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Kundl Siedlungsmorphologische Analyse

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Siedlungsmorphologische Analyse der Gemeinde Kundl. Verfasser: René Mayr, 2012

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  • Auftraggeber: Projektgemeinschaft

    ArchitektErichRaith,Ao.Univ.Prof.DIDr.

    nonconformarchitekturvorortZTKG

    Lederergasse23|8|EGA1080Wien

    Brandnerweg69062MoosburgamWrthersee

    t+43192940-58

    www.raithnonconform.at

    [email protected]

    Studienautor: RenMayr,DDI

    t+4369981624996

    [email protected]|[email protected]

    Studieninhaber: GemeindeKundl

    Ansprechperson:VBMDIAlbertMargreiter

    [email protected]

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  • Siedlungsmorphologische Analyse Kundl

    Die Einzigartigkeit von Kundl finden!

    erstelltdurchRenMayr

    mitUntersttzungvonNONCONFORMundDr.ErichRaith

    Wien,November2012

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  • DiesiedlungsmorphologischeAnalysederGemeindeKundlistTeileinesmehrstufigenProzessesmitdemZiel,dieknftigeEntwicklungvonKundldenBedingungen,VoraussetzungenunddemWesendesOrtesentsprechendzugestalten.DiesiedlungsmorphologischeAnalyseleitetdiesenEntwicklungsprozess ein.MitUntersttzung dieser Resultate soll in der Folge eine Zukunfts-werkstattmitbreiterBrgerbeteiligungabgehaltenwerden.DiesespartizipativeVerfahrenzieltdaraufab,mitdenKundlerinnenundKundlerngemeinsameinenMasterplanfrdieGemeinde-entwicklungdernchsten10bis15Jahrezuentwerfen.WhrenddiesiedlungsmorphologischeAnalysedenwissenschaftlichobjektivenBlickvonauenaufdasdemOrtimmanenteeinbringt,erweitertdie IdeenwerkstattdasZukunftsprogrammumdenBlickvon innenaufdasGelebteundGefhlte,aufdieWnscheundVorstellungeninderGemeinde.InderFusiondieserbeidenBestandteilewirdderMasterplanKundl2025entstehenundkonkreteProjektvorschlgefreinesukzessiveUmsetzungformulieren.

    Danksagung

    Zur Studienerstellung hilfreichwaren, neben den offiziellenProjektbeteiligten,GesprchemitDipl.Vw.HannesSollererundDr.JakobMayer,diesichlaufendmithistorischenProzesseninKundl auseinandersetzen und dies in derGemeindezeitung konsequent demKundlerBrgernahezubringenversuchen.DieStudieverdanktihremeistenhistorischenPhotographienderenprivatemPhotoarchiv.WeiterskonnteDr.AlfonsDworsky(ehem.VorstanddesInstitutsfrregio-naleArchitekturundSiedlungsplanunganderLeibnitzUniversittHannover)wesentlicheInputsfrdieStudieliefern.

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    Vorwort

  • Annherung 6

    ANLASSZURANALySE 7

    RELEVANZDERANALySE 7

    SIEDLUNGSMORPHOLOGIE 7

    FORSCHUNGSKONZEPT 8

    ZIELDERANALySE 9

    ABGRENZUNGEN 10

    regionAleeinbettung 14

    TOPOGRAPHIE 14

    KLIMA 18

    RELIGISEUNDWELTANSCHAULICHEVORSTELLUNGEN 20

    SOZIALSTRUKTUR 24

    INNTALPERLENKETTE 26

    NUTZUNGSZONEN 28

    SiedlungSentwicklung 44

    FRHGESCHICHTE 52

    ANTIKE 52

    MITTELALTER 52

    NEUZEIT 54

    ZEITGESCHICHTE 55

    SiedlungSStruktur 66

    SIEDLUNGSFORMEN 70

    PARALLELZUMINNTAL 72

    QUERZUMINNTAL 74

    PENDELBEWEGUNG 76

    KIRCHENKETTE 78

    FLURORDNUNG 78

    KOTONE 79

    MonogrAphiehAufendorfkundl 84

    SIEDLUNGSSTRUKTUR 88

    BAUSTRUKTUR 93

    GESELLSCHAFTSSTRUKTUR 98

    ENERGIEHAUSHALT 101

    MonogrAphieAulAndAche 104

    RIEDMANNAREAL 106

    ACHEALSGRENZE 107

    ACHEALSZENTRALEACHSE 107

    AuSblick 110

    ZUSAMMENFASSUNG 110

    WEISHEITENFRDIEZUKUNFT 112

    METHODISCHERATSCHLGEFRDIEWEITEREPLANUNG 116

    DIEWEITEREVORGANGSWEISE... 116

    wiSSenSchAftlicherAnhAng 118

    ENDNOTEN 118

    QUELLEN: 119

    ABBILDUNGEN 120

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    inhAlt

  • Annherung

    regionAle einbettung

    SiedlungSentwicklung

    hAufendorf kundl

    SiedlungSStruktur

    AulAnd Ache

    AuSblick

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  • AnlASSzurAnAlySe

    BeimTirolerWohnbausymposiumimJahr2010wurdedieIdeegeboren,inTirolPilotprojektefrinnovativenWohnbauzuentwickeln. InderFolgekonntendiezweiGemeindenKundlundFliedafrgewonnenwerden.ZweiOrtemitunterschiedlichenVoraussetzungen.

    Sozialer Wohnbau ist die wichtigste Gestaltungsmglichkeit im halbffentlichen Raum und damit fr die gesamte Ortsentwicklung von grter Bedeutung1,erlutertderdamaligeLandeshaupt-mann-Stellvertreter Hannes Gschwentner am Wohnbausymposium 2011 den Grund fr dieInitiierungderPilotprojekte.Dabei ist inderGemeindeFliedurchdasProblemderAbsiede-lungvorallemdieAufwertungdesOrtszentrumszu thematisieren, indemMietwohnungen frjungeMenschen,aberauchbetreutesWohnenfrdieltereGenerationinengerKombinationmitanderen, freinzuknftigesLebenwichtigendrflichenNutzungenentstehen.Dasdamitverbundene Brgerbeteiligungsverfahren und der Architektenwettbewerb fr ein multifunkti-onellesGemeindezentrummit innovativemWohnenkonnten imJuni2012bereitserfolgreichabgeschlossenwerdenunddieUmsetzungstehtunmittelbarbevor.InderGemeindeKundlsollmehrEinfluss auf die gesamteOrtsentwicklunggenommenund damit die zuknftigeGestal-tungsmglichkeitderGemeindeintensiviertwerden.BevoresinKundlzueinembreitangelegtenBrgerbeteiligungsprozessberdieZukunftderGemeindekommt,wirdderOrteinersiedlungs-morphologischenAnalyseunterzogen.DieErkenntnissedieserArbeitsindAusgangspunktfrdieZukunftswerkstattunddieEntwicklungeinesMasterplansKundl2025.DieserMasterplansollfrKundleinenWegaufzeigen,wieinnovativerWohnbauimRahmendesPilotprojektsdesLandesTirolumgesetztwerdenkann.

    releVAnzderAnAlySe

    FrdeninnovativenWohnbauwurdenindererstenVorprojektphasevonderSteuerungsgruppedesPilotprojektsimJahr2011folgendeMerkmalealswesentlichgenannt:

    VermischungsozialerStrukturen effizienteMobilitt SchutzderLebensressourcenwiederLuft-undWasserqualitt SicherungderRohstoffeundderEnergieressourcen SchutzunseresbaukulturellenErbes

    WiedieseMerkmaleindasPilotprojektinnovativerWohnbaueinflieenknnen,klrteinesied-lungsmorphologischeAnalyse, die darber hinausRegelwerke fr die gesamteSiedlungsent-wicklungaufzeigt.

    UntersttzendkommtzuGute,dassnachHannsBachmann3inKundlzumindestseitderAntikeeinekontinuierlicheBesiedlungangenommenwerdenkann.DennsowurdenalteFormge-bildeeinerMenschengruppeimSiedlungsraumstetsvondernachfolgendenMenschengruppefortgefhrt, womit eine hhere Chance besteht, dass die alten Formgebilde noch heute alsSpurenentlarvtwerdenknnenanstattindieUnerkenntlichkeitzuverschwinden.

    SiedlungSMorphologie

    Noch nie sind zwei gleicheSiedlungskrper entstanden, noch nie konnte einOrt erfolgreichkopiert werden und noch nie konnte die Entwicklung einesOrtes langfristig vorherbestimmtwerden.ImSinneeinesgeniusloci4beschreibenverschiedeneortsgebundeneKriteriendieSiedlung.JedeSiedlungwirddadurchzueinemUnikum.EinKriterium,dasjedenOrteinzigartigmacht,sinddieStrukturenundFormeneinerSiedlung.

    DieSiedlungsmorphologiebefasstsichmitdiesenbaulich-physischenStruktureneinerSiedlung, inklusive deren Organisationsprinzipien und dem Formenprinzip. Im MittelpunktstehendabeidieEntstehungsbedingungender jeweiligenZeitunddierumlichenEigenarten.Urban morphologists focus on the tangible results of social and economic forces: they study the outcomes of ideas and intentions as they take shape on the ground and mould our cities.5

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    Annherung

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  • DieFormeinerSiedlunglsstsichanhandvonNetzen,Baukrpern,derenZwischenrumen,derTopographieundderIntegrationandererdenRaumformenderElementenachvollziehen.DurchdenZusammenhangdieserElementewirddieMorphologiekonkret.ErstdurchdieAufnahmevon Eigenschaften wieStabilitt, Kontinuitt, Elastizitt, Heterogenitt, Homogenitt,Anpassungsfhigkeit und Mastblichkeit in der Betrachtung ber die Zeit wird derMorphologiebegriffausreichendweitgefasst.

    DasPhnomender strukturellenPermanenz untersttztdieErforschung.Die zuGrundeliegendeTheoriebesagt,dassaktualisierte Zustnde Strukturphnomene frherer Zustnde bein-halten6,dahufigltereStrukturenbeibehaltenundberformtwerden.DemgembeinhaltetdiegebauteStrukturInformationenausderEntstehungszeitundderZeitdanach.DiestrukturellePermanenzistdabeialsTrgheitsmomentderstdtischenTransformationzuverstehen,diesichdenVernderungskrftenwidersetzt.NurinAusnahmefllen-beiabsolutistischenHerrschafts-verhltnissenoderwhrendwirtschaftlicherBoomzeiten-sinddieVernderungskrftegreralsdasTrgheitsmoment.

    ZurzeitbeherrschendreiTheorieanstzedensiedlungsmorphologischenDiskurs:

    DieFigureandGroundTheoryumfasstprinzipielldieInhalteeinesSchwarz-WeiPlans.Eswerden die Zusammenhnge zwischen berbauten und nicht berbauten Flchenuntersucht.

    Die Linkage Theory erstellt ihre Hypothesen aus den verbindenden NetzwerkenzwischendenphysischenStrukturen.

    DiePlaceTheorylegtdenSchwerpunktaufBedeutungsdichtenkulturellerLadungenund die Entwicklungspotentiale konkreter Orte. Die Siedlungwird dabei wie ein Textuntersucht.

    ImAllgemeinenlassensichunterschiedlichestrukturformendeKrftebeobachten,diefrdieMorphogenesevonSiedlungenverantwortlichsind:

    DieMinimierungdesWegeaufwandeswarinfrhererZeiteinewesentlichestrukturfor-mendeKraft,diemitFortschreitenderverstrktenMotorisierungdesIndividualverkehrsschwcherwurde.

    ber die Zeit erhielten unterschiedlicheProduktionskrftemehr oderwenigerBedeu-tung.UnterschiedlicheProduktionskrftestellenunterschiedlicheAnforderungenandenRaum.DieReaktiondesRaumsfhrtzuTransformationsprozessen.

    MitfortschreitendemWohlstandlstdasBedrfnisnachAbwechslungimmermehrdierationalressourceneffizientenEntscheidungenab.EsentstehenVariationenvonmorpho-logischen Strukturen, wie spezielle Orientierungspunkte oder Abwechslungen in derFreiraumstruktur.

    Dem entgegen steht allerdings die Ratio. Das Bedrfnis nachOrdnung entsteht ausdemWunschnachgeringerersensorischerAnstrengungen.DaaberauchdasOrdnenRessourcenverschlingt,folgtdemOrdnungszeitgeistmeisteinRckfallindieUnordnung.

    AuchderMenschselbstwirktstrukturformend.DieSozialgebundenheitdesMenschenandieStrukturfhrtzubestimmtensozialrumlichenOrganisationsmustern.DieBevl-kerungntztdiesezurIdentifikation.

    AlsstrukturprgendeKraftwirktdenstrukturformendenKrftendieTrgheitderphysi-schenStrukturentgegen.

    forSchungSkonzept

    DiesiedlungsmorphologischeAnalysezieltdaraufab,einVerstndnisfrdiebestehendenterritorialenStrukturen, vondenortstypischenBebauungs-undRaumstrukturenundganzallgemein den Wechselbeziehungen zwischen allen raumrelevanten Elementen auf verschie-denenMastabsebenenzuentwickeln.DieinBeziehungzusetzendenMastabsebenensind...

