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Kapitel 4 Einige Grundlagen der Dynamik In diesem Kapitel werden einige grundlegende Gr¨ ossen und Zusammenh¨ ange der Atmosph¨ aren- dynamik vorgestellt. Ziel ist es zu zeigen, dass zum Beipiel das Temperatur- und das Windfeld eng miteinander gekoppelt sind. In den bisherigen Vorlesungen sind wir schon einige Male auf eine andere Abh¨ angigkeit gestossen, n¨ amlich auf diejenige zwischen Druck und Windfeld. Auch hier besteht also eine enge Kopplung zwischen zwei atmosph¨ arischen Feldern. Im folgenden gehen wir auf die genannten zwei Beispiele etwas detailierter ein. Anschliessend sollen einige weitere Kerngr¨ ossen der Dynamik eingef¨ uhrt werden. 4.1 Das geostrophische Windgleichgewicht [a] Bereits weiter vorne wurde festgestellt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Druck- feld und dem Wind gibt. Diese zentrale Beziehung bezeichnet man als geostrophisches Wind- gleichgewicht. In der folgenden Abbildung sind das Geopotential und die Windvektoren auf 250 hPa und auf 1000 hPa dargestellt. Es f¨ allt sofort auf, dass die Windvektoren nahezu paral- lel zu den Geopotentiallinien liegen. Dabei ist die Parallelit¨ at auf 250 hPa besser erf¨ ullt als auf 1000 hPa. 1

Kapitel 4 EinigeGrundlagen derDynamik · 2011. 10. 18. · Kapitel 4 EinigeGrundlagen derDynamik In diesem Kapitel werden einige grundlegende Gr¨ossen und Zusammenh ¨ange der Atmosph

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  • Kapitel 4

    Einige Grundlagen der Dynamik

    In diesem Kapitel werden einige grundlegende Grössen und Zusammenhänge der Atmosphären-

    dynamik vorgestellt. Ziel ist es zu zeigen, dass zum Beipiel das Temperatur- und das Windfeld

    eng miteinander gekoppelt sind. In den bisherigen Vorlesungen sind wir schon einige Male auf

    eine andere Abhängigkeit gestossen, nämlich auf diejenige zwischen Druck und Windfeld. Auch

    hier besteht also eine enge Kopplung zwischen zwei atmosphärischen Feldern. Im folgenden

    gehen wir auf die genannten zwei Beispiele etwas detailierter ein. Anschliessend sollen einige

    weitere Kerngrössen der Dynamik eingeführt werden.

    4.1 Das geostrophische Windgleichgewicht

    [a] Bereits weiter vorne wurde festgestellt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Druck-

    feld und dem Wind gibt. Diese zentrale Beziehung bezeichnet man als geostrophisches Wind-

    gleichgewicht. In der folgenden Abbildung sind das Geopotential und die Windvektoren auf

    250 hPa und auf 1000 hPa dargestellt. Es fällt sofort auf, dass die Windvektoren nahezu paral-

    lel zu den Geopotentiallinien liegen. Dabei ist die Parallelität auf 250 hPa besser erfüllt als auf

    1000 hPa.

    1

  • 9700

    9700

    9700

    9700

    9700

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    0

    10000

    10000

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    0

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    1060

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    0

    75

    150

    150

    150

    150

    225

    225

    225

    225

    Fig.1: Geopotential und Windvektoren

    auf 250 hPa (links) und auf 1000 hPa

    (rechts).

    2

  • Aufgabe: Auf 1000 hPa (und weniger ausgeprägt) auf 250 hPa gibt es klare Abweichungen vom

    geostrophischen Windgleichgewicht. Was für eine Abweichung findet man bei Tiefdruckgebie-

    ten, bei Hochdruckgebieten und bei stark gekrümmten Geopoteniallinein (Tröge und Rücken)?

    Die Windvektoren schneiden auf 1000 hPa die Geopotentiallinien. Sind die Windvektoren hier-

    bei zu höherem oder niedrigerem Geopotential hin orientiert?

    [b] Der geostrophische Wind resultiert aus einem Gleichgewicht von Druckgradientenkraft und

    Corioliskraft. In den Bewegungsgleichungen für die x- und die y-Komponente des Windes kom-

    pensieren sich also die beiden Terme auf der rechten Seite und die Beschleunigungen auf der

    linken Seite verschwinden:

    Du

    Dt= +fv −

    1

    ρ

    ∂p

    ∂xDv

    Dt= −fu−

    1

    ρ

    ∂p

    ∂y

    Beim geostrophischen Wind liegt der tiefe Druck immer auf der linken Seite, wenn man in

    Windrichtung sieht. Das ist in der folgenden Darstellung gezeigt. Ausserdem ist ersichtlich, wie

    sich das Gleichgewicht für ein Luftpaket einstellt, das ursprünglich in Ruhe war.

    Fig.2 Druckfeld und geostrophischer Wind (links) und Wirkung von Druck- und Coriolis-

    kraft auf ein anfänglich in Ruhe befindliches Luftpartikel (rechts) [entnommen aus “Theo-

    retische Meteorologie, Eine Einführung”, Dieter Etling]

    Aufgabe: In Figur 1 wurden das Geopotential und die Windvektoren auf 1000 hPa dargestellt.

    Dabei gab es klare Abweichungen zum geostrophischen Windgleichgewicht. Die Windvektoren

    sind zum niedrigeren Geopotential orientiert. Versuche zu erklären, wie es in Bodennähe zu

    dieser Abweichung kommt. Überlege Dir dazu, welche zusätzliche Kräfte in Bodennähe wirken

    und wie sie das Windgleichgewicht beeinflussen.

    [c] Die Druckkraft ist proportional zum Druckgradienten auf z-Flächen (oder äquivalent zum

    Geopotentialgradienten auf Druckflächen):

    ~Fp = −1

    ρ· ~∇p

    3

  • Für die Corioliskraft~Fc = −f · ~k × ~v

    ist der sogenannte Coriolisparameter f massgebend (~k ist ein Einheitvektor, der senkrecht nach

    oben zeigt). Dieser Parameter ist bestimmt durch die Erdrotation. Wichtig ist, dass f von der

    geographischen Breite abhängt.

    f = 2Ω sin(φ),

    wobei Ω die Winkelgeschwindigkeit der Erdrtotation und φ die geographische Breite darstellt.

    Am Äquator verschwindet f (und damit die Corioliskraft). Gegen Norden hin nimmt f zu,

    um das Maximum am Nordpol zu erreichen. Ein typischer Wert für die mittleren Breiten ist

    f=10−4s−1. In der folgenden Abbildung ist der Zusammenhang des Coriolisparameters f mit der

    Erdrotation Ω dargestellt.

    Fig.3: Corioliskraft 2Ωu, die mit einer zonalen Geschwindigkeit u einhergeht (der Wind

    u ist in die Blattebene hinein gerichtet). Die Kraft wird in einen horizontalen Anteil

    2Ωusin(φ) und einen vertikalen Anteil 2Ωucos(φ) zerlegt. In der Atmosphärenphysik ist

    der horizontale Anteil bedeutend wichtiger. Man führt deshalb den Coriolisparameter f =

    2Ωsin(φ) ein.

    Aufgabe: Überlege Dir, was das Vorzeichen von f für einen Einfluss auf das geostrophische

    Windgleichgewicht hat? Welches Vorzeichen hat f auf der Südhalbkugel? Was hat das für einen

    Einfluss auf die Zirkulation um Tief- und Hochdruckgebiete auf der Südhemisphäre? Die Erde

    rotiert im Gegenuhrzeigersinn (prograd). Die Venus hingegen rotiert retrograd. Wie sind die

    Windsysteme auf einem retrogad rotierenden Planeten um ein Tiefdruckgebiet?

    [d] In Formeln lässt sich der geostrophische Wind wie folgt ausdrücken, wobei ρ die Dichte, f

    der Coriolisparameter, ~k ein Einheitsvektor in vertikaler Richtung und p der Druck darstellen:

    ~vg =1

    ρ · f· (~k × ~∇ p)

    Hier sind die horizontalen Abbleitungen des Drucks auf Flächen konstanter Höhe auszuführen.

    Es geht um die Dichte der Isobaren auf einer Fläche konstanter Höhe. Eine völlig äquivalente

    Darstellung benutzt statt der horizontalen Ableitungen des Drucks diejenigen des Geopotentials

    φ. Jetzt ist der Druck bei der Berechnung der horizontalen Ableitung konstant zu halten.

    Es geht also darum, die Dichte der Isohypsen (Isolinien des Geopotentials) auf einer Fläche

    konstanten Drucks zu bestimmen. Formal lautet die Gleichung des geostrophischen Windes in

    dieser Formulierung:

    4

  • ~vg =1

    f· (~k × ~∇ φ)

    Aufgabe: Überlege, welchen Vorteil diese zweite Formulierung gegenüber der vorherigen For-

    mulierung mit Hilfe des Drucks hat.

    [e] Weiter oben wurde bereits diskutiert, dass das geostrophische Windgleichgewicht vor allem

    in Bodennähe (planetare Grenzschicht) seine Gültigkeit verliert. In der “freien” Troposphäre

    hingegen ist es oft gut erfüllt. Abweichungen kann es bei sehr kleinskaligen Prozessen geben

    (Fronten, Gewiterzellen). Um die Anwendbarkeit der Beziehung abzuschätzen, kann man di-

    mensionslose Parameter einführen. Ein solcher Parameter ist die Rossby-Zahl

    Ro =U

    fL.

