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12 badische zeitung kultur freitag, 14. dezember 2018 Bei wem liegt der Ball? Rektor Hans-Jochen Schiewer will ein Nachfolgeprodukt für die Freiburger Universitätsblätter – der Verlag sieht sich außen vor Fallen die „Blätter“, oder fallen sie nicht? Die Debatte um die Zukunft der Freibur- ger Universitätsblätter ist noch nicht zu Ende. Sagt der Rektor der Albert-Ludwigs- Universität, Hans-Jochen Schiewer, in dessen Auftrag das Periodikum bislang er- schienen war: „Die Universitätsblätter werden nicht eingestellt, sie sollen in einer neuen Form erscheinen“, so Schie- wer gegenüber der Badischen Zeitung. Dort war am 10. Dezember zu lesen, dass die seit 1962 in quartalsmäßigem Turnus erscheinenden Hefte mit der aktuellen Ausgabe Geschichte sein werden. Das wiederum unterstreicht Verleger And- reas Hodeige vom Freiburger Rombach- Verlag, bei dem die Universitätsblätter er- scheinen und der sie gerne fortgeführt hätte: „Der Titel kann gar nicht weiterge- führt werden, er liegt beim Verlag.“ In der Summe widersprechen sich die beiden Aussagen indes kaum. Wie Hans- Jochen Schiewer ausführt, ist die Univer- sität daran interessiert, das Periodikum weiterzuführen. Unter welchem Titel, lässt er im BZ-Gespräch offen. Das Pro- dukt soll sich ohnedies in wesentlichen Punkten von den bisherigen Universitäts- blättern unterscheiden. Am augenfälligs- ten ist die Fortführung als Online-Publika- tion mit der Option „Print on demand“. Schiewer möchte, dass sich darin ver- stärkt eine inhaltliche Wahrnehmung der Universität spiegelt, mit Schwerpunkt- themen aus Lehre und Forschung, stärker internationalisiert, und deshalb auch in englischer Sprache. Die Finanzierung, so Schiewer, obläge dann nicht mehr, wie bisher, den drei Fördervereinigungen (Verband der Freunde der Universität, Wissenschaftliche Gesellschaft, Alumni), sondern der Universität. Wie berichtet hatten sich diese gegen eine weitere Zu- wendung finanzieller Mittel an die Uni- versitätsblätter ausgesprochen. Michael Lauk, der Vorsitzende des Ver- bands der Freunde der Universität, be- gründet diese Entscheidung noch einmal gegenüber der BZ. Sein Verband habe schon im April 2017 angekündigt, dass er die finanziellen Mittel nicht mehr auf- bringen könne. Vor allem, weil er sich verstärkt auf seine Kernaufgabe konzen- trieren müsse: die Förderung des wissen- schaftlichen Nachwuchses. Mit einer feindseligen Haltung den Geisteswissen- schaften gegenüber habe das nichts zu tun. Lauk: „Wir unterstützen zu 80 Pro- zent Geisteswissenschaftler.“ Richtig Konkretes zur möglichen Nach- folgepublikation gibt es derweil noch nicht. Der Rektor verweist auf ein Schrei- ben, das er im November an Andreas Ho- deige geschickt habe und in dem er ihn über seine Pläne unterrichtete. Darin heißt es unter anderem, dass das künftige digitale Magazin auch „jüngere Zielgrup- pen“ erreichen solle. Eine interne Arbeitsgruppe werde eine Konzeption er- arbeiten. Also liegt der Ball beim Verlag? Das sieht man dort nicht so. „Wie soll ich darauf reagieren?