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Leibniz-Journal 2/2014 Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft G 49121 Völkerrecht Interventionen im Namen der Humanität? Ukraine Wissenschaſtler erklären die Krise Vertreibung Ethnische Säuberungen im Ersten Weltkrieg Guinea Kampf gegen das Ebola-Virus Frieden Konflikte und

Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

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Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

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Page 1: Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

Leibniz-Journal

2/2014

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

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VölkerrechtInterventionen imNamen der Humanität?

UkraineWissenschaftlererklären die Krise

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Page 2: Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

Als ausgezeichnetes, modernes Konferenz hotel im

barocken Ambiente des ehemaligen Benediktiner-

klosters, bietet Kloster Irsee historische Unverwechsel-

barkeit und harmonische Einmaligkeit. Unsere Gäste

aus Wissenschaft und Hochschule freuen sich über

einen außergewöhnlichen Ort der Begegnung mit

Geschichte und Literatur, mit Philosophie und Psycho-

logie, mit zeitgenössischer Kunst und Musik.

Genießen Sie die einzigartige Atmosphäre in 81 stilvoll

eingerichteten Gästezimmern und die konzentrierte

Ruhe in 15 individuell ausgestatteten Tagungsräumen –

vom intimen Gruppenraum über großzügige Ateliers

bis zum Festsaal. Wir in Kloster Irsee freuen uns auf Sie.

„Irsee ist das erste Kloster in unsern Gegenden, wo

die gründliche Gelehrsamkeit zu blühen angefangen“,

schrieb bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts

der Begründer der „Churbayerischen Akademie der

Wissen schaften“. Seien Sie uns herzlich willkommen.ZEIT NEHMEN

… für akademische Begegnungen

W W W . K L O S T E R - I R S E E . D E

SchwäbischesTagungs- und Bildungszentrum

Eine Einrichtungdes Bezirks Schwaben

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Als ausgezeichnetes, modernes Konferenz hotel im

barocken Ambiente des ehemaligen Benediktiner-

klosters, bietet Kloster Irsee historische Unverwechsel-

barkeit und harmonische Einmaligkeit. Unsere Gäste

aus Wissenschaft und Hochschule freuen sich über

einen außergewöhnlichen Ort der Begegnung mit

Geschichte und Literatur, mit Philosophie und Psycho-

logie, mit zeitgenössischer Kunst und Musik.

Genießen Sie die einzigartige Atmosphäre in 81 stilvoll

eingerichteten Gästezimmern und die konzentrierte

Ruhe in 15 individuell ausgestatteten Tagungsräumen –

vom intimen Gruppenraum über großzügige Ateliers

bis zum Festsaal. Wir in Kloster Irsee freuen uns auf Sie.

„Irsee ist das erste Kloster in unsern Gegenden, wo

die gründliche Gelehrsamkeit zu blühen angefangen“,

schrieb bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts

der Begründer der „Churbayerischen Akademie der

Wissen schaften“. Seien Sie uns herzlich willkommen.ZEIT NEHMEN

… für akademische Begegnungen

W W W . K L O S T E R - I R S E E . D E

SchwäbischesTagungs- und Bildungszentrum

Eine Einrichtungdes Bezirks Schwaben

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L E I B N I Z | I N H A LT

4 KURZ & FORSCH

8 PERSPEKTIVE

Matthias Kleiner: Forschen im Netzwerk — Hand in Hand

10 TITEL: FRIEDEN UND KONFLIKTE

10 Interventionen: Im Namen der Humanität?

16 Harald Müller: Großmachtkrieg im 21. Jahrhundert?

18 Ukraine: Die Krise im Fokus der Forschung

23 Martin Sabrow: Brauchen wir eine Erinnerungskultur?

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24 Interview: Ethnische Säuberungen im Ersten Weltkrieg

28 Versailler Friedenskonferenz:

Verhandeln mit Landkarten 30 Afghanistan 1979-1989: Die Regeln der

Gewalt 33 Geschichte: Ein Wirtschaftsforschungs-

Institut im Krieg

34 SPEKTRUM

34 Ebola-Virus: Hilferuf aus Westafrika

38 Tourismus: Neue Wege im Klimawandel

40 MUSEEN

42 IMPRESSUM

43 LEIBNIZ LEKTÜRE

44 LEIBNIZ LIFE

44 Präsidentenwechsel bei Leibniz

46 Leibniz in Kürze

47 Verlosung, Leibniz-Liste

49 LEIBNIZ LEUTE

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SPEKTRUM | Tropenmediziner hilft bei Ebola-Epidemie

MUSEEN | Das Germanische National-museum auf der Spur der Modernisierung

Liebe Leserin, lieber Leser,

nicht mehr das Aufeinanderprallen mäch-tiger, hochgerüsteter und ordentlich uni-formierter Heere bestimmt heute Kriege. Stattdessen stehen regulären Einheiten Freischärler gegenüber, die Pickups mit Sta-linorgel auf der Ladefläche und Panzerab-wehrraketen auf der Schulter mit sich füh-ren - von „asymmetrischer Kriegsführung“ ist die Rede. Erst Vietnam, dann Afghanis-tan, jetzt Syrien. Vielleicht muss der Begriff auch verwendet werden, wenn Blauhelme im UNO-Auftrag in Krisengegenden lan-den, wo „humanitäre Interventionen“ Mord und Totschlag verhindern sollen. Doch wer glaubt, dass sich Kriege nach dem Ende der Ost-West-Blockkonfrontation nur noch im Maßstab regionaler Konflikte entwickeln können, irrt: „Der Großmachtkrieg bleibt möglich, und die Risiken steigen“, schreibt Harald Müller. Zugleich – wir befinden uns im 100. Jahr nach Beginn des Ersten und im 75. Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkriegs – haben wir allen Anlass, noch dunkle Flecken

der Geschichte auszuleuchten. Dass Ethni-sche Säuberungen, Völkermorde und Ver-treibungen schon im Ersten Weltkrieg an der Tagesordnung waren, gehört nicht zum Allgemeinwissen. Und mit welchen Tricks die Kartographen gearbeitet haben, um aus Landkarten politische Waffen zu machen, ist bislang auch kaum breiter dargestellt wor-den. Gründe genug also, sich mit Frieden und Konflikten zu beschäftigen. | ab Seite 10

Gewiss nur ein kleiner Schritt für die Mensch-heit, aber ein Einschnitt für die Leibniz-Ge-meinschaft: Karl Ulrich Mayer ist nach vier-jähriger Amtszeit als Präsident verabschiedet worden, Matthias Kleiner hat zum 1. Juli das Amt übernommen. | Seite 8/9 und 44/45

Bleiben Sie neugierig!

Christian Walther

THEMENSCHWERPUNKT: FRIEDEN UND KONFLIKTELeibniz-Wissenschaftler untersuchen Kriege und Konflikte in Vergangenheit und Gegenwart – und wollen helfen, sie in Zukunft zu lösen.

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doi = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet

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Vielseitige ImmunzellenEinen bislang un-bekannten Zelltyp, der eine wichtige Rolle in der Abwehr von Autoimmuner-krankungen spielt, haben Wissenschaft-ler vom Deutschen Rheuma-Forschungs-zentrum Berlin (DRFZ) entdeckt. Es handelt sich bei den Plasmazellen um eine Untergruppe der B-Lymphozyten, die Teil des körper-eigenen Abwehr-systems sind. Nor-malerweise bilden die B-Zellen Anti-körper, die beispiels-weise körperfremde Bakterien ausschal-ten. Diese können sich allerdings auch gegen körpereigene Strukturen richten – es kommt zu auto-immunen Störungen. Bereits 2002 konn-

Geplagt von Wissenslücken ist schnell das Handy gezückt, um nachzusehen, wann sich Napo-leon krönte oder wie Olof Palme starb. Die Plattform Wikipedia steht dabei ganz hoch im Kurs.

Doch Biografie ist nicht gleich Biografie: Das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung hat besonders gut oder schlecht bewertete Wiki-pedia-Biografien mit Informa-tik-Methoden des Text-Mining analysiert. Ergebnis: Je intensi-ver ein Text von der Wikipedia-Gemeinschaft bearbeitet wurde und je emotionaler seine Spra-che ist, desto besser bewerte-ten ihn die Nutzer. Gleichzeitig leidet unter allzu emotionalen Begriffen wie „überzeugt“ die Glaubwürdigkeit eines Textes. Die Forscher arbeiten nun an einem System, das anhand sol-cher Parameter redaktionelle Vorschläge unterbreitet und den Prozess der Qualitätskon-trolle erleichtert. Ein kurzer Blick ins Internet wäre dann noch effizienter.http://bit.ly/UKP_DIPF_Wikipedia_Biographies

Wikipedia-Check ten Forscher jedoch zeigen, dass B-Zellen auch in der Unter-drückung von Auto-immunreaktionen von Bedeutung sind, indem sie das Protein Zytokin IL-10 absondern, das ungewollte Abwehr reaktionen dämpft. Der nun von DRFZ-Forschern und Kollegen entdeckte Zelltyp sondert das antientzündliche Zytokin IL-35 ab, das eine zentrale Rolle in der Unter-drückung uner-wünschter Immun-reaktionen spielt. Die Entdeckung könnte neue Wege in der Behandlung von Autoimmun er-krankungen eröff-nen.Nature. 2014 Mar 13; 507(7492):366-370. doi: 10.1038/nature12979.

Wie Harry Potter in wissenschaftliche Verfahren eingebun-den werden kann, zeigt das Museum für Naturkunde – Leib-niz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung in Berlin. In einer Abstimmung ließ es Interessierte zwischen vier Optionen den Namen einer noch nicht beschriebenen Wespenart aus Thailand wählen. Das eindeutige Ergebnis:

Expecto Patronum Mehr als 40 Prozent der Teilnehmer sprachen sich für den Namen „Ampulex dementor“ aus – Dementoren-Wespe. Denn ähnlich den Dementoren in den berühmten Kinder-büchern macht die Wespe ihre Beute durch einen Stich zu-nächst willenlos und lässt sie dann schnurstracks ins Netz laufen. Da bleibt nur, den thailändischen Fliegen einen star-ken Patronus gegen diese Masche zu wünschen. PLoS ONE 9(4): e95068. doi:10.1371/journal.pone.0095068

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Stillende Mütter erkranken laut einer Studie des Deutschen Ins-tituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke deutlich seltener an Diabetes des Typs 2 als Frauen, die nicht gestillt ha-ben. Die Forscher beobachteten verschiedene Stoffwechselpro-zesse von über 1.000 Müttern, deren Daten zwischen 1994 und 2005 in einer Langzeitstu-die erhoben worden waren. Die Untersuchungen zeigten, dass Frauen, die stillen, ein um etwa 40 Prozent gesenktes Typ 2-Di-

1.800 wissenschaftliche Filme stehen Internetnutzern mit dem Start des TIB|AV-Portals der Tech-nischen Informationsbibliothek (TIB) in Hannover zur Verfügung. Die Filme befassen sich mit The-men aus Technik, Architektur, Chemie, Physik und Informatik. Aufzeichnungen von Vorlesungen und Konferenzen können in dem Portal nicht nur leicht gefunden, sondern auch publiziert und dauer-haft erhalten werden. Seit 2011 hat das Kompetenzzentrum für nicht-

Stillen gegen Diabetes

Wissenschaftliches Filmportaltextuelle Materialien das Portal in Kooperation mit dem Potsdamer Hasso-Plattner-Institut für Soft-waresystemtechnik entwickelt. Im Vergleich mit anderen Video-Por-talen bietet es einen klaren Mehr-wert: Die automatisierte Videoana-lyse mit Szenen-, Sprach-, Text- und Bilderkennung ermöglicht eine in-novative Suche in den Filmen. Die Suchergebnisse werden mittels se-mantischer Verknüpfung der Daten zu neuem Wissen vernetzt.av.getinfo.de

Zahnpflege zur KrebspräventionWer unregelmäßig die Zähne putzt und selten zum Zahnarzt geht, hat ein erhöhtes Risiko, an bestimm-ten Krebsarten zu erkranken. Das haben das Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie sowie zwölf weitere Forschungszentren in einer europaweiten Studie herausgefun-den. Dass Rauchen, Alkoholkonsum und ein niedriger sozio-ökonomischer Status das Risiko für Krebs im oberen Luft- und Speiseröhrenbe-reich steigern, gilt als wissenschaftlich bewiesen. Die Studie, die 1.962 Patienten mit Mundhöhlen- und Kehlkopfkrebs sowie 1.993 gesunde Vergleichspersonen umfasste, zeigte nun, dass Mundhygiene und -gesundheit wei-tere Faktoren sind, die eine Erkrankung begünstigen. Zur Vor-sorge empfehlen die Forscher: regelmäßi-ges Putzen, Zahnsei-de, Zahnarztbesuche. Mundwasser hinge-gen stehen – beson-ders bei exzessivem Gebrauch – im Verdacht, das Krebs-risiko zu erhöhen.Oral Oncology, vol. 50, iss. 6, p. 616–625, June 2014. doi: 10.1016/j.oraloncolo-gy.2014.03.001

Vielversprechen-der WirkstoffWissenschaftler vom Hans-Knöll-Institut – Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiolo-gie in Jena sind auf ein vielversprechen-de Substanz gegen bakterielle Infekti-onen gestoßen. Das aus einem Bodenbak-terium gewonnene

Closthioamid könnte Basis eines Antibioti-kums werden, so die Forscher. In ersten Untersuchungen wirkte die Substanz unter anderem gegen den multiresistenten Krankenhauskeim Staphylococcus aureus. Der Leibniz-Forschungsverbund Wirkstoffe und Biotechnologie kürte Closthioamid zum „Leibniz-Wirkstoff des Jahres“.Angewandte Chemie International Edition. doi: 10.1002/anie.201304714

Dünn aber stabilForschern des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) ist es gelun-gen, freistehende Metallmembranen herzustellen, die aus nur einer einzigen Atomlage bestehen und unter normalen Umgebungsbedin-gungen stabil sind. Bislang gibt es nur wenige Materialien mit diesen Eigen-schaften, darunter das Kohlenstoff-Material Graphen. Am IFW nutzte man die Poren einer Graphen-Schicht als „Falle“ für Eisenatome, die sich – angeregt durch Elektronenstrahlen – über der Schicht bewegten. Eine größere Anzahl von Eisenatomen wurde in einer Pore gefan-gen und ordnete sich zu einem zweidimen-sionalen Kristallgitter an. Die magnetischen Eigenschaften des Eisens verstärkten sich dabei deutlich – eine etwa für die Ent wicklung von Magnetspeichern interessante Beobachtung.Science 14 March 2014: DOI: 10.1126/science.1245273

abetes-Risiko haben – unabhän-gig von sozialem Status und Le-bensstil. Besonders Frauen, die ihre Kinder lange gestillt haben, wiesen niedrigere Blutfettwer-te und eine höhere Konzentra-tion des Hormons Adiponektin auf. Der dadurch verbesserte Stoffwechsel senkt das Risiko, zu erkranken. In Deutschland leiden derzeit etwa 4,5 Milli-onen Menschen an der Volks-krankheit Typ 2-Diabetes. Diabetologia 2014; DOI 10.1007/s00125-014-3247-3

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Der Körper hat manchen Trick auf Lager, um uns zu schützen. Einen davon, den sogenannten Volumen-regulierten Anionen-kanal (VRAC), haben Berliner Forscher um Thomas Jentsch vom Leibniz-Institut für Mo-lekulare Pharmakologie nun entschlüsselt. VRAC ist bei al-len Wirbeltieren und in jeder Zelle vorhanden. Er reguliert das Zellvolumen, das etwa bei Zellteilung und -wachstum, aber auch bei Krankheiten wie Krebs, Schlaganfall oder Herzinfarkt von Bedeutung ist. Schwillt eine Zelle gefährlich an, wird der

Kanal aktiviert. Er öffnet sich und lässt Chloridionen und organische Stoffe, sogenannte Osmolyte, austreten, sodass das Volumen der Zelle wieder ab-nimmt. Seit über 20 Jahren sind Wissenschaftler weltweit auf der Suche nach dem molekula-ren Aufbau des Kanals. Jentschs Team benötigte knapp vier Jah-re für den Durchbruch. Die Er-gebnisse wurden wegen ihrer Bedeutung zunächst in Science Express und dann in Science veröffentlicht.Science 9 May 2014. doi: 10.1126/science.1252826

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unbeschriebene Arten von Süßwasserfischen haben Wissenschaftler des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Bio-diversität der Tiere in Bonn im Mittelmeerraum entdeckt. In einer großen Studie mit über 30 europäi-schen Koautoren untersuchten sie mehr als 3.000 Fische aus knapp 500 verschiedenen Arten mittels molekulargenetischer Methoden (DNA Barcoding).Molecular Ecology Resources (2014) doi: 10.1111/1755-0998.12257

Prozent durchschnittlichen

Anstieg der Geburtenrate haben Forscher in einer Studie des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirt-schaftsforschung bei einem Anstieg der Betreuungsquote für unter drei-jährige Kinder um zehn Prozent-punkte ermittelt. Sie untersuchten den Ausbau von Krippenplätzen in Westdeutschland und stellten dabei eine tatsächliche Wirkungskette von den Krippen hin zu mehr Geburten fest. ifo Schnelldienst 10/2014

Euro weniger pro Monat als ihre männlichen Kollegen verdienten voll erwerbstätige Frauen in Führungs-positionen in der Privatwirtschaft im Jahr 2012. Das zeigen Berech-nungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Frauen verdienten damit im Mittel 23 Prozent weniger als Männer, die im Schnitt auf 5.200 Euro im Monat kamen. Immerhin: 2002 hatte der Unterschied noch knapp 29 Prozent betragen.Zeitschrift für Soziologie. Jg. 42. Heft 4. S. 315–336.

