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8. Wissensmanagement
"Fiir einen Menschen ohne Scheuklappen gibt es kein schoneresSchauspiel als die Int elligenz im Widerstreit mit einer ihm iiberle genen Wirklichkeit. " (Albert Camus)
Wissensmanagement beschiiftigt sich mit der wirt schaftli chen Unterstiitzung (im Sinne einer Strukturierung) der Generierung, Distribution und Allokation von Wissen . Die organisationale Wissensbasis set zt sich dabei ausindividuellen und kollekti ven Wissensbestiinden zusammen, auf die eine Organisat ion zur Losung von Problemen zugreifen kann . Organisati onales Lernen betrifft die Veranderun g der organisat ionalen Wissensbasis, die Schaffung kollektiver Bezugsrahmen sowie die Erhohung der organisat ionalen Problemlosungs- und Handlungskompetenz. Wissensmanagement bildet in diesem Zusamm enhang ein int egriertes Interventionskonzept zur Gestaltung derorganisationalen Wissensbasis; vgl. Probst et al. (1998) .
Um einen effizient en Zugriff auf das unternehmensinterne Wissen undeine (teilautomatisierte) Nutzung dieses Wissens zu gewiihrleisten, bietet essich an, den Begriff des Wissens, der in Kap . 1.2 eingefiihrt wurde, nocheinmal zu betrachten. So lassen sich mogliche Bereiche beschreiben, die durchein Wissensmanagement gest alt et werden konnen. Das Wissen laBt sich (fiirunsere Betrachtungen sinnvoll) in drei Bereiche (unter-) gliedern :
1. Allgemeinwissen• kein unmittelbarer Aufgabenbereich• i.d.R. vollstiindig priisent
2. Spezial- und Fachwissen• deklaratives Wissen (Was, symbolische Beschreibung)• prozedurales Wissen (Wie, Operationen)
3. Meta-Wissen iiber den Einsatz des Wissens (Warm)!
Das koordinierte (organisationale) Lernen innerhalb der Organisation istein Ziel des Wissensmanagements, wobei das Spezial- und Fachwissen der einzelnen Mitarbeite r von besonderer Bedeutung ist , da dieses in entsprechenden Entscheidungssituati onen wiederhol t zum Einsatz kommt oder kommen
1 Wir haben Meta-Wissen auch als die Fahigkeit definier t , implizites in explizit esWissen zu iiberfiihren . Heide Ansatze basieren auf demselben Grundgedanken ,sich seines Wi ssens und dessen Anwendung bewuBt zu sein .
S. Voß et al., Informations-management© Springe-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001
318 8. Wissensmanagement
sollte . So definieren z.B. von Kortzfleisch und Winand (1997) die Aufgabedes Wissensmanagements als das Leitungshandeln in bezug auf Lernprozesse.Ubergeordnetes Ziel ist dabei die Anwendung von Wissen. Ein GroBteil desfachspezifischen Wissens liegt z.B. in Form potentieller Informationsquellenin unternehmensinternen Dokumenten versteckt, so daB das Dokumentenmanagement in der Literatur oftmals als ein wesentlicher Bestandteil desWissensmanagements betrachtet wird; vgl. Kap. 7.5.
Probst et al. (1998) beschreiben das Wissensmanagement anhand von zugehorigen Bausteinen, die im folgenden kurz erlautert werden sollen. Diesestehen in enger Beziehung zueinander und konnen daher nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Einen auBeren, typischen Managementkreislaufbilden die Elemente Zielsetzung (Wissensziele) , Umsetzung und Bewertung(Wissensbewertung), die auch eine strategische Ausrichtung des Wissensmanagements - d.h. langfristige Lernprozesse, z.B. zur Bildung von Kernkompetenzen - implizieren solien.2
Die eigentliche Umsetzung des Wissensmanagements kann durch eineninneren Kreis beschrieben werden, der die Komponenten Wissenstransparenz, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens( ver)teilung, Wissensbewahrung und Wissensnutzung beinhaltet. Der erste Schritt dieses Kreisesbeinhaltet den Ubergang von implizitem Wissen zu (teilweise) explizitemWissen (Transparenz bzw. Identifikation). Dabei ist es natiirlich zumindesterforderlich, zu wissen, wer im Unternehmen in welchen Bereichen Experteist. Hier kann z.B. versucht werden, die Kenntnisse und Fahigkeiten (Kernkompetenzen) der Mitarbeiter zu erheben und im Zusammenhang mit einemIntranet iiber eine Wissenslandkarte analog zu anderen Dokumenten zu verwalten; vgl. Kap . 6.2.2.3 Im zweiten Schritt (Wissenserwerb) sind vorhandeneWissensinhalte gegebenenfalls urn weitere Kenntnisse bzw. Fahigkeiten zuerganzen, urn die Ziele der Unternehmensfiihrung zu erreichen. Hier kommenvor allem die Weiterbildung von Mitarbeitern, Kooperationen mit anderenFirmen oder Instituten bzw. Neueinstellungen sowie z.B. Marktforschungsaktivitaten in Frage.
Die Wissensentwicklung befaBt sich mit der Schaffung neuer Fahigkeitenund Produkte, besserer Ideen und leistungsfiihigerer Prozesse. Sie kann aufeiner individuellen und einer kollektiven Ebene erfolgen. Auf der individuellen Ebene sind Kreativitat und systematische Problemlosungsfahigkeit eine
2 Andere Ansatze betonen den Bezug zur Modellierung von Geschaftsprozessen,bei denen einzelne Aktivitaten nur durch entsprechende Wissensbestande(Fahigkeiten) erfiillt werden konnen. Diese sind bei der Geschaftsprozeflmodellierung ebenfalls abzubilden und definieren somit eine (notwendige) Wissensbasis; vgl. hierzu z.B. Warnecke et al. (1998), Allweyer (1998) sowie Hagemeyer und Rolles (1998). Des weiteren sei an dieser Stelle auf die Beitrage inBiirgel (1998) zum Wissensmanagement verwiesen .
3 Es ist zu bedenken, daf3 die Offenlegung von impliziten Modellen immer auch inVerbindung mit der Darstellung oder auch Anleitung zur Nutzung bestehenderexpliziter Entscheidungsmodelle (die gegebenenfalls bereits implementiert vorliegen) stehen sollte. Auf diese Thematik wird in Kap. 8.1 explizit eingegangen.
8. Wissensmanagement 319
notwendige Voraussetzung. Urn Ergebnisse entsprechender Prozesse transparent zu machen und weitere Personen an den Ergebnissen partizipieren zulassen, ist z.B. das Vorschlagswesen ein m6gliches Mittel; vgl. z.B. Thorn(1996). Kollektive Lernprozesse, z.B. innerhalb von Projekten oder spezielleinberufenen Besprechungen, konnen durch eine informationstechnische Unterstiitzung aus dem Bereich Groupware (Kap. 9.1) und eine abschlieBendeRefl.exion iiber das Erlernte transparent gemacht werden. Durch Erstellungvon "Lessons learned"-Dokumenten kann so das erworbene Wissen z.B. anderen Teams zur VerfUgung gestellt werden.
Die Wissens(ver)teilung beschreibt die erneute Aufnahme von zuvor explizit abgelegtem Wissen oder den direkten Transfer von implizitem Wissen .Dabei ist zu bedenken, daf Wissen immer personengebunden ist. Liegt diesesWissen nicht in expliziter Form vor, so kann es erforderlich sein, das Wissenfiir eine Aufgabe bzw. Entscheidungssituation, z.B. im Rahmen der Produktentwicklung, durch eine Zusammenarbeit zu transferieren (von implizitem zuimplizitem, aber auch zu explizitem Wissen).4 IT-Infrastrukturen k6nnen denhierzu notwendigen Austausch von Informationen fordern, vor allem mittelsGroupware-Applikationen und Management Support-Systemen. Es bleibt zubedenken, daB in der Praxis dem eigenverantwortlichen Wissenstransfer einehohe Bedeutung beigemessen wird; vgl. Bullinger et al. (1998) fur eine empirische Studie. Urn Wissen gezielt zu verteilen, konnen zudem z.B. Innovationsoder Qualitatszirkel bzw. spezielle Arbeitskreise gebildet werden.
Die Wissensbewahrung (Bewahrung der Kernkompetenzen) geht von demGrundsatz aus, daf einmal erworbene Fahigkeiten in der Zukunft nicht automatisch zur Verfiigung stehen. So miissen Erfahrungen, z.B, in Form vonDokumenten, gezielt verwaltet werden . Das Problem liegt hier wiederum inder Differenzierung von wichtigen und unwichtigen Dokumenten begriindet,Die Verlalllichkeit oder Reliability von Dokumenten, wie in Kap . 7 diskutiert,kann im Rahmen der Datenhaltung zunachst allein durch den Verfasser oderHerausgeber gewahrleistet werden. So steht ein guter Autor meist fiir guteBeitrage. Besteht fiir Quellen (Dokumente) die M6glichkeit, festzuhalten, wieoft auf diese zugegriffen wurde, diese gedruckt oder per E-Mail verschicktwurden etc., so kann aus solchen und weiteren Informationen mittels statistischer Auswertungen ebenfalls (zu einem gewissen Grad) auf die Verlafdichkeitgeschlossen und ein Wissensmanagement in diesem Bereich unterstiitzt werden. Wissensinhalte, die nur implizit vorliegen und nicht expliziert werdenkonnen, sind durch eine geeignete Personalpolitik und die Ubertragung desWissens auf andere Organisationsmitglieder sicherzustellen.
4 So beschreibt Nonaka (1992), wie japanische Konzerne die Wissensentwicklungund Wissensverteilung biindeln, um neues Wissen zu generieren. Neben der Formder Fiihrung mit dem Ziel, daB Mitarbeiter ihr Wissen preisgeben, werden vorallem Konzepte der Ideenfindung (iiber die Nutzung von Metaphern, Analogien und Modellen) und organisatorische MaBnahmen, wie z.B. Rotation undiiberlappende Teams diskutiert.
320 8. Wissensmanagement
Die Wissensnutzung stellt schlieBlichdas Ziel und den Zweck des Wissensmanagements und somit der Gestaltung der weiteren Bausteine dar. Hiersind vor allem Barrieren der Adaption fremden Problemlosungsverhaltensund die Beibehaltung bewahrter Routinen zu iiberwinden. Natiirlich kanndas Wissen unterschiedlichster Personen in Losungen eingehen; in diesemKapitel beschaftigen wir uns im weiteren aber vornehmlich mit Werkzeugen ,die dazu dienen, einzelne Personen bei der Erstellung ihrer Losungen zu unterstiitzen. Urn sie zu klassifizieren, konnen diese Werkzeuge in bezug zumEntscheidungsprozeB gesetzt werden :
1. (Teil-) Automatisierung des Entscheidungsprozesses in einem bekanntenund fest definierten Wissens- bzw. Entscheidungsbereich (Bereitstellungvon Expertenwissen als direkt abfragbarem Wissen unter Ausschluf derNutzung von Allgemeinwissen)
2. Beschleunigung oder Ermoglichen der im EntscheidungsprozeB notwendigen Informationsverarbeitung (Bereitstellung von Verfahren der Informationsverarbeitung, z.B. Algorithmen, "Best-Practice"-Losungen oderBereitstellung von Verweisen auf Personen, die sich mit entsprechendenEntscheidungsfeldern auskennen)
3. (Teil-) Automatisierung der Sichtung (Generierung) neuen Wissens (neueFakten oder Regeln als Eingangsvariablen von Entscheidungsmodellen)
Der erste Ansatzpunkt befaBt sich damit , deklaratives und prozeduralesWissen explizit darzustellen (z.B. in Form von Fakten und Regeln) sowieVerfahren (anwendbares prozedurales " Wissen" ) bereitzustellen, urn diesesWissen zu reproduzieren und zu nutzen. Dabei liegt eine Hauptschwierigkeit darin, das oftmals nur implizit vorliegende Wissen in explizites zu wandeln und geeignet zu verwalten; vgl. hierzu die Ausfiihrungen in Kap. 4. DieFachliteratur beschaftigt sich auf diesem Gebiet weiterhin mit Verfahren zurDarstellung von Wissen sowie den geeigneten Zugriffs- und Auswertungsmechanismen, idealtypisch also mit der automatisierten Entscheidungsfindung;vgl. z.B. Partridge und Hussain (1995).
In diesem Kontext werden wissensbasierte Systeme, die das Wissen unddie Problemlosungsfahigkeit eines Experten nachahmen sollen, vertiefend behandelt. Sie bestehen idealtypisch aus einer Faktenbasis, einer Menge vonRegeln , urn zu neuen Fakten (Ergebnissen) zu kommen, sowie einer Inferenzmaschine, die ein automatisiertes SchlieBen realisiert . Anders als bei denDSS, bei denen der Benutzer mit den implementierten Verfahren und Regeln vertraut sein mufi, erfolgt auch dieser kognitiv anspruchsvolle Vorgangautomatisiert. Natiirlich muf dabei das gesamte Problemfeld durch Regelnabgedeckt sein, urn immer zu einem Ergebnis zu gelangen, was den Anwendungs bereich auf einfache Diskurswelten eingrenzt (vgl. Abschnitt 8.3).
Ein weiterer Ansatz im Kontext der wissensbasierten Systeme ist es, Wissen nicht nur in Form von einfachen Regeln (Wenn-Dann) , sondern in Formbereits geloster Falle explizit darzustellen. Hier ist der Ubergang von implizitem zu explizitem Wissen einfacher. Die Nutzung dieser Falle kann durch
8. Wissensmanagement 321
Vergleiche der Problembeschreibungen erfolgen , was den Losungsprozef zusatzlich beschleunigt. Case-based Reasoning-Systeme verfolgen diesen Ansatz.
Versteht man unter der Unterstiitzungsfunktion des Wissensmanagementsnicht nur das "Kopieren" des Wissens anderer, so ist das Themengebiet weiter zu fassen als aus der ersten Blickrichtung, d.h . es sind weitere Werkzeugezu analysieren, die bei der Erstellung von Wissen (Losungen) genutzt werdenkonnen, Die Wissenserlangung kann sich nun darauf beziehen , neue Fakten aufzunehmen (Erweiterung des deklarativen Wissens), z.B. mittels einesManagement Information-Systems (MIS) oder eines Executive InformationSystems (EIS) , und in impliziten (Denk-) Modellen zu verarbeiten. Es kannaber auch notwendig sein, eingelesene Fakten explizit zu verarbeiten, d .h. somiteinander zu kombinieren, daf das fiir eine Entscheidung notwendige Wissen generiert wird. Es ist zu beachten, daB ein implizites Modell gegebenenfalls nicht mehr alle Losungsaltemativen erfassen, bewerten und vergleichenkann . Hier sind explizit formulierte Verfahren anzubieten (als ein Aquivalentzum prozeduralen Wissen) , z.B. Verfahren des Operations Research in entscheidungsunterstiitzenden Systernen, den DSS. In diesem Kapitel werdenwir im Rahmen der entscheidungsunterstiitzenden Systeme daher auch Werkzeuge zur Verarbeitung von Daten im EntscheidungsprozeB behandeln."
Neben dieser Form der (unmittelbar problembezogenen) Entscheidungsunterstiitzung gehen wir in diesem Kapitel auch auf die Lernunterstiitzungein, die eine weitere Auspragung der Entscheidungsunterstiitzung darstellt.Grundgedanke ist hier , neue Beziige (Muster) zu erkennen. Auf der "philosophischen Ebene" bedeutet dies, daB bei Bekanntsein aller Daten Muster inden Datensatzen yom Entscheider nicht selbstandig erkannt werden , sonderndaB das Lernen (als automatisiertes Erkennen von Mustern) unterstiitzt wird.Umgangssprachlich ausgedriickt soll der "Aha-Effekt" des Lernens entwedererst errnoglicht oder zumindest beschleunigt werden . In diesem Rahmen stellen wir Konzepte des Data Mining vor.
In Abb. 8.1 sind die drei Ansatze auf der Ebene der Informationsverarbeitung (Methoden und Modelle) als ProzeB der Wissensgenerierung eingeordnet. EIS sind auf der Ebene der Bereitstellung von Informationen dargestelltund somit eigentlich nicht Gegenstand des Wissensmanagements. Sie werdenaufgrund der Nahe zu den DSS und der Tatsache, daf sie die Schnittstellezum Entscheider darstellen und zur Beschleunigung der Informationsverarbeitung, insbesondere der Beschaffung, dienen, dennoch in diesem Kapitelbehandelt. Der Abbildung ist weiterhin die Kombination von Data MiningSystemen und WBS zu entnehmen. Durch Data Mining-Systems gefundeneRegeln (Muster) konnen in die Regelbasis eines WBS direkt eingehen oder(lediglich) neue Fakten ausgeben, die der Entscheider wiederum mittels impli-
5 Eingangs haben wir ja bereits dargelegt, daf eine wesentliche Aufgabe des Informationsmanagements darin besteht, Entscheidern eine Transparenz tiber allgemeine explizit formulierte Losungsverfahren (als Information) bereitzustellen,urn die Entscheidungsgiite (durch Erlangen neuen Wissens) zu verbessern.
