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8. Wissensmanagement "Fiir einen Menschen ohne Scheuklappen gibt es kein schoneres Schauspiel als die Int elligenz im Wid erstreit mit einer ihm iiberle- genen Wirklichkeit." (Albert Camus) Wissensmanagement beschiiftigt sich mit der wirtschaftlichen Unterstiit- zung (im Sinne einer Strukturierung) der Generierung, Distribution und Al- lokation von Wissen. Die organisationale Wissen sbasis setzt sich dabei aus individuellen und kollektiven Wissensbestiinden zusammen, auf die eine Or- ganisat ion zur Losung von Problemen zugreifen kann . Organisati onales Ler- nen betrifft die Veranderung der organisationalen Wissensbasis, die Schaf- fung kollektiver Bezugsrahmen sowie die Erhohung der organisationalen Pro- blemlosungs- und Handlungskompetenz. Wissensmanagement bildet in die- sem Zusammenhang ein integri ertes Interventionskonzept zur Gestal tung der organisationalen Wissensbasis; vgl. Probst et al. (1998). Um einen effizienten Zugriff auf das unternehmensinterne Wissen und eine (teilautomatisierte) Nutzung dieses Wissens zu gewiihrleisten, bietet es sich an, den Begriff des Wissens, der in Kap. 1.2 eingefiihrt wurde, noch einmal zu betrachten. So lassen sich mogliche Bereiche beschreiben, die durch ein Wissensmanagement gestaltet werden konnen. Das Wissen laBt sich (fiir unsere Betrachtungen sinnvoll) in drei Bereiche (unter-) gliedern: 1. Allgemeinwissen • kein unmitt elbarer Aufgabenbereich • i.d.R. vollstiindig priisent 2. Spezial- und Fachwissen • deklaratives Wissen (Was, symbolische Beschreibung) • prozedurales Wissen (Wie, Operationen) 3. Meta-Wissen iiber den Einsatz des Wissens (Warm)! Das koordinierte (organisationale) Lernen inn erhalb der Organisation ist ein Ziel des Wissensmanagements, wobei das Spezial- und Fachwissen der ein- zelnen Mitarbeiter von besonderer Bedeu tung ist, da dieses in entsprechen- den Entscheidungssitu ationen wiederholt zum Einsatz kommt oder kommen 1 Wir haben Meta-Wissen auch als die Fahigkeit definiert, implizites in explizites Wissen zu iiberfiihren. Heide Ansatze basieren auf demselben Grundgedanken, sich seines Wissens und dessen Anwendung bewuBt zu sein. S. Voß et al., Informations-management © Springe-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001

Informationsmanagement || Wissensmanagement

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Page 1: Informationsmanagement || Wissensmanagement

8. Wissensmanagement

"Fiir einen Menschen ohne Scheuklappen gibt es kein schoneresSchauspiel als die Int elligenz im Widerstreit mit einer ihm iiberle ­genen Wirklichkeit. " (Albert Camus)

Wissensmanagement beschiiftigt sich mit der wirt schaftli chen Unterstiit­zung (im Sinne einer Strukturierung) der Generierung, Distribution und Al­lokation von Wissen . Die organisationale Wissensbasis set zt sich dabei ausindividuellen und kollekti ven Wissensbestiinden zusammen, auf die eine Or­ganisat ion zur Losung von Problemen zugreifen kann . Organisati onales Ler­nen betrifft die Veranderun g der organisat ionalen Wissensbasis, die Schaf­fung kollektiver Bezugsrahmen sowie die Erhohung der organisat ionalen Pro­blemlosungs- und Handlungskompetenz. Wissensmanagement bildet in die­sem Zusamm enhang ein int egriertes Interventionskonzept zur Gestaltung derorganisationalen Wissensbasis; vgl. Probst et al. (1998) .

Um einen effizient en Zugriff auf das unternehmensinterne Wissen undeine (teilautomatisierte) Nutzung dieses Wissens zu gewiihrleisten, bietet essich an, den Begriff des Wissens, der in Kap . 1.2 eingefiihrt wurde, nocheinmal zu betrachten. So lassen sich mogliche Bereiche beschreiben, die durchein Wissensmanagement gest alt et werden konnen. Das Wissen laBt sich (fiirunsere Betrachtungen sinnvoll) in drei Bereiche (unter-) gliedern :

1. Allgemeinwissen• kein unmittelbarer Aufgabenbereich• i.d.R. vollstiindig priisent

2. Spezial- und Fachwissen• deklaratives Wissen (Was, symbolische Beschreibung)• prozedurales Wissen (Wie, Operationen)

3. Meta-Wissen iiber den Einsatz des Wissens (Warm)!

Das koordinierte (organisationale) Lernen innerhalb der Organisation istein Ziel des Wissensmanagements, wobei das Spezial- und Fachwissen der ein­zelnen Mitarbeite r von besonderer Bedeutung ist , da dieses in entsprechen­den Entscheidungssituati onen wiederhol t zum Einsatz kommt oder kommen

1 Wir haben Meta-Wissen auch als die Fahigkeit definier t , implizites in explizit esWissen zu iiberfiihren . Heide Ansatze basieren auf demselben Grundgedanken ,sich seines Wi ssens und dessen Anwendung bewuBt zu sein .

S. Voß et al., Informations-management© Springe-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001

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318 8. Wissensmanagement

sollte . So definieren z.B. von Kortzfleisch und Winand (1997) die Aufgabedes Wissensmanagements als das Leitungshandeln in bezug auf Lernprozesse.Ubergeordnetes Ziel ist dabei die Anwendung von Wissen. Ein GroBteil desfachspezifischen Wissens liegt z.B. in Form potentieller Informationsquellenin unternehmensinternen Dokumenten versteckt, so daB das Dokumenten­management in der Literatur oftmals als ein wesentlicher Bestandteil desWissensmanagements betrachtet wird; vgl. Kap. 7.5.

Probst et al. (1998) beschreiben das Wissensmanagement anhand von zu­gehorigen Bausteinen, die im folgenden kurz erlautert werden sollen. Diesestehen in enger Beziehung zueinander und konnen daher nicht isoliert von­einander betrachtet werden. Einen auBeren, typischen Managementkreislaufbilden die Elemente Zielsetzung (Wissensziele) , Umsetzung und Bewertung(Wissensbewertung), die auch eine strategische Ausrichtung des Wissensma­nagements - d.h. langfristige Lernprozesse, z.B. zur Bildung von Kernkom­petenzen - implizieren solien.2

Die eigentliche Umsetzung des Wissensmanagements kann durch eineninneren Kreis beschrieben werden, der die Komponenten Wissenstranspa­renz, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens( ver)teilung, Wissensbe­wahrung und Wissensnutzung beinhaltet. Der erste Schritt dieses Kreisesbeinhaltet den Ubergang von implizitem Wissen zu (teilweise) explizitemWissen (Transparenz bzw. Identifikation). Dabei ist es natiirlich zumindesterforderlich, zu wissen, wer im Unternehmen in welchen Bereichen Experteist. Hier kann z.B. versucht werden, die Kenntnisse und Fahigkeiten (Kern­kompetenzen) der Mitarbeiter zu erheben und im Zusammenhang mit einemIntranet iiber eine Wissenslandkarte analog zu anderen Dokumenten zu ver­walten; vgl. Kap . 6.2.2.3 Im zweiten Schritt (Wissenserwerb) sind vorhandeneWissensinhalte gegebenenfalls urn weitere Kenntnisse bzw. Fahigkeiten zuerganzen, urn die Ziele der Unternehmensfiihrung zu erreichen. Hier kommenvor allem die Weiterbildung von Mitarbeitern, Kooperationen mit anderenFirmen oder Instituten bzw. Neueinstellungen sowie z.B. Marktforschungs­aktivitaten in Frage.

Die Wissensentwicklung befaBt sich mit der Schaffung neuer Fahigkeitenund Produkte, besserer Ideen und leistungsfiihigerer Prozesse. Sie kann aufeiner individuellen und einer kollektiven Ebene erfolgen. Auf der individuel­len Ebene sind Kreativitat und systematische Problemlosungsfahigkeit eine

2 Andere Ansatze betonen den Bezug zur Modellierung von Geschaftsprozessen,bei denen einzelne Aktivitaten nur durch entsprechende Wissensbestande(Fahigkeiten) erfiillt werden konnen. Diese sind bei der Geschaftsprozefl­modellierung ebenfalls abzubilden und definieren somit eine (notwendige) Wis­sensbasis; vgl. hierzu z.B. Warnecke et al. (1998), Allweyer (1998) sowie Hage­meyer und Rolles (1998). Des weiteren sei an dieser Stelle auf die Beitrage inBiirgel (1998) zum Wissensmanagement verwiesen .

3 Es ist zu bedenken, daf3 die Offenlegung von impliziten Modellen immer auch inVerbindung mit der Darstellung oder auch Anleitung zur Nutzung bestehenderexpliziter Entscheidungsmodelle (die gegebenenfalls bereits implementiert vor­liegen) stehen sollte. Auf diese Thematik wird in Kap. 8.1 explizit eingegangen.

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8. Wissensmanagement 319

notwendige Voraussetzung. Urn Ergebnisse entsprechender Prozesse transpa­rent zu machen und weitere Personen an den Ergebnissen partizipieren zulassen, ist z.B. das Vorschlagswesen ein m6gliches Mittel; vgl. z.B. Thorn(1996). Kollektive Lernprozesse, z.B. innerhalb von Projekten oder spezielleinberufenen Besprechungen, konnen durch eine informationstechnische Un­terstiitzung aus dem Bereich Groupware (Kap. 9.1) und eine abschlieBendeRefl.exion iiber das Erlernte transparent gemacht werden. Durch Erstellungvon "Lessons learned"-Dokumenten kann so das erworbene Wissen z.B. an­deren Teams zur VerfUgung gestellt werden.

Die Wissens(ver)teilung beschreibt die erneute Aufnahme von zuvor ex­plizit abgelegtem Wissen oder den direkten Transfer von implizitem Wissen .Dabei ist zu bedenken, daf Wissen immer personengebunden ist. Liegt diesesWissen nicht in expliziter Form vor, so kann es erforderlich sein, das Wissenfiir eine Aufgabe bzw. Entscheidungssituation, z.B. im Rahmen der Produkt­entwicklung, durch eine Zusammenarbeit zu transferieren (von implizitem zuimplizitem, aber auch zu explizitem Wissen).4 IT-Infrastrukturen k6nnen denhierzu notwendigen Austausch von Informationen fordern, vor allem mittelsGroupware-Applikationen und Management Support-Systemen. Es bleibt zubedenken, daB in der Praxis dem eigenverantwortlichen Wissenstransfer einehohe Bedeutung beigemessen wird; vgl. Bullinger et al. (1998) fur eine empiri­sche Studie. Urn Wissen gezielt zu verteilen, konnen zudem z.B. Innovations­oder Qualitatszirkel bzw. spezielle Arbeitskreise gebildet werden.

Die Wissensbewahrung (Bewahrung der Kernkompetenzen) geht von demGrundsatz aus, daf einmal erworbene Fahigkeiten in der Zukunft nicht au­tomatisch zur Verfiigung stehen. So miissen Erfahrungen, z.B, in Form vonDokumenten, gezielt verwaltet werden . Das Problem liegt hier wiederum inder Differenzierung von wichtigen und unwichtigen Dokumenten begriindet,Die Verlalllichkeit oder Reliability von Dokumenten, wie in Kap . 7 diskutiert,kann im Rahmen der Datenhaltung zunachst allein durch den Verfasser oderHerausgeber gewahrleistet werden. So steht ein guter Autor meist fiir guteBeitrage. Besteht fiir Quellen (Dokumente) die M6glichkeit, festzuhalten, wieoft auf diese zugegriffen wurde, diese gedruckt oder per E-Mail verschicktwurden etc., so kann aus solchen und weiteren Informationen mittels statisti­scher Auswertungen ebenfalls (zu einem gewissen Grad) auf die Verlafdichkeitgeschlossen und ein Wissensmanagement in diesem Bereich unterstiitzt wer­den. Wissensinhalte, die nur implizit vorliegen und nicht expliziert werdenkonnen, sind durch eine geeignete Personalpolitik und die Ubertragung desWissens auf andere Organisationsmitglieder sicherzustellen.

4 So beschreibt Nonaka (1992), wie japanische Konzerne die Wissensentwicklungund Wissensverteilung biindeln, um neues Wissen zu generieren. Neben der Formder Fiihrung mit dem Ziel, daB Mitarbeiter ihr Wissen preisgeben, werden vorallem Konzepte der Ideenfindung (iiber die Nutzung von Metaphern, Analo­gien und Modellen) und organisatorische MaBnahmen, wie z.B. Rotation undiiberlappende Teams diskutiert.

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320 8. Wissensmanagement

Die Wissensnutzung stellt schlieBlichdas Ziel und den Zweck des Wissens­managements und somit der Gestaltung der weiteren Bausteine dar. Hiersind vor allem Barrieren der Adaption fremden Problemlosungsverhaltensund die Beibehaltung bewahrter Routinen zu iiberwinden. Natiirlich kanndas Wissen unterschiedlichster Personen in Losungen eingehen; in diesemKapitel beschaftigen wir uns im weiteren aber vornehmlich mit Werkzeugen ,die dazu dienen, einzelne Personen bei der Erstellung ihrer Losungen zu un­terstiitzen. Urn sie zu klassifizieren, konnen diese Werkzeuge in bezug zumEntscheidungsprozeB gesetzt werden :

1. (Teil-) Automatisierung des Entscheidungsprozesses in einem bekanntenund fest definierten Wissens- bzw. Entscheidungsbereich (Bereitstellungvon Expertenwissen als direkt abfragbarem Wissen unter Ausschluf derNutzung von Allgemeinwissen)

2. Beschleunigung oder Ermoglichen der im EntscheidungsprozeB notwen­digen Informationsverarbeitung (Bereitstellung von Verfahren der Infor­mationsverarbeitung, z.B. Algorithmen, "Best-Practice"-Losungen oderBereitstellung von Verweisen auf Personen, die sich mit entsprechendenEntscheidungsfeldern auskennen)

3. (Teil-) Automatisierung der Sichtung (Generierung) neuen Wissens (neueFakten oder Regeln als Eingangsvariablen von Entscheidungsmodellen)

Der erste Ansatzpunkt befaBt sich damit , deklaratives und prozeduralesWissen explizit darzustellen (z.B. in Form von Fakten und Regeln) sowieVerfahren (anwendbares prozedurales " Wissen" ) bereitzustellen, urn diesesWissen zu reproduzieren und zu nutzen. Dabei liegt eine Hauptschwierig­keit darin, das oftmals nur implizit vorliegende Wissen in explizites zu wan­deln und geeignet zu verwalten; vgl. hierzu die Ausfiihrungen in Kap. 4. DieFachliteratur beschaftigt sich auf diesem Gebiet weiterhin mit Verfahren zurDarstellung von Wissen sowie den geeigneten Zugriffs- und Auswertungsme­chanismen, idealtypisch also mit der automatisierten Entscheidungsfindung;vgl. z.B. Partridge und Hussain (1995).

In diesem Kontext werden wissensbasierte Systeme, die das Wissen unddie Problemlosungsfahigkeit eines Experten nachahmen sollen, vertiefend be­handelt. Sie bestehen idealtypisch aus einer Faktenbasis, einer Menge vonRegeln , urn zu neuen Fakten (Ergebnissen) zu kommen, sowie einer Infe­renzmaschine, die ein automatisiertes SchlieBen realisiert . Anders als bei denDSS, bei denen der Benutzer mit den implementierten Verfahren und Re­geln vertraut sein mufi, erfolgt auch dieser kognitiv anspruchsvolle Vorgangautomatisiert. Natiirlich muf dabei das gesamte Problemfeld durch Regelnabgedeckt sein, urn immer zu einem Ergebnis zu gelangen, was den Anwen­dungs bereich auf einfache Diskurswelten eingrenzt (vgl. Abschnitt 8.3).

Ein weiterer Ansatz im Kontext der wissensbasierten Systeme ist es, Wis­sen nicht nur in Form von einfachen Regeln (Wenn-Dann) , sondern in Formbereits geloster Falle explizit darzustellen. Hier ist der Ubergang von impli­zitem zu explizitem Wissen einfacher. Die Nutzung dieser Falle kann durch

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8. Wissensmanagement 321

Vergleiche der Problembeschreibungen erfolgen , was den Losungsprozef zu­satzlich beschleunigt. Case-based Reasoning-Systeme verfolgen diesen An­satz.

Versteht man unter der Unterstiitzungsfunktion des Wissensmanagementsnicht nur das "Kopieren" des Wissens anderer, so ist das Themengebiet wei­ter zu fassen als aus der ersten Blickrichtung, d.h . es sind weitere Werkzeugezu analysieren, die bei der Erstellung von Wissen (Losungen) genutzt werdenkonnen, Die Wissenserlangung kann sich nun darauf beziehen , neue Fak­ten aufzunehmen (Erweiterung des deklarativen Wissens), z.B. mittels einesManagement Information-Systems (MIS) oder eines Executive Information­Systems (EIS) , und in impliziten (Denk-) Modellen zu verarbeiten. Es kannaber auch notwendig sein, eingelesene Fakten explizit zu verarbeiten, d .h. somiteinander zu kombinieren, daf das fiir eine Entscheidung notwendige Wis­sen generiert wird. Es ist zu beachten, daB ein implizites Modell gegebenen­falls nicht mehr alle Losungsaltemativen erfassen, bewerten und vergleichenkann . Hier sind explizit formulierte Verfahren anzubieten (als ein Aquivalentzum prozeduralen Wissen) , z.B. Verfahren des Operations Research in ent­scheidungsunterstiitzenden Systernen, den DSS. In diesem Kapitel werdenwir im Rahmen der entscheidungsunterstiitzenden Systeme daher auch Werk­zeuge zur Verarbeitung von Daten im EntscheidungsprozeB behandeln."