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2,8Auf einer Auktion in London ist dem Germanischen Nationalmuseum ein Glücksgriff gelungen: Die Nürnber-ger ersteigerten ein opulentes Al-tarwerk, das um 1490 in Nürnberg oder Bamberg entstand. Es zeigt die Kreuzigung Christi auf einem figurenreichen Kalvarienberg. Lange Zeit galt das Tafelgemälde als Früh-werk Albrecht Dürers, später wurde ein Schüler des Bamberger Malers

Neu erworbenWolfgang Katzheimer als Urheber vermutet. Weil das Gemälde zuletzt in Privatbesitz war, basierte seine wissenschaftliche Untersuchung bis-lang ausschließlich auf einer histo-rischen Aufnahme. Dem Ursprung seiner Neuerwerbung möchte das Leibniz-Forschungsmuseum nun auf den Grund gehen. Dann soll es die Sammlung Alter Meister ergänzen.www.gnm.de

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Treue Augen: Das Deutsche Primatenzentrum in Göttingen konnte bei Azara-Nachtaffen Mono gamie nachweisen.

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Nachtaffen scheinen gefunden zu haben, wovon viele Paare träu-men: ewige Treue. Mit Hilfe zahl-reicher Vaterschaftstests konnte das Deutsche Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenfor-schung erstmals die genetische Monogamie bei Azara-Nachtaffen nachweisen. Alle untersuch-ten Tiere waren ihrem Partner hundertprozentig treu, was im Tierreich selten vorkommt. Die Forscher schreiben dies unter an-derem der Aufzucht der Jungtiere zu, an der sich die Männchen stark beteiligen: Sie spielen mit dem Nachwuchs und tragen ihn um -

Treue Nachtaffen

Seltene Erden?Seltene Erden werden bald weniger selten sein, das legt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim nahe. Bislang werden 90 Prozent der Metalle in China abgebaut, dessen Monopolstel-lung sich in hohen Preisen niederschlägt. Das ZEW prognosti-ziert nun den Verlust der chinesischen Vor-machtstellung. Länder wie die USA und Aust-ralien haben mit dem zeitintensiven Abbau der Metalle begonnen und drängen auf den Markt. Zudem werde Recycling die Preise drücken, technische Neuerungen könnten Alternativen zu den begehrten Metallen hervorbringen. http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp14005.pdf

NetzbibliothekDie Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) hat den Betrieb aufgenommen. Die Plattform ermöglicht es etwa Museen, Archiven und Kinema-theken, ihre digitali-sierten Bestände Inte-ressierten online zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen Millio-nen Bücher, Bilder, Tondokumente, Filme und Noten. Derzeit sind etwa 2.100 Ein-richtungen registriert, langfristig soll die DBB die digitalen Angebo-te von rund 30.000 deutschen Kultur- und Wissenschaftsein-richtungen umfassen. Technischer Betreiber und Kooperations-partner der DBB ist das FIZ Karlsruhe, Leibniz-Institut für Informationsinfra-struktur.www.deutsche-digitale-bibliothek.de/

her. Allerdings ist noch unklar, was zuerst da war: die fürsorg-lichen Väter oder die genetische Monogamie. Die Nachtaffen-Stu-die legt nahe, dass Partner unter bestimmten ökologischen Bedin-gungen mehr Zeit miteinander verbringen. Dies bewirkt, dass die Väter sich stärker in die Jun-genaufzucht einbringen. So ha-ben sie eine größere Gewissheit darüber, ob sie der genetische Vater sind. Dies könnte die gene-tische Monogamie bedingen. Proc. R. Soc. B 7 May 2014 vol. 281 no. 1782.doi: 10.1098/rspb.2014.0195

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Die Leibniz-Gemeinschaft ist et-was, was andere nicht sind: ein starkes Netzwerk. Das bedeutet für mich nicht nur, dass Forsche-rinnen und Forscher in Teams arbeiten – denn das tun sie auch in Universitäten und anderen Forschungsorganisationen und auch erfolgreich.

Es hat für mich vielmehr et-was damit zu tun, dass in der Leibniz-Gemeinschaft vielfälti-ge Forschungsprozesse Hand in Hand gehen, wenn eine gesell-schaftlich relevante Fragestel-lung eine Erkenntnissuche in mehreren Themenfeldern und Leibniz-Einrichtungen zugleich, wechselwirkend und im Aus-tausch auslöst. Das ist mehr als ein zeitlich paralleles Forschen, weil die simultane Forschungs-arbeit ein gegenseitiges Hän-

Forschen im Netzwerk —

Hand in Hand

dereichen in der Überlegung, in Umsetzung und Reflektion ermöglicht. So ist die Leibniz-Forschung – divers und komple-mentär in Perspektive, Methode und Fach – immer im Kontakt miteinander. Sie zeitigt gemein-schaftlich Wirkung, die gerade dadurch mehr sein kann als nur die Summe von einzelnem Wissen. Denn ihre Ergebnisse und Erkenntnisse entstehen schlicht anders, wenn schon das Erkenntnisinteresse nicht von einer einzelnen Person for-muliert und für eine definierte Gruppe an Forscherinnen und Forschern vorgegeben wird, sondern von mehreren Händen und Köpfen gestaltet wird. Und in der konkreten Durchführung werden dann kontinuierlich Ideen und Ansätze von Hand zu

Hand gegeben und entwickeln sich von Kopf zu Kopf und in ver-schiedene Richtungen weiter.

Wie und warum geht das?

Es geht, weil in den Instituten und Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft Forscherinnen und Forscher, technische und admi-nistrative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind, die so her-vorragend sind, dass sie koope-rieren können. Denn kooperative Wissenschaft braucht die Stärke der Einzelnen. Es geht, weil die innere Konstitution der Leibniz-Gemeinschaft zwischen den Leib-niz-Instituten eine Reichweite vorsieht, die den Handschlag un-tereinander nicht nur ermöglicht,

Die vorhandenen gemeinschaftlichen Stärken in einer gemeinsamen

starken Identität zu bündeln, das hat sich der neue Präsident der

Leibniz-Gemeinschaft Matthias Kleiner vorgenommen.

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sondern motiviert – ja, sogar anstrebt. Es ist die ureigene Auf-gabe der Leibniz-Gemeinschaft, gemeinsam ganzheitlich zu den-ken und zu handeln, umfassen-de Lösungsansätze zu verfolgen, diese Lösungen im Verbund zu schaffen und Anwendungs- und Anschlussmöglichkeiten herzu-stellen.

Anwendung oder Anschluss und Fortführung kann viele Formen annehmen und sich an mannigfache Adressaten richten. Leibniz-Einrichtungen inspi-rieren wissenschaftlichen Fort-schritt untereinander, sie wirken im Zusammenspiel mit den Uni-versitäten, sie geben Wissen und Handreichungen an Politik und Gesellschaft, sie denken durch-aus auch unternehmerisch und wirtschaftlich. So ist das Netz-werk der Leibniz-Einrichtungen streng genommen der Kern ei-nes größeren Geflechts, das in vielleicht etwas weitgefassteren Abständen stabile Verbindungen in wissenschaftliche und gesell-schaftliche Bereiche unterhält.

Einige Worte zu der besonde-ren Nähe von Leibniz-Gemein-schaft und Universitäten: Ich sehe in mancher Hinsicht eine Verwandtschaft in der Ausrich-tung beider Institutionen. So be-wohnen sie im Allgemeinen einen gemeinsamen Handlungsraum zwischen erkenntnisgetriebener und anwendungsorientierter Grundlagenforschung mit Er-kenntnistransfer. Darin sind etwa gemeinsame Berufungen und projektförmige Kooperationen bereits sehr erfolgreich. Mit Blick auf das Forschen in Gemeinschaft verstehen sich Universitäten und Leibniz-Institute als natürliche Partner auf Augenhöhe. Das zeigt auch ihre enge und erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen der Exzellenzinitiative und in DFG-Aktivitäten, in der gemeinsamen Betreuung von Nachwuchs, in der Lehre und nicht zuletzt durch die derzeit sechs Leibniz-Wissen-schaftsCampi.

Eine erwägenswerte Ergän-zung der Leibniz-Gemeinschaft durch neue ‚Leibniz-Institute in Universitäten‘ erscheint mir – und längst nicht nur mir! – eine logische Fortführung und stu-

fenweise Anhebung dieser be-währten Kooperationen zu sein. Wissenschaftlich herausragend und thematisch passgenau aus-gewählt, kann eine solche Linie ein Strang der nachhaltigen Wei-terentwicklung der Fortschritte von Wissenschaft und Forschung in Deutschland sein – auch und gerade weil die wissenschaftli-che, rechtliche und finanzielle Unabhängigkeit von Leibniz-Instituten einer schlanken und gewinnbringenden Integration Vorschub leistet und das wissen-schaftliche Netzwerk um starke Knotenpunkte erweitert.

Dabei bestehe ich übrigens auf das Wort des ‚Netzwerkes‘, weil es – mehr als von dem Sta-tus oder dem Vorgang der abs-trakten ‚Vernetzung‘ – von der Tätigkeit und Arbeit der Forsche-rinnen und Forscher kündet, die ein Netzwerk erst zu einem Netz-werk machen. Sie wirken darin und machen es aus, und ich bin überzeugt, dass es zum einen ihre Forschung selbst, zum anderen ihre fachlich-inhaltliche Neugier und Kommunikation ist, die ein beständiges effektives Netzwerk begründen, das von vielen Hän-den gehalten und bewegt wird. Eine besondere Herausforderung ist es vor allem, das Streben nach Stabilität im Gleichgewicht mit dem Freiraum und der Selbstän-digkeit der Mitglieder zu halten und offene Stränge nach außen zu bewahren. Die spezifische Verfasstheit der Leibniz-Gemein-schaft bedingt beides: freie Hand zu haben und doch zu wissen, was die vielen anderen Hände tun.

Überhaupt, die Menschen. Je mehr ich mich der Leibniz-Ge-meinschaft annähere, desto stär-ker bin ich überzeugt, dass Acht-samkeit – zunächst ein Begriff des Umgangs von Mensch zu Mensch – auch ein besonderes Qualitäts-merkmal für Kooperation in Wis-senschaft und Forschung ist. Es ist dann eine Umschreibung des-sen, was wir „anwendungsori-entierte Grundlagenforschung“ nennen, wenn wir an die For-scherinnen und Forscher denken, die sie betreiben: Sie sind stets achtsam, was um sie herum und anderswo passiert, und sie sind

sensibel gegenüber sich abzeich-nenden Veränderungen. Wenn ich die Grundlagenforschung (mit Anwendungsperspektive) auch grundsätzlich als Modus der Forschung beschreibe, so ist sie, bezogen auf Personen, eine intrinsische Haltung. Eine, die Of-fenheit und temporäre Leerstel-len im Wissens- und Verständ-nisprozess duldet, die gewiss ein Erkenntnisinteresse voraussetzt, aber auf keinem Nutzen oder Zweck beharrt, die Dynamiken absieht und verarbeiten kann – und all das gern in Gemeinschaft.

Was fehlt also? Was ist jetzt zu tun?

Vieles und Vielversprechen-des ist vorhanden: Die oben besprochenen Alleinstellungs-merkmale einer lebendigen und im besten Sinne eigenwilligen Gemeinschaft, das Gütesiegel der Forschung im regelmäßigen Evaluierungsprozess. Anderes ist noch Notwendigkeit und Ein-ladung: zum Beispiel, die ge-meinschaftlichen Stärken auch in einer gemeinsamen starken Identität zu bündeln – entschie-den und deutlich sichtbar. Ein klares nachvollziehbares Profil der Gemeinschaft verleiht auch den einzelnen Mitgliedern Pro-filschärfe und Anziehungskraft – und gestattet auch das vermeint-liche Quäntchen sympathisches Selbstbewusstsein.

Nehmen wir es gemeinsam in die Hand. Ich freue mich darauf.

matthias kleiner

Prof. Dr.-Ing. Matthias Kleiner ist seit dem 1. Juli 2014 der sechste Präsident der Leibniz-Gemeinschaft.

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Kosovo, Afghanistan, Mali: Deutschland diskutiert die

Beteiligung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen. Ob

und wann Gewalt in einem Land mit Gewalt von außen

beendet werden darf, ist so umstritten wie die Frage

nach dem Erfolg humanitärer Interventionen.

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Eigentlich wollte Ban Ki Moon Anfang April nach Ruanda rei-sen. Dort wurde 20 Jahre nach dem Beginn des Völkermords von 1994 dessen Opfern ge-dacht. Aber der Generalsekre-tär der Vereinten Nationen leg-te einen Zwischenstopp in der Zentralafrikanischen Republik ein. Und statt der Vergangen-heit zu gedenken, warnte er in der Hauptstadt Bangui vor der Zukunft – und vor einem neuen Völkermord.

Muslimische Milizen, die Séléka, stürzten im März 2013 den Präsidenten der Zentral-afrikanischen Republik, Fran-çois Bozizé, und verbreiteten Terror. Christliche Milizen, die Anti-Balaka, wehrten sich mit Racheaktionen. Tausende sind seither gestorben, eine Million Menschen sind auf der Flucht.

Gewalt mit Gewalt beenden?

Ban Ki Moon rief bei seinem Be-such in Bangui die Politiker im Land auf, die ethnisch-religiöse Säuberung zu stoppen. Und er berief eine UN-Truppe mit 12.000 Soldaten ein, die den Konflikt eindämmen soll. Da-mit beginnt im September eine neue humanitäre Interventi-on – und eine neue Diskussion über den Erfolg und Misserfolg solcher Militäreinsätze. Die Fra-

gen sind immer dieselben: Wie legitimieren die Vereinten Na-tionen oder ein einzelnes Land das militärische Eingreifen in einen souveränen Staat? Ist Ge-walt gerechtfertigt, wenn durch sie weitere Gewalt verhindert wird? Und spielen neben den humanitären Gründen ande-re, etwa wirtschaftliche oder geopolitische, Interessen eine Rolle?

In Deutschland hat die De-batte schon ein paar Wochen zuvor begonnen, als Ursula von der Leyen ein stärkeres außen-politisches Engagement in Af-rika forderte. Diese Forderung findet Andreas Mehler berech-tigt. Er ist Direktor des GIGA Instituts für Afrika-Studien des Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien in Ham-burg und forscht unter anderem zur deutschen und französi-schen Afrikapolitik. „Gerade er-gibt sich eine graduelle Aufwer-tung Afrikas, das finde ich gut und überfällig, schließlich ist das unser Nachbarkontinent“, sagt er.

Dramatische Lage in Zentralafrika

Mehler begrüßt den Plan, die Zahl der ausländischen Solda-ten in der Zentralafrikanischen Republik von derzeit 8.000 auf über 20.000 zu erhöhen. Schon seit Monaten fordert er ein in-ternationales Eingreifen in dem Land. In Aufsätzen und Artikeln warnt er, es könne sich in ein „zweites Somalia“ verwandeln. Den Begriff „Genozid“, den Ban Ki Moon in Bangui benutzt hat, hält er dagegen für falsch. „Da unterstellt man, es gäbe eine planmäßige Vorbereitung. Das ist nicht der Fall. Trotzdem ist die Lage äußerst dramatisch.“

Deutschland und Frankreich hätten die Chance, sich bei Ein-sätzen in afrikanischen Ländern stärker abzusprechen. „Es macht keinen Sinn, überall ge-mischte Truppen hinzuschi-cken. Jede Truppe soll das tun, was sie gut kann: Frankreich hat hohe logistische Fähigkei-ten und ist erfahren in Kampf-

einsätzen. Die Bundeswehr dagegen versteht sich auf die Ausbildung“, sagt Mehler. Wie schwierig eine solche Zusam-menarbeit ist, zeigt sich derzeit in Mali: Die französische Ar-mee geht mit ihren Soldaten im umkämpften Norden des Lan-des viel höhere Risiken ein als die Bundeswehr, die im relativ friedlichen Süden Soldaten aus-bildet. Frankreich ist deshalb nicht bereit, Deutschland ein Mitspracherecht zu gewähren.

Zivilgesellschaft stärken, Konflikten vorbeugenBewaffnete Konflikte wie die in Mali oder der Zentralafrika-nischen Republik bahnen sich oft über Jahrzehnte an. „Der Putsch der Séléka in Bangui kam nicht überraschend“, so Andreas Mehler. „Der gestürzte Präsident, François Bozizé, ist zehn Jahre zuvor auf dieselbe Weise an die Macht gekommen.“ Wissenschaftler, sagt Andreas Mehler, könnten mit großem Abstand und mit historischer Tiefe auf die Konflikte blicken.

„Hätten mehr tun können und mehr tun müssen.“ Ban Ki Moon in Kigali zum Völkermord in Ruanda,

der vor 20 Jahren begann.

Folgenschwere Fälschung: Im Weltsicher-heitsrat präsentiert der damalige US-Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 vermeintliche Beweise für irakische Massenvernichtungswaffen.