    Hierbei bezeichnen U und L typische Geschwindigkeiten und Längen des zu untersuchenden

    Phänomens und f ist der Coriolisparameter. Physikalisch gibt die Rossby-Zahl also das Verhält-

    nis zweier Zeitskalen an: 1) τadv = L/U nennt man die advektive Zeitskala; sie gibt an, wie lange

    die Luftpakete brauchen, um mit Geschwindigkeit U die Länge L zurckzulegen. 2) τcor = 1/f ist

    die Zeitskala der Erdrotation. Damit ist also die Rossby-Zahl gerade Ro = τcor/τadv. Als Beispiel

    kann man sich zum Beispiel einen Berg der Breite L vorstellen, der mit einer Geschwindigkeit

    U angeströmt wird. Ein Luftpaket wird ca. während der Zeit τadv = L/U im Einflussbereich des

    Berges sein. Ist diese Zeit viel kleiner als die Zeitskala der Erdrotation, τcor = 1/f , so können

    wir in erster Näherung die Erdrotation vernachlässigen. Dies entspricht dem Fall Ro >> 1.

    Nochmals zusammengefasst: Ist die Rossby-Zahl viel kleiner als 1, so dominiert die Coriolis-

    kraft und das geostrophische Windgleichgewicht ist gut erfüllt. Bei sehr grossen Rossby-Zahlen

    hingegen ist die Corioliskraft vernachlässigbar und das geostrophische Gleichgewicht ist nicht

    erfüllt.

    Aufgabe: Schätze für die folgenden Phänomene ab, wie wichtig die Erdrotation ist und ob das

    geostrophische Windgleichgewicht erfüllt ist: (a) ein aussertropisches Tiefdruckgebiet, (b) die

    Föhnströmung im Rheintal, (c) Tornado, (d) Umströmung der Alpen.

    4.2 Der thermische Wind

    [a] Neben dem geostrophischen Windgleichgewicht besteht in den Aussertropen eine wichtige

    weitere Beziehung: der thermische Wind. Zur Motivation betrachte die folgenden zwei Abbil-

    dungen. Sie zeigen das Geopotential auf 250 hPa und auf 100 hPa.

    5

  • 9650

    9800

    9800

    9950

    9950

    9950

    9950

    9950

    10100

    10100

    10100

    1010

    0

    1010

    0

    10250

    1025010

    250

    10250

    1025

    0

    10400

    1040

    0

    10400

    10400

    1040

    0

    10550

    10550

    1055

    0

    1070

    0

    NP

    GM

    1535

    0

    15500

    1550

    0

    15650

    1565

    0

    15800

    1580

    0

    1580

    0

    15950 1595

    0

    1595

    0

    1595

    0

    16100

    16100

    1610

    0

    1610

    0

    1610

    0

    16250

    1625

    0

    1625

    0

    16250

    1640

    0

    NP

    GM

    Fig.4: Geopotential auf 250 hPa (links) und 100 hPa am 19. November 1964, 00UTC..

    -64

    -64

    -61

    -61

    -61

    -61

    -61

    -61

    -61

    -58

    -58

    -58

    -58

    -58

    -58

    -58

    -58

    -55

    -55

    -55

    -55

    -55

    -55

    -52

    -52

    -52

    -52

    -52

    -49

    -49-49

    NP

    GM

    Fig.5: Temperatur (in Grad Celsius) auf

    175 hPa am 19. November 1964, 00UTC.

    Beachte die kalte Luft über Dänemark und

    Russland, sowie die warme Luft über Ost-

    europa.

    Aufgabe: Zeichne qualitativ die Richtung und den Betrag der geostrophischen Winde in den

    Punkten A und B ein. Bestimme anschliessend die Änderung des Windes mit der Höhe (Dif-

    ferenzvektor beim Übergang von 250 hPa auf 100 hPa) und vergleiche diese Windänderung mit

    dem Temperaturfeld auf 175 hPa (in der “Mitte” zwischen 250 hPa und 100 hPa).

    [b] In der vorherigen Übung wurde festgestellt, dass die Änderung des geostrophischen Windes

    mit der Höhe zusammenhängt mit dem Temperaturfeld in der dazwischenliegenden Luftschicht.

    Die Windänderung ist parallel zu den Isolinien der Temperatur und so gerichet, dass die kalte

    Luft auf der linken Seite des Differenzvektors zu liegen kommt. Der Betrag des Differenzvek-

    tors ist gegeben durch den Temperaturgradienten: je dichter die Isolinien der Temperatur, desto

    grösser der Betrag des Differenzvektors. Man spricht hier vom ’thermischen Wind’ 1

    1Beachte, dass der thermische Wind keine Messgrösse ist. Es handelt sich um eine Differenz zwischen den

    Windvektoren auf zwei verschiedenen Höhen. Anders formuliert: der thermischeWindvektor gibt eine Windände-

    rung (in Richtung und Geschwindigekit) mit der Höhe an.

    6

  • Formal ergibt sich dieser sogenannte thermische Windvektor wie folgt: wir starten mit der

    Definition des geostrophischen Windes in Druckkoordinaten:

    ~vg =1

    f· (~k × ~∇ φ)

    und fragen uns, wie sich dieser mit der Höhe (Druck) ändert. Dazu betrachten wir die Ableitung

    des geostrophsichen Windes nach dem Druck:

    ∂ ~vg∂p

    =1

    f· (~k × ~∇

    ∂φ

    ∂p)

    Den Term ∂φ/∂p können wir leicht mit der idealen Gasgleichung und der hydrostatischen

    Näherung weiter umformnen. Es gilt:

    ∂φ

    ∂p=∂(g · z)

    ∂p= g

    ∂z

    ∂p= −

    1

    ρ= −

    R · T

    p

    Damit ergibt sich schlussendlich die formale Definition des thermischen Windes:

    ∂ ~vg∂ log p

    = −R

    f· ~k × ~∇T

    In Worten ausgedrückt: die Änderung des geostrophischen Windes mit der Höhe ist gekoppelt

    an den horizntalen Temperaturgradienten. Liegt links kalte Luft und rechts warme Luft, so

    schaut man in Richtung dieser Windänderung mit der Höhe.

    [c] Physikalisch ist die thermische Windgleichung eine direkte Folgerung aus dem geostrophi-

    schen Windgleichgewicht und der hydrostatischen Näherung, wie oben hergeleitet. Eine an-

    schauliche Herleitung ist in der folgenden Abbildung dargestellt:

    Fig.6: Qualitative Veranschaulichung des thermischen Windes. [entnommen aus ‘Atmos-

    pheric Science, An Introductory Survey“, J.M. Wallace und P.V. Hobbs]

    Der geostrophische Wind ist parallel zu Isobaren gerichtet, wobei auf der Nordhemisphäre der

    tiefe Druck links liegt (beim Blick in Windrichtung). Der hydrostatische Druck nimmt in einer

    kalten Luftschicht mit der Höhe schneller ab als in einer warmen Luftschicht. In der Abbildung

    7

  • (a) wird dadurch der bodennahe Druckgradient mit zunehmender Höhe verstärkt. Der geostro-

    phische Wind nimmt mit der Höhe zu. In Abbildung (b) hingegen wirkt das Temperaturfeld

    dem bestehenden Druckfeld entgegen. In Bodennähe hat man links ein Tief und rechts ein Hoch

    und somit einen geostrophischen Wind nach”vorne“. Durch die unterschiedliche Druckabnah-

    me in kalter und warmer Luft kommt es zu einer Umkehrung von Tief und Hoch in höheren

    Schichten. Jetzt liegt links das Hoch und rechts das Tief und der geostrophische Wind zeigt

    nach”hinten“. Überlege, wie in diesen Skizzen der thermische Wind aussieht!

    Die folgende Abbildung zeigt einen Jet in einem Nord/Süd-Schnitt, bei dem der Zusammenhang

    zwischen dem horizontalen Temperaturgradienten und der vertikalen Änderung des geostrophi-

    schen Windes sehr klar erkennbar ist.

    -75

    -75

    -60-60

    -60

    -60

    -45

    -45

    -45

    -45

    -30

    -30

    -30

    -15

    -15

    0

    15

    W

    W

    E E W

    E

    E

    Fig.7 Temperatur (Konturlinien) und zonale Windgeschwindigkeit (schattiert) in einem

    Nord/Südprofil. Beachte wie unterhalb des Jetmaximums im Süden die höhere Temperatur

    vorherrscht als im Norden. Gemäss der thermischen Windgleichung bedeutet dies eine

    Zunahme des zonalen Windes mit der Höhe. Oberhalb vom Jet kehrt sich hingegen der

    Temperaturgradient um: Kalt im Süden und warm im Norden. Dies führt gemäss der

    thermischen Windgleichung zu einer Abnahme der zonalen Windgeschwindigkeit.