Neben dieser Form der (unmittelbar problembezogenen) Entscheidungs­unterstiitzung gehen wir in diesem Kapitel auch auf die Lernunterstiitzungein, die eine weitere Auspragung der Entscheidungsunterstiitzung darstellt.Grundgedanke ist hier , neue Beziige (Muster) zu erkennen. Auf der "philo­sophischen Ebene" bedeutet dies, daB bei Bekanntsein aller Daten Muster inden Datensatzen yom Entscheider nicht selbstandig erkannt werden , sonderndaB das Lernen (als automatisiertes Erkennen von Mustern) unterstiitzt wird.Umgangssprachlich ausgedriickt soll der "Aha-Effekt" des Lernens entwedererst errnoglicht oder zumindest beschleunigt werden . In diesem Rahmen stel­len wir Konzepte des Data Mining vor.

In Abb. 8.1 sind die drei Ansatze auf der Ebene der Informationsverarbei­tung (Methoden und Modelle) als ProzeB der Wissensgenerierung eingeord­net. EIS sind auf der Ebene der Bereitstellung von Informationen dargestelltund somit eigentlich nicht Gegenstand des Wissensmanagements. Sie werdenaufgrund der Nahe zu den DSS und der Tatsache, daf sie die Schnittstellezum Entscheider darstellen und zur Beschleunigung der Informationsverar­beitung, insbesondere der Beschaffung, dienen, dennoch in diesem Kapitelbehandelt. Der Abbildung ist weiterhin die Kombination von Data Mining­Systemen und WBS zu entnehmen. Durch Data Mining-Systems gefundeneRegeln (Muster) konnen in die Regelbasis eines WBS direkt eingehen oder(lediglich) neue Fakten ausgeben, die der Entscheider wiederum mittels impli-

5 Eingangs haben wir ja bereits dargelegt, daf eine wesentliche Aufgabe des In­formationsmanagements darin besteht, Entscheidern eine Transparenz tiber all­gemeine explizit formulierte Losungsverfahren (als Information) bereitzustellen,urn die Entscheidungsgiite (durch Erlangen neuen Wissens) zu verbessern.

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322 8. Wissensmanagement

ziter Entscheidungsmodelle oder z.B. vermoge eines DSS verarbeiten kann .Auch existieren EIS mit einer Data Mining-Komponente, die die Informa­tionsselektion (z.B. systemgestiitzte Abweichungsanalysen) unterstiitzt; vgl.Mertens et al. (1997) .

implizite Modelleund Methoden

MSS / insbesondere EIS

Abbildung 8.1. Betrachtungsgegenstande des Wissensmanagements

Alle angesprochenen Unterstiitzungsfunktionen stehen im engen Zusam­menhang zur Gestaltung von Informationssystemen. Eine Klassifikation ver­schiedener Systeme, die z.T . in Abb. 8.1 dargestellt sind , liiBt sich folgender­maBen angeben: Generelllassen sich zunachst Transaktionssysteme, Manage­ment Support-Systems (MIS, EIS und DSS), WBS und Biiro-Informationssy­steme" unterscheiden, wobei auch eine Einordnung der WBS in die Manage­ment Support-Systeme in der Literatur zu finden ist ; vgl. Oppelt (1995). Ver­fahren zur Wissensgenerierung lassen sich direkt auf Management Support­Systeme (MSS) und WBS begrenzen. Data Mining-Systeme konnen entwe­der der Gruppe der DSS und WBS zugerechnet werden oder aufgrund ih-

6 Biiro-Informationssysteme (auch als Biiro-Kommunikationssysteme bezeichnetbzw. in neuerer Literatur insbesondere im Umfeld von Groupware-Systemenzu finden; vgl. Kap. 9.1) dienen der Optimierung der Ablauforganisation imBiiro durch eine Vereinheitlichung der Kommunikationsstruktur. Ein Projekt,das sich mit diesen Systemen beschaftigt, ist das sogenannte Office 21; vgl.http://www.office21.de/. Stand 03.05.1999. 1m Kontext neuer Koordinationsfor­men der Arbeit - vor allem im Hinblick auf eine Vision des papierlosen Biiros ­wird hier auch das Biirohaus zum Gegenstand der Betrachtung. Angestrebt wirddabei eine hohere Effizienz der Arbeitsprozesse in Verbindung mit okonomischund okologisch anspruchsvollen Konzepten, die neb en der IT-Infrastruktur auchenergieoptimierte Heizungs-, Beliiftungs- und Beleuchtungssysteme, die Raum­akustik, raumstrukturierende Elemente sowie die Oebaudeleittechnik zum Ge­genstand haben.

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 323

rer besonderen Funktionalitaten eine eigenstandige Gruppe der ManagementSupport-Systeme definieren. In Zusammenhang mit dem Data Warehouse­und dem OLAP-Konzept hat sich hier der Begriff der analytischen Informa­tionssysteme durchgesetzt; vgl. Chamoni und Gluchowski (1999) sowie Kap.7.1.2.

Urn entscheidungsrelevante Daten aus operativen Systemen geeignet zuextrahieren und zu verwalten sowie einen einfachen und schnellen Zugriff aufsich ergebende Analysedaten zu errnoglichen, sind Data Warehouse-Konzepteund OLAP anwendbare Technologien. Basierend auf diesen Technologienoder eigenstandigen Datenbanken sowie gegebenenfalls weiteren Werkzeu­gen stellen MSS die Schnittstelle zum Entscheider dar. Eine Einordnungder MSS in Data Warehouse- und OLAP-Architekturansatze laBt sich Abb.8.2 entnehmen. MSS erlauben dabei eine geeignete Informationsverarbei­tung, entweder durch die erweiterte Aufbereitung der Informationen (als Re­ports) oder Moglichkeiten der Weiterverarbeitung (Erstellung spezieller Gra­phiken, Ubernahme als Eingabe-Daten in normative Entscheidungsmodelleetc .). MSS sind aber dariiber hinaus durch weitere (optionale) Komponentenund entsprechende Funktionalitaten gekennzeichnet. Verschiedene Produkteim Data Warehouse-Bereich umfassen neben der eigentlichen Datenbank­Software weitere Front End- Werkzeuge, wie z.B. Abfrage-, Berichts- oderOberflachengeneratoren sowie Tabellenkalkulationsprogramme. Diese stellenallerdings keine Bestandteile des Data Warehouse im engeren Sinne dar, zu­mal sie durch Nutzung offener Schnittstellen austauschbar bleiben sollen,sondern konnen als Generatoren zur Erstellung von MSS charakterisiert wer­den; vgl. Gabriel et al. (2000).

WBS und XPS unterscheiden sich von DSS auch dadurch, daB die Da­tenbasis aufgrund der Anforderungen an die Datenstrukturen nicht fiir dieIntegration in ein Data Warehouse konzipiert ist, sondern vielmehr eine ei­genstandige, anwendungsbezogene Datenbank erfordert. In den folgenden dreiAbschnitten werden wir auf Systeme zur Entscheidungsunterstiitzung (MIS,EIS, DSS), zur Lernunterstiitzung (Data Mining) und zur automatisiertenLosungsgenerierung (WBS und XPS) eingehen.

8.1 Entscheidungsunterstiitzung - ManagementSupport-Systeme

"Since his [the manager's] job is to keep everybody going in the samedirection, his chief daily task will be communication, not decision­making [... ]. I do not share the salesman-projected vision of the "ma­nagement total-information system," wherein the executive strokesan inquiry into a computer, and a display screen flashes his answer.There are many fundamental reasons why this will never happen.One reason is that only a small part - perhaps 20 percent - of the

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324 8. Wisse nsmanagement

/ '/ 7 '/ /

Kommun ikations - Ven eiltes An- Planu ngs- und Spez ielle Anwend ungs-sys tem wendungssys tem Entscheidungs- systcmc (z.B. Projekt-

(z.B. Gro upware) sys tem management) V

Management Support-Systeme

!Ana lysen und Beriehte ! Analysen und Beriehte !I ROLAP-Engine I

(weitere) interne +und externe UInformat ions- ~ ~systeme Man Mart

l J---.

MO LAP-S erverzentrale Datenbasis(re lational)

Data Warehouse

t t tDirektzugriff oder Import mit Datenextraktion und Tran sform ationsprozeB

t t texterne Daten I I Tra nsaktionssysteme I Iexterne Daten

Abbildung 8.2. Einordnung der MSS in Data Warehouse- undOLAP-Architekturansatze

executives 's time is spent on tasks from outside his head. T he restis communication: hearing, reporting, teaching, exhorting, conseling ,encouraging. But for the fraction that is data-based, the handful ofcritical documents are vital, and they will meet almost all needs . Thetask of the manager is to develop a plan and then to realize it . Butonly the written plan is precise and communicable." (Broo ks (1975),S. 111 f.)

"Computergestiitzte Management-Informationssysteme konnen zueinem Informationsniveau fiihren, das mit den t raditionellen Verfah­ren des Rechnungswesens und der statistischen Analyse nicht zu er­reichen ist . Wie groB aber immer in Zukunft die Leistungen derartigerSysteme sein werden, sie verrnogen entschluflfahige Personlichkeitennicht zu ersetzen." (Gutenberg (1983), S. 133)

Wir kehren in diesem Abschnitt zu den Problemen, die wir in Puzzles,Problems und Messes unterschieden haben, zuriick. Probleme der betrieb­lichen Praxis sind zumindest auf strategischer Ebene oftmals durch Messesgekennzeichnet . Innerhalb dieser komplexen Gebi lde von Problemen gilt es,

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 325

relevante Teilprobleme zu erkennen (wenn schon nicht die Probleme in ihrerGesamtheit) und Losungen fiir diese Probleme zu entwickeln. Hierzu wer­den Messes oder Problems oftmals auf Puzzles reduziert, diese dann gelostund die Losungen schlieBlich auf die Realitat, d.h. die Ebene der Messes,riickiibertragen. Ob das richtige Problem erkannt wurde und die Reduktionder Probleme sinnvoll (oder korrekt) war, zeigt sich allerdings oftmals erstbei Anwendung der Losung in der Realitat.

Wir geben in diesem Abschnitt Moglichkeiten zur Unterstiitzung des ge­samten Entscheidungsprozesses an, angefangen bei der Problemerkennung,z.B. durch eine automatische Reportgenerierung, deren Inhalt Kennzahlenaus dem Controlling sein konnen. Einen Schwerpunkt bilden allerdings Ver­fahren (aus dem Bereich des Operations Research) zur Problemlosung.

Management Support-Systeme sind allgemein Hilfsmittel zur Problemlo­sung und -handhabung fiir Entscheider. Unter diesem Begriff werden aller­dings unterschiedliche Informationssysteme verstanden. Angebotene Systemesind durch verschiedene Funktionen gekennzeichnet und werden mit immerneuen Schlagworten bezeichnet, so daB eine eindeutige Definition praktischunmoglich ist.

Bereits seit den 60er Jahren wird versucht, Fachabteilungen und Mana­gern ein elektronisches Informationssystem zur Verfiigung zu stellen. Im Laufeder Zeit wurden aufgrund technischer Neuerungen und unterschiedlicher Ak­zeptanz der Systeme eine Vielzahl von Losungsansatzen erstellt. MSS konnendabei prinzipiell den Informations- und Kommunikationssystemen unterge­ordnet werden. Eine mogliche Klassifizierung laBt sich folgendermaBen ange­ben :

• Management Information-Systeme (MIS): Einfache Reports zur Informa­tionsgewinnung aus operativen Datenbestanden

• Executive Information-Systeme (EIS): Daten unterschiedlicher Aggregati­onsstufen (intern / extern), Berichte, Kommunikationselemente

• Decision Support-Systeme (DSS): Erweiterung des Funktionsumfangs urnMethoden und Modelle

Gemeinsames Merkmal aller Ansatze ist die Unterstiitzung von Entschei­dungsprozessen. MIS und EIS beschranken sich aber im Funktionsumfangauf verschiedene Berichtsarten, die in Standardberichte, Abweichungsberichteund Bedarfsberichte unterschieden werden konnen; vgl. Horvath (1996) oderKiipper (1997).

MIS wurden mit dem Ziel entwickelt, den Einsatz von DV-Systemenfiir aile Unternehmensbereiche und -funktionen zu ermoglichen, Bis zurEinfiihrung von MIS wurde die DV nur fiir Routinearbeiten eingesetzt. So un­terstiitzte sie die tagliche Arbeit von Sachbearbeitern z.B. in den BereichenFinanzbuchhaltung, Bestellabwicklung und Auftragserfassung. Die iiberaushohen Anspriiche der damaligen Zeit an ein MIS lassen sich folgendermaBenzusammenfassen (vgl. Jahnke (1991), S. 45 f.):

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326 8. Wissensmanagement

• Umfassende, unternehmensweite, entscheidungsrelevante Inforrnationsver­sorgung aller Fiihrungsebenen

• Verdichtung samtlicher Unternehmensdaten• Zugriffsmoglichkeiten auf alle Daten bzw. Informationen zu jedem beliebi­

gen Zeitpunkt• Automatisierung der Unternehmensfiihrung

Insbesondere die Anforderung an die Automatisierung der Unterneh­mensfiihrung symbolisiert den "Groflenwahn" der Entwickler. Der damaligeAnsatz sah vor, daf ein ganzes Unternehmen vom Schreibtisch aus mit Hilfedes Computers und der darin enthaltenen mathematischen Modelle gesteu­ert werden sollte .? Genau an diesem Punkt setzt die eingangs des Kapitelszitierte Kritik von Brooks (1975) an. Bereits aus den Veroffentlichungen der60er Jahre geht deutlich hervor, daB eine vollstandig quantitative Ausrich­tung der Untemehmensfiihrung aufgrund der Art der Aufgaben des (Top-)Managements illusorisch ist. Dale und Urwick (1960) geben einen Uberblickiiber die Funktionen der Fiihrung (des Top-Managements) einschlieBlich desprozentualen Anteils an der Gesamtarbeitszeit. Ihren Ausfiihrungen ist im­plizit zu entnehmen, daf nur ein geringer Anteil der Aufgaben (auch derInformationsbeschaffung) durch Informationssysteme automatisiert werdenkann und (zusatzliche) Kommunikation fiir alle weiteren Aufgaben notwen­dig ist . Eine empirische Analyse des Kommunikationsverhaltens von mittlerenund hoheren Managern neueren Datums (vgl. Picot und Reichwald (1987))kommt zu dem Ergebnis, daf ca. zwei Drittel der Arbeitszeit fiir Kommu­nikation und Information genutzt werden. Die Face to face-Kommunikationund andere Formen des personlichen Gesprachs stellen hierbei wesentlicheKommunikationsformen der Fiihrung dar; vgl. hierzu auch Reichwald (1993)und die dort genannten Quellen.

Gegen eine quasi-automatisierte Steuerung durch Informationssystemespricht auch die Arbeitsweise der meisten Manager, deren Entscheidun­gen meist auf einer ausgepragten Kommunikation und impliziten Entschei­dungsmodellen beruhen (heuristisch-intuitives Entscheidungsverhalten). Einevollstandige Formalisierung der Unternehmenssteuerung (einschlief3lich allerEntscheidungen) wiirde zudem voraussetzen, daB der gesamte Informations­bedarf bekannt ware und alle relevanten (auch externen) Informationen inbereitstehenden Modellen direkt verarbeitet werden konnten, MSS werdendaher immer reinen Unterstiitzungscharakter behalten, vor allem im BereichControlling. So schlieBt auch die Arbeit von Birk (1991) mit dem Hinweis, daBim Rahmen der Systemkonzeption im Bereich Berichtswesen auch auf einerabstrakten Ebene der Kommunikationsbedingungen Losungsansatze zu ent­wickeln sind, sowie der aus der Unternehmenspraxis stammenden Devise "so-

7 Die Automatisierungsbestrebungen gingen in dieser Phase mit den (selbstge­stellten) Zielvorgaben des Operations Research einher, welche die Potentiale vonlinearen Optimierungsmodellen zu dieser Zeit iiberschiitzten.

Page 11: Informationsmanagement || Wissensmanagement

8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 327

viel informale Kontakte wie moglich und soviel Berichterstattung wie notig"(Birk (1991), S. 185).