„Gerade ergibt sich eine Aufwer-tung Afrikas, das finde ich gut und

überfällig.“

Andreas Mehler GIGA Leibniz-Institut

für Globale und Regionale Studien

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Viele Forscher beraten deshalb Politiker – in Gremien, Diskussi-onspapieren oder Hintergrund-gesprächen. Andreas Mehler ist Mitglied eines Beirats, der die Bundesregierung beim Thema „zivile Krisenprävention“ berät. Prävention – etwa durch diplo-matische Bemühungen oder die Stärkung der lokalen Zivilge-sellschaft – hält er für die beste und wirksamste Maßnahme.

Wie erfolgreich Interventio-nen sind, ist politisch umstrit-ten. Matthias Dembinski und Thorsten Gromes von der Hes-sischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) ha-ben erstmals das Gelingen ver-schiedener humanitärer Inter-ventionen über einen längeren Zeitraum hinweg untersucht. Das Ergebnis: Nur bei einem Drittel der Interventionen zwi-schen 1947 und 2005 endete die organisierte Gewalt zwischen den einheimischen Konflikt-parteien innerhalb eines Jahres. „Das ist kein Wert, der auf eine hohe Erfolgswahrscheinlich-keit humanitärer militärischer Interventionen hinweist“, sagt Dembinski. Die Studie sei aller-dings noch vorläufig und des-halb nicht geeignet, um einzelne

Inter ventionsentscheidungen zu bewerten. Denn methodisch gebe es noch Schwierigkeiten: „Zu Flüchtlingszahlen gibt es oft keine verlässlichen Daten. Deshalb haben wir Flüchtlings-ströme als Indikator von Erfolg nicht berücksichtigt“, sagt Dem-binski. „Und Opferzahlen liegen meist nur auf Jahresbasis vor. Dann können wir nicht sehen, ob diese Menschen vor, wäh-rend oder nach der Interven-tion gestorben sind“, ergänzt Thorsten Gromes.

Erfolgsrezept UN-Mandat?

Erfolgreich seien vor allem Mis-sionen in kleinen Ländern, wie Osttimor oder Sierra Leone. Dort könne mit relativ geringem finanziellen Aufwand viel er-reicht werden. Denn die Dichte der ausländischen Soldaten ist in kleinen Ländern so hoch, wie das in größeren Ländern logis-tisch gar nicht möglich wäre. Wollte man etwa in den Kongo prozentual gesehen so viele aus-ländische Truppen schicken wie 1999 in den Kosovo, bräuchte man eine Million Soldaten.

Ein weiterer Faktor für den Er-folg sind die Akteure. „Es gibt in der Wissenschaft die Ver-mutung, dass Einsätze mit UN-Mandat erfolgreicher sind als solche von Einzelstaaten ohne internationale Autorisierung“, erklärt Matthias Dembinski. Als Beispiel würden oft der erste und zweite Irakkrieg genannt. „Nach unserem Verständnis keine humanitären Interventi-onen.“ Der erste – durch Reso-lution 678 des UN-Sicherheits-rates gedeckte – Irakkrieg von 1990/91 gilt als erfolgreich; der zweite (2003) hingegen als his-torischer Fehler. „Stabilisierung und Befriedung des Landes sind auch deshalb gescheitert, weil die Intervention international so umstritten war und die Le-gitimation der UN fehlte“, sagt Dembinski. In Deutschland hät-ten humanitäre Interventionen anders als etwa in Frankreich grundsätzlich einen schlechten Ruf.

Insgesamt haben Interven-tionen seit den 90er Jahren stark zugenommen. Das liegt zum einen am Fall des Eisernen Vorhangs. „Der Ost-West-Kon-flikt hat humanitäre Interven-tionen weitgehend verhindert“, Fo

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Verstärktes Engagement: Deutsche Soldaten im afghanischen Kabul. Immer wieder werden Forderungen laut, die Bundeswehr müsse auch bei Friedenseinsätzen in Afrika aktiver werden.

„Es gibt die Vermutung, dass Einsätze mit UN-Mandat erfolgreicher sind.“

Matthias Dembinski Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

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sagt Dembinski. „Als Folge der Umbrüche der Jahre 1989/90 entwickelte sich ein neues nor-matives Verständnis, das den Schutz des Menschen in den Mittelpunkt rückte.“

Eine weitere Rolle spielte der Völkermord in Ruanda im Jahr 1994, bei dem die Verein-ten Nationen viel zu spät und viel zu zögerlich eingriffen. Mindestens 800.000 Menschen starben. „Die internationale Ge-meinschaft hat versagt“, räumte Kofi Anan, der damals die UN-Abteilung für Friedenseinsätze leitete, später ein. Und forder-te: „Die Welt muss besser dafür gerüstet sein, um Völkermord zu verhindern und entschieden handeln, wenn die Vorsorge versagt.“

Intervention aus Verantwortung

In der Folge des Genozids wur-de eine Kommission – genannt ICISS – einberufen, die eng mit den Vereinten Nationen zusam-menarbeitete. Sie sollte unter-suchen, wann humanitäre Inter-ventionen und Interventionen, um die Demokratie in einem Land wiederherzustellen, ge-rechtfertigt sind. Im Jahr 2001

veröffentlichte sie ihren Report unter dem Titel „responsibility to protect“, zu Deutsch: „Schutz-verantwortung.“ Demnach ist ein militärisches Eingreifen gerecht-fertigt, wenn „eine akute Bedro-hung des Lebens einer großen Anzahl von Menschen“ vorliegt.

Humanitäre Tradition

Damit entstand ein neuer – wenn auch sehr vager – Rah-men für eine jahrhundertealte Praxis. Vorläufer der humanitä-ren Intervention gab es schon im 17. Jahrhundert, etwa im Drei-ßigjährigen Krieg, als Staaten aus konfessioneller Solidarität intervenierten, um Glaubens-brüder zu schützen. Der Begriff der humanitären Intervention entwickelte sich erst im 19. Jahr-hundert.

Der Historiker Fabian Klose untersucht am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) in Mainz die Anfänge der humanitären Intervention. „Im Laufe des 18. Jahrhunderts ent-stand eine grundlegend neue Gefühlsordnung“, sagt er. „Die Menschen begannen, Mitgefühl zu empfinden.“ Die Philosophie der Aufklärung, aber auch reli-

giöse Tendenzen und der Sen-timentalismus in der Literatur waren Gründe für diesen Menta-litätswandel.

1808 fand die erste Interven-tion statt: Die britische Marine schickte Schiffe nach Westafrika, um den Sklavenhandel zu been-den. Mit Texten, Pamphleten und Symbolen – wie dem berühmten Bild eines knienden Sklaven von Josiah Wedgewood – wurden die Menschen mobilisiert, sich gegen den Sklavenhandel zu engagieren. Um Menschenrech-te ging es damals jedoch nicht. „Das war ein paternalistisches Konzept“, sagt Klose. „Die Herr-schaft über schwarze Menschen galt nicht als falsch. Man wollte nur humanitäre Normen einhal-ten und extreme Formen von Gewalt verhindern.“

Frankreich beteiligte sich – anders als Spanien, Portugal und die Niederlande – nicht an die-sem ersten humanitären Einsatz unter britischer Führung. Die Regierung in Paris behauptete, Großbritannien verfolge wirt-schaftliche Interessen und wolle in Wahrheit seine Vormachtstel-lung ausbauen. Ein Verdacht, der noch heute jeder humanitä-ren Intervention anhaftet.

mounia meiborg

Proteste:Der zweite Irakkrieg

wurde wie hier in Washington weltweit kritisiert. Wohl auch,

weil eine Legitimation auf Basis des Völker-

rechts fehlte.

„Die Menschen begannen,

Mitgefühl zu empfinden.“

Fabian Klose Leibniz-Institut für Europäische

Geschichte

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L E I B N I Z | D I G I TA L Martin Jensen, taz-Genosse seit 2008, Köln, Mathematiker

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Page 16: Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

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In der Weltordnung der Zukunft werden vor allem vier Groß-mächte über Frieden und Kon-flikt bestimmen: die USA, China, Indien und Russland. Sie verfü-gen über unterschiedliche Herr-schaftssysteme und Ideologien. Die USA machen die Souveränität anderer Staaten davon abhängig, ob sie bestimmte Standards von Governance beachten; verletzt eine Regierung diese Standards, so verwirkt sie das Recht, frei von Interventionen anderer zu bleiben. Die anderen drei Mächte akzeptieren kaum Abstriche am klassischen Verständnis von Sou-veränität, wobei Russland den

Schutz (angeblicher) russischer Bürger in anderen Staaten als Teil der eigenen Souveränitätsrechte definiert – siehe Ukraine.

Zugleich sehen China, Indien und Russland ihre Souveränität und territoriale Integrität im Innern bedroht, Russland im Nordkaukasus, China in Tibet, Sinkiang und in der Taiwan-Frage, Indien in Kaschmir, in den ländlichen Gebieten des „Hindugürtels“ und im ethnisch zerklüfteten Osten. Alle drei Länder weisen zurück, was sie als illegitime Intervention in ihre inneren Angelegenheiten ansehen.

Die USA verteidigen ihren globa-len Führungsanspruch und unter-legen ihn mit militärischer Über-legenheit.

Russlands Misstrauen besteht fort

Russland will seinen Einfluss im „post-sowjetischen Raum“ als Si-gnatur seines Weltmachtstatus konsolidieren. Dies bringt Span-nungen mit den USA mit sich, die ihre dortigen Handlungsmöglich-keiten zu vergrößern und den russischen Einfluss zu verringern suchen. Trotz aller Versuche eines

L E I B N I Z | F R I E D E N U N D K O N F L I K T E

Großmachtkriegim 21. Jahrhundert?

Der Konfliktforscher Harald Müller sieht in der aktuellen geo­

politischen Lage ein global vernetztes Konfliktsystem — ähnlich

wie vor dem Ersten Weltkrieg. Ein Großmachtkrieg bleibt auch

heute möglich.

Angespannt: In Kaschmir bewacht ein

indischer Soldat die Grenze zu Pakistan.

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„Neustarts“ misstraut Russland den amerikanischen Absichten. Die Erweiterung der NATO, deren Fortsetzung nicht ausgeschlossen ist, sowie der Disput über die Ra-ketenabwehr bleiben Steine des Anstoßes. Die Ukraine-Krise ver-tieft gegenwärtig die politische Distanz. Andererseits sucht Russ-land die wirtschaftliche Koopera-tion mit dem Westen (v.a. Europa) zu vertiefen und arbeitet an einer „strategischen Partnerschaft“ mit Indien.

China befürchtet Umzingelung

Indiens sicherheitspolitische Sor - gen gelten China und nachgeord-net Pakistan. Indien fühlt sich angesichts wachsender chinesi-scher Macht nicht hinreichend gerüstet. Chinas Anspruch auf die indische Provinz Arunachal Pra-desh gibt dieser Rivalität eine ter-ritoriale Dimension. Auch Chinas maritime Aktivitäten in Birma, Bangladesch, Sri Lanka und Pa-kistan fordern Neu-Delhi heraus. In den letzten fünfzehn Jahren hat sich Indien auf die USA zube-wegt, aber ein formales Bündnis vermieden. Tatsächlich liegen seine Positionen zu Klimawandel, Welthandel und humanitären In-terventionen näher an denen Bei-jings als am Westen.

China glaubt sich einer ameri-kanischen Umzingelungspolitik ausgesetzt, die seinen Aufstieg zur Weltmacht bremsen soll. Als Schutzmacht Taiwans steht Wa-shington der nationalen Einheit im Wege. Die Entwicklung des US-Raketenabwehrsystems, die Weltraumpolitik und die kon-ventionelle Überlegenheit der USA gefährden die chinesische Abschreckungsfähigkeit. China sieht im indischen Asyl für die tibetische Exilregierung seine territoriale Integrität gefährdet. Die chinesischen Beziehungen zu Russland sind scheinbar gut, russische Waffenexporte nach Südostasien, Konkurrenz in Zent-ralasien und die chinesische Ein-wanderung nach Sibirien schaf-fen Irritationen.

Zwischen den USA, Russland, China und Indien hat ein nuklea-rer Rüstungswettlauf begonnen. Auslöser sind Offensivoptionen

der USA, kombiniert mit der Raketenabwehr; Russland und China sehen ihre Abschreckungs-fähigkeit gefährdet und ergreifen Gegenmaßnahmen. Russland ersetzt obsolete Raketen durch technisch fortgeschrittene, China modernisiert sein Arsenal lang-sam, aber stetig. Indien macht den Ausbau seiner Abschre-ckungsmacht von der Größe der chinesischen Nuklearstreitkräf-te abhängig, Pakistan orientiert sich an Indien. Es handelt sich um mehrere verbundene Rüstungs-wettläufe, die zur Instabilität tendieren. Die nukleare Abschre-ckung ist kein verlässlicher Frie-densgarant.

Neuer nuklearer Rüstungswettlauf

Russland und China werden um-fangreicher Spionageaktivitä-ten und verdeckter Attacken im Cyberspace verdächtigt. Die Ent-hüllungen über die NSA zeigen, dass die USA ihre Rivalen noch übertreffen. Über die Eskalations-risiken feindseliger Cyberaktivi-täten gibt es keine Erfahrungsda-ten. Kombiniert mit klassischen Staatenkonflikten schaffen sie neue Quellen der Instabilität.

Die geoökonomische Kon-kurrenz um Erdöl, die durch die Erschließung neuer fossiler Energieressourcen („Fracking“) gemildert, aber nicht aufgehoben wird, lässt Krisen in der persi-schen Golfregion zu möglichen Herden von Weltkrisen werden.

Die gefährlichsten Brennpunkte der Zukunft liegen in Ost- und Südchinesischen Meer, wo China territoriale Ansprüche verfolgt, während die USA als Schutz-macht der Anrainerstaaten fun-gieren und Indien maritime und rohstoffwirtschaftliche Interes-sen entwickelt. Auch die Taiwan-Frage kann aufflammen, wenn Taipeh Unabhängigkeitspolitik betreibt. China versucht sich die Option zu verschaffen, durch weitreichende Schläge die ameri-kanische Machtprojektionsfähig-keit weit vor seinen Küsten zu be-kämpfen. Die USA wollen sich in die Lage versetzen, diese entste-henden Fähigkeiten durch kon-ventionelle Langstreckenschläge zu beseitigen. Beide Strategien tendieren zum konventionellen Erstschlag.

Großmachtinteressen unzureichend reguliert

Ähnlichkeiten mit der Lage vor dem Ersten Weltkrieg ergeben sich dadurch, dass auch heute Großmachtinteressen unzurei-chend reguliert auf Konfrontati-onskurs sind. Wie am Anfang des 20. Jahrhunderts haben wir es nicht mit bilateralen Konflikten zu tun, sondern mit einem ver-netzten Konfliktsystem, in dem jeder potentielle Krisenherd mit jedem anderen verbunden ist. Einzelne Dispute – ein japanisch-chinesischer Zusammenstoß vor den Diaoyu/Senkaku-Inseln, der Wahlsieg eines nationalistischen taiwanesischen Politikers, mariti-me Scharmützel um die Spratley-Inseln oder chinesisch-indische Grenzkonflikte – könnten sich wellenartig ausbreiten. Hoch-spannung an einer Stelle des Konfliktraums wird flächende-ckend zur Erhöhung der Einsatz-bereitschaft führen, mit der Folge hoher Stabilitätsrisiken.

Es wäre daher realitätsblind, den heutigen Regelfall von Ge-waltauseinandersetzungen, den „kleinen Krieg“, der als innere Auseinandersetzung oder auf re-gionaler Ebene eingehegt bleibt, für das einzige Zukunftsmodell zu halten. Der Großmachtkrieg bleibt möglich, und die Risiken steigen. harald müller

L E I B N I Z | F R I E D E N U N D K O N F L I K T E

Harald Müllerist geschäftsführendes Vorstands mitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie Professor für Internationale Beziehungen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Der Politikwis-senschaftler berät verschiedene Institu-tionen, darunter das Auswärtige Amt, die Internationale Atom-energiebehörde, der EU-Ministerrat und die Vereinten Nationen.

Umkämpft: China und weitere Staaten streiten um die Vormacht

im Chinesischen Meer.

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L E I B N I Z | F R I E D E N U N D K O N F L I K T E

Wenig Wissen,wenig Macht

Nachdem der Westen und die Ukraine schon gegen die Krim-

Annexion nichts ausrichten konnten, fürchten Osteuropa-Forscher

die Eskalation der Gewalt in der Ost­Ukraine. Der Konflikt hat

dort bereits jetzt Hunderte Tote gefordert.

Am Abend des 16. März herrsch-te auf den Straßen von Simfero-pol Feierstimmung. Gespannt erwarteten die versammelten Menschen das Ergebnis des Re-ferendums über den Beitritt zur Russischen Föderation. Als es bekannt wurde, jubelten sie und schwenkten russische Flaggen: Die Krim kehrt zum Mutterland zurück – so sahen es an diesem Abend viele Wähler. Doch sie hat-ten auch rationale Gründe, für den Anschluss zu stimmen. Die Wirtschaftskraft Russlands gab ihnen Hoffnung auf höhere Löh-ne, ein besseres Leben.