“, fragt Andreas Ho- deige. Zumal wenn sein Verlag als über Jahrzehnte involvierte Institution ganz of- fensichtlich nicht in die Konzeption mit einbezogen werde. Er habe Jahr für Jahr bis zu 10 000 Euro zu den Produktions- kosten zugewendet. Dass Handlungsbe- darf in Sachen Konzeption und Optik be- stehe, sieht er ebenfalls. Aber: Sein Haus und der bisherige Schriftleiter, der Frei- burger Emeritus der Literaturwissen- schaft, Günter Schnitzler, hätten bereits vor zwei Jahren einen Vorschlag für eine Neukonzeption vorgelegt. Ohne Reak- tion. Wie es nun weitergeht, ist offen. Werner Frick, Schnitzlers Nachfolger, auch als Schriftleiter, formuliert es vor- sichtig: Er bedaure den Verlust der Uni- versitätsblätter in ihrer bisherigen Form zutiefst, aber angesichts der entschiede- nen Positionierung der drei Förderver- einigungen sei er wohl unvermeidlich. Antworten auf alle nachgeordneten Fragen müssen sich finden: Etwa darauf, inwieweit das Studium generale, dem die Redaktion der Blätter bislang oblag, bei einer möglichen Zukunft noch mit im Spiel ist. Frick selbst hält dies angesichts der geänderten Konzeption für unwahr- scheinlich und sieht die Zuständigkeit für ein elektronisches Nachfolgeorgan nach den Vorstellungen des Rektorats eher bei der Unileitung und deren Presse- und Öf- fentlichkeitsreferat. Alexander Dick Kammermusikalische Veredelung Voll im Trend: Pop-Sängerin Keren Ann tritt in Mulhouse, Jazz-Pianist Iiro Rantala in Freiburg mit Streichquartett auf Vor 45 Jahren hat das Kronos Quartet es vorgemacht, heute ist es eine Selbstver- ständlichkeit: die Öffnung des Streich- quartetts für jedes nur erdenkliche Mu- sikgenre. Gehörte es eine Zeit lang zum guten Ton für gestandene Popmusiker (unter ihnen Sting und Peter Gabriel), das Repertoire mit komplettem Symphonie- orchester auf die Bühne zu bringen, häuft sich im Pop – aber auch im Jazz, dem Folk, der Weltmusik – seit einigen Jahren der konzentrierte Dialog mit vier- oder auch mal fünf Streichern. Die Initiative fürs Teamwork kann dabei von beiden Seiten ausgehen – und das Ergebnis hat ein wei- tes Spektrum von veredelnder harmoni- scher Stütze bis zu spannendem Dialog durch neue Arrangements. Mit ihrem aktuellen Programm liegt die Sängerin Keren Ann also voll im Trend. Sie hat sich als Partner einen kam- mermusikalischen Klangkörper ohne Scheuklappen ausgesucht. Das Quatuor Debussy hat in seiner 30-jährigen Ge- schichte nicht nur ein Repertoire mit Spe- zialisierung auf französische Komponis- ten erarbeitet, die Streicher fanden sich auch regelmäßig zu Projekten mit Tän- zern, Theater- und Zirkusleuten zusam- men. Gerade veröffentlichten die vier aus Lyon ein Album, auf dem sie mit Gästen wie dem Akkordeonisten Vincent Peirani oder dem Pianisten Jacky Terrasson der Musik Claude Debussys jazzige Seiten ab- gewinnen. Was prädestiniert Keren Ann zum Musizieren mit diesem Quatuor? Ihre Biographie ist geradezu abenteuer- lich: 1974 geboren in Israel, Tochter eines russischen Juden und einer hollän- disch-javanesischen Mutter, wuchs sie in den Niederlanden und in Paris auf, stu- dierte im kalifornischen San Diego. In ihrer eigenen Klangwelt bündelt sich die- ses genealogische „Chaos“ zu melancho- lischen Chansons mit