Aber auch die technische Realisierung eines solchen formalisierten Infor­mationssystems war unter Beriicksichtigung der Moglichkeiten der IT in den60er und 70er Jahren mit groBen Schwierigkeiten verbunden, da Daten ausmehreren Dateien, die zudem oftmals unterschiedliche Strukturen besaBen,benotigt wurden. Erst mit der Verbreitung von Datenbanken, insbesondereder relationalen Datenbanken Anfang der 70er Jahre, konnte der Funkti­onsumfang von MIS erweitert werden . Die damalige GroBrechnertechnologieerlaubte lediglich, mit Hilfe eines Terminals auf zentral gehaltene Daten­bestande zuzugreifen. Zur Steuerung des MIS wurden oft textbasierte Kom­mandosprachen oder Meniis verwendet, da es fiir graphische Benutzerober­flachen (GUI) zum damaligen Zeitpunkt keine (kostengiinstige) Standard­Hardware gab und das Datenaufkommen zwischen Benutzer und Systembei Einsatz einer graphischen Oberfliiche die Kapazitiit damaliger Netzwerkeiiberschritten hiitte. Da der Lernaufwand fiir Kommandosprachen sehr hochist und sich Benutzer einzelne Befehle sowie deren Aufbau (z.B. Parameterund Operanden) merken miissen, ist die Benutzerfreundlichkeit eines solchenSystems extrem gering.

Viele Fiihrungskriifte waren nicht in der Lage, die Anwendung selbst zubedienen, da sie die Zeit fiir eine ausfiihrliche Einarbeitung nicht aufbrin­gen konnten. Des weiteren sprach gegen die direkte Anwendung des Systemsdurch den Manager, daB angeforderte Analysen nicht sofort zur Verfiigungstanden, sondern z.T . erst iiber Nacht (im Batch-Betrieb) ausgefiihrt wur­den . Aufgrund dieser Unzuliinglichkeiten lieBen sich viele Fiihrungskriiftevon der DV-Abteilung, bzw. untergeordneten SteIlen , periodisch mit wich­tigen Kennzahlen versorgen . Somit sank das Einsatzgebiet des MIS vomTop-Management auf niedrigere Ebenen. Bei der Festlegung dieser wichtigenKennzahlen wurde jedoch oft unzweckmiiBigvorgegangen. Da die in Zukunftzu losenden Entscheidungsprobleme kaum vorhersehbar sind, verlangten dieManager im Zweifel moglichst "aIle" Daten. Von den Systemdesignern wur­den diese Informationswiinsche nicht reduziert, sondern im Gegenteil je nachtechnischer Verfiigbarkeit noch urn zusiitzliche Daten erweitert.

Die Konsequenz daraus war eine zunehmende Datenflut, in der relevanteInformationen kaum mehr auffindbar waren. Zur Losung forderte Ackoff(1967) bereits, daB ein Informationssystem Moglichkeiten zur interaktivenAbfrage der fiir ein aktuelles Problem gerade benotigten Daten enthaltensollte und stellte fest:

• Es herrscht kein Mangel an Informationen, sondern ein UberfluB (Informa-tionsproliferation) .

• Ein Informationsbedarf kann a priori nicht bestimmt werden.• Ein bloBes Bereitstellen von Informationen geniigt nicht .• Es gilt, die sozialen Gesichtspunkte von Rechneranwendungen zu beachten.

Page 12: Informationsmanagement || Wissensmanagement

328 8. Wissensmanagement

Da die meisten Erwartungen an die erste MIS-Generation nicht erfiilltwerden konnten, sprach man auch von einer "MIS"-Generation (vgl. Hi­chert und Moritz (1992)) bzw. von "MiB-Informationssystemen" (vgl. Ackoff(1967)). Weitere (vor allem technische) Griinde fiir das Scheitern der erstenMIS-Generation waren:

• Unzulanglichkeiten der verfiigbaren Datenbasis• Zu hoher Abstraktionsgrad der Modelle, die aufgrund der Vernachlassigung

wesentlicher Details nicht praktikable Losungen lieferten• Hoher Entwicklungsaufwand• Mangelnde Flexibilitat der Module• Unzureichende Rechnerleistung• Unzureichende Benutzerfreundlichkeit

Aus den Problemen, Fehleinschatzungen und Griinden des Scheiternsder MIS lassen sich verschiedene generelle Anforderungen an MSS forrnu­lieren. Das prinzipielle Problem beim Aufbau von Informationssystemen fiirdas (Top-) Management liegt in der Automatisierung bzw. Unterstiitzungkonstitutiv-planender Entscheidungen und von Entscheidungsprozessen. Beider Konzeption eines MSS stellt sich vor allem die Frage , welche Informations­nachfrage iiberhaupt besteht. In den oberen Fiihrungsebenen, bei denen vi­sionares Denken und zukunftsorientiertes Handeln iiber den zukiinftigen Un­ternehmenserfolg entscheiden, ist die Definition des Bedarfs auBerst schwie­rig. Dem Informationsbedarf ist im Sinne einer potentiellen Nachfrage einmoglichst adaquates Informationsangebot gegeniiberzustellen; vgl. hierzu dieAusfiihrungen in Kap . 4. Informationen, die nicht im voraus definiert wer­den konnen, miissen durch Flexibilitat in bezug auf Informationsgewinnungund deren -aufbereitung beriicksichtigt werden . Diese Flexibilitat zeichnetsich vor allem durch die Bereitstellung geeigneter Selektions- und Aggregati­onsrnoglichkeiten von Informationen aus (z.B. durch OLAP- und InformationRetrieval-Funktionalitaten) .

Fiir den Bereich Controlling sind z.B. in der Kostenstellenrechnung oderDeckungsbeitragsrechnung Summierungsfunktionen, in der Konzernkonsoli­dierung oder zur Umsatzbestimmung Aggregierungsfunktionen, in der Gliede­rungs- oder Beziehungszahlenbestimmung (z.B. in der Betriebsergebnisrech­nung) Funktionen zur Bestimmung relativer Kennzahlen notwendige Be­standteile der eingesetzten Informationssysteme."

Es konnen damit zwei Anforderungen an MSS herausgestellt werden , derZugriff auf Daten und Informationen (z.B. durch Bereitstellung adaquaterGraphikwerkzeuge zur Datenaufbereitung) und die Verarbeitung der Daten,und zwar als Eingangsvariablen in explizit formulierte Entscheidungsmodelle(DSS).

8 Zu einer Typisierung der unterschiedlichen Verdichtungstypen, aus denen diedrei genannten Funktionen abgeleitet werden konnen, sei auf Birk (1991) , S. 33,verwiesen.

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 329

Beziiglich des Zugriffs auf Daten sind generell zwei Klassen von Losungs­varianten denkbar: Briefing Book und Data Driven-Systeme. Unter BriefingBook wird ein inhaltlich relativ konstantes, regelmiiBig aktualisiertes elektro­nisches Berichtswesen mit guter graphischer Oberfliiche ohne Moglichkeit zurWeiterverarbeitung der abgerufenen Informationen (MIS- bzw. EIS-Niihe)verstanden. Hier steht die Problemerkennung im Vordergrund der Betrach­tung, z.B. in Form von Abweichungen bestimmter Kennzahlen.

Data Driven-Systeme ermoglichen flexible Ad hoc-Abfragen mit wech­selnden Inhalten. Diese Systeme errnoglichen neben der Abfrage auch eineWeiterverarbeitung und gegebenenfalls eine Weitergabe von Informationeniiber verschiedene Aggregationsstufen (vgl. hierzu das OLAP-Konzept). DataDriven-Systeme stellen einen wesentlichen Bestandteil von EIS und DSS dar. 9

Aus den vorangegangenen Uberlcgungen lassen sich folgende Ziele undIdealeigenschaften der MSS definieren :

• Erhohung der Qualitiit der Information, d.h. MSS sollen entscheidungsre­levante Informationen liefern, um Fiihrungskriifte zu unterstiitzen

• Ausnahmeberichtswesen (Exception Reporting)• Verstiirkt data-driven und normative Methoden zur Entscheidungsun­

terstiitzung, z.B. durch ein "Werkzeug-Box"-Konzept• Einbindung externer Informationen• Offene Kommunikationsschnittstellen (vgl. Groupware) und Einbindung in

die Biirokommunikation• Wechselwirkungen zwischen MSS und aufbau- bzw. ablauforganisatori­

schen Gegebenheiten im Unternehmen miissen sich im Fachkonzept einesMSS niederschlagen

• (BewuBter) Abbau von Informationsasymmetrien in Unternehmen, so daBFiihrungskriiften unmittelbarer Zugang zu internen und externen Datenmoglich wird

• Benutzerfreundlichkeit (einschlieBlich leistungsfahiger GVI)• Jederzeitige und ortsunabhiingige Abrufbarkeit von Informationen• Flexible inhaltliche Gestaltung (Darstellung und Bedienung), Anpassung

an individuellen Arbeitsstil und wechselnde Informationsbedarfe

In Abb. 8.3 ist der Aufbau eines MSS dargestellt. Der Benutzer kom­muniziert mit dem System iiber eine Dialogschnittstelle, deren Zweck darinbesteht, diesem eine einheitliche Oberfliiche anzubieten. Der weitere Inhaltund der Aufbau eines MSS sind abhiingig von:

• der Organisation einer Unternehmung,• der Art und dem Inhalt der zu unterstiitzenden Fiihrungsprozesse,• der Herkunft der Datenbasis,

9 Es sei hierzu noch einmal auf die Unterscheidung verschiedener Berichtsartenin Standardberichte, Abweichungsberichte (Briefing Book) und Bedarfsberichte(Data Driven) verwiesen; vgl. Horvath (1996) oder Kupper (1997).

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330 8. Wissensmanagement

• der Art der Informationen und letztlich• der Akzeptanz der Fiihrungskriifte.

Die offenen Kommunikationsschnit tstellen werden durch das Kommunika­tionssystem und das verteilte Anwendungssystem realisiert . Die Anbindungan verschiedene Informationssysteme erfolgt ebenfalls iiber Schnittstellen.Ein Planungs- und Entscheidungsmodul beinhaltet typischerweise eine ei­gene Datenbank sowie eine ModeIl- und Methodenbank (DSS-Komponente).Bei Einsatz eines unternehmensweiten Data Warehouse, in dem auch aIlerelevanten externen Informationen vorliegen, sind die entsprechenden Daten­bankmodule gegebenenfalls vereinheitlicht . Neben diesen Modulen k6nnenauch spezielle Anwendungssysteme, z.B. Projektmanagemcntsoftware, Teildes MSS sein.

Planungs- undEntscheidungssystem

LAN WAN.-:s- ~ Internes Externes

~~Informationssystem

1\ / Informationssystem

.-:s- ~ Kommunikations -~

Integra- .... Verte iltes Anwendungs - ~~system tions - system (Groupware) LAN

ANI Vmodul

AN \Basissystem Spezielles Anwen dungs-system (z.B. Projekt -

managemen t)

Komrnunikations - I Dialogschnittstellc

!

LW

Manager als Benutzer

A bbildung 8 .3 . Aufbau eines Management Support-Systems; nach Gluchowskiet al. (1997), S. 61

8. 1.1 Executive In formation-Syst em e

Die Executive Information-Systeme (EIS), auch als Fiihrungsinformations­systeme bezeichnet, folgen einem informationsorientierten Ansatz und geltenals Nachfolger der Management Information-Systeme. Sic werden hier als

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 331

eine eigene Klasse der Informationssysteme zur Entscheidungsunterstiitzungverstanden.

"Ein EIS ist ein datenorientiertes Entscheidungsunterstiitzungssy­stem fiir Unternehmensfiihrung und Controlling, das inhaltlich rich­tige und relevante Informationen zeitgerecht und formal adaquat zurVerfUgung stellt ." (Henneb6le (1995), S. 24)

"Ein Fiihrungsinformationssystem ist ein computerbasiertes Instru­ment, das Topmanager schnell, iibersichtlich und bereichsiibergrei­fend mit den relevanten internen und externen Informationen ver­sorgt und dabei sowohl das aktuelle Tagesgeschehen als auch dielangfristige, strategische Planung beriicksichtigt." (Berger und Weiss­Trapp (1992), S. 10)

Diese Informationssysteme wurden speziell fiir die oberste Unternehmens­ebene entwickelt und sollen der Unternehmensfiihrung fiir die Durchfiihrungder vielfaltigen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktionen relevante In­formationen liefern .'"

Fiir den Aufbau von EIS sind daher Informationsbedarfe der leitendenAngestellten als Basis zu nehmen und als Designkriterien zu beachten. Typi­sche %-Zahlen fiir Informationsbedarfe sind:

• Beheben unerwarteter St6rungen (42%)• Mittel- bis langfristige unternehmerische Aktivitiiten (32%)• Ressourcenzuteilung und Budgetierung (17%)• Interne und externe Verhandlungen (3%)• Sonstige (6%)

Aus diesen Bedarfen kann man bereits erkennen, daf eine Verwendunghauptsachlich fiir Controlling-Zwecke und die strategische Planung vorzuse­hen ist. Funktionale Anforderungen aus Sicht des Controlling an EIS (mitausgewiihlten Funktionalitiiten von DSS) sind der Tab. 8.1 zu entnehmen.Neben der Versorgung mit Grundinformationen (einschlieBlich externer Da­ten) und Ad hoc-Datenbankabfragen sowie einfachen Modellanalysen kom­men weitere Funktionalitiiten aus den Bereichen der Biiroautomatisierung(AdreBverzeichnis, Terminkalender) sowie der Kommunikation (E-Mail undErweiterungen) hinzu ; vgl. Rechkemmer (1994).

Ziel ist ein schneller (sofortiger) Zugriff auf Informationen, d.h. auch dieElimination von "Vermittlern" zwischen den Leitenden und der DV. Die­ser Zugriff sollte online erfolgen konnen (und nicht iiber Nacht in einem

10 Rechkemmer (1994) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daf zumindestTop-Executives iiber eine eigene "Informationsmaschinerie" verfiigen, z.B. daspersonliche Sekretariat. Ein Top-Executive hat die Aufgabe, seine Informations­maschinerie derart zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln, daB sie ihn mit denInformationsinhalten und -mitteln optimal versorgt. Ein EIS kann hierbei Ld.R.nur ergiinzend eingesetzt werden.

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332 8. Wissensmanagement

Analyse Planung BerichtswesenErgebnisanalyse Planung mit Standardberichte

SaisonfaktorenVergleich von Planung mit verbale ErliiuterungenTochtergesellschaften Wachstumsannahmen fur kritische AnalysenZeitvergleiche Individuelle Berichtserstellung

Planungsmodelle mit BerichtsgeneratorKorrelation verschie- automatische Ableitung Ad hoc-Berichtedener Kenngroflen von Monatswertenhierarchische Simulationswerkzeug vielfaltigeStrukturanalyse GraphikdarstellungenAbweichungsanalysen Integration von

Hochrechnungsmodelleninterne Konsolidierung Planung mit verschie-

den en Szenarien

Tabelle 8.1. Funktionale Anforderungen an EIS; nach Hichert und Moritz(1992) , S. 239

Batch-Betrieb) . Schnelle , unverziigliche Informationen fiir Entscheidungenunter Zeitdruck (Filterung, Komprimierung und Steuerung kritischer Daten)konnen durch die Gestaltung einer Informationspyramide mit hierarchischemAufbau (top-down) erreicht werden, wobei der Detaillierungsgrad vom Ent­scheider frei wahlbar ist . Die OLAP-Technologie bildet hier eine sinnvolleBasis . EIS bieten bei Nutzung dieser Technologie Moglichkeiten, den Daten­fluB nach Belieben zu verdichten, wobei die Daten nicht funktional orien­tiert sind, sondern als Basis fiir Analysen dienen. Dabei wird das oftmals alskritisch bewertete Problem der Datenversorgung auf analyseorientierte Da­tenbanken verlagert, womit die effiziente Unterstiitzung der Fiihrungskraftedurch ein geeignetes, individuell konfigurierbares Informationsangebot wie­der in greifbare Nahe geriickt ist; vgl. hierzu Gabriel et al. (2000). In denDatenwiirfeln eines OLAP-Systems konnen zudem einzelne Schichten mit­tels Grundrechenarten miteinander kombiniert oder rudimentare statistischeVerfahren, wie z.B. Trendextrapolation, angewendet werden.

Die Effizienz des Zugriffs hangt allerdings auch von den Moglichkeitender Datenaufbereitung ab (Graphikwerkzeuge), insbesondere um Implika­tionen zur Problem- und Potentialerkennung zu verdeutlichen. Bei Dolk(2000) findet sich ein interessantes Beispiel, bei der die Darstellung ci­nes Gesamtunternehmens von einer Landkarte ausgeht, wobei sich fiir dieeinzelnen Standorte unterschiedliche Sachverhalte, z.B. Abweichungen vomSoll-Zustand, visualisieren und sich die zugrundeliegenden Daten nach demOLAP-Konzept navigieren lassen. Eine Anbindung der EIS an unternehmens­weite Kommunikationsplattformen, die auf der Internet-Technologie basieren,wird zusatzlich durch die Entwicklung begiinstigt, auch fiir OLAP-Produktegeeignete Schnittstellen zu Intranets zur Verfiigung zu stellen.

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 333

EIS werden in der Hierarchie oberhalb der DSS angesiedelt, obwohl siekeine (weitreichende) Methodenbasis besitzen und somit durch einen geringe­ren Funktionsumfang gekennzeichnet sind . Ein EIS sollte aber Schnittstellenzu DSS besitzen, damit sich die Arbeitsteilung, wie sie in der Organisationvorgesehen ist, auch in der Architektur der Anwendungssysteme widerspie­gelt. Nach Erkennen eines Problems kann der Manager z.B. die relevantenDaten an Mitarbeiter (bzw. die Informationsmaschinerie) schicken, die mitHilfe von DSS mehrere Losungsvorschlage erarbeiten, wodurch die unter­nehmensweite Sichtweise des Systems erreicht wird. Gerade aus dieser or­ganisationstechnischen Sicht heraus ist es verstandlich, daB EIS nicht mitMethoden iiberfrachtet werden sollten. So wird der Einsatz solcher Execu­tive Support-Systeme, mittels derer die Fiihrungskraft neben Datenabfragenauch methodisch unterstiitzte Analysen durchfiihrt, als unrealistisch einge­stuft; vgl. Henneb6le (1995), S. 22, und die dort angegebenen Quellen.