322 8. Wissensmanagement
ziter Entscheidungsmodelle oder z.B. vermoge eines DSS verarbeiten kann .Auch existieren EIS mit einer Data Mining-Komponente, die die Informationsselektion (z.B. systemgestiitzte Abweichungsanalysen) unterstiitzt; vgl.Mertens et al. (1997) .
implizite Modelleund Methoden
MSS / insbesondere EIS
Abbildung 8.1. Betrachtungsgegenstande des Wissensmanagements
Alle angesprochenen Unterstiitzungsfunktionen stehen im engen Zusammenhang zur Gestaltung von Informationssystemen. Eine Klassifikation verschiedener Systeme, die z.T . in Abb. 8.1 dargestellt sind , liiBt sich folgendermaBen angeben: Generelllassen sich zunachst Transaktionssysteme, Management Support-Systems (MIS, EIS und DSS), WBS und Biiro-Informationssysteme" unterscheiden, wobei auch eine Einordnung der WBS in die Management Support-Systeme in der Literatur zu finden ist ; vgl. Oppelt (1995). Verfahren zur Wissensgenerierung lassen sich direkt auf Management SupportSysteme (MSS) und WBS begrenzen. Data Mining-Systeme konnen entweder der Gruppe der DSS und WBS zugerechnet werden oder aufgrund ih-
6 Biiro-Informationssysteme (auch als Biiro-Kommunikationssysteme bezeichnetbzw. in neuerer Literatur insbesondere im Umfeld von Groupware-Systemenzu finden; vgl. Kap. 9.1) dienen der Optimierung der Ablauforganisation imBiiro durch eine Vereinheitlichung der Kommunikationsstruktur. Ein Projekt,das sich mit diesen Systemen beschaftigt, ist das sogenannte Office 21; vgl.http://www.office21.de/. Stand 03.05.1999. 1m Kontext neuer Koordinationsformen der Arbeit - vor allem im Hinblick auf eine Vision des papierlosen Biiros wird hier auch das Biirohaus zum Gegenstand der Betrachtung. Angestrebt wirddabei eine hohere Effizienz der Arbeitsprozesse in Verbindung mit okonomischund okologisch anspruchsvollen Konzepten, die neb en der IT-Infrastruktur auchenergieoptimierte Heizungs-, Beliiftungs- und Beleuchtungssysteme, die Raumakustik, raumstrukturierende Elemente sowie die Oebaudeleittechnik zum Gegenstand haben.
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 323
rer besonderen Funktionalitaten eine eigenstandige Gruppe der ManagementSupport-Systeme definieren. In Zusammenhang mit dem Data Warehouseund dem OLAP-Konzept hat sich hier der Begriff der analytischen Informationssysteme durchgesetzt; vgl. Chamoni und Gluchowski (1999) sowie Kap.7.1.2.
Urn entscheidungsrelevante Daten aus operativen Systemen geeignet zuextrahieren und zu verwalten sowie einen einfachen und schnellen Zugriff aufsich ergebende Analysedaten zu errnoglichen, sind Data Warehouse-Konzepteund OLAP anwendbare Technologien. Basierend auf diesen Technologienoder eigenstandigen Datenbanken sowie gegebenenfalls weiteren Werkzeugen stellen MSS die Schnittstelle zum Entscheider dar. Eine Einordnungder MSS in Data Warehouse- und OLAP-Architekturansatze laBt sich Abb.8.2 entnehmen. MSS erlauben dabei eine geeignete Informationsverarbeitung, entweder durch die erweiterte Aufbereitung der Informationen (als Reports) oder Moglichkeiten der Weiterverarbeitung (Erstellung spezieller Graphiken, Ubernahme als Eingabe-Daten in normative Entscheidungsmodelleetc .). MSS sind aber dariiber hinaus durch weitere (optionale) Komponentenund entsprechende Funktionalitaten gekennzeichnet. Verschiedene Produkteim Data Warehouse-Bereich umfassen neben der eigentlichen DatenbankSoftware weitere Front End- Werkzeuge, wie z.B. Abfrage-, Berichts- oderOberflachengeneratoren sowie Tabellenkalkulationsprogramme. Diese stellenallerdings keine Bestandteile des Data Warehouse im engeren Sinne dar, zumal sie durch Nutzung offener Schnittstellen austauschbar bleiben sollen,sondern konnen als Generatoren zur Erstellung von MSS charakterisiert werden; vgl. Gabriel et al. (2000).
WBS und XPS unterscheiden sich von DSS auch dadurch, daB die Datenbasis aufgrund der Anforderungen an die Datenstrukturen nicht fiir dieIntegration in ein Data Warehouse konzipiert ist, sondern vielmehr eine eigenstandige, anwendungsbezogene Datenbank erfordert. In den folgenden dreiAbschnitten werden wir auf Systeme zur Entscheidungsunterstiitzung (MIS,EIS, DSS), zur Lernunterstiitzung (Data Mining) und zur automatisiertenLosungsgenerierung (WBS und XPS) eingehen.
8.1 Entscheidungsunterstiitzung - ManagementSupport-Systeme
"Since his [the manager's] job is to keep everybody going in the samedirection, his chief daily task will be communication, not decisionmaking [... ]. I do not share the salesman-projected vision of the "management total-information system," wherein the executive strokesan inquiry into a computer, and a display screen flashes his answer.There are many fundamental reasons why this will never happen.One reason is that only a small part - perhaps 20 percent - of the
324 8. Wisse nsmanagement
/ '/ 7 '/ /
Kommun ikations - Ven eiltes An- Planu ngs- und Spez ielle Anwend ungs-sys tem wendungssys tem Entscheidungs- systcmc (z.B. Projekt-
(z.B. Gro upware) sys tem management) V
Management Support-Systeme
!Ana lysen und Beriehte ! Analysen und Beriehte !I ROLAP-Engine I
(weitere) interne +und externe UInformat ions- ~ ~systeme Man Mart
l J---.
MO LAP-S erverzentrale Datenbasis(re lational)
Data Warehouse
t t tDirektzugriff oder Import mit Datenextraktion und Tran sform ationsprozeB
t t texterne Daten I I Tra nsaktionssysteme I Iexterne Daten
Abbildung 8.2. Einordnung der MSS in Data Warehouse- undOLAP-Architekturansatze
executives 's time is spent on tasks from outside his head. T he restis communication: hearing, reporting, teaching, exhorting, conseling ,encouraging. But for the fraction that is data-based, the handful ofcritical documents are vital, and they will meet almost all needs . Thetask of the manager is to develop a plan and then to realize it . Butonly the written plan is precise and communicable." (Broo ks (1975),S. 111 f.)
"Computergestiitzte Management-Informationssysteme konnen zueinem Informationsniveau fiihren, das mit den t raditionellen Verfahren des Rechnungswesens und der statistischen Analyse nicht zu erreichen ist . Wie groB aber immer in Zukunft die Leistungen derartigerSysteme sein werden, sie verrnogen entschluflfahige Personlichkeitennicht zu ersetzen." (Gutenberg (1983), S. 133)
Wir kehren in diesem Abschnitt zu den Problemen, die wir in Puzzles,Problems und Messes unterschieden haben, zuriick. Probleme der betrieblichen Praxis sind zumindest auf strategischer Ebene oftmals durch Messesgekennzeichnet . Innerhalb dieser komplexen Gebi lde von Problemen gilt es,
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 325
relevante Teilprobleme zu erkennen (wenn schon nicht die Probleme in ihrerGesamtheit) und Losungen fiir diese Probleme zu entwickeln. Hierzu werden Messes oder Problems oftmals auf Puzzles reduziert, diese dann gelostund die Losungen schlieBlich auf die Realitat, d.h. die Ebene der Messes,riickiibertragen. Ob das richtige Problem erkannt wurde und die Reduktionder Probleme sinnvoll (oder korrekt) war, zeigt sich allerdings oftmals erstbei Anwendung der Losung in der Realitat.
Wir geben in diesem Abschnitt Moglichkeiten zur Unterstiitzung des gesamten Entscheidungsprozesses an, angefangen bei der Problemerkennung,z.B. durch eine automatische Reportgenerierung, deren Inhalt Kennzahlenaus dem Controlling sein konnen. Einen Schwerpunkt bilden allerdings Verfahren (aus dem Bereich des Operations Research) zur Problemlosung.
Management Support-Systeme sind allgemein Hilfsmittel zur Problemlosung und -handhabung fiir Entscheider. Unter diesem Begriff werden allerdings unterschiedliche Informationssysteme verstanden. Angebotene Systemesind durch verschiedene Funktionen gekennzeichnet und werden mit immerneuen Schlagworten bezeichnet, so daB eine eindeutige Definition praktischunmoglich ist.
Bereits seit den 60er Jahren wird versucht, Fachabteilungen und Managern ein elektronisches Informationssystem zur Verfiigung zu stellen. Im Laufeder Zeit wurden aufgrund technischer Neuerungen und unterschiedlicher Akzeptanz der Systeme eine Vielzahl von Losungsansatzen erstellt. MSS konnendabei prinzipiell den Informations- und Kommunikationssystemen untergeordnet werden. Eine mogliche Klassifizierung laBt sich folgendermaBen angeben :
• Management Information-Systeme (MIS): Einfache Reports zur Informationsgewinnung aus operativen Datenbestanden
• Executive Information-Systeme (EIS): Daten unterschiedlicher Aggregationsstufen (intern / extern), Berichte, Kommunikationselemente
• Decision Support-Systeme (DSS): Erweiterung des Funktionsumfangs urnMethoden und Modelle
Gemeinsames Merkmal aller Ansatze ist die Unterstiitzung von Entscheidungsprozessen. MIS und EIS beschranken sich aber im Funktionsumfangauf verschiedene Berichtsarten, die in Standardberichte, Abweichungsberichteund Bedarfsberichte unterschieden werden konnen; vgl. Horvath (1996) oderKiipper (1997).
MIS wurden mit dem Ziel entwickelt, den Einsatz von DV-Systemenfiir aile Unternehmensbereiche und -funktionen zu ermoglichen, Bis zurEinfiihrung von MIS wurde die DV nur fiir Routinearbeiten eingesetzt. So unterstiitzte sie die tagliche Arbeit von Sachbearbeitern z.B. in den BereichenFinanzbuchhaltung, Bestellabwicklung und Auftragserfassung. Die iiberaushohen Anspriiche der damaligen Zeit an ein MIS lassen sich folgendermaBenzusammenfassen (vgl. Jahnke (1991), S. 45 f.):
326 8. Wissensmanagement
• Umfassende, unternehmensweite, entscheidungsrelevante Inforrnationsversorgung aller Fiihrungsebenen
• Verdichtung samtlicher Unternehmensdaten• Zugriffsmoglichkeiten auf alle Daten bzw. Informationen zu jedem beliebi
gen Zeitpunkt• Automatisierung der Unternehmensfiihrung
Insbesondere die Anforderung an die Automatisierung der Unternehmensfiihrung symbolisiert den "Groflenwahn" der Entwickler. Der damaligeAnsatz sah vor, daf ein ganzes Unternehmen vom Schreibtisch aus mit Hilfedes Computers und der darin enthaltenen mathematischen Modelle gesteuert werden sollte .? Genau an diesem Punkt setzt die eingangs des Kapitelszitierte Kritik von Brooks (1975) an. Bereits aus den Veroffentlichungen der60er Jahre geht deutlich hervor, daB eine vollstandig quantitative Ausrichtung der Untemehmensfiihrung aufgrund der Art der Aufgaben des (Top-)Managements illusorisch ist. Dale und Urwick (1960) geben einen Uberblickiiber die Funktionen der Fiihrung (des Top-Managements) einschlieBlich desprozentualen Anteils an der Gesamtarbeitszeit. Ihren Ausfiihrungen ist implizit zu entnehmen, daf nur ein geringer Anteil der Aufgaben (auch derInformationsbeschaffung) durch Informationssysteme automatisiert werdenkann und (zusatzliche) Kommunikation fiir alle weiteren Aufgaben notwendig ist . Eine empirische Analyse des Kommunikationsverhaltens von mittlerenund hoheren Managern neueren Datums (vgl. Picot und Reichwald (1987))kommt zu dem Ergebnis, daf ca. zwei Drittel der Arbeitszeit fiir Kommunikation und Information genutzt werden. Die Face to face-Kommunikationund andere Formen des personlichen Gesprachs stellen hierbei wesentlicheKommunikationsformen der Fiihrung dar; vgl. hierzu auch Reichwald (1993)und die dort genannten Quellen.
Gegen eine quasi-automatisierte Steuerung durch Informationssystemespricht auch die Arbeitsweise der meisten Manager, deren Entscheidungen meist auf einer ausgepragten Kommunikation und impliziten Entscheidungsmodellen beruhen (heuristisch-intuitives Entscheidungsverhalten). Einevollstandige Formalisierung der Unternehmenssteuerung (einschlief3lich allerEntscheidungen) wiirde zudem voraussetzen, daB der gesamte Informationsbedarf bekannt ware und alle relevanten (auch externen) Informationen inbereitstehenden Modellen direkt verarbeitet werden konnten, MSS werdendaher immer reinen Unterstiitzungscharakter behalten, vor allem im BereichControlling. So schlieBt auch die Arbeit von Birk (1991) mit dem Hinweis, daBim Rahmen der Systemkonzeption im Bereich Berichtswesen auch auf einerabstrakten Ebene der Kommunikationsbedingungen Losungsansatze zu entwickeln sind, sowie der aus der Unternehmenspraxis stammenden Devise "so-
7 Die Automatisierungsbestrebungen gingen in dieser Phase mit den (selbstgestellten) Zielvorgaben des Operations Research einher, welche die Potentiale vonlinearen Optimierungsmodellen zu dieser Zeit iiberschiitzten.
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 327
viel informale Kontakte wie moglich und soviel Berichterstattung wie notig"(Birk (1991), S. 185).
Aber auch die technische Realisierung eines solchen formalisierten Informationssystems war unter Beriicksichtigung der Moglichkeiten der IT in den60er und 70er Jahren mit groBen Schwierigkeiten verbunden, da Daten ausmehreren Dateien, die zudem oftmals unterschiedliche Strukturen besaBen,benotigt wurden. Erst mit der Verbreitung von Datenbanken, insbesondereder relationalen Datenbanken Anfang der 70er Jahre, konnte der Funktionsumfang von MIS erweitert werden . Die damalige GroBrechnertechnologieerlaubte lediglich, mit Hilfe eines Terminals auf zentral gehaltene Datenbestande zuzugreifen. Zur Steuerung des MIS wurden oft textbasierte Kommandosprachen oder Meniis verwendet, da es fiir graphische Benutzeroberflachen (GUI) zum damaligen Zeitpunkt keine (kostengiinstige) StandardHardware gab und das Datenaufkommen zwischen Benutzer und Systembei Einsatz einer graphischen Oberfliiche die Kapazitiit damaliger Netzwerkeiiberschritten hiitte. Da der Lernaufwand fiir Kommandosprachen sehr hochist und sich Benutzer einzelne Befehle sowie deren Aufbau (z.B. Parameterund Operanden) merken miissen, ist die Benutzerfreundlichkeit eines solchenSystems extrem gering.
Viele Fiihrungskriifte waren nicht in der Lage, die Anwendung selbst zubedienen, da sie die Zeit fiir eine ausfiihrliche Einarbeitung nicht aufbringen konnten. Des weiteren sprach gegen die direkte Anwendung des Systemsdurch den Manager, daB angeforderte Analysen nicht sofort zur Verfiigungstanden, sondern z.T . erst iiber Nacht (im Batch-Betrieb) ausgefiihrt wurden . Aufgrund dieser Unzuliinglichkeiten lieBen sich viele Fiihrungskriiftevon der DV-Abteilung, bzw. untergeordneten SteIlen , periodisch mit wichtigen Kennzahlen versorgen . Somit sank das Einsatzgebiet des MIS vomTop-Management auf niedrigere Ebenen. Bei der Festlegung dieser wichtigenKennzahlen wurde jedoch oft unzweckmiiBigvorgegangen. Da die in Zukunftzu losenden Entscheidungsprobleme kaum vorhersehbar sind, verlangten dieManager im Zweifel moglichst "aIle" Daten. Von den Systemdesignern wurden diese Informationswiinsche nicht reduziert, sondern im Gegenteil je nachtechnischer Verfiigbarkeit noch urn zusiitzliche Daten erweitert.