Doch bereits wenige Wochen nach der Abstimmung lag die Wirtschaft auf der Krim am Bo-den. Ausländischen Unterneh-men wurde die Situation ange-sichts der von der Europäischen Union und den USA angedrohten Wirtschaftssanktionen zu hei-kel: McDonald’s zog sich im Ap-ril „aus produktionstechnischen Gründen“ und wegen „Betriebs-bedingungen außerhalb unserer Kontrolle“ zurück, der deutsche Handelskonzern Metro schloss seine beiden Großmärkte. Flug-gesellschaften strichen Flüge oder nahmen die Krim komplett aus dem Programm, Reederei-en stellten ihre Verbindungen zeitweise ein. Der Tourismus, ein wichtiger Wirtschaftszweig, ist stark zurückgegangen – ein Problem, dem Russlands Prä-sident Vladimir Putin jüngst zu

begegnen versuchte, indem er seinen Beamten Urlaub auf der Krim verordnete.

Wie kann die Zukunft einer Region aussehen, die völker-rechtlich weiterhin zur Ukraine gehört, faktisch aber von Russ-land regiert wird? Dass Russland mit diplomatischen Mitteln dazu gebracht werden kann, die Krim an die Ukraine zurückzugeben, gilt als extrem unwahrscheinlich. „Die Krim ist ein weiteres Terri-torium neben Transnistrien, Süd-ossetien und Abchasien, wo durch russische Intervention Zwischen-reiche errichtet werden, die dip-lomatisch nicht anerkannt sind, in denen die Wirtschaft stagniert und die Kriminalität blüht“, sagt die Osteuropa-Historikerin Anna Veronika Wendland vom Marbur-ger Herder-Institut. Der Westen könne derzeit nichts tun, als die Situation auf der Krim gemein-sam mit der ukrainischen Regie-rung beständig zu beobachten.

Stagnierende Wirtschaft, blühende KriminalitätDer Historiker Jürgen Zarusky vom Institut für Zeitgeschichte in München und der Politikwis-senschaftler Dirk Peters von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung stimmen mit Wendland überein, dass der Westen sich auf der Krim derzeit nicht zu stark engagieren sollte:

Angesichts des sich stetig ver-schärfenden Konflikts in der Ost-Ukraine habe die Befriedung die-ser Region derzeit Priorität. „Die Krim wird im politischen All-tagsgeschäft immer mehr in den Hintergrund treten. Der Westen wird eine Sprachregelung finden, um die Sezession nicht anzuer-kennen, aber trotzdem weiterhin normale Beziehungen zu Russ-land zu unterhalten“, sagt Peters.

Die Frage, zu welchem Land die Krim gehört, ist dabei nicht neu. 1954 schlug Nikita Chru-schtschow die Halbinsel der Uk-raine zu. Zuvor war sie 170 Jahre lang ein Teil Russlands. Die Grün-de für Chruschtschows Entschei-dung kennt niemand so genau. „Er wollte sich wohl im Macht-kampf nach Stalins Tod 1953 die Unterstützung ukrainischer Parteifunktionäre sichern und auch die Besiedlung der Krim mit ukrainischen Bauern erleichtern, nachdem die tatarische Bevöl-kerung 1944 zwangsdeportiert worden war“, erläutert Zarusky. Der Parteichef auf der Krim war von Chruschtschows „Geschenk“ an die Ukraine nicht begeistert. Die Bevölkerung wurde nicht ge-fragt. Sie bestand schon damals mehrheitlich aus Russen.

Heute sind die ethnischen Russen mit rund 60 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe auf der Krim. Die Ukrainer stellen 24 Prozent, die Krimtataren zwölf Prozent, andere Ethnien etwa vier Prozent der zwei Millionen

„Die Krim wird im politischen

Alltagsgeschäft immer mehr in

den Hintergrund treten.“

Dirk Peters Hessische Stiftung

Friedens- und Konflikt-forschung

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Nach dem Referendum:Bewohner Simferopols feiern

den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation.

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Bewohner. Dass eine Mehrheit der Bevölkerung den Anschluss an Russland gewollt hat, ist plau-sibel, schließlich gab es schon seit dem Zusammenbruch der Sowjet union separatistische Strö mungen. Das offizielle Er-gebnis spiegele jedoch nicht den Willen der Bevölkerung wider, ist Anna Veronika Wendland überzeugt: „Weder die Ukrainer noch die Tataren stimmten mit, und auch den Russen wurde mit vorgehaltenem Sturmgewehr bedeutet, wie sie ‚richtig‘ abzu-stimmen hätten.“ 96,8 Prozent der Wähler votierten laut offiziel-lem Ergebnis für den Beitritt zur Russischen Föderation. Der Rus-sische Menschenrechtsrat geht aber nach eigenen Erhebungen davon aus, dass die Zustimmung nur etwa 60 Prozent betrug, bei einer Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent. „Dieser Befund scheint den Realitäten auf der Krim wesentlich näher zu kom-men“, meint Wendland.

Abstimmung mit Sturmgewehr

Das Referendum wurde durch Gewaltanwendung russischer Truppen ermöglicht und nicht von Wahlbeobachtern über-wacht. In den USA und der EU rief es einen Aufschrei hervor.

„Da hilft es auch nichts, dass man sich Mühe gegeben hat, die An-gliederung der Krim an Russland möglichst völkerrechtskonform zu gestalten – in Form von de-ren Sezession von der Ukraine, gefolgt von einem Aufnahmean-trag an die Russische Föderati-on“, sagt Zarusky. Russland habe internationales Recht verletzt, und dies ziehe einen schweren Vertrauensverlust und eine Be-schädigung der internationalen Ordnung nach sich.

Fehleinschätzungen durch die EU

In der öffentlichen Diskussion in Deutschland gab es dennoch immer wieder Stimmen, die das russische Vorgehen auf der Krim verteidigten. So äußerte Altbun-deskanzler Helmut Schmidt in der Wochenzeitung „Die Zeit“ Verständnis für Putin. Und tat-sächlich schätzte die Europäische Union russische Sensibilitäten wohl nicht richtig ein, als sie der Ukraine eine Assoziierung anbot. „Für Russland bedeuteten die Verhandlungen eine Ausdehnung der westlichen Einflusssphäre auf Kosten des russischen Einflusses“, sagt Dirk Peters. „Dafür hätten die Europäer ein besseres Gespür ha-ben müssen.“ Der EU deshalb die Schuld an der Krim-Krise zu ge-

Donezk, Ostukraine: Prorussische Separatisten haben vor einem Gebäude der Regionalregierung

Barrikaden errichtet.

„Weder die Ukrainer noch die Tataren stimmten

mit, und auch den Russen

wurde mit vorge-haltenem Sturm-gewehr bedeutet,

wie sie ‚richtig‘ abzustimmen

hätten.“

Anna Veronika Wendland

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ben, hält der Politikwissenschaft-ler allerdings für überzogen.

Für Ukrainer und Tataren ist das Leben auf der Krim seit der Annexion schwieriger geworden. Zwar versprachen der Kreml und die selbst ernannte Krim-Regierung umfassende Minder-heitenrechte und erhoben neben Russisch auch Ukrainisch und Krimtatarisch zu Amtssprachen. Doch tatsächlich wurden ukra-inische Aufschriften von öffent-lichen Gebäuden entfernt. Viele Krimtataren flohen aus Angst vor politischer Verfolgung oder aus religiösen Gründen auf das uk-rainische Festland. Dabei waren Angehörige der Minderheit erst seit dem Zusammenbruch der So-wjetunion auf die Krim zurückge-kehrt. Weil einige Krimtataren im Zweiten Weltkrieg mit der Wehr-macht kollaboriert hatten, hatte Stalin das gesamte Volk ab 1944 nach Zentralasien deportiert.

Doch auch viele derer, die auf der Krim bleiben wollen, haben mit umfangreichen Veränderun-gen zu kämpfen. Rechtsanwälte, Polizisten und Beamte müssen russische Gesetze lernen. Unter-nehmen brauchen eine neue Ge-werbegenehmigung und häufig auch neue Handelspartner, denn die Regionalregierung der Krim hat den Import verschiedener Lebensmittel aus der Ukraine verboten – die Hygienestandards

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Wahlhelfer in Simferopol auf der Krim leeren eine Wahlurne beim um-strittenen Referendum über den Anschluss der Halbinsel an Russland.

genügten den russischen Vor-schriften nicht. Die Stimmung auf der Krim wird von Beob-achtern dennoch generell als optimistisch beschrieben. Tat-sächlich hat Russland eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen angekündigt. Umschulungen für Berufstätige haben begonnen, im öffentlichen Dienst wurden die Gehälter auf russisches Niveau angehoben. Allerdings steigen seither auch die Preise; die Ver-sorgungslage auf der Krim ist deutlich schlechter als vor der Annexion.

Wie viel Einfluss hat Putin?

In der Krim-Krise ist es dem Westen nicht gelungen, auf Putin einzuwirken. Wie viel Einfluss hat er im Osten der Ukraine? Seit vielen Wochen gibt es dort schwere bewaffnete Auseinan-dersetzungen zwischen ukraini-schen Regierungseinheiten und prorussischen Paramilitärs, die Opfer auf beiden Seiten fordern. Seit Mitte April, so ein Sprecher der Vereinten Nationen Ende Juni, starben mindestens 423 Menschen im Osten des Landes, darunter viele Zivilisten. Die EU hat Einreiseverbote und Konto-sperren gegen russische Politiker und Aufständische verhängt. Sie droht mit Wirtschaftssanktionen. Der Volkswirt Gabriel Felbermayr vom ifo Institut – Leibniz-Insti-tut für Wirtschaftsforschung in München betrachtet die Andro-hung allerdings mit Skepsis: „An Beispielen wie Kuba, Südafrika, Iran, Irak oder Libyen hat sich gezeigt, dass Sanktionen wenig Wirkung entfalten. Sie fügen zwar den Beteiligten ökonomischen Schaden zu, führen aber nicht zu politischem Wandel.“ Tatsächlich hätten sie häufig unerwünschte Folgen, wie etwa im Fall Weiß-russlands: Die EU und die USA wandten sich von dem Land ab, als Präsident Lukaschenko 2006 durch Wahlbetrug an die Macht kam. Weißrussland vertiefte dar-aufhin seine Handelsbeziehungen mit Russland, China und anderen Ländern. Dem diktatorischen Re-gime Lukaschenkos konnten die Sanktionen nichts anhaben.

„Sanktionen fügen zwar den Beteiligten ökonomischen Schaden zu, führen aber nicht zu politischem Wandel.“

GabrielFelbermayrifo Institut – Leibniz-Institut für Wirt-schaftsforschung an der Universität München

Statt einen Handelsboykott zu verhängen, sollten die westli-chen Länder lieber über die Fi-nanzmärkte Druck auf Russland ausüben, meint Felbermayr: „Wenn einige Banken nicht mehr mit Russland handeln und Rubel in Dollar wechseln, dann müss-te die russische Zentralbank die Transaktionen aus ihren Dollar-Beständen finanzieren. Ein Ver-lust seiner Dollar-Reserven wäre schmerzhaft für Russland.“ Bis-lang hätten sich die westlichen Regierungen dennoch durchaus clever verhalten: Schon die An-drohung von Sanktionen habe bewirkt, dass Investoren ihr Ka-pital aus Russland abgezogen haben.

Erdgas-Lieferstopp unwahrscheinlich

In der öffentlichen Debatte um Wirtschaftssanktionen geht es häufig auch um Europas Abhän-gigkeit von russischem Erdöl und Erdgas. Das Land liefert fast ein Drittel der EU-Importe. „Das ist aber keine einseitige Abhängig-keit: In Russlands Absatz mit Erd-gas macht die EU ebenfalls einen hohen Anteil aus. Auch die Flexi-bilität Russlands ist aufgrund der Pipelinegebundenheit von Erdgas eingeschränkt“, erläutert Andreas Löschel vom Zentrum für Euro-päische Wirtschaftsforschung. Dass sich Russland zu einem Lie-ferstopp entschließe, sei daher

sehr unwahrscheinlich. Dennoch müsse Europa diskutieren, wie die Abhängigkeit von Russland vermindert werden kann. „Eine weitere Integration des EU-Bin-nenmarktes für Erdgas könnte die Verhandlungsmacht der ein-zelnen Staaten und Unternehmen stärken, da besser ausgebaute in-nereuropäische Bezugsmöglich-keiten die Handlungsoptionen verbessern würden.“ Die Euro-päische Kommission legte Ende Mai Vorschläge zur Erhöhung der Energiesicherheit vor. Sie umfas-sen eine Stärkung von Solidari-tätsmechanismen im Krisenfall, die Verwirklichung eines EU-Bin-nenmarkts für Energie, die Redu-zierung des Energieverbrauchs und den weiteren Ausbau heimi-scher Energiequellen.

Die Konjunktur in Russland hat sich infolge des Konflikts merklich eingetrübt. Deutsche Unternehmen, die viel mit Russ-land handeln, bekommen dies bereits zu spüren. Insgesamt aber erwarte er keine empfind-liche Belastung für die deutsche Konjunktur, sagt Oliver Holte-möller vom Institut für Wirt-schaftsforschung Halle (IWH). „Exporte nach Russland ma-chen nur etwas mehr als drei Prozent der deutschen Exporte aus, so dass die direkten Effek-te klein sind. Allerdings werden sie durch die Auswirkungen der Krise auf Drittländer noch et-was verstärkt.“ Im Rahmen der Gemeinschafts diagnose haben

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L E I B N I Z | F R I E D E N U N D K O N F L I K T E

die Wirtschaftsforschungsins-titute im April 2014 geschätzt, dass ein Einbruch der russischen Konjunktur um vier Prozent das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 0,1 bis 0,3 Pro-zent dämpfen würde.

Droht Krieg in der Ostukraine?

Bedrohlicher als eine Wirt-schaftskrise scheint vielen Wis-senschaftlern die Gefahr, dass sich die Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine zu einem Krieg ausweiten. Westliche Be-obachter sind sich einig, dass am Bruch der von Kiew ange-botenen Waffenruhe vor allem die prorussischen Kräfte Schuld tragen und der ungehinderte Zu-

strom von Kämpfern und schwe-ren Waffen über die russische Grenze ohne duldende Zustim-mung der russischen Behörden undenkbar wäre. Russlands Rol-le als Verhandlungspartner ist so ambivalent. Angesichts vieler Unklarheiten können westliche Politiker zurzeit nur auf aktuel-le Entwicklungen reagieren. „Sie können aber von Russland auch eindeutige Taten verlangen, die über verbale Friedensbekun-dungen hinausgehen. Auch die massenmediale Propaganda, die diesen Konflikt in Russland begleitet, spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Mobilisierung der russischen Be-völkerung“, meint Anna Veronika Wendland. „Das macht die Ver-ständigung derzeit ungeheuer schwer, Putin könnte zum Getrie-

benen der von ihm selbst ermu-tigten radikalnationalistischen Kräfte werden.“

Für den Münchner Histori-ker Jürgen Zarusky wird an der Diskussion über die Krise in Deutschland auch deutlich, dass viel mehr über Osteuropa ge-forscht werden muss: „Jetzt wird der eklatante Mangel an politi-scher, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Auseinander-setzung mit Osteuropa spürbar, für den die Perestroika so große Chancen eröffnet hat“, meint er. „Nicht wenige Osteuropa-For-schungseinrichtungen mussten in den vergangenen Jahren ums Überleben kämpfen – offenbar glaubten Entscheidungsträger, man wisse schon genug.“

bianca schröder

Ökonomie am Boden: Ein von prorussi-schen Aktivisten

ver wüsteter Metro-Markt in der Nähe des Donezker Flughafens.

„Jetzt wird der eklatante Mangel

an politischer, wissenschaftlicher

und gesellschaft-licher Ausein-andersetzung

mit Osteuropa spürbar.“

Jürgen Zarusky Institut

für Zeitgeschichte

Eine Vortragsreihe der Leibniz-Gemeinschaft in der Urania Berlin

Leibniz-Lektionen

2014

Aktuelle Forschungsergebnisse aus den Leibniz-Instituten

4.11.2014, 19.30 UhrMartin SabrowPräsident des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)Der Mauerfall als historische Zäsur

24.9.2014, 17.30 UhrStefan TreueDirektor des Deutschen Primatenzentrums Leibniz-Instituts für Primatenforschung (DPZ), GöttingenDas Gehirn bei der Arbeit – Vom Sehen zur Wahrnehmung im Affen und Menschen

6.10.2014, 19.30 UhrIsabella Peters Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschafts-wissenschaften – Leibniz-Informations-zentrum Wirtschaft (ZBW), KielScience 2.0: Wissenschaft im Netz

VeranstaltungsortUrania Berlin An der Urania 17 10787 Berlin

www.leibniz-gemeinschaft.de/leibniz-lektionen

Vortrag mit Diskussion Eintritt freiDie Vortragsreihe wird fortgesetzt.

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Page 23: Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

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L E I B N I Z | F R I E D E N U N D K O N F L I K T E Fo

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Die Frage für den Historiker lautet nicht, ob wir eine Kultur der Erinnerung brau-chen, sondern wie diese Kultur zu welcher Zeit beschaffen ist. In Bezug auf den Ersten Weltkrieg zeigt sich in diesen Monaten, mit welcher fachlichen und medialen Wucht der in Deutschland lange Zeit eher dem Vergessen überantwortete als im kulturel-len Gedächtnis bewahrte Erste Weltkrieg zum 100. Jahrestag seines Ausbruchs zu neuer Beschäftigung reizt. Im Zuge dieses Richtungswechsels wurde mit atemberau-bender Selbstverständlichkeit und ohne markanten empirischen Erkenntnisgewinn zugleich die mit dem Namen des Historikers Fritz Fischer verbundene Annahme einer deutschen Hauptverantwortung für den Kriegsausbruch einkassiert, um die jahr-zehntelang die erbittertsten Grabenkämpfe ausgetragen worden waren, bis sie sich für einige Zeit als gängiges Deutungsmuster zu etablieren vermocht hatte. Wie ist die ful-minante Rückkehr des Ersten Weltkriegs in die öffentliche Erinnerung und die mit ihr verbundene fachliche Ablösung der Allein-schuldthese durch die Gemeinschuldvermu-tung zu erklären?