Wahrend DSS einem problemorientierten Ansatz folgen, zeichnen sich EISdurch ihre Prasentationsorientierung aus . Ihr Einsatzgebiet ist hauptsachlichin den friihen Phasen des Entscheidungsprozesses angesiedelt, in denen derEntscheidungstrager seinen Informationsbedarf noch nicht genau eingren­zen kann . Urn friihzeitig unternehmensbedeutsame Entwicklungstendenzenzu erkennen, miissen Informationen explorativ gewonnen werden konnen,Auch in der Kontrollphase konnen EIS zur Uberpriifung der Auswirkun­gen angeordneter MaBnahmen sinnvoll eingesetzt werden. EIS k6nnen selbstUberwachungs- und Kontrollaufgaben iibernehmen, urn Manager friihzeitigauf Abweichungen zum Soll-Zustand aufmerksam zu machen.

Damit wird Fiihrungskraften errnoglicht, wenn schon kein vollstandigesBild, so doch zumindest ein ganzheitlich signifikantes Bild ihres Handlungs­feldes zu erhalten. Fiihrungskrafte haben durch die Navigationsm6glichkeitendurch die Datenbestande und die automatische Aufbereitung der Daten dieMoglichkeit , mehr Informationen in der gleichen Zeit zu handhaben, wo­durch (natiirliche) Grenzen beziiglich der Verarbeitungskapazitaten verscho­ben werden konnen, Gleichzeitig kann ein EIS auch als Kontrollsystem derbestehenden "Informationsmaschinerie" fungieren, da es einem Manager einegegebenenfalls suboptimale Versorgung durch die Schaffung von Transparenzfallweise indiziert; vgl. Rechkemmer (1994).

Die Ziele eines EIS lassen sich folgendermaBen zusammenfassen:

• Reduzierung von Entscheidungszeiten durch (flexible) graphische Aufbe­reitung problemrelevanter Sachverhalte

• Friihzeitiges Erkennen von Risiken, die allgemein nicht wahrnehmbar sind ,mit deren Eintreten aber gerechnet werden muf

• Verbesserte Koordination der Organisationseinheiten durch zielgruppen­gemaBe Bereitstellung unternehmensbezogener Informationen

• Starkere Ausrichtung der individuellen Entscheidungen an den Unterneh­menszielen

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334 8. Wissensmanagement

Da EIS aufuntergeordnete Systeme zugreifen (miissen), ist ihr Einsatz nurmit einer aufwendigen Abstimmung aller im Unternehmen eingesetzten Sy­sterne moglich. Es ist notwendig, daB sowohl informationstechnische Konzepteals auch betriebswirtschaftliche Konzepte aufeinander abgestimmt werden .Daher sind EIS keine fertigen Systeme, sondern Werkzeuge und Software­generatoren, die individuell an das Unternehmen angepaBt werden miissen.Dabei sind vor allem die Anforderungen der Anwender zu beriicksichtigen,die sich mit der Zeit und der Dynamik des Unternehmens andern werden. DasSystem muf demnach flexibel erweiterbar und darf niemals "fertig" sein. Fiiralle Anderungen sollte es einen zentralen Ansprechpartner geben, z.B. eineStabsstelle, die das EIS administriert und Veranderungen vornimmt bzw.veranlaBt .

Wenn diese Systeme hochsensible Unternehmensdaten zur VerfUgungstel­len, muf ein umfassendes Sicherheitskonzept erstellt werden , das Zugangsbe­rechtigungen regelt und die physikalische Datensicherheit gewahrleistet. DerAufbau eines EIS ist durch die Kombination folgender MaBnahmen zu ge­stalten (siehe hierzu Schinzer et al. (1997), S. 12 f.):

• Anpassung des Organisationssystems durch Entscheidungsdelegation. Sokann durch EIS die Etablierung schlanker Unternehmensstrukturen (LeanManagement) erreicht werden, da Teile des mittleren Managements fiirdie Verdichtung und Weiterleitung der Informationen nicht mehr benotigtwerden .

• Anpassung der Informationsinfrastruktur durch den Aufbau integrierterInformationssysteme. Haufig fiihren EIS-Projekte zur Erstellung unter­nehmensweiter Datenmodelle oder zur Einfiihrung von E-Mail-Systemen,urn eine einheitliche, elektronische Weiterleitung von Informationen zuerrnoglichen und damit sowohl einer verteilten Informationserstellung und-verdichtung als auch verteilten Entscheidungsprozessen Rechnung zu tra­gen.

• Anpassung des Planungs- und Kontrollsystems durch den Aufbau geeig­neter Mechanismen zur Informationsbedarfsdeckung. Durch Friihwarnsy­sterne sollen Fiihrungskrafte, vor allem durch die automatische Uberwach­ung entsprechender Faktoren, friihzeitig auf Fehlentwicklungen innerhalbder Unternehmung hingewiesen werden. Daher kommt den "kritischen Er­folgsfaktoren" beim Aufbau eines EIS eine besondere Rolle zu (vgl. Kap.4.3.3, S. 147).

• Anpassung der Fiihrungsprozesse durch die Definition und Verbreitung derUnternehmensziele. Durch die Einbindung der Mitarbeiter in den betrieb­lichen EntscheidungsprozeB konnen Verluste im personlichen Informations­austausch z.T. kompensiert werden . Ein Einsatz der EIS macht daher auchauf unteren Hierarchieebenen Sinn, da hier teilweise weitaus detailliertereKenntnisse iiber die Ursache einer Entwicklung vorhanden sind als auf derobersten Fiihrungsebene. So konnen in ein EIS erlautemde aussagekraftige

Page 19: Informationsmanagement || Wissensmanagement

8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Syst ems 335

Kommentare eingegeben werden, was sinnvoller als die primate Informati­onsaufbereitung fur die obere Managementebene erscheint.

Letztlich bleibt die Verarbeitung und Anwendung von entscheidungsrele­vant en Informationen oft der Intui tion und der personlichen Bewertung vor­behalten , deren Umsetzung in ein berechenbares Modell derzeit als nicht rea­lisierbar eingestuft werden muB. Ferner stellte Little (1970) bereit s fest , daBein groBes Problem wissenschaftli cher Management-M ethoden darin best eht ,daB Manager sie praktisch nie anwenden. Eine empirische Unt ersuchung er­gab , daB der Benutzerkreis eines EIS in der Praxis ca. 20 Person en vor allemaus der Unternehmensfiihrung und dem Controlling umfaBt (vgl. Wagner undVogel (1994), S. 229). Es ist davon auszugehen, daB es sich bei den befragtenUnternehmen urn GroBbetriebe handelt . Von einer durchgangigen Nutzungkann somit (noch) nicht die Rede sein. Ein wesentlich er Erfolgsfaktor der EISist somit weiterhin in einer einfachen Bedienung zu sehen , urn die Akzeptanzentsprechender Systeme zu sichern. Die derzeit noch bestehenden Akzep­tanzprobleme werden sich wahrscheinlich mit der nachst en Generation derFiihrungskrafte aufgrund der besseren Kenntnisse von Informationssystemenverringern.

8.1.2 Verbindung zu Losungsverfahren - DecisionSupport-Systeme

Anfang der 70er Jahre wurde von Gorry und Scot t Morton (1971) derAnsatz der Decision Support-Syst eme entwickelt. Diese entscheidungsun­terst iitzenden Systeme bezeichnen im urspriinglichen Sinne inte rakt ive, com­putergestii tzte Systeme, die zur Losung nicht im vorau s planbarer Vorgangeherangezogen werden.

Ein DSS versetzt das Man agement in die Lage, im Unte rnehmen befind­liche Informationen zu nutzen, ist auf Planungsaufgaben ausgerichtet unddurch eine irregulare Nutzung gekennzeichnet; vgl. Moore und Chang (1980).Wesentliches Merkmal von DSS ist die Nutzung fur wenig strukturierte oderunstrukturierte Probleme, d.h. der Losungs- bzw. EntscheidungsprozeB istnicht standardisiert. Der Entscheider muB also in die Lage versetzt werden,mit einem Werkzeug zu arbeiten und nicht lediglich Informationen aufzuneh­men, wie es z.B. Reports evozieren. Hier findet sich demnach die Kombinationvon Informationen, wie sie durch EIS erreicht werden konn en, und Methodendes Operations Research. 1m Vordergrund steht die Flexibilitat des Systems,im Gegensatz zur starren Berichtsstruktur von MIS. DSS umfassen dabei Mo­delle und Methoden fur den gesamten Entscheidungspr ozeB. Hierzu gehoreninsbesondere Werkzeuge zur graphischen Aufbereitung von Informationen,statist ische Methoden - einschlieBlich Werkzeugen zur Simulat ion - sowieOptimierungsmethoden aus dem Operations Research.

"DSS sind interaktive EDV-gestii tzte Syst eme, die Man ager (Ent ­scheidungst rager) mit Modellen, Methoden und problemb ezogenen

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336 8. Wissensmanagement

Daten in ihrem EntscheidungsprozeB bei der Losung von Teilauf­gaben in eher schlecht-strukturierten Entscheidungssituationen un­terstiitzen." (Gluchowski et al. (1997))

Die Anforderungen an diese Systeme betreffen im wesentlichen die Benut­zerfreundlichkeit, eine benutzernahe Sprachumgebung, eine flexible Handha­bung und eingangige Darstellungen. DSS sollen zudem auch eine Unterstiit­zung von Einzel- und Gruppenentscheidungen sowie von Entscheidungsfolgenbieten, was eine organisatorische Einbindung des DSS in alle Benutzerebenenmit horizontaler und vertikaler Integration voraussetzt.

DSS sind dabei jeweils auf bestimmte Entscheidungen oder Entschei­dungsklassen ausgerichtet . Die Spezialisierung erfordert entsprechend der zuunterstiitzenden Teilaufgaben und -entscheidungen den Einsatz jeweils ge­eigneter Modellierungsmethoden. Ein Analysemodell in der Kostenrechnungkann eventuell mit einer Tabellenkalkulation auskommen, wahrend im Mar­keting beispielsweise komplexe Verhaltensfunktionen und Zeitreihenuntersu­chungen mit Hilfe von Simulations- und Statistikprogrammen zu bewaltigensind.!'

Der hohe Spezialisierungsgrad der DSS ist ein Grund, warum diese Sy­sterne entgegen ihrer urspriinglichen Zielsetzung nicht in der Unterneh­mensfiihrung eingesetzt werden - oftmals gibt es viele spezialisierte Teilberei­che, deren Zusammenfiihrung sehr komplex ware. Auch sind DSS vom Ansatzher nicht fiir die Anforderungen des oberen Managements bestimmt, da ihreStarken in der Anwendung analytischer Verfahren liegen. Die auf obersterEbene angesiedelte Unternehmensplanung sowie die Entwicklung betriebli­cher Zielvorgaben und die dafiir notwendige Beriicksichtigung externer, inanalytischen Modellen kaum noch abbildbarer Effekte konnen mit DSS nichtoder nur unzureichend unterstiitzt werden. Bisherige DSS eignen sich insbe­sondere fiir die Losung von Teilproblemen auf der operativen Ebene.

Moglich wurde die Entwicklung der im Gegensatz zu den MIS sehr fle­xiblen interaktiven Systeme erst durch die Preisentwicklung im Bereich Hard­ware. Jedoch waren die notwendigen technischen Einrichtungen, wie graphi­sche Ausgabegerate, in den 70er Jahren immer noch wenig verbreitet . DieseSituation anderte sich erst Anfang der 80er Jahre mit dem Aufkommen derPersonal Computer und der Einfiihrung des EGA-Graphikstandards 1985.Nun war eine leistungsfahige und hochauflosende Graphik zu geringen Ko­sten verfiigbar. Auch neue Standards in Benutzerfreundlichkeit und Bedien-

11 Komplexere Probleme und Fragestellungen werden in betrieblichen Entschei-dungsprozessen zudem oftmals nicht von einer einzelnen Person und nicht alsGanzes behandelt . Eine Unterstiitzung von Entscheidungsprozessen in Gruppenfolgte zu Beginn der 80er Jahre in Form der Group Decision Support-Systeme(GDSS) . Zu einem Uberblick iiber unterschiedliche Konzepte und Systeme siehez.B. Vetschera (1990), Vetschera (1995), Teng und Ramamurthy (1993) sowieTuroff et al. (1993). Dort behandelte Systeme werden zum Teil mittlerweile auchals Group Support-Systems bezeichnet und beinhalten Groupware-Applikationen,wie z.B. E-Mail oder Konferenz-Systeme; vgl. Kap. 9.1.

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 337

barkeit von Softwaresystemen unterstiitzten die direkte Nutzung der Systemedurch Manager. Die nun entwickelten Planungshilfen wurden meist auf derBasis von Tabellenkalkulationsprogrammen erstellt . Dadurch ergab sich eineBeschrankung auf die von der Kalkulationssoftware zur Verfiigung gestelltenDatenstrukturen und Tabellendimensionen.

8.1.2.1 Autbau und Anforderungen

Die wesentlichen Bestandteile eines DSS sind eine Datenkomponente (z.B.auf Basis eines Data Warehouse), eine Modell- und Methodenkomponente(Werkzeug-Box) und eine Dialogkomponente, die dazu dient, Daten mit Mo­dellen zu verkniipfen. Diese Verkniipfung muB durch den Anwender vollzogenwerden, d.h. der Entscheider ist letztendlich fiir die (explizite) Problemformu­lierung und die Wahl des Losungsweges verantwortlich. Ein DSS kann somitkeine Entscheidungen selbstandig treffen , sondern lediglich den Entscheiderunterstiitzen.P

Daraus ergibt sich die direkte Forderung nach Problem- und Benutzerori­entierung der DSS. Ein solches System muB auch dann einsetzbar sein, wennbekannte Handlungsschemata (bekannte Losungswege) nicht anwendbar sind .Eine echte Entscheidung ist gerade durch die Einmaligkeit der Entscheidungs­situation gekennzeichnet, was Ld.R. einen hohen kognitiven Aufwand vornEntscheider abverlangt. Dieser bezieht sich primar auf die Problemformu­lierung, zumal Informationen nicht unbedingt vollstandig vorliegen miissen.Eine Dialogorientierung ist hier von besonderer Bedeutung, urn eine interak­tive Problemstrukturierung zu errnoglichen. Neben der Problemmodellierungsollte ein DSS natiirlich auch die Losung der Probleme unterstiitzen konnen,

Die Modellierung muf auf einfache Weise erfolgen, und Modelle solltenyom Benutzer erweiterbar sein. Dem Benutzer sollten keine Riesenmodellevorgesetzt werden, mit denen er nicht arbeiten kann. Einfache Werkzeugein einer Werkzeug-Box konnen hilfreicher sein als komplizierte (und spezi­elle) Modelle. Es sollte eine Unterstiitzung zum Auffinden von Analogien,vor allem im Hinblick auf eine Problem(re)formulierung, gewahrleistet wer­den . Dies bezieht sich auch auf die Abstraktion von Problemen, z.B. urn einemathematische Formulierung zu erhalten. "Entdeckungs-" und Umstruktu­rierungsheuristiken konnen bei komplexen Problemen genutzt werden . NebenAnalogieschliissen (Abstraktion des Problems) kann auch die Bildung spezi-

12 Dolk (2000) diskutiert im Zusammenhang mit dem Data Warehouse-Konzeptdie Schaffung eines Model Warehouse, das der Modell- und Methodenkompo­nente eines DSS weitestgehend entspriiche. 1m Model Warehouse sind dabeiRepriisentationsformen und Annahmen fiir bestimmte Modelle sowie Schnitt­stellen zu Optimierungsmodulen, wie z.B. CPLEX im Bereich der mathemati­schen Optimierung, in geeigneter Weise - d.h . auch in einer iibergeordneten Mo­dellierungssprache - zu verwalten. Entsprechende Verfahren konnen so bereitsbeim Datenimport in das Data Warehouse automatisiert angewendet werden,z.B. Trendanalysen zur Problemerkennung im Kontext eines EIS.

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338 8. Wissensmanagement

eller Modelle, insbesondere Simulationsmodelle, das Verstandnis fiir System­zusammenhange steigern.

Die Modellierung ist wahrscheinlich zumindest ebenso wichtig wie dieeigentliche L6sung des resultierenden Problems, wenn auf dem Abstraktions­weg von Messes zu einem oder mehreren Puzzle(s) hinreichend viele Annah­men und Vereinfachungen getroffen wurden. Letztendlich hilft eine saubereModellierung auch immer , ein Problem besser zu verstehen und zu durch­dringen; vgl. auch Kap . 5.1. Ein DSS sollte die M6glichkeit bieten, solcheAnnahmen zu dokumentieren, da jegliche L6sung nur unter diesen PramissenGiiltigkeit besitzt. Diese Tatsache wird von Personen, die sich ausschlieB­lich mit Puzzles beschaftigen, gerne iibersehen. Die Wahl und Variation derAuflosung, d.h. der Aggregationsgrad, ist von besonderer Bedeutung, denneine hohe Aufl6sung ist eventuell zu komplex und eine zu geringe Aufl6sungbringt eventuell den Verlust wichtiger Details mit sich.