    Territorium(Landschaft) SiedlungskrperundzugehrigeFreiflchen Nachbarschaftenbzw.Ensembles Gebudetypenbzw.Bauprogramme Parzellierung ortstypischeSonderthemen

    Entscheidenddabeiist,jeneProgrammezuidentifizieren,diehinterdensichtbarenBildernfrdiebisherigenEntwicklungenmageblichwaren.DazugehrenbeispielsweiseAspektederTopographie,desKlimas,derGeschichte,derkonomieundderkologie.

    Methodisch wird dabei zwischen Aspekten unterschieden, die ber das Betrachtungsgebiethinausverallgemeinerbarsind-alsogromastblicheRegelwerke,dieKundlnuralseinElementeinerReihegleichartigerElementeformten(s.KapitelRegionaleEinbettung)-undsolchen,die

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  • esnur imBetrachtungsgebietgibtunddamitseine IdentittundUnverwechselbarkeitausma-chen(s.KapitelMonographieHaufendorfKundl).

    ZielderUntersuchungistes,jeneThemenundKriterienzufindenundargumentativabzusi-chern,diefrzukunftsweisendeberlegungenmageblichseinknnen.

    Morphologisch-typologische Analysen sollen jene immanenten Systemeigenschaftenbaulich-rumlicher Verhltnisse aufzeigen, die Strken und Schwchen, Potenziale undHemmnisse fr Zukunftsentwicklungen bedingen.DieKenntnis dieser Eigenschaften schafftwesentliche Voraussetzungen dafr, den Bestand als Ressource interpretieren und ressour-ceneffizientweiterentwickelnzuknnen.Esgehtumeinentwicklungs-undprozessorientiertesRaumverstndnis im Sinne der Leitbilder nachhaltiger Raumentwicklung und damit um dieSchaffung langfristig aktivierbarer Entwicklungspotenziale, die auf gesellschaftlichenWandelkonstruktivreagierenknnen.DerRaumwirdmitallenseinenbaulichenElementeninHinblickauf seine Stabilitten, Robustheiten, Vernderungsangebote und Dynamisierungspotenzialecharakterisiert.

    EinbesonderesAugenmerkgiltderIdentifikationderortsspezifischenBesonderheiten,jenerThemendesOrtes,diekulturellrelevantundauchvonsymbolischerBedeutungsind.Auchin dieserHinsicht geht es nicht vordergrndig um defensiveBewahrungsstrategien, sondernumdieFrage,wiedieCharakteristikendesOrtesaktualisiertundaufgewertetwerdenknnen.Insgesamt fhrt diemorphologisch-typologischeAnalyse zu einem vertieftenVerstndnis derPrgungundProgrammierungdesLebensraumes.

    Am Beginn einer siedlungsmorphologischen Analyse steht das Erlangen eines Grundver-stndnisses fr die Strukturen und Elemente des Ortes durch eine professionelle Beobach-tung (Ortslektre). Es folgt eineLiteraturrecherche, um aus Quellen der Geschichtsfor-schung-Urkunden,Rechnungen,Schriftwerke,Abbildungenu..-Erkenntnisseaufgreifenzuknnen.beralldas,wasnichtdurchwissenschaftlicheDokumenteeruiertwerdenkann,mussderOrt selbst als unmittelbarsteQuelleAuskunft geben.Gerade imZuge von siedlungsmor-phologischenFragestellungen istesnurbedingtmglich,aufbestehendeUntersuchungen inForm eines Planes oder Textes zurckzugreifen. Plne oder schriftliche Unterlagen ber die Planung mittelalterlicher Stdte [beispielsweise] existieren nicht. Das ist zwar schade, aber fr die Rekonstruktion nicht unbedingt erforderlich, weil der Baubestand der Stadtanlagen selbst das wichtigste Dokument darstellt. Bei diesem gibt es [vorteilhafterweise] zum Unterschied von Urkunden keine Mglichkeit der Flschung, sondern hchstens seine falsche Auslegung7.Statt

    aufSekundrliteraturzurckzugreifen,kanndieBausubstanzselbstbefragtwerden,wobeiderwissenschaftlichenLiteratureineuntersttzendeRollezurDeutungdieserphysischenGegeben-heitenzukommt.HierschlietdieMethodikderStadtspaziergangswissenschaftan.

    DieWurzeln derSpaziergangswissenschaft liegen im Bereich der Kunst - insbesonderederLiteratur-mitderBeschreibungvonEmpfundenemundGesehenem.IndenNaturwissen-schaftenwirddieSpaziergangswissenschaftbeispielsweiseinFormvonKartierungenundErhe-bungenangewandt,indenSozialwissenschaftenbeimAufsuchenvonPhnomenenoderbeimBeobachtenimFeld.LuciusBurckhardtbegrndeteinden1980erJahrenoffizielldiePromena-dologie,diealsAnalysewerkzeugangewandtwerdenkannundsichbisheuteauchalsurbanePraxisetablierenkonnte.8Eshandeltsichumeine Theorie des Blicks und der Perspektive, die sich mit den Sequenzen beschftigt, in denen der Betrachter seine Umwelt wahrnimmt. Die Wahr-nehmung des vermeintlich Typischen der Stadt oder der Landschaft ist zum einen Selektionspro-zess und zum anderen Integrationsleistung des Wahrnehmenden. Die einzelnen Stationen werden in der Wahrnehmung des Betrachters wie Perlen auf eine Kette gereiht und zu einer Kontinuitt zusammengefgt. Das Erkenntnisinteresse bei den Spaziergngen besteht darin, die absichtli-chen und die unabsichtlichen Effekte der Stadtgestaltung auszuloten und auf die Gefhle und das Verhalten der Nutzer hin zu befragen. Bereits in den 1960er Jahren stellten die umherstreifenden Situationisten eine Verbindung von Psychologie und Geographie her, die sich bei Burckhardt zu einer konkreten Utopie von Stadtgebrauch weiterentwickelte.9

    zielderAnAlySe

    Das Planen und Bauen kann mit der Befassung von ortsspezifischen Regelwerken wiederjeneskollektiveBewusstseinentfalten,dasdenhistorischenSiedlungendieHarmonie,dieOrientierung,dieFlexibilitt,dieSignifikanzunddamitindividuelleBedeutungverliehenhat,diesie inderModerneund imFordismusmitdemaufkeimendenegozentrischen Individualismusverlor.DasSteuern undPlanen hat noch nie zumgewnschtenErgebnis gefhrt. Stets sinddiephysischenProzesseineinerstarkenDynamik.OhneWissenberdieRegelnhinterdiesenProzessen knnen diese nicht zielgenau beeinflusst werden. Ungeahnte Vernderungen, dienichtdenplanerischenPrognosenentsprechen,bringendiefunktionalistischePlanungsmethodeinBedrngnis,whrenddasmorphologischeModellFlexibilittbedeutet.11

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  • Die stabilitas locispieltdabeieinewesentlicheRolle.EssindortsspezifischeThemenwiedieTopographieoder diekologie, die verlsslicheStadtkonzepteermglichen.AndenSied-lungenmuss imSinneder jeweiligenSiedlungweitergebautwerden.DieSiedlungenmssendafr inFormbleiben.Dieses inFormBleibenbedeutet, dassdieSiedlung stndig trainiert,Anpassungsprozesse vorzunehmen. Dabei kannesdurchaus zuFehlernkommen,die spterkorrigiertwerden knnen. ImGegensatz dazu ist das FormHaben ein bereits bestehendesPotentialderSiedlung,mitVernderungenumzugehen.

    Die siedlungsmorphologische Annherung stellt eine tiefgreifende Entwurfsmethodik frarchitektonische, siedlungsentwicklungspolitischeoderauchknstlerischeLsungsvorschlgedar. Sie arbeitet mit dem tatschlich gewachsenen Bestand und versucht, das Wesen dergebautenUmwelt,dassichnurberdieVernderungenbegreifenlsst,einzufangen,umkonzep-tionellkonsequente,logische,baulicheoderandereentwicklungspolitischeLsungenzufinden.DieStadtmorphologiesollte daher auch auf einer theoretischen Ebene dazu beitragen knnen, jene planerischen Kriterien bereitzustellen, die langfristig wirksame Entscheidungen von den Argu-mentationslinien der Tagespolitik und den Anfechtungen zeitgeistiger Moden freispielen knnen.12

    Besonders auffllig ist bei einem Langzeitvergleich von Stadtstrukturen, dass sich die in den Frhphasen der Entwicklung festgelegten Prinzipien der Erschlieung kaum noch verndern. Vor handene Strukturen setzen der Vernderung physikalischen und rechtlich-konomischen Widerstand entgegen. Die Stadtplanung und Stadtpolitik muss daher erhebliche politische, finanzi-elle, personelle und zeitliche Kraft aufwenden, wenn sie Strukturen gegen deren innere Logik von auen verndern mchte. Dies gelingt zumeist nur in einigen Teilbereichen.13SobalddieseinnereLogikbegriffenundeinadquaterUmgangdamitgefundenwird,knnenfinanzielle,kognitiveundzeitlicheRessourceneingespartwerden.Esrentiertsich,wennPlanersiedlungsmorphologi-scheFragestellungenbeachtenundsomitzuressourcenschonendenunddamitvergleichs-weisebesserenLsungengelangen.Stdte waren und sind nie fertig! Immer mssen auf vern-derte Bedingungen neue Antworten gefunden werden. Die Morphologie der Stadt, bestehend aus ihren Netzen (Straen, Korridoren) ihren Baustrukturen (Geometrie und Dichte der Baublcke und Baubereiche) und Freirumen, setzt dem Wandel unterschiedlichen Widerstand entgegen. Wandel zuzulassen und dennoch die den Stadtcharakter prgenden Bereiche zu erhalten, ist die Kunst der Stadtentwicklung und Stadterneuerung.14

    UnweigerlichsttmanbeiErneuerungsmanahmenimBestandeuropischerSiedlungenaufgeschichtlicheRegelwerke,dieteilsimVerborgenenliegen,jedocheinwesentlichesKnowHowber denOrt vermitteln. EinVerstndnis fr dieseRegelwerke und einegewisseRoutine im

    UmgangmitdiesensolltenVoraussetzung fr jedePlanungsein. Zusammen mit dem Behar-rungsvermgen der Stadtstruktur, die einen beruhigenden und disziplinierenden Einfluss ausbt, knnen in der Kontinuitt der grundlegenden Ordnungsstruktur die notwendigen Experimente und Proben jeder Generation Raum und Form finden, solange die in den Strukturen eingebaute Logik beachtet wird. In der Geschichte der Struktur steckt die Logik von meist Jahrhunderte langer Erfah-rung vor Ort, deren leichtfertige Aufgabe erhebliche negative Folgen fr das Gesamtsystem zeigen kann.15

    DasErgebnisdersiedlungsmorphologischenAnalyseisteinausfhrlichesPortraitdesGemein-degebietsKundl, aufbereitetmitTexten,Bildern,Plnen,Zeichnungen,Photos,SkizzensowieeinerRekonstruktionderhistorischenEntwicklung.Dasmorphologische Portrt einesOrtesfhrt zu einem profunden Apparat an Argumenten und Aspekten, die in zuknftige Konzep-tions-undPlanungsprozesseeinflieenwerden.DamitwerdennachvollziehbareGrundlagenzurVersachlichung und inhaltlichen Erweiterung zuknftiger Diskussionen geschaffen. Ein Mehr-wertliegterfahrungsgemschondarin,denvertrautenLebensraummitanderenAugensehenundganzheitlicherverstehenzuknnen.DieEntwicklungvonZukunftsszenarienwirdaufBasiseiner bestehenden Ortsmonographie professionalisiert undals sinnvolleFortschreibungbzw.Korrekturhistorischerbzw.aktuellerEntwicklungenverstndlichundbesserargumentierbar.

    Teilweise wird die siedlungsmorphologische Analyse mit Strategievorschlgen verschrnkt, die aus hier beschriebenen Regelwerken abgeleitet werden. Damit wird dem Leser beispielhaft vorgefhrt, wie das morphologische Portrt Aussagen fr die strategische Planung liefern kann. Zu erkennen sind diese beispielhaft abgeleiteten Strategievorschlge am in diesem Absatz angewandten Schriftstil.

    Abgrenzungen

    inhaltlicheAbgrenzungderAnalyse

    Rumliche Abgrenzung

    Jede Siedlung steht in unmittelbarer Beziehung zu seinem Umland. Siedlung und Umlandknnennichtgetrenntvoneinanderexistieren.DamitgehenauchRegelwerkeeinher,diefreinesymbiotischeMorphologieverantwortlichsind.EinesiedlungsmorphologischeAnalyseistdamitniekomplettvonregionalmorphologischenInhaltentrennbar.AuchwennderSchwerpunktauf

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  • derSiedlungsmorphologieliegt,wirddochimmerwiederaufVerbindungenzurRegionverwiesen.InnerhalbderSiedlungbleibtzuberdenken,oballeBereiche(gleichwertig)untersuchtwerdensollen. Eine Siedlung ist erst durch die Summe und das Zusammenwirken ihrer Netze zuverstehen.DaherwirdzwardasgesamteGemeindegebietvonKundlbetrachtet, doch istdieinhaltlicheTiefe indenKernzonenaufGrunddergrerenAnzahlhistorischerSchichtenundgrerenkulturellenLadunggrer.