Schattierungen von Indierock, Folk und Blues. Ein Sechziger- flair liegt über vielen ihrer Kompositio- nen, Manche erinnert ihr hauchiges Timbre, ihre beiläufige Gesangsweise an die frühe Françoise Hardy. Von Beginn an bezieht sie auch immer wieder kammer- musikalische Streicherklänge in ihre Ar- rangements mit ein. Im Verlauf ihrer Kar- riere erprobt Keren Ann die unterschied- lichsten Settings, schreibt mit dem Neo- Chansonnier Bejamin Biolay für den gro- ßen Henri Salvador, schließt sich für eine Oper mit Björk zusammen, arbeitet mit dem Jazztrompeter Avishai Cohen, saugt das Lebensgefühl Brooklyns auf, ihrer vor- übergehenden Heimat. Kein Genre scheint ihr fremd zu sein: In den vergangenen Jahren hat Keren Ann vom Flirt mit Electropop übers Thea- ter bis zur Interpretation israelischer Volkslieder einen weiten Bogen geschla- gen. Und doch blieb ihr delikates Song- writing immer im Zentrum. Die Transpa- renz ihrer Lieder, die elegischen Züge, der ungekünstelte Gesangsgestus – all das lässt viel Spielraum für eine Textur mit Streichern, die im Ergebnis dann nicht ein Füllsel, sondern klanglichen Reich- tum liefert, ihr Storytelling mit den gro- ßen Themen von Liebe und Tod noch mehr ins Zentrum rückt als bei einer Bandbegleitung. In ihrer Zwiesprache mit dem Quatuor Debussy blättert sie das viel- leicht intimste Kapitel ihrer Karriere auf – und schlägt unter diesen neuen Vorzei- chen im Konzert zugleich einen Bogen vom ersten bis zum aktuellen Album. Begegnen sich bei Keren Ann Pop und Klassik, so ist es bei Iiro Rantala die Zwie- sprache mit dem Jazz, wenn er Freitag- abend mit dem Zürcher Galatea-Quartett auf die Bühne des Freiburger E-Werks geht. Der finnische Pianist pflegt seit je- her ein Spiel, das souverän in die Klassik ausbuchten kann. Und auch von Galatea- Seite gehören Crossover zum Inventar: Die vier jungen Schweizer verfügen nicht nur über ein Spektrum von der Belle Epoque bis zur helvetischen neuen Mu- sik, sie haben auch mit Deep Purples Jon Lord musiziert, sich des Tangos angenom- men oder Pink-Floyd-Kompositionen ver- wandelt. Streicher und Tastenmann ge- hen im Programm beide aufeinander zu: Die „Galateas“ tauchen in Rantalas Jazz- vokabular ein, doch zentral wird eine neue Ausdeutung von Mozarts Klavier- konzert Nr. 21 sein. 2019 geht es im E- Werk mit kaukasisch-orientalischen Streichquartettfarben aus der Regio wei- ter: Das Freiburger Camerata Quartett trifft dann in Kompositionen des Georgi- ers Sulchan Tsintsadse und Rabih-Abou- Khalils auf die Perkussionskünste von Murat Coskun. Stefan Franzen Konzerte: Freitag, 14. Dezember, Freiburg, E-Werk, Iiro Rantala & Galatea String Quartet, 20 Uhr; Dienstag, 18. Dezember, Mulhouse, Filature, Keren Ann & Quatuor Debussy, 20 Uhr; Sonntag, 6. Januar, Freiburg, E-Werk, Murat Coskun & Camerata Quartett, 19 Uhr. Der Nino aus Wien in der Mensa Bar Freiburg Da steht der kleine schmächtige Mann mit seiner kleinen Schrammelgitarre ein wenig verbogen, hübsch unpassend angezogen aus dem Altkleidersack und er scheint zu verschwinden in diesen manchmal monumentalen Liedern, die wie Klassiker klingen. Wie Dylan (womit er kokettiert), Kinks (die