Die genannten Prinzipien der Modellierung verdeutlichen auch noch ein­mal , wie wichtig eine strikte Trennung von Daten und Modellen ist . Mansollte immer mit dem Modell beginnen und dann die Daten beschaffen. EinAufweichen der Architektur von DSS wiirde diesem grundlegenden Prinzipwidersprechen.

8.1.2.2 Methoden und Modelle

Die angebotenen Methoden und Modelle , die Bestandteil von DSS seink6nnen, sollen den Entscheider im gesamten EntscheidungsprozeB unter­stiitzen. Die Anwendungsbereiche eines DSS betreffen somit die Problemi­dentifikation, die Problemanalyse, die Suche nach L6sungsalternativen, dieBewertung der Alternativen und die Auswahl der L6sung .

In der Phase der Problemidentifikation kommen vor allem EIS (oder EIS­nahe Systeme) zum Einsatz. Der Funktionsumfang dieser Systeme wurdebereits im vorigen Abschnitt diskutiert. Ein wesentliches Qualitatsmerkmalist der Zeitfaktor, um zur notwendigen Datenanalyse den problemrelevantenRealitatsbereich zu scannen und zu monitoren. DSS sollten dariiber hinausMethoden beinhalten, um Trends zu prognostizieren (Ist- und Trend-Linie) .

Sobald ein Problem identifiziert wurde, ist in der Phase der Problemana­lyse festzustellen, ob das richtige (Teil-) Problem erkannt wurde . Dabei sindauch die problemrelevanten Daten (ausgehend von einem Modell des Pro­blems) zu spezifizieren . Ein DSS muB hier M6glichkeiten bieten, diese Datenzu erstellen, z.B. iiber Methoden zur Datenaggregation. Zur Problemanalysesollte ein DSS prinzipiell die Modellierung unterstiitzen. Zur Durchfiihrungvon "What-If"-Analysen kann das Erstellen von Simulationsmodellen not­wendig sein. Die Simulation, die bereits im Abschnitt 5.4.5 thematisiertwurde, kann bei ausreichender Gr6Be und Detaillierungsgrad des Modellsgenutzt werden, um auch komplexe Systeme darzustellen und zu analysie­ren. Interessant ist hier vor allem, daB bei der angesprochenen Reduktion

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 339

von Messes zu Puzzles L6sungen zu den gefundenen Puzzles in Simulations­modellen auf ihre tatsiichliche Wirkung auf das iibergeordnete System hinbewertet werden konnen. Durch Experimente kann somit iiberpriift werden,ob das Problem richtig und vollstandig extrahiert wurde (oder so iiberhauptextrahiert werden sollte) .

In der Phase der Suche nach L6sungsalternativen ist zumeist ein kreati­yes und innovatives Denken zu unterstiitzen. Der Zeitfaktor und die kognitiveBegrenztheit bedingen dabei eine Unterstiitzungsfunktion durch DSS. Hierist die Einbindung in die Kommunikationsstruktur von wesentlicher Bedeu­tung. 13 Losungen sollten vom DSS verwaltet werden . Wichtig erscheint eszudem, Methoden bereitzustellen, die eine Alternativensuche, an der meh­rere Personen beteiligt sind (z.B. Brainstorming), unterstiitzen. Hier kom­men verschiedene Werkzeuge aus dem Groupware-Bereich zum Tragen, z.B.gemeinsam nutzbare White boards, auf denen Ideen (auch raumlich verteilt)gesammelt werden konnen (vgl. hierzu Kap . 9.1).

In der Phase der Bewertung der L6sungsalternativen sind wiederum Si­mulationsmodelle und Prognosemodelle denkbare Werkzeuge . Nun sind dieAlternativen aber haufig mit Unsicherheit behaftet, so daf Sensitivitats­und Risikoanalysen mittels DSS erforderlich sind. Gerade im Bereich derSimulation, in dem in einem Experiment immer nur ein Fall iiberpriift undnicht die Allgemeingiiltigkeit bewiesen wird , sind diese Analysen und eineausreichende Anzahl an Experimenten fiir fundierte Aussagen erforderlich.Auch unvollkommene Informationen k6nnen fiir eine L6sungsauswahl verar­beitet werden, z.B. durch Berechnung von Erwartungswerten und Varianzen,Min/Max-Betrachtungen usw.

Zur L6sungsauswahl werden schlieBlich Entscheidungsmodelle, wie sie inder normativen Entscheidungstheorie behandelt werden, eingesetzt. Diese las­sen sich folgendermaBen unterscheiden:

• Deterministische skalare Entscheidungsmodelle: Diese Modelle sind iib­licherweise durch ein Ziel (Satisfizierung oder Extremierung) , eine be­stimmte Anzahl Alternativen und diverse Restriktionen gekennzeichnet.

13 Durch eine solche Einbindung kann der Entscheider Zugriff auf verschiedeneQuellen bekommen. Grass und Zilberstein (2000) stellen in diesem Zusammen­hang ein DSS vor, das eine autonome Informationssuche iiber vom Benutzerspezifizierte Quellen im WWW ermoglicht. Das System bietet dabei eine direkteVerb indung von Entscheidungsmodell und Informationssuche, urn das Modellmit geeigneten Informationsobjekten, z.B. Preisen zu vergleichender Produkte,aufzufiillen . Hierzu verfiigt das DSS zusiitzlich iiber eine Datenbank mit po­tentiellen Informationsquellen, insbesondere iiber die Kosten des Zugangs, dasAntwortzeitverhalten sowie Informationen dariiber, wie Informationen fiir dasEntscheidungsmodell aus der Quelle extrahiert werden konnen. Der Entschei­dungsprozeB - als Auswahl der nachsten aufzusuchenden Quelle einschlieBlichder Festlegung des Endes der Suche (sobald die Kosten der Suche den Nutzeniibersteigen) - wird dabei automatisch vom System vorgenommen; vgl. hierzunoch einmal die Ausfiihrungen zum individuellen Entscheidungsverhalten in Kap.2.3.3.

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340 8. Wissensmanagement

• Deterministische vektorielle Entscheidungsmodelle: Diese Modelle sind zu­satzlich dadurch gekennzeichnet, daB mehrere Ziele zu beriicksichtigen sind.Diese Ziele konnen durch Aggregation mittels Gewichtung zu einem einzi­gen zusammengefaBt, nach einer lexikographischen Ordnung beriicksichtigt,in Haupt- und Nebenbedingungen getrennt (ein Ziel bleibt bestehen, dieiibrigen Ziele werden als Satisfizierungsziele mittels zusatzlicher Restrik­tionen modelliert) oder durch die Methode des Goal Programming parallelberiicksichtigt werden.

Ist ein (mathematisches) Modell aufgestellt, so k6nnen verschiedene Me­thoden zur L6sungsauswahl eingesetzt werden. Diese lassen sich folgender­maBen klassifizieren:

• Exakte Verfahren• Heuristische Verfahren (Er6ffnungs- und Verbesserungsverfahren)• Meta-Heuristiken (zur iibergeordneten Steuerung von Verbesserungsver­

fahren, z.B. Tabu Search , genetische Algorithmen, Simulated Annealingoder neuronale Netze)

Exakte Verfahren, wie z.B. die vollstandige Enumeration (durch Breiten­oder Tiefensuche) oder Branch und Bound-Verfahren, sollen an dieser Stellenicht weiter vertieft werden. Der Leser wird hier auf die einfiihrende Literaturdes Operations Research, z.B. Domschke und Drexl (1998), verwiesen. DieArt der Probleme kann es aber verhindern, daf solche Verfahren (fiir groBeProbleminstanzen) aufgrund des zu hohen Rechenaufwands eingesetzt werdenkonnen.

Hier kommen Heuristiken ins Spiel. Dies sind Algorithmen, fiir die dieOptimalitat der L6sung nicht gewahrleistet werden kann, fiir die aber - oft­mals auf Basis empirischer Untersuchungen - gute Ergebnisse zu erwartensind . Heuristiken lassen sich prinzipiell in Er6ffnungsverfahren, z.B. Next-Bestoder Cheapest-Insertion, und Verbesserungsverfahren (lokale Suchverfahren)unterscheiden.

Im Bereich der Parameteroptimierung konnen sogenannte lokale Suchver­fahren aus dem Operations Research als Verbesserungsverfahren angewen­det werden. Lokal ist ein Suchverfahren, wenn man von einer bestimmtenParametereinstellung ausgeht und nur (lokale) Anderungen der Parametervornimmt (Ubergang zu einer Nachbarlosung), z.B. Hinzunahme oder Strei­chen einer Alternative aus einem Projektportfolio. Wenn diese Einstellung zueinem verbesserten Gesamtergebnis fiihrt, nimmt man die neue L6sung alsStart16sung und verandert wieder lokal. Es konnen so Veranderungen vorge­nommen werden, bis sich keine Verbesserung mehr erreichen laBt.

Die lokalen Suchverfahren gewahrleisten allerdings nicht, daB ein globa­les Optimum gefunden wird. Urn dem globalen Optimum zumindest naherzu kommen (und lokale "Fallen" zu iiberwinden), konnen sogenannte Meta­Strategien oder Meta-Heuristiken eingesetzt werden (vgl. z.B. Reeves (1993)) ,die der lokalen Suche iiberlagert sind und sie steuern.

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systerne 341

Meta-Heuristiken sind allgemeine, aber sehr einfache Prinzipien undkonnen als quasi problern-unabhangige Verfahren verst anden werden , wasihre Darstellung an dieser Stelle rechtfertigt. Der zunehmende Einsatz vonz.B. genet ischen Algorithmen und neuronalen Netzen in der betrieblichenPraxis der Informationsverarbeitung (vor allem im Rahmen der Optimierungbzw. Prognoserechnung) liiBt es zudem sinnvoll erscheinen, diese auch imKontext des Informationsmanagements kurz zu besprechen.

Statt eine neue Startlosung nur anzunehmen, wenn der bisher gefundeneZielfunktionswert verbessert wird , kann man auch fiir jede neue Losung perZufall entscheiden, ob die gefundene Losung als neue Startlosung akzeptiertwerden solI. Die Wahrscheinlichkeit hierfiir kann in Abhiingigkeit der Ab­weichung des aktuellen Zielfunktionswerts von der im Suchvorgang zuvor ge­fundenen Losung bestimmt werden. J e liinger der Suchvorgang dau ert, destounwahrscheinlicher sollte es zudem sein, schlechte Losungen zu akzeptieren,d.h. die Suche konvergiert schlieBlich gegen ein (Iokales) Optimum. DieseStrategie wird als Simulated Annealing bezeichnet.

Ein intelligenterer Ansatz leitet die Suche ebenfalls iiber mogliche Ver­schlechterungen, wobei allerdings - im einfachsten Fall - aile Nachbarn ei­ner Losung (durch eine lokale Veriinderung eines Parameters erreichbar) aufihren Zielfunktionswert iiberpriift werden. Es kann dann jeweils die besteNachbarlosung, die noch nicht wiihrend der Suche iiberpriift wurde, als neueStartlosung ausgewahlt werden. Bereits besuchte und ausgewertete Losungensind "tabu" . VoB (1993) gibt eine Ubersicht zu dieser Klasse von Meta­Strat egien, Tabu Search , an.

Eine weitere Klasse sind genetische Algorithmen, die von einer Gruppe(Population) von Losungen ausgehen, und immer wieder jeweils zwei L6­sungen im Suchprozef miteinander kreuzen, urn zwei neue Losungen zu ge­nerieren. Die Idee ist , aus zwei guten Losungen durch Kreuzung eine nochbessere Losung zu erhalten. Das Verfahren (vgl. Holland (1975)) basiert aufdem Grundsatz des Su rvival of the Fittest , d.h. schlechte Losungen haben nureine geringe Uberlebenschan ce in der Population, und gute Losungen setzensich durch.

Es bestehen Ansiitze, diese Meta-Strategien als Werkzeug-Box bereit­zustellen, so daB sich diese Verfahren, die sich in der Praxis zunehmendbewiihren, leicht auf neue Problemstellungen anpassen lassen. Die Unt er­stiitzung ist dabei momentan zwar eher auf Programmierumgebungen be­schrankt, aber eine breitere Anwendbarkeit durch einfachere Sprachkonzepteist durchaus denkbar. Fink und VoB (1998b) haben z.B. einen Framework fiirMeta-Heuristiken entworfen; eine ausfiihrliche Darstellung findet sich in Fink(2000). Fiir eine Ubersicht aktueller Verfahren und Ergebnisse im BereichMeta-Heuristiken siehe VoB et al. (1999).

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342 8. Wissensmanagement

8.1.3 Einfiihrung eines MSS im Unternehmen

Je komplexer ein Problem ist, desto starker hangt die L6sungseffizienz vomInformationsnachfrageverhalten abo Voraussetzung fiir einen erfolgreichenMSS-Einsatz ist daher die Akzeptanz und adaquate Nutzung des Systems.Probleme des unvollstandigen Informationsnachfrageverhaltens lassen sichfolgendermaBen zusammenfassen:

• Akzeptanzproblem aufgrund der Gestaltung und Implementierung des Sy­stems (auch als Folge der Nutzung).

• Inadaquate Informationsnachfrage auf sprachlicher Ebene. Diese kann so­wohl qualitativ (unprazise Anfrage, "falsche" Aggregation) als auch quan­titativ (dito) vorliegen.

• Inadaquate Nutzung aufgrund der Problemkomplexitat. Ein DSS solI zwarhelfen, die Komplexitat eines Problems zu erfassen, diese Leistung bleibtdennoch kognitiver Natur, so daB der Nutzen des Systems auch wesentlichvon den Fahigkeiten des Benutzers abhangig ist - ein DSS kann nichtimstande sein, das Denken zu ersetzen.

• Inadaquate Nutzung aufgrund des Organisationsumfelds (Management derInformationsbereitstellung, Bezugsgruppe) . So konnte der Entscheider ausAngst vor Kompetenzverlust das System nur "vorstellungskonform" befra­gen.

Auf Basis dieser m6glichen Problemfelder lassen sich nun Kriterien fiireine erfolgreiche Einfiihrung eines MSS im Unternehmen ableitenr'"

• Sauberes Fachkonzept• Akzeptanz durch das Top-Management (Mentorenschaft)• Projektbegleitende Schirmherrschaft durch Top-Manager (Sponsor)• Biindelung von betriebswirtschaftlichem, DV- und unternehmensspezifi­

schem Projektmanagement-Wissen in Projektteams• Mitwirkung der Informationslieferanten• Flexibilitat und Dynamik des Informationssystems, dynamische Struktur,

standig aktualisierte Datenbasis, Integrierbarkeit• Konzentration auf entscheidungs- und strategierelevantes Inforrnationsan­

gebot• Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanzsicherung durch eine Benutzerbe­

teiligung sowie ein durchgangiges Sicherheits- und Katastrophenmanage­ment (mit der wachsenden Komplexitat der Systeme werden Ausfalle undFehler in ihren Auswirkungen immer gravierender)

Vor Einfiihrung eines MSS sollte eine Wirtschaftlichkeitsanalyse stehen;vgl. z.B. Heinrich (1999). Es sind aber in der Praxis sowohl die Kosten als

14 Fiir eine erganzende Betrachtung von Kriterien fiir eine erfolgreiche Einfiihrungvon MSS, insbesondere EIS , siehe auch Heinecke und von der Oelsnitz (1995).

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8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 343

auch der Nutzen solcher Systeme weitestgehend unbekannt und ein Kosten­Nutzen-Kalkiil von Informationssystemen fiir die Unternehmensfiihrung da­her nur schwer zu ermitteln.

Die Kosten beziehen sich im Bereich der MSS auf die Systementwick­lung bzw. -anschaffung und den Systembetrieb. Es besteht aber oftmals Un­klarheit tiber den notwendigen Grad der Anpassung der Organisation anein einzufiihrendes MSS sowie die Gestaltung der zukiinftigen Datenermitt­lung, -eingabe und -aufbereitung. Problematisch ist auch die Bewertung des"Riickgangs von Fehlentscheidungen" aufgrund der veranderten Informati­onsversorgung, da die Qualitat getroffener Entscheidungen nicht immer quan­tifizierbar ist. 15

Der Nutzen von MSS bezieht sich auf den Nutzen des substitutiven Sy­stemeinsatzes (Rationalisierungseffekte), den Nutzen des komplementarenSystemeinsatzes (Erganzung, Verbesserung) und den Nutzen des strategi­schen Systemeinsatzes (Innovationen, strategische Waffe). Diesen in Zah­len zu fassen erscheint wiederum unmoglich, da zusatzlich Verbundeffekte(Lernkurveneffekte, hidden Benefits) zu benicksichtigen sind . Eine Nutzen­analyse sollte sich auf die Einsparung bestehender Kosten und die Einsparungzukiinftiger Kosten konzentrieren.

Eine Einfiihrung eines MSS tiber mehrere Entwicklungsstufen bietet eineMoglichkeit, innerhalb eines gewissen Rahmens fiir eine Stufe die Akzeptanzdurch das Top-Management zu sichern und eventuell die Wirtschaftlichkeitzu quantifizieren, urn dann in einem folgenden Schritt das MSS in seinemFunktionsumfang zu erweitern.