Die Konsequenz daraus war eine zunehmende Datenflut, in der relevanteInformationen kaum mehr auffindbar waren. Zur Losung forderte Ackoff(1967) bereits, daB ein Informationssystem Moglichkeiten zur interaktivenAbfrage der fiir ein aktuelles Problem gerade benotigten Daten enthaltensollte und stellte fest:
• Es herrscht kein Mangel an Informationen, sondern ein UberfluB (Informa-tionsproliferation) .
• Ein Informationsbedarf kann a priori nicht bestimmt werden.• Ein bloBes Bereitstellen von Informationen geniigt nicht .• Es gilt, die sozialen Gesichtspunkte von Rechneranwendungen zu beachten.
328 8. Wissensmanagement
Da die meisten Erwartungen an die erste MIS-Generation nicht erfiilltwerden konnten, sprach man auch von einer "MIS"-Generation (vgl. Hichert und Moritz (1992)) bzw. von "MiB-Informationssystemen" (vgl. Ackoff(1967)). Weitere (vor allem technische) Griinde fiir das Scheitern der erstenMIS-Generation waren:
• Unzulanglichkeiten der verfiigbaren Datenbasis• Zu hoher Abstraktionsgrad der Modelle, die aufgrund der Vernachlassigung
wesentlicher Details nicht praktikable Losungen lieferten• Hoher Entwicklungsaufwand• Mangelnde Flexibilitat der Module• Unzureichende Rechnerleistung• Unzureichende Benutzerfreundlichkeit
Aus den Problemen, Fehleinschatzungen und Griinden des Scheiternsder MIS lassen sich verschiedene generelle Anforderungen an MSS forrnulieren. Das prinzipielle Problem beim Aufbau von Informationssystemen fiirdas (Top-) Management liegt in der Automatisierung bzw. Unterstiitzungkonstitutiv-planender Entscheidungen und von Entscheidungsprozessen. Beider Konzeption eines MSS stellt sich vor allem die Frage , welche Informationsnachfrage iiberhaupt besteht. In den oberen Fiihrungsebenen, bei denen visionares Denken und zukunftsorientiertes Handeln iiber den zukiinftigen Unternehmenserfolg entscheiden, ist die Definition des Bedarfs auBerst schwierig. Dem Informationsbedarf ist im Sinne einer potentiellen Nachfrage einmoglichst adaquates Informationsangebot gegeniiberzustellen; vgl. hierzu dieAusfiihrungen in Kap . 4. Informationen, die nicht im voraus definiert werden konnen, miissen durch Flexibilitat in bezug auf Informationsgewinnungund deren -aufbereitung beriicksichtigt werden . Diese Flexibilitat zeichnetsich vor allem durch die Bereitstellung geeigneter Selektions- und Aggregationsrnoglichkeiten von Informationen aus (z.B. durch OLAP- und InformationRetrieval-Funktionalitaten) .
Fiir den Bereich Controlling sind z.B. in der Kostenstellenrechnung oderDeckungsbeitragsrechnung Summierungsfunktionen, in der Konzernkonsolidierung oder zur Umsatzbestimmung Aggregierungsfunktionen, in der Gliederungs- oder Beziehungszahlenbestimmung (z.B. in der Betriebsergebnisrechnung) Funktionen zur Bestimmung relativer Kennzahlen notwendige Bestandteile der eingesetzten Informationssysteme."
Es konnen damit zwei Anforderungen an MSS herausgestellt werden , derZugriff auf Daten und Informationen (z.B. durch Bereitstellung adaquaterGraphikwerkzeuge zur Datenaufbereitung) und die Verarbeitung der Daten,und zwar als Eingangsvariablen in explizit formulierte Entscheidungsmodelle(DSS).
8 Zu einer Typisierung der unterschiedlichen Verdichtungstypen, aus denen diedrei genannten Funktionen abgeleitet werden konnen, sei auf Birk (1991) , S. 33,verwiesen.
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 329
Beziiglich des Zugriffs auf Daten sind generell zwei Klassen von Losungsvarianten denkbar: Briefing Book und Data Driven-Systeme. Unter BriefingBook wird ein inhaltlich relativ konstantes, regelmiiBig aktualisiertes elektronisches Berichtswesen mit guter graphischer Oberfliiche ohne Moglichkeit zurWeiterverarbeitung der abgerufenen Informationen (MIS- bzw. EIS-Niihe)verstanden. Hier steht die Problemerkennung im Vordergrund der Betrachtung, z.B. in Form von Abweichungen bestimmter Kennzahlen.
Data Driven-Systeme ermoglichen flexible Ad hoc-Abfragen mit wechselnden Inhalten. Diese Systeme errnoglichen neben der Abfrage auch eineWeiterverarbeitung und gegebenenfalls eine Weitergabe von Informationeniiber verschiedene Aggregationsstufen (vgl. hierzu das OLAP-Konzept). DataDriven-Systeme stellen einen wesentlichen Bestandteil von EIS und DSS dar. 9
Aus den vorangegangenen Uberlcgungen lassen sich folgende Ziele undIdealeigenschaften der MSS definieren :
• Erhohung der Qualitiit der Information, d.h. MSS sollen entscheidungsrelevante Informationen liefern, um Fiihrungskriifte zu unterstiitzen
• Ausnahmeberichtswesen (Exception Reporting)• Verstiirkt data-driven und normative Methoden zur Entscheidungsun
terstiitzung, z.B. durch ein "Werkzeug-Box"-Konzept• Einbindung externer Informationen• Offene Kommunikationsschnittstellen (vgl. Groupware) und Einbindung in
die Biirokommunikation• Wechselwirkungen zwischen MSS und aufbau- bzw. ablauforganisatori
schen Gegebenheiten im Unternehmen miissen sich im Fachkonzept einesMSS niederschlagen
• (BewuBter) Abbau von Informationsasymmetrien in Unternehmen, so daBFiihrungskriiften unmittelbarer Zugang zu internen und externen Datenmoglich wird
• Benutzerfreundlichkeit (einschlieBlich leistungsfahiger GVI)• Jederzeitige und ortsunabhiingige Abrufbarkeit von Informationen• Flexible inhaltliche Gestaltung (Darstellung und Bedienung), Anpassung
an individuellen Arbeitsstil und wechselnde Informationsbedarfe
In Abb. 8.3 ist der Aufbau eines MSS dargestellt. Der Benutzer kommuniziert mit dem System iiber eine Dialogschnittstelle, deren Zweck darinbesteht, diesem eine einheitliche Oberfliiche anzubieten. Der weitere Inhaltund der Aufbau eines MSS sind abhiingig von:
• der Organisation einer Unternehmung,• der Art und dem Inhalt der zu unterstiitzenden Fiihrungsprozesse,• der Herkunft der Datenbasis,
9 Es sei hierzu noch einmal auf die Unterscheidung verschiedener Berichtsartenin Standardberichte, Abweichungsberichte (Briefing Book) und Bedarfsberichte(Data Driven) verwiesen; vgl. Horvath (1996) oder Kupper (1997).
330 8. Wissensmanagement
• der Art der Informationen und letztlich• der Akzeptanz der Fiihrungskriifte.
Die offenen Kommunikationsschnit tstellen werden durch das Kommunikationssystem und das verteilte Anwendungssystem realisiert . Die Anbindungan verschiedene Informationssysteme erfolgt ebenfalls iiber Schnittstellen.Ein Planungs- und Entscheidungsmodul beinhaltet typischerweise eine eigene Datenbank sowie eine ModeIl- und Methodenbank (DSS-Komponente).Bei Einsatz eines unternehmensweiten Data Warehouse, in dem auch aIlerelevanten externen Informationen vorliegen, sind die entsprechenden Datenbankmodule gegebenenfalls vereinheitlicht . Neben diesen Modulen k6nnenauch spezielle Anwendungssysteme, z.B. Projektmanagemcntsoftware, Teildes MSS sein.
Planungs- undEntscheidungssystem
LAN WAN.-:s- ~ Internes Externes
~~Informationssystem
1\ / Informationssystem
.-:s- ~ Kommunikations -~
Integra- .... Verte iltes Anwendungs - ~~system tions - system (Groupware) LAN
ANI Vmodul
AN \Basissystem Spezielles Anwen dungs-system (z.B. Projekt -
managemen t)
Komrnunikations - I Dialogschnittstellc
!
LW
Manager als Benutzer
A bbildung 8 .3 . Aufbau eines Management Support-Systems; nach Gluchowskiet al. (1997), S. 61
8. 1.1 Executive In formation-Syst em e
Die Executive Information-Systeme (EIS), auch als Fiihrungsinformationssysteme bezeichnet, folgen einem informationsorientierten Ansatz und geltenals Nachfolger der Management Information-Systeme. Sic werden hier als
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 331
eine eigene Klasse der Informationssysteme zur Entscheidungsunterstiitzungverstanden.
"Ein EIS ist ein datenorientiertes Entscheidungsunterstiitzungssystem fiir Unternehmensfiihrung und Controlling, das inhaltlich richtige und relevante Informationen zeitgerecht und formal adaquat zurVerfUgung stellt ." (Henneb6le (1995), S. 24)
"Ein Fiihrungsinformationssystem ist ein computerbasiertes Instrument, das Topmanager schnell, iibersichtlich und bereichsiibergreifend mit den relevanten internen und externen Informationen versorgt und dabei sowohl das aktuelle Tagesgeschehen als auch dielangfristige, strategische Planung beriicksichtigt." (Berger und WeissTrapp (1992), S. 10)
Diese Informationssysteme wurden speziell fiir die oberste Unternehmensebene entwickelt und sollen der Unternehmensfiihrung fiir die Durchfiihrungder vielfaltigen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktionen relevante Informationen liefern .'"
Fiir den Aufbau von EIS sind daher Informationsbedarfe der leitendenAngestellten als Basis zu nehmen und als Designkriterien zu beachten. Typische %-Zahlen fiir Informationsbedarfe sind:
• Beheben unerwarteter St6rungen (42%)• Mittel- bis langfristige unternehmerische Aktivitiiten (32%)• Ressourcenzuteilung und Budgetierung (17%)• Interne und externe Verhandlungen (3%)• Sonstige (6%)
Aus diesen Bedarfen kann man bereits erkennen, daf eine Verwendunghauptsachlich fiir Controlling-Zwecke und die strategische Planung vorzusehen ist. Funktionale Anforderungen aus Sicht des Controlling an EIS (mitausgewiihlten Funktionalitiiten von DSS) sind der Tab. 8.1 zu entnehmen.Neben der Versorgung mit Grundinformationen (einschlieBlich externer Daten) und Ad hoc-Datenbankabfragen sowie einfachen Modellanalysen kommen weitere Funktionalitiiten aus den Bereichen der Biiroautomatisierung(AdreBverzeichnis, Terminkalender) sowie der Kommunikation (E-Mail undErweiterungen) hinzu ; vgl. Rechkemmer (1994).
Ziel ist ein schneller (sofortiger) Zugriff auf Informationen, d.h. auch dieElimination von "Vermittlern" zwischen den Leitenden und der DV. Dieser Zugriff sollte online erfolgen konnen (und nicht iiber Nacht in einem
10 Rechkemmer (1994) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daf zumindestTop-Executives iiber eine eigene "Informationsmaschinerie" verfiigen, z.B. daspersonliche Sekretariat. Ein Top-Executive hat die Aufgabe, seine Informationsmaschinerie derart zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln, daB sie ihn mit denInformationsinhalten und -mitteln optimal versorgt. Ein EIS kann hierbei Ld.R.nur ergiinzend eingesetzt werden.
332 8. Wissensmanagement
Analyse Planung BerichtswesenErgebnisanalyse Planung mit Standardberichte
SaisonfaktorenVergleich von Planung mit verbale ErliiuterungenTochtergesellschaften Wachstumsannahmen fur kritische AnalysenZeitvergleiche Individuelle Berichtserstellung
Planungsmodelle mit BerichtsgeneratorKorrelation verschie- automatische Ableitung Ad hoc-Berichtedener Kenngroflen von Monatswertenhierarchische Simulationswerkzeug vielfaltigeStrukturanalyse GraphikdarstellungenAbweichungsanalysen Integration von
Hochrechnungsmodelleninterne Konsolidierung Planung mit verschie-
den en Szenarien
Tabelle 8.1. Funktionale Anforderungen an EIS; nach Hichert und Moritz(1992) , S. 239
Batch-Betrieb) . Schnelle , unverziigliche Informationen fiir Entscheidungenunter Zeitdruck (Filterung, Komprimierung und Steuerung kritischer Daten)konnen durch die Gestaltung einer Informationspyramide mit hierarchischemAufbau (top-down) erreicht werden, wobei der Detaillierungsgrad vom Entscheider frei wahlbar ist . Die OLAP-Technologie bildet hier eine sinnvolleBasis . EIS bieten bei Nutzung dieser Technologie Moglichkeiten, den DatenfluB nach Belieben zu verdichten, wobei die Daten nicht funktional orientiert sind, sondern als Basis fiir Analysen dienen. Dabei wird das oftmals alskritisch bewertete Problem der Datenversorgung auf analyseorientierte Datenbanken verlagert, womit die effiziente Unterstiitzung der Fiihrungskraftedurch ein geeignetes, individuell konfigurierbares Informationsangebot wieder in greifbare Nahe geriickt ist; vgl. hierzu Gabriel et al. (2000). In denDatenwiirfeln eines OLAP-Systems konnen zudem einzelne Schichten mittels Grundrechenarten miteinander kombiniert oder rudimentare statistischeVerfahren, wie z.B. Trendextrapolation, angewendet werden.
Die Effizienz des Zugriffs hangt allerdings auch von den Moglichkeitender Datenaufbereitung ab (Graphikwerkzeuge), insbesondere um Implikationen zur Problem- und Potentialerkennung zu verdeutlichen. Bei Dolk(2000) findet sich ein interessantes Beispiel, bei der die Darstellung cines Gesamtunternehmens von einer Landkarte ausgeht, wobei sich fiir dieeinzelnen Standorte unterschiedliche Sachverhalte, z.B. Abweichungen vomSoll-Zustand, visualisieren und sich die zugrundeliegenden Daten nach demOLAP-Konzept navigieren lassen. Eine Anbindung der EIS an unternehmensweite Kommunikationsplattformen, die auf der Internet-Technologie basieren,wird zusatzlich durch die Entwicklung begiinstigt, auch fiir OLAP-Produktegeeignete Schnittstellen zu Intranets zur Verfiigung zu stellen.
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 333
EIS werden in der Hierarchie oberhalb der DSS angesiedelt, obwohl siekeine (weitreichende) Methodenbasis besitzen und somit durch einen geringeren Funktionsumfang gekennzeichnet sind . Ein EIS sollte aber Schnittstellenzu DSS besitzen, damit sich die Arbeitsteilung, wie sie in der Organisationvorgesehen ist, auch in der Architektur der Anwendungssysteme widerspiegelt. Nach Erkennen eines Problems kann der Manager z.B. die relevantenDaten an Mitarbeiter (bzw. die Informationsmaschinerie) schicken, die mitHilfe von DSS mehrere Losungsvorschlage erarbeiten, wodurch die unternehmensweite Sichtweise des Systems erreicht wird. Gerade aus dieser organisationstechnischen Sicht heraus ist es verstandlich, daB EIS nicht mitMethoden iiberfrachtet werden sollten. So wird der Einsatz solcher Executive Support-Systeme, mittels derer die Fiihrungskraft neben Datenabfragenauch methodisch unterstiitzte Analysen durchfiihrt, als unrealistisch eingestuft; vgl. Henneb6le (1995), S. 22, und die dort angegebenen Quellen.
Wahrend DSS einem problemorientierten Ansatz folgen, zeichnen sich EISdurch ihre Prasentationsorientierung aus . Ihr Einsatzgebiet ist hauptsachlichin den friihen Phasen des Entscheidungsprozesses angesiedelt, in denen derEntscheidungstrager seinen Informationsbedarf noch nicht genau eingrenzen kann . Urn friihzeitig unternehmensbedeutsame Entwicklungstendenzenzu erkennen, miissen Informationen explorativ gewonnen werden konnen,Auch in der Kontrollphase konnen EIS zur Uberpriifung der Auswirkungen angeordneter MaBnahmen sinnvoll eingesetzt werden. EIS k6nnen selbstUberwachungs- und Kontrollaufgaben iibernehmen, urn Manager friihzeitigauf Abweichungen zum Soll-Zustand aufmerksam zu machen.