er zitiert), Beatles (was er nicht verrät). Manche Stücke sind tatsächlich große Entwürfe, manche eher hingerotzte Gassenhauer. Nach zahlreichen Auf- tritten in Freiburg vor allem im Swamp hat es den Nino aus Wien in die Men- sa-Bar verschlagen, wo alles ein wenig größer ist: der Sound, die Bühne, der einigermaßen gefüllte Saal. „Unent- schieden in Ried“ ist so ein unglaub- liches Lied, das an den Himmel klopft, dabei kritisiert es „nur“ das fußballe- rische Niveau von Rapid (Wien). Die großartige, vielseitige Band spielt es etwas ruppiger als auf dem neuen Al- bum, das schlicht „Der Nino aus Wien“ betitelt ist. „Neunjähriges Bandjubi- läum und zehnjähriges Plattenjubilä- um“, nölt der Nino charmant schlaf- wandlerisch, deswegen gibt es auch ein paar ältere Songs, einen davon spielt er fast immer: eines der besten Lieder über Kunst überhaupt. „Es geht immer ums Vollenden“ kommt als altersweise, knapp zehnminütige Piano-Ballade. Der rätselhafte Lieder-Zauberer hat noch so viel zu erzählen, bevor er am Schluss nochmal das Tourmotto for- muliert: „Simply have a wonderful christmas time“. Joachim Schneider KRITIK IN KÜRZE Erfolg für Adolphe Binder Tanztheaterchefin klagt erfolgreich gegen Kündigung Die im Juli gekündigte Intendantin am Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, Adolphe Binder, hat mit Erfolg dagegen geklagt. Die Kündigung sei unwirksam, entschied das Arbeitsgericht in Wupper- tal am Donnerstag nach einer mündli- chen Verhandlung. Richter Carsten Gi- ronda sagte, die angeführten Gründe und das Vorgehen rechtfertigten den Schritt nicht. Die Vertreter des Tanztheaters kün- digten an, wahrscheinlich in Berufung zu gehen. Mit der am 13. Juli 2018 ausge- sprochenen fristlosen Kündigung wollte der Beirat des weltberühmten Tanzthea- ters nach eigenen Worten die Handlungs- fähigkeit wiedererlangen. Binder wurde das Fehlen eines realisierbaren Spielplans für die nächste Saison vorgeworfen. Auch wurde ihr Führungsstil kritisiert. Richter Gironda setzte in der Verhandlung an mehreren Punkten Fragezeichen hinter das Handeln der Geschäftsführung: „Sie haben nichts gemacht, um besonders zu deeskalieren“, sagte er in Richtung Ge- schäftsführung des Tanztheaters. Seit Mitte November hat die Kulturma- nagerin Bettina Wagner-Bergelt die künst- lerische Leitung des Tanzensembles. 2019 jährt sich der Todestag der Begrün- derin der Compagnie und Choreographin Pina Bausch zum zehnten Mal. dpa Was wohl Homer und Aristoteles vor der Freiburger Alma mater zur De- batte um die Universitätsblätter sa- gen würden? FOTO: THOMAS KUNZ Keren Ann bei den Proben mit dem Quatuor Debussy FOTO: LOLL WILLEMS Adolphe Binder FOTO: DPA Keren Ann: You’re Gonna Get Love (Polydor) Quatuor Debussy: Quatuor Debussy et Le Jazz (Harmonia Mundi) Galatea Quartet: Tango (Sony) Iiro Rantala & Deutsche Kammer- philharmonie Bremen: Mozart, Bernstein, Lennon (ACT/Edel) Quatuor Ébène: Brazil (Erato) Sílvia Pérez Cruz: Vestida De Nit (Universal Spain) Sarah Ferri: Strings Sessions (Jazz- haus Records/in-akustik) Danish String Quartet: Last Leaf (ECM) Trio Da Kali & Kronos Quartet: Ladilikan (World Circuit/Indigo) INFO CD-TIPPS