Gerade Alt-Fischerianer bedienen sich gerne einer Denkfigur, die das Deutungskon-zept der europäischen Schlafwandler des australischen Historikers Christopher Clark als ersehnte Selbstentlastung der zu neuem Selbstbewusstsein erwachten Deutschen be-greift. Doch diese Erklärung ist kurzschlüs-sig. Sie widerspricht dem offenkundigen Befund, dass dieselbe Öffentlichkeit gerade erst im vergangenen Jahr zum 80. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 mit gleicher Intensität an die „zerstörte Vielfalt“ der deutschen Barbarei erinnert hat. Nicht um nationale Täterentlastung geht es bei der Neubesinnung auf den Ersten Welt-krieg, sondern um die europäische Auswei-tung eines erinnerungskulturellen Opfernar-rativs. Dabei wird auch der Erste Weltkrieg in eine opferorientierte Geschichtserzählung inkorporiert, die sich bislang auf die Aufar-beitung der beiden großen Diktatursysteme des 20. Jahrhunderts konzentriert hat und nun mit medialer Wucht auch den Großen Krieg als deren initiierende Urkatastrophe einbezieht.

In diesem Gegenwartswandel der Vergangenheit wird ein Denkmuster sichtbar, das nicht mehr mit Ideen, Interessen und Mentalitäten argumentiert, son dern den Krieg als einen Irr-sinn interpretiert, den niemand gewollt habe und dem am Ende um den Preis ihres eigenen Un-tergangs alle zum Opfer fielen – vom monarchischen Staats-lenker bis zum einfachen Sol-daten. Vor diesem Hintergrund verknüpft das neue Erinne-rungsnarrativ die „Urkatastro-phe“ des Ersten Weltkriegs mit dem 75. Jah-restag des Zweiten Kriegsausbruchs und der friedlichen Revolution in Ostdeutschland und Ostmitteleuropa vor 25 Jahren, um mit einem Mal aus der bisherigen Erinnerungsleere eine sinnstiftende Deutung in postnationaler und europäischer Perspektive zu gewinnen. Sie enthält das Angebot, die Leitvorstellungen unserer historischen Schamkultur wie Um-kehrbereitschaft, Opferorientierung und Dik-taturaufarbeitung in Beziehung zu setzen zu einer windungsreichen Erfolgsgeschichte, die das Jahrhundert der Extreme über die Daten von 1939 und 1989 als am Ende genutzte Besserungschance erzählt und in das Ziel der europäischen Integration einbettet.

Ob diese von Verdun nach Brüssel führen-de Interpretation als Basiserzählung eines künftigen europäischen Gedächtnisses taugt, darf bezweifelt werden. Schon die eigentlich nur im deutschen Sprachraum exorbitan-ten Verkaufszahlen von Christopher Clarks taktgebenden Weltkriegswerk weisen in eine andere Richtung. Und welche politische Lenkungskraft hierzulande im Verständnis des Großen Kriegs als Lernauftrag einer tra-gischen Verliererinternationale steckt, lehrt in diesen Monaten die deutsche Außenpoli-tik: Überdeutlich richtet sie ihr Engagement in der Ukrainekrise von 2014 an der Nega-tivfolie der Balkankrise von 1914 aus und setzt der damaligen zwanghaften Eskalation von einem Attentat zum Weltbrand die stra-tegische Fokussierung auf Exit optionen, auf Deeskalationschancen und auf Dialog räume entgegen.

martin sabrow

Martin Sabrow ist Direktor des Zentrums für Zeithis-torische Forschung in Potsdam und Professor für Neu-este Geschichte und Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er studierte Geschichte, Germa-nistik und Politologie in Kiel und Marburg/Lahn. Anschließend war er mehr als zehn Jahre im Schuldienst tätig, bevor er eine wissenschaftliche Laufbahn einschlug.

Die Gegenwart wandelt den Blick auf die Geschichte.

Erinnerungskultur?Brauchen wir eine

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UrkatastropheDie vergessene

Der Erste Weltkrieg gilt als ers-ter globaler Krieg. In seinem Verlauf werden erstmals groß-flächig Massenvernichtungs­waffen eingesetzt, es gibt immense Materialschlachten. Für den Historiker Michael Schwartz vom Institut für Zeitgeschichte München­Ber-lin aber ist der „Große Krieg“ auch der Ausgangspunkt ei-nes neuen Phänomens, das bis heute Leid mit sich bringt: ethnische Säuberungen.

Sie bezeichnen den Ersten Weltkrieg als „Urkatastrophe“ der ethnischen Säuberungen. Dieser Aspekt ist im öffent­lichen Bewusstsein wenig verankert, warum?Michael Schwartz: Das liegt an unserer westeuropäischen Perspektive, die sich sehr stark auf die Materialschlachten kon-zentriert und die entlegeneren Schlachtfelder im Osten nur we-nig im Blick hat. Dort aber brach sich diese Urkatastrophe ab 1914 schlagartig Bahn. Der Armenier-Genozid der Türken ist sicher das

schlimmste und bekannteste Bei-spiel, aber die damals regieren-den Jungtürken verfolgten auch Griechen, Christen und Zionisten. Und auch im russischen Reich gab es massive ethnisch motivierte Bevölkerungsdeportationen von „unzuverlässigen Fremdvölkern“. Vermutlich wurden 1914/15 etwa eine Million polnische und baltische Juden sowie 200.000 Volksdeutsche innerhalb Russ-lands deportiert.

Gab es vor 1914 keine ethnischen Säuberungen? Die Weltgeschichte war davor schließlich auch nicht immer ganz friedlich.Ethnische Säuberungen sind ein Phänomen der Moderne. Vor 1914 tauchen sie in Europa nur am Rande auf, nämlich auf dem Balkan. Der war sozusagen ein „begrenztes Labor“, wo man seit dem frühen 19. Jahrhundert eth-nische Säuberungen quasi erlern-te. Die Großmächte waren hinter den Kulissen durchaus beteiligt, so wie auch in den Kolonien und jungen Siedlerländern wie den

USA, wo ja die Vertreibung und partielle Ausrottung der india-nischen Ureinwohner durchaus Züge einer ethnischen Säuberung hat.

Wenn Sie ethnische Säube­rungen als modernes Phäno­men bezeichnen, klingt das, als wäre dies fortschrittlich.Für die Herausbildung ethnischer Säuberungen waren tatsächlich auch fortschrittliche Entwick-lungen eine Voraussetzung. Zu-nächst wurden Bevölkerungs-gruppen abweichend von der seit dem Mittelalter vorherrschen-den religiösen Klassifizierung zunehmend unter ethnischen Gesichtspunkten eingeteilt. Vor allem aber sorgten modern or-ganisierte Staatsformen, Arme-en und Transportmittel für die notwendige Durchschlagskraft. Und die Wissenschaft lieferte die entsprechenden Aussortierungs-raster als theoretische Grundlage. Schließlich kam rationales, kalt geplantes politisches Kalkül als Leitfaden des Handelns hinzu. Der Soziologe Zygmunt Bauman

Völkermord: Im ostanatolischen Malatya warten armenische Flüchtlinge 1918 auf ihre Deportation. Die meisten von ihnen

werden ermordet.

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N A C H R I C H T E N

hat es mal so formuliert: Neben den uralten irrationalen Hass trat das ganz neuartige Selbstvertrau-en des Bevölkerungen ordnenden „Gärtners“.

Wie entwickelte sich die Situa tion in Deutschland?Tatsächliche Vertreibungen gab es hier im Ersten Weltkrieg glückli-cherweise nicht. Gleichwohl gab es um 1917 Umsiedlungspläne innerhalb des deutschen Militärs für Teile Polens und des Balti-kums. Hier stoßen wir auf ein weiteres Phänomen dieser Zeit: Es gibt einen intellektuellen Dis-kurs über ethnische Säuberungen in politischen, militärischen, aber auch wissenschaftlichen Eliten. Vorausschauende Planungen für Zwangsumsiedlungen und Be-völkerungstausche als friedens-stiftende Maßnahmen sind kein Tabu.

Und das nicht nur in totalitären Regimen, sondern auch in west­lichen Demokratien?Richtig. Hier spielt der Vertrag von Lausanne von 1923 eine gro-ße Rolle, er hat geradezu Modell-charakter. Nach dem Ende des türkisch-griechischen Krieges gelingt es hier der Türkei in Ver-handlungen unter anderem mit den Demokratien Großbritan-nien und Frankreich eine Reihe von Nachkriegsregelungen zu ih-ren Gunsten zu revidieren. Zwar bevorzugten London und Paris nach 1918 Verträge über Min-derheitenschutz, aber in diesem

Lausanner Abkommen werden im Gegensatz dazu Bevölkerungs-transfers und ethnische Säube-rungen legitimiert. Aber auch am Sonderfall Elsass-Lothringen, wo nach 1918 etwa 140.000 seit 1871 eingewanderte „Reichsdeutsche“ ausgewiesen wurden, zeigt sich, dass auch siegreiche Demokratien sich ethnischer Säuberungen be-dienen. Es gab sogar Überlegun-gen auf französischer Seite, das gesamte besetzte linksrheinische Gebiet von Deutschen zu säubern, falls es von Frankreich annektiert werden würde.

Einige Jahre später wechselten die Deutschen von der Opfer­ in die Täterrolle und gaben ethnischen Säuberungen mit der Judenverfolgung eine ganz neue Dimension.Die Judenverfolgung inklusive des Völkermords ist sicher der quantitativ schlimmste Fall in der Geschichte, allerdings ist es nicht das erste Mal, dass eine ethnische Säuberung genozidale Ausmaße annahm. Hier ist der Armenier-Genozid durch die Türken der Präzedenzfall.

Wann schlägt eine ethnische Säuberung in einen Genozid um?Zunächst muss man ganz klar festhalten, dass jede Art von eth-nischer Säuberung brutal und menschenverachtend ist und in aller Regel auch mit Todesfällen unter den Vertriebenen einher-geht. Die qualitative Differenzie-

L E I B N I Z | K R I E G

rung liegt allerdings darin, ob diese Todesfälle beabsichtigt sind und systematisch herbeigeführt werden, oder ob sie „nur“ durch Vernachlässigung und widrige Umstände herbeigeführt werden, die dann vor allem Kranke und Schwache nicht überleben. Aber zu ihrer Frage: Vermutlich ist ein wesentlicher Faktor für die Radi-kalisierung in Form eines Geno-zids, dass es sowohl im Fall der Juden im Dritten Reich wie auch der kleinasiatischen Armenier kein anderes Land gab, in das diese Menschen hätten umgesie-delt werden können. Ein Indiz dafür ist, dass die osmanischen Griechen von den Türken brutal deportiert, aber eben nicht syste-matisch ermordet wurden, weil sie nach Griechenland vertrieben werden konnten und weil der griechische Staat auch als Für-sprecher auftreten konnte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Millionen Deutsche aus den besetzten „Ostgebieten“ vertrieben. Mit Billigung der Alliierten.Die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg ist ambivalent – auf der einen Seite die Nürnberger Pro-zesse, auf der anderen Seite die Vertreibungen der Deutschen, die – und das kommt für viele Betrof-fene ja erschwerend hinzu – bis heute zum Teil noch als gerecht-fertigt legitimiert werden. Ich denke aber, dass die Bedeutung des Holocausts für die folgende Vertreibung der Deutschen über-

Urkatastrophe

Michael Schwartz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Zeit-geschichte und außerplanmäßiger Professor für Neu-ere und Neueste Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Schwartz hat Geschichte und Katholische Theolo-gie studiert und sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Vertriebe-nenintegration in Deutschland sowie Nationalitätenkon-flikten in Südost- Europa beschäftigt.

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L E I B N I Z | F R I E D E N U N D K O N F L I K T E

Sommer VierzehnDie Geburt des Schreckens der ModerneRauminszenierung mit Panoramaprojektion 29. Juni bis 11. November 2014Dokumentationszentrum ReichsparteitagsgeländeBayernstraße 110 · www.museen.nuernberg.de

schätzt wird. Letztere war nicht so sehr Strafe für die deutschen Verbrechen an den Juden, die da-mals noch nicht so stark im allge-meinen Bewusstsein waren wie heute, sondern eher die Reaktion auf die vorherigen Umsiedlungen Hitlers insbesondere in Polen. Hier kamen Vergeltungsabsich-ten mit dem Wunsch zusammen, die konflikthafte multiethnische Bevölkerungsstruktur Ostmittel-europas endgültig zu „bereinigen“ – natürlich primär zu Lasten der besiegten Deutschen.

Das Verhältnis Deutschlands zu seinen östlichen Nachbarn ist heute weitgehend friedlich, auch im ehemaligen Jugoslawi­en ist die Situation entspannter als 1992. Vermutlich auch weil konfliktträchtige Konstellatio­nen zwischen rivalisierenden Volksgruppen durch deren klare Trennung gelöst wurde. Provo­kativ gefragt: Ist die Situation nach diesen ethnischen Säube­rungen besser als zuvor?Diese Denkweise finden wir ge-nauso schon im Falle von Lau-sanne 1923. Der Tenor hinsicht-lich der Bevölkerungsaustausche war damals: Es hat zwar richtig weh getan, aber das Ergebnis ist jetzt besser als vorher. Bis zu ei-nem gewissen Grad ist eine solche Sichtweise aus politischer Pers-pektive nachvollziehbar, aber ein solches Denken ist natürlich ge-genüber den Betroffenen zutiefst zynisch. Als ob ein über den Din-gen schwebender Gesellschafts-arzt einem kranken Patienten ein paar Gliedmaßen amputieren müsste, um ihn zu heilen – ein höchst fragwürdiger politisch-moralischer Ansatz. Außerdem: So eindeutig ist die Situation heu-te im ehemaligen Jugoslawien ja auch gar nicht, obwohl es zuge-geben vergleichsweise ruhig ist. Zwar sind Serbien und Kroatien ethnisch weitgehend homogeni-sierte Staaten, aber in Bosnien herrscht weiter die alte jugosla-wische Vielvölker-Mischung. Zu-dem gibt es mit Mazedonien einen Staat, in dem das Zusammenleben der Volksgruppen gut funktio-niert, ohne dass es je ethnische Säuberungen gegeben hätte.

Es hätte also Alternativen gegeben?Ich bin fest überzeugt, dass die Geschichte zeigt: Ethnische Säu-berungen waren nie alternativ-

los. Es hätte immer Möglichkei-ten gegeben, sie einzudämmen oder auch rückgängig zu machen. Schließlich gibt es Vielvölkerstaa-ten, in denen das Zusammenleben gut funktioniert, wie zum Beispiel Indien, das trotz millionenfacher Zwangsmigrationen nach der Un-abhängigkeit und der Abspaltung Pakistans 1947/48 ein funktionie-render demokratischer Vielvöl-kerstaat geblieben ist. Oder Russ-land, das auch nach dem Zerfall der Sowjetunion kein russischer Nationalstaat geworden ist, ob-wohl der russische Nationalismus diesen Eindruck manchmal er-weckt, sondern nach wie vor eine zwar russisch dominierte, jedoch stark multiethnische Föderation. Die heftigen Kriege in Tschetsche-nien waren eine Ausnahme, denn in der Regel blieb das Zusammen-leben friedlich.

Besteht also Hoffnung, dass ethnische Säuberungen ein Auslaufmodell sind?Ob ethnische Säuberungen ein überholtes Modell politischen Handelns sind und Negativbei-spiele wie in Jugoslawien oder Ruanda vor 20 Jahren vielleicht nur noch die letzten Ausläufer, lässt sich schwer sagen. Das hängt stark von der Perspektive ab, ob man dem Westen eine entspre-chende weltweite Vorbildfunk-tion zutraut oder nicht. Immerhin ist die noch 1945 weitverbreitete Ansicht, man müsse zur Befrie-dung ethnischer Konflikte säu-bern, nicht mehr unumstritten. Ich habe die Hoffnung, dass uns die Globalisierung mit ihrer welt-weiten Verflechtung dazu zwingt, friedlich miteinander zu leben. Allerdings ist auch die Globalisie-rung von der grundlegenden Am-bivalenz unserer Moderne nicht frei: Sie kann Gutes ebenso wie Schlechtes hervorbringen.

interview: christoph herbort-von loeper

Literaturhinweis:Michael Schwartz „Ethnische ,Säuberun-gen‘ in der Moderne. Globale Wechselwir-kungen nationalisti-scher und rassistischer Gewaltpolitik im 19. und 20. Jahrhun-dert“. Oldenbourg-Verlag, 2013. 69,80 Euro. ISBN: 978-3-486-72142-3.