Vorteile eines solchen dynamischen Prozesses liegen in der Nutzung vonErfahrungen (oder von neuen Erkenntnissen), die durch den Umgang mit demneuen System gemacht wurden und in die (endgiiltige) Planung der folgendenStu fen eingebracht werden konnen. Auch wird dem Management nicht einKomplettsystem "vorgesetzt", was die Akzeptanz deutlich erhohen kann. Einweiterer Vorteil einer solchen Vorgehensweise liegt in der Verifikation desSystems, d.h. (schwer reparable) "Fehler" konnen eventuell in friihen Phasenerkannt und behoben werden . Ausgehend von diesen Uberlegungen konnteein Stufenmodell z.B. die folgende Form haben:

1. Verbessertes Reporting mit vorhandenen Indikatoren und ein strafferes,unternehmensweites Controlling, einheitlichere Kommunikationsbasis

2. Reporting mit neuen, wesentlichen Leistungskennzahlen (verbesserte Un­ternehmensmodelle)

3. Verbessertes Reporting tiber externe Einflubgroflen (besseres Verstandnisfiir Markt und Geschaft, verbesserte strategische Planung)

4. Verbesserte Entscheidungsfindung (flachere Strukturen mit erweitertenKontrollspannen, verbesserte Unternehmenskultur, z.B. durch die Neu­verteilung der Informationsverantwortung)

15 Vgl. Kap. 3.3.3 zur Problematik einer Kostenrechnung.

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344 8. Wissensmanagement

5. Unterstiitzung durch normative Entscheidungsverfahren (Einsatz vonDSS)

8.2 Lernunterstiitzung durch Mustererkennung - DataMining

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Datenbanken in Kap . 7 hat auf­gezeigt, daB wir in der Lage sind , sehr viele Daten zu speichern und ganze"Lager" damit zu fiillen. Einen Wert erhalten die Daten aber erst durch dieFiihigkeiten des Nutzers zur Auswertung und Analyse, die - nicht zuletzt imSinne eines Lernprozesses - dem Auffinden von Zusammenhiingen (Mustern)entspricht.!" Wiihrend ein GroBteil der Themen, die wir im Rahmen des Da­tenmanagements behandelt haben, mit dem Stichwort "Selektion" (von Da­ten) zu bezeichnen ist, kann dieser Abschnitt mit dem Stichwort " Zusammen­hang" (von Daten) charakterisiert werden, d.h. in diesem Abschnitt stellenwir Moglichkeiten vor , das Lernen - als das Erkennen von Zusammenhiingenund Erweiterung des Wissens - zu unterstiitzen.

Entsprechende Muster betreffen z.B. Aussagen iiber Miirkte , Wettbewer­ber , Kunden, Geschiiftsprozesse, die Performance von Anlagen und Prozessenund bieten gegebenenfalls Moglichkeiten der Optimierung von Fertigungs­und Geschiiftsprozessen. Fiir Entscheidungen ist es i.d .R. notwendig, genaudiese Muster (Relationen zwischen Daten) zu erkennen und zu systematisie­reno Dies spiegelt sich auch im ProzeB der Modellierung (Modellannahmenetc .) und im anschlieBenden ProzeB der Losungsgenerierung wider .

Lernunterstiitzung steht auch in der aktuellen Diskussion im Rahmen derUnternehmensfiihrung. Hier werden Konzepte der Kooperation betrachtet,die ein gemeinsames Lernen, z.B. im Rahmen der Organisationsentwicklung,ermoglichen; vgl. Schreyogg und Eberl (1998) fiir eine vergleichende Buchbe­sprechung zu Publikationen in diesem Bereich . In diesem Abschnitt bespre­chen wir nur Konzepte, die direkt auf Daten aufsetzen und somit vorrangigden individuellen LernprozeB unterstiitzen sollen. Im Kontext dieses Kapitelsist somit eher das maschinelle Lernen aus dem Bereich der Kiinstlichen In­telligenz von Relevanz . Maschinelles Lernen entspricht der Automatisierungeines Lernprozesses, welcher zum Ziel hat, eine Aufgabe in einem iterati­ven ProzeB mit jeder Iteration genauer (bzw. mit einer geringeren Fehler­wahrscheinlichkeit) zu losen; vgl. z.B. Nauck et al. (1996) . Es lassen sichinduktives und deduktives Lernen unterscheiden. Deduktives Lernen ist imKontext der wissensbasierten Systeme (vgl. Kap. 8.3) von besonderer Bedeu­tung, wahrend induktives Lernen im Data Mining eine besondere Rolle spielt ,

16 Es sei an dieser Stelle erneut darauf hingewiesen, daf eine " macht ige" undumfangreiche Transaktionsdatenverfiigbarkeit zwar notwendig ist , aber wederAnalyse- noch Planungsfunktionalitiiten ersetzen kann .

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8.2 Lernunterstiitzung durch Mustererkennung - Data Mining 345

wenn die Aufgabe darin besteht, vorab nicht bekannte Zusammenhange ausBeispieldatensatzen zu generalisieren und in einem Modell abzubilden.

Die Modellierung als explizite Formulierung von Zusammenhangen zwi­schen Daten obliegt bei groBen Datenmengen oftmals Experten. Bei hinrei­chend groBer Datenmenge ist es aber auch fiir Spezialisten oftmals unmoglich,diese Daten auf Zusammenhange hin zu analysieren. Die Lernunterstiitzung,wie wir sie in diesem Abschnitt besprechen, beschaftigt sich mit der Auto­matisierung der Datenanalyse, also (explizit formulierten) Auswertungsstra­tegien, urn somit Informationen iiber Zusamrnenhange direkt bereitzustel­len (anstelle des aufwendigen manuellen Lernens iiber Lesen - Nachdenkenusw.). Die Ergebnisse solcher Analysen konnen in unterschiedliche Entschei­dungsprozesse eingehen, da vorab nicht zwangslaufig bekannt ist, fiir welchesProblem die gefundenen Zusammenhange als Eingangsvariablen eingesetztwerden ki:innen.

In diesem Kapitel gehen wir hauptsachlich auf das Data Mining ein. Wiebereits in Kap . 7 dargestellt, fassen Chamoni und Gluchowski (1999) un­ter dem Begriff Analytische Informationssysteme eine Klasse von Konzeptenzusammen, die sich primar aus dem Data Warehouse- und OLAP-Konzeptsowie Werkzeugen aus dem Bereich des Data Mining zusammensetzen. In die­sem Kontext findet sich auch das Schlagwort Business Intelligence, das einenVeredelungsprozeB der Daten iiber Informationen zu Wissen, z.B. per DataMining- oder Text Mining-Techniken, beschreibt; vgl. z.B. Gentsch (1999).Entsprechende Business Intelligence-Systeme konnen dabei derzeit weitest­gehend mit analytischen Informationssystemen gleichgesetzt werden .

Es sei aber bereits an dieser Stelle eine Warnung beziiglich des Data Mi­ning, dem automatisierten Erkennen von statistischen Zusammenhangen vonDaten, genannt. Hierzu sind naturgemaf Statistikkenntnisse erforderlich, urnauch die richtigen Schliisse (d.h. Bewertungen von Ergebnissen) vornehmenzu ki:innen. Die Notwendigkeit von Expertenwissen widerspricht dabei einerintuitiven Nutzung entsprechender Data Mining-Werkzeuge - quasi als BlackBox - im Rahmen eines EIS oder eines analytischen Informationssystems.Data Mining-Werkzeuge solIten vielmehr eingesetzt werden, urn die Arbeitvon Experten der Datenanalyse und der Statistik, welche die Entscheidungs­prozesse von Managern unterstiitzen, zu vereinfachen und zu beschleunigen.F

8.2.1 Knowledge Discovery in Databases

Die automatisierte Datenanalyse in Datenbanken wird unter dem SchlagwortKnowledge Discovery in Databases (KDD) diskutiert und teilweise mit demBegriff Data Mining gleichgesetzt, das allerdings nur einen Teilschritt imGesamtprozeB des KDD darstellt; vgl. hierzu u.a. Fayyad et al. (1996). DieAuswertung als Analyse entspricht dem Auffinden von Mustern bzw. dem

17 Zu einer Vertiefung der Materie sei z.B. auf aktuelle Publikationen der ZeitschriftData Mining and Knowledge Discovery im Kluwer-Verlag verwiesen .

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346 8. Wissensmanagement

Ableiten von Modellen aus Daten. Ein Muster stellt eine Beschreibung ineiner bestimmten Sprache iiber einer Untermenge der Daten (Fakten) daroder ein Modell, das auf dieser Datenmenge aufsetzt .

Der Anwender geht dabei traditionell so vor, daf er zunachst Hypothesenaufstellt und einen Statistik-Experten hinzuziehen muB, urn Methoden derDatenanalyse festzulegen. Die Analyse der Datenbasis obliegt dann oftmalseinem Experten der Informationsverarbeitung. Das Zusammenfassen der Er­gebnisse erfolgt anschlieBend wieder durch einen Experten der Statistik (vgl.Abb.8.4).

Herkbmml icheDat enan alyse

Dat a Mi ningl.e.S.

Data Miningl.w.S.

Hypothesen- Auswa hl Analyse Zusammen- Interpretationgenerierung der der fassung der i- der

Methode Datenbasis Ergebnisse Ergebn isse

Anwende r ~~~~ne Stati"ik-Ex,~ Anwender

Scannen der Hypothesen- Analyse der Datenbasis InterpretationDatenbasi s generierung Ergebnisausgabe i- der

Ergebn isse

---Data Mining·Systern Anwcndcr

Scannen der Hypothesen- Analyse der Datenb asis Interpretat ionDatenbas is generierung Ergebnisausgabe -. der

Ergebni sse

Anwendcr DataMining-~y~ Anwendcr

Abbildung 8.4. Datenanalyse und Data Mining; vgl. Hagedorn et al. (1997)

Die Automatisierung des Prozesses wird notwendig, wenn die Datenbasiszu umfangreich oder zu uniibersichtlich wird. Hier werden mehrere Schrittein einem System zusammengefaBt, wobei die Hypothesenbildung nach wie vorvom Anwender vollzogen werden kann (Data Dredging) . Fiir das Auffindenvon Mustern finden sich in der Literatur unterschiedliche Begriffe, z.B. DataMining, Wissensextraktion (Knowledge Extraction) , Information Discovery,Information Harvesting, Data Archeology oder Data Pattern Processing; vgl.Fayyad et al. (1996). KDD ist der iibergeordnete iterative und interaktiveProzeB, in dem Data Mining einen Schritt darstellt. In Abb. 8.4 ist der Teildes KDD-Prozesses dargestellt, der das Data Mining tangiert . Beim DataMining im engeren Sinne werden aIle Schritte einschlieBlich der Hypothe­sengenerierung automatisiert; beim Data Mining im weiteren Sinne obliegtdie Hypothesengenerierung (im Anschluf an das Scannen der Datenbasis)weiterhin dem Anwender. Hier liegt somit ein gesteuerter ProzeB VOL

Das Data Mining (als Auffinden von Mustern) umfaBt die automatisierteErstellung von Hypothesen (oder setzt zumindest - in einem interaktiven Pro-

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8.2 Lernunterstiitzung durch Mustererkennung - Data Mining 347

zeB - direkt auf diesen auf) , die Suche in festgelegten Datenbereichen und dieDarstellung der Ergebnisse in einer vorab definierten Reprasentationsform.Beteiligte Forschungsgebiete, die z.T. an den Beteiligten am traditionellenProzef der Datenanalyse ersichtlich sind, sind:

• Datenbanken (Datenbanktheorien und -werkzeuge als Infrastruktur zurDatenverwaltung - vgl. Data Warehouse, OLAP) ,

• Machine Learning,• Pattern Recognition,• Statistik,• Kiinstliche Intelligenz (z.B. neuronale Netze),• Fuzzy Systeme.

Die Automatisierung macht es zuniichst erforderlich, einige Anforderun­gen an gefundene Muster zu formulieren . Diese Muster solIten fiir neue Da­ten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit giiltig, innerhalb des Systemsund fiir den jeweiligen Nutzer neu, potentiell niitzlich und fiir den Nutzerverstiindlich sein. Der KDD-ProzeB liiBt sich in neun Schritte zerlegen, diesich folgendermaBen angeben lassen (vgl. Fayyad et al. (1996»:

1. Festlegen des Anwendungsgebietes (einschlieBlich der Ziele der Anwen­dung)

2. Autbau der Datenmenge (Auswahl der Datenmenge oder Festlegung derbetrachteten Variablen)

3. Autbereitung der Daten (Preprocessing) durch Entfernen redundanterund unniitzer Daten (Rauschen); Entwicklung oder Entscheidung iiberStrategien zum Umgang mit fehlenden Daten und Entscheidungen iiberDBMS-Fragen, wie z.B. Datentypen

4. Datenreduktion und Projektion (Auffinden niitzlicher Werkzeuge zur Da­tenrepriisentation und Transformation der Daten zur Reduktion der An­zahl der betrachteten Variablen)

5. Entscheidung iiber die Funktion des Data Mining; z.B. Klassifikation,Regression oder Clustering

6. Auswahl eines Data Mining-Algorithmus (Auswahl der Methode(n) zurSuche nach Mustern und Abstimmung mit dem iibergeordneten Ziel desKDD-Prozesses, z.B. deskriptiv oder priiskriptiv)

7. Data Mining (Hypothesengenerierung, eigentliche Suche nach Mustern ineiner spezifizierten Repriisentationsform und Darstellung der Ergebnisse)

8. Interpretation (Analyse der gefundenen Muster auf Nutzbarkeit , Entfer­nen redundanter und irrelevanter Muster, gegebenenfalls Riickkehr zuvorgelagerten Schritten und Ubersetzung der Ergebnisse in eine fiir denNutzer verstiindliche Sprache, z.B. durch zusiitzliche Visualisierung derErgebnisse)

9. Nutzung der gefundenen Informationen (Einbezug in den eigenen Ent­scheidungsprozeB, wenn die Muster direkt anwendbar sind ; ansonsten Do-

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348 8. Wissensmanagement

kumentation der gefundenen Zusamrnenhange und Vergleich mit friiherenErgebnissen zum Aufspiiren von Konflikten etc.)

Im KDD-ProzeBtreten verschiedene Problemfelder auf, die hier kurz skiz­ziert werden sollen ; vgl. hierzu auch Hagedorn et al. (1997). Zunachst ist derGrad der Autonomie als Problemfeld zu betrachten, d.h. die Rolle der Hypo­thesen des Anwenders. Werden nur seine Hypothesen iiberpriift , so werdenunter Umstanden nieht aile relevanten Muster gefunden. Wird auch dieserSchritt automatisiert , so besteht die Gefahr, daB die Suche zu viele (unwe­sentliche) Ergebnisse liefert , wobei die Auswertung der Ergebnisse sehr vieIZeit in Anspruch nehmen kann .

Die Daten selbst konnen ein weiteres Problemfeld darstellen. Problemebetreffen im wesentlichen die Unvollstandigkeit und Sparlichkeit der Daten,denen durch geeignete Annahmen begegnet werden muB, den Datenschmutz(falsche Daten miissen aufgefunden und korrigiert werden) , das Auffindenund AusschlieBen irrelevanter Felder und die Datenqualitat . Diese ist demNutzer in der traditionellen Datenanalyse meist bekannt und geht somit indie Analyse und die Bewertung der Ergebnisse implizit mit ein . Ein automa­tisiertes System hat dieses Vorwissen aber nieht. Es ist also eine wesentlicheVoraussetzung von Data Mining-Systemen, auf einer Datenbasis hoher Qua­litat aufzus etzen. Dies ist beim Aufbau der Datenbasis zu beachten und stelltgerade eine der Grundanforderungen an Data Warehouse-Daten dar.

Auch die Verstandlichkeit der Ergebnisse ist noch immer ein Problemaktueller Systeme. Eine Ubersetzung in eine dem Anwender verstandlicheSprache obliegt oftmals noch einem Statistik-Experten.