Layout 14.12.2018/fre-12/kul/kul2/A/21:00/ngendaemon2 a · Voll im Trend: Pop-Sängerin Keren Ann tritt in Mulhouse, Jazz-Pianist Iiro Rantala in Freiburg mit Streichquartett auf

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  • 12 b a d i s c h e z e i t u n g kultur freitag, 14 . dezember 2018

    Bei wem liegt der Ball?Rektor Hans-Jochen Schiewer will ein Nachfolgeprodukt für die Freiburger Universitätsblätter – der Verlag sieht sich außen vor

    Fallen die „Blätter“, oder fallen sie nicht?Die Debatte um die Zukunft der Freibur-ger Universitätsblätter ist noch nicht zuEnde. Sagt der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität, Hans-Jochen Schiewer, indessen Auftrag das Periodikum bislang er-schienen war: „Die Universitätsblätterwerden nicht eingestellt, sie sollen ineiner neuen Form erscheinen“, so Schie-wer gegenüber der Badischen Zeitung.Dort war am 10. Dezember zu lesen, dassdie seit 1962 in quartalsmäßigem Turnuserscheinenden Hefte mit der aktuellenAusgabe Geschichte sein werden. Daswiederum unterstreicht Verleger And-reas Hodeige vom Freiburger Rombach-Verlag, bei dem die Universitätsblätter er-scheinen und der sie gerne fortgeführthätte: „Der Titel kann gar nicht weiterge-führt werden, er liegt beim Verlag.“

    In der Summe widersprechen sich diebeiden Aussagen indes kaum. Wie Hans-Jochen Schiewer ausführt, ist die Univer-sität daran interessiert, das Periodikumweiterzuführen. Unter welchem Titel,lässt er im BZ-Gespräch offen. Das Pro-dukt soll sich ohnedies in wesentlichenPunkten von den bisherigen Universitäts-blättern unterscheiden. Am augenfälligs-ten ist die Fortführung als Online-Publika-tion mit der Option „Print on demand“.Schiewer möchte, dass sich darin ver-

    stärkt eine inhaltliche Wahrnehmung derUniversität spiegelt, mit Schwerpunkt-themen aus Lehre und Forschung, stärkerinternationalisiert, und deshalb auch inenglischer Sprache. Die Finanzierung, soSchiewer, obläge dann nicht mehr, wiebisher, den drei Fördervereinigungen(Verband der Freunde der Universität,Wissenschaftliche Gesellschaft, Alumni),sondern der Universität. Wie berichtethatten sich diese gegen eine weitere Zu-wendung finanzieller Mittel an die Uni-versitätsblätter ausgesprochen.

    Michael Lauk, der Vorsitzende des Ver-bands der Freunde der Universität, be-gründet diese Entscheidung noch einmalgegenüber der BZ. Sein Verband habeschon im April 2017 angekündigt, dass erdie finanziellen Mittel nicht mehr auf-bringen könne. Vor allem, weil er sichverstärkt auf seine Kernaufgabe konzen-trieren müsse: die Förderung des wissen-schaftlichen Nachwuchses. Mit einerfeindseligen Haltung den Geisteswissen-schaften gegenüber habe das nichts zutun. Lauk: „Wir unterstützen zu 80 Pro-zent Geisteswissenschaftler.“

    Richtig Konkretes zur möglichen Nach-folgepublikation gibt es derweil nochnicht. Der Rektor verweist auf ein Schrei-ben, das er im November an Andreas Ho-deige geschickt habe und in dem er ihn

    über seine Pläne unterrichtete. Darinheißt es unter anderem, dass das künftigedigitale Magazin auch „jüngere Zielgrup-pen“ erreichen solle. Eine interneArbeitsgruppe werde eine Konzeption er-arbeiten. Also liegt der Ball beim Verlag?