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Page 28: Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

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Ein Blick auf die Landkarte zeigt es: Die Tschechoslowakei ist das Zentrum Europas. Knallrot prangt sie inmitten farbloser Nachbarländer. Ein Taschen-spielertrick, könnte man denken. Doch ein gern genutzter, der vor fast 100 Jahren im Frankreich der Zwischenkriegszeit zumindest teilweise von politischem Erfolg gekrönt ist.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wird bei den Frie-denskonferenzen in den Nobel-vororten im Westen von Paris auch über die Grenzen der neu entstehenden Länder auf dem Gebiet der Habsburgermonar-chie verhandelt. Das riesige öster-reich-ungarische Reich existiert

nicht mehr. Neue Staatsgrenzen sollen – so der Plan – entlang von Sprachgrenzen gezogen werden.

Landkarten als Argument

Die Friedenskonferenz mit meh-reren Tausend Beteiligten ent-wickelt sich schwerfällig. Die Detailarbeit übernehmen Exper-tenkommissionen, die höchsten Vertreter Frankreichs, Großbri-tanniens, der USA, Italiens und Japans treffen auf dieser Grund-lage die Entscheidungen. Um sie zu ihren Gunsten zu beeinflussen, haben die Nachfolgestaaten gan-ze Delegationen nach Paris ent-

sandt: Politiker, Wissenschaftler und Medienvertreter. Die arbei-ten mit allen Mitteln. Besonders beliebt sind Landkarten, die ganz im Sinne der jeweiligen Regie-rung gezeichnet werden.

Wie renommierte Geogra-fen und andere Experten in den Dienst ihrer Regierungen tra-ten und ihr Wissen nutzten, um bei den Pariser Verhandlungen Einfluss auf die Festsetzung der Grenzen zu nehmen, untersucht Peter Haslinger, Direktor des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung. Seit einiger Zeit rücken geografische Räume auch in der Geschichts-wissenschaft in Deutschland wie-der ins Bewusstsein. Haslinger

KartenspieleNach dem Ersten Weltkrieg rangen Europas Nationen auf dem

Papier um neue Grenzen: mit Karten, die das eigene Staatsgebiet

möglichst vorteilhaft definierten. Die in Versailles verhandelten

Grenzen lieferten so Stoff für neue Konflikte.

Propagandakarte des tschechoslowakischen

Exils aus dem Jahr 1916.

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geht dabei mit seiner Diskursfor-schung neue Wege. Die Materiali-en des Marburger Leibniz-Insti-tuts, besonders die umfangreiche Sammlung historischer Karten, dienen ihm hierbei als Basis.

„Die Wissenschaftler waren mit hohem Einsatz bemüht, ihre Sicht darüber durchzusetzen, welche Bergketten und Flüsse ein Land am besten schützen, wo unverzichtbare Bodenschät-ze lagern und wichtige Eisen-bahntrassen verlaufen“, erklärt der Historiker. „Sie versuchten alles, um die Entscheider bei den Friedensverhandlungen zu überzeugen.“ Die Experten er-stellen Memoranden mit speziell gezeichneten Karten. Die politi-schen Führer der neuen Staaten erklären sie den alliierten Ent-scheidern im direkten Gespräch und erläutern, wie sie sich die neuen Grenzen vorstellen. Dabei finden sie durchaus Gehör: Aus Versailles ist überliefert, wie der amerikanische Präsident Woo-drow Wilson auf allen Vieren eine am Boden liegende Karte studiert, um mit seinem französi-schen Amtskollegen und dem bri-tischen Premier über die richtige Grenzziehung zu debattieren.

Misstrauen in Europa

Am Beispiel Polens, der Tsche-choslowakei und Ungarns hat Haslinger herausgearbeitet, wie unterschiedlich erfolgreich die Delegationen mit ihrer Strategie waren. Er beobachtete auch, wie schwer der Erwartungsdruck auf allen Beteiligten lastete, in unsicheren Zeiten einen Staat neu aufzubauen. Visionen von der Zukunft eines Landes hingen mit der Frage der Grenzziehun-gen unmittelbar zusammen. Be-sonderes Gewicht legt Haslinger auf eine Neuinterpretation von Kartenmaterial. „Alle Delegati-onen stellten bei den Friedens-verhandlungen ihr Land farblich ins Zentrum und zogen die neu-en Grenzen zum Teil erheblich über die Sprachgrenze hinaus“, erläutert er. Die Farbe Rot wird besonders gerne eingesetzt. Die Konkurrenz um das beste Argu-

ment ist unter den neuen Staaten im Osten Europas entsprechend groß. Das in Paris aufkeimende Misstrauen vergiftet die nachbar-schaftlichen Beziehungen in der Zwischenkriegszeit und bleibt in vielen Fällen bis in den Zweiten Weltkrieg hinein bestehen.

Gewinne im Westen, Krieg im Osten

Auf Grundlage des Kartenmate-rials werden die deutschsprachig besiedelten Randgebiete Böh-mens ohne lange Diskussionen der neuen Tschechoslowakei zugesprochen. Polen ist nicht ganz so erfolgreich. „Die dortige Staatsspitze war tief gespalten und es gab keine klare Linie über die gewünschte Grenzziehung“, erklärt Haslinger. Die Ansprüche reichen bis tief in das Gebiet der heutigen Ukraine, Litauens und Weißrusslands. Während der Friedensvertrag von Versailles Gewinne im Westen und den heißersehnten Zugang zur Ost-see vorsieht, muss über die Ost-grenzen ein neuer mehrjähriger Krieg gegen Sowjetrussland ent-scheiden. Dieser, so Haslinger, ist im historischen Bewusstsein der Polen deutlich präsenter als der Erste Weltkrieg.

Sehr viel schlechter als die-sen beiden Staaten ergeht es Ungarn. Wegen schwerer politi-scher Wirren trifft eine ungari-sche Delegation erst mit einem Jahr Verspätung in Trianon ein, einem Schloss in den ausgedehn-ten Parks von Versailles. Auch sie hat Karten und Memoranden im Gepäck, die verdeutlichen sollen, dass das Land trotz der vielen Minderheiten eine geografische und wirtschaftliche Einheit dar-stelle und daher nicht aufgeteilt werden könne. „Die Entscheidun-gen waren aber längst gefallen“, sagt Haslinger. Ungarn schrumpft auf weniger als ein Drittel sei-ner ursprünglichen Fläche; das gesamte Land verfällt nach der Entscheidung der Siegermächte in einen Schockzustand. Ungarns Führung gibt sich in der Folge nach außen friedlich, rüstet aber insgeheim auf und schürt bei-spielsweise in Jugendverbänden

die Sehnsucht nach einer Rück-kehr zum großungarischen Reich. Während des Zweiten Weltkriegs findet man im nationalsozialisti-schen Deutschland den logischen Partner. Die zurückgewonnen Ge-biete gehen nach dem Sieg über das Dritte Reich jedoch abermals an die Nachbarn verloren.

Nachwirkungen bis in die Gegenwart

Bis heute wirkt das „Trauma von Trianon“ nach. In den heftigen innenpolitischen Auseinander-setzungen der vergangenen Jah-re wurde es zum Argument der radikalen Rechten. „Ungarn ist vielleicht ein besonders gutes Beispiel dafür“, so Haslinger, „wie langlebig territoriale Vorstellun-gen in Gesellschaften verankert sein können – vor allem dann, wenn ein politisches Interes-se besteht, diese wachzuhalten oder wieder aktuell zu machen.“ Entsprechend sind die Friedens-verhandlungen von Paris nach dem Ersten Weltkrieg im Osten Europas auch heute mehr als nur Geschichte. „Wir können uns auf weitere Entwicklungen einstel-len,“ so der Historiker, „die ohne das Wissen um historische Räu-me und Grenzen nicht erklärt werden können.“ In der Krim-Krise etwa gibt es dieser Tage Stimmen aus Budapest, einen Teil der Ukraine wieder Ungarn anzu gliedern.

annett zündorf

Rechtsradikale Gruppen nutzen die ungarischen Gebiets-verluste noch heute für ihre Propaganda. Auf dem T-Shirt dieser Demonstrantin in Budapest: Ungarns Grenzen vor 1918.

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30 2/2014

Als die Elitekämpfer des KGB am Abend des 27. Dezembers 1979 den zehn Kilometer vor den Toren Kabuls gelegenen Tajbeg-Palast erobern, nehmen sie keine Gefangenen. Zunächst töten sie den wenige Monate zuvor an die Macht gelangten afghanischen Präsidenten Ha-fizullah Amin, seine Söhne und seine Geliebte mit einer Hand-granate. Dann – so wird man es sich später erzählen – erschie-ßen sie alle afghanischen Zeu-gen von Operation „Sturm 333“.

Weit außerhalb des Völkerrechts

Die Kommandoaktion markiert den Auftakt der Invasion der So-wjetunion in Afghanistan, den Auftakt zu neun Jahren und zwei Monaten erbitterter Kämpfe. Zugleich ist sie Sinnbild für die Natur des Krieges am Hindu-kusch: So erbarmungslos wie die Geheimdienstler ihn in dieser Kabuler Winternacht beginnen, wird er bis zu seinem Ende im Februar 1989 geführt. Gewalt ist dabei mehr als ein bedauerlicher, aber unvermeidbarer Teil des Konflikts. Sie ist die Sprache, in der Rotarmisten und Mudscha-heddin kommunizieren.

„Beide Seiten sind extrem brutal vorgegangen; sie haben diesen Krieg weit außerhalb der Regeln des Völkerrechts geführt“, sagt Jan C. Behrends vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Seit 2011 beschäftigt sich der Historiker mit dem So-wjetisch-Afghanischen Krieg und der Frage, welche Rolle Gewalt darin gespielt hat. Wie erlebten die meist jungen Soldaten den von Brutalität geprägten Alltag? Wo lagen die Wurzeln des Mor-dens und der Massaker? Und wie wirkte die Gewalt auf die Sowjet-union zurück?

Seine Recherchen führen Beh-rends in Archive wie die Russi-sche Staatsbibliothek in Moskau und die Washingtoner Library of Congress. Er stößt auf Interviews, die Soziologen kurz nach Kriegs-ende mit sowjetischen Soldaten geführt haben. Die Erinnerun-gen der in Russland „Afghantsy“ genannten Veteranen stehen da-mals noch nicht unter dem Ein-fluss des öffentlichen Gedenkens und der Afghanistanfilme spä-terer Jahre. Weil es die Zeit von Glasnost ist, nehmen sie in ih-ren Schilderungen kein Blatt vor den Mund. „Die Gespräche sind dadurch authentischer als jedes Interview, das ich heute führen könnte“, sagt Behrends.

Das Material ermöglicht es ihm, die Gewaltsituation in Afgha-nistan zu rekonstruieren. Bei der Auswertung stützt er sich auf ein theoretisches Konzept des Soziologen Wolfgang Sofsky. Darin beschreibt Sofsky, wie Ge-walt bei kompletter Abwesenheit staatlicher Regeln und Kontrolle zur wichtigsten Ressource im menschlichen Zusammenleben werden kann. Als „Gewaltraum“ bezeichnet er diese soziale Ord-nung, in der kein Schutz für Schwächere existiert und jeder kämpfen und töten muss, um zu überleben. Regeln, so Jan C. Beh-rends‘ These, die auch für die so-wjetischen Soldaten in Afghanis-tan galten.

Töten um zu überleben

Eigentlich plant das Politbüro nur einen Kurzeinsatz in dem zent-ralasiatischen Land. Erst wird der in Ungnade gefallene Präsident Amin von der Spitze der kom-munistisch geprägten Demokra-tischen Volkspartei Afghanistan entfernt, die sich im April 1978 an die Macht geputscht hatte. Dann soll das sowjetfreundliche Regime unter dem Schlagwort der „sozialistischen Bruderhilfe“

L E I B N I Z | F R I E D E N U N D K O N F L I K T E

der GewaltDie Regeln

Zügellose Gewalt prägt den Alltag der sowjetischen Besatzung

Afghanistans. Sie bestimmt die Kämpfe zwischen Rotarmisten

und Mudschaheddin – und einen Krieg, der die Gesellschaft der

untergehenden Sowjetunion verändern wird.

Page 31: Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

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auf den Kampf gegen die religi-ösen Stämme außerhalb Kabuls vorbereitet werden – auch um zu verhindern, dass die verfeindeten USA an Einfluss über Afghanistan gewinnen. Eine wenige Monate währende Intervention, so das Kalkül. Doch Moskau irrt: Schon bald stehen die sowjetischen Truppen im Zentrum eines zer-mürbenden Partisanenkriegs.

Die meisten Soldaten ahnen nicht, dass ihnen ein Kampfein-satz bevorsteht, als sie nach Af-ghanistan aufbrechen. Sie glau-ben, sich auf eine Hilfsmission zu begeben, wollen den Afghanen die sowjetische Moderne näher bringen, am Hindukusch den Kommunismus aufbauen. Für die Jüngeren ist der Einsatz zudem eine Chance, der Tristesse und Perspektivlosigkeit des spätso-zialistischen Alltags zu entflie-hen. „Ich ging voller Enthusias-mus nach Afghanistan“, erinnert sich ein Major. „Ich dachte, dass ich dort etwas Nützliches tun könnte.“

Hinterhalte in den Bergen

Hinter der Grenze herrscht eine andere Realität. Wer in Kabul sta-tioniert ist, hat noch Glück. Die Stadt ist relativ friedlich, es gibt ein sowjetisches Viertel und rie-sige Basare voller Produkte, die zu Hause als Mangelware gelten: Jeans, Kassettenrecorder, Leder-jacken. Außerhalb der Haupt-stadt lauert das Grauen. Immer wieder geraten sowjetische Ein-heiten in der unübersichtlichen Berglandschaft in Hinterhalte. In Interviews und Tagebucheinträ-gen berichten sie von verstüm-melten Kameraden. „Was hier passiert, jagt mir Todesangst ein“, notiert ein Rekrut 1980. „Die An-griffe gehen weiter und die Mu-dschaheddin verfügen über Gra-natwerfer.“

Die Furcht betäuben viele Sol-daten mit Drogen, die es in Afgha-nistan in rauen Mengen gibt. Auf die Attacken der vom Westen un-terstützten Partisanen antworten sie mit brachialer Gewalt. In Ver-geltungsaktionen werden ganze Dörfer niedergebrannt. Übergrif-fe auf Verwundete, Zivilisten und das Vieh der Afghanen gehören

Nach neun Jahren Krieg:

Am 15. Februar 1989 verlassen die letzten

sowjetischen Soldaten Afghanistan über die

„Brücke der Freundschaft“.

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zum Alltag. „Wir schossen auf je-den Schatten, alles, was sich be-wegte, bedrohte uns“, erinnert sich Vladislav Tamarov, der als Fallschirmjäger in Afghanistan diente. „In diesem komischen Spiel gewann derjenige, der zu-erst tötete.“

Die Regeln des Gewaltraums

Folgt man der Theorie Wolf-gang Sofskys, blieb Soldaten wie Tamarov keine Wahl. „Sie mussten sich den Regeln des Ge-waltraums unterwerfen, um Af-ghanistan zu überleben“, erklärt Behrends. Später seien viele von Scham und Schuldgefühlen eingeholt worden. Doch – das konnte der Gewaltforscher den Berichten der Afghantsy ent-nehmen – gab es auch jene, die der amerikanische Soziologe Randall Collins als „violent few“ bezeichnet: Sie gewöhnten sich nicht nur an die Gewalt. Sie fan-den irgendwann Gefallen daran.

Konsequenzen drohten ihnen nicht. Früh scheint die Armee-spitze entschieden zu haben, Kriegsverbrechen zu tolerieren. Die exzessive Gewalt, so ver-mutet Behrends, war fester Bestandteil einer Strategie, die darauf abzielte, den Gegner ein-zuschüchtern, indem man noch mehr Gewalt anwendete und sich noch unnachgiebiger zeigte als er. Man könne belegen, dass Moskau von Dezember 1979 an klare Signale an die Truppen sendete: Hart sollten die Solda-ten auftreten, den Gegner nicht schonen, stets doppelte Vergel-tung üben. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Annahmen der Gewaltforschung, die davon ausgeht, dass Gewalt nicht aus dem Nichts losbricht. „Man kann genau zeigen, wer von wem an-gestachelt und welche Beloh-nung ihm in Aussicht gestellt wurde, Beförderungen, Lebens-mittel, Orden“, sagt Behrends. „Gewalt hat eine Struktur – auch der Krieg ist kein normenloser Raum.“

Zuhause in der Sowjet union ist von den Missständen wenig bekannt. Die politische Füh-

rung setzt alles daran, es da-bei zu belassen: Die Särge der schätzungsweise 15.000 sow-jetischen Soldaten, die in Af-ghanistan umkommen, kehren versiegelt zurück. Die Hinter-bliebenen dürfen die Gefallenen nur im engsten Kreis beerdigen. Über sie sprechen dürfen sie nicht.

Ende des Schweigens

Das Schweigen endet 1988. Drei Jahre nachdem Gorbatschow mit Perestroika und Glasnost Umbau und Öffnung des politi-schen Systems eingeleitet hat, fällt das Tabu Afghanistan. In kritischen Artikeln berichten Journalisten über die Kriegs-verbrechen und die Brutalität der Kämpfe, die über eine Mil-lion afghanische Krieger und Zivilisten das Leben kosten. Sie berichten auch über Korruption und die Gewalt innerhalb der Roten Armee, die immer wieder Tote fordert und die Moral der Truppe untergräbt. Die Glaub-würdigkeit der politischen und militärischen Führung bröckelt. Afghanistan wird ein weiterer Stein im Niedergang der Sowjet-union. Bald kommt Moskau zu dem Schluss, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist. Und sucht nach Wegen, Afghanistan zu ver-lassen, ohne das Gesicht zu ver-lieren.

