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„Kunden zuhören und von ihnen lernen, um Wachstum zu generieren.“ Martin Campiche, Chief Sales & Marketing Officer, General Electric Germany & Europe, über Customer Centricity und warum Innovationskraft maßgeblich für den Wachstumserfolg von Unternehmen ist. Das Interview führte Professor Dr. Dennis Herhausen, Assistenzprofessor am Institut für Marketing der Universität St. Gallen. 6 Marketing Review St. Gallen 5 | 2013 Schwerpunkt | Interview

„Kunden zuhören und von ihnen lernen, um Wachstum zu generieren.“

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„Kunden zuhören und von ihnen lernen, um Wachstum zu generieren.“Martin Campiche, Chief Sales & Marketing Officer, General Electric Germany & Europe, über Customer Centricity und warum Innovationskraft maßgeblich für den Wachstumserfolg von Unternehmen ist.

Das Interview führte Professor Dr. Dennis Herhausen, Assistenzprofessor am Institut für Marketing der Universität St. Gallen.

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Schwerpunkt | Interview

Martin Campiche leitet als Chief Sales & Marketing Of-ficer, General Electric (GE) Germany & Europe, die Wachstumsoperationen des GE-Konzerns für Deutschland und Eu-ropa. Unter seiner Leitung wurden neue Markt- und Geschäftsmodelle entwi-ckelt und die Bereiche Innovation, Seg-mentierung und Marketing zu Kern-kompetenzen von GE ausgebaut. Seit seinem Eintritt in das Unternehmen im Jahr 2002 verantwortete er verschiedene Marketing-Bereiche, von strategischen Initiativen bis hin zu Werbung und der Stärkung der Markenbekanntheit von GE. Vor seiner GE-Karriere hatte er führende Marketing-Positionen bei McDonald’s und Motorola inne. Der aus Buenos Aires gebürtige Schweiz-Ar-gentinier hält ein Master’s Degree in Po-litikwissenschaften.

2013 ist ein Schlüsseljahr für General Electric (GE) in Deutschland. Das Unternehmen, das Lösungen in den Berei-chen Energie, Gesundheit, Transport, Infrastruktur und Fi-nanzierung entwickelt, feiert nicht nur seine 130-jährige Prä-senz im deutschen Markt, sondern ist mit seiner Wachstums-strategie „GE Germany“ und deren Umsetzung im Markt auch erfolgreicher und kundenorientierter als je zuvor. Martin Campiche war maßgeblich daran beteiligt, in Deutschland die Stellung und den Einfluss von Marketing und Sales im Tech-nologiekonzern GE zu stärken. Im Zusammenspiel von Tech-nologie, Innovation und Kundenorientierung, zusammenge-fasst in den „Gold Standard Marketing“-Leitlinien, sieht er die Erfolgsformel für nachhaltiges Wachstum.

Herr Campiche, General Electric hat in den letzten zehn Jah-ren die Marketingfunktion im Unternehmen nachhaltig ge-stärkt. Wie kam es zu dieser Neuausrichtung?Wir haben in den letzten Jahren einiges geleistet. Ausschlag-gebend für die Neuausrichtung waren eine Veränderung und Neubeurteilung des Marktumfeldes.

Wir haben erkannt, dass Technologie, so hochentwickelt sie auch ist, im ausdifferenzierten Markt zur Commodity werden kann. Um wettbewerbsfähig und erfolgreich zu bleiben, Marktseg-mente besser auszuschöpfen und sich nach den Bedürfnissen der Kunden ausrichten zu können, brauchen wir eine starke Marketingkompetenz – auch und gerade als Technologieun-ternehmen. Denn Technologie verkauft und vermarktet sich nicht immer von selbst.

Wenn wir mehr Umsatz und Ertrag erwirtschaften wollen, dann brauchen wir ständig bessere, neue Produkte und Dienstleistungen, die Trends vorwegnehmen, einen Schritt voraus sind und optimal auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten sind. Und diese Kundenorientierung kann nur durch eine starke, effiziente und gefestigte Stellung von Mar-keting im Unternehmen garantiert werden.

GE lebte traditionell von Innovationskraft und technologi-scher Überlegenheit – Warum hat dies in den letzten Jah-ren nicht mehr zu einem Wettbewerbsvorteil gereicht?

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Nur über die Verbindung von marktorientierter Produktent-wicklung und ständiger technischer und kommerzieller In-novation können wir unsere Wachstumsziele erreichen. Un-ser Fokus liegt nach wie vor auf Innovationskraft und techni-scher Überlegenheit. Zusätzlich haben wir jedoch den Kunden noch stärker in den Mittelpunkt unserer Bemühungen ge-stellt.

Viele Kunden verlangen heute nach ganzheitlichen Lösun-gen – über das einzelne Produkt hinaus. Ein Beispiel für die-se übergreifende Denkweise, weg vom reinen Produkt, hin zu einer Lösung, ist der Bereich Energieeffizienz. Sie schlägt sich in allen unseren Geschäftsbereichen nieder. Wir unterstützen Kunden dabei, Energie einzusparen und durch unsere Lösun-gen gleichzeitig ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren.