    [d] Liegen die Isolinien von Druck und Temperatur nicht parallel, so kommt es zu einer

    “Vorwärts-” oder “Rückwärtsdrehung” des geostrophischen Windes mit der Höhe. Dies zeigt

    die folgende Darstellung:

    8

  • Fig.8: Drehung des geostrophischen Windes mit der Höhe. Zusammenhang zwischen der

    Drehung des geostrophischen Windes mit der Höhe und der Temperaturadvektion: (link)

    ”backing“ des Windes mit der Höhe, (rechts)

    ”Veering“ des Windes mit der Höhe [en-

    tommen aus”An Introduction to Dynamic Meteorology“, J.R. Holton]

    Aufgabe: Bläst der geostrophische Wind von einem Gebiet mit warmer Luft in ein Gebiet

    mit kalter Luft, so kommt es zu einer sogenannten Warmluftadvektion. Bläst der Wind in

    entgegengesetzter Richtung, herrscht Kaltluftadvektion vor. Ausgehend von den obigen Abbil-

    dungen, formuliere einen Zusammenhang zwischen der Temperaturadvektion (kalt/warm) und

    der Drehrichtung (vorwärts/rückwärts) des Windes. Bleibt diese Regel auch auf der Südhe-

    misphäre gültig?

    [e] All die obigen Fälle des thermischen Windes lassen sich aus seiner formalen Definition

    ableiten.

    ~VT = ~vg(p1)− ~vg(p0) = −R

    ∫ p1

    p0(~k × ~∇T )d ln p

    Hier ist ~VT die Windänderung vom Druckniveau p0 zum Druckniveau p1. R bezeichnet die ideale

    Gaskonstante der Luft, f den Coriolisparameter, ~k ein Einheitsvektor in vertikaler Richtung

    und T die Temperatur. Wenn wir davon ausgehen, dass die Temperatur zwischen den beiden

    Schichten p0 und p1 konstant ist oder einen mittleren Wert < T > annimmt, so lässt sich die

    obigen Formel etwas einfacher schreiben:

    ~VT = ~vg(p1)− ~vg(p0) = −R

    f· (~k × ~∇ < T >) · ln(

    p0p1)

    Es ist also der horizontale Gradient der Temperatur, der die Änderung des geostrophischen

    Windes mit der Höhe bestimmt. Änalog zum geostrophischen Wind ist es auch beim thermi-

    schen Wind möglich, diesen aus der horizontalen Ableitung des Geopotentials ψ zu bestimmen.

    Der formale Ausdruck sieht dann wie folgt aus:

    ~VT =1

    f· (~k × ~∇(φ1 − φ0))

    Es ist nun die horizontale Ableitung der sogennanten Schichtdicke (oder relative Topographie),

    die wesentlich ist.

    Verwende die weiter vorne gezeigte Herleitung des thermischen Windes, um die folgenden For-

    meln zu ’verstehen’.

    9

  • 4.3 Die Temperaturadvektion

    [a] Eine Grösse, die manchmal auftritt, ist die sogenannte”relative Topographie“. Betrachtet

    man zum Beispiel die geopotentielle Höhe (= Geopotential dividiert durch die Erdbeschleuni-

    gung g) auf der Fläche 250 hPa, so gibt diese die Höhe der 250 hPa-Druckfläche an. Entspre-

    chend gibt die geopotentielle Höhe auf der 850 hPa-Fläche die Höhe der 850 hPa-Fläche an.

    Bildet man die Differenz der beiden geopotentiellen Höhen, so erhält man also die Dicke der

    Schicht zwischen 250 hPa und 850 hPa. Man bezeichnet diese Schichtdicke als relative Topogra-

    phie 250 hPa-850 hPa. Ganz analog lassen sich natürlich auch relative Topographien zwischen

    anderen Druckflächen bestimmen. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für die relative

    Topographie 250 hPa-850 hPa.

    Relative Topography 250hPa − 850hPa 11−Nov−2005 Fri 06

    8.3

    8.4

    8.4

    8.5

    8.5

    8.5

    8.6

    8.6

    8.6

    8.6

    8.7

    8.78.7

    8.7

    8.7

    8.8

    8.8

    8.8

    8.8

    8.8

    8.8

    8.9

    8.9

    8.9

    8.9

    8.9

    9

    9

    9

    9

    9

    9

    9.1

    9.1

    9.1

    9.1

    9.19.2

    9.2 9.2

    9.3 9.3

    9.4 80oW 60oW 40oW 20oW 0o

    20oN

    40oN

    60oN

    80oN

    20oN

    Fig.9 Relative Topographie 250 hPa-850 hPa für den 11. November 2005, 06UTC.

    Es lässt sich nun mit Hilfe der hydrostatischen Grundgleichung leicht zeigen (bitte selbst versu-

    chen!), dass die relative Topographie zweier Druckflächen proportional zur Temperatur < T >

    dazwischen ist:

    δφ = φ1 − φ0 = R· < T > ·ln(p0p1)

    Im obigen Beispiel beobachtet man demnach eine grosse relative Topographie dort, wo in der

    Mitte (ca. bei 500 hPa) hohe Temperaturen vorherrschen. Bei kleiner relativer Topographie ist

    es entsprechend kälter auf 500 hPa. Selbstverständlich ist nicht nur die Temperatur auf 500 hPa

    entscheidend, sondern die Temperatur in der gesamten Luftsäule zwischen den betrachteten

    Druckschichten. Trotzdem kann in erster Näherung die Temperatur auf einer Zwischenschicht

    (hier 500 hPa) herangezogen werden.

    10

  • [b] Wie kann sich nun die relative Topographie zweier Druckflächen ändern? Nach dem vorhin

    gesagten muss sich die mittlere Temperatur zwischen den beiden Flächen ändern. Das kann

    zum Beispiel dadurch geschehen, dass gesättigte Luft aufsteigt, Wasserdampf kondensiert und

    so latente Wärme freigesetzt wird. Eine andere, in der Regel dominante Möglichkeit besteht

    darin, dass kalte oder warme Luft durch die horizontalen Winde herangetragen wird. Man

    spricht in diesem Fall von Temperaturadvektion. Betrachte dazu die folgende Abbildung, die

    das Temperaturfeld und Geopotentialfeld (also die Richtung und die Stärke des geostrophischen

    Windes) auf 500 hPa anzeigen.

    Fig.10 Temperatur- und Geopotential auf 500 hPa für den 11. November 2005, 06UTC

    (Vergleiche das Temperaturfeld mit der relativen Topographie in der vorherigen Abbildun-

    gen).

    Aufgabe: Unter welchen Bedingungen beobachtet man besonders starke Temperaturadvekti-

    on? Welche Bedingungen sind an das Temperaturfeld, an das Geopotential und die relative

    Lage der beiden Felder zueinander zu stellen?

    Beachte, wie im Punkt A der geostrophische Wind von einer wärmeren zu einer kälteren Region

    weht. Bei A hat man also eine Warmluftadvektion. Bei B hingegegen weht der geostrophische

    Wind von einer kälteren zu einer wärmeren Region (Kaltluftadvektion). Durch den Einfluss des

    geostrophischen Windes erwartet man deshalb bei Punkt A eine Erwärmung und bei Punkt B

    eine Abkühlung. Das wird sehr schön betstätigt, wenn man die relative Topographien 250 hPa-

    850 hPa von 00UTC mit derjenigen von 12UTC vergleicht.

    11

  • Relative Topography 250hPa − 850hPa 11−Nov−2005 Fri 00

    8.3

    8.4

    8.5

    8.5

    8.6

    8.6

    8.7

    8.7

    8.7

    8.8

    8.8

    8.8

    8.9

    8.9

    8.9

    9

    9

    9

    9.1

    9.1

    9.1

    9.2

    9.2

    9.39.3

    80oW 60oW 40oW 20oW 0o

    20oN

    40oN

    60oN

    80oN

    20oN

    Relative Topography 250hPa − 850hPa 11−Nov−2005 Fri 12

    8.3

    8.4

    8.4

    8.5

    8.5

    8.5

    8.6

    8.6

    8.6

    8.6

    8.7

    8.7 8.7

    8.78.7

    8.7

    8.8

    8.8

    8.8

    8.88.8

    8.8

    8.9

    8.9

    8.9

    8.9

    8.9

    8.9

    9

    9

    9 9

    999.1

    9.1

    9.1

    9.1

    9.2

    9.2

    9.2

    9.39.3

    9.4 80oW 60oW 40oW 20oW 0o

    20oN

    40oN

    60oN

    80oN

    20oN

    Temperature difference 500hPa 11−Nov−2005 Fri 12

    −25

    −25

    −25

    −21

    −21

    −21

    −17

    −17

    −17

    −13

    −13

    −13

    −9

    −9

    −9

    −5

    −5

    −5

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1−

    1

    −1

    3

    3

    3

    3−1

    −1

    −1

    −1

    −1

    −1

    3

    3

    −5

    −5

    77

    −5

    −1

    −1

    −1

    −1

    −5

    −5

    −9

    3

    3

    3

    −1

    −13

    −1

    −1

    −1

    3

    −1

    −1

    −1

    7

    −1

    −1

    −17

    3

    7

    −13

    −1

    −1

    −1

    −1

    3

    7

    3

    3

    −9

    7

    −1

    −9

    3

    3

    80oW 60oW 40oW 20oW 0o

    20oN

    40oN

    60oN

    80oN

    20oN

    −25 −23 −21 −19 −17 −15 −13 −11 −9 −7 −5 −3 −1 1 3 5 7 9

    Fig.11 Relative Topographie 250 hPa-850 hPa für den 11. November 2005, 00UTC (links)

    und 12UTC (rechts). Zusätzlich ist die Temperaturänderung zwischen den beiden Zeit-

    punkten auf 500 hPa gezeigt.