    Das sieht man dort nicht so. „Wie sollich darauf reagieren?“, fragt Andreas Ho-deige. Zumal wenn sein Verlag als über

    Jahrzehnte involvierte Institution ganz of-fensichtlich nicht in die Konzeption miteinbezogen werde. Er habe Jahr für Jahrbis zu 10000 Euro zu den Produktions-kosten zugewendet. Dass Handlungsbe-darf in Sachen Konzeption und Optik be-stehe, sieht er ebenfalls. Aber: Sein Hausund der bisherige Schriftleiter, der Frei-burger Emeritus der Literaturwissen-schaft, Günter Schnitzler, hätten bereitsvor zwei Jahren einen Vorschlag für eineNeukonzeption vorgelegt. Ohne Reak-tion. Wie es nun weitergeht, ist offen.Werner Frick, Schnitzlers Nachfolger,auch als Schriftleiter, formuliert es vor-sichtig: Er bedaure den Verlust der Uni-versitätsblätter in ihrer bisherigen Formzutiefst, aber angesichts der entschiede-nen Positionierung der drei Förderver-einigungen sei er wohl unvermeidlich.

    Antworten auf alle nachgeordnetenFragen müssen sich finden: Etwa darauf,inwieweit das Studium generale, dem dieRedaktion der Blätter bislang oblag, beieiner möglichen Zukunft noch mit imSpiel ist. Frick selbst hält dies angesichtsder geänderten Konzeption für unwahr-scheinlich und sieht die Zuständigkeit fürein elektronisches Nachfolgeorgan nachden Vorstellungen des Rektorats eher beider Unileitung und deren Presse- und Öf-fentlichkeitsreferat. Alexander Dick

    Kammermusikalische VeredelungVoll im Trend: Pop-Sängerin Keren Ann tritt in Mulhouse, Jazz-Pianist Iiro Rantala in Freiburg mit Streichquartett auf

    Vor 45 Jahren hat das Kronos Quartet esvorgemacht, heute ist es eine Selbstver-ständlichkeit: die Öffnung des Streich-quartetts für jedes nur erdenkliche Mu-sikgenre. Gehörte es eine Zeit lang zumguten Ton für gestandene Popmusiker(unter ihnen Sting und Peter Gabriel), dasRepertoire mit komplettem Symphonie-orchester auf die Bühne zu bringen, häuftsich im Pop – aber auch im Jazz, dem Folk,der Weltmusik – seit einigen Jahren derkonzentrierte Dialog mit vier- oder auchmal fünf Streichern. Die Initiative fürsTeamwork kann dabei von beiden Seitenausgehen – und das Ergebnis hat ein wei-tes Spektrum von veredelnder harmoni-scher Stütze bis zu spannendem Dialogdurch neue Arrangements.

    Mit ihrem aktuellen Programm liegtdie Sängerin Keren Ann also voll imTrend. Sie hat sich als Partner einen kam-mermusikalischen Klangkörper ohneScheuklappen ausgesucht. Das QuatuorDebussy hat in seiner 30-jährigen Ge-schichte nicht nur ein Repertoire mit Spe-zialisierung auf französische Komponis-ten erarbeitet, die Streicher fanden sichauch regelmäßig zu Projekten mit Tän-zern, Theater- und Zirkusleuten zusam-men. Gerade veröffentlichten die vier ausLyon ein Album, auf dem sie mit Gästenwie dem Akkordeonisten Vincent Peiranioder dem Pianisten Jacky Terrasson derMusik Claude Debussys jazzige Seiten ab-gewinnen. Was prädestiniert Keren Annzum Musizieren mit diesem Quatuor?