Damit wird Fiihrungskraften errnoglicht, wenn schon kein vollstandigesBild, so doch zumindest ein ganzheitlich signifikantes Bild ihres Handlungsfeldes zu erhalten. Fiihrungskrafte haben durch die Navigationsm6glichkeitendurch die Datenbestande und die automatische Aufbereitung der Daten dieMoglichkeit , mehr Informationen in der gleichen Zeit zu handhaben, wodurch (natiirliche) Grenzen beziiglich der Verarbeitungskapazitaten verschoben werden konnen, Gleichzeitig kann ein EIS auch als Kontrollsystem derbestehenden "Informationsmaschinerie" fungieren, da es einem Manager einegegebenenfalls suboptimale Versorgung durch die Schaffung von Transparenzfallweise indiziert; vgl. Rechkemmer (1994).
Die Ziele eines EIS lassen sich folgendermaBen zusammenfassen:
• Reduzierung von Entscheidungszeiten durch (flexible) graphische Aufbereitung problemrelevanter Sachverhalte
• Friihzeitiges Erkennen von Risiken, die allgemein nicht wahrnehmbar sind ,mit deren Eintreten aber gerechnet werden muf
• Verbesserte Koordination der Organisationseinheiten durch zielgruppengemaBe Bereitstellung unternehmensbezogener Informationen
• Starkere Ausrichtung der individuellen Entscheidungen an den Unternehmenszielen
334 8. Wissensmanagement
Da EIS aufuntergeordnete Systeme zugreifen (miissen), ist ihr Einsatz nurmit einer aufwendigen Abstimmung aller im Unternehmen eingesetzten Systerne moglich. Es ist notwendig, daB sowohl informationstechnische Konzepteals auch betriebswirtschaftliche Konzepte aufeinander abgestimmt werden .Daher sind EIS keine fertigen Systeme, sondern Werkzeuge und Softwaregeneratoren, die individuell an das Unternehmen angepaBt werden miissen.Dabei sind vor allem die Anforderungen der Anwender zu beriicksichtigen,die sich mit der Zeit und der Dynamik des Unternehmens andern werden. DasSystem muf demnach flexibel erweiterbar und darf niemals "fertig" sein. Fiiralle Anderungen sollte es einen zentralen Ansprechpartner geben, z.B. eineStabsstelle, die das EIS administriert und Veranderungen vornimmt bzw.veranlaBt .
Wenn diese Systeme hochsensible Unternehmensdaten zur VerfUgungstellen, muf ein umfassendes Sicherheitskonzept erstellt werden , das Zugangsberechtigungen regelt und die physikalische Datensicherheit gewahrleistet. DerAufbau eines EIS ist durch die Kombination folgender MaBnahmen zu gestalten (siehe hierzu Schinzer et al. (1997), S. 12 f.):
• Anpassung des Organisationssystems durch Entscheidungsdelegation. Sokann durch EIS die Etablierung schlanker Unternehmensstrukturen (LeanManagement) erreicht werden, da Teile des mittleren Managements fiirdie Verdichtung und Weiterleitung der Informationen nicht mehr benotigtwerden .
• Anpassung der Informationsinfrastruktur durch den Aufbau integrierterInformationssysteme. Haufig fiihren EIS-Projekte zur Erstellung unternehmensweiter Datenmodelle oder zur Einfiihrung von E-Mail-Systemen,urn eine einheitliche, elektronische Weiterleitung von Informationen zuerrnoglichen und damit sowohl einer verteilten Informationserstellung und-verdichtung als auch verteilten Entscheidungsprozessen Rechnung zu tragen.
• Anpassung des Planungs- und Kontrollsystems durch den Aufbau geeigneter Mechanismen zur Informationsbedarfsdeckung. Durch Friihwarnsysterne sollen Fiihrungskrafte, vor allem durch die automatische Uberwachung entsprechender Faktoren, friihzeitig auf Fehlentwicklungen innerhalbder Unternehmung hingewiesen werden. Daher kommt den "kritischen Erfolgsfaktoren" beim Aufbau eines EIS eine besondere Rolle zu (vgl. Kap.4.3.3, S. 147).
• Anpassung der Fiihrungsprozesse durch die Definition und Verbreitung derUnternehmensziele. Durch die Einbindung der Mitarbeiter in den betrieblichen EntscheidungsprozeB konnen Verluste im personlichen Informationsaustausch z.T. kompensiert werden . Ein Einsatz der EIS macht daher auchauf unteren Hierarchieebenen Sinn, da hier teilweise weitaus detailliertereKenntnisse iiber die Ursache einer Entwicklung vorhanden sind als auf derobersten Fiihrungsebene. So konnen in ein EIS erlautemde aussagekraftige
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Syst ems 335
Kommentare eingegeben werden, was sinnvoller als die primate Informationsaufbereitung fur die obere Managementebene erscheint.
Letztlich bleibt die Verarbeitung und Anwendung von entscheidungsrelevant en Informationen oft der Intui tion und der personlichen Bewertung vorbehalten , deren Umsetzung in ein berechenbares Modell derzeit als nicht realisierbar eingestuft werden muB. Ferner stellte Little (1970) bereit s fest , daBein groBes Problem wissenschaftli cher Management-M ethoden darin best eht ,daB Manager sie praktisch nie anwenden. Eine empirische Unt ersuchung ergab , daB der Benutzerkreis eines EIS in der Praxis ca. 20 Person en vor allemaus der Unternehmensfiihrung und dem Controlling umfaBt (vgl. Wagner undVogel (1994), S. 229). Es ist davon auszugehen, daB es sich bei den befragtenUnternehmen urn GroBbetriebe handelt . Von einer durchgangigen Nutzungkann somit (noch) nicht die Rede sein. Ein wesentlich er Erfolgsfaktor der EISist somit weiterhin in einer einfachen Bedienung zu sehen , urn die Akzeptanzentsprechender Systeme zu sichern. Die derzeit noch bestehenden Akzeptanzprobleme werden sich wahrscheinlich mit der nachst en Generation derFiihrungskrafte aufgrund der besseren Kenntnisse von Informationssystemenverringern.
8.1.2 Verbindung zu Losungsverfahren - DecisionSupport-Systeme
Anfang der 70er Jahre wurde von Gorry und Scot t Morton (1971) derAnsatz der Decision Support-Syst eme entwickelt. Diese entscheidungsunterst iitzenden Systeme bezeichnen im urspriinglichen Sinne inte rakt ive, computergestii tzte Systeme, die zur Losung nicht im vorau s planbarer Vorgangeherangezogen werden.
Ein DSS versetzt das Man agement in die Lage, im Unte rnehmen befindliche Informationen zu nutzen, ist auf Planungsaufgaben ausgerichtet unddurch eine irregulare Nutzung gekennzeichnet; vgl. Moore und Chang (1980).Wesentliches Merkmal von DSS ist die Nutzung fur wenig strukturierte oderunstrukturierte Probleme, d.h. der Losungs- bzw. EntscheidungsprozeB istnicht standardisiert. Der Entscheider muB also in die Lage versetzt werden,mit einem Werkzeug zu arbeiten und nicht lediglich Informationen aufzunehmen, wie es z.B. Reports evozieren. Hier findet sich demnach die Kombinationvon Informationen, wie sie durch EIS erreicht werden konn en, und Methodendes Operations Research. 1m Vordergrund steht die Flexibilitat des Systems,im Gegensatz zur starren Berichtsstruktur von MIS. DSS umfassen dabei Modelle und Methoden fur den gesamten Entscheidungspr ozeB. Hierzu gehoreninsbesondere Werkzeuge zur graphischen Aufbereitung von Informationen,statist ische Methoden - einschlieBlich Werkzeugen zur Simulat ion - sowieOptimierungsmethoden aus dem Operations Research.
"DSS sind interaktive EDV-gestii tzte Syst eme, die Man ager (Ent scheidungst rager) mit Modellen, Methoden und problemb ezogenen
336 8. Wissensmanagement
Daten in ihrem EntscheidungsprozeB bei der Losung von Teilaufgaben in eher schlecht-strukturierten Entscheidungssituationen unterstiitzen." (Gluchowski et al. (1997))
Die Anforderungen an diese Systeme betreffen im wesentlichen die Benutzerfreundlichkeit, eine benutzernahe Sprachumgebung, eine flexible Handhabung und eingangige Darstellungen. DSS sollen zudem auch eine Unterstiitzung von Einzel- und Gruppenentscheidungen sowie von Entscheidungsfolgenbieten, was eine organisatorische Einbindung des DSS in alle Benutzerebenenmit horizontaler und vertikaler Integration voraussetzt.
DSS sind dabei jeweils auf bestimmte Entscheidungen oder Entscheidungsklassen ausgerichtet . Die Spezialisierung erfordert entsprechend der zuunterstiitzenden Teilaufgaben und -entscheidungen den Einsatz jeweils geeigneter Modellierungsmethoden. Ein Analysemodell in der Kostenrechnungkann eventuell mit einer Tabellenkalkulation auskommen, wahrend im Marketing beispielsweise komplexe Verhaltensfunktionen und Zeitreihenuntersuchungen mit Hilfe von Simulations- und Statistikprogrammen zu bewaltigensind.!'
Der hohe Spezialisierungsgrad der DSS ist ein Grund, warum diese Systerne entgegen ihrer urspriinglichen Zielsetzung nicht in der Unternehmensfiihrung eingesetzt werden - oftmals gibt es viele spezialisierte Teilbereiche, deren Zusammenfiihrung sehr komplex ware. Auch sind DSS vom Ansatzher nicht fiir die Anforderungen des oberen Managements bestimmt, da ihreStarken in der Anwendung analytischer Verfahren liegen. Die auf obersterEbene angesiedelte Unternehmensplanung sowie die Entwicklung betrieblicher Zielvorgaben und die dafiir notwendige Beriicksichtigung externer, inanalytischen Modellen kaum noch abbildbarer Effekte konnen mit DSS nichtoder nur unzureichend unterstiitzt werden. Bisherige DSS eignen sich insbesondere fiir die Losung von Teilproblemen auf der operativen Ebene.
Moglich wurde die Entwicklung der im Gegensatz zu den MIS sehr flexiblen interaktiven Systeme erst durch die Preisentwicklung im Bereich Hardware. Jedoch waren die notwendigen technischen Einrichtungen, wie graphische Ausgabegerate, in den 70er Jahren immer noch wenig verbreitet . DieseSituation anderte sich erst Anfang der 80er Jahre mit dem Aufkommen derPersonal Computer und der Einfiihrung des EGA-Graphikstandards 1985.Nun war eine leistungsfahige und hochauflosende Graphik zu geringen Kosten verfiigbar. Auch neue Standards in Benutzerfreundlichkeit und Bedien-
11 Komplexere Probleme und Fragestellungen werden in betrieblichen Entschei-dungsprozessen zudem oftmals nicht von einer einzelnen Person und nicht alsGanzes behandelt . Eine Unterstiitzung von Entscheidungsprozessen in Gruppenfolgte zu Beginn der 80er Jahre in Form der Group Decision Support-Systeme(GDSS) . Zu einem Uberblick iiber unterschiedliche Konzepte und Systeme siehez.B. Vetschera (1990), Vetschera (1995), Teng und Ramamurthy (1993) sowieTuroff et al. (1993). Dort behandelte Systeme werden zum Teil mittlerweile auchals Group Support-Systems bezeichnet und beinhalten Groupware-Applikationen,wie z.B. E-Mail oder Konferenz-Systeme; vgl. Kap. 9.1.
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 337
barkeit von Softwaresystemen unterstiitzten die direkte Nutzung der Systemedurch Manager. Die nun entwickelten Planungshilfen wurden meist auf derBasis von Tabellenkalkulationsprogrammen erstellt . Dadurch ergab sich eineBeschrankung auf die von der Kalkulationssoftware zur Verfiigung gestelltenDatenstrukturen und Tabellendimensionen.
8.1.2.1 Autbau und Anforderungen
Die wesentlichen Bestandteile eines DSS sind eine Datenkomponente (z.B.auf Basis eines Data Warehouse), eine Modell- und Methodenkomponente(Werkzeug-Box) und eine Dialogkomponente, die dazu dient, Daten mit Modellen zu verkniipfen. Diese Verkniipfung muB durch den Anwender vollzogenwerden, d.h. der Entscheider ist letztendlich fiir die (explizite) Problemformulierung und die Wahl des Losungsweges verantwortlich. Ein DSS kann somitkeine Entscheidungen selbstandig treffen , sondern lediglich den Entscheiderunterstiitzen.P
Daraus ergibt sich die direkte Forderung nach Problem- und Benutzerorientierung der DSS. Ein solches System muB auch dann einsetzbar sein, wennbekannte Handlungsschemata (bekannte Losungswege) nicht anwendbar sind .Eine echte Entscheidung ist gerade durch die Einmaligkeit der Entscheidungssituation gekennzeichnet, was Ld.R. einen hohen kognitiven Aufwand vornEntscheider abverlangt. Dieser bezieht sich primar auf die Problemformulierung, zumal Informationen nicht unbedingt vollstandig vorliegen miissen.Eine Dialogorientierung ist hier von besonderer Bedeutung, urn eine interaktive Problemstrukturierung zu errnoglichen. Neben der Problemmodellierungsollte ein DSS natiirlich auch die Losung der Probleme unterstiitzen konnen,
Die Modellierung muf auf einfache Weise erfolgen, und Modelle solltenyom Benutzer erweiterbar sein. Dem Benutzer sollten keine Riesenmodellevorgesetzt werden, mit denen er nicht arbeiten kann. Einfache Werkzeugein einer Werkzeug-Box konnen hilfreicher sein als komplizierte (und spezielle) Modelle. Es sollte eine Unterstiitzung zum Auffinden von Analogien,vor allem im Hinblick auf eine Problem(re)formulierung, gewahrleistet werden . Dies bezieht sich auch auf die Abstraktion von Problemen, z.B. urn einemathematische Formulierung zu erhalten. "Entdeckungs-" und Umstrukturierungsheuristiken konnen bei komplexen Problemen genutzt werden . NebenAnalogieschliissen (Abstraktion des Problems) kann auch die Bildung spezi-
12 Dolk (2000) diskutiert im Zusammenhang mit dem Data Warehouse-Konzeptdie Schaffung eines Model Warehouse, das der Modell- und Methodenkomponente eines DSS weitestgehend entspriiche. 1m Model Warehouse sind dabeiRepriisentationsformen und Annahmen fiir bestimmte Modelle sowie Schnittstellen zu Optimierungsmodulen, wie z.B. CPLEX im Bereich der mathematischen Optimierung, in geeigneter Weise - d.h . auch in einer iibergeordneten Modellierungssprache - zu verwalten. Entsprechende Verfahren konnen so bereitsbeim Datenimport in das Data Warehouse automatisiert angewendet werden,z.B. Trendanalysen zur Problemerkennung im Kontext eines EIS.
338 8. Wissensmanagement
eller Modelle, insbesondere Simulationsmodelle, das Verstandnis fiir Systemzusammenhange steigern.
Die Modellierung ist wahrscheinlich zumindest ebenso wichtig wie dieeigentliche L6sung des resultierenden Problems, wenn auf dem Abstraktionsweg von Messes zu einem oder mehreren Puzzle(s) hinreichend viele Annahmen und Vereinfachungen getroffen wurden. Letztendlich hilft eine saubereModellierung auch immer , ein Problem besser zu verstehen und zu durchdringen; vgl. auch Kap . 5.1. Ein DSS sollte die M6glichkeit bieten, solcheAnnahmen zu dokumentieren, da jegliche L6sung nur unter diesen PramissenGiiltigkeit besitzt. Diese Tatsache wird von Personen, die sich ausschlieBlich mit Puzzles beschaftigen, gerne iibersehen. Die Wahl und Variation derAuflosung, d.h. der Aggregationsgrad, ist von besonderer Bedeutung, denneine hohe Aufl6sung ist eventuell zu komplex und eine zu geringe Aufl6sungbringt eventuell den Verlust wichtiger Details mit sich.
Die genannten Prinzipien der Modellierung verdeutlichen auch noch einmal , wie wichtig eine strikte Trennung von Daten und Modellen ist . Mansollte immer mit dem Modell beginnen und dann die Daten beschaffen. EinAufweichen der Architektur von DSS wiirde diesem grundlegenden Prinzipwidersprechen.
8.1.2.2 Methoden und Modelle
Die angebotenen Methoden und Modelle , die Bestandteil von DSS seink6nnen, sollen den Entscheider im gesamten EntscheidungsprozeB unterstiitzen. Die Anwendungsbereiche eines DSS betreffen somit die Problemidentifikation, die Problemanalyse, die Suche nach L6sungsalternativen, dieBewertung der Alternativen und die Auswahl der L6sung .
In der Phase der Problemidentifikation kommen vor allem EIS (oder EISnahe Systeme) zum Einsatz. Der Funktionsumfang dieser Systeme wurdebereits im vorigen Abschnitt diskutiert. Ein wesentliches Qualitatsmerkmalist der Zeitfaktor, um zur notwendigen Datenanalyse den problemrelevantenRealitatsbereich zu scannen und zu monitoren. DSS sollten dariiber hinausMethoden beinhalten, um Trends zu prognostizieren (Ist- und Trend-Linie) .