Dariiber hinaus ergeben sieh Probleme hinsichtlich der Sieherheit des er­langten Wissens. Hier sind statistische Angaben, wie z.B. Vertrauensinter­valle oder FehlermaBe , notwendig. Dariiber hinaus ist im Kontext von un­sicherem oder vagem Wissen der Bezug zu Fuzzy-Systemen besonders deut­lich.l"

18 Unter Fuzzy-Systemen versteht man Systeme, die ein unscharfes SchlieBen auf derBasis unscharfer Daten errnoglichen. Der Begriff der Unscharfe bedeutet hierbei,daB abweichend von der klassischen Mengentheorie, in der ein Element entwederzu einer Menge M gehort oder nicht , mit sogenannten Fuzzy-M engen operi ertwird , wobei mit Hilfe einer charakteristischen Funktion die Zugeh6rigkeit zurMenge M beschrieben wird . Durch eine solche Zugeh6rigkeitsfunktion wird fiirjedes Element ein Mitgliedsgrad zwischen 0 und 1 festgelegt ; vgl. Zad eh (1965).Die Bestimmung geeigneter Zugehorigkeitsfunktionen ist dabei nicht Gegenstandder Fuzzy-Theorie. Sie werden von Experten auf der Grundlage ihres Fachwissensbestimmt. In der Fuzzy-Logik finden sich Definition von Verkniipfungsoperatorenfiir Fuzzy-Mengen mit den Grundoperatoren Durchschnitt, Vereinigung undKomplement. Urn uns charfes SchlieBen zu modellieren, werden in der Fuzzy­Logik eine Regelbasis und verschiedene Interpolations- und Approximationsver­fahren eingesetzt, mittels derer eine Fuzzifizierung der Eingangsvariablen undeine anschlieBende Defuzzifizierung zur Ergebnisermittlung (als "scharfen" Wert)erm6gli cht werden. Zu einer Einfiihrung in Fuzzy-Systeme und Fuzzy-Logik wirdauf Nauck und Kruse (1998), Rommelfanger (1994) sowie JoereBen und Seba-

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8.2 Lernunterstiitzung durch Mustererkennung - Data Mining 349

Unter dem Gesichtspunkt der Rolle des Anwenders haben wir bereits dar­auf hingewiesen, daf die Ergebnismenge enorme AusmaBe annehmen kann,wobei nur wenige Muster fiir den Anwender interessant sind . Das Problem­feld der Interessantheit umfaBt die Probleme der Redundanz (mehrere Regelnbeschreiben den gleichen Sachverhalt), der Bedeutungslosigkeit, Bekanntheitund der Trivialitat der Ergebnisse. Die Trivialitat oder die Bedeutungslo­sigkeit zu erkennen, erscheint quasi unmoglich. Der Ausschluf von bekann­ten Ergebnissen kann teilweise durch den Vergleich mit einer Wissensbasiserreicht werden, die bisherige Erkenntnisse speichert. Diese VorgehensweiseschlieBt allerdings die Redundanz von Ergebnissen nicht vollstandig aus.

Eine Vermeidung der Ausgabe redundanter, iiberfliissiger Ergebnisse kanndurch den zusatzlichen Einsatz von Redundanzfiltern erreicht werden. DieVoraussetzung fiir den Einsatz von solchen Filtern stellt eine partielle Ord­nung der untersuchten Elemente mit eindeutigen Vorganger-Nachfolger-Be­ziehungen (z.B. als Graph) dar. Mittels heuristischer Regelnlassen sich dannredundante Ergebnisse ermitteln und eliminieren. Wenn z.B. eine Aussagefiir einen Vorganger in einer hierarchischen Ordnung gilt, so konnen aile dies­beziiglichen Aussagen, die fiir die Nachfolger gelten, entfernt werden . Wennz.B. eine Aussage fiir eine Artikelgruppe gilt und die Artikel eine homogeneGruppe bilden, so konnen die entsprechenden Aussagen tiber die einzelnenArtikel gestrichen werden.

8.2.2 Data Mining-Algorithmen

Die Algorithmen zum Auffinden von Mustern stammen aus den BereichenStatistik, Datenbanken sowie der Kiinstlichen Intelligenz, also aus unter­schiedlichen Wissenschaftsdisziplinen. Es handelt sich dabei urn sehr spezielleAlgorithmen, die scheinbar in keiner Relation zueinander stehen. Sie bestehenzumeist aus drei Komponenten, dem Modell (Funktion und Reprasentation),einem Praferenzkriterium und einem Suchalgorithmus (vgl. Fayyad et al.(1996)). Folgende Modellfunktionen sind denkbar.l?

stian (1998) verwiesen . Zimmermann (1995) beschiiftigt sich explizit mit derFuzzy-Datenanalyse.

19 Es sei an dieser Stelle noch einmal auf die Indexierung und die automatisierteKlassifikation von Dokumenten (Texten), die in Kap. 7.5 im Kontext des In­formation Retrieval behandelt wurden, hingewiesen. In diesem Bereich wird derzugrundeliegende Indexierungs- und AnalyseprozeB von Dokumenten ebenfallsaufgrund einer fiir eine manuelle Indexierung zu umfangreichen Datenbasis auto­matisiert . Dort eingesetzte (statistische) Methoden werden - in Analogie zu Ver­fahren des Data Mining - oftmals mit dem Begriff Text Mining bezeichnet. TextMining stellt dabei eine Erweiterung des Data Mining-Konzepts auf unforma­tierte Datenbestiinde (qualitative Analyseobjekte) dar und steht als Oberbegrifffiir siimtliche Methoden, mit denen sich unbekannte, aber potentiell niitzliche In­formationen, die implizit in groBen Textmengen enthalten sind, auffinden lassen ;vgl. z.B. Gentsch (1999). Die Methoden des Text Mining umfassen Themen ausden Forschungsgebieten der Wissensrepriisentation, des Maschinellen Lernens,

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350 8. Wissensmanagement

• Klassifikation (Daten werden auf vordefinierte Klassen abgebildet)• Regression (Daten werden auf Vorhersagevariablen abgebildet)• Clustering (Suche nach Gruppierungen von Daten, keine vordefinierten

Klassen)• Summarization (kompakte Beschreibungen fiir Untermengen von Daten,

z.B. Standardabweichungen fiir alle Datenfelder)• multivariate Visualisierungstechniken• funktionale Beziehungen• Dependency Modeling (Suche nach Abhangigkeiten zwischen Variablen)• Link Analysis (Suche nach Relationen zwischen Objekten in Datenbanken,

z.B. Welche Produkte werden mit anderen Produkten zusammen gekauft?)• Suche nach (stark ausgepragten) Korrelationen zwischen mehreren Objek­

ten• Sequence Analysis, z.B. Zeitreihenanalysen

Die Form der Reprasentation bestimmt dabei die Flexibilitat und die In­terpretierbarkeit der Modelle. Ausgehend von der Modellfunktion ist eineReprasentationsform zu wahlen. Dabei ist zu bedenken, daf komplexe Ma­delle Daten Ld.R. besser verarbeiten konnen, diese aber meist auch schwieri­ger zu interpretieren sind. Nutzer begniigen sich daher oft mit einfachen Mo­dellen, da diese fiir sie interpretierbar sind . M6gliche Reprasentationsformen,auf die hier nicht weiter eingegangen werden sollen, sind :

• Entscheidungsbaume und Knowledge Maps• Regelbasierte Systeme• Lineare Modelle• Nichtlineare Modelle (z.B. neuronale Netze)• Reprasentation durch Beispiele (Nearest Neighbor- und Case-based Rea­

soning-Methoden)• Bayesian Networks (graphische Darstellung von mit Wahrscheinlichkeiten

behafteten Abhangigkeiten)• Attribute in Relationen (vgl. Datenbanken)

Das Modell-Praferenzkriterium gibt nun an, in welchem MaBein bestimm­tes Modell und die zugeh6rigen Parameter den zugrundeliegenden Datengeniigen muB, urn als Muster zu gelten. Dieses Kriterium, z.B. das MaximumLikelihood-Kriterium, kann explizit im Suchalgorithmus angegeben werden.Die Aufgabe besteht dann im Auffinden der Parameter, die zur Maximie­rung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der betrachteten Daten fiihrt. Eine

der Computerlinguistik, der Informationsextraktion, der Datenbanken und desData Mining . Als Grundfunktionen des Text Mining lassen sich die Assoziati­onsanalyse zur Ermittlung von Wechselbeziehungen zwischen gemeinsam auftre­tenden Begriffen innerhalb von Dokumenten und Dokumentensammlungen, dieKlassifikation von Dokumenten, das Clustering zur Unterteilung von Dokument­bestanden sowie die Zeitreihenanalyse zum Aufdecken von Verschiebungen vonTextinhalten im Zeitablauf nennen; vgl. hierzu Behme und Multhaupt (1999)und die dort angegebenen Quellen.

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8.2 Lernunterstiitzun g durch Mustererkennung - Data Mining 351

andere Vorgehensweise besteht darin , das Praferenzkriterium implizit durchden Nutzer festlegen zu lassen, d.h. dieser legt (interaktiv) fest , welche Mo­delle iiberhaupt in die Betrachtung aufgenommen werden.

Der Suchalgorithmus ist nun dafiir zustandig, die eigent lichen Musterfiir die gewahlte Funktion in der gewahlten Reprasentationsform und unterBeriicksichtigung des Praferenzkrit eriums zu finden. Die Suche stellt entwe­der eine Parametersuche bei einem gegebenem Modell oder eine Modellsucheiiber einem Modellr aum dar. Bei der Parametersuche handelt es sich Ld.R.urn ein Optimierungsproblem. Hier finden Heuristiken, wie z.B. Gradienten­verfahren, Anwendung. Die Modellsuche erfolgt meist iiber einfache Greedy­Verfahren.

8.2.3 Beispiel: Help Desk

In diesem Abschnitt greifen wir das Beispiel des Help Desks erneut auf. Wirgehen von der folgenden Situation aus: Es wurde erkannt, daB viele (anschei­nend) unterschiedliche Probleme mit den Produkten verbunden sind, iiber dieder Help Desk informieren solI und die teilweise durch ahnliche Symptomegekennzeichnet sind . Leider wurden viele Probleme von Berat er zu Beraterweitergeleitet, da viele mit dem beschriebenen Problem nicht vertraut waren.Jeder Mitarbeiter des Help Desks solI sich nun auf eine oder mehrere Pro­blemklasse(n ) spezialisieren. Urn Probleme schnell einordnen und an einenzustandigen Mitarbeiter weiterleiten zu konnen (und somit schnell bereit sbekannte L6sungen anzubieten), sollen die anfallenden Probleme in Klas­sen aufgeteilt werden. Die Aufgabe besteht also vor allem im Auffinden vonAhnlichkeit en zu bereits bekannten Problemfallen,

Fiir das Data Mining , das auf einer Datenbasis iiber die Problernfalle auf­setzt, besteht die Modell-Funktion im Clustering. Als Modell-Reprasentationwird ein neuronales Netz (nicht-lineares Modell) gewahl t , da ein Mitarbeiternoch aus dem Studium mit dieser Form der Reprasentation vertraut ist (undder Bezug zum Wissen hier besonders deutlich wird ).20

Fiir einen vorgegebenen Satz von Daten sind nun zwei Aufgaben zuerfiillen: das Auffinden geeignete r Klassen (einschlieBlich typischer Repra­sentanten) und die Zuordnung der Daten zu den Klassen. Im neuronalenNetz werden zwei Schichten eingesetzt, eine Eingabe- und eine Wettbewerbs­schicht . Die Anzahl der Neuronen n der Eingabeschicht ent spricht der Anzahlder betrachteten Merkrnalsauspragungen. J edes Neuron der Wettbewerbs­schicht reprasentiert nun eine Klasse, auf die sich ein Mitarbeiter spezialisie­ren solI. Die Anzahl der Neuronen dieser Schicht ents pricht in unserem Fallalso der Anzahl der Mitarbeiter. Die beiden Schichten sind durch bewerteteKanten von der Eingabe- zur Ausgabeschicht miteinander verbunden (sieheAbb .8.5).

20 Fiir eine Einfiihrung in neuronale Netze wird der Leser auf Nauck et al. (1996)verwiesen.

Page 36: Informationsmanagement || Wissensmanagement

352 8. Wissensmanagement

Wettbewerbsschicht

Eingabeschicht

Abbildung 8.5. Neuronale Netze - Wettbewerbslernen

Die Gewichte der Kanten zu einem Neuron u der Wettbewerbsschichtstellen den Repriisentanten der Klasse dar; d.h. die Gewichte W zwischenEingabe- und Wettbewerbsschicht legen fest , welche Eigenschaften einerKlasse zugeordnet werden . Wird dem Netz nun ein Eingabemuster i (einProblem) prasentiert , so vergleicht jedes Neuron der Wettbewerbsschicht dasEingabemuster (d.h. die Merkrnalsauspragungen dieses Problems) mit derInformation, die in dem jeweiligen Gewicht kodiert ist . Urn die Ahnlichkeitfestzustellen, wird das Sklararprodukt zwischen Eingabevektor und Gewichts­vektor gebildet (beide Vektoren sind normiert) :

n

iT ·w(u} = L:ij ' WJu}j=l

Das Neuron, fur das die groBte Ahnlichkeit festgestellt wird, wird als Sie­gerneuron bezeichnet und erhalt die Aktivierung 1. Alle anderen Neuronenerhalten die Aktivierung 0 (Winner takes all-Prinzip). Wird ein Sieger fest­gestellt, so wird das Problem dieser Klasse zugordnet (und an den entspre­chenden Mitarbeiter weitergeleitet) . Dies entspricht aber lediglich einer Klas­sifikation. Offen ist weiterhin die Frage, wie man geeignete Repriisentanten,d.h. Gewichtsvektoren, erhalt , Urn nach einer bestimmten Anzahl an Test­Eingabemustern geeignete Reprasentanten zu erhalten, werden hierzu die Ge­wichtsvektoren nach jedem Vergleich mit einem Eingabevektor modifiziert(Lernen).

Das Lernen basiert auf einer einfachen Idee. Nachdem ein Siegerneuronermittelt wurde , werden die Gewichte zum Siegerneuron verandert, so daf beierneuter Prasentation des Eingabemusters sich eine noch starkere Ahnlichkeitergibt. In Abb . 8.6 ist dieser Schritt dargestellt . Der Gewichtsvektor (alsReprasentant der Problemklasse) wird in Richtung des Eingabevektors ge­schoben .

Unter Beriicksichtigung einer Lernrate a kann nun festgelegt werden, wiestark die Verschiebung des Gewichtsvektors zum Eingabevektor erfolgen soll.Mathematisch formuliert ergibt sich:

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8.3. Automatisierte Losungsgenerierung - wissensbasierte Systeme 353

Waft

(alterGewichts­vektor)

W",u (neuer Gewichtsvektordes Siegerneurons)

i (Eingabevektor)

Abbildung 8.6. Veranderung der Gewichte - das Lemen

(u) ( . (u»)(u) _ walt + (J t - Walt mit 0 < (J < 1.

Wneu - (u) . (u)'Ilwalt + (J(t - walt )11

Je grofler die Lernrate (J gewahlt wird, desto starker wird der Gewichtsvek­tor vom Eingabevektor angezogen. Fiir (J = 0,5 erhalt man jeweils eine Hal­bierung des Winkels zwischen den beiden Vektoren. Nachdem dem Netz eineausreichende Menge an Eingabevektoren prasentiert wurde, sollte sich das Sy­stem stabilisieren, d.h. es sollten sich nur noch geringfiigige Veranderungender Gewichte bei Prasentation eines Eingabevektors ergeben. In diesem Fallwurde die Lernaufgabe erfiillt. Gelingt dies nicht, so ist die Anzahl der Neuro­nen der Wettbewerbsschicht zu verandern und die Clustering-Aufgabe erneutanzugehen.

8.3 Automatisierte Losungsgenerterung ­wissensbasierte Systeme

Erste Ansatze fiir wissensbasierte Systeme sind in den 60er und 70er Jahrenentstanden. Hier war man bemiiht, General Problem Solver zu entwickeln.Diese Ansatze wurden vom Forschungsgebiet der Kiinstlichen Intelligenz ver­folgt. Man suchte nach geeigneten Modellen und Methoden, urn (problemspe­zifisches) Wissen zu reprasentieren und zu verarbeiten. Im Rahmen der XPSwurden Ansatze zur Verarbeitung natiirlichsprachlicher Eingaben zur Re­duktion des Interaktionsaufwands untersucht. Wissensbasierte Systeme bzw.Ansatze finden sich heutzutage vor allem in Diagnose- und Analysesystemen,aber auch in Anwendungen der operativen Planung und Steuerung.r!

21 Suhl et al. (2000) beschreiben z.B. ein System zur Unterstiitzung desStorungsmanagements (im Echtzeit-Betrieb) von Bahngesellschaften, das auchwissensbasierte Systemkomponenten beinhaltet. Entsprechende Systeme dienendabei vor allem einer reaktiven Planung, die durch eine fortwahrende Aufnahmeund Verarbeitung von Informationen gekennzeichnet sind; d.h. daB die zugrunde­liegenden Prozesse durch unsicheres Wissen bzw. unvollstandige Informationengekennzeichnet sind; vgl. z.B. Scholz-Reiter und Scharke (2000). Ein "klassi-

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354 8. Wissensmanagement

Ziel der WBS ist es, das Wissen menschlicher Experten zu erfassen, zuformalisieren und die Problemlosungsfahigkeit des Menschen nachzuahmen.Die Trennung von Wissen und der Anwendung des Wissens (als Losen oderSchlieBen) ist das konstitutive Merkmal der WBS; diese sind durch eine ex­plizite Trennung von anwendungsbezogenem und anwendungsunabhiingigemWissen, dem Inferenzmechanismus, charakterisiert. Der Inferenzmechanis­mus ist eine formale Problemlosungskomponente zur Ablaufsteuerung, d.h.dem Ableiten von Schliissen oder der Interpretation.F Die Wissensbasis istimmer anwendungsbezogen, der Inferenzmechanismus hingegen anwendungs­unabhangig. Das Allgemeinwissen ist somit als Betrachtungsgegenstand desWissensmanagements in diesen Anwendungen explizit ausgeklammert.