    Thematische Abgrenzung

    Siedlungsmorphologische Themen lassen sichwie ein Katalog auflisten.Welche Themen frwelchenOrtrelevantsind,lsstsichabernurberdieAnalyseundLektrederkonkretenSied-lungerfahren.DieRelevanzderThemenergibtsicherstnacheiner intensivenBeschftigungmitjedemOrt.SokristallisiertensichdierelevantenThemenundderenGewichtauchindieserAnalyseerstimLaufederUntersuchungheraus.DerFokusliegtbewusstaufdenfrKundlrele-vantenThemen.EineAllgemeingltigkeitistdavonnichtabzuleiten.

    Zeitliche Abgrenzung

    WasimmersichindenFormenKundlsheuteabbildet,kannindieserArbeitaufgegriffenwerden.Manchesistphysischnochvorhanden,manchesnurnochberAufzeichnungenzumeistAbbil-dungenundliterarischeberlieferungen-nachvollziehbar.DamitistkeineklarezeitlicheEingren-zungderUntersuchungmglichundauchnichtsinnvoll.JedeEpochekannbisindieheutigeZeitdurchdiegebautenStrukturfortwirken.UnterschiedlicheZeitenhabenunterschiedlichintensivWirkung auf die gebaute Substanz gezeigt. Parallel dazu erhht sich die BedeutungsdichtetendenziellmitVoranschreitenderZeit.NurdurcheinenaktivenBedeutungsraubwiebeispiels-weiseklischeehafteVerschleierungenderGebudekanndieBedeutungsdichtesinken.DieseEingrenzungerfolgt aber nicht aktiv sondern ergibt sich aus demUntersuchungsgegenstandselbst.

    Abgrenzungzuverwandtenforschungsgebieten

    Die Siedlungsmorphologie versteht sich in gewisser Weise als Querschnitt unterschiedlicherForschungsgebiete, wobei sie durch deren Kombination zu vernetzten Theorien, HypothesenundAntwortengelangt.Abbildung1demonstriertschemenhafteinvieldimensionalesThemen-system, graphisch auf zweiDimensionen vereinfacht. EinzelnePunkte symbolisieren einzelneFragestellungen.ClusternsichmehrereFragestellungenaufGrundihrer inhaltlichenNhe,sobildensichformaleForschungsgebiete.DieseberschneidensichimmehrdimensionalenRaum.DasSystemistdynamischundndertsichinFolgevonErkenntnisgewinnendurchdasZutun

    derimSystemttigenAkteure.EinzelneAkteuredurchschreitenalsForscherunterschiedlicheFelderundlegensomitindividuelleForschungspfade.DerSiedlungsmorphologelegtaufseinerSuchenachdenHintergrndenderMorphologieeinerSiedlungweite,querzuherkmmlichenForschungspfadenliegendeWegezurckunderffnetdamitdenZugangzueinemspannendenHypothesenraum.

    Siedlungsgeschichte

    Siedlungsentwicklung

    SiedlungsbauSiedlungsgeographie

    Siedlungskologie

    Geologie

    Humanbiologie

    Sprachwissenschaft

    PsychologieKulturwissenschaft

    Archologie

    S i e d l u n g s f o r s c h u n g

    Nat urw

    i ss e

    ns c

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    Siedlungsmorp

    hologe

    Fragestellung formales Forschungsgebiet Forschungspfad eines Siedlungsmorphologen

    1.Abbildung:ForschungsgebietderSiedlungsmorphologie

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    Annherung

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  • Umdie inhaltlicheAusrichtungder siedlungsmorphologischenAnalysebegreiflich zumachen,folgteineAbgrenzungzudenKernaussagenverwandterForschungsgebiete...

    ... zu Siedlungsgeschichte

    Die Siedlungsmorphologie bezieht viele Erkenntnisse aus der Siedlungsgeschichtsforschung.Urban form can only be understood historically since the elements of which it is comprised undergo continuous transformation and replacement.16SiedlungsmorphologiemeintjedochwenigerdieBeschreibunghistorischerEntwicklungenunddaraus folgenderErgebnisse sondern vielmehrdasWarum,dieLogikhinterdenphysischenStrukturen.Diese Logik interessiert hier aber nicht nur im Sinne einer archologisch-stadthistorischen Forschung, die danach fragt, wie es genau zu einer bestimmten Form und Struktur kam, sondern hier geht es um die Eigenschaften (Quali-tten, Mngel, Stabilitt, Homogenitt, Heterogenitt, Elastizitten usw.), die ein Strukturgefge hat.17DieSiedlungsmorphologieergnztdiesiedlungshistorischenQuellen(LiteraturundAbbil-dungen)mitjenerdergebautenStrukturen.

    ... zu Siedlungsentwicklung

    Siedlungsentwicklungkannsowohltransitivalsauchintransitivverstandenwerden.SowohlalsPlanungsvorgangalsauchalspassivesGeschehnisbefasstsiesichmitstrategischen(vgl. imGegensatz Stadtplanung) Entwicklungen struktureller, rumlicher und historischer Natur. AlsPlanung ist Siedlungsentwicklung zukunftsorientiert und kreativ, als Geschehnis ist sie rck-wrtsgerichtetundbeschreibend.AndersalsdieSiedlungsmorphologie istsienichtprimranFormenundderenkontextuellenUrsacheninteressiert,sondernmehrangesellschaftlichen,wirt-schaftlichen,kulturellenundkologischenEntwicklungen.

    ... zu Stdtebau

    SowiedieplanendeSiedlungsentwicklunghatderStdtebaueinenGestaltungsauftrag.DerUnterschiedliegtdarin,dassderStdtebauwenigerstrategischalsrumlichkonkretarbeitet.EristalsofrdieVerwirklichunggesellschaftspolitischerZielvorstellungenverantwortlich.

    ... zu Siedlungsgeographie

    Im Gegensatz zur deskriptiven, an strukturellenMerkmalen der Siedlung interessierten Sied-lungsgeographiesuchtdieSiedlungsmorphologiedieUrsachen,WirkungszusammenhngeundVerbindungenzwischendiesenStrukturen.

    ... zu Siedlungsforschung

    DieSiedlungsforschungisteinberbegriffunterschiedlicherForschungsgebiete.Siebeinhalteteine interdisziplinre Auseinandersetzung mit Siedlungen, wobei hier konomische, soziale,kologische, geographische, administrative, soziokulturelle und stdtebauliche Aspekte unter-suchtwerden.DieSiedlungsmorphologieisteinForschungsgebietderSiedlungsforschung.

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    ca. 245

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    -500 -250 -0 250 500 750 1000 1250 1500 1750 2000

    Keltensturm

    in TirolSchw

    emm

    kegel der Wildschnauer

    Ache ist bereits Dauersiedlungsraum

    Rom

    anisierung Tirols

    Christentum

    als Staatsreligion

    Bajuw

    aren dringen in das Inntal vor

    Grndung Liesfeld

    Besiedlung Saulueg

    Urkundliches Zeugnis zur K

    undlburg

    Einheit Tirols unter Albert III

    Schmelzer an der K

    undler AcheErrichtung Schloss H

    ochholdingen

    Grndung K

    undler Brauerei

    Flurbereinigung

    Eisenbahnbau

    starke Siedlungserweiterung

    Bau der Inntalautobahn und der U

    mfahrungsstrae

    Grndung zahlreicher Industrieunternehm

    en

    Zerfall des westrm

    ischen Reichs

    Umbruchdichten

    Zeitleiste

    Einwohner*

    * www.statistik.at und Rissbacher, Franz in Bachmann (1986). S.253ff

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    Ab2.Abbildung:ZeitleistezurSiedlungsgeschichte

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    Annherung

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  • NichtalleRegelwerke,diefrdieFormgebungKundlsrelevantsind,lassensichinKundlselbstfinden.Kundl istkeinevonseinerUmweltabgeschlosseneStruktur,auchwenndiesadminist-rativeGrenzenalsErbederterritorialstaatlichenIdeeanderswirkenlassen.VielmehrmusseinSiedlungskrperstetsauchalseinTeilelementeinergrerenGesamtstrukturverstandenwerden,dadiesergemeinsammitseinemUmfeldgeformtwurde.DieseGesamtstrukturengilteszuentlarven,umKundlalsTeilelementeinesgrerenGefgesverstehenzuknnen.

    Zahlreiche formgebende Regelwerke wirken von Auen auf Kundl ein. DieseRegelwerkeknnenaufunterschiedlichstenMastabsebenenliegen.SosindtechnologischeEntwick-lungen wie das Auto heute global relevant, klimatische Bedingungen global bis lokal, derWasserhaushalt regional,dieGeologie regionaloder lokal,dasZusammenleben imDorf lokalusw.Topographie,Bodenqualitt,Klima,Wasserlufe,Geologie,GrnrumeundvonMenschen-handerrichteteStrukturenbestimmtendieLageundAusrichtungKundlsundinFolgedessenEntwicklung.

    ObwohldieseArbeitdieGemeindeKundlbzw.derenSiedlungskrperindenMittelpunktrckt,mussauchderregionalenEinbettungKundlseinKapitelgewidmetwerden.Einerseits lsst sich ber die morphologisch relevanten Phnomene der europischen Stadt [oder Siedlung] nicht sprechen, ohne dass man die vielfltigen Zusammenhnge mit den umfassenden Territorialsys-temen beachtet. Andererseits erkennt man immer deutlicher, dass die Dichotomie von Stadt und Land, die unsere Vorstellung von einem grundlegend bestimmt, von Tag zu Tag an berzeugungskraft und auch an konzeptioneller Anwendbarkeit verliert.18 SolsensichdieGrenzenzwischenSiedlungskrpernundLandschaftseitder Industrialisierung immerweiterauf.

    topogrAphie

    AndersalsimFlachlandhatdieTopographieimalpinenRaumeineherausragendeBedeutungfrdieSiedlungsttigkeitdesMenschen.So lassensichaus ihreinige frdieSiedlungen imInntalmageblicheRegelwerkeherleiten.

    Durch die Wanderung der Afrikanischen Platte nach Norden entstehen durch Deckenber-schiebungundFaltungdieAlpen.DortwodabeieinetektonischeBruchlinieentstand,liegtdasInntal.EsteiltdenAlpenraumindienrdlichenKalkalpenunddieZentralalpen.Dienrdlichen

    Kalkalpensindschroffer,geprgtdurchlanggezogeneKetten,scharfeGrate,hochaufragendeWndeundweitherabreichendeSchutthalden.SieeignensichdaherkaumfrSiedlungen.DieZentralalpensindaufGrundderdortwechselndenGesteinshrtestrkervonKlammen,StufenundWeitungengegliedertundbietenauchinhherenLagenaufGrunddeswasserundurchls-sigenGneisQuellen.DamitisteinedeutlichereAusrichtungderSiedlungenimInntalnachSdenhinvorprogrammiert.

    DasKundlerSiedlungsgebietamTalbodenwirdergnztdurchSauluegaufeinerMornenstufe.DieWildschnauerAcheweist denWeg zudenHhensiedlungenderWildschnau.Der Innstelltedamitbis zumBrckenbaueinestrengereGrenze dar, alsdieunmittelbar imSdenanschlieendenErhebungen.

    3.Abbildung:GeologischesProfilderAlpen(HaackWeltatlas(2008)SIS.77)

    Die Siedlungskrper der anfnglichen Besiedlung in Tirol bestanden aber nur im Inntal, dasdurchdieletzteEiszeitvor10.000JahrenzueinemgutbesiedelbaresTrogtalgeformtwurde.LockeresMaterial,dasdieGletscherhinterlieen,bildetheuteteilssehrbreiteTerrassen.DiesebildenheutedasMittelgebirgenrdlichvonKundlodersdlichvonInnsbruck.

    DieTopographiedesInntalsbirgteinenentscheidendenRegelkatalogfrdieOrtwahlKundls.

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  • Nrdliche Kalkalpen Mittelgebirge Trogtalboden Zentralalpen

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    tektonischer Aufschub

    Bezug zu Hhensiedlunge

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    Klamm S

    aulueg

    Kund

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    Inn

    Schwemmkegel

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    Ab4.Abbildung:SchnittdurchdasInntalbeiKundl

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  • EineRegellautet,dassbeitopographischenSignifikanzenwieEngstellenodergangbarenGebirgspssen im Seitental die grten Siedlungen entstanden, da diese dort gnstiger zubefestigenwaren.Da das Inntal frher groteilsAulandschaft gewesenwar, ist eineweitereRegelentscheidendfrdenEntstehungsortweiterernachgeordneterSiedlungen.SichereSied-lungspltzewaren jene Stellen, an denen das postglaziale Inntal vonSeitentlern gekreuztwird,dieberdieJahrtausendevonGebirgsbchenausgeschrftwurden.Damitwarnichtnureine sichereWasserversorgung frMensch, Tier, Schmieden,Mhlen,Sgewerke,Httwerkeu..gegeben,sondernhatauchfreineweitereRegelgesorgt.DennalledieseGebirgsbcheschttetenMurefrMureSchwemmkegelamAustrittsort indastrogfrmige Inntalan.DasangeschwemmteMaterialwarendievondenGletschernvor10.000JahrenzurckgelassenenMornenundFelsbruchteileausbersteiltenHngen.DieseSchwemmkegelbietenhochwas-sergeschtzeLagenmitAussichtknappberdieBaumwipfelderInntalauen.HeutegibtesindiesenSiedlungenofteinenunterenundeinenoberen(alten)Siedlungsplatz.19DerSchwemm-kegelderWildschnauerAche istsogro,dasserKundlundLiesfeldmitsamtderenFlurentragenkann.ErdrngtbeiseinerAusbreitungdenInnimNordendichtandenAngerberg.