    [c] Formal muss in der Definition der thermischen Advektion mit Bestimmtheit der horizontale

    Wind und der horizontale Temperaturgradient vorkommen. Es gilt:

    Temperaturadvektion = −~v · ~∇T

    12

  • Aufgabe: Überlege Dir, dass diese Definition mit den weiter vorne angestellten Überlegungen

    zur Temperaturadvektion übereinstimmen, dh. die Kriterien für beträchtliche Temperaturad-

    vektion werden mit dieser Formel erfasst.

    4.4 Aussertropen vs. Tropen

    Das geostrophische Windgleichgewicht und die thermische Windbeziehung stellen starke Be-

    dingungen dar, denen die Atmosphäre unterworfen ist. Wird dieses Gleichgewicht gestört, so

    “reagiert” die Atmosphäre mit Vertikalwinden. Diese müssen so gerichtet sein, dass sie das

    geostrophische und thermische Windgleichgewicht wieder herstellen. Dieser Grundgedanke ist

    der Ausgangspunkt für die quasigeostrophische Theorie der Dynamik (siehe Vorlesung ’Large-

    scale Dynamics’ im Masterstudium und Workshop).

    Geostrophie gilt nur in den Aussertropen und verliert ihre Gültigkeit am Äquator und in den

    Tropen (warum?). In den Tropen sind Geopotential, horizontaler Wind und Temperatur nicht

    mehr durch einfache Beziehungen miteinander gekoppelt. Deshalb unterscheiden sich tropische

    und aussertropische Dynamik auch stark voneinander.

    4.5 Die Vortizität (Vorticity)

    [a] Eine wichtige dynamische Grösse stellt die Vortizität (engl. Vorticity) dar. Es sei u die

    Windkomponente in zonaler Richtung (x, West/Ost) und v diejenige in meridionaler Richtung

    (y, Süd/Nord). Dann ist die Vortizität formal definiert durch

    ξ =∂v

    ∂x−∂u

    ∂y

    Was genau hinter dieser Formel steckt, soll im folgenden diskutiert werden. Anstatt dass wir

    diese Grösse formal untersuchen (dies wird in der Vorlesung Fluiddynamik I gemacht), betrach-

    ten wir ein reales Geschwindigkeitsfeld und zeichnen für dieses die Vorticity ein:

    13

  • GM

    Fig.12 Windvektoren und (relative) Vorticity ξ auf 300 hPa für den 10. Oktober 2005,

    12UTC. Beachte wie der zyklonale Wirbel über Spanien mit einer lokalen positiven An-

    omalie der Vorticity zusammenfällt. Dies legt den Schluss nahe, dass Vorticity die Wirbel

    in der Strömung identifiziert. Tatsächlich lässt sich zeigen, dass zyklonale (im Gegenuhr-

    zeigersinn) Wirbel mit positiven Anomalien verbunden sind und antizyklonale (im Uhr-

    zeigersinn) Wirbel mit negativer Vorticity.

    [b] Ein genauerer Blick zeigt weiterhin, dass über Dänemark ein positives und negatives Band

    von Vorticity eng beieinander liegt. Diese beiden Bänder fallen mit der Nordseite (positives ξ)

    und Südseite (negatives ξ) des Jets zusammen. Etwas klarer wird das im unten gezeigten Jet

    über den USA. Links ist ein horizontales Bild auf 300 hPa gezeigt, rechts ein vertikaler Quer-

    schnitt entlang dem 100W-Meridian:

    14

  • 50

    50

    50

    50

    50

    50

    60

    60

    60

    60

    60

    60

    70

    70

    30

    30

    30

    30

    30

    30

    30

    40

    40

    4040

    40

    50

    50

    50

    60

    60

    Fig.13 Links: Windvektoren, Windgeschwindigkeit und (relative) Vorticity ξ auf 300 hPa

    für den 10. Oktober 2005, 12UTC. Rechts: Vertikaler Querschnitt durch den Jet entlang

    des 110W-Meridians. Die dünnen Konturlinien geben die Windgeschwindigkeit an, die

    dicke Linie die Lage der dynamischen Tropopause.

    In diesem zweiten Beispiel werden durch die Vorticity die Regionen mit grosser Windscherung

    identifiziert. Auf der Südseite des Jets nimmt die Geschwinidigkeit zum Jetzentrum hin zu. Man

    spricht hier von der antizyklonalen Scherungsseite des Jets. Diese ist mit negativer Vorticity

    verbunden. Auf der Nordseite des Jets hingegen (zyklonale Scherungsseite) nimmt die Wind-

    geschwindigkeit nach Norden hin ab. Diese Windscherung ist mit positiver Vorticity verbunden.

    [c] Allgemein bestimmt die Vorticity also Region mit starker Scherung oder starker Krümmung.

    Man spricht von Scherungs- und Krümmungsvortizität. Das Verbindende bei diesen beiden

    Strömungssituationen ist, dass ein kleines imaginäres Luftpaket in den beiden Geschwindig-

    keitsfeldern rotiert. Schematisch illustriert dies die folgende Abbildung für einen Jet:

    15

  • Fig.15 Schematische Darstellung der Rotation eines kleinen imaginären Luftpakets auf

    der zyklonalen (oben) und antizyklonalen (unten) Seite eines Jets [entnommen aus”An

    Introduction to Dynamic Meteorology“, J. R.Holton].

    Im Rahmen dieser Vorlesung soll nicht genauer auf die Feinheiten der Definition eingegangen

    werden (Fluiddynamik I!). Beide Strömungstypen sind für die Dynamik der Atmosphäre von

    grosser Bedeutung. So verbindet man zum Beispiel mit positiven Anomalien der Vorticity Tief-

    druckwirbel. Scherungsströmungen wiederum sind sehr interessant, da starke Windscherungen

    als Ausgangspunkt für Instabilitäten und Turbulenz dienen können. Im folgenden werden wir

    uns vor allem mit der Vorticity von Tiefdruckwirbeln auseinandersetzen. Um ein wenig besser

    zu verstehen, wie sich die Vorticity ändern kann, müssen wir eine weitere Grösse einführen, die

    Divergenz (Abschnitt 4.6).

    [d] Die bisher diskutierte Grösse ξ nennt man die relative Vorticity des Geschwindigkeitsfelds.

    Nun befinden wir uns aber in einem rotierenden Bezugssystem, wobei die Rotationsrate durch

    den Coriolisparameter ausgedrückt wird. Man nennt f die planetare Vorticity. Nach dem bisher

    gelernten nimmt diese planetare Vorticity am Pol ihren Maximalwert an und nimmt zum Äqua-

    tor hin ab. Am Äquator selbst verschwindet die planetare Vorticity. Die Summe aus planetarer

    Vorticity f und relativer Vorticity ξ nennt man die absolute Vorticity η. Formelhaft also:

    η = f + ξ

    In den meisten Bewegungsgleichungen der Atmosphärenphysik tritt die absolute Vorticity auf.

    Die”anschauliche“ Deutung beruht aber auf der relativen Vorticity. In der folgenden Abbildung

    ist die relative Vorticity und die absolute Vorticity gezeigt für einen Spätsommertag auf 250 hPa.

    16

  • GM

    17

  • GM

    Fig.16 Oben: Vorticity und Windpfeile auf 250 hPa, Unten: Absolute Vorticity auf 250 hPa.

    Beide Diagramme sind für den 7. September 2006, 18UTC.

    Beachte speziell, dass die relative Vorticity zwar positive und negative Werte annimmt, dies

    aber für die absolute Vorticity nicht zutrifft. Es muss also fast immer die relative Vorticity klei-

    ner als die durch den Coriolisparameter f gegebene planetare Vorticity sein. Tatsächlich kann

    man zeigen (siehe unten), dass eine Strömung mit negativer absoluter Vorticity instabil wird.

    Man spricht in diesem Fall von der sogenannten ’inertial instability’ oder etwas allgemeiner von

    der ’smmetric instability’. In den gezeigten Diagrammen gibt es nur ganz kleine Gebiete, wo der

    Wert negativ wird. Es ist damit zu rechnen, dass in diesen Gebieten lokale Turbulenz auftritt.

    Im folgenden betrachten wir exemplarisch, wie es zur ’inertial instability’ kommen kann. Wir fol-

    gen hierbei der Diskussion in “An Introduction to Dynamic Meteorology” von James R.Holton.

    Betrachte eine zonale Grunströmung ug, die im geostrophischen Gleichgewicht ist. Damit lautet

    die Bewegungsgleichung (Impulsgleichung) in x- und in y-Richtung, wenn wir Reibungskräfte

    vernachlässigen:

    Du

    Dt− f · v = −

    1

    ρ·∂p

    ∂xDv

    Dt+ f · u = −

    1

    ρ·∂p

    ∂y

    Hier beschreibt der Term mit dem Coriolisparameter f den Einfluss der Erdrotatiuon und rechts

    steht die Druckgradientenkraft. Jetzt machen wir einige Annahmen:

    a) Die zonale Geschwindigkeit u kann zerlegt werden in den Anteil ug der zonalen Grund-

    strömung und eine kleine Störung u′, dh. u = ug + u′;

    b) Für die meridionale Geschwindigkeit gilt eine analoge Zerlegung v = vg + v′, wobei der

    Anteil vg verschwindet (vg = 0) wegen der Vorgabe einer zonalen Grundströmung;

    c) Alle Störungen sind klein und das Druckfeld sei fest vorgegeben, dh. das Druckfeld und

    somit die Druckgradientenkräfte sind konstant.