Bei regelbasierten Systemen kann die logische Inferenz auf dem Forward­oder Backward-Chaining sowie einer Breiten- oder Tiefensuche beruhen. EinBeispiel wird am Ende des Abschnitts vorgestellt. Die Art des SchlieBensver­deutlicht , daB diese Form nur fiir begrenzte Problemraume (Diskurswelten)anwendbar ist, da bei den Verfahren im schlechtesten Fall exponentiell vieleRegeln (als Kombination) iiberpriift werden miissen, urn zu Ergebnissen zugelangen . Die Architektur eines WBS (XPS) ist in Abb. 8.7 dargestellt.

Die Wissensbasis setzt sich dabei aus bereichsbezogenem Expertenwis­sen, dem fallspezifischen Benutzerwissen und inferierten Zwischen- und End­ergebnissen zusammen. Das Steuersystem beinhaltet neben der Inferenz­oder Problemlosungskomponente auch eine Interviewkomponente zur Wei­tergabe des Wissens an den Nutzer und Problemeingabe durch den Nutzer,eine Erkliirungskomponente zum Nachvollziehen des Inferenzprozesses undeine Wissenserwerbs- oder Wissensakquisitionskomponente zur Eingabe undAnderung der Wissensbasis.

8.3.1 Qualitatsmerkmale wissensbasierter Systeme

Die Qualitiit eines WBS hangt originar von den Faktoren des Wissenserwerbs,der Wissensrepriisentation und der Wissensverarbeitung ab; vgl. Nauck et al.(1996). Die Qualitiit der Wissenbasis wird oftmals dadurch beschrankt, daBExperten unfahig sind, ihr (implizites) Wissen zu beschreiben. Auch verfiigensie oft nicht iiber ein vollstiindiges Wissen iiber ihre Domane, da sie zudemkontinuierlich neues Wissen erwerben. Viele Experten verwenden dariiber

sches" Expertensystem zur JahresabschluBerstellung wird z.B. von PreBmar undWall (1998) im Kontext der Rechnungslegungspolitik vorgestellt; eine Einord­nung der Expertensysteme in das Wissensmanagement findet sich bei Ameling­meyer und Strahringer (1999).

22 Aufgrund der strengen Trennung des Wissens iiber das Anwendungsgebiet unddes allgemeinen Problemlosungswissens (logische Inferenz) ist diese Form derModellierung der prozeduralen Programmierung (Optimierung) , die keine solcheTrennung ermoglicht, konzeptionell iiberlegen. Es bestehen allerdings wesentli­che Gemeinsamkeiten zwischen Optimierung und logischer Inferenz, die fiir eineAufhebung der strengen Trennung dieser Modellierungsansatze sprechen; vgl.Drexl et al. (1995).

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8.3. Automatisierte Losungsgenerierung - wissensbasierte Systeme 355

Benutzer

•Experte

•~ ~

. : .. : Wissens-..- Interview- : Erklarungs- : k isiti

f----fallspezi-' , a q UISI tons-

bere ichs -kompo nente ; kompo nente ; komponentefisches

_____.._______L.__ _ _ _ _ _ _ ______L. _______________

bezog enesWissen _____1__________________________ ____________ Experten-

-. Inferenz komponente ..- wisscn

tZwischenergebnisse und Problemlosungen

Abb ild u ng 8.7. Architektur wissensbasierter Systeme; nach Puppe (1991), S. 13und Nauck et al. (1996), S. 180

hinaus oft Fallbeispiele statt Regeln. Die Akquisition des Wissens erfordertdaher einen hohen Zeit aufwand und spezielle Befragungstechniken.P Proble­matisch ist auch, daB die Wissensbasis fiir jede Anwendung neu erstellt odermodifiziert werden muB.

Die Qualitat der Wissensreprasentation ist davon abhangig, ob gemischteRepriisentationsmethoden angewendet werden konnen. Auch die Repriisenta­tion riiumlichen und temporalen Wissens sowie die Repriisentation vagen, un­praz isen und unsicheren Wissens sind auschlaggebend fiir die Qualitiit einesWBS.

Die Qualitiit der Wissensverarbeitung ist dadurch beschriinkt, daB dieNutzung von Allgemeinwissen (Common Sense Reasoning) entfallt. Diesist aber gerade ausschlaggebend fiir die menschliche Denkleistung (Verwen­dung von Analogien etc .). Problematisch ist auch der Umstand, daB sichmit der Abbildung groBerer Wissensbestiinde auch der InferenzprozeB (deut­lich) verlangert. Antwortzeiten im Stundenbereich sind in Diagnoseanwen­dungen Ld.R. aber unzureichend. Antwortzeiten lassen sich durch eine ex­plizite Beriicksichtigung von Problemen, die iihnlich schon einmal gelostwurden, verkiirzen. Fallbasierte Expertensysteme (Case-based Reasoning­Systeme) suchen nach ahnlichen Fallen statt anhand einfacher Regeln dieWissensbasis zu durchsuchen. Ein WBS sollte beide Repriisentationsformenkombiniert anbieten.

23 Zu Befragungstechniken der Wissenakquisition sei auf Kap. 4 verwiesen .

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356 8. Wissensmanagement

8.3.2 Ansatze der Wissensreprasentat.ion

Die Wissensreprasentation in WBS beschreibt die Kodierung von Wissenin Datenstrukturen. Die Anforderungen an die Wissensreprasentation lassensich nach Richter (1989) folgendermaBen zusammenfassen:

• Hinreichende Ausdrucksstarke (gleichwertig zur Pradikatenlogik)• Uniformitat (Gleiches oder analoges Wissen sollte in gleicher oder analoger

Weise reprasentiert werden .)• Strukturerhaltung (Beziehungen zwischen Wissensinhalten sollten erhalten

bleiben ; Gruppierungen von Objekten, taxonomische Hierarchien)• Effizienz (Wenn die Einsicht formulierbar ist, eine gewisse Strategie sei in

bestimmten Situationen anzuwenden, so muB diese auch angewendet wer­den. Der Aufwand dieser Uberlegung und die Realisierung dieser Strategiediirfen den Effizienzgewinn aber nicht wieder hinfallig machen.)

Es werden deklarative und prozedurale Ansatze der Wissensreprasentationunterschieden. Der deklarative Ansatz nutzt (symbolische) Beschreibungenvon Begriffen, Objekten, Fakten oder Situationen, die keine Angaben iiberWissensprozesse enthalten, zur Reprasentation.

Der theoretisch fundierteste Ansatz entstammt der Logik (z.B. Pradika­tenlogik 1. Ordnung) In der Praxis ist der Einsatz dieses Ansatzes wegenseiner Eingeschranktheit aber eher begrenzt. Ausnahme bilden Programme,die auf der Sprache PROLOG basieren.

Die assoziative Wissensrepriisentation mittels semantischer Netze bildeteinen zweiten deklarativen Ansatz. Diese basiert auf einer Visualisierung desWissens (z.B. mittels pradikatenlogischer Formeln) und ist somit leichterverstandlich. Die Darstellung beruht auf gerichteten, beschrifteten Graphen.In der einfachsten Form reprasentieren Knoten Elemente und Kanten binareRelationen zwischen den Elementen. Mit dieser Form der Darstellung ist zwarTiefenwissen darstellbar, bei komplexen Systemen werden die Darstellungenaber schnell uniibersichtlich. Semantische Netze bilden eine Grundlage vonFrames.

Die Wissensreprasentation mittels Frames basiert auf einer strukturier­ten Objekt-Heprasentation, Das Paradigma der Objektorientierung wirdhier konsequent angewendet. Objekteigenschaften werden in Slots angege­ben. In diesen Slots konnen auch Verweise auf andere Objekte (analogzu semantischen Netzen) eingetragen werden . Slots konnen sowohl Default­werte, die veranderlich sind, als auch generische Werte enthalten, die un­veranderlich sind und das Objekt beschreiben. Defaultwerte stellen somitAnfangswerte (Hypothesen) dar, die revidiert werden konnen (Fakten} . Slotskonnen dariiber hinaus auch Prozeduren enthalten, die unter gewissen Um­standen Werte berechnen. Frames bilden somit bereits den Ubergang zu pro­zeduralen Ansatzen.

Beim prozeduralen Ansatz erfolgt die Wissensreprasentation durch Reali­sierung mit Produktionssystemen. Diese setzen sich aus einem Datenspeicher

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8.3. Automatisierte Losungsgenerierung - wissensbasierte Systeme 357

(Fakten), einem Produktionsspeicher (Wenn-Dann-Regeln, also dem proze­duralen Wissen) und einem Interpreter (Kontrollwissen) zusammen.

Die regelbasierte Wissensrepriisentation basiert auf Regeln der Form"Wenn A dann B" . Im Unterschied zur Logik kann B selbst eine Handlungs­folge sein. Das WBS setzt sich somit aus einer Regelmenge und einer Fak­tenbasis (Daten) zusammen. Diese "Modularisierung des Wissens" ist leichthandhabbar und fiir den Nutzer zumeist verstiindlich. In der Praxis hat sichallerdings gezeigt, daf bei komplexen Systemen zu viele Einzelregeln notigsind, urn die gesamte Diskurswelt abzubilden. Case-based Reasoning-Systemebieten hier eine sinnvolle Ergiinzung zu den einfachen Regelsystemen.

Constraint Netze bilden schlieBlichdie "duale" Form zu semantischen Net­zen. Hier sind Knoten mit Relationen beschriftet und die Kanten mit Argu­menten. Ein Constraint ist eine n-stellige Relation, ein Constraint-Netz eineMenge von Constraints. Diese dienen sowohl der Repriisentation als auch demSchlieBen.

AbschlieBend solI ein Vergleich zwischen DSS und WBS angegeben wer­den . Eine Unterscheidung kann anhand verschiedener Merkmale erfolgen (vgl.Tab. 8.2).

II DSS WBSZiel- Losungsprozeflorientierung Ergebnisorientierungsetzung Entscheidungs- "Expertenwissen fiir viele"

unterstiitzung / "Intelligenzmultiplikator"kognitive Entlastung liefert Teillosungen,"Intelligenzverstiirker" selten Komplettlosungen

Einsatz- komplexe, begrenzt Aufgabe "wohldefiniert"bereich strukturierte Probleme operative Ebene

auf Fach- und StabsebeneNutzer / wenige Fachkriifte, daher heterogene Nutzerstruktur:Nutzung individuelle Anpassung des Laien : (Teil-) Wissen fehlt;

Systems Experten: Arbeitser-leichterungWBS als Berater (Consultant)

Systement- flexibel und moglichst voll-wicklung erweiterungsflihig stiindige Wissensbasis

Tabelle 8.2. Vergleich von entscheidungsunterstiitzenden und wissensbasiertenSystemen

WBS und DSS verhalten sich zueinander kornplementar. IntegrativeAnsiitze gehen dahin, DSS und WBS zu kombinieren (DSS + WBS = ESS(Expertenunterstiitzungssysteme)); vgl. Luconi et al. (1986). Denkbare In­tegrationsansiitze sind:

• WBS an Dialogkomponente

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358 8. Wissensmanagement

• WBS an Modellkomponente• WBS an Datenkomponente• Erweiterung DSS urn WBS

1m Fall der Erweiterung eines DSS urn ein WBS oder ein XPS ware die­ses System und die zugeh6rige Wissensbank ebenfalls Bestandteil des Mo­duls Planungs- und Entscheidungssystem (vgl. Abb. 8.3, S. 330). Binbasioglu(1995) stellt z.B. einen DSS-Ansatz vor, in dem der ModellierungsprozeBfiir lineare Optimierungsmodelle durch eine wissensbasierte Komponente un­terstiitzt wird. Ausgehend von einer eingeschrankt natiirlichsprachlichen Pro­blembeschreibung wird zunachst eine abstrakte Problemdefinition erstellt.Auf Basis dieser formal en Problembeschreibung werden verschiedene Subpro­bleme durch eine Abbildung auf die zur Verfugung stehenden Losungsansatze(Kategorien) definiert. Dies entspricht einer typischen Klassifikationsaufgabe.Durch die Festlegung der Modellparameter werden die Subprobleme durchden Benutzer weiter spezifiziert. In einer folgenden Konstruktionsphase wer­den die Einzelmodelle wieder integriert. AbschlieBend wird durch Eingabeder Eingangsdaten eine Instanz des Modells gebildet.

8.3.3 Beispiel: Help Desk - Inferenz bei regelbasierten Systemen

In diesem Abschnitt greifen wir noch einmal die Beispiele des Help Desksund des Gefangenendilemmas'" zur Illustration eines regelbasierten Systemsauf. Wir gehen von folgender Situation aus : Eine der ehrenwerten Familienhat in den letzten Jahren zunehmend Probleme mit Inhaftierungen seinerMitglieder - die Gehalter der Polizei sind gestiegen und die Korruption istzuriickgegangen. Damit ist der Wettkampf zwischen den einzelnen Familiender Stadt starker geworden , wobei gleichzeitig haufiger kurzfristige Koopera­tionen zur Durchfiihrung komplexer Projekte (Einbriiche) eingegangen wer­den. Der Sohn des Paten der betrachteten Familie - ein IT-Besessener - hatsich durchgesetzt, einen Help Desk fiir die Inhaftierten seiner Familie einzu­richten. Da jeder Haftling einen Anruf tatigen darf, wird zunachst allen Fami­lienmitgliedern die Nummer des Help Desks eingepragt. Damit das jeweiligeGefangenenproblem - solI der Haftling, der bei der vermeintlichen Straftatmit einem Partner zusammengearbeitet hat, gestehen oder schweigen - on­line und direkt auf der ersten Ebene des Help Desks bearbeitet werden kann,wird ein regelbasiertes System eingefiihrt. Die Wissensbasis besteht aus denRegeln, wie sie ausschnittsweise in Tab. 8.3 dargestellt sind.

Ais Inferenzmechanismus wird das Forward-Chaining genutzt. Hier wer­den dem System alle bekannten Merkmalsauspragungen prasentiert unddie Wissensbasis nach allen Regeln durchsucht , die (Kombinationen der)Auspragungen als Voraussetzung besitzen. Das Ergebnis dieser Regel wird imnachsten Schritt zu den bestehenden bekannten Auspragungen hinzugenom­men, nach denen die Wissensbasis wiederum durchsucht wird. Das iterative

24 Vgl. hierzu die Ausfiihrungen in Kap. 2.3.1, S. 32 If.

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8.3. Automatisierte Losungsgenerierung - wissensbasierte Systeme 359

Nummer Regel

1 venn "Anrufer Familienmitglied" und "Partner Familienmitglied"dann " Familienproblem"

2 venn "Partner inhaftiert" und "Mafiakrieg"dann "schweigen"

3 venn "Partner inhaftiert" und "kein Mafiakrieg"dann "gestehen"

4 venn " Partner kein Familienmitglied"dann "Gegnerproblem"

5 venn " Familienproblem"und Rang(Anrufer, Familie) - Rang(Partner, Familie) > 10dann "gestehen"

6 venn " Familienproblem"und Rang(Anrufer, Familie) - Rang(Partner, Familie) <= 10dann "schweigen"

7 venn "Gegnerproblem" und "Partner nicht inhaftiert"dann "schweigen"

8 venn "Gegnerproblem"und Rang(Partner, Familie) - Rang(Anrufer, Familie) > 4dann "Mafiakrieg"

9 venn " Gegnerproblem"und Rang(Anrufer, Familie) - Rang(Partner, Familie) > 4dann "kein Mafiakrieg"

10 venn" Gegnerproblem"und I Rang(Anrufer, Familie) - Rang(Partner, Familie) I <= 4dann "schweigen"

Tabelle 8.3. Beispiel: Ausschnitt der Wissensbasis

Verfahren bricht ab, wenn kein SchlieBenmehr moglich ist oder Endergebnisse(als nutzbare Diagnose) erreicht werden .

In unserem Beispiel prasentieren wir dem System die Auspriigungen "An­rufer Familienmitglied", "Partner kein Familienmitglied" und "Partner in­haftiert" . Diese stellen das Benutzerwissen iiber das Problem dar. In derersten Iteration wird die Wissensbasis nach allen Regeln durchsucht , die eineder drei Auspriigungen als Voraussetzung haben. Dies ist die Regel 4. Imbetrachteten Beispiel konnen in der zweiten Iteration die Regeln 8, 9 und10 iiberpriift werden. In einer weiteren Datenbank, in der aIle Mafiamitglie­der gefiihrt werden, sind ihre Range eingetragen; den jeweils hochsten Werthat der Pate (15), dann kommen seine Sohne, dann die Schwiegersohne etc .In unserem Beispiel sei der Rang des Anrufers gleich eins (ein Neffe viertenGrades) und der Partner besitze den Rang zehn (ein Sohn des Paten einerkonkurrierenden Familie) . Damit kommt Regel 8 zur Anwendung - ein Mafia­krieg ist in der Entscheidungssituation zu bedenken. In einer letzten Iterationkommt Regel 2 zur Anwendung, d.h . der Anrufer hat zu schweigen.

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360 8. Wissensmanagement

Besitzt die Familie des Partners den identischen Help Desk, so wird derPartner gestehen, d.h . der Partner kommt frei und der Neffe vierten Gradeswird eine lange Zeit inhaftiert, gleichzeitig aber ein Mafiakrieg verhindert. DieEntscheidung, daB beide Gefangenen schweigen sollen, hangt dabei von demAbstand ihres Ranges und ihrer Famillenzugehorigkeit ab, wobei hoher ein­gestufte, fremde Partner sensitiver behandelt werden (hier darf der Abstandmaximal vier Range betragen, beim "Familienproblem" besitzt der Abstandden Wert zehn).