    UnterBedachtdieserRegelnwirdklar,warum imKundlerUmlandsdlichdes InnsmehrSiedlungen liegen als nrdlich. Denn im aufGrund der Plattentektonik strker zerklftetenSdenexistierenmehrSeitentlermitGebirgsbchenunddamitSchwemmkegeln.InsbesondersdievondenSchwemmkegelnbesondersabhngigenStdte(siebentigenmehrhochwasser-geschtzeFlche)sindimSdenstrkervertretenalsimNorden.

    Somit liegtauchKundlaufeinemeindrucksvollenSchwemmkegel.NichtumsonstempfindendieKundlerheutedenHochwasserschutzalseineStrke ihrerGemeinde.20WelchenEinflussdiese Schwemmkegel nicht nur auf den Siedlungsplatz bten sondern auch darber hinaus,zeigtunsderStraenverlauf.DiealteLandstraefhrtstlichundwestlichvonKundldichtgedrngt anden sdlichenBerghangentlang, umeinerseitsmglichenberschwemmungendauerhaft auszuweichenund andererseits einemglichst flacheReiseroute zugewhrleisten.BetrachtetmandieLagederLandstrae1870,sowirddieOrientierungderStraeentlangeinerHhenlinienochdeutlicher.FrdasgesamteuntereInntalgaltdamals,dassaufSchwemmke-gelnderWegnheramInnliegenkonnte(=Ortschaft),ansonstengegendiesdlicheErhebungdrngenmusste(s.Abbildung76).InKundlnimmtdieLandstraedenVerlaufderHhenliniendesSchwemmkegelsauf,verluftalsorelativsteigungsfrei.ZiehtmanentlangderLandstraedirektdurchKundlstatt imSdendaranvorbei,spartmanca.dreiHhenmeter,waszueinerZeit von Mensch und Tier aufgewandter Mobilittsenergie bedeutungsvoll gewesen ist. DieEinsparungderHhenmetergaltauchbeiderErrichtungderInntalbahnalsrelevant.Sozeigtder

    nichtverwirklichteVorschlagvonAloisNegrellizurFhrungderEisenbahnvonInnsbruckbiszurk.b.GrenzeunterhalbKufsteininAbbildung5eineBahnlinie,dietrotzdervielfachentstehendenKreuzungspunktemit der Landstrae beiKundl exakt denHhenlinien folgt, und damit demSchwemmkegelausweicht.

    5.Abbildung:AloisNegrellisVorschlagzurFhrungderEisenbahnvonInnsbruckbiszurk.b.GrenzeunterhalbKufstsein(AllgemeinerNationalKalenderfrTirolundVorarlbergfr1846)

    InLiesfeldistdieAusrichtungderHuserundderStraenocheindeutigeranderTopographiefestgemacht.DieStraeliegtgenauanderSchwemmkegelkante,womitdenFeldernimHinter-felddiegrteAusdehnungermglichtwurdeohnedasvonHochwassergefhrdeteGebietzuerreichen.

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  • Kirche

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    Ab6.Abbildung:GelndereliefimRaumKundlmitgekennzeichnetenSchwemmkegeln

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  • kliMA

    Klimatisch hat das Inntal seinen Bewohnern auf Grund seiner inneralpinen Lage frhermhsame Lebensbedingungen geboten. DasUnterinntal ist noch dazu feuchter und hatseltenerbzw.schwcherenFhnalsdasOberinntal,dierauhenOstwindehabenimRaumKundlfreienZutritt.DaheristdasUnterinntalnochklteralsdasOberinntal.Dienachteiligenklimati-schenBedingungenhabeninTirolinsbesondereaufGebudeebenezuwesentlichenCharakter-eigenschaftengefhrt.DaraufwirdnochineinemspterenKapiteleingegangen.

    DiepotentiellenSonnenstundenlieferneineErklrungdafr,warumKundlabseitsdesHang-fuesundwarumesamlinkenUferderKundlerAcheliegt.BeiderseitsentlangdesMhlbachesbzw.derWildschnauerAcheamSchwemmkegelhtteKundldiefreieWahlgehabt.AmlinkenUferderWildschnauerAchewirdallerdingszujederJahreszeitdersdlicheTeildesSchwemm-kegelsca.zweiStundenlngerbesonntalsdasrechteUfer(s.Abbildung7).DieKundlerKircheliegtindergeometrischenMittederFlche,dieausdergemeinsamenSchnittmengeausbesserbesonnter Flche undSchwemmkegel gebildetwird. Liesfeld drngt - soweit innerhalb desSchwemmkegelsmglich - nachNorden. AlsWaldhufsiedlung kann sich Liesfeldmit seinenFeldernnureinseitigausrichtenundmussdeswegenmglichstweitnachNordenrutschen,ummitdenFeldernnichtsdlichderheutigenUmfahrungsstraeimdeutlichwenigerbesonntenTeildesSchwemmkegelszulanden.

    Werden heute berlegungen zur Energieeffizienz einer Gemeinde angestellt, ist die Sonnen-energie neben Siedlungskompaktheit und Nutzungsdurchmischung wesentliches Kriterium der Siedlungsentwicklung. Die Abbildungen zu den potentiellen Sonnenstunden zeigen, in welchen Bereichen Niedrigenergiehuser oder Passivhuser mehr oder weniger Teil der Siedlungsentwicklung sein knnen.

    Potentielle Sonnenstunden 0h 1h 2h 3h 4h 5h 6h 7h 8h 9h 10h 11h 12h 13h 14h >14h

    7.Abbildung:PotentielleSonnenstundeninKundlam21.Februar(LandTiroltirisKartendienste)

    8.Abbildung:PotentielleSonnenstundeninKundlvom21.Januarbis21.Juni(l.o.bisr.u.)(LandTiroltirisKartendienste)

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    Ab9.Abbildung:GeographischerEntwurfderStraenzgeder6TirolerKreise1804(LandTiroltirisKartendienste)

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  • Eswrezukurzgegriffen,wrdemanaufregionalerEbenenurexternenUmweltbedingungenEinflussnahmeaufdasWerdenKundls zurechnen. Die konkreten, ortsspezifischen Umweltbe-dingungen stellten den Bauern Probleme, die sie immer wieder aufs neue lsen mussten, ohne dass der Lsungsweg vollstndig von den Umweltbedingungen determiniert wurde. Es existierten vielmehr weite Rume fr das freie Spiel der kulturellen Musterbildung.21 DieWirkungsolchervomMenschen selbst kreierter gromastblicherRegelwerkeaufKundl soll inFolgenachunter-schiedlichenThemenbereichenerlutertwerden.

    religiSeundweltAnSchAulicheVorStellungen

    Jede Kultur bildet gewissermaen einen kleinen Kosmos fr sich, der sich durch beschrnkte Kommunikation immer wieder selbst besttigt und verfestigt. Weltbild und Welt verschmelzen so zu einer virtuellen Wirklichkeit, deren spezifische Identitt von denjenigen, die innerhalb dieses Plausibilittsraums leben, nicht erfahren werden kann, da sie ber keinen Beobachterstandpunkt verfgen, der es ihnen erlauben knnte, die kulturellen Differenzen wahrzunehmen.22DamitwirddieeigeneVorstellungindezentralisierten,abgeschlossenenGesellschaften,wiesiedasagrari-scheTirolimMittelalterwar,absolut.

    Seit der sptrmischenZeit hatte sich in Tirol dasChristentum etabliert.Damit entstandenKirchen als hochwertige Bedeutungstrger, als Abbild gemeinsamen Glaubens und als zent-ralerOrtderVersammlungundEinflussnahme.Ausdem4.Jh.wissenwir,dassesimgesamtenUnterinntal feste christlicheKultpunktemit Kirchen gab. Die frheChristianisierung ist wohlaufdieBedeutungdesInntalsalsDurchzugsgebietunddamitauchalsSttzpunktfrSoldatenzurckzufhren.Es verbliebendamalsabernochLcken,dieeiner spterengroangelegtenund einheitlich geplantenChristianisierungswelle durch dieAribonen vorbehalten blieben. ZudiesenLckenzhlteauchKundl.Abbildung10vermitteltdenEindruck,diermischeChristiani-sierungswellehttevonWiltenausbegonnenundbeimVorstoinntalabwrtsanKraftverloren.Die bajuwarische Christianisierungswelle htte von Bayern aus begonnen und beim VorstoinntalaufwrtsanKraftverloren.

    Der hohe Stellenwert der Kirche im Weltbild der Bewohner einer Siedlung verschaffte denKirchenbauwerken stets die prominentesten Baupltze und einen sich symbolisch ber alleanderen erhebenden Gebudetypus - den Kirchturm. Deswegen steht dieser in Kundl am

    Hhenrcken des Schwemmkegels derWildschnauer Ache. Das alte Kundl kann damit alsKirchsiedlungbezeichnetwerden.

    InKundlwirddieBedeutungderKirchedadurchverstrkt,dassesseineEntstehungeinergro-zgigenSchenkungderAribonenandieGlaubensgemeinschaftverdankt.SieerhieltdieKirchemit drei Maierhfen, die seitdem den topographischen, geometrischen, sozialen und symboli-schenMittelpunktderSiedlungdarstellensollte.DurchdieErrichtungreligiserBautenentstandeineFunktionabseitsdesWohnens.DamitwarderGrundsteingelegtfrdieEntstehungvomZentrumsozialerundrtlicherVerdichtung.

    GeradeineinemjungenHaufendorfwieKundlwareineZentrumsdefinitionberdentopogra-phischen, geometrischen, sozialen und symbolischen Mittelpunkt wichtig. Hier sind baulicheProgramme weniger wirksam als Programme, die der kulturellen Bedeutungsaufladung desZentrumsGengetun.DasZentrumentstehtdurchdieBelebungderDorfbewohner.DieAkteureumdieKircheherumbildendasZentrumdurchihreAnwesenheit,durchihreHandlungenauchabseitseinerbesonderenbaulichenVerdichtung.DasZentrumerhhtberdieAktionsdichteseine Gravitationskraft und wird damit auch in einem regellos unstrukturiert erscheinendenHaufendorfgefunden.

    Will man in Kundl heute zentrale Orte schaffen, so muss dies hauptschlich ber Agglome-ration unterschiedlicher Nutzungsformen passieren, was durch bauliche Dichte nur gefrdert, aber nicht erzwungen werden kann.

    Indem die Kirche eine fhrende Rolle in der Attraktion von zentrumsbildenden Funktioneneinnimmt, liegen ihre Bauwerke automatisch an der alten Landstrae, egal nach welcherLogik derOrt gebaut ist. Die Lage derKirche an der alten Landstrae lsst sich heutenoch nachvollziehen. In Kufstein, Kirchbichl, Wrgl, Kundl, St. Leonhard, Radfeld, Rattenberg,Brixlegg,St.Gertraudi,Strass,Rotholzusw.stehendieKirchenanderLandstraenochheute.MitAusnahmeKufsteinsstehtderKirchturmdabeiaufderdem InnzugewandtenSeite,egalobdieKirchesdlichodernrdlichderLandstrae liegt.MglicherweisesolltedamitdieStel-lungderOrtschaftensdlichdesInnsgegenber jenennrdlichdesInnssymbolischgestrktwerden.AuchwarendieKirchtrmedamitfrdieSchiffsfahreramInnunddieDorfbewohnerderOrtschaftennrdlichdesInnsleichterzusehen.DieApsisiststetsnachOstengerichtet,dennbeiderFrhmessesolltederRaumumdenAltarimSonnenlichterstrahlen.DerEingangbefindetsichdaherblicherweiseimWestenderKirche(s.Abbildung11).DieKundlerKircheentsprichtdamitdemRegelwerkderUnterinntalkirchen.