    Ihre Biographie ist geradezu abenteuer-lich: 1974 geboren in Israel, Tochtereines russischen Juden und einer hollän-disch-javanesischen Mutter, wuchs sie inden Niederlanden und in Paris auf, stu-dierte im kalifornischen San Diego. Inihrer eigenen Klangwelt bündelt sich die-ses genealogische „Chaos“ zu melancho-lischen Chansons mit Schattierungen vonIndierock, Folk und Blues. Ein Sechziger-flair liegt über vielen ihrer Kompositio-nen, Manche erinnert ihr hauchigesTimbre, ihre beiläufige Gesangsweise andie frühe Françoise Hardy. Von Beginn anbezieht sie auch immer wieder kammer-musikalische Streicherklänge in ihre Ar-rangements mit ein. Im Verlauf ihrer Kar-riere erprobt Keren Ann die unterschied-lichsten Settings, schreibt mit dem Neo-Chansonnier Bejamin Biolay für den gro-ßen Henri Salvador, schließt sich für eineOper mit Björk zusammen, arbeitet mitdem Jazztrompeter Avishai Cohen, saugtdas Lebensgefühl Brooklyns auf, ihrer vor-übergehenden Heimat.

    Kein Genre scheint ihr fremd zu sein:In den vergangenen Jahren hat Keren

    Ann vom Flirt mit Electropop übers Thea-ter bis zur Interpretation israelischerVolkslieder einen weiten Bogen geschla-gen. Und doch blieb ihr delikates Song-writing immer im Zentrum. Die Transpa-renz ihrer Lieder, die elegischen Züge,der ungekünstelte Gesangsgestus – all daslässt viel Spielraum für eine Textur mitStreichern, die im Ergebnis dann nichtein Füllsel, sondern klanglichen Reich-tum liefert, ihr Storytelling mit den gro-ßen Themen von Liebe und Tod nochmehr ins Zentrum rückt als bei einerBandbegleitung. In ihrer Zwiesprache mitdem Quatuor Debussy blättert sie das viel-leicht intimste Kapitel ihrer Karriere auf –und schlägt unter diesen neuen Vorzei-chen im Konzert zugleich einen Bogenvom ersten bis zum aktuellen Album.

    Begegnen sich bei Keren Ann Pop undKlassik, so ist es bei Iiro Rantala die Zwie-sprache mit dem Jazz, wenn er Freitag-abend mit dem Zürcher Galatea-Quartettauf die Bühne des Freiburger E-Werksgeht. Der finnische Pianist pflegt seit je-her ein Spiel, das souverän in die Klassikausbuchten kann. Und auch von Galatea-

    Seite gehören Crossover zum Inventar:Die vier jungen Schweizer verfügen nichtnur über ein Spektrum von der BelleEpoque bis zur helvetischen neuen Mu-sik, sie haben auch mit Deep Purples JonLord musiziert, sich des Tangos angenom-men oder Pink-Floyd-Kompositionen ver-wandelt. Streicher und Tastenmann ge-hen im Programm beide aufeinander zu:Die „Galateas“ tauchen in Rantalas Jazz-vokabular ein, doch zentral wird eineneue Ausdeutung von Mozarts Klavier-konzert Nr. 21 sein. 2019 geht es im E-Werk mit kaukasisch-orientalischenStreichquartettfarben aus der Regio wei-ter: Das Freiburger Camerata Quartetttrifft dann in Kompositionen des Georgi-ers Sulchan Tsintsadse und Rabih-Abou-Khalils auf die Perkussionskünste vonMurat Coskun. Stefan Franzen–Konzerte: Freitag, 14. Dezember, Freiburg,E-Werk, Iiro Rantala & Galatea String Quartet,20 Uhr; Dienstag, 18. Dezember, Mulhouse,Filature, Keren Ann & Quatuor Debussy, 20Uhr; Sonntag, 6. Januar, Freiburg, E-Werk,Murat Coskun & Camerata Quartett, 19 Uhr.Der Nino aus Wien