Sobald ein Problem identifiziert wurde, ist in der Phase der Problemanalyse festzustellen, ob das richtige (Teil-) Problem erkannt wurde . Dabei sindauch die problemrelevanten Daten (ausgehend von einem Modell des Problems) zu spezifizieren . Ein DSS muB hier M6glichkeiten bieten, diese Datenzu erstellen, z.B. iiber Methoden zur Datenaggregation. Zur Problemanalysesollte ein DSS prinzipiell die Modellierung unterstiitzen. Zur Durchfiihrungvon "What-If"-Analysen kann das Erstellen von Simulationsmodellen notwendig sein. Die Simulation, die bereits im Abschnitt 5.4.5 thematisiertwurde, kann bei ausreichender Gr6Be und Detaillierungsgrad des Modellsgenutzt werden, um auch komplexe Systeme darzustellen und zu analysieren. Interessant ist hier vor allem, daB bei der angesprochenen Reduktion
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 339
von Messes zu Puzzles L6sungen zu den gefundenen Puzzles in Simulationsmodellen auf ihre tatsiichliche Wirkung auf das iibergeordnete System hinbewertet werden konnen. Durch Experimente kann somit iiberpriift werden,ob das Problem richtig und vollstandig extrahiert wurde (oder so iiberhauptextrahiert werden sollte) .
In der Phase der Suche nach L6sungsalternativen ist zumeist ein kreatiyes und innovatives Denken zu unterstiitzen. Der Zeitfaktor und die kognitiveBegrenztheit bedingen dabei eine Unterstiitzungsfunktion durch DSS. Hierist die Einbindung in die Kommunikationsstruktur von wesentlicher Bedeutung. 13 Losungen sollten vom DSS verwaltet werden . Wichtig erscheint eszudem, Methoden bereitzustellen, die eine Alternativensuche, an der mehrere Personen beteiligt sind (z.B. Brainstorming), unterstiitzen. Hier kommen verschiedene Werkzeuge aus dem Groupware-Bereich zum Tragen, z.B.gemeinsam nutzbare White boards, auf denen Ideen (auch raumlich verteilt)gesammelt werden konnen (vgl. hierzu Kap . 9.1).
In der Phase der Bewertung der L6sungsalternativen sind wiederum Simulationsmodelle und Prognosemodelle denkbare Werkzeuge . Nun sind dieAlternativen aber haufig mit Unsicherheit behaftet, so daf Sensitivitatsund Risikoanalysen mittels DSS erforderlich sind. Gerade im Bereich derSimulation, in dem in einem Experiment immer nur ein Fall iiberpriift undnicht die Allgemeingiiltigkeit bewiesen wird , sind diese Analysen und eineausreichende Anzahl an Experimenten fiir fundierte Aussagen erforderlich.Auch unvollkommene Informationen k6nnen fiir eine L6sungsauswahl verarbeitet werden, z.B. durch Berechnung von Erwartungswerten und Varianzen,Min/Max-Betrachtungen usw.
Zur L6sungsauswahl werden schlieBlich Entscheidungsmodelle, wie sie inder normativen Entscheidungstheorie behandelt werden, eingesetzt. Diese lassen sich folgendermaBen unterscheiden:
• Deterministische skalare Entscheidungsmodelle: Diese Modelle sind iiblicherweise durch ein Ziel (Satisfizierung oder Extremierung) , eine bestimmte Anzahl Alternativen und diverse Restriktionen gekennzeichnet.
13 Durch eine solche Einbindung kann der Entscheider Zugriff auf verschiedeneQuellen bekommen. Grass und Zilberstein (2000) stellen in diesem Zusammenhang ein DSS vor, das eine autonome Informationssuche iiber vom Benutzerspezifizierte Quellen im WWW ermoglicht. Das System bietet dabei eine direkteVerb indung von Entscheidungsmodell und Informationssuche, urn das Modellmit geeigneten Informationsobjekten, z.B. Preisen zu vergleichender Produkte,aufzufiillen . Hierzu verfiigt das DSS zusiitzlich iiber eine Datenbank mit potentiellen Informationsquellen, insbesondere iiber die Kosten des Zugangs, dasAntwortzeitverhalten sowie Informationen dariiber, wie Informationen fiir dasEntscheidungsmodell aus der Quelle extrahiert werden konnen. Der EntscheidungsprozeB - als Auswahl der nachsten aufzusuchenden Quelle einschlieBlichder Festlegung des Endes der Suche (sobald die Kosten der Suche den Nutzeniibersteigen) - wird dabei automatisch vom System vorgenommen; vgl. hierzunoch einmal die Ausfiihrungen zum individuellen Entscheidungsverhalten in Kap.2.3.3.
340 8. Wissensmanagement
• Deterministische vektorielle Entscheidungsmodelle: Diese Modelle sind zusatzlich dadurch gekennzeichnet, daB mehrere Ziele zu beriicksichtigen sind.Diese Ziele konnen durch Aggregation mittels Gewichtung zu einem einzigen zusammengefaBt, nach einer lexikographischen Ordnung beriicksichtigt,in Haupt- und Nebenbedingungen getrennt (ein Ziel bleibt bestehen, dieiibrigen Ziele werden als Satisfizierungsziele mittels zusatzlicher Restriktionen modelliert) oder durch die Methode des Goal Programming parallelberiicksichtigt werden.
Ist ein (mathematisches) Modell aufgestellt, so k6nnen verschiedene Methoden zur L6sungsauswahl eingesetzt werden. Diese lassen sich folgendermaBen klassifizieren:
• Exakte Verfahren• Heuristische Verfahren (Er6ffnungs- und Verbesserungsverfahren)• Meta-Heuristiken (zur iibergeordneten Steuerung von Verbesserungsver
fahren, z.B. Tabu Search , genetische Algorithmen, Simulated Annealingoder neuronale Netze)
Exakte Verfahren, wie z.B. die vollstandige Enumeration (durch Breitenoder Tiefensuche) oder Branch und Bound-Verfahren, sollen an dieser Stellenicht weiter vertieft werden. Der Leser wird hier auf die einfiihrende Literaturdes Operations Research, z.B. Domschke und Drexl (1998), verwiesen. DieArt der Probleme kann es aber verhindern, daf solche Verfahren (fiir groBeProbleminstanzen) aufgrund des zu hohen Rechenaufwands eingesetzt werdenkonnen.
Hier kommen Heuristiken ins Spiel. Dies sind Algorithmen, fiir die dieOptimalitat der L6sung nicht gewahrleistet werden kann, fiir die aber - oftmals auf Basis empirischer Untersuchungen - gute Ergebnisse zu erwartensind . Heuristiken lassen sich prinzipiell in Er6ffnungsverfahren, z.B. Next-Bestoder Cheapest-Insertion, und Verbesserungsverfahren (lokale Suchverfahren)unterscheiden.
Im Bereich der Parameteroptimierung konnen sogenannte lokale Suchverfahren aus dem Operations Research als Verbesserungsverfahren angewendet werden. Lokal ist ein Suchverfahren, wenn man von einer bestimmtenParametereinstellung ausgeht und nur (lokale) Anderungen der Parametervornimmt (Ubergang zu einer Nachbarlosung), z.B. Hinzunahme oder Streichen einer Alternative aus einem Projektportfolio. Wenn diese Einstellung zueinem verbesserten Gesamtergebnis fiihrt, nimmt man die neue L6sung alsStart16sung und verandert wieder lokal. Es konnen so Veranderungen vorgenommen werden, bis sich keine Verbesserung mehr erreichen laBt.
Die lokalen Suchverfahren gewahrleisten allerdings nicht, daB ein globales Optimum gefunden wird. Urn dem globalen Optimum zumindest naherzu kommen (und lokale "Fallen" zu iiberwinden), konnen sogenannte MetaStrategien oder Meta-Heuristiken eingesetzt werden (vgl. z.B. Reeves (1993)) ,die der lokalen Suche iiberlagert sind und sie steuern.
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systerne 341
Meta-Heuristiken sind allgemeine, aber sehr einfache Prinzipien undkonnen als quasi problern-unabhangige Verfahren verst anden werden , wasihre Darstellung an dieser Stelle rechtfertigt. Der zunehmende Einsatz vonz.B. genet ischen Algorithmen und neuronalen Netzen in der betrieblichenPraxis der Informationsverarbeitung (vor allem im Rahmen der Optimierungbzw. Prognoserechnung) liiBt es zudem sinnvoll erscheinen, diese auch imKontext des Informationsmanagements kurz zu besprechen.
Statt eine neue Startlosung nur anzunehmen, wenn der bisher gefundeneZielfunktionswert verbessert wird , kann man auch fiir jede neue Losung perZufall entscheiden, ob die gefundene Losung als neue Startlosung akzeptiertwerden solI. Die Wahrscheinlichkeit hierfiir kann in Abhiingigkeit der Abweichung des aktuellen Zielfunktionswerts von der im Suchvorgang zuvor gefundenen Losung bestimmt werden. J e liinger der Suchvorgang dau ert, destounwahrscheinlicher sollte es zudem sein, schlechte Losungen zu akzeptieren,d.h. die Suche konvergiert schlieBlich gegen ein (Iokales) Optimum. DieseStrategie wird als Simulated Annealing bezeichnet.
Ein intelligenterer Ansatz leitet die Suche ebenfalls iiber mogliche Verschlechterungen, wobei allerdings - im einfachsten Fall - aile Nachbarn einer Losung (durch eine lokale Veriinderung eines Parameters erreichbar) aufihren Zielfunktionswert iiberpriift werden. Es kann dann jeweils die besteNachbarlosung, die noch nicht wiihrend der Suche iiberpriift wurde, als neueStartlosung ausgewahlt werden. Bereits besuchte und ausgewertete Losungensind "tabu" . VoB (1993) gibt eine Ubersicht zu dieser Klasse von MetaStrat egien, Tabu Search , an.
Eine weitere Klasse sind genetische Algorithmen, die von einer Gruppe(Population) von Losungen ausgehen, und immer wieder jeweils zwei L6sungen im Suchprozef miteinander kreuzen, urn zwei neue Losungen zu generieren. Die Idee ist , aus zwei guten Losungen durch Kreuzung eine nochbessere Losung zu erhalten. Das Verfahren (vgl. Holland (1975)) basiert aufdem Grundsatz des Su rvival of the Fittest , d.h. schlechte Losungen haben nureine geringe Uberlebenschan ce in der Population, und gute Losungen setzensich durch.
Es bestehen Ansiitze, diese Meta-Strategien als Werkzeug-Box bereitzustellen, so daB sich diese Verfahren, die sich in der Praxis zunehmendbewiihren, leicht auf neue Problemstellungen anpassen lassen. Die Unt erstiitzung ist dabei momentan zwar eher auf Programmierumgebungen beschrankt, aber eine breitere Anwendbarkeit durch einfachere Sprachkonzepteist durchaus denkbar. Fink und VoB (1998b) haben z.B. einen Framework fiirMeta-Heuristiken entworfen; eine ausfiihrliche Darstellung findet sich in Fink(2000). Fiir eine Ubersicht aktueller Verfahren und Ergebnisse im BereichMeta-Heuristiken siehe VoB et al. (1999).
342 8. Wissensmanagement
8.1.3 Einfiihrung eines MSS im Unternehmen
Je komplexer ein Problem ist, desto starker hangt die L6sungseffizienz vomInformationsnachfrageverhalten abo Voraussetzung fiir einen erfolgreichenMSS-Einsatz ist daher die Akzeptanz und adaquate Nutzung des Systems.Probleme des unvollstandigen Informationsnachfrageverhaltens lassen sichfolgendermaBen zusammenfassen:
• Akzeptanzproblem aufgrund der Gestaltung und Implementierung des Systems (auch als Folge der Nutzung).
• Inadaquate Informationsnachfrage auf sprachlicher Ebene. Diese kann sowohl qualitativ (unprazise Anfrage, "falsche" Aggregation) als auch quantitativ (dito) vorliegen.
• Inadaquate Nutzung aufgrund der Problemkomplexitat. Ein DSS solI zwarhelfen, die Komplexitat eines Problems zu erfassen, diese Leistung bleibtdennoch kognitiver Natur, so daB der Nutzen des Systems auch wesentlichvon den Fahigkeiten des Benutzers abhangig ist - ein DSS kann nichtimstande sein, das Denken zu ersetzen.
• Inadaquate Nutzung aufgrund des Organisationsumfelds (Management derInformationsbereitstellung, Bezugsgruppe) . So konnte der Entscheider ausAngst vor Kompetenzverlust das System nur "vorstellungskonform" befragen.
Auf Basis dieser m6glichen Problemfelder lassen sich nun Kriterien fiireine erfolgreiche Einfiihrung eines MSS im Unternehmen ableitenr'"
• Sauberes Fachkonzept• Akzeptanz durch das Top-Management (Mentorenschaft)• Projektbegleitende Schirmherrschaft durch Top-Manager (Sponsor)• Biindelung von betriebswirtschaftlichem, DV- und unternehmensspezifi
schem Projektmanagement-Wissen in Projektteams• Mitwirkung der Informationslieferanten• Flexibilitat und Dynamik des Informationssystems, dynamische Struktur,
standig aktualisierte Datenbasis, Integrierbarkeit• Konzentration auf entscheidungs- und strategierelevantes Inforrnationsan
gebot• Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanzsicherung durch eine Benutzerbe
teiligung sowie ein durchgangiges Sicherheits- und Katastrophenmanagement (mit der wachsenden Komplexitat der Systeme werden Ausfalle undFehler in ihren Auswirkungen immer gravierender)
Vor Einfiihrung eines MSS sollte eine Wirtschaftlichkeitsanalyse stehen;vgl. z.B. Heinrich (1999). Es sind aber in der Praxis sowohl die Kosten als
14 Fiir eine erganzende Betrachtung von Kriterien fiir eine erfolgreiche Einfiihrungvon MSS, insbesondere EIS , siehe auch Heinecke und von der Oelsnitz (1995).
8.1. Entscheidungsunterstiitzung - Management Support-Systeme 343
auch der Nutzen solcher Systeme weitestgehend unbekannt und ein KostenNutzen-Kalkiil von Informationssystemen fiir die Unternehmensfiihrung daher nur schwer zu ermitteln.
Die Kosten beziehen sich im Bereich der MSS auf die Systementwicklung bzw. -anschaffung und den Systembetrieb. Es besteht aber oftmals Unklarheit tiber den notwendigen Grad der Anpassung der Organisation anein einzufiihrendes MSS sowie die Gestaltung der zukiinftigen Datenermittlung, -eingabe und -aufbereitung. Problematisch ist auch die Bewertung des"Riickgangs von Fehlentscheidungen" aufgrund der veranderten Informationsversorgung, da die Qualitat getroffener Entscheidungen nicht immer quantifizierbar ist. 15
Der Nutzen von MSS bezieht sich auf den Nutzen des substitutiven Systemeinsatzes (Rationalisierungseffekte), den Nutzen des komplementarenSystemeinsatzes (Erganzung, Verbesserung) und den Nutzen des strategischen Systemeinsatzes (Innovationen, strategische Waffe). Diesen in Zahlen zu fassen erscheint wiederum unmoglich, da zusatzlich Verbundeffekte(Lernkurveneffekte, hidden Benefits) zu benicksichtigen sind . Eine Nutzenanalyse sollte sich auf die Einsparung bestehender Kosten und die Einsparungzukiinftiger Kosten konzentrieren.
Eine Einfiihrung eines MSS tiber mehrere Entwicklungsstufen bietet eineMoglichkeit, innerhalb eines gewissen Rahmens fiir eine Stufe die Akzeptanzdurch das Top-Management zu sichern und eventuell die Wirtschaftlichkeitzu quantifizieren, urn dann in einem folgenden Schritt das MSS in seinemFunktionsumfang zu erweitern.
