-werblichen Wirtschaft”. Landesgesetz vom 13/02/1997, Nr.4. Amtsblatt Nr. 13/I-II vom 18/03/1997.

24 Dieser Vorschlag ist in ähnlicher Form in den „Thesen zumIndustrieplan“ enthalten.

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

AFI/IPL - DOKUMENTATION 13/1999

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LITERATUR

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

AFI/IPL - DOKUMENTATION 13/1999

Anhang 2: Tabellenmaterial

Tab. A2: Betriebliche Innovationsbarrieren, nach Betriebsgröße

Chemie/Kunststoff 25 17 25Elektro/Optik 29 43 14Fahrzeug-/Maschinenbau 38 31 13Holz/Möbel 43 35 0Nahrungsmittel/Getränke 13 27 7Metall/-verarbeitung 27 18 27Papier/Druck/Graphik 13 0 38Durchschnitt 24 21 15

INNOVATIONEN, OUTPUTProdukt-

verbesserungenneue

ProdukteProzeß-

innovation

Umgesetzte Innovationen auf Branchenniveau 1997, in % der Betriebe ausgewählterBranchen, Mehrfachnennungen möglich (Quelle: Befragung AFI/IPL).

BETRIEBSGRÖSSENKLASSE 21-50 51-100 101-250 >250 ∅

Schwierige Finanzierung 38 25 41 33 35Ertragsunsicherheit 56 29 47 25 43Mangel an Facharbeitern 69 50 41 42 55Mangel an Akademikern 10 13 18 58 18Einschulung Mitarbeiter 28 17 29 17 24Mangel Fachinformationen 23 17 0 0 14Ungeeignete Förderung 18 13 35 17 20Sonstige 3 8 6 8 5

Unternehmen mit mehr als 19 Beschäftigten, in % der Unternehmenpro Größenklasse, Mehrfachnennungen möglich (Quelle: Befragung AFI/IPL).

Anhang 1: Methodik und Rücklauf der Datenerhebung

Die Untersuchung stützt sich wesentlich auf eine schriftliche Befragung Südtiroler Industriebetriebe. Dar-über hinaus wurden Interviews mit Führungskräften und Belegschaftsvertretern ausgewählter Unterneh-men, mit Vertretern der Landesverwaltung sowie mit Experten der Verbände und Gewerkschaften geführt.Die schriftliche Erhebung erfolgte mittels Fragebögen, der den Unternehmen per Post zugesandt wurden.Die Grundgesamtheit umfaßte alle Südtiroler Unternehmen der verarbeitenden Industrie mit über neunBeschäftigten, sowie die Industrieunternehmen im Bausektor mit über 14 Beschäftigten. Insgesamt konn-ten 320 Unternehmen kontaktiert werden. Dank der freundlichen Mitarbeit der Unternehmen wurde einehohe Rücklaufquote von 38% der versandten Fragebögen erreicht. Die Repräsentativität des so gewonne-nen Datenmaterials wird dadurch unterstrichen, daß die erhobenen Daten Unternehmen mit insgesamtüber 13.000 Beschäftigten erfassen. Dies entspricht einem erfaßten Anteil von 53% der Beschäftigten inBetrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern.

Tab. A1: Innovationen nach Branchen

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INDUSTRIE-STANDORT SÜDTIROL

AFI/IPL - DOKUMENTATION 13/1999

Tab. A4: Wichtige Fähigkeiten

Spezialisierte technische Kenntnisse 63

EDV-Kenntnisse 33

Automatisierte Fertigungssysteme 23

Kommunikative Fähigkeiten 16

Selbständigkeit 44

Fähigkeit zur Teamarbeit 57

Lernfähigkeit 42

«Auf welche Fähigkeiten und Kompetenzen werden Sie in Zukunft verstärkt setzen?» Anzahl der Ja-Nennungen in % der Unternehmen, Mehrfachnennungen möglich (Quelle: Befragung AFI/IPL).

Tab. A3: Wichtige Qualifikationen

im Betrieb angelernte Qualifikationen 66

allgemeine handwerkliche Erfahrung 45

Meisterprüfung 12

Oberschulabschluß 23

Fachhochschulabschluß/“laurea breve“ 19

Universitätsabschluß (technisch) 16

Universitätsabschluß (Wirtschaft, Recht) 4

bedarfsgerechte Weiterbildung (Kurse...) 60

«Auf welche Qualifikationen werden Sie in Zukunft verstärkt setzen?», Anzahl der Ja-Nennungen in %der Firmen pro Größenklasse, Mehrfachnennungen möglich (Quelle: Befragung AFI/IPL).