Zurück vom Hindukusch ist der Weg ins zivile Leben für die

Afghantsy steinig. Manche füh-len sich nackt, wenn sie ohne Waffe auf die Straße treten, an-dere setzen ihre Gewaltkarriere im Organisierten Verbrechen fort oder heuern bei privaten Si-cherheitsdiensten an. Noch heu-te sieht man Afghantsy, die die Gewalterfahrung nie verwinden konnten, bettelnd durch die Einkaufsstraßen und U-Bahnen Moskaus und anderer Städte ziehen. Sie fühlen sich vom Staat missbraucht und im Stich gelas-sen. Und es fällt ihnen schwer, sich und anderen ihr Handeln im Krieg zu erklären.

Schandfleck in der Geschichte

In der Bevölkerung stoßen die Afghantsy nach ihrer Rückkehr auf wenig Mitgefühl. Anders als die Veteranen des Zweiten Welt-kriegs werden sie nicht als Hel-den verehrt, sondern oft als Ge-walttäter wahrgenommen. „Es erging ihnen ähnlich wie eini-gen amerikanischen Vietnam-Vets“, sagt Jan C. Behrends. „Man warf ihnen vor, den Namen des Mutterlandes beschmutzt zu ha-ben.“ Vielen Russen gilt der Ein-satz in Afghanistan bis heute als sinnloser Krieg, als Schandfleck in der Geschichte des Landes, den sie am liebsten vergessen möchten.

Der Wunsch zu vergessen scheint sich schon am 15. Febru-ar 1989 anzudeuten, über neun Jahre nach Operation „Sturm 333“. Als letzter sowjetischer Soldat verlässt Generaloberst Boris Gromow an diesem Tag das Kriegsgebiet. Auf einem Panzer überquert er die „Brücke der Freundschaft“, die Afghanis-tan mit der damaligen Sowjet-republik Usbekistan verbindet. Die letzten Meter legt Gromow zu Fuß zurück, ehe er um 11:55 Uhr vor die wartenden Journa-listen tritt. Er habe beim Über-queren der Brücke „große Freu-de“ empfunden, dass die Armee ihre Pflicht gegenüber dem Mutterland erfüllt hat, gibt er zu Protokoll. Und fügt hinzu: „Ich habe nicht zurückgeblickt.“

david schelp

Denkmal in Jekaterinburg: Die Gewalterfahrung in Afghanistan

konnten einige sowjetische Veteranen nicht verwinden.

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Sportmoderator Gerhard Delling hat dem Institut für Weltwirt-schaft (IfW) per Video-Botschaft gratuliert und sich gleich eine Erneuerung der Ökonomie ge-wünscht - „eine neue avantgar-distische Richtung“. Delling hatte in Kiel Ökonomie studiert und am Institut eine „ziemlich gute und herausragende Ausbildung genossen“. Doch hier soll es nicht um Ausbildung und avantgardis-tische Forschung gehen, sondern nur um einen Einzelaspekt: das IfW im Krieg.

Krieg ums InstitutDas Institut hat zwei Weltkrie-ge durchlebt. Als im Februar 1914 das „Königliche Institut für Seeverkehr und Weltwirt-schaft“ eröffnet wurde, war der Erste Weltkrieg noch fünf Mona-te entfernt. Bei Kriegsausbruch wird Institutsdirektor Bernhard Harms erst einmal eingezogen und zur Wacht an der Ostseeküs-te eingesetzt. Nach Rückkehr ins Institut ist dann vieles anders als gedacht: Erforscht wird nun, was kriegswichtig ist, publiziert wird in der neuen Reihe „Kriegswirt-schaftliche Untersuchungen“. Das gerade erst eingerichtete Wirt-schaftsarchiv sammelt und ver-wertet all jene Informationen, die mit Kriegswirtschaft und Kriegs-folgen zu tun haben. Neuer Titel: „Kriegsarchiv“. 1920 wird es wie-der geschlossen.

Dem nächsten Weltkrieg geht ein Krieg ganz anderer Art voraus: der Krieg um das Institut selbst. 1933 folgt der Machtergreifung das „Gesetz zur Wiederherstel-lung des Berufsbeamtentums“. Im Institut finden SA-Aktionen statt, jüdische und sozialdemo-kratische Wissenschaft ler wer-

Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel durchlebte in seiner

100-jährigen Geschichte zwei Weltkriege. Davon blieben auch

Forschung und Forscher nicht unberührt.

Wirtschafts-Krieg

den – teilweise unter Mithilfe der eigenen Kollegen – vertrieben. Harms lässt sich als Direktor ab-lösen und schlägt einen seiner Schüler als Nachfolger vor, Jens Jessen, einen überzeugten Nazi. Der will das Institut zur Kader-schmiede nationalsozialistischer Wirtschaftslehre machen. Am 1. Oktober 1933 übernimmt er die Leitung. Doch Jessen stolpert über den ungeprüft weitergege-benen Bericht eines Mitarbeiters über eine despektierliche Rede eines Naziministerialen, was letztlich Anfang ‘34 zu seiner Ablösung führt. Er entfremdet sich den Nazis zusehends, ver-kehrt in Oppositions- und auch in Widerstandskreisen. Bald nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 wird er verhaftet, zum Tode verurteilt und im Ber-liner Strafgefängnis Plötzensee hinge richtet.

Geheime DossiersDas Institut steht mittlerweile unter der Leitung eines weiteren Harms-Schülers, Andreas Pre-döhl. Der macht später geltend, er habe das Institut „mit seinem

ganzen internationalen Ansehen und seinen sämtlichen Auslands-verbindungen unversehrt durch die NS-Zeit gesteuert.“ Doch dies ist bestenfalls unter gleichzeiti-ger Aufgabe der ethischen Inte-grität erfolgt: Tausende größten-teils geheim gehaltene Gutachten, Analysen und Dossiers erstellt das Institut vor und während des Krieges. Die Auftraggeber: das Oberkommando der Wehrmacht, das Wehrwirtschafts- und das Rüstungsamt. In diesen Jahren – von ‘35 bis ’41 – forscht auch Karl Schiller am IfW. Später wird er, der Mitglied von SA und NSDAP war, unter Willy Brandt Sena-tor in Berlin, dann Bundeswirt-schafts- und -finanzminister.

Die führenden Ökonomen des Instituts, die in die Emigration gezwungen wurden, gehen in die USA, meist nach New York an die New School for Social Research. Einer von ihnen, Gerhard Colm, wird Wirtschaftsberater von Prä-sident Truman. Nach dem Krieg beteiligt er sich aktiv an den Planungen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands.

christian walther

Literaturhinweis: Harald Czycholl, 100 Jahre Weltwirtschaft, Wachholtz-Verlag, Neumünster 2014.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr in den 20er Jahren.

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Aufklärungsarbeit: Der Verbreitung des Virus‘ kann vorgebeugt werden, etwa durch

strenge Hygienevorschriften.

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Das Ebola-Virus gilt als eines der gefährlichsten der Welt. Seit

Anfang des Jahres hält es Westafrika in Atem. Erstmals forderte

ein afrikanisches Land bei einem Seuchenausbruch molekular-

diagnostische Unterstützung aus Europa an. Der Virologe Stephan

Günther reiste nach Guinea, um zu helfen.

Als am 23. März 2014 Stephan Günthers Telefon klingelt, muss alles ganz schnell gehen, denn 72 Stunden später wird der Virologe des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) auf dem Weg nach Guinea sein. Dort wüten die Vorboten eines grausamen Todes: hohes Fieber, Durchfall, Er-brechen, Magenschmerzen, Blu-tungen, Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma. Am Ende versagen die Organe. Das Ebola-Virus gilt als eines der gefährlichsten der Welt. Bis zu 90 Prozent der Er-krankten sterben, je nachdem mit welcher Virus-Variante sie sich angesteckt haben. Eine Impfung oder eine Therapie existiert nicht.

Als „Killer-Virus“ machte Ebola erstmals 1976 im Süden Sudans und im Norden Kongos entlang des Flusses Ebola von sich Reden. Damals erkrankten mehr als 600 Menschen an dem hämorrhagi-schen – also mit Blutungen ein-hergehenden – Fieber. Seitdem ist der Erreger immer wieder in zentralafrikanischen Staaten wie Gabun, Uganda oder der Demo-kratischen Republik Kongo aufge-taucht.

Erstmals ist nun seit Anfang des Jahres Westafrika von einer schweren Epidemie betroffen: In Guinea und seinen Nachbarlän-dern Liberia und Sierra Leone starben laut Angaben der Weltge-sundheitsorganisation (WHO) bis Anfang Juli rund 520 Menschen an

Ebola. Die WHO spricht von einer „der größten Herausforderungen“, seit das todbringende Virus vor 40 Jahren zum ersten Mal diag-nostiziert wurde. Die örtlichen Behörden sind überfordert. Sie benötigen Hilfe von Wissenschaft-lern wie Stephan Günther vom BNITM.

EMLab im Einsatz

Übertragen wird Ebola über Kör-perflüssigkeiten wie Blut und Speichel sowie über Erbrochenes und Exkremente. Anders als etwa bei Grippeviren ist eine Tröpf-cheninfektion nicht möglich. Das Ebola-Virus braucht den direkten

Kontakt von Menschen, um über-zuspringen.

„Nur neben einem Ebola-Pati-enten zu sitzen, reicht also nicht, um sich anzustecken“, erklärt Stephan Günther. Der Mediziner leitet am Hamburger Tropenins-titut die Abteilung für Virologie. Mit seinem damaligen Kollegen Christian Drosten und US-For-schern entdeckte er 2003 den SARS-Erreger und wurde dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Heute forscht der Professor vor allem an Lassa-Vi-ren. Sie lösen – wie Ebola-Viren – fieberhafte Infektionen aus, die verschiedene Gewebe des Kör-pers angreifen und zu Blutungen führen. Die Virologie des BNITM mit ihren Laboratorien der höchs-ten Sicherheitsstufe ist für diese Erkrankungen Referenzzentrum der WHO.

Als die Ebola-Epidemie in Guinea im März ausbricht, bleibt Günther für mehrere Wochen im Land, um den ersten Einsatz des „Europäischen mobilen Labors“ (EMLab) zu koordinieren. Er hat das Projekt maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Das EMLab unterstützt in Seuchengebie-ten die WHO sowie „Ärzte ohne Grenzen“ mit Erreger-Diagnostik. Erst im September 2013 waren alle Vorbereitungen und Übungen für einen möglichen Einsatz ab-geschlossen. Dass der Ernstfall so schnell folgen würde, damit hatte

Hilferufaus Westafrika

Das „Killer-Virus“ unterm Mikroskop: Erstmals wurde Ebola

1976 diagnostiziert.

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niemand gerechnet. „Die Feu-ertaufe ist gelungen“, resümiert Günther dennoch.

Viel Zeit, sie vorzube reiten, hatte er nicht: Am 21. März wer-den Proben aus Guinea im Hochsi-cherheitslabor in Lyon positiv auf das besonders aggressive Ebola-Zaire-Virus getestet, wenige Tage später werden die Ergebnisse am BNITM bestätigt. Damit hatten die Wissenschaftler nicht gerechnet: „In der Gegend tritt vor allem Las-sa-Fieber auf“, so Günther.

Vorbereitung in Windeseile

Am 23. März erfährt Günther von der WHO, dass er bereits am 26. März mit dem EMLab in die nahe den Grenzen zu Liberia und Sierra Leone gelegene Stadt Guéckédou reisen soll. „Normalerweise wer-den bei solchen Ausbrüchen die Kanadier oder US-Amerikaner um Hilfe gebeten“, erklärt Günther. Doch erst Anfang des Jahres hat-ten er und weitere europäische Kollegen aus dem EMLab-Projekt in Nigeria auf einem Symposium das neue mobile Feldlabor vor-gestellt. Offensichtlich so über-

zeugend, dass die Guineer explizit Hilfe aus Europa anfordern.

Binnen 48 Stunden stellt der Virologe ein fünfköpfiges Team zusammen, bucht die Flüge und erledigt sämtliche Formalitäten. Am 26. März startet der Flieger von München Richtung Conak-ry, der Hauptstadt Guineas. Zum Team gehören Wissenschaftler des BNI und des Instituts für Mik-robiologie der Bundeswehr (Mün-chen) sowie italienische und fran-zösische Spezialisten. Mit an Bord: das EMLab, verpackt in 22 Kisten. Entstanden ist es nach dem Vor-bild des mobilen Labors für Aus-landseinsätze der Bundeswehr in München. Über Land geht es acht Stunden weiter ins süd-östliche Guinea bis nach Guéckédou. Dort bauen die Wissenschaftler bei tro-pischer Hitze das diagnostische Labor neben der Isolierstation von „Ärzte ohne Grenzen“ auf. „Am 29. März konnten wir mit unserer Arbeit beginnen“, sagt Günther.

Ob im Feldlabor in Guécké-dou oder im Labor im Hamburg: Rund vier Stunden brauchen die Wissenschaftler, um das Virus mit Hilfe eines molekularbiologischen Verfahrens nachzuweisen. Das Problem bei einem Ausbruch wie in Guinea ist, dass Ebola im Ein-zelfall nicht sofort eindeutig er-kannt wird: „Sie können nicht alle Menschen isolieren, die Fieber ha-ben“, sagt Günther. Der Ebola-Test hingegen schafft Klarheit. Wird je-mand positiv getestet und isoliert, beginnt die Detektivarbeit für die Mitarbeiter von Ärzte ohne Gren-zen und Rotem Kreuz. Sie müssen in den abgelegensten Dörfern engmaschig die Kontakte des Erkrankten nachverfolgen und überwachen. Nur so lässt sich der Schneeballeffekt unterbrechen.

Die Aufregung der vergange-nen Monate in den Medien, das Ebola-Zaire-Virus könne auch in Deutschland wüten, hält Günther für überzogen: „Das Virus lässt sich gut kontrollieren, wenn die Hygiene-Vorschriften eingehal-ten werden.“ Hinzu komme, dass in Afrika Beerdigungsrituale die Verbreitung des Virus beschleuni-gen, die in Deutschland nicht exis-tieren: Erkrankt jemand abseits der Zivilisation an Ebola, pflegen

ihn die Angehörigen auf engstem Raum bis zum Tod und waschen die Leiche ohne Mundschutz und Handschuhe. Dabei kommen sie immer wieder mit den hochin-fektiösen Körperflüssigkeiten in Kontakt, stecken sich an und sterben. Ganze Familien rafft das Virus auf diese Weise dahin. Auch wenn es in Guinea offiziell der erste Ebola-Ausbruch ist, ist der Hamburger Wissenschaftler da-von überzeugt, dass das Virus in den vielen abgelegenen Waldre-gionen des Landes – unbemerkt von der Öffentlichkeit – schon häufiger gewütet hat. Erst mit der zunehmenden Mobilität in Afrika reise das Virus durchs Land.

Genom sequenzierung abgeschlossen

Die Suche nach dem Ebola-Über-träger in Guinea ist nicht endgül-tig abgeschlossen. Wissenschaft-ler haben infizierte Flughunde im Verdacht. Die Tiere sind Überträ-ger, ohne Symptome aufzuweisen und scheinen Menschenaffen und Menschen über ihren Kot oder durch einen Biss anzustecken. „Affen können wir in Guinea aber ausschließen, denn in der Region gibt es keine“, sagt Günther.

Die Genomsequenzierung des Virus hingegen ist abgeschlossen, die Ergebnisse wurden im April in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ veröffent-licht. Günther und eine Gruppe internationaler Wissenschaftler beschreiben darin, wie sie den neuen Stamm des Ebola-Zaire-Vi-rus in Guinea identifiziert haben. „Damit war aber zu rechnen, denn es ist unwahrscheinlich, dass derselbe Ebola-Zaire-Stamm aus dem Kongo oder Gabun in Guinea auftritt. Sonst müsste ein Mensch oder Tier das Virus direkt von dort nach Guinea verschleppt haben“, sagt Günther.

Dem nächsten Einsatz des „Eu-ropäischen mobilen Labors“ sieht der Virologe trotz aller Sorgen über die weiterhin dramatischen Entwicklungen in Westafrika et-was gelassener entgegen: „Es hat tatsächlich alles so funktioniert, wie es im Handbuch stand!“

katja lüers

EMLab im Einsatz: In Guinea unter-

stützen die Forscher unter anderem die

WHO bei der Erreger- Diagnostik.

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Da wo der Hang weiß sein sollte, ist er schmutzig-braun. Angestrengt versuchen die Ski-fahrer, die Löcher in der Piste zu umfahren, dort, wo feuchter Erdboden den Schnee durch-bricht. Ohne die Schneekano-nen, die ihr künstliches Weiß Nacht für Nacht auf die Pisten schießen, wäre Skifahren in den deutschen Mittelgebirgen über weite Teile des Winters unmöglich.

Winter, das heißt hier ei-gentlich Hochsaison. Lange galten etwa die Skigebiete des Schwarzwalds als „schneesi-cher“. Zum Beispiel Münster-tal, das jährlich etwa 300.000 Übernachtungen verzeichnet. Sicher, die Touristen kommen auch im Sommer, wenn sich der Luftkurort umgeben von grünen Bergweiden an den 1.414 Meter hohen Berg Bel-chen schmiegt und die Region mit Wanderstrecken und ihrer attraktiven Gebirgsflora lockt.