Vorteile eines solchen dynamischen Prozesses liegen in der Nutzung vonErfahrungen (oder von neuen Erkenntnissen), die durch den Umgang mit demneuen System gemacht wurden und in die (endgiiltige) Planung der folgendenStu fen eingebracht werden konnen. Auch wird dem Management nicht einKomplettsystem "vorgesetzt", was die Akzeptanz deutlich erhohen kann. Einweiterer Vorteil einer solchen Vorgehensweise liegt in der Verifikation desSystems, d.h. (schwer reparable) "Fehler" konnen eventuell in friihen Phasenerkannt und behoben werden . Ausgehend von diesen Uberlegungen konnteein Stufenmodell z.B. die folgende Form haben:
1. Verbessertes Reporting mit vorhandenen Indikatoren und ein strafferes,unternehmensweites Controlling, einheitlichere Kommunikationsbasis
2. Reporting mit neuen, wesentlichen Leistungskennzahlen (verbesserte Unternehmensmodelle)
3. Verbessertes Reporting tiber externe Einflubgroflen (besseres Verstandnisfiir Markt und Geschaft, verbesserte strategische Planung)
4. Verbesserte Entscheidungsfindung (flachere Strukturen mit erweitertenKontrollspannen, verbesserte Unternehmenskultur, z.B. durch die Neuverteilung der Informationsverantwortung)
15 Vgl. Kap. 3.3.3 zur Problematik einer Kostenrechnung.
344 8. Wissensmanagement
5. Unterstiitzung durch normative Entscheidungsverfahren (Einsatz vonDSS)
8.2 Lernunterstiitzung durch Mustererkennung - DataMining
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Datenbanken in Kap . 7 hat aufgezeigt, daB wir in der Lage sind , sehr viele Daten zu speichern und ganze"Lager" damit zu fiillen. Einen Wert erhalten die Daten aber erst durch dieFiihigkeiten des Nutzers zur Auswertung und Analyse, die - nicht zuletzt imSinne eines Lernprozesses - dem Auffinden von Zusammenhiingen (Mustern)entspricht.!" Wiihrend ein GroBteil der Themen, die wir im Rahmen des Datenmanagements behandelt haben, mit dem Stichwort "Selektion" (von Daten) zu bezeichnen ist, kann dieser Abschnitt mit dem Stichwort " Zusammenhang" (von Daten) charakterisiert werden, d.h. in diesem Abschnitt stellenwir Moglichkeiten vor , das Lernen - als das Erkennen von Zusammenhiingenund Erweiterung des Wissens - zu unterstiitzen.
Entsprechende Muster betreffen z.B. Aussagen iiber Miirkte , Wettbewerber , Kunden, Geschiiftsprozesse, die Performance von Anlagen und Prozessenund bieten gegebenenfalls Moglichkeiten der Optimierung von Fertigungsund Geschiiftsprozessen. Fiir Entscheidungen ist es i.d .R. notwendig, genaudiese Muster (Relationen zwischen Daten) zu erkennen und zu systematisiereno Dies spiegelt sich auch im ProzeB der Modellierung (Modellannahmenetc .) und im anschlieBenden ProzeB der Losungsgenerierung wider .
Lernunterstiitzung steht auch in der aktuellen Diskussion im Rahmen derUnternehmensfiihrung. Hier werden Konzepte der Kooperation betrachtet,die ein gemeinsames Lernen, z.B. im Rahmen der Organisationsentwicklung,ermoglichen; vgl. Schreyogg und Eberl (1998) fiir eine vergleichende Buchbesprechung zu Publikationen in diesem Bereich . In diesem Abschnitt besprechen wir nur Konzepte, die direkt auf Daten aufsetzen und somit vorrangigden individuellen LernprozeB unterstiitzen sollen. Im Kontext dieses Kapitelsist somit eher das maschinelle Lernen aus dem Bereich der Kiinstlichen Intelligenz von Relevanz . Maschinelles Lernen entspricht der Automatisierungeines Lernprozesses, welcher zum Ziel hat, eine Aufgabe in einem iterativen ProzeB mit jeder Iteration genauer (bzw. mit einer geringeren Fehlerwahrscheinlichkeit) zu losen; vgl. z.B. Nauck et al. (1996) . Es lassen sichinduktives und deduktives Lernen unterscheiden. Deduktives Lernen ist imKontext der wissensbasierten Systeme (vgl. Kap. 8.3) von besonderer Bedeutung, wahrend induktives Lernen im Data Mining eine besondere Rolle spielt ,
16 Es sei an dieser Stelle erneut darauf hingewiesen, daf eine " macht ige" undumfangreiche Transaktionsdatenverfiigbarkeit zwar notwendig ist , aber wederAnalyse- noch Planungsfunktionalitiiten ersetzen kann .
8.2 Lernunterstiitzung durch Mustererkennung - Data Mining 345
wenn die Aufgabe darin besteht, vorab nicht bekannte Zusammenhange ausBeispieldatensatzen zu generalisieren und in einem Modell abzubilden.
Die Modellierung als explizite Formulierung von Zusammenhangen zwischen Daten obliegt bei groBen Datenmengen oftmals Experten. Bei hinreichend groBer Datenmenge ist es aber auch fiir Spezialisten oftmals unmoglich,diese Daten auf Zusammenhange hin zu analysieren. Die Lernunterstiitzung,wie wir sie in diesem Abschnitt besprechen, beschaftigt sich mit der Automatisierung der Datenanalyse, also (explizit formulierten) Auswertungsstrategien, urn somit Informationen iiber Zusamrnenhange direkt bereitzustellen (anstelle des aufwendigen manuellen Lernens iiber Lesen - Nachdenkenusw.). Die Ergebnisse solcher Analysen konnen in unterschiedliche Entscheidungsprozesse eingehen, da vorab nicht zwangslaufig bekannt ist, fiir welchesProblem die gefundenen Zusammenhange als Eingangsvariablen eingesetztwerden ki:innen.
In diesem Kapitel gehen wir hauptsachlich auf das Data Mining ein. Wiebereits in Kap . 7 dargestellt, fassen Chamoni und Gluchowski (1999) unter dem Begriff Analytische Informationssysteme eine Klasse von Konzeptenzusammen, die sich primar aus dem Data Warehouse- und OLAP-Konzeptsowie Werkzeugen aus dem Bereich des Data Mining zusammensetzen. In diesem Kontext findet sich auch das Schlagwort Business Intelligence, das einenVeredelungsprozeB der Daten iiber Informationen zu Wissen, z.B. per DataMining- oder Text Mining-Techniken, beschreibt; vgl. z.B. Gentsch (1999).Entsprechende Business Intelligence-Systeme konnen dabei derzeit weitestgehend mit analytischen Informationssystemen gleichgesetzt werden .
Es sei aber bereits an dieser Stelle eine Warnung beziiglich des Data Mining, dem automatisierten Erkennen von statistischen Zusammenhangen vonDaten, genannt. Hierzu sind naturgemaf Statistikkenntnisse erforderlich, urnauch die richtigen Schliisse (d.h. Bewertungen von Ergebnissen) vornehmenzu ki:innen. Die Notwendigkeit von Expertenwissen widerspricht dabei einerintuitiven Nutzung entsprechender Data Mining-Werkzeuge - quasi als BlackBox - im Rahmen eines EIS oder eines analytischen Informationssystems.Data Mining-Werkzeuge solIten vielmehr eingesetzt werden, urn die Arbeitvon Experten der Datenanalyse und der Statistik, welche die Entscheidungsprozesse von Managern unterstiitzen, zu vereinfachen und zu beschleunigen.F
8.2.1 Knowledge Discovery in Databases
Die automatisierte Datenanalyse in Datenbanken wird unter dem SchlagwortKnowledge Discovery in Databases (KDD) diskutiert und teilweise mit demBegriff Data Mining gleichgesetzt, das allerdings nur einen Teilschritt imGesamtprozeB des KDD darstellt; vgl. hierzu u.a. Fayyad et al. (1996). DieAuswertung als Analyse entspricht dem Auffinden von Mustern bzw. dem
17 Zu einer Vertiefung der Materie sei z.B. auf aktuelle Publikationen der ZeitschriftData Mining and Knowledge Discovery im Kluwer-Verlag verwiesen .
346 8. Wissensmanagement
Ableiten von Modellen aus Daten. Ein Muster stellt eine Beschreibung ineiner bestimmten Sprache iiber einer Untermenge der Daten (Fakten) daroder ein Modell, das auf dieser Datenmenge aufsetzt .
Der Anwender geht dabei traditionell so vor, daf er zunachst Hypothesenaufstellt und einen Statistik-Experten hinzuziehen muB, urn Methoden derDatenanalyse festzulegen. Die Analyse der Datenbasis obliegt dann oftmalseinem Experten der Informationsverarbeitung. Das Zusammenfassen der Ergebnisse erfolgt anschlieBend wieder durch einen Experten der Statistik (vgl.Abb.8.4).
Herkbmml icheDat enan alyse
Dat a Mi ningl.e.S.
Data Miningl.w.S.
Hypothesen- Auswa hl Analyse Zusammen- Interpretationgenerierung der der fassung der i- der
Methode Datenbasis Ergebnisse Ergebn isse
Anwende r ~~~~ne Stati"ik-Ex,~ Anwender
Scannen der Hypothesen- Analyse der Datenbasis InterpretationDatenbasi s generierung Ergebnisausgabe i- der
Ergebn isse
---Data Mining·Systern Anwcndcr
Scannen der Hypothesen- Analyse der Datenb asis Interpretat ionDatenbas is generierung Ergebnisausgabe -. der
Ergebni sse
Anwendcr DataMining-~y~ Anwendcr
Abbildung 8.4. Datenanalyse und Data Mining; vgl. Hagedorn et al. (1997)
Die Automatisierung des Prozesses wird notwendig, wenn die Datenbasiszu umfangreich oder zu uniibersichtlich wird. Hier werden mehrere Schrittein einem System zusammengefaBt, wobei die Hypothesenbildung nach wie vorvom Anwender vollzogen werden kann (Data Dredging) . Fiir das Auffindenvon Mustern finden sich in der Literatur unterschiedliche Begriffe, z.B. DataMining, Wissensextraktion (Knowledge Extraction) , Information Discovery,Information Harvesting, Data Archeology oder Data Pattern Processing; vgl.Fayyad et al. (1996). KDD ist der iibergeordnete iterative und interaktiveProzeB, in dem Data Mining einen Schritt darstellt. In Abb. 8.4 ist der Teildes KDD-Prozesses dargestellt, der das Data Mining tangiert . Beim DataMining im engeren Sinne werden aIle Schritte einschlieBlich der Hypothesengenerierung automatisiert; beim Data Mining im weiteren Sinne obliegtdie Hypothesengenerierung (im Anschluf an das Scannen der Datenbasis)weiterhin dem Anwender. Hier liegt somit ein gesteuerter ProzeB VOL
Das Data Mining (als Auffinden von Mustern) umfaBt die automatisierteErstellung von Hypothesen (oder setzt zumindest - in einem interaktiven Pro-
8.2 Lernunterstiitzung durch Mustererkennung - Data Mining 347
zeB - direkt auf diesen auf) , die Suche in festgelegten Datenbereichen und dieDarstellung der Ergebnisse in einer vorab definierten Reprasentationsform.Beteiligte Forschungsgebiete, die z.T. an den Beteiligten am traditionellenProzef der Datenanalyse ersichtlich sind, sind:
• Datenbanken (Datenbanktheorien und -werkzeuge als Infrastruktur zurDatenverwaltung - vgl. Data Warehouse, OLAP) ,
• Machine Learning,• Pattern Recognition,• Statistik,• Kiinstliche Intelligenz (z.B. neuronale Netze),• Fuzzy Systeme.
Die Automatisierung macht es zuniichst erforderlich, einige Anforderungen an gefundene Muster zu formulieren . Diese Muster solIten fiir neue Daten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit giiltig, innerhalb des Systemsund fiir den jeweiligen Nutzer neu, potentiell niitzlich und fiir den Nutzerverstiindlich sein. Der KDD-ProzeB liiBt sich in neun Schritte zerlegen, diesich folgendermaBen angeben lassen (vgl. Fayyad et al. (1996»:
1. Festlegen des Anwendungsgebietes (einschlieBlich der Ziele der Anwendung)
2. Autbau der Datenmenge (Auswahl der Datenmenge oder Festlegung derbetrachteten Variablen)
3. Autbereitung der Daten (Preprocessing) durch Entfernen redundanterund unniitzer Daten (Rauschen); Entwicklung oder Entscheidung iiberStrategien zum Umgang mit fehlenden Daten und Entscheidungen iiberDBMS-Fragen, wie z.B. Datentypen
4. Datenreduktion und Projektion (Auffinden niitzlicher Werkzeuge zur Datenrepriisentation und Transformation der Daten zur Reduktion der Anzahl der betrachteten Variablen)
5. Entscheidung iiber die Funktion des Data Mining; z.B. Klassifikation,Regression oder Clustering
6. Auswahl eines Data Mining-Algorithmus (Auswahl der Methode(n) zurSuche nach Mustern und Abstimmung mit dem iibergeordneten Ziel desKDD-Prozesses, z.B. deskriptiv oder priiskriptiv)
7. Data Mining (Hypothesengenerierung, eigentliche Suche nach Mustern ineiner spezifizierten Repriisentationsform und Darstellung der Ergebnisse)
8. Interpretation (Analyse der gefundenen Muster auf Nutzbarkeit , Entfernen redundanter und irrelevanter Muster, gegebenenfalls Riickkehr zuvorgelagerten Schritten und Ubersetzung der Ergebnisse in eine fiir denNutzer verstiindliche Sprache, z.B. durch zusiitzliche Visualisierung derErgebnisse)
9. Nutzung der gefundenen Informationen (Einbezug in den eigenen EntscheidungsprozeB, wenn die Muster direkt anwendbar sind ; ansonsten Do-
348 8. Wissensmanagement
kumentation der gefundenen Zusamrnenhange und Vergleich mit friiherenErgebnissen zum Aufspiiren von Konflikten etc.)
Im KDD-ProzeBtreten verschiedene Problemfelder auf, die hier kurz skizziert werden sollen ; vgl. hierzu auch Hagedorn et al. (1997). Zunachst ist derGrad der Autonomie als Problemfeld zu betrachten, d.h. die Rolle der Hypothesen des Anwenders. Werden nur seine Hypothesen iiberpriift , so werdenunter Umstanden nieht aile relevanten Muster gefunden. Wird auch dieserSchritt automatisiert , so besteht die Gefahr, daB die Suche zu viele (unwesentliche) Ergebnisse liefert , wobei die Auswertung der Ergebnisse sehr vieIZeit in Anspruch nehmen kann .
Die Daten selbst konnen ein weiteres Problemfeld darstellen. Problemebetreffen im wesentlichen die Unvollstandigkeit und Sparlichkeit der Daten,denen durch geeignete Annahmen begegnet werden muB, den Datenschmutz(falsche Daten miissen aufgefunden und korrigiert werden) , das Auffindenund AusschlieBen irrelevanter Felder und die Datenqualitat . Diese ist demNutzer in der traditionellen Datenanalyse meist bekannt und geht somit indie Analyse und die Bewertung der Ergebnisse implizit mit ein . Ein automatisiertes System hat dieses Vorwissen aber nieht. Es ist also eine wesentlicheVoraussetzung von Data Mining-Systemen, auf einer Datenbasis hoher Qualitat aufzus etzen. Dies ist beim Aufbau der Datenbasis zu beachten und stelltgerade eine der Grundanforderungen an Data Warehouse-Daten dar.
Auch die Verstandlichkeit der Ergebnisse ist noch immer ein Problemaktueller Systeme. Eine Ubersetzung in eine dem Anwender verstandlicheSprache obliegt oftmals noch einem Statistik-Experten.
Dariiber hinaus ergeben sieh Probleme hinsichtlich der Sieherheit des erlangten Wissens. Hier sind statistische Angaben, wie z.B. Vertrauensintervalle oder FehlermaBe , notwendig. Dariiber hinaus ist im Kontext von unsicherem oder vagem Wissen der Bezug zu Fuzzy-Systemen besonders deutlich.l"
18 Unter Fuzzy-Systemen versteht man Systeme, die ein unscharfes SchlieBen auf derBasis unscharfer Daten errnoglichen. Der Begriff der Unscharfe bedeutet hierbei,daB abweichend von der klassischen Mengentheorie, in der ein Element entwederzu einer Menge M gehort oder nicht , mit sogenannten Fuzzy-M engen operi ertwird , wobei mit Hilfe einer charakteristischen Funktion die Zugeh6rigkeit zurMenge M beschrieben wird . Durch eine solche Zugeh6rigkeitsfunktion wird fiirjedes Element ein Mitgliedsgrad zwischen 0 und 1 festgelegt ; vgl. Zad eh (1965).Die Bestimmung geeigneter Zugehorigkeitsfunktionen ist dabei nicht Gegenstandder Fuzzy-Theorie. Sie werden von Experten auf der Grundlage ihres Fachwissensbestimmt. In der Fuzzy-Logik finden sich Definition von Verkniipfungsoperatorenfiir Fuzzy-Mengen mit den Grundoperatoren Durchschnitt, Vereinigung undKomplement. Urn uns charfes SchlieBen zu modellieren, werden in der FuzzyLogik eine Regelbasis und verschiedene Interpolations- und Approximationsverfahren eingesetzt, mittels derer eine Fuzzifizierung der Eingangsvariablen undeine anschlieBende Defuzzifizierung zur Ergebnisermittlung (als "scharfen" Wert)erm6gli cht werden. Zu einer Einfiihrung in Fuzzy-Systeme und Fuzzy-Logik wirdauf Nauck und Kruse (1998), Rommelfanger (1994) sowie JoereBen und Seba-
8.2 Lernunterstiitzung durch Mustererkennung - Data Mining 349
Unter dem Gesichtspunkt der Rolle des Anwenders haben wir bereits darauf hingewiesen, daf die Ergebnismenge enorme AusmaBe annehmen kann,wobei nur wenige Muster fiir den Anwender interessant sind . Das Problemfeld der Interessantheit umfaBt die Probleme der Redundanz (mehrere Regelnbeschreiben den gleichen Sachverhalt), der Bedeutungslosigkeit, Bekanntheitund der Trivialitat der Ergebnisse. Die Trivialitat oder die Bedeutungslosigkeit zu erkennen, erscheint quasi unmoglich. Der Ausschluf von bekannten Ergebnissen kann teilweise durch den Vergleich mit einer Wissensbasiserreicht werden, die bisherige Erkenntnisse speichert. Diese VorgehensweiseschlieBt allerdings die Redundanz von Ergebnissen nicht vollstandig aus.