    18

  • Benutzen wir die Definition des geostrophischen Windgleichgewichts, so hat man (unter der

    Vorgabe vg = 0):

    ug = −1

    ρf·∂p

    ∂yund 0 = −

    1

    ρf·∂p

    ∂x

    Wir erhalten somit in erster Näherung die folgenden modifizierten Bewegungsgleichungen:

    Du

    Dt= f · v

    Dv

    Dt= f · (ug − u)

    Jetzt überlegen wir uns, was passiert, wenn ein Luftpaket senkrecht zur Grundströmung (in

    y-Richtung) leicht ausgelenkt wird. Es soll sich um die Distanz δy aus seiner ursprünglichen La-

    ge yo wegbewegen. Es gilt nun zu entscheiden, wie sich das Luftpaket weiterbewegt: Erfährt es

    eine genügend starke rücktreibende Kraft, die es zu seiner Ruhelage zurückbringt? Oder erfährt

    es an seiner neuen Position yo+δy eine Kraft, die es weiter von seiner Ruhelage wegbeschleunigt?

    Die Geschwindigkeit u an der neuen Stelle lässt sich leicht bestimmen, es ist ja nach Definition

    v = Dy/Dt und somit lässt sich die erste der beiden Bewegungsgleichungen leicht integrieren.

    In erster Näherung ergibt sich

    u(yo + δy) = ug(yo) + f · δy

    Für die Grundströmung ug an der neuen Position resultiert aus einer Taylorentwicklung:

    ug(yo + δy) = ug(yo) +∂ug∂y

    · δy

    Verwenden wir diese beiden Ausdrücke im Term ug − u der zweiten Bewegungsgleichung, so

    ergibt sich die folgende Gleichung für die Position δy des Luftpakets (unter Benutzung von

    Dv/Dt = D2δy/Dt2):

    D2δy

    Dt2= −f · (f −

    ∂ug∂y

    ) · δy

    Wenn wir nun noch die Definition der Vortizität berücksichtigen (ξg = ∂vg/∂x − ∂ug/∂y), so

    sehen wir klarer, wie die absolute Vortizität in die Stabilitätsanaylse einfliesst:

    D2δy

    Dt2= −f · (f + ξg) · δy

    Auf der Nordhemisphäre ist f > 0 und damit ergibt sich eine oszillierende Bewegung δy für das

    Luftpaket, wenn f + ξg > 0 ist und eine Instabilotät für f + ξg < 0. Beachte, dass aus diesen

    Überlegungen folgt, dass antizyklonale Windscherungen nicht beliebig gross werden können.

    Sobald die antizyklonale Windscherung (betragsmässig) grösser als f wird, setzt Instabilität

    ein.

    19

  • 4.6 Die Divergenz

    [a] Wie bei der Vorticity verzichten wir auf eine formale Behandlung der Divergenz, die durch

    ∇~u =∂u

    ∂x+∂v

    ∂y(+∂w

    ∂z)

    definiert ist. In der folgenden Abbildung sind schematisch einige Strömungsfelder eingezeich-

    net, die mit Divergenz verbunden sind. Links hat man einen Massenausfluss aus einem kleinen

    Volumenelement (Divergenz). Hat man netto einen Massenzufluss in das betrachtete Volumen-

    element, so wird die Divergenz negativ. Man spricht aus naheliegenden Gründen in diesem Fall

    von Konvergenz.

    Fig.17 Schematische Darstellung einiger Strömungsfelder mit positiver und negativer Di-

    vergenz. Im Falle positiver Divergenz spricht man oft nur von Divergenz, während für den

    Fall mit negativer Divergenz die Bezeichnung Konvergenz gebräuchlich ist [entnommen

    aus”Synoptische Meteorologie“, bearbeitet von M.Kurz, Deutscher Wetterdienst].

    Eine wichtige Eigenschaft des geostrophischen Windes ist, dass er divergenzfrei ist, sofern man

    die breitenabhängigkeit des Coriolisparameters vernachlässigt (bitte nachrechnen!):

    ∂ug∂x

    +∂vg∂y

    = 0

    In einer rein geostrophischen Strömung ist demnach weder Konvergenz noch Divergenz möglich.

    Findet man also irgendwo in der Atmosphäre von Null verschiedene Divergenz, so muss das Ge-

    schwindigkeitsfeld also neben einer geostrophischen Komponente auch eine sogenannte ageostro-

    phische Komponente beinhalten. Unten werden wir sehen, dass zum Beispiel der bodennahe

    Wind auf Grund der Reibung in der Grenzschicht eine ageostrophische Komponente beinhaltet.

    Weitere Beispiele sind kleinskalige Wellen (sogenannte Schwerewellen), die bei Gebirgsüber-

    strömungen oder bei Fronten angeregt werden.

    [b] Wir haben zu Beginn dieses Kapitels gesehen, dass in Bodennähe der Wind nicht exakt den

    Geopotentiallinien (oder Isobaren) folgt. Tatsächlich resultiert eine Windkomponente, die vom

    hohen zum tieferen Druck zeigt. Dies bedeutet also, dass in Bodenähe Tiefdruckgebiete mit

    20

  • Konvergenz und Hochdruckgebiete mit Divergenz verbunden sind. Dazu nochmals die Figur

    aus einem früheren Abschnitt:

    0

    75

    150

    150

    150

    150

    225

    225

    225

    225

    H

    L

    Fig.18 Divergenz bei einem Hoch-

    druckgebiet und Konvergenz bei

    einem Tiefdruckgebiet. Gezeigt

    sind die Windvektoren und das

    Geopotential auf 1000 hPa.

    Offensichtlich ist die Strömung in Bodennähe nicht rein geostrophisch. Die Windkomponente,

    die die Geopotentiallinien schneidet, entspricht dem oben erwähnten ageostrophischen Wind.

    [c] Ist die Strömung in Bodennähe konvergent (zum Beispiel in einem Tiefdruckgebiet), so muss

    die Luft in dieser Region aufsteigen. Dies wird sofort klar aus der folgenden Skizze:

    Fig.19 Divergenz und Konvergenz, wie sie sich bei Hoch- und Tiefdruckgebieten ergibt.

    Strömt die Luft in das Zentrum eines Tiefs (Konvergenz), so verlangt die Massener-

    haltung, dass sie dort aufsteigt. In grösseren Höhen wird sie wieder auseinander fliessen

    (Divergenz). Dazwischen liegt eine Schicht, bei der die Divergenz verschwindet. Bei einem

    Hochdruckgebiet hat man Divergenz am Boden, Absinken in der Troposphäre und Kon-

    vergenz in der oberen Troposphäre [entnommen aus”Atmosphere, Weather and Climate“,

    R. G. Barry and R. J. Chorley].

    Sehr schön ist die obige Überlegung im folgenden Beispiel bestätigt. Es zeigt die Divergenz und

    die vertikale Windgeschwindigkeit (in Pa/s) auf 900 hPa für ein Tiefdruckgebiet im Pazifik.

    21

  • -.00015

    -.00006

    -.00006

    -.00006

    .00003

    Fig.20 Divergenz (Konturlinie)

    und Vertikalwind (Farbe, in

    Pa/s) auf 900 hPa, 10.Oktober

    2005, 12UTC. Beachte, dass die

    Übereinstimmung von Divergenz

    und Vertikalwind auch in dem

    ausgedehnten langen Band (eine

    Kaltfront) gut übereinstimmt.

    Das betrachtete System befindet

    sich im Pazifik in den mittleren

    Breiten.

    4.7 Die Vorticity-Gleichung

    [a] Damit kommen wir zu einem weiteren interessanten Zusammenhang. Es zeigt sich nämlich,

    dass auch ein Zusammenhang zwischen Divergenz (Konvergenz) und Vorticity besteht. Bei

    einer konvergenten Strömung kommt es zu einer Zunahme der Vorticity und bei Divergenz

    zu einer Abnahme. Anschaulich lässt sich das als Analogon zur Eistänzerin betrachten, die

    eine Pirouette macht. Zieht sie während der Pirouette ihre Arme ein (Konvergenz der Masse

    gegen das Zentrum hin), so dreht sie sich auf Grund der Drehimpulserhaltung schneller. Da

    auch Vorticity ein mikroskopisches Mass für Drehimpuls ist, leuchtet ein, dass ein konvergenter

    Massefluss zu einer Zunahme der Vorticity führt. Formal wird das durch die folgende Gleichung

    beschrieben, auf deren linken Seite die änderung der relativen Vorticity steht und auf der rechten

    Seite die Divergenz des horizontalen Geschwindigkeitsfeldes (multipliziert mit der absoluten

    Vorticity):∂ξ

    ∂t= −(ξ + f) · (

    ∂u

    ∂x+∂v

    ∂y)

    Sehr schematisch zeigt die folgende Abbildung den Sachverhalt:

    22

  • Fig.21 Schematische Darstellung des

    Zusammenhangs zwischen Konvergenz

    und Divergenz und der Änderung der

    relativen Vorticity. Bei Konvergenz

    nimmt die Vorticity zu, bei Divergenz

    nimmt sie ab.

    Der exakte Beweis dieses Zusammenhangs wird in der Vorlesung Fluiddyanmik I hergeleitet.