Schneematsch statt Winterparadies: Wie deutsche Urlaubs -

re gionen den Auswirkungen des Klimawandels begegnen können.

Dennoch ist der Wintertouris-mus eine Haupteinnahmequel-le der Region. Und die droht zu versiegen.

Normalität:Tauwetter im Winter

Das winterliche Tauwetter ist derzeit zwar noch die Ausnah-me, doch schon bald könnte es Normalität werden. Klimafor-scher prognostizieren Regionen wie dem Schwarzwald in Folge des voranschreitenden Klima-wandels steigende Tempera-turen. In Orten wie Münstertal dürften die Skilifte in Zukunft häufiger still stehen.

Dass der Klimawandel nicht irgendwo, sondern direkt vor der eigenen Haustür stattfindet, mussten Hoteliers und Gewer-betreibende nicht nur im Mittel-gebirge erkennen. Auch im Tief-land und an der Küste bedrohen klimatische Veränderungen die

Tourismusbranche – und so die Lebensgrundlage vieler ih-rer Bewohner. Am Beispiel von vier Urlaubsregionen hat das Dresdener Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) analysiert, welche Her-ausforderungen der Wandel für den Tourismus mit sich bringt. „Außerdem haben wir unter-sucht, wie ihnen begegnet wer-den kann“, sagt Ralf-Uwe Syrbe vom IÖR, der das Projekt gelei-tet hat.

NaturverträglicherTourismus

Über vier Jahre haben Syrbe und seine Kollegen gefördert in Experteninterviews, Gruppen-diskussionen und Workshops mit Akteuren aus Tourismus, Naturschutz, Verkehr und Re-gionalentwicklung Strategien entwickelt. In einem Praxisleit-faden haben sie die Ergebnisse

Winter adé

Bauernhof im Münstertal: Die Natur soll Gäste auch im

Sommer in den Schwarzwald locken.

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Leibniz-Informationszentrum WirtschaftLeibniz Information Centre for Economics

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zusammengefasst. Am Beispiel der vier Pilotprojekte will er Urlaubsregionen für mögliche Auswirkungen des Klimawan-dels sensibilisieren und ihnen Methoden an die Hand geben, darauf zu reagieren. Außerdem hält er ganz konkrete Empfeh-lungen bereit. Das zentrale Zau-berwort: „naturverträglicher Tourismus“.

Mountainbike statt Ski

Denn die Folgen des Klimawan-dels für den Tourismus haben ihrerseits negative Auswirkun-gen auf die biologische Vielfalt der Regionen. In Skigebieten beispielsweise steigt mit der Schneefallgrenze auch die Zahl der Besucher in höheren Lagen. Sie dringen vermehrt in sen sible Landschaften und Schutzgebie-te vor, die seltene Tierarten be-heimaten, im Schwarzwald bei-spielsweise das Auerhuhn. Auch

an der Küste könnten Überflu-tungen und Küstenerosion künf-tig den Raum für Mensch und Tier verengen. Schutzgebiete und Tourismus müssen in Ein-klang gebracht werden.

Der Luftkurort Münstertal stellt sich dem Klimawandel mittlerweile. Dabei setzt er vor allem auf die Natur um den Berg Belchen. „Statt auf Skiern können Touristen im Sommer auf dem Mountainbike durch

die Landschaft fahren“, sagt der Geschäftsführer der Ferienregi-on Münstertal-Staufen, Thomas Coch. „Wir wollen ganz bewusst auch junge Wanderer für Auer-huhn und Bergwelt begeistern.“ Auf Trails durch die Wildnis können die jetzt beim sogenann-ten Geocaching – einer moder-nen Form der Schnitzeljagd – mit GPS-Geräten die Bergwelt erkunden.

bianca göpel

Der im Projekt BiKliTour ent wickelte Praxisleitfaden „Tourismus und biologische Vielfalt in Zeiten des Klima-wandels“ ist online verfügbar unter www.ioer.de/downloads/#8618

Künstliches Weiß: Vielerorts ermöglichen in den deutschen Mittelgebirgen nur noch Schneekanonen Wintersport.

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150 Jahre Westfälische Berggewerkschaftskassebis 22.2.2015Deutsches Bergbau­Museum, Bochum

„Glückauf, der Steiger kommt!“ Aber woher? Aus der Berg- schule! Im Jahr 1864 wurde mit der West fälischen Berg gewerk-schafts kasse (WBK) die zentrale Aus bildungs- und Wissenschafts-institution des Ruhrbergbaus ge-gründet. Neben der Steiger- und Lehrlingsausbildung sowie dem Ingenieurstudium kümmerte sich die WBK um die wissenschaft-lichen Grundlagen des Montan-wesens im Revier. Ihre Nachfol-georganisation ist heute unter anderem Trägerin des Deutschen Bergbau-Museums. Zum 150-jäh-rigen Jubiläum der WBK gibt es dort eine Sonderausstellung.

Carbon — das Material der Zukunftbis 10.1.2015Deutsches Museum, München

Die Kohlenstofffaser Carbon gilt als Werkstoff der Zukunft. Schon heute wird sie in der In-dustrie, in Sportgeräten und Schallerzeugern eingesetzt. Die Ausstellung veranschaulicht, wie Carbon verarbeitet wird und welche Anwendungen denk-bar sind. Ein Highlight ist ein frei schwingender Akustiksitz, der Informationen über mehre-re menschliche Sinne spürbar macht. Neben Einzelstücken aus der Forschung – unter an-derem aus dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden – sind auch bereits in Serie produ-zierte Stücke zu sehen: eine Auto-karosserie beispielsweise.A

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ngen Die SWATH-Technologie

bis 28.9.2014Deutsches Schiffahrts museum, Bremerhaven

Doppelrümpfe wie bei Kata ma-ranen zeichnen die Schiffe aus, die in der Small Water plane Area Twin Hull-Technologie – kurz SWATH – gebaut werden. SWATH-Schiffe haben den großen Vorteil, dass sie selbst bei starkem See-gang kaum ins „Schaukeln“ gera-ten. Der Foto-Journalist Peter An-dryszak aus Oldenburg begleitete den Bau mehrerer dieser Spezial-schiffe und lernte sie auch in ihrer Fahr-Praxis kennen. Seine Fotos erklären das Schiffs-Prinzip, das in den 1930er Jahren vom engli-schen Erfinder Frederick Geor-ge Creed entwickelt, den Men-schen in der Seefahrt völlig neue Möglich keiten er öffnet .

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Revolutionen, Weltausstellungen, technischer Fortschritt: Das Germanische Nationalmuseum auf der Spur der Modernisierung Europas.

Moderne

Es beginnt mit Hunger und Ar-mut in Paris. Am 14. Juli 1789 stürmen die aufgebrachten Ein-wohner der Stadt die Bastille. Dem Ausbruch der Französi-schen Revolution folgen radikale gesellschaftliche Umbrüche im Stundentakt: Die Aufständischen jagen die Königsfamilie aus ih-ren Chateaus und brechen mit althergebrachten Konventionen wie dem gregorianischen Kalen-der. In der Erklärung für Men-schen- und Bürgerrechte veran-kern sie aufklärerische Werte,

Wege

Gustave Eiffel und Adolphe Salles auf der obersten Plattform des Pariser Eiffelturms, 1889die bald allgemeine Gültigkeit in

den modernen Demokratien der Zeit erlangen. Noch heute be-gründet sie das Selbstverständ-nis unserer Nachbarn jenseits des Rheins.

Die Französische Revolution gilt als Geburtsstunde des Euro-pas der Gegenwart. In „Wege in die Moderne“ zeigt das Germa-nische Nationalmuseum (GNM), wie sie und ihre Auswirkungen den Lauf des 19. Jahrhunderts beeinflussten und den Kontinent nachhaltig prägten.

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Mehr Sonder-ausstellungen unserer Forschungsmuseen finden Sie online:www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/forschungsmuseen/leibniz-museen-aktuell/

Großbaustelle 793: Das Kanalprojekt Karls des Großen zwischen Rhein und Donaubis 10.8.2014Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz

Bereits mehr als 1.000 Jahre vor der Erbauung des Ludwig-Donau-Main-Kanals Mitte des 19. Jahr-hunderts ließ Karl der Große einen Kanal errichten, um Rhein und Do-nau zu verbinden. Damit sollte die europäische Hauptwasserscheide überwunden und die Schifffahrt zwischen Nordsee und Schwar-zem Meer erleichtert werden. Noch heute sind die Spuren des „Karls-graben“ sichtbar und werden wis-senschaftlich untersucht. Die Aus-stellung zeigt, wie Archäologen das Bauwerk „zum Sprechen“ bringen und unser Verständnis für die Zeit Karls des Großen erweitern.

Locken. Betören. Täuschen. Die Welt mit anderen Augen riechen.bis 31.8.2014Senckenberg Museum für Naturkunde, Görlitz

Die Natur ist voll von Düften, die vielfältige Rollen erfüllen: Sie lo-cken die Bienen zur Blüte, weisen den Weg zum paarungswilligen Partner oder wehren Feinde ab. Aber auch der Mensch setzt be-reits seit mehr als 5.000 Jahren Düfte als Parfum, Medizin oder Geschmacksverstärker ein. Die vom Naturkundemuseum Bie-lefeld konzipierte Ausstellung präsentiert unterschiedlichste Duftspuren und vermittelt an-schaulich deren Bedeutung. Als Mitmachausstellung der beson-deren Art will sie vor allem mit der Nase erkundet werden.

Wertvolle Erde — der Schatz im Untergrundbis 2.11.2014Zoologisches Forschungs-museum Alexander Koenig, Bonn

Unsere hochtechnisierte Welt ist ohne geologische Rohstoffe nicht vorstellbar. Das Spektrum reicht von Kohle, Gas und Erdöl über Stei-ne, Erden und Kies bis hin zu me-tallischen Roh stoffen. Sie alle sind nur in begrenzter Menge verfügbar, ihr Abbau wird immer aufwen-diger und kostspieliger. Deshalb müssen sie umweltverträglicher gewonnen, effizienter genutzt und besser recycelt werden – wie etwa aus alten Mobiltelefonen. Dieser Rohstoffkreislauf steht im Zent-rum der Wanderausstellung des Forschungs- und Entwicklungspro-gramms Geotechnologien.

man beobachten, wie Objekte aus exotischen Ländern als Zeichen imperialistischer Stärke dienen. Ein Beispiel sind Fächer aus Chi-na, die mit Alltagsfloskeln in Man-darin verziert wurden.

Verbesserte Transportstruk-turen revolutionierten über-dies die Berichterstattung. Vor Ort schreiben und gen Zielland kommunizieren, ist nun binnen weniger Tage möglich. Es ist die Geburtsstunde von Medienagen-turen. Die Presse berichtet immer aktueller und macht ihren Lesern das Tagesgeschehen durch Fotos greifbar. Immer stärker wird die Meinungsbildung von visuellen Eindrücken beeinflusst. Davon profitiert auch eine heute allge-genwärtige Branche, die damals in ihren Kinderschuhen steckt: die Werbung.

Auch vor der Musik machte die Experimentierfreude nicht Halt. „Klangschreiber“, Prototypen des Diktiergeräts, ermöglichen es, Reden und Lieder aufzunehmen und erneut zu hören. Auch Brüche

mit Althergebrachtem werden nicht gescheut: Ein Höhepunkt in der Nürnberger Ausstellung sind komplett aus Metall gefertigte Geigen.

Doch der aufkeimende Natio-nalismus und die heraufziehen-den Konflikte drohen, Europa zunehmend lahmzulegen. Der Na-tionalstolz der in ständiger Kon-kurrenz befindlichen Staaten des Kontinents findet unter anderem in Hymnen Niederschlag, die die Soldaten im Deutsch-Französi-schen Krieg von 1870/71 ins Feld begleiten. Das Wetteifern der Na-tionen mündet schließlich im Ers-ten Weltkrieg. Ein langes Jahrhun-dert findet sein tragisches Ende. marlene haas

Wege in die Modernebis 21. September 2014Germanisches NationalmuseumKartäusergasse 1, 90402 NürnbergÖffnungszeiten Di-So 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr www.gnm.de

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100 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille erinnert in Paris nichts mehr an das Stadtgefängnis. Statt-dessen überragt ein vom Ingeni-eur Gustave Eiffel erbautes Mo-nument die Dächer der Stadt. Der Eiffelturm dient als Eingangstor für die Weltausstellung 1889. Im GNM werden die Schauen als Orte des Fortschritts beschrieben, die den Zeitgeist vorgeben.

„Wege in die Moderne“ ist da-bei das Resultat von drei Jahren Arbeit. Die Forscher um Kuratorin Jutta Zander-Seidel durchforste-ten die Sammlungen des GNM, um das „lange Jahrhundert“ zwischen Französischer Revolution und Erstem Weltkrieg auf neue Weise nachzuzeichnen. Dabei halfen ih-nen Erkenntnisse aus Disziplinen wie Soziologie, Kunst- und Kultur-geschichte.

Mit der Zeit verlagert sich der Schwerpunkt der Weltausstellun-gen auf die bildenden Künste und besonders aufsehenerregende Erfindungen. Unter dem Motto „höher, schneller, weiter“ kann

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auf der SpurDürerauf der Spur

Große Ausstellung im

Germanischen Nationalmuseum

präsentiert neueste Forschungsergebnisse

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Leibniz

exhibitionistisch

Die Leibniz-

Forschungsmuseen

im Überblick S.16

Labor

als Atelier

Kunst aus dem

Mikroskop S.14

Erfolgs-

geschichte

Leibniz in Ost-

deutschland S.26

Leibniz-Journal

1/2012

Seelabor: Klimaforschung unter Wasser

Teuer und

Herkules-

aufgabeWie schaffen wir

die Energiewende?

Leibniz-

Stipendiat

Inder nimmt Gersten-

Gene aufs Korn

Leibniz-Journal

2/2012

Unsere

WirtschaftsweisenDie Köpfe hinter den

Konjunkturprognosen

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

G 4

9121

Ein Ort wird entzaubert

„Mein Kampf“

Editionsprojekt

demaskiert

Hitlers

Hetzschri�

Zweiter Weltkrieg

Alltag unter

deutscher Besatzung

Dunkles

Kapitel

Der Holocaust

im Schulbuch

weltweit

Sprache

Vom Umgang

mit NS-Diktion

Obersalzberg.

Leibniz-Journal

3/2012

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

G 4

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LebenLebenim demografi schenim demografi schenWandel

Leibniz-Journal

1/2013

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Stadt und LandLeere oderRaum für Neues

Renten-DebatteArbeit bald bis 69?

ÜberholspurForscherinnen im Museum

Raum für Neues

Renten-Debatte

im Museum

Wie werden wir morgen lernen, arbeiten und altern?

Welche Chancen eröffnet der demografische Wandel?

Die Ausstellung zum Wissenschaftsjahr zeigt Entwicklungen

und stellt Schlüsselfragen unserer Zukunft.Eine Ausstellung der

Leibniz-Gemeinschaft Museum für Naturkunde, Berlin

27.02.-7.04.2013

Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz 19.04.-2.06.2013

Deutsches Hygiene-Museum, Dresden 14.06.-21.07.2013

Deutsches Bergbau-Museum, Bochum 20.09.-27.10.2013

Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven 15.11.-9.01.2014

Deutsches Museum, München

31.01.-30.03.2014

ZukunftlebenDer demografische Wandel

Der demog ische Wandel

www.demogra� sche-chance.de

Von Februar 2013 bis März 2014ische Wandel

Der demogDer demog

Die Ausstellung zum Wissenschaftsjahr

Februar 2013 bis März 2014

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Gesundheit!Forschen für die

Medizin von morgen

Leibniz-Journal

2/2013

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Pandemien:Erreger auf dem

VormarschZuckersüße Gefahr:

Diabetes im Fokus

Galapagos: Schriftsteller auf

Forschungsreise

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9121 Die Meere: umkämpft,

ausgebeutet, lebenswichtig

Leibniz-Journal

3/2013

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

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ErbittertTerritorialstreit im

Chinesischen Meer Versunken

Denkmalschutz

am Nordseegrund

GlobalBakterien beherrschen

die Weltmeere

BegehrtOzeane als Wirtschaftsfaktor

Leibniz-Journal

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Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

G 4

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Feinstaub

Wenn Lu�

krank macht

Drohnen„Saubere“ Kriege

oder Kriegsverbrechen?

ÄgyptenRecherchen bei den

Muslimbrüdern

Ausstellung

100 Jahre

Jugendbewegung

Wie kleinste Partikel

größte Probleme bereiten

Luftanhalten.

Leibniz-Journal

1/2014

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

G 4

9121

Big DataGoldrausch in Datenbergen?

Science 2.0Wissenscha� und Social Media

KubaBloggen für mehr Freiheit

AffengesellschaftDie Primatenforscherin Julia Fischer

Wie die Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert

MenschDer

MenschDer

vernetzte

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Herausgeber:Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft

Chausseestraße 111, 10115 BerlinTelefon: 030 / 20 60 49-0Telefax: 030 / 20 60 49-55www.leibniz-gemeinschaft.de

Redaktion:Christian Walther (Chefredakteur), Christoph Herbort-von Loeper (C.v.D.), David Schelp; Bianca Göpel, Marlene Haas, (Praktikantinnen), Nora Tyufekchieva (Grafik), Steffi