Eine Vermeidung der Ausgabe redundanter, iiberfliissiger Ergebnisse kanndurch den zusatzlichen Einsatz von Redundanzfiltern erreicht werden. DieVoraussetzung fiir den Einsatz von solchen Filtern stellt eine partielle Ordnung der untersuchten Elemente mit eindeutigen Vorganger-Nachfolger-Beziehungen (z.B. als Graph) dar. Mittels heuristischer Regelnlassen sich dannredundante Ergebnisse ermitteln und eliminieren. Wenn z.B. eine Aussagefiir einen Vorganger in einer hierarchischen Ordnung gilt, so konnen aile diesbeziiglichen Aussagen, die fiir die Nachfolger gelten, entfernt werden . Wennz.B. eine Aussage fiir eine Artikelgruppe gilt und die Artikel eine homogeneGruppe bilden, so konnen die entsprechenden Aussagen tiber die einzelnenArtikel gestrichen werden.
8.2.2 Data Mining-Algorithmen
Die Algorithmen zum Auffinden von Mustern stammen aus den BereichenStatistik, Datenbanken sowie der Kiinstlichen Intelligenz, also aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen. Es handelt sich dabei urn sehr spezielleAlgorithmen, die scheinbar in keiner Relation zueinander stehen. Sie bestehenzumeist aus drei Komponenten, dem Modell (Funktion und Reprasentation),einem Praferenzkriterium und einem Suchalgorithmus (vgl. Fayyad et al.(1996)). Folgende Modellfunktionen sind denkbar.l?
stian (1998) verwiesen . Zimmermann (1995) beschiiftigt sich explizit mit derFuzzy-Datenanalyse.
19 Es sei an dieser Stelle noch einmal auf die Indexierung und die automatisierteKlassifikation von Dokumenten (Texten), die in Kap. 7.5 im Kontext des Information Retrieval behandelt wurden, hingewiesen. In diesem Bereich wird derzugrundeliegende Indexierungs- und AnalyseprozeB von Dokumenten ebenfallsaufgrund einer fiir eine manuelle Indexierung zu umfangreichen Datenbasis automatisiert . Dort eingesetzte (statistische) Methoden werden - in Analogie zu Verfahren des Data Mining - oftmals mit dem Begriff Text Mining bezeichnet. TextMining stellt dabei eine Erweiterung des Data Mining-Konzepts auf unformatierte Datenbestiinde (qualitative Analyseobjekte) dar und steht als Oberbegrifffiir siimtliche Methoden, mit denen sich unbekannte, aber potentiell niitzliche Informationen, die implizit in groBen Textmengen enthalten sind, auffinden lassen ;vgl. z.B. Gentsch (1999). Die Methoden des Text Mining umfassen Themen ausden Forschungsgebieten der Wissensrepriisentation, des Maschinellen Lernens,
350 8. Wissensmanagement
• Klassifikation (Daten werden auf vordefinierte Klassen abgebildet)• Regression (Daten werden auf Vorhersagevariablen abgebildet)• Clustering (Suche nach Gruppierungen von Daten, keine vordefinierten
Klassen)• Summarization (kompakte Beschreibungen fiir Untermengen von Daten,
z.B. Standardabweichungen fiir alle Datenfelder)• multivariate Visualisierungstechniken• funktionale Beziehungen• Dependency Modeling (Suche nach Abhangigkeiten zwischen Variablen)• Link Analysis (Suche nach Relationen zwischen Objekten in Datenbanken,
z.B. Welche Produkte werden mit anderen Produkten zusammen gekauft?)• Suche nach (stark ausgepragten) Korrelationen zwischen mehreren Objek
ten• Sequence Analysis, z.B. Zeitreihenanalysen
Die Form der Reprasentation bestimmt dabei die Flexibilitat und die Interpretierbarkeit der Modelle. Ausgehend von der Modellfunktion ist eineReprasentationsform zu wahlen. Dabei ist zu bedenken, daf komplexe Madelle Daten Ld.R. besser verarbeiten konnen, diese aber meist auch schwieriger zu interpretieren sind. Nutzer begniigen sich daher oft mit einfachen Modellen, da diese fiir sie interpretierbar sind . M6gliche Reprasentationsformen,auf die hier nicht weiter eingegangen werden sollen, sind :
• Entscheidungsbaume und Knowledge Maps• Regelbasierte Systeme• Lineare Modelle• Nichtlineare Modelle (z.B. neuronale Netze)• Reprasentation durch Beispiele (Nearest Neighbor- und Case-based Rea
soning-Methoden)• Bayesian Networks (graphische Darstellung von mit Wahrscheinlichkeiten
behafteten Abhangigkeiten)• Attribute in Relationen (vgl. Datenbanken)
Das Modell-Praferenzkriterium gibt nun an, in welchem MaBein bestimmtes Modell und die zugeh6rigen Parameter den zugrundeliegenden Datengeniigen muB, urn als Muster zu gelten. Dieses Kriterium, z.B. das MaximumLikelihood-Kriterium, kann explizit im Suchalgorithmus angegeben werden.Die Aufgabe besteht dann im Auffinden der Parameter, die zur Maximierung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der betrachteten Daten fiihrt. Eine
der Computerlinguistik, der Informationsextraktion, der Datenbanken und desData Mining . Als Grundfunktionen des Text Mining lassen sich die Assoziationsanalyse zur Ermittlung von Wechselbeziehungen zwischen gemeinsam auftretenden Begriffen innerhalb von Dokumenten und Dokumentensammlungen, dieKlassifikation von Dokumenten, das Clustering zur Unterteilung von Dokumentbestanden sowie die Zeitreihenanalyse zum Aufdecken von Verschiebungen vonTextinhalten im Zeitablauf nennen; vgl. hierzu Behme und Multhaupt (1999)und die dort angegebenen Quellen.
8.2 Lernunterstiitzun g durch Mustererkennung - Data Mining 351
andere Vorgehensweise besteht darin , das Praferenzkriterium implizit durchden Nutzer festlegen zu lassen, d.h. dieser legt (interaktiv) fest , welche Modelle iiberhaupt in die Betrachtung aufgenommen werden.
Der Suchalgorithmus ist nun dafiir zustandig, die eigent lichen Musterfiir die gewahlte Funktion in der gewahlten Reprasentationsform und unterBeriicksichtigung des Praferenzkrit eriums zu finden. Die Suche stellt entweder eine Parametersuche bei einem gegebenem Modell oder eine Modellsucheiiber einem Modellr aum dar. Bei der Parametersuche handelt es sich Ld.R.urn ein Optimierungsproblem. Hier finden Heuristiken, wie z.B. Gradientenverfahren, Anwendung. Die Modellsuche erfolgt meist iiber einfache GreedyVerfahren.
8.2.3 Beispiel: Help Desk
In diesem Abschnitt greifen wir das Beispiel des Help Desks erneut auf. Wirgehen von der folgenden Situation aus: Es wurde erkannt, daB viele (anscheinend) unterschiedliche Probleme mit den Produkten verbunden sind, iiber dieder Help Desk informieren solI und die teilweise durch ahnliche Symptomegekennzeichnet sind . Leider wurden viele Probleme von Berat er zu Beraterweitergeleitet, da viele mit dem beschriebenen Problem nicht vertraut waren.Jeder Mitarbeiter des Help Desks solI sich nun auf eine oder mehrere Problemklasse(n ) spezialisieren. Urn Probleme schnell einordnen und an einenzustandigen Mitarbeiter weiterleiten zu konnen (und somit schnell bereit sbekannte L6sungen anzubieten), sollen die anfallenden Probleme in Klassen aufgeteilt werden. Die Aufgabe besteht also vor allem im Auffinden vonAhnlichkeit en zu bereits bekannten Problemfallen,
Fiir das Data Mining , das auf einer Datenbasis iiber die Problernfalle aufsetzt, besteht die Modell-Funktion im Clustering. Als Modell-Reprasentationwird ein neuronales Netz (nicht-lineares Modell) gewahl t , da ein Mitarbeiternoch aus dem Studium mit dieser Form der Reprasentation vertraut ist (undder Bezug zum Wissen hier besonders deutlich wird ).20
Fiir einen vorgegebenen Satz von Daten sind nun zwei Aufgaben zuerfiillen: das Auffinden geeignete r Klassen (einschlieBlich typischer Reprasentanten) und die Zuordnung der Daten zu den Klassen. Im neuronalenNetz werden zwei Schichten eingesetzt, eine Eingabe- und eine Wettbewerbsschicht . Die Anzahl der Neuronen n der Eingabeschicht ent spricht der Anzahlder betrachteten Merkrnalsauspragungen. J edes Neuron der Wettbewerbsschicht reprasentiert nun eine Klasse, auf die sich ein Mitarbeiter spezialisieren solI. Die Anzahl der Neuronen dieser Schicht ents pricht in unserem Fallalso der Anzahl der Mitarbeiter. Die beiden Schichten sind durch bewerteteKanten von der Eingabe- zur Ausgabeschicht miteinander verbunden (sieheAbb .8.5).
20 Fiir eine Einfiihrung in neuronale Netze wird der Leser auf Nauck et al. (1996)verwiesen.
352 8. Wissensmanagement
Wettbewerbsschicht
Eingabeschicht
Abbildung 8.5. Neuronale Netze - Wettbewerbslernen
Die Gewichte der Kanten zu einem Neuron u der Wettbewerbsschichtstellen den Repriisentanten der Klasse dar; d.h. die Gewichte W zwischenEingabe- und Wettbewerbsschicht legen fest , welche Eigenschaften einerKlasse zugeordnet werden . Wird dem Netz nun ein Eingabemuster i (einProblem) prasentiert , so vergleicht jedes Neuron der Wettbewerbsschicht dasEingabemuster (d.h. die Merkrnalsauspragungen dieses Problems) mit derInformation, die in dem jeweiligen Gewicht kodiert ist . Urn die Ahnlichkeitfestzustellen, wird das Sklararprodukt zwischen Eingabevektor und Gewichtsvektor gebildet (beide Vektoren sind normiert) :
n
iT ·w(u} = L:ij ' WJu}j=l
Das Neuron, fur das die groBte Ahnlichkeit festgestellt wird, wird als Siegerneuron bezeichnet und erhalt die Aktivierung 1. Alle anderen Neuronenerhalten die Aktivierung 0 (Winner takes all-Prinzip). Wird ein Sieger festgestellt, so wird das Problem dieser Klasse zugordnet (und an den entsprechenden Mitarbeiter weitergeleitet) . Dies entspricht aber lediglich einer Klassifikation. Offen ist weiterhin die Frage, wie man geeignete Repriisentanten,d.h. Gewichtsvektoren, erhalt , Urn nach einer bestimmten Anzahl an TestEingabemustern geeignete Reprasentanten zu erhalten, werden hierzu die Gewichtsvektoren nach jedem Vergleich mit einem Eingabevektor modifiziert(Lernen).
Das Lernen basiert auf einer einfachen Idee. Nachdem ein Siegerneuronermittelt wurde , werden die Gewichte zum Siegerneuron verandert, so daf beierneuter Prasentation des Eingabemusters sich eine noch starkere Ahnlichkeitergibt. In Abb . 8.6 ist dieser Schritt dargestellt . Der Gewichtsvektor (alsReprasentant der Problemklasse) wird in Richtung des Eingabevektors geschoben .
Unter Beriicksichtigung einer Lernrate a kann nun festgelegt werden, wiestark die Verschiebung des Gewichtsvektors zum Eingabevektor erfolgen soll.Mathematisch formuliert ergibt sich:
8.3. Automatisierte Losungsgenerierung - wissensbasierte Systeme 353
Waft
(alterGewichtsvektor)
W",u (neuer Gewichtsvektordes Siegerneurons)
i (Eingabevektor)
Abbildung 8.6. Veranderung der Gewichte - das Lemen
(u) ( . (u»)(u) _ walt + (J t - Walt mit 0 < (J < 1.
Wneu - (u) . (u)'Ilwalt + (J(t - walt )11
Je grofler die Lernrate (J gewahlt wird, desto starker wird der Gewichtsvektor vom Eingabevektor angezogen. Fiir (J = 0,5 erhalt man jeweils eine Halbierung des Winkels zwischen den beiden Vektoren. Nachdem dem Netz eineausreichende Menge an Eingabevektoren prasentiert wurde, sollte sich das System stabilisieren, d.h. es sollten sich nur noch geringfiigige Veranderungender Gewichte bei Prasentation eines Eingabevektors ergeben. In diesem Fallwurde die Lernaufgabe erfiillt. Gelingt dies nicht, so ist die Anzahl der Neuronen der Wettbewerbsschicht zu verandern und die Clustering-Aufgabe erneutanzugehen.
8.3 Automatisierte Losungsgenerterung wissensbasierte Systeme
Erste Ansatze fiir wissensbasierte Systeme sind in den 60er und 70er Jahrenentstanden. Hier war man bemiiht, General Problem Solver zu entwickeln.Diese Ansatze wurden vom Forschungsgebiet der Kiinstlichen Intelligenz verfolgt. Man suchte nach geeigneten Modellen und Methoden, urn (problemspezifisches) Wissen zu reprasentieren und zu verarbeiten. Im Rahmen der XPSwurden Ansatze zur Verarbeitung natiirlichsprachlicher Eingaben zur Reduktion des Interaktionsaufwands untersucht. Wissensbasierte Systeme bzw.Ansatze finden sich heutzutage vor allem in Diagnose- und Analysesystemen,aber auch in Anwendungen der operativen Planung und Steuerung.r!
21 Suhl et al. (2000) beschreiben z.B. ein System zur Unterstiitzung desStorungsmanagements (im Echtzeit-Betrieb) von Bahngesellschaften, das auchwissensbasierte Systemkomponenten beinhaltet. Entsprechende Systeme dienendabei vor allem einer reaktiven Planung, die durch eine fortwahrende Aufnahmeund Verarbeitung von Informationen gekennzeichnet sind; d.h. daB die zugrundeliegenden Prozesse durch unsicheres Wissen bzw. unvollstandige Informationengekennzeichnet sind; vgl. z.B. Scholz-Reiter und Scharke (2000). Ein "klassi-
354 8. Wissensmanagement
Ziel der WBS ist es, das Wissen menschlicher Experten zu erfassen, zuformalisieren und die Problemlosungsfahigkeit des Menschen nachzuahmen.Die Trennung von Wissen und der Anwendung des Wissens (als Losen oderSchlieBen) ist das konstitutive Merkmal der WBS; diese sind durch eine explizite Trennung von anwendungsbezogenem und anwendungsunabhiingigemWissen, dem Inferenzmechanismus, charakterisiert. Der Inferenzmechanismus ist eine formale Problemlosungskomponente zur Ablaufsteuerung, d.h.dem Ableiten von Schliissen oder der Interpretation.F Die Wissensbasis istimmer anwendungsbezogen, der Inferenzmechanismus hingegen anwendungsunabhangig. Das Allgemeinwissen ist somit als Betrachtungsgegenstand desWissensmanagements in diesen Anwendungen explizit ausgeklammert.
Bei regelbasierten Systemen kann die logische Inferenz auf dem Forwardoder Backward-Chaining sowie einer Breiten- oder Tiefensuche beruhen. EinBeispiel wird am Ende des Abschnitts vorgestellt. Die Art des SchlieBensverdeutlicht , daB diese Form nur fiir begrenzte Problemraume (Diskurswelten)anwendbar ist, da bei den Verfahren im schlechtesten Fall exponentiell vieleRegeln (als Kombination) iiberpriift werden miissen, urn zu Ergebnissen zugelangen . Die Architektur eines WBS (XPS) ist in Abb. 8.7 dargestellt.