    Die folgende Abbildung zeigt die Vorticity und das Geschwindigkeitsfeld für das oben gezeigte

    System im Pazifik:

    Fig.22 Vorticity (Farbe) und Windvektoren auf 900 hPa, 10. Oktober 2005, 12UTC. Be-

    achte, dass das Vorticity-Maximum nicht mit dem Konvergenz-Maximum von vorhin zu-

    sammenfällt. Das müssen sie aber auch nicht, denn der betrachtete Zusammenhang besagt

    nicht, dass dort die Vorticity gross ist, wo Konvergenz auftritt. Die Aussage ist: Wo Kon-

    vergenz auftritt, hat man eine Zunahme der Vorticity.

    [b] Wir haben damit einige wichtige Zusammenhänge dynamischer Grössen kennengelernt, die

    wir wie folgt zusammenfassen können:

    23

  • a) Zyklonale (antizyklonale) Wirbel haben positive (negative) Vorticity;

    b) Tiefdruckzentren (Hochdruckzentren) weisen eine bodennahe Konvergenz (Divergenz)

    auf;

    c) bodenahe Konvergenz (Divergenz) ist verbunden mit aufteigender (absinkender) Luft;

    d) Konvergenz (Divergenz) führt zu einer Zunahme (Abnahme) der Vorticity.

    Insbesondere haben wir damit auch die Wichtigkeit der Grössen Vorticity und Divergenz ken-

    nengelernt. Diese eröffnen eine völlig neue Betrachtungsweise der Atmosphärendynamik. So

    können wir nun zum Beispiel Tiefdruckwirbel durch Zentren hoher positiver Vorticity identifi-

    zieren, ohne das Geopotential oder die Windvektoren heranzziehen zu müssen.

    Die”traditionelle“ Atmosphärenphysik fragt nach den Prozessen, die den Druck in einem Tief

    vermindern können und damit zu einer Intensivierung eines Tiefs führen. In der”neuen“ Dy-

    namik geht es hingegen darum, die Prozesse zu finden, die die Vorticity verändern können.

    [c] In diesem Abschnitt betrachten wir eine Gleichung, die die zeitliche Entwicklung der Vor-

    ticity bestimmt. Damit sind wir dann in der Lage, die Bewegung von Tiefdruckgebieten besser

    zu verstehen. Zu beachten ist bei dieser Diskussion, dass sie nur bei synoptischen und planeta-

    ren Skalen gültig ist. Bei den kleineren Mesoskalen kommen zusätzliche Effekte hinzu. So kann

    zum Beispiel damit nicht die Bewegung von Tornados (grosse positive Vorticity) vorhergesagt

    werden. Auch in der Nähe von Fronten verliert die Gleichung ihre Gültigkeit, da Fronten typi-

    scherweise Skalen von 100 km haben.

    Damit aber zur Gleichung. Diese drückt aus, wie sich die relative Vorticity in einer synoptischen

    oder planetaren Entwicklung an einem ortsfesten Punkt mit der Zeit ändern kann:

    (Zeitliche Änd-

    erung der rela-

    tiven Vorticity

    ) = (

    Advektion

    absoluter

    Vorticity

    ) + (Absolute

    Vorticity) · (

    Divergenz des Ge-

    schwindigkeitsfeldes)

    Formal geschrieben lautet dies:

    ∂ξ

    ∂t= −~v · ~∇(ξ + f) − (ξ + f) · (

    ∂u

    ∂x+∂v

    ∂y)

    Den zweiten Term haben wir bereits diskutiert. Konvergenz führt zu einer Zunahme der re-

    lativen Vorticity, Divergenz zu einer Abnahme. Beachte aber, dass relative Vorticity durch

    Konvergenz erzeugt werden kann, selbst wenn anfänglich keine relative Vorticity vorhanden

    ist. Denn im Produkt steht links die absolute Vorticity, dh. ausser am Äquator hat man stets

    planetare Vorticity f. Der erste Term ist analog zur Temperaturadvektion zu verstehen. Weht

    der Wind also von einer Region mit hoher absoluter Vorticity in Richtung einer Region mit

    niedriger absoluter Vorticity, so advergiert der Wind Vorticity von der einen Region zur anderen.

    In den folgenden Abbildungen ist die Vorticity-Gleichung an einem konkreten Beispiel illustriert.

    24

  • GM GM

    Fig. 23 Absolute Vorticity (ξ + f) in Farbe dargestellt mit überlagerten Windvektoren

    (links) und Divergenz (rechts). Positive Werte der Divergenz sind mit durchgezogenen

    Linien gezeigt, negative Werte (entsprechend einer Konvergenz) mit strichlierter Linie.

    Beide Diagramme sind auf 250 hPa für den 6. September 2006, 00UTC.

    In der Abbildung sind Regionen erkennbar, wo die Windvektoren klar die Isolinien der ab-

    soluten Vorticity kreuzen. Zeigen die Vektoren von Gebieten hoher nach Gebieten niedriger

    absoluter Vorticity, so hat man einen positive Advektionsabteil, dh. die Advektion bewirkt eine

    Zunahme der relativen Vorticity. Eine Abnahme hat man hingegegen, wenn die Windvektoren

    von Gebieten niedriger zu Gebieten mit hoher absoluter Vorticity reichen.

    Der Divergenzterm ist in der gezeigten Höhe von 250 hPa nicht so ausgeprägt. Tatsächlich hat

    man nicht-verschwindende Divergenz gerade in Regionen, wo die absolute Vorticity relativ klein

    ist. Damit wird auch der zweite Term auf der rechten Seite der Vorticity-Gleichung nicht allzu

    gross. Es stellt sich nun die Frage, wie sich die Vorticity innerhalb der nächsten Zeit entwickeln

    wird. Einerseits hat man Advektion der Vorticity (links angedeutet durch die Windpfeile), an-

    dererseits den Divergenz/Konvergenz-Effekt (rechts angedeutet durch das Divergenzfeld). Die

    beiden Terme sind in der folgenden Abbildung explizit berechnet:

    GM GM

    Fig. 24 Advektionsterm −~v · ~∇(ξ+f) (links) und Divergenzterm -(ξ+f) · (∂u/∂x+∂v/∂y)

    (rechts) in der Vorticity-Gleichung.

    25

  • Die Summe der beiden Anteile ergibt die erwartete Änderung der Vorticity gemäss der Vorticity-

    Gleichung. Diese Summe ist in der linken unteren Abbildung dargestellt. Diese ist zu verglei-

    chen mit der tatächlich beobachteten Änderung, wie sie sich aus der Differenz zweier Felder

    im Abstand von 6 h ergibt. Beachte, wie im wesentlichen die beobachtete Änderung durch die

    Vorticity-Gleichung erfasst wird, wobei es lokal durchaus Abweichungen geben kann.

    GM GM

    Fig. 25 Änderung der relativen Vorticity gemäss der Summe aus dem Advektions- und

    Divergenzterms (links). Dies entspricht der Vorhersage der Vorticity-Gleichung. Rechts

    ist die tatsächlich beobachtete Änderung der relativen Vorticity während 6 h gezeigt. Dies

    entspricht der Differenz der beiden relativen Vorticity zu den Zeiten 06UTC und 00UTC.

    Aufgabe:Mache Dir einige Gedanken, weshalb es zu Abweichungen kommen kann zwischen der

    tatsächlich beobachteten Änderung der Vorticity und der Änderung, wie sie aus der Vorticity-

    Gleichung berechnet wird.

    4.8 Anwendungen der Vorticity-Gleichung

    a) Ausbreitung von Rossby-Wellen

    In der folgenden Abbildung ist schematisch dargestellt, wie der Jetstream wellenförmige Aus-

    buchtungen aufweist, sogenannte Rossby-Wellen:

    26

  • Fig.26 Schematische Struktur des mäandrierendem Jetstreams, der

    durch Rossby-Wellen gestört wird [entnommen von der Webseite

    ’www.daukas.com/Geoscience/MAtour/glossary.html’].

    Die Ausbreitung der Rossby-Wellen lässt sich qualitativ verstehen mit der Vorticity-Gleichung.

    Betrachte dazu die folgende Abbildung:

    27

  • f

    S

    N

    NVA

    PVA

    Fig.27 Schematische Darstellung einer Rossbywelle auf der Nordhemisphäre. Die planetare

    Vorticity f nimmt von Süd (S) nach Nord (N) zu. Dort, wo der Wind von Süd nach

    Nord weht, kommt es zu einer negativen Advektion von planetarer Vorticity (NVA, von

    einem Gebiet mit kleinerem f in Richtung eines Gebietes mit grösserem f). Dies führt

    zu einer negativen Anomalie der relativen Vorticity (H). Weht der Wind hingegen von

    Nord nach Süd, so hat man eine positive Advektion von planetarer Vorticity (PVA, von

    einem Gebiet mit höherem f in Richtung eines Gebietes mit kleinerem f . Dies führt

    zu einer positiven Anomalie der relativen Vorticity (T) [entnommen und angepasst aus

    ”Theoretische Meteorologie“, D.Etling].

    Führt man den Gedanken ein wenig weiter, so lässt sich die Ausbreitungsrichtung dieser soge-

    nannten Rossbywellen herleiten. Tatsächlich induzieren nämlichen die lokalen Anomalien der

    relativen Vorticity wiederum ein Geschwindigkeitsfeld. Das ganze Wellenmuster wird in diesem

    Geschwindigkeitsfeld nach Westen (links) bewegt, wie in der Abbildung gezeigt:

    28

  • Fig.27 Schematische Darstellung des Mechanismus, der zu einer Westwärtsbewegung ei-

    ner Rossbywelle führt. Die ursprüngliche Störung sei durch die dicke ausgezogene Linie

    gegeben. Durch die Advektion planetarer Vorticity bilden sich Anomalien der realtiven Vor-

    ticity aus. Diese sind mit + und - gekennzeichnet (in der vorherigen Abbildung T und H).

    Zu den Anomalien der relativen Vorticity gehören die Geschwindigkeitsfelder, die durch

    die Pfeile markiert sind: Antizyklonal um die negative Anomalie, zyklonal um die positive

    Anomalie. Das ursprüngliche Wellenmuster wird durch dieses Geschwindigkeitsfeld nach

    Westen getragen (dünne ausgezogene Wellenlinie).

    Mit unsererm Wissen, ist es relativ einfach die Geschwindigkeit der Rossbywellen auszurechnen.

    Dazu verwenden wir die Vorticitygleichung

    ∂ξ

    ∂t= −~v · ~∇(ξ + f) − (ξ + f) · (

    ∂u

    ∂x+∂v

    ∂y)

    und machen folgende Annahmen, die bei dieser Skala gerechtfertigt sind. Zum einen ver-

    nachlässigen wir den Konvergenz/Divergenz-Effekt, dh. der zweite Term auf der rechten Seite

    fällt ganz weg, und zum anderen sei die relative Vorticity um einiges kleiner als die planetare

    Vorticity, so dass wir die Advektion der relativen Vorticity im Vergleich zur Advektion der

    planetaren Vorticity vernachlässigen können. Es bleibt dann die folgende Gleichung:

    ∂ξ

    ∂t= −v ·

    ∂f

    ∂y

    Beachte, dass wir verwendet haben, dass der Coriolisparameter f nur von der geographischen

    Breite (von y) abhängt. Anschaulich bedeutet diese Gleichung, dass bei einem Nordwind, die

    29

  • Vorticity zunimmt (Advektion von “hoher” planetarer Vorticity) und dass bei Südwind die

    Vorticity abnimmt (Advektion von “greinger” planetarer Vorticity). Der Einfachheit halber

    schreiben wir β = ∂f/∂y und wollen diesen Parameter als Konstante annehmen.

    In einem nächsten Schritt wollen wir eine Gleichung für das Geopotential herleiten. Wir verwen-

    den dazu, dass die Strömung bei dieser planetaren Skala das geostrophische Windgleichgewicht

    erfüllt:

    u = −1

    f·∂Φ

    ∂yund v =

    1

    f·∂Φ

    ∂x

    Die Vorticity lässt sich nun ebenfalls ganz einfach durch das Geopotential Φ ausdrücken. Es

    wird nämlich zu

    ξ =1

    f· ∇

    Setzen wir dies in die obige Form der Vorticity-Gleichung ein, so ergibt sich eine Gleichung für

    das Geopotential Φ. Diese lautet:

    ∂∇2Φ

    ∂t+ β ·

    ∂Φ

    ∂x= 0

    Jetzt können wir einen Wellenansatz für das Geopotential machen. Dieser Ansatz soll eine

    Welle beschreiben, die sich in x-Richtung (in zonaler Richtung) ausbreitet. Aus der Physik ist

    bekannt, dass sich eine solche Welle wie folgt beschreiben lässt:

    Φ(x, t) = A · sin(ly) · sin(kx− ωt)

    Hier ist A eine (konstante) Amplitude der Welle, k ist die Wellenzahl in x-Richtung (k = 2π/λ

    mit λ die Wellenlänge), l die Wellenzahl in y-Richtung und ω ist die Kreisfrequenz der Welle

    (ω = 2π/T mit der Periode T ). Setzt man diesen Ansatz in die obige Gleichung ein, so ergibt

    sich nach kurzer Rechnung:[

    ω · (k2 + l2) + β · k]

    · sin(ly) · cos(kx− ωt) = 0

    Damit diese Gleichung erfüllt sein kann, muss der erste Klammerausdruck verschwinden. Daraus

    erhält man direkt die Dispersionsrelation der Rossbywelle. Diese stellt einen Zusammenhang

    zwischen der Kreisfrequenz und der Wellenzahl her:

    ω(k, l) = −β · k

    k2 + l2

    Damit haben wir das Ziel erreicht, denn aus der Disperionsrealtion kann man “alles” über die

    Rossbywelle erfahren. So findet man zum Beispiel, dass die Phasengeschwindgkeit ω/k stets

    negativ ist, dh. dass sie relativ zur Grundströmung stets gegen Westen gerichtet ist.

    Aufgabe: Von grosser Bedeutung ist ferner die Gruppengeschwindigkeit, welche die Ausbrei-

    tungsgeschwindigkeit von Wellenpaketen beschreibt. Dies ist auch die Geschwindikeit mit der

    Energie durch die Welle transportiert wird. Bestimme die Gruppengeschwindikeit der Rossby-

    welle in Abhängigkeit von der zonalen Wellenzahl k. In welcher Richtung (West oder Ost) zeigt

    die Gruppengeschwindigkeit?

    30

  • b) Die Vertikalwinde bei einem Jet-Streak

    Eine weitere Anwendung der Vorticity-Gleichung ist in der folgenden Abbildung gezeigt. Es

    handelt sich um eine schematische Darstellung eines sogenannten Jet-Streaks, dh. eines lokalen

    Geschwindigkeitsmaximums im Jet-Stream. Gezeigt sind durchgezogen Geopotentiallinien auf

    einem Druckniveau (zum Beispiel auf 250 hPa). Das Geopotential nimmt nach Norden hin ab,

    dh. es handelt sich um einen Westwind, wie ebenfalls anhand der eingezeichneten geostrophi-

    schen Windpfeile ersichtlich ist. Im Zentrum liegen die Geopotentiallinien enger beisammen

    dort findet man auch die grössten Windgeschwindigkeiten (Zentrum des Jet-Streaks).

    Fig.28 Schematische Darstellung eines Jetstreaks und der dazugehörigen ageostrophischen

    Strömung. Siehe Text für genauere Aussführungen. [entnommen aus”Synoptic-Dynamic

    Meteorology in Midlatitudes, Volume II: Observations and Theory of Weather Systems“,

    H. B.Bluestein]).

    Betrachte ein Luftpaket, das in den rechten Quadranten des Jet-Streaks eintritt (links unten

    in der Graphhik). Wir betrachten die Vorticity-Gleichung für dieses Luftpaket. Dazu schreiben

    wir die Vorticity-Gleichung ein wenig um:

    Dt=∂ξ

    ∂t+ ~v · ~∇(ξ + f) = −(ξ + f) · div(~u))

    Links steht nun die materielle Ableitung der relativen Vorticity, dh. es handelt sich hierbei um

    die zeitliche Änderung der relativen Vorticity, wenn man sich mit dem Luftpaket mitbewegt

    (Ableitung im mitbewegten System). Diese materielle Änderung wird verursacht durch die ho-

    rizontale Divergenz des Windes (rechte Seite der Gleichung).

    Das Luftpaket, das in den linken unteren Sektor des Jet-Streaks eintritt, ändert seine Vorticity.

    Sie wird mehr antizyklonal (im Uhrzeigersinn), dh. die materielle Ableitung der Vorticity ist

    31

  • negativ in diesem Sektor. Gemäss der Vorticity-Gleichung folgt hieraus eine lokal divergente

    Strömung (δ > 0). Tritt das Luftpaket auf der rechten unteren Seite des Jet-Streaks aus, so

    nimmt seine relative Vorticity wieder zu, und folglich muss eine lokal konvergente Strömung

    (δ < 0) vorherrschen gemäss der Vorticity-Gleichung. Ähnlich kann man sich überlegen, dass

    Konvergenz und Divergenz auf der Nordseite des Jet-Streaks ihre Rollen tauschen. Jetzt ist

    die Strömung konvergent in der Eingangsregion und divergent in der Ausgangsregion des Jet-

    Streaks.

    Im weiteren wollen wir annehmen, dass sich das Jet-Streak knapp unterhalb der Tropopause

    befindet (dies ist typischerweise der Fall). Dann lässt sich aus der Divergenz (δ > 0) im rechten

    Eingangsquadranten eine Aussage zum Vertikalwind machen. Dieser ist nämlich unmittelbar

    bei der Tropopause annähernd gleich Null. Ist die Strömung knapp darunter jedoch diver-

    gent, so verlangt die Massenerhaltung (Kontinuitätsgleichung) ein Aufsteigen der Luft. Auf

    der Nordseite der Eingangsregion hat man eine konvergente Strömung, was mit einer analogen

    Schlusskettte zu einem Absinken der Luft führt.

    Ingesamt ergibt sich so im Eingangsbereich des Jet-Streaks eine thermisch direkte Zirkulation

    (Aufsteigen im warmen Süden, Absinken im kalten Norden). In der Ausgangsregion des Jet-

    Sreaks hingegen resultiert eine thermisch indirekte Zirkulation (Aufsteigen im kalten Norden,

    Absinken im warmen Süden). Dieses Muster macht Sinn, wenn man sich vor Augen führt, dass

    eine thermnisch direkte Zirkulation als”Energiequelle“ wirkt, währenddem eine thermisch in-

    direkte Zirkulation als”Energiesenke“ wirkt. Die Zirkulation steht somit im Zusammenhang

    mit der zusätzlichen kinetischen Energie, die in den lokal erhöhten Werten der Windgeschwin-

    dikeiten stecken.

    Die folgende Abbildung zeigt ein konkretes Beispiel eines Jet-streaks über den Vereinigten Staa-

    ten.

    32

  • 20

    20

    20

    20

    20

    32

    3232

    32

    32

    32

    44

    44

    44

    44

    44

    44

    56

    56

    56

    56

    56

    56

    56

    68

    68

    68

    20

    20

    2020

    20

    32

    32

    32

    32

    32

    32

    44

    44

    44

    44

    44

    44

    56

    56

    56

    56

    56

    56

    56

    68

    68

    68

    Fig.29 Oben: Divergenz (in Farbe, rot:divergent, blau:konvergent) und Windgeschwindig-

    keit (mit Konturlinien) auf 200 hPa für den 1. Januar 1990, 00UTC. Unten: Vertikalwind

    (in hPa/s, blau:aufsteigend, rot:absinkend) und Windgeschwindigkeit.

    In der schematischen Abbildung des Jetstreaks steckt übrigens noch eine interessante Näherung.

    Es steht dort eine Formel, wie der ageostrophische Wind sich aus dem geostrophischen Wind

    annähernd bestimmen lässt. Denn die geostrophische Winde geben nur eine erste Näherung an

    33

  • die Realität wieder. Von sehr grossem Interesse sind die Abweichungen von dieser geostrophi-

    schen Näherung, weil gerade die sogenannten ageostrophischen Winde mit spannenden Phäno-

    menen verbunden sind. Etwas klarer wird dies mit der Feststellung, dass geostrophische Winde

    nach Definition keine Vertikalwinde beinhalten. Gerade Vertikalbewegungen sind jedoch von

    zentraler Bedeutung in der Atmosphärendynamik. Die Näherungsformel für en ageostrophi-

    schen Windvektor lautet:

    ~va =1

    f· ~k ×

    Dg~vgDt

    Kannt man also die Änderung des geostrophischen Windes entlang dem geostrophischen Wind,

    so lässt sich hieraus der ageostrophische Wind durch eine Rotation um 90 Grad bestimmen

    (Vektorprodukt!). Auch diese Gleichung können wir sehr leicht herleiten. Wir starten mit der

    Bewegungsgleichung in Abwesenheit von Reibungskräften:

    D~v

    Dt+ f · ~k × ~v = −∇Φ

    Hier ist Φ das Geopotential und f der Coriolisparameter. Die einzelnen Terme sind: die Be-

    schleunigung, die Corioliskraft und die Druckgradientenkraft. Dividiere diese Gleichung mit f

    und bilde das Vektorprodukt mit ~k. Es ergibt sich folgender Ausdruck:

    ~k

    f×D~v

    Dt=~k

    f× (−f · ~k × ~v)−

    ~k

    f×∇Φ

    Es gilt: ~k×~k× ~A = − ~A ür einen beliebigen Vektor ~A und ausserdem können wir die Definition

    des geostrophischen Windes einbringen: ~vg = (1/f ·~k×∇Φ. Damit erhält man sofort die Formel

    für den ageostrophgischen Wind:

    ~va = ~v − ~vg =1

    f· ~k ×

    D~vgDt

    Beachte, dass wir den Term D~vg/Dt nicht kennen, denn dies beinhaltet ja die Advektion

    des geostrphischen Windes durch den exakten Wind. Diesen exakten Wind kennen wir al-

    lerdings nicht! In der quasigeostrophischen Näherung wird nun lediglich die Advektion durch

    den geostrophischen Wind berücksichtigt. Damit resultiert dann der Term Dg~vg/Dt in der obi-

    gen Gleichung.

    Aufgabe: Verwende die gerade hergeleitete Formel für den ageostrophischen Wind, um die

    Vertikalwinde im Zusammenhang mit einem Jetstreaks zu studieren.

    4.9 Herleitung der Vorticity-Gleichung

    In diesem Abschnitt wird die Vorticity-Gleichung in ihrer allgemeinen Form hergeleitet (ent-

    nommen und angepasst aus der Vorlesung ’Large-Scale Dynamics’). Ausgangspunkt sind die

    Bewegungsgleichungen für die Windkomponenten in x- und y-Richtung, wie sie sich aus der

    Navier-Stokes-Gleichung ergeben (siehe auch Vorlesung ’Environmental Fluid Dynamics’):

    34

  • Du

    Dt− fv = −

    1

    ρ

    ∂p

    ∂xDv

    Dt+ fu = −

    1

    ρ

    ∂p

    ∂y

    Die materielle (oder Larange’sche) Ableitung D/Dt ist hierbei definiert durch

    D

    Dt=

    ∂t+ u ·

    ∂x+ v ·

    ∂y+ w ·

    ∂z

    und entspricht der Ableitung einer Grösse im mitbewegten System. Im folgenden nehmen wir an,

    dass die Breitenabhängigkeit des Coriolisparameter f in erster Näherung durch die sogenannte

    β−Ebene gegeben ist, dh. es gilt f(y) = f0 + β · y. Bildet man nun die Ableitung ∂/∂y der

    ersten Bewegungsgleichung und ∂/∂x der zweiten, so ergibt sich nach einigem Rechnen eine

    Gleichung für die vertikale Koordinate der Vorticity ζ :

    Dt+ (ζ + f)

    (

    ∂u

    ∂x+∂v

    ∂y

    )

    +

    (

    ∂w

    ∂x

    ∂v

    ∂z−∂w

    ∂y

    ∂u

    ∂z

    )

    + βv =1

    ρ2

    (

    ∂ρ

    ∂x

    ∂p

    ∂y−∂ρ

    ∂y

    ∂p

    ∂x

    )

    Dies lässt sich weiter umformen in:

    Dt+ βv = − (ζ + f)

    (

    ∂u

    ∂x+∂v

    ∂y

    )

    ︸ ︷︷ ︸

    Divergenz−Effekt

    (

    ∂w

    ∂x

    ∂v

    ∂z−∂w

    ∂y

    ∂u

    ∂z

    )

    ︸ ︷︷ ︸

    Twisting/T ilting−Effekt

    +1

    ρ2

    (

    ∂ρ

    ∂x

    ∂p

    ∂y−∂ρ

    ∂y

    ∂p

    ∂x

    )

    ︸ ︷︷ ︸

    Solenoid−Effekt

    In dieser Gleichung steht die (Lagrange’sche) Ableitung der Vorticity (1.Term) und die Ad-

    vektion der planetaren Vorticity durch den meridionalen (Süd/Nord) Wind (2.Term). Beachte,

    dass die Advektion der Vorticity durch den Wind in der Lagrange’schen Ableitung enthalten

    ist. Rechts vom Gleichheitszeichen stehen drei Quellen und Senken der Vorticity: der Divergenz-

    Effekt (1.Term), der Twisting- und Tilting-Effekt (2.Term) und der Solenoidal-Effekt (3.Term).

    In der synoptischen und planetaren Skala sind die letzten zwei Terme gegenüber dem Divergenz-

    Effekt vernachässigbar, weil die Vertikalgeschwindigkeiten und deren Ableitungen auf dieser

    Skala so klein sind. In dieser Näherung resultiert eine vereinfachte Vorticity-Gleichung (wobei

    D/Dt = ∂/∂t + u · ∂/∂x + v · ∂/∂y; die w−Advektion darf vernachlässigt werden):

    ∂ζ

    ∂t=

    (

    −u ·∂ζ

    ∂x− v ·

    ∂ζ

    ∂y− βv

    )

    ︸ ︷︷ ︸

    Advektion−Effekt

    − (ζ + f)

    (

    ∂u

    ∂x+∂v

    ∂y

    )

    ︸ ︷︷ ︸

    Divergenz−Effekt

    In dieser Form wurde die Vorticity-Gleichung weiter vorne im Skript vorgestellt. Zu betonen ist

    nochmals, dass diese Näherung ihre Gültigkeit in der Meso- und Mikroskala verliert. So geht

    man zum Beispiel davon aus, dass bei der Entwicklung eines Tornados der Twisting/Tilting-

    Effekt von übergeordneter Bedeutung ist. Anschaulich handelt es sich bei diesem Term um eine

    horizontale Komponente der Vorticity, die durch den Vertikalwind augreichtet wird.

    35

  • 4.10 Literatur

    1. An Introduction to Dynamic Meteorology von James R.Holton bietet eine ausge-

    zeichnete Einführung in all die behandelten Konzepte.

    2. Theoretische Meteorologie, Eine Einführun von Dieter Etling ist ein gutes deutsch-

    sprachiges Buch. Es führt alle wichtigen Grössen sorgfältig ein, geht allerdings etwas

    weniger tief als das Buch von Holton.

    3. Synoptic Dynamic Meteorology in Midlatitudes, Volume II: Observations and

    Theory of Weather Systems von Howard B. Bluestein betrachtet viele reale Beispie-

    le und interpretiert sie mit den Grundgleichungen der Dynamik. Das Buch eignet sich

    vor allem, wenn man bereits zentrale Gleichungen der Dynamik kennengelernt hat (zum

    Beispiel als Fortsetzung zu den obigen zwei Büchern). Als Erstlektüre wird es etwas zu

    schwierig sein.

    4. Mid-Latitude Atmospheric Dynamics, A First Course von J. E.Martin ist eine

    ausgezeichnete Einführung in die Dynamik synoptischer und planetarer Strömungsphäno-

    mene. Die Behandlung ist allerdings um einiges mathematischer als in dieser Vorlesung.

    36