Mit welcher Marketingstrategie hat General Electric auf die-se Entwicklungen reagiert?Durch Marketing möchten wir Wissen über Kundenbedürf-nisse in nachhaltiges Wachstum übersetzen. Den Rahmen da-für geben unsere „Gold Standard Marketing“-Prinzipien, nach denen alle Marketingeinheiten global handeln. Diese Marke-ting-Standards wurden 2008 GE-weit gelauncht und stellen das Herzstück und die Definition unserer Marketingstrategie dar.

Die darin festgehaltenen Leitlinien bestimmen für die ge-samte Marketingfunktion eine gemeinsame Sprache, Präzisi-on und Maßnahmen, um Erfolge zu messen. Das geschieht entlang von drei Dimensionen, die als entscheidende Fakto-ren für den Erfolg von Marketing identifiziert wurden: „Prin-ciples“, „People“ und „Process“.

Wie sieht die Umsetzung der „Gold Standard Marketing”-Strategie konkret aus?Wir stellen den Kunden in den Mittelpunkt unserer Analyse, unseres Denkens und unseres Planens. Dazu gehören die Markt-Recherche, unsere Unternehmensstrategie für die nächsten Jahre, Markt- und Mitbewerberanalysen, Kunden-umfragen, Marketingkommunikation und Werbung sowie der Aufbau und die Pflege von Leadership-Programmen wie das „Experienced Commercial Leadership Program“ (ECLP), um Talente an das Unternehmen zu binden.

Wie konnte die interne Stellung des Marketing bei GE von einer reinen Supportfunktion zu einer zentralen Führungs-funktion aufgewertet werden?

Bis in die 90-er Jahre war das Marketing Department bei GE keine eigenständige Einheit. Es wurde entweder dem Sales Support zugeordnet – im Sinne von Lead Generation bei Fir-menmessen – oder der Kommunikationsabteilung, als Pro-duzent von Werbung und Marketingmaterial. Der Einfluss auf strategische Entscheidungen war aber begrenzt. Im Zuge der Neuausrichtung vor zehn Jahren hat GE sukzessive die Posi-tion von Marketing im Unternehmen gestärkt. Konzernweite Standards wurden eingeführt, die Größe der Marketing-Ab-teilung global mehr als verdoppelt und „Marketing Centers of Excellence“ gegründet. Durch diese Neugewichtung haben wir die Marketingfunktion im Unternehmen entfesselt und ihr eine neue Bedeutung als Motor und Multiplikator von Wachstum beigemessen.

Inwiefern musste sich auch die Kultur bei General Electric verändern?Wir haben damit begonnen, die Bedeutung und Rolle von Marketing als Teil der Commercial Community zusammen mit Sales herauszustellen. Wenn hohe Gewinnmargen nicht mehr nur über technologische Produktentwicklungen erzielt werden können, müssen wir andere innovative, neue Wege finden, um Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen, Wachs-tumsmöglichkeiten in neuen Märkten und Marktsegmenten zu entdecken und so organisch zu wachsen.

Unser CEO, Jeff Immelt, hat daher für die Marketing-Funk-tion eine Schlüsselrolle innerhalb des Konzerns eingefordert. Diese Unterstützung vonseiten des Top-Managements ist Vo-raussetzung für eine Veränderung der Kultur. Seither ist Mar-keting bei General Electric der „Driver“, Wegweiser und Be-reiter für den Aufbau einer kundenzentrierten Kultur. Ein Marketing-Leader ist immer auch ein Chief Customer Officer, der die Kundenbedürfnisse im Unternehmen verkörpert.

Auf welche Herausforderungen ist General Electric wäh-rend dieses Veränderungsprozesses gestoßen? Die Erkenntnis des Managements, dass Marketing ein integ-raler Bestandteil für alle GE-Geschäftseinheiten ist, war eine Sache. Diese Erkenntnis als Anerkennung und Wertschätzung im Unternehmen zu verankern, war eine andere und hat mehr Zeit beansprucht. Als Marketingfachleute sind wir mit der Herausforderung konfrontiert, unsere Erfolge für andere fass-bar und messbar zu machen. Eine trennscharfe Evaluation ge-staltet sich mitunter als schwierig, da es sich zum Teil um ab-strakte, ineinander greifende und langfristige strategische Ausrichtungen handelt. Zu Beginn eines Projekts lässt sich oft

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nur schwer sagen, welchen Erfolg das Vorhaben letztendlich haben wird. Zudem ist die Bedeutung von Marketing für die Mehrheit der Mitarbeiter nur schwer nachvollziehbar, was zu Widerständen führen kann.

Auch war es nicht leicht, global einheitliche Marketing-Standards in einem so ausdifferenzierten und großen Unter-nehmen wie GE einzuführen – mit verschiedenen Geschäfts-einheiten, Märkten und Geschäftsmodellen. Und nicht zuletzt mussten wir über Recruiting, Leadership-Programme und Trainings ein Team aus Marketingexperten in die richtigen Positionen bringen und hier eine Talent Pipeline entwickeln.