Die Wissensbasis setzt sich dabei aus bereichsbezogenem Expertenwissen, dem fallspezifischen Benutzerwissen und inferierten Zwischen- und Endergebnissen zusammen. Das Steuersystem beinhaltet neben der Inferenzoder Problemlosungskomponente auch eine Interviewkomponente zur Weitergabe des Wissens an den Nutzer und Problemeingabe durch den Nutzer,eine Erkliirungskomponente zum Nachvollziehen des Inferenzprozesses undeine Wissenserwerbs- oder Wissensakquisitionskomponente zur Eingabe undAnderung der Wissensbasis.
8.3.1 Qualitatsmerkmale wissensbasierter Systeme
Die Qualitiit eines WBS hangt originar von den Faktoren des Wissenserwerbs,der Wissensrepriisentation und der Wissensverarbeitung ab; vgl. Nauck et al.(1996). Die Qualitiit der Wissenbasis wird oftmals dadurch beschrankt, daBExperten unfahig sind, ihr (implizites) Wissen zu beschreiben. Auch verfiigensie oft nicht iiber ein vollstiindiges Wissen iiber ihre Domane, da sie zudemkontinuierlich neues Wissen erwerben. Viele Experten verwenden dariiber
sches" Expertensystem zur JahresabschluBerstellung wird z.B. von PreBmar undWall (1998) im Kontext der Rechnungslegungspolitik vorgestellt; eine Einordnung der Expertensysteme in das Wissensmanagement findet sich bei Amelingmeyer und Strahringer (1999).
22 Aufgrund der strengen Trennung des Wissens iiber das Anwendungsgebiet unddes allgemeinen Problemlosungswissens (logische Inferenz) ist diese Form derModellierung der prozeduralen Programmierung (Optimierung) , die keine solcheTrennung ermoglicht, konzeptionell iiberlegen. Es bestehen allerdings wesentliche Gemeinsamkeiten zwischen Optimierung und logischer Inferenz, die fiir eineAufhebung der strengen Trennung dieser Modellierungsansatze sprechen; vgl.Drexl et al. (1995).
8.3. Automatisierte Losungsgenerierung - wissensbasierte Systeme 355
Benutzer
•Experte
•~ ~
. : .. : Wissens-..- Interview- : Erklarungs- : k isiti
f----fallspezi-' , a q UISI tons-
bere ichs -kompo nente ; kompo nente ; komponentefisches
_____.._______L.__ _ _ _ _ _ _ ______L. _______________
bezog enesWissen _____1__________________________ ____________ Experten-
-. Inferenz komponente ..- wisscn
tZwischenergebnisse und Problemlosungen
Abb ild u ng 8.7. Architektur wissensbasierter Systeme; nach Puppe (1991), S. 13und Nauck et al. (1996), S. 180
hinaus oft Fallbeispiele statt Regeln. Die Akquisition des Wissens erfordertdaher einen hohen Zeit aufwand und spezielle Befragungstechniken.P Problematisch ist auch, daB die Wissensbasis fiir jede Anwendung neu erstellt odermodifiziert werden muB.
Die Qualitat der Wissensreprasentation ist davon abhangig, ob gemischteRepriisentationsmethoden angewendet werden konnen. Auch die Repriisentation riiumlichen und temporalen Wissens sowie die Repriisentation vagen, unpraz isen und unsicheren Wissens sind auschlaggebend fiir die Qualitiit einesWBS.
Die Qualitiit der Wissensverarbeitung ist dadurch beschriinkt, daB dieNutzung von Allgemeinwissen (Common Sense Reasoning) entfallt. Diesist aber gerade ausschlaggebend fiir die menschliche Denkleistung (Verwendung von Analogien etc .). Problematisch ist auch der Umstand, daB sichmit der Abbildung groBerer Wissensbestiinde auch der InferenzprozeB (deutlich) verlangert. Antwortzeiten im Stundenbereich sind in Diagnoseanwendungen Ld.R. aber unzureichend. Antwortzeiten lassen sich durch eine explizite Beriicksichtigung von Problemen, die iihnlich schon einmal gelostwurden, verkiirzen. Fallbasierte Expertensysteme (Case-based ReasoningSysteme) suchen nach ahnlichen Fallen statt anhand einfacher Regeln dieWissensbasis zu durchsuchen. Ein WBS sollte beide Repriisentationsformenkombiniert anbieten.
23 Zu Befragungstechniken der Wissenakquisition sei auf Kap. 4 verwiesen .
356 8. Wissensmanagement
8.3.2 Ansatze der Wissensreprasentat.ion
Die Wissensreprasentation in WBS beschreibt die Kodierung von Wissenin Datenstrukturen. Die Anforderungen an die Wissensreprasentation lassensich nach Richter (1989) folgendermaBen zusammenfassen:
• Hinreichende Ausdrucksstarke (gleichwertig zur Pradikatenlogik)• Uniformitat (Gleiches oder analoges Wissen sollte in gleicher oder analoger
Weise reprasentiert werden .)• Strukturerhaltung (Beziehungen zwischen Wissensinhalten sollten erhalten
bleiben ; Gruppierungen von Objekten, taxonomische Hierarchien)• Effizienz (Wenn die Einsicht formulierbar ist, eine gewisse Strategie sei in
bestimmten Situationen anzuwenden, so muB diese auch angewendet werden. Der Aufwand dieser Uberlegung und die Realisierung dieser Strategiediirfen den Effizienzgewinn aber nicht wieder hinfallig machen.)
Es werden deklarative und prozedurale Ansatze der Wissensreprasentationunterschieden. Der deklarative Ansatz nutzt (symbolische) Beschreibungenvon Begriffen, Objekten, Fakten oder Situationen, die keine Angaben iiberWissensprozesse enthalten, zur Reprasentation.
Der theoretisch fundierteste Ansatz entstammt der Logik (z.B. Pradikatenlogik 1. Ordnung) In der Praxis ist der Einsatz dieses Ansatzes wegenseiner Eingeschranktheit aber eher begrenzt. Ausnahme bilden Programme,die auf der Sprache PROLOG basieren.
Die assoziative Wissensrepriisentation mittels semantischer Netze bildeteinen zweiten deklarativen Ansatz. Diese basiert auf einer Visualisierung desWissens (z.B. mittels pradikatenlogischer Formeln) und ist somit leichterverstandlich. Die Darstellung beruht auf gerichteten, beschrifteten Graphen.In der einfachsten Form reprasentieren Knoten Elemente und Kanten binareRelationen zwischen den Elementen. Mit dieser Form der Darstellung ist zwarTiefenwissen darstellbar, bei komplexen Systemen werden die Darstellungenaber schnell uniibersichtlich. Semantische Netze bilden eine Grundlage vonFrames.
Die Wissensreprasentation mittels Frames basiert auf einer strukturierten Objekt-Heprasentation, Das Paradigma der Objektorientierung wirdhier konsequent angewendet. Objekteigenschaften werden in Slots angegeben. In diesen Slots konnen auch Verweise auf andere Objekte (analogzu semantischen Netzen) eingetragen werden . Slots konnen sowohl Defaultwerte, die veranderlich sind, als auch generische Werte enthalten, die unveranderlich sind und das Objekt beschreiben. Defaultwerte stellen somitAnfangswerte (Hypothesen) dar, die revidiert werden konnen (Fakten} . Slotskonnen dariiber hinaus auch Prozeduren enthalten, die unter gewissen Umstanden Werte berechnen. Frames bilden somit bereits den Ubergang zu prozeduralen Ansatzen.
Beim prozeduralen Ansatz erfolgt die Wissensreprasentation durch Realisierung mit Produktionssystemen. Diese setzen sich aus einem Datenspeicher
8.3. Automatisierte Losungsgenerierung - wissensbasierte Systeme 357
(Fakten), einem Produktionsspeicher (Wenn-Dann-Regeln, also dem prozeduralen Wissen) und einem Interpreter (Kontrollwissen) zusammen.
Die regelbasierte Wissensrepriisentation basiert auf Regeln der Form"Wenn A dann B" . Im Unterschied zur Logik kann B selbst eine Handlungsfolge sein. Das WBS setzt sich somit aus einer Regelmenge und einer Faktenbasis (Daten) zusammen. Diese "Modularisierung des Wissens" ist leichthandhabbar und fiir den Nutzer zumeist verstiindlich. In der Praxis hat sichallerdings gezeigt, daf bei komplexen Systemen zu viele Einzelregeln notigsind, urn die gesamte Diskurswelt abzubilden. Case-based Reasoning-Systemebieten hier eine sinnvolle Ergiinzung zu den einfachen Regelsystemen.
Constraint Netze bilden schlieBlichdie "duale" Form zu semantischen Netzen. Hier sind Knoten mit Relationen beschriftet und die Kanten mit Argumenten. Ein Constraint ist eine n-stellige Relation, ein Constraint-Netz eineMenge von Constraints. Diese dienen sowohl der Repriisentation als auch demSchlieBen.
AbschlieBend solI ein Vergleich zwischen DSS und WBS angegeben werden . Eine Unterscheidung kann anhand verschiedener Merkmale erfolgen (vgl.Tab. 8.2).
II DSS WBSZiel- Losungsprozeflorientierung Ergebnisorientierungsetzung Entscheidungs- "Expertenwissen fiir viele"
unterstiitzung / "Intelligenzmultiplikator"kognitive Entlastung liefert Teillosungen,"Intelligenzverstiirker" selten Komplettlosungen
Einsatz- komplexe, begrenzt Aufgabe "wohldefiniert"bereich strukturierte Probleme operative Ebene
auf Fach- und StabsebeneNutzer / wenige Fachkriifte, daher heterogene Nutzerstruktur:Nutzung individuelle Anpassung des Laien : (Teil-) Wissen fehlt;
Systems Experten: Arbeitser-leichterungWBS als Berater (Consultant)
Systement- flexibel und moglichst voll-wicklung erweiterungsflihig stiindige Wissensbasis
Tabelle 8.2. Vergleich von entscheidungsunterstiitzenden und wissensbasiertenSystemen
WBS und DSS verhalten sich zueinander kornplementar. IntegrativeAnsiitze gehen dahin, DSS und WBS zu kombinieren (DSS + WBS = ESS(Expertenunterstiitzungssysteme)); vgl. Luconi et al. (1986). Denkbare Integrationsansiitze sind:
• WBS an Dialogkomponente
358 8. Wissensmanagement
• WBS an Modellkomponente• WBS an Datenkomponente• Erweiterung DSS urn WBS
1m Fall der Erweiterung eines DSS urn ein WBS oder ein XPS ware dieses System und die zugeh6rige Wissensbank ebenfalls Bestandteil des Moduls Planungs- und Entscheidungssystem (vgl. Abb. 8.3, S. 330). Binbasioglu(1995) stellt z.B. einen DSS-Ansatz vor, in dem der ModellierungsprozeBfiir lineare Optimierungsmodelle durch eine wissensbasierte Komponente unterstiitzt wird. Ausgehend von einer eingeschrankt natiirlichsprachlichen Problembeschreibung wird zunachst eine abstrakte Problemdefinition erstellt.Auf Basis dieser formal en Problembeschreibung werden verschiedene Subprobleme durch eine Abbildung auf die zur Verfugung stehenden Losungsansatze(Kategorien) definiert. Dies entspricht einer typischen Klassifikationsaufgabe.Durch die Festlegung der Modellparameter werden die Subprobleme durchden Benutzer weiter spezifiziert. In einer folgenden Konstruktionsphase werden die Einzelmodelle wieder integriert. AbschlieBend wird durch Eingabeder Eingangsdaten eine Instanz des Modells gebildet.
8.3.3 Beispiel: Help Desk - Inferenz bei regelbasierten Systemen
In diesem Abschnitt greifen wir noch einmal die Beispiele des Help Desksund des Gefangenendilemmas'" zur Illustration eines regelbasierten Systemsauf. Wir gehen von folgender Situation aus : Eine der ehrenwerten Familienhat in den letzten Jahren zunehmend Probleme mit Inhaftierungen seinerMitglieder - die Gehalter der Polizei sind gestiegen und die Korruption istzuriickgegangen. Damit ist der Wettkampf zwischen den einzelnen Familiender Stadt starker geworden , wobei gleichzeitig haufiger kurzfristige Kooperationen zur Durchfiihrung komplexer Projekte (Einbriiche) eingegangen werden. Der Sohn des Paten der betrachteten Familie - ein IT-Besessener - hatsich durchgesetzt, einen Help Desk fiir die Inhaftierten seiner Familie einzurichten. Da jeder Haftling einen Anruf tatigen darf, wird zunachst allen Familienmitgliedern die Nummer des Help Desks eingepragt. Damit das jeweiligeGefangenenproblem - solI der Haftling, der bei der vermeintlichen Straftatmit einem Partner zusammengearbeitet hat, gestehen oder schweigen - online und direkt auf der ersten Ebene des Help Desks bearbeitet werden kann,wird ein regelbasiertes System eingefiihrt. Die Wissensbasis besteht aus denRegeln, wie sie ausschnittsweise in Tab. 8.3 dargestellt sind.
Ais Inferenzmechanismus wird das Forward-Chaining genutzt. Hier werden dem System alle bekannten Merkmalsauspragungen prasentiert unddie Wissensbasis nach allen Regeln durchsucht , die (Kombinationen der)Auspragungen als Voraussetzung besitzen. Das Ergebnis dieser Regel wird imnachsten Schritt zu den bestehenden bekannten Auspragungen hinzugenommen, nach denen die Wissensbasis wiederum durchsucht wird. Das iterative
24 Vgl. hierzu die Ausfiihrungen in Kap. 2.3.1, S. 32 If.
8.3. Automatisierte Losungsgenerierung - wissensbasierte Systeme 359
Nummer Regel
1 venn "Anrufer Familienmitglied" und "Partner Familienmitglied"dann " Familienproblem"
2 venn "Partner inhaftiert" und "Mafiakrieg"dann "schweigen"
3 venn "Partner inhaftiert" und "kein Mafiakrieg"dann "gestehen"
4 venn " Partner kein Familienmitglied"dann "Gegnerproblem"
5 venn " Familienproblem"und Rang(Anrufer, Familie) - Rang(Partner, Familie) > 10dann "gestehen"
6 venn " Familienproblem"und Rang(Anrufer, Familie) - Rang(Partner, Familie) <= 10dann "schweigen"
7 venn "Gegnerproblem" und "Partner nicht inhaftiert"dann "schweigen"
8 venn "Gegnerproblem"und Rang(Partner, Familie) - Rang(Anrufer, Familie) > 4dann "Mafiakrieg"
9 venn " Gegnerproblem"und Rang(Anrufer, Familie) - Rang(Partner, Familie) > 4dann "kein Mafiakrieg"
10 venn" Gegnerproblem"und I Rang(Anrufer, Familie) - Rang(Partner, Familie) I <= 4dann "schweigen"
Tabelle 8.3. Beispiel: Ausschnitt der Wissensbasis
Verfahren bricht ab, wenn kein SchlieBenmehr moglich ist oder Endergebnisse(als nutzbare Diagnose) erreicht werden .
In unserem Beispiel prasentieren wir dem System die Auspriigungen "Anrufer Familienmitglied", "Partner kein Familienmitglied" und "Partner inhaftiert" . Diese stellen das Benutzerwissen iiber das Problem dar. In derersten Iteration wird die Wissensbasis nach allen Regeln durchsucht , die eineder drei Auspriigungen als Voraussetzung haben. Dies ist die Regel 4. Imbetrachteten Beispiel konnen in der zweiten Iteration die Regeln 8, 9 und10 iiberpriift werden. In einer weiteren Datenbank, in der aIle Mafiamitglieder gefiihrt werden, sind ihre Range eingetragen; den jeweils hochsten Werthat der Pate (15), dann kommen seine Sohne, dann die Schwiegersohne etc .In unserem Beispiel sei der Rang des Anrufers gleich eins (ein Neffe viertenGrades) und der Partner besitze den Rang zehn (ein Sohn des Paten einerkonkurrierenden Familie) . Damit kommt Regel 8 zur Anwendung - ein Mafiakrieg ist in der Entscheidungssituation zu bedenken. In einer letzten Iterationkommt Regel 2 zur Anwendung, d.h . der Anrufer hat zu schweigen.
360 8. Wissensmanagement
Besitzt die Familie des Partners den identischen Help Desk, so wird derPartner gestehen, d.h . der Partner kommt frei und der Neffe vierten Gradeswird eine lange Zeit inhaftiert, gleichzeitig aber ein Mafiakrieg verhindert. DieEntscheidung, daB beide Gefangenen schweigen sollen, hangt dabei von demAbstand ihres Ranges und ihrer Famillenzugehorigkeit ab, wobei hoher eingestufte, fremde Partner sensitiver behandelt werden (hier darf der Abstandmaximal vier Range betragen, beim "Familienproblem" besitzt der Abstandden Wert zehn).