    Antike - Rmer

    Gebiet mit rm. Flurvermessung

    Orte mit Prdiennamen

    Orte mit Laurentiuskirchen

    Frhmittelalter - Aribonen

    Orte mit Prdiennamen und Notitiakirche

    Orte mit aribonischer Eigenkirche

    zu aribonischer Eigenkirche gehrige salzburgische Zelle

    Aribonisch salzburgische Klostergrndung

    Aribonische Eremitengrndung

    Wilten

    AbsamBaumkirchen

    Wattens

    StansVomp

    Kolsass

    St. Georgenberg

    Brixlegg

    Asten

    Mnster

    KundlRadfeld

    Moosen Wrgl

    KufsteinZell

    Kirchbichl

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  • Antike - Rmer

    Gebiet mit rm. Flurvermessung

    Orte mit Prdiennamen

    Orte mit Laurentiuskirchen

    Frhmittelalter - Aribonen

    Orte mit Prdiennamen und Notitiakirche

    Orte mit aribonischer Eigenkirche

    zu aribonischer Eigenkirche gehrige salzburgische Zelle

    Aribonisch salzburgische Klostergrndung

    Aribonische Eremitengrndung

    Wilten

    AbsamBaumkirchen

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    Ab10.ChristianisierungdesUnterinntalsinAntike(ab4.JhundFrhmittelalter(bis9.Jh)(Kartengrundalge:Bachmann(1986).S.306f)

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  • Kufstein Kundl

    Kirchbichl St.Leonhard

    Wrgl Radfeld

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  • Rattenberg Strass

    Brixlegg Rotholz

    St.Gertraudi St.Margarethen

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    Ab11.Abbildung:SdlicheInntalsiedlungenmitKirchedirektander

    altenLandstrae(vonKufsteinbisJenbach)

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  • WenndieKirchenichtdieHauptkircheeinesOrtesist,kannsieauchamoffenenFeldalsMarkie-rungspunktoderWegweiseranderLandstraedienen.SostehtdieKircheSt.Leonhardseit1019an jenerStelle,anderderalteWegnachSauluegvonderLandstraeabzweigte.NichtzuflligistderHl.LeonhardvondenFuhrleutenundStraenbentzernhochverehrtworden.Im16.Jh.warandieserStelleauchdasehemaligeSchlossNiederaicherrichtetworden,dessenverbleibendeBestandteileheuteineinWirtschaftsgebudedesbenachbartenBauernhofesinte-griertsind.ZahlreichehistorischeKartenwiejeneinAbbildung21demonstrierendiesequenzi-elleAbfolgederKirchenoderKapellen(s.Kreuzsymbol)entlangderLandstrae.

    DieprgendeBedeutungderkirchlichenBauwerkelsstsichheutenichtnuranihrerStellungimOrtsondernauchandenzahlreichenausgewhltenSichtbeziehungen(s.Abbildung13)zudiesenerahnen.ZwischennrdlichdesInnsgelegenenKirchenundsdlichdesInnsgelegenenKirchenlsstsicheinmarkanterUnterschiedausmachen.WhrenddieSt.MarienKircheundSt.LeonhardkircheinKundlkauminBeziehungzumInnstehen,weisendieKircheninBreitenbachundKleinsllwesentlicheBezgezumInnauf.DieKircheinKleinsllbestichtdurchihrevomInnweithersichtbareausgesetzteLage,diegleichzeitigexakt inderLiniederWildschnauerAchesteht.DieKundlerSt.MarienKircheistTeilderanderLandstraeaufgefdeltenKirchen,weswegen weite Teile der Landstrae an diesem Kirchturm ausgerichtet sind. Der zweitewesentlicheBezugderSt.MarienKircheistderaltezumInnundheutezurInnbrckefhrendenDr.HansBachmannStraeentlang.

    SoziAlStruktur

    NachdemdieKirchemitseineranerkanntenMachteinZentrumdesOrtesschuf,konntensichweitereFunktionenffentlicherNaturumdieKirchescharen:Dorfplatz,Wirtshaus,Pfarrwidum,administrativeEinrichtungenundspterauchdieSchule.DamitwirddiestrikteTrennungvonprivatemWohnhausundffentlichemDorfkernmitbesondererArtikulationindenBaukr-pern fortgeschrieben. In Kundl sind Dorfmitte und die frher baulich besonders aufwndigausgefhrtenGebudePfarrwidum,WirtshuserundRathausdiederKirchenchststehendenEinrichtungen,wiediesinallenchristlichenOrtschaftenmittelalterlicherEntstehungsgeschichtederFallist.DerDorfplatzmusstestetszentralanderLandstraegelegensein,daerOrtfrdiezyklischabgehaltenenMrktewar,diedieunterschiedlichenSiedlungenderRegiongesellschaft-lichzusammenhielten.DieWirtshusermssennatrlichauchdirektanderLandstraeliegen,um den Reisenden unmittelbar Unterkunft gewhren zu knnen. Der Pfarrwidum steht am

    unmittelbarsteninZusammenhangmitderKircheunderhebtsichdiesergleicheinwenigberdieanderenGebudebzw.wirddurcheineMauervonderreinweltlichenSphreabgegrenzt.

    KirchePfarrwidum

    Gemeindeamt

    Dorfcafe

    alte Schule

    Posthof

    Auerwirt

    Neuwirt

    Kaisermann

    12.Abbildung:gebauteSozialstrukturinKundlsOrtskern

    WesentlichesRegelwerk, das das heutige Erscheinungsbild Kundlsmitbestimmt hat, war dieRegelungderBesitzweitergabeimTodesfall.InTirolwurdesowohldieRealteilungunterallenErbberechtigtenalsauchdasAnerbenrecht frnureinenErbengelebt. ImSammelsiedlungs-raum-wieKundl-wardieRealteilungvorherrschend,imStreusiedlungsraumdasAnerbenrecht.Zuwirtschaftlichbzw.klimatischschlechtenZeitenwirktesichdieRealteilunginsofernschlechtaus,alsdassfunktionierendeWirtschaftsgtermitderZeitsoweitaufgeteiltwurden,dasssienichtmehr handzuhabenwaren bzw. zuwenig Land pro Person zur Verfgung stand. DaherwurdenNebenerwerbsquellennotwendig,was zurWanderarbeit fhrte.DieseWanderarbeiterzogen die Landstrae - durchKundl - entlang. Durch diese Bedingungen wurden aber auch

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  • Kirche

    Sichtachsen

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    Ab13.Abbildung:BezgederKircheninundumKundlzuihremUmfeld

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  • Qualitten wie Anpassungsfhigkeit, Innovationsgeist, Disziplin und Rcksichtnahme gefrdert, die sich spter positiv auf die Entwicklung von Industrie und Gewerbe auswirken sollten. So lsst sich eine Korrelation zwischen Realteilungsgebieten und einer hohen Dichte an Industrieanlagen und Handwerksbetrieben feststellen.24Demnachknnenwirheutemutmaen,dassdasindustri-ellebzw.gewerblichGeschickKundlsaufdieRealteilungsregelzurckzufhrenist.OhneZweifeldrftesieinKundlberwiegendpraktiziertwordensein,wissenwirdochvoneinigennotwendiggewordenen Flurbereinigungsmanahmen in der Neuzeit und jngsten Vergangenheit bzw.sehenwirnochheutesehr schmalausgebildeteGrundstcksparzellen imagrarischgenutzenRaumKundls.

    inntAlperlenkette

    DadasuntereInntalfrHndler,Soldaten,Studenten,BettlerundandereeineReiseroutevonItalien nachBayernwar, liegt eine historischeBesiedelung des Trogtals nicht nur aufGrundderfrAckerbaugnstigentopographischenBedingungennahe.DadiewanderndenSchareninfolgegeringerReisegeschwindigkeitenoft tagelang im Inntalunterwegswaren,musstedasTalzahlreicheRastpltzebieten.UnteranderemdeswegenfdelnsichheutedieSiedlungenimInntaleinerPerlenkettegleichregelmiganeinander.DabeigibteseinehierarchischeAbstufungdieserPerlen.

    ErsteSttzpunktebzw.oftmalssptereStdteanmarkanten topographischenSchnitt-punkten(KreuzungspunktvonTlern,VerjngungimInntal,...)(z.B.:Innsbruck)

    agrarischgeprgteSiedlungskrperzwischendiesenStdten(z.B.:Kundl) den Stdten und Siedlungen spter beigestellte zuKleinstsiedlungen gruppierteWirt-

    schaftsgterimVorfeld(z.B.:Liesfeld)

    JededieserHierarchiestufenwargeprgtdurchunterschiedlicheAufgaben.WhrendStdtenmilitrische,politischeundsicherheitspolitischeAufgaben,Handel,Gaststttenwesen,Judikatur,manchmal auchBergbauundhherwertigesHandwerk zuTeilwurden, dienten die buerlichgeprgtenSiedlungskrper derVersorgungderStdte undderKultivierungdesLandes.DiespterergnztenKleinstsiedlungendientenderweiterenKultivierungderAuenlandschaft.

    WelchesRegelwerkbestimmtnun,woentlangderlinearenAuffdelungimTalundinwelchenAbstndenzueinanderSiedlungspltzeentstehenundbestehenkonnten?

    Eszeigtsichdeutlich,dassdiebedeutsamstenSiedlungenantopographischenKreuzungs-punktenliegen.SoliegenInnsbruckoderWrglanMndungspunktengrererSeitentler,indenenwesentlicheWegverbindungen existieren. Schwaz verdankt seineBedeutung grererSilber- undKupfervorkommen,was es im15. und16. Jh zur grten europischenBergbau-metropolemit20.000Einwohnernmachte.RattenbergundKufsteinmarkierentopographischgeformteEngstellenimInntal,diedieKontrolleberdenVerkehrimInntalleichtmachten.

    DieagrarischgeprgtenSiedlungskrperderzweitenHierarchiestufeweisenkeinesignifikantentopographischenBesonderheitendiesesMastabsauf.Sieunterliegendennocheinertopogra-phischenRegel,indemsieentlangdesInntalsnuranjenenStellenliegen,andeneneinkleineswasserfhrendesQuertalaufdiesestrifftunddabeieinenSchwemmkegelgebildethat.

    UnterEinhaltungdertopographischenRegelnergibtsichautomatischeinesehrrhythmischeAnordnungvonSiedlungskrpern,wassichvorzglichdazueignet,dasLandgleichmigzubewirtschaften.DieeinzelnenSiedlungensindimmersogro,wiedassieumgebendeUmlandsieernhrenkann.DieWegezwischenSiedlungskrperundFeldsindberdasgesamteInntalbetrachtetstetsgleichlangundfrdiejeweiligeEpocheoptimalbewerkstelligbar.DasuntereInntalwirdsequenziertdurchSiedlungen,dieimDurchschnitt9km(Luftlinie)voneinanderentferntliegen(Standardabweichungca.2km),wobeigroeSiedlungenetwasmehrLandschaftben-tigenalskleine.SoistderAbstandzwischenInnsbruckundHallein10kmundjenerzwischenKufsteinundWrgl13km. InnsbruckundKufsteinspannenalsdiegrtenTirolerStdtedasuntereInntalauf.

    DieKetteerster Inntalsiedlungenwird imLaufedesMittelaltersergnztdurchdazwischenge-lagerteSiedlungen, oftmalsWaldhufensiedlungen. So entstandLiesfeld unweit vonKundlgenausowie Radfeld unweit vonRattenberg. Die Lage dieser Ergnzungssiedlungen an deraltenLandstraeistnichtmehrklarnachvollziehbar,sohatdiealteLandstraeihreLage-wohlauchinFolgevonHochwssern-desfterengewechselt.EindeutigsinddieseSiedlungenimKernanderLandstraeausgerichtet,siedehnensichparallelzudieseraus.UnmglicherscheintdieVorstellung,dasssiequerzurDurchzugslinieimInntalausgerichtetseinknnten.

    Die unteren Inntalsiedlungen haben sich bis heute an ihren jeweiligen Ursprngen zwischen den natrlichen Grenzen Hangfu und Inn ausgedehnt. Das Inntal wird also durch die in Abbil-dung 15 dargestellte Form sequenziert. Ein Wachstumspotential quer zum Inn ist in kleinen Bereichen noch vorhanden. Von einem Wachstum parallel zum Inn ist stark abzuraten. Eine BegrenzungderstlichenundwestlichenSiedlungsgrenze ist wichtig und eine innere

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  • Innsbruck

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    Ab14.Abbildung:SiedlungenimInntal(Datengrundlage:ReliefNASA,GewsserOSM)

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  • InnBebauungWegetopographische ErhebungSchwemmkegel

    alte Landstrae

    neue Landstrae

    Eisenbahn

    Radweg

    Autobahn

    Ort 2Ort 1 Ort 3

    NachverdichtunginnerhalbderNord-SdAusdehnung anzuraten, um den Verlust der sequenzierenden Siedlungen und des dazwischen liegenden Naturraums zu vermeiden. Wre die endlose Ausdehnung entlang des Inntals ressourceneffizient gewesen, htten in Kundl keine Erschlieungsachsen parallel zum Inntal ergnzt werden mssen sondern nur entlang der alten Landstrae weitergebaut worden. Abbildung 16 zeigt, wie sich zentrale Einrichtungen auf Grund der zweckmigen Wegminimierung an ber die Zeit ergnzten Erschlieungsachsen ber die halbe Talbreite verteilt anordneten, ohne dabei endlos das Tal entlang zu wachsen. ber diese parallel zum Inntal verlaufenden Erschlieungsachsen sind die Siedlungen trotz der Abstnde dazwischen in einfachster Weise verknpft.

    nutzungSzonen

    ZiemlichdeutlichistinKundldasZusammenspielzwischenGebudekrperundErschlie-ungnachvollziehbar.Dort,woeinstdiealteLandstraelag,entstanderstesKundlerLebeninsesshafterForm.EntlangderLandstraekonntenBaukrpernur so langeaneinandergereihtwerden,bisderWegzurzentralenKirchevoneinerzweitenReiheabseitsderLandstraeauskrzerwaralsvomEndederBebauunganderLandstraeaus.DiesisteinstrukturellerVorteildesHaufendorfesgegenberdemStraendorf.AlsinjngererZeitUmfahrungundEisenbahn-trasseerrichtetwurden,wardorterneutRaumentlangdieserAchsenfrneueGebudekrper.DamitschlossenneueGebudeandieseAchsenan.DasErgebnissindNutzungseinheitenmitffentlicheremCharakterentlangdieserWest-OstgerichtetenDurchzugswege,derenZwischen-raummitNutzungenwenigerffentlichenCharakters,zumeistWohnen,ausgeflltwerden.DieNahversorgerbeispielsweisebefindensichalleandenentlangdesInnausgerichteten-Straen.EineBesonderheitstelltnurdieDr.Hans-BachmannStraemitihrenNutzungseinheitenffent-licherenCharaktersdar,dieihreBedeutungdemZugangzumInn,zurInnberfuhrundschluss-endlichzurInnbrckeverdankt.DieRestflchenwerdendurchdieLandwirtschaftausgefllt.

    Interessantist,dassdiegroenFreizeiteinrichtungenderGemeindeKundlimaltenAugebietderWildschnauerAcheliegen.DiesewaralsAugebietwohlschonfrhereinOrt informellenCharaktersgewesen.DieKundlerKlammisteinhochfrequentierterOrtfreizeitlicherGestaltungmitGasthusernandessenBeginn,indessenMitteundandessenEnde.AmAustrittderAcheinsInntalbefindensichgroflchigeFreizeiteinrichtungenwieTennisclubundSchiestand.berdie gesamteBreite des sdlichen Inntalswird dieAche flankiert von einemSpazierweg.AmMndungspunkt in den Inn liegt abschlieenddasSchwimmbadmitEishalle und zahlreichenSportpltzen.

    Die Wildschnauer Ache scheint damit das freizeitlicheRckgradKundls zu sein und kann in diesem Sinne weiterhin gestrkt werden.

    DieChemiewerkenehmenamklarenWest-Ost lufigenSystemnichtTeil.DasalteBrauerei-gebudeflankiertdieNord-SdlufigeDr.HansBachmannStraemitseinemaufdiesesenk-rechtstehendenFirst.DamitwarfrdieFolgezeitfestgeschrieben,nachwelcherRichtungdieserBetrieb,spteralsChemiebetrieb,erweitertwrde:nachhintenwestlichdesGebudes.InFolgewardiekonsequenteWeiterentwicklungKundlsinseinerLogikimWestennichtmehrmglich.BisheutestelltdasgroeIndustriearealderChemieeinestrukturelleGrenzefrKundlsEntwicklungimWestendar.EinpaarinkonsequenteAusrichtungenderGiebel,genauergesagtjenederBrauereiundderanschlieendenGasthfe,konntenalsodazufhren,dieSiedlungs-entwicklung dauerhaft zu beeinflussen.DieRelevanz des Industriebetriebs frKundl ist alsonichtnurdarinbaulichmanifestiert,alsdasseralseinzigedrfliche InstanznebenderKircheeinen Turm errichten durfte, sondern auch durch seine dauerhafte Einflussnahme auf dieSiedlungsmorphologie.

    Der konsequente Weg Kundls kann sein, Mut zu seiner ursprnglichen Lebensquelle, dem Durchzugsverkehr, zu beweisen, mit dem umzugehen es ber Jahrtausende trainiert hat. So entstand stets an den Achsen des Durchzugsverkehrs Leben, da jeder Durchzugsverkehr etwas im Ort zurcklsst. Frher entstand Leben entlang der alten Landstrae mit Kirche, Gasthusern, Bckern, etc. Spter entstand Leben entlang der Bahntrasse bzw. wie in Abbil-dung 18 ersichtlich zwischen Bahntrasse und Inn. Ab 1951 entstand Leben entlang der Umfahrungsstrae mit Gewerbe, Nahversorgern, Tankstellen, Raststtten etc. Abbildung17 vermittelt einen Eindruck, wie schnell Funktionen an die gerade erst errichtete Umfahrung zogen. Auch wenn die letztgenannten Nutzungen als weniger attraktiv bewertet werden, bringen sie doch Leben bzw. Finanzkraft in den Ort. Den Durchzugsverkehr weniger als Strnis denn als Potential fr temporren Zielverkehr wieder zu entdecken, kann ein Weg fr Kundl sein. Die Existenz des Verkehrs ist auf grerer Systemebene bedingt, kann also im Rahmen der Kommunalplanung nicht verhindert werden. Es ist ressourcenschonender, sich nicht gegen etwas zu stemmen, von dem man Jahrtausende lang profitierte, sondern die Potentiale daraus zu ntzen.

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  • InnBebauungWegetopographische ErhebungSchwemmkegel

    alte Landstrae

    neue Landstrae

    Eisenbahn

    Radweg

    Autobahn

    Ort 2Ort 1 Ort 3

    15.Abbildung:SchemaderInntalsiedlungen

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  • strukturelle ReserveInnBaukrperWegetopographische Erhebung

    17.Abbildung:AnsichtKundlca.1953(PhotoarchivHannesSollerer)

    18.Abbildung:AnsichtKundl1930erJahre(PhotoarchivHannesSollerer)

    19.Abbildung:AlteAnsichtskarteKundl(PhotoarchivHannesSollerer)

    Wie gut ein kompakter Block Industrie innerhalb eines kleinen Dorfes als Bestandteil von diesem funktionieren kann, ohne eine Insel zu sein, hngt von seiner Verflechtung mit diesem ab. Bestimmte Teile knnen aus sicherheitstechnischen berlegungen wohl nie unmittelbarer Bestandteil des Dorfes werden, knnen nicht von jedermann betreten werden, doch kann eine rumliche, visuelle und atmosphrische ffnung des Gelndes dienlich sein, um seine Integration im Dorf zu gewhrleisten und Akzeptanz, Partizipation bzw. Identitt im Dorf zu begnstigen. Dass heute in den Betriebspausen Arbeiter der Chemiewerke vor den Toren verweilen und damit sozialer Anknpfungspunkt des Chemiewerks an den Ort Kundl sind, lsst die Mglichkeiten bzw. gegenseitigen Vorteile einer Verflechtung zwischen Chemiewerk und Ortskern vermuten.

    Abbildung 24. zeigt, wie das Chemiewerk siedlungsmorphologisch mit Kundl verflochten ist. Zwischen jedem Hof besteht ein unbebauter Bezug in Richtung Chemiewerk. Das Chemie-werk schliet in einer uerst kompakten Ausfhrung, die internen Wege minimierend, an das Haufendorf Kundl an. Die innere Logik des Chemiewerks ist auf das Haufendorf ausgerichtet. Die inneren Erschlieungswege des Chemiewerks fhren geradlinig zu seinem historischen Ausgangspunkt, der heutigen Anschlusspforte. Querbezge z.B. fr Technikleitungen werden

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  • strukturelle ReserveInnBaukrperWegetopographische Erhebung

    16.Abbildung:SchemazumSiedlungswachstumimInntalbeiKundl

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  • ohne diese geradlinige Struktur zu stren auf niedrigerer oder hherer Ebene geschaffen. Das Chemiewerk versorgt sich ber die Anschlusspforte mit Ressourcen aus dem Dorf (Arbeits-krfte, technische Infrastruktur, soziale Infrastruktur, etc.) bzw. umgekehrt (Lebensunterhalt, Erfindergeist, etc.). Darin besteht eine symbiotische Beziehung zwischen zwei kompakten, voneinander rumlich separierten Einheiten unterschiedlicher Natur. Dass dieses Konzept heute noch Bestand hat, verspricht Erfolg auch bei anderen Anbauten dieser Art. Das historische Beispiel zeigt, dass wo auch immer es raumplanerische Kriterien und Notwen-digkeiten zulassen, dem Haufendorf kompakte Einheiten mit jeweils unterschiedlichen zeit-gemen Konzepten hinzugefgt werden knnen. Abbildung 24 zeigt, dass beispielsweise im Sdosten Kundls konzeptionell gegengleich zum Gewerbegebiet quasi gespiegelt um die Wildschnauer Ache, ein horizontal verdichtetes Wohngebiet angebaut werden kann. Im 18.Jh (s. Abbildung 92) bildete die Achenbrcke den stlichen Abschluss- und Ausfallpunkt Kundls. Bis heute verdichten sich an der Brcke natrlich die Verkehrsaktivitten. Von dort ausgehend einen verdichteten Siedlungsansatz zu verfolgen, wre - wie im Westen durch die Chemiewerke - geeignet, eine endlose Siedlungsausdehnung im Osten zu stoppen. Mit solchen verdichteten, einseitig zum Ort hin ausgerichteten Anbauten lsst sich vermeiden, dass das Haufendorf bei Wachstumsdruck stetig weiter wachsen und bis zur Gemeinde-grenze oder bis zur Schwemmkegelgrenze in die Flche ausbreiten muss (s. Abbildung 22).

    Eine zweite Strategie zur Vermeidung endloser Zerstreuung der Bebauung bei Wachstums-druck ist die innereNachverdichtung. Durch die Lage an der alten Landstrae kam Kundl neben dem Haufendorfcharakter spter auch ein Straendorfcharakter zu, der sich heute entlang der alten Landstrae nachempfinden lsst. Die logische Entwicklung alter Haufen-drfer bei starkem Wachstum war unter der Prmisse der ressourcenschonenden Kompakt-heit die innere Nachverdichtung, vorerst an den hochwertigsten Lagen entlang der zentralen Erschlieung. Die Folge war eine reihenhausartige Verdichtung entlang der Hauptstraen mit seitlichen Unterbrechungen an jenen Stellen, an denen das Haufendorf zuvor verzweigte. In Kundl liegt die alte Landstrae sehr zentral im Ort und entspricht in seiner West-Ost Orientierung heute noch der Ausrichtungslogik des Inntals (s. Abbildung 25). Teilweise ist das Reihenhauskonzept entlang der Landstrae bereits sprbar, einem Ort fllt es schwer, dieser Entwicklungslogik zu widerstehen. Diese Entwicklung aktiv planerisch zu begleiten hilft, Fehler zu vermeiden bzw. Gemeindewnsche einzubringen. Eine solche Entwicklung im Bestand bedarf konsequenter Planung ber lange Zeit.

    Darber hinaus kann die Umfahrungsstrae durch eine hnliche Logik begleitet werden. Dort befindet sich die Integration der Durchfahrtstrasse in Kundl noch im Werden und sollte

    fachlich begleitet werden. Auch die Bahntrasse ermglicht um den Bahnhof eine intensivere Integration in den Siedlungskrper. ber eine Entwicklungsperspektive zwischen Bahntrasse und Autobahn kommt man zudem der Integration des Innstroms einen Schritt nher. Als struk-turelle Reserve des Schwemmkegels steht dieses Gebiet einer Siedlungserweiterung offen.

    20.Abbildung:abgeschlosseneundoffeneVariantevonGewerbegebieten

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    Ab21.Abbildung:Kundl-NutzungszoneneinerSiedlungimInntal

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    Ab 22.Abbildung:Siedlungsperspektive1:endlosesHaufendorf 23.Abbildung:Siedlungsperspektive2:innerepunktuelleNachverdichtungimSinnedesHaufendorfes

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    Ab24.Abbildung:Siedlungsperspektive2:kompakteAnbautenandasHaufendorf 25.Abbildung:Siedlungsperspektive3:innereNachverdichtungandenWest-OstAchsen

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    26.Abbildung:1470NicolausCusanus,HenricusMartellusGermanus-DescriptioGermaniaeModernae(TIRIS)

    27.Abbildung:1500MarcusBeneventanus-Mitteleuropa(TIRIS)

    28.Abbildung:1513MartinWaldseemller-TabulaModernaGermanie(TIRIS) 29.Abbildung:1561WolfgangLazius-RhetiaeAlpestrisInquaTirolisCom(itatus)Descriptio(TIRIS)

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    30.Abbildung:1573AbrahamOrtelius-ThetiaeAlpestrisDescriptio,InQuaHodieTirolisComitatus(TIRIS) 33.Abbildung:1604Warmundygl-NeueKarteDerSehrAusgedehntenGrafschaftTirolUndIhreNachbargebiete(TIRIS)

    31.Abbildung:1578GerardDeJode-TirolisComitatusSeuPartisRhaetieAlpestrisInsignisDescriptioChorographica(TIRIS) 34.Abbildung:1608MathiasBurglechner-TirolerLandtafelAufEinemBlatte(TIRIS)

    32.Abbildung:1595AndreaBertellus-RhetiaeAlpestrisHodieTirolisCom(itatus)Descriptio(TIRIS) 35.Abbildung:1611MathiasBurglechner-TirolischeLandtafeln(TIRIS)

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    36.Abbildung:1641JohannesJanssonius-ComitatusTirolensis(TIRIS) 39.Abbildung:1674JohannMartinGumpp-TyrolisComitatus(TIRIS)

    37.Abbildung:1644NicolasTassin-LeTyrol(TIRIS) 40.Abbildung:1678FranzAdamVonBrandis-DIeFirstlicheGraffschaftTyrol(TIRIS)

    38.Abbildung:1662JohannesBlaeu-TyrolisComitatus(TIRIS) 41.Abbildung:169xChristophRiegl-Tirol,SamtDenenAngrenzend-UndEinverleibtenLndern(TIRIS)

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    42.Abbildung:169xJohannMartinGumpp-MappaoderLandKartenallerBerg-Thller,Bss,Land-UndAndereStrassen(TIRIS) 45.Abbildung:1701MichaelWinig-ComitatusTyrolisGraffschalltTyroll(TIRIS)

    43.Abbildung:1700CornelisuDanckerts-ComitatusTirolis.EpiscopatusEtComitatusTridentinus.EpiscopatusBrixensis(TIRIS) 46.Abbildung:1702GeradValck-StatusTirolensis(TIRIS)

    44.Abbildung:1701IgnazReiffenstuhl-ComitatusTyrolisTabula(TIRIS) 47.Abbildung:1707AlexisHubertJaillot-LeComtDeTirolLesEvechsDeTrenteEtDeBrixen(TIRIS)

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    48.Abbildung:1716JohannBaptistHomann-ComitatusPrincipalisTirolis(TIRIS) 51.Abbildung:1790FranzKarlZoller-CompendiumAtlantisTyrolensisAnichiani(TIRIS)

    49.Abbildung:1742GeorgeLouisLeRouge-LeComtdeTirollesEvechsdeTrenteetdeBrixen(TIRIS) 52.Abbildung:1797IgnazHeijmann-PostkarteDerGEfrsteetnGrafschaftTyrol(TIRIS)

    50.Abbildung:1774PeterAnich.BlasiusHueber-AtlasTyrolensis(TIRIS) 53.Abbildung:1800ChristianBenjaminGlassbach-bersichts-undStraenkartedergefrstetenGrafschaftTirol(TIRIS)

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    54.Abbildung:1800Landgerichtskarte(TIRIS) 57.Abbildung:1810CarteVonTirol(TIRIS)

    55.Abbildung:1804PhilippMiller-GeographischerEntwurfDerStraenzgeDer6TirolerKreise(TIRIS) 58.Abbildung:1816ZweiteFranziszeischeLandesaufnahme(TIRIS)

    56.Abbildung:1808CarteDuTyrol(TIRIS) 59.Abbildung:1823SpezialkarteTirol(TIRIS)

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    60.Abbildung:1827Jurisdictions-KarteVonTirolUndVorarlberg(TIRIS) 63.Abbildung:1844StrassenkartevonTyrolundVorarlberg(TIRIS)

    61.Abbildung:1838JosephAntonWoerl-KarteVonTirolUndVorarlberg(TIRIS) 64.Abbildung:1849GeognostischeKarteTirols(TIRIS)

    62.Abbildung:1840ZollersPostundReise-KartevonTirolundVorarlberg(TIRIS) 65.Abbildung:1850C.A.Czichna-FinanzKarteVonTirolUndVorarlberg(TIRIS)

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    66.Abbildung:1854Administrativ-KarteDerGefrstetenGrafschaftTirolMitVorarlberg(TIRIS) 69.Abbildung:1925sterreichischeSpezialkarte(Quelle:TIRIS)

    67.Abbildung:1870DritteLandesaufnahme(TIRIS) 70.Abbildung:1997sterreichischeKarte(TIRIS)

    68.Abbildung:1895GeneralkartevonMitteleuropa(TIRIS) 71.Abbildung:2012Luftbild(GoogleEarth)

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  • Legende

    Gebude

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    Ab72.Abbildung:Kundlfrhgeschichtlich(frhgeschichtlicheFundorteschematischdargestellt)

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    Ab 73.Abbildung:Kundlvom7.Jhbisins17.Jh(Kartengrundlage:Bachmann(1986).S.58ff.)

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    Ab74.Abbildung:Kundl1748(Kartengrundlage:Bachmann(1986)FalttafelII)

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    Ab 75.Abbildung:Kundl1805(Kartengrundlage:ErsteJosephinischeLandesaufnahme)

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    Ab76.Abbildung:Kundl1870(Kartengrundlage:DritteLandesaufnahme)

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    Ab 77.Abbildung:Kundl1952(USArmyMapServiceAustria-AMSSeriesM871)

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    Ab78.Abbildung:Kundl2009(DKM2009)

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  • DieBetrachtungdergeschichtlichenEntwicklungeinerSiedlungundderenRegionistfrsied-lungsmorphologisch relevante Fragestellungen unabdingbar. In folgender kurzer DarstellungderKundlerGeschichteliegtderSchwerpunktaufdendieFormgebungKundlsstarkbeeinflus-sendenEreignissen.

    frhgeSchichte

    Erste Spuren einer jungpalolithischen Jgerkultur um 30.000 v. Chr. wurden bei Kufsteingefunden.DiedamaligenMenschenwerdenalsozeitweiseauchinKundlunterwegsgewesensein.Ab2000v.Chr.lassensichinTiroleinigeSiedlungenstreifenderJgerderJungsteinzeitnachweisen.Ab1500v.Chr.wurdedasInntalunddessenSeitentlerendgltigbesiedelt.AuchinKundlknntesicheinSiedlungsplatzbefundenhaben,dessenOrtjedochunbekanntist.Amstli-chenGelndederFirmaWimpissingerwurdenResteeineraufgegebenenmetallverarbeitendenWerkanlagegefunden.25berpollenanalytischeUntersuchungensindmenschlicheTtigkeiteninKundlab1500v.Chr.nachweisbar.26

    Die frhgeschichtlichen Siedlungen Tirols wiesen eine geschlossene Siedlungsform(geschlosseneMassendrfer)auf, inderdieHuserenganeinanderplatziertwurden,umdenBodenverbrauchzuGunstenderLandwirtschaftunddentglichenWegaufwandgeringzuhaltenunddieSiedlungeffizienterverteidigenzuknnen.SiedlungendieserFormsindunsnurpunkt-frmiganklimatischodertopographischbegnstigtenLagenbekannt.

    Zwischen6.und4.Jhv.Chr. ist vomFritzens-Sanzenokreis,ein inneralpinerKulturkreis,einekontinuierliche Siedlungsttigkeit im Kundler Raum nachweisbar. Das vorzgliche Sied-lungslandmuss sich schon frh fr eine dauerndeNiederlassung denMenschen angebotenhaben.DieZeitzwischen6.und4.Jhv.Chr. ist imUnterenInntaldurcheineReihevonSied-lungenbekannt,diesicheinerPerlschnurgleichdasInntalbisAmpaoberhalbvonInnsbruckentlangziehen.

    Um400v.Chr.erfolgtederKeltensturm,derbestehendeSiedlungenTirolszerstrteundinfolgedessenneuekeltischegegrndetwurden.Frdas1.-4.Jhv.Chr.istimKundlerRaumeinaufderVerarbeitungvonEisenaufbauendesWirtschaftszentrumnachweisbar.

    Antike

    Eswirdheutedavonausgegangen,dassderKundlerSiedlungsplatzvorrmischerNaturist.27VonderSprachforschungwirdderOrtsnamealsvorrmischangesehen.BodenfundeeinesSiedlungsplatzesabseitsvonBegrabunsstttenundWerkstttenfehlenjedoch.DasFehlenvonBodenfundenkannallerdingsinderSiedlungskontinuittbegrndetsein,beidereinevorhan-deneKulturschicht durch die steteWeiterverwendungder gleichenSiedlungsstelle vernichtetwurde.

    NachdemdieRmerunterDrususundTiberiusum15. v.Chr.durchdasUntere Inntal zogenunddas zentraleAlpengebietunddasAlpenvorlanderoberten,mussdas vorrmischeKundlromanisiertwordenseinunddabeiinseinerbestehendenphysischenFormweiterbestandenhaben.DerKulturbodenwurdeunterdenRmernstarkausgeweitet.DerromanischeFlurnameSchiferol(s.Schiferolkapelle)zeugtvomEinflussderRmerinKundl.AndereOrte imInntalwieErl,Mosen,Asten,Stans,WiltenundWrgllassendenrmischenEinflussinihremFlurbildnochdeutlichererkennen.Diesweistnach,dassKundl inderAntiketalauf-und-abwrtsvonrmischenSiedlungenumgebenwarundklarerweiseauchromanisiertwordenseinhatmssen.

    Umca.45n.Chr. erfolgtederAusbaudes rmischenStraennetzes im Inntal.AllerdingsverliefdieRmerstraeberdensonnigenundsumpffreienAngerberganKundlvorbei.KundlstandinderAntikedamitnieimZentrumderAufmerksamkeit.

    DadasChristentum im rmischenReichum380n.Chr.Staatsreligionwurde,setztesichdiesesauchinganzTiroldurch.

    MittelAlter

    Nachdem476n.Chr.daswestrmischeReichzerviel,stieenum550-600n.Chr.dieBaju-wareninsInntalvor,dieim7.und8.JahrhundertdortSiedlungenmitbeiihnenblichenlockerangeordnetenHolzbautengrndeten. InKundlmssensiedasromanisierteDorfvorgefundenundassimilierthaben.

    KundlwirdzumerstenMalalsQuantalasurkundlich788imSalzburgerGterverzeichnisinderNotitiadesBischofsArnvonSalzburgerwhnt.ZudieserZeitmussKundlschonseitlngerem

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  • bestandenhaben,weswegennichtvoneinerBayrischenGrndungauszugehen ist.DerSied-lungsplatzmussauchvordenRmernschonderselbegewesensein,daderSchwemmkegelnurdorteinehochwassergeschtzteBesiedlungerlaubt.

    Das heutigeKundl entstand aus einerSchenkungderAribonen an dieGlaubensgemein-schaft im Zuge eines gro angelegten Christianisierungsprogramms. Sie berlieen ihr eineKirchemitdreiMeierhfen.AusdemJahr788wissenwir,dassKundldamalsausderKircheundzwlfGternbestand.Bisins18./19.JahrhunderthieltsichdieGreinetwa.

    DieEntstehungLiesfeldsgehtaufdas7.Jhzurck(Luog=Versteck).ImGegensatzzuKundlistsiewiestlichvonKundlauchRadfeldeineneuere,deutschegrundherrlich-aribonischange-legteAusbausiedlung.

    Diedamalige landwirtschaftlicheNutzflche vonKundl undLiesfeldaufdemSchwemmkegelwurde imLaufe der folgenden Jahrhundertewesentlich vergrert, indemdieWildschnauerAcheverarchte,derInnstromeingedmmtwurde-insbesonderedurchdiek.u.k.Sdbahn-undbislangfrHttwerkegenutzteFlchenderLandwirtschaftberfhrtwurden.

    DerUrsprungSauluegsistnichtgekannt.DieHochsieldungistwahrscheinlicheineSchwaig-hofsiedlungausdem12./13.Jhdie in den Hochtlern und auf den Berghngen die obersten Streifen des besiedelten Raumes, und darin besteht ihre ganz eigenartige Stellung in der Sied-lungsgeschichte der Alpen, einnehmen28.

    BisindasfrheMittelaltergabesindenNebentlernundHochlagenkaumDauersiedlungen,alleSiedlungsaktivittenwarenklimatischundtopographischaufdenTalbodenbeschrnkt,esblieben zurBesiedlungnurdieLagenentlangderFlsse,die immerDurchzugsrumewaren.DeswegenwarenHandelundVerkehrwirtschaftlicheGrundlagederTirolerSiedlungen.

    ImfrhenMittelalteretabliertesichdieStreusiedlungaufGrundbayrischerZuwandererinTirolnebendemgeschlossenenMassendorfoderHaufendorf(Sammelsiedlungen)alseinweitererSiedlungstyp.Die Siedlungsform auf der spteren, bajuwarischen Grundlage unterscheidet sich augenfllig vom alten rtoromanischen Siedlungsgedanken. Die erst in spterer Zeit erschlossenen Tler und Siedlungspltze kennen fast nur die Streusiedlung im weiteren Sinne.29

    86.Abbildung:VerbreitungsgebietdesStreu-undSammelsiedlungsraumsinTirol(CzekeliusS.18)

    KundlliegtaneinertopographischbegnstigtenStelleTirols,weswegendortschonvorErobe-rungdurchdieRmerSiedlungsttigkeitenvermutetwerden.TatschlichstelltsichderKundlerSiedlungskernheutenochalsgeschlossenesHaufendorfdar,dassichanseinenmittelalterlichenRndern imSinneeinerStreusiedlungausbreitete.Abbildung86zeigt,wieKundlalsTeildesInntalszumSammelsiedlungsraumgehrt.BevlkerungswachstumundBodenmangelfhrtenimMittelalterdazu,dassauchwenigergutgeeigneteSiedlungslagenbesiedeltwurden.DerOrtsteilSauluegwirdspteralsdergnstigergelegeneTalbodenbesiedeltwordenseinundgehrtsomitdemStreusiedlungsgebietan.InFolgewurdebisins14.JhinimmerhhereLagenvorgedrungenundnochbisins19.JhdieUmwandlungvonWildlandinAgrarlandforciert.

    InTirolsteigenabdem12.JheinzelneGrafenauf,bisdieseum1248unterAlbertIII.vonTirolvereintwurden,worausbis1295dasLandTirolentstand.1363gelangtTirolmangelsErbenan dieHabsburger.Nach1439 ist Tirol selbstndiges habsburgisches Landesfrstentum.Abca.1500gehrtdasGerichtRattenberginklusiveKundldemLandesfrstentummitinzwischenlandstndigerVerfassungan.

    Am Ende des 14. Jahrhunderts wurde dasSchloss Hochholdingen errichtet. WomglichwurdedabeieinerderehemalsderKirchezugeordnetenMeierhfeadaptiert.Zwischen1658

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  • und1945beherbergtedasSchlossdieKundlerBrauerei,danachdieBiochemieGes.m.b.H.bzw.FirmaSandoz.

    Um1470siedeltensichimbisdahinreinbuerlichgeprgtenKundlmehrereSchmelzerentlangderKundlerAchean.AnvieleGewerbetreibendeundSporierknechtewurdennachAuflassderHttwerke1742vonderMarktgemeindeGrundstckeverkauft,weswegeninFolgevieleKlein-husler(Besitzvon1-3Khen)imOrtwohnten.VielelieendenBetreibnachdem2.Weltkriegauf.

    Lendemglichkeiten und jene Pltze, an denen der Inn leicht zu bersetzen war, boten dieVoraussetzungfrdieEntstehungeinerStadt.DainRattenbergundinWrglgnstigereFluss-berfuhrenbestanden, konnteKundl niemalseineStadtwerden.Kundl kamdahereher einebuerlichundgewerblichversorgendeRollezuunddientealsZwischenstationundRastplatzanderdasInntalprgendenLandstrae.

    neuzeit

    im16.JhwirddieAusbreitungdesProtestantismusunddesTufertumsvonderstaatlichenundgeistlichenObrigkeit unterdrckt. Die religise Erneuerung erfolgt durch neueOrden, haupt-schlichdurchdieJesuitenunddieKapuziner.1665sterbendieTirolerHabsburgeraus,womitKaiserLeopoldI.dieRegentschaftbernimmt.Ab1720giltTirolalsintegrierterBestandteilderhabsburgischenErblnder.1805gelangtTirol zumzentralistisch regiertenBayern.DurchdenWienerKongressflltTirolwiederansterreich.

    Die prgendeFlurformwar imMittelalter dieBlockflur, da einemBauernhof vonKircheoderAdeldasihnumgrenzendeunregelmigeGelndezugewiesenwurde.IndenHhenlagenhatsichdieseFlurordnungbisheuteerhalten,dadenBauerndortdurchihreHilfebeimKultivierendesklimatischungnstigenWildlandesmehrEigentumsrechtezuteilwurden.Um1748erfolgteeineFlurbereinigunginKundlundLiesfeld.ZudieserZeitwarendieParzellenteilungenschonunpraktikabelweitfortgeschritten.

    Mittedes19.JhwirddasVerkehrsnetzinTirolausgebautundTirolfrIndustrieundFremdenver-kehrerschlossen.1858wirddieEisenbahnliniedurchdasUnterinntalnachInnsbruckerrichtet.

    Durchden1.WeltkriegwirdTirolumSdtirolkleiner.Nachdem2.WeltkriegwirdTirolunddamitauchKundlvonfranzsischenTruppenbesetzt.

    87.Abbildung:AnsichtKundlca.1930(PhotoarchivHannesSollerer)

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  • 88.Abbildung:AnsichtKundlca.1935(PhotoarchivHannesSollerer)

    89.Abbildung:AlteAnsichtskarteKundl(PhotoarchivHannesSollerer)

    zeitgeSchichte

    SeitdemEndedes2.WeltkriegswurdedasKundlerSiedlungsgebietvorwiegendentlangderAcheundderKlammstrae,alsoimaltenAugebiet,dasimMittelalteralsAllmendegedienthatte,starkausgeweitet.HauptschlicherfolgtedieSiedlungserweiterungberEin-undZweifamili-enhuser(zw.1945und1986ca.250erbaut).DurchAsphaltierung,BegradigungundVerbrei-terungderStraenundKanalisierungdesgesamtenOrteswurdedasOrtsbildstarkverndert.

    90.Abbildung:LuftbildKundlca.1950(PhotoarchivHannesSollerer)

    Abbildung90zeigt,wiesichnochvorErrichtungderUmfahrungsstraeimSdenderOrtentlangderAche,entlangderStraezumBahnhofundentlangdesMhlbachsausbreitete.

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  • 91.Abbildung:AnsichtKundlca.1953(PhotoarchivHannesSollerer)

    AusdemJahr1952stammtdieUmfahrungsstraeimSdenmitUnterfhrungenseit1970bzw.1971, aus jngerer Zeit dieBahntrassenunterfhrung amRiedmannAreal und von 1972 dieInntalautobahnmiteinerAb-undAuffahrt zwischenKundlundWrglunddamit verbundenerUmlegungderStraenachBreitenbach.

    DerMhlbachwurde1969stillgelegt,dieWildschnauerAcheinKundlvon1953-1971immerweiterreguliertundverbaut.

    Wirtschaftlichkamesnachdem2.WeltkrieginKundldurchinnovativeIndustriebetriebe(Trakto-renwerkLindner,BiochemieSandoz,...)zueinemwirtschaftlichenAufschwung.1890warennoch70%derTiroler inLand-undForstwirtschaftbeschftigt.Daherkonntesich inKundlbislanginIndustrieoderGewerbenochkeineBautraditionentwickeln,daseineWurzeln inLand-undForstwirtschaftliegen.

    NebendemGelndederFirmaSandozwurdeGewerbeaufdemehemalssumpfigenGelndedesLunaangesiedelt.AlsneuesGewerbegebietistderBereichzwischenBahntrasseundInntal-autobahnwestlichderAutobahnab-und-auffahrtgeplant.

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    Ab 79.Abbildung:KundlundLiesfeldvorderFlurzusammenlegung1748(Bachmann(1986)FalttafelII)

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    Ab80.Abbildung:Innstromkarte1800(LandTiroltirisKartendienste)

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    Ab 81.Abbildung:ErsteJosephinischeLandesaufnahme1805(LandTiroltirisKartendienste)

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    Ab82.Abbildung:ZweiteJosephinischeLandesaufnahme1816(LandTiroltirisKartendienste)

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    Ab 83.Abbildung:KulturenSkelettKarte1860(LandTiroltirisKartendienste)

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    Ab84.Abbildung:DritteLandesaufnahme1870(LandTiroltirisKartendienste)

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    Ab 85.Abbildung:USArmyMapServiceAustria(AMSSeriesM871)1952(LandTiroltirisKartendienste)

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  • Falllinie des Schw

    emmkegels

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    Hhenlinie des Schwemmkegelslinkes Hochufer der Ache =

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  • Falllinie des Schw

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    Hhenlinie des Schwemmkegelslinkes Hochufer der Ache =

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    Ab92.Abbildung:KundlerErschlieungsstruktur1748(Datengrundlage:Hhenlinien&DKMGemeindeKundl,Kartengrundlage:Bachmann(1986)FalttafelII)

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  • Pendelbewegung

    Eingliederung der alten Landstrae in Haufendorf

    Wege nach Hierarchie

    Wegeverteilung

    Verzahnung des Haufendorfes mit der Landschaft

    vertikale Anhaltspunkte parallel zum Inntal

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    Ab 93.Abbildung:KundlerErschlieungsstruktur1805(Kartengrundlage:ErsteJosephinischeLandesaufnahme,Datengrundlage:DKMGemeindeKundl)

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  • Orientierung parallel zum Inntal

    Orientierung quer zum Inntal

    vertikale Anhaltspunkte parallel zum Inntal

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    Pendelbewegung

    Eingliederung der alten Landstrae in Haufendorf

    Wege nach Hierarchie

    Wegeverteilung

    Verzahnung des Haufendorfes mit der Landschaft

    vertikale Anhaltspunkte parallel zum Inntal

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    Ab96.Abbildung:KundlerErschlieungsstruktur2009(Datengrundlage:Hhenlinien&DKMGemeindeKundl)

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  • Wesentlicher Bestandteil der Siedlungsstruktur ist die Erschlieungsstruktur. Fr die Leben-digkeit einer Siedlung sind eher die Erschlieungsnetze zwischen denBaustrukturen als dieBaustrukturenselbstverantwortlich.OhnesiesindSiedlungennichtdenkbar.DementsprechendgroistihrEinflussaufdieEntwicklungunddieStrukturenderSiedlungen.EinerseitsvermgensieDistanzenzuverkrzen,andererseitsknnensieauchGrenzendarstellen.DieseDiskrepanzfhrtblicherweisezubeeindruckendenErgebnissen.SoknnenGrenzenzuVerbindungenundVerbindungenzuGrenzenwerden,jenachdem,wasdiejeweiligeZeitverlangt.Vergleichtman die Erschlieungsnetze unterschiedlicher Zeiten, so wird deren strukturelle Permanenzdeutlich. Bereits bestehendeWegstrukturenwerden bernommen und durch neue verdichtetundergnzt.

    EinerseitsistdieErschlieungsstruktureinFaktorderSiedlungsgestalt,indemhistorische,ber-regionale und lokaleWegsysteme eine Verdichtung von Baukrpern an hochrangigen Kreu-zungspunkten dieserWege bewirken.Andererseits unterliegen dieErschlieungsnetze selbstEinflssen,beispielsweiseausdemBereichder technologischenEntwicklung.MitderEinfh-rungoderauchmassenhaftenVerbreitungneuerVerkehrsmittelndernsichdieAnforderungenandieErschlieungsstrukturunddamitdieBaustruktur.DiestrifftinsbesondereinneuenSied-lungsgebietenzu.

    SiedlungSforMen

    ImHaufendorfKundlherrschteineunregelmigeBlockflurvor.InjedemBlockregelloserGestaltundGrebefindetsicheinHof.InHaufendrfernfhrendieWegeoftmalsausgehendvonwesentlichenPunktendesDorfeswiederKircheoderBrckenendpunktenungeordnetindasUmfeldzudenWirtschaftsflchen.DerDorfabschlusszurFlur istnichteinheitlichsondernverzahntsichmitihr.

    Die charakteristische verzahnte Einbettung des Siedlungskrpers in den Landschaftsraum ist wesentlich fr das drfliche Erscheinungsbild, das Erbe einer buerlichen Kultur ist. Steht Kundl weiterhin zu dieser Identitt, wird dieser verzahnte bergang erhalten bleiben mssen. Bewegt sich Kundl auf eine neue, stdtische Identitt zu, wird eine klare Abgrenzung zum Landschaftsraum anzuraten sein.

    Das Haufendorf lsst keine singulre, innere hochrangige lineare Erschlieung zu. Es bedingt ein dezentrales Erschlieungssystem. Durch den Vorteil der rumlichen Nhe im Haufendorf ist der nichtmotorisiertVerkehr, der die Entwicklung des Dorfes vor 1950 stets geprgt hatte, jene dezentrale Erschlieungsform, die in der Ebene des Inntals die naheliegendste ist. Die Isochronen in Abbildung98 zeigen, wie gnstig die Ausgangslage Kundls fr eine Schwerpunktsetzung auf den nicht motorisierten Verkehr und zur Entwicklung zu einem smart village ist. Innerhalb von 10Minuten ist das Siedlungsgebiet Kundls von der Kirche aus eben zu Fu erreichbar, das gesamte Gemeindegebiet innerhalb von 10 Minuten mit dem Fahrrad.

    Die bedeutenden parallel zum Inntal ausgerichteten, linearen Erschlieungen knnen sich darauf beschrnken, den berrtlichen Verkehr nur an oder in den Ort zu bringen. Ausge-hend von diesen linearen Erschlieungen kann die innerrtliche Verteilung ber nichtmotorisierteVerkehrsmittel erfolgen (Walk & Ride, Bike & Ride, Park & Ride, Sammelpark-pltze). Diese Strategie kann sowohl fr die gesamte Gemeinde als auch fr einzelne Entwick-lungsgebiete oder Wohnkomplexe Anwendung finden. Besondere Beachtung mssen dabei Knotenpunkte zwischen berregional niedrigrangiger bzw. lokal hochrangiger quer zum Fluss gerichteter Erschlieung und lokal niedrigrangiger bzw. regional hochrangiger parallel zum Fluss gerichteter Erschlieung finden (s.Abbildungen94u.95).

    Das System der mit zentralen Nutzungen belegten West-Ost gerichteten Verkehrsachsen und den kleinteilig innerrtlich vernetzenden Nord-Sd gerichteten Wegen erweist sich insofern als energieeffizient, als dass die Wege von einem Wohnhaus zu einer zentralen Einrichtung im schmalen Inntal sehrkurz bleiben und als dass dieses System theoretisch solange erwei-terbar ist, bis man an die Grenzen der nchstliegenden Siedlungseinheit im Inntal stt. Es ist anzuraten, sich weiterhin auf dieses System zu verlassen und dabei rumlich nach West und Ost zu begrenzen.

    DieWaldhufen