    in der Mensa Bar FreiburgDa steht der kleine schmächtige Mannmit seiner kleinen Schrammelgitarreein wenig verbogen, hübsch unpassendangezogen aus dem Altkleidersack under scheint zu verschwinden in diesenmanchmal monumentalen Liedern,die wie Klassiker klingen. Wie Dylan(womit er kokettiert), Kinks (die erzitiert), Beatles (was er nicht verrät).Manche Stücke sind tatsächlich großeEntwürfe, manche eher hingerotzteGassenhauer. Nach zahlreichen Auf-tritten in Freiburg vor allem im Swamphat es den Nino aus Wien in die Men-sa-Bar verschlagen, wo alles ein weniggrößer ist: der Sound, die Bühne, dereinigermaßen gefüllte Saal. „Unent-schieden in Ried“ ist so ein unglaub-liches Lied, das an den Himmel klopft,dabei kritisiert es „nur“ das fußballe-rische Niveau von Rapid (Wien). Diegroßartige, vielseitige Band spielt esetwas ruppiger als auf dem neuen Al-bum, das schlicht „Der Nino aus Wien“betitelt ist. „Neunjähriges Bandjubi-läum und zehnjähriges Plattenjubilä-um“, nölt der Nino charmant schlaf-wandlerisch, deswegen gibt es auchein paar ältere Songs, einen davon spielter fast immer: eines der besten Liederüber Kunst überhaupt. „Es geht immerums Vollenden“ kommt als altersweise,knapp zehnminütige Piano-Ballade.Der rätselhafte Lieder-Zauberer hatnoch so viel zu erzählen, bevor er amSchluss nochmal das Tourmotto for-muliert: „Simply have a wonderfulchristmas time“. Joachim Schneider

    K R I T I K I N K Ü R Z E

    Erfolg fürAdolphe BinderTanztheaterchefin klagterfolgreich gegen KündigungDie im Juli gekündigte Intendantin amTanztheater Wuppertal Pina Bausch,Adolphe Binder, hat mit Erfolg dagegengeklagt. Die Kündigung sei unwirksam,entschied das Arbeitsgericht in Wupper-tal am Donnerstag nach einer mündli-chen Verhandlung. Richter Carsten Gi-ronda sagte, die angeführten Gründe unddas Vorgehen rechtfertigten den Schrittnicht. Die Vertreter des Tanztheaters kün-digten an, wahrscheinlich in Berufung zugehen. Mit der am 13. Juli 2018 ausge-sprochenen fristlosen Kündigung wollteder Beirat des weltberühmten Tanzthea-ters nach eigenen Worten die Handlungs-fähigkeit wiedererlangen. Binder wurdedas Fehlen eines realisierbaren Spielplansfür die nächste Saison vorgeworfen. Auchwurde ihr Führungsstil kritisiert. RichterGironda setzte in der Verhandlung anmehreren Punkten Fragezeichen hinterdas Handeln der Geschäftsführung: „Siehaben nichts gemacht, um besonders zudeeskalieren“, sagte er in Richtung Ge-schäftsführung des Tanztheaters.

    Seit Mitte November hat die Kulturma-nagerin Bettina Wagner-Bergelt die künst-lerische Leitung des Tanzensembles.2019 jährt sich der Todestag der Begrün-derin der Compagnie und ChoreographinPina Bausch zum zehnten Mal. dpa

    Was wohl Homer und Aristoteles vorder Freiburger Alma mater zur De-batte um die Universitätsblätter sa-gen würden? F O T O : T H O M A S K U N Z

    Keren Ann bei den Proben mit dem Quatuor Debussy F O T O : L O L L W I L L E M S

    Adolphe Binder F O T O : D P A

    Keren Ann: You’re Gonna Get Love(Polydor)Quatuor Debussy: Quatuor Debussyet Le Jazz (Harmonia Mundi)Galatea Quartet: Tango (Sony)Iiro Rantala & Deutsche Kammer-philharmonie Bremen: Mozart,Bernstein, Lennon (ACT/Edel)Quatuor Ébène: Brazil (Erato)Sílvia Pérez Cruz: Vestida De Nit(Universal Spain)Sarah Ferri: Strings Sessions (Jazz-haus Records/in-akustik)Danish String Quartet: Last Leaf(ECM)Trio Da Kali & Kronos Quartet:Ladilikan (World Circuit/Indigo)

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