Wie sind Sie mit internen Widerständen umgegangen? Wie konnten Sie die Mitarbeiter für die neue Strategie begeis-tern?Über verschiedene Projekte haben wir unsere Mitarbeiter für die Bedeutung von Marketing sensibilisiert. Wichtig ist dabei, dass die Überzeugungsarbeit ganz konkret und anhand der Darstellung von Best Practices sowie durch eine starke Füh-rungsrolle geleistet wird. Glaubwürdigkeit, Transparenz, Lei-denschaft und sorgfältiges Change Management sind hier ent-scheidende Faktoren. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Wachs-tumsinitiativen ins Leben gerufen. Deren Hauptaufgabe war es, Synergien besser auszuschöpfen und bereichsübergreifen-de Sales Opportunities zu fördern. Eine Weichenstellung für Wachstum und Innovation war beispielsweise die Entschei-dung, Projekte wie Grüne Technologien, Mobilität oder un-ser neu gegründetes Customer Innovation Center „Innovati-onsForum“ bereichsübergreifend zu betreuen. Hier geht es um Anwendungen, die wir gezielt mit deutschen Kunden für deutsche Kunden entwickeln und umsetzen.

Die bessere Vernetzung und der Austausch von Wissen und Expertise standen auch im Vordergrund einiger Veranstaltun-gen, die wir als GE Germany ins Leben gerufen haben. Bereits mehrfach haben wir alle für General Electric in Deutschland tätigen Sales- und Service-Mitarbeiter und Application-Inge-nieure zusammengebracht, um sich zu vernetzen und zu in-formieren.

Inwiefern haben sich da die Anforderungen und das Aufga-benfeld der Marketing-Manager verändert? Ein Marketing-Leader muss Menschen und Funktionen mit-einander in Beziehung bringen, er muss sie integrieren. Gleichzeitig muss er alles infrage stellen und natürlich neue Ideen kreieren, die dann an den Geschäftsbereich übergeben

werden können. Wie wichtig der Bereich Innovation, Vorstel-lungskraft und Kreativität als Selbstverständnis von General Electric ist, zeigt sich darin, dass wir diesen Begriff bereits in unserer Tagline „Imagination at work“ tragen. Ein erfolgrei-cher Marketing Manager bei General Electric muss vier Rol-len zugleich gerecht werden: Er ist „Instigator“ (Impulsgeber), „Innovator“ (Wegbereiter), „Integrator“ (Integrator) und „Implementer“ (Umsetzer). Zusätzlich muss er seine Fähig-keiten ständig weiterentwickeln und sich an den persönlichen und Unternehmenszielen messen. Auch diese Grundsätze sind in den Leitlinien zum „Gold Standard Marketing“ im Be-reich „People“ festgehalten. Das Aufgabenfeld des Marketing Managers hat sich insofern grundsätzlich nicht verändert, da diese Marketingprinzipien nach wie vor Gültigkeit haben.

Wie kontrollieren und messen Sie die erfolgreiche Realisie-rung der „Gold Standard Marketing”-Strategie?„Gold Standard Marketing“ verstehen wir mehr als eine Platt-form. Nicht als einen Rahmen oder Standard, der abgefragt wird. Es ist eine Orientierungshilfe für Mitarbeiter, um ihre Arbeit im Marketing zu definieren und ihren Alltag zu struk-turieren. Letztendlich wollen wir in Deutschland unsere Er-träge steigern, unsere Präsenz stärken und unsere Marke po-sitionieren – und werden an diesen Zielen gemessen, als Un-ternehmenseinheit sowie auf individueller Basis.

Marketing ist bei General Electric zum Motor für Wachs-tum geworden. Die Neugewichtung hat zu mehr direkter Zu-sammenarbeit mit Kunden geführt, zum Eintritt in neue Märkte und Marktsegmente und zur Entwicklung neuer Pro-dukte und Lösungen. Der Unternehmenserfolg gibt dieser Entwicklung recht – das organische Wachstum lag in den letz-ten Jahren immer um ein Mehrfaches über dem Bruttoin-landsprodukt (Gross Domestic Product, GDP).

Unsere übergeordneten Zielsetzungen wurden damit er-reicht. Unabhängig davon stellen wir uns immer wieder die Frage, wo wir stehen und wie wir unsere Lösungen und Ide-en am effizientesten auf den Markt bringen können. Wir müs-sen unsere technische Innovationsfähigkeit immer wieder aufs Neue um kommerzielle Kreativität bereichern.

Zusammenfassend betrachtet: Welche Empfehlungen kön-nen Sie anderen Unternehmen geben, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen?Unsere Formel für Wachstum heißt: den Markt zu kennen, Kundenbedürfnisse genau zu definieren und Produktneuent-wicklungen an diesen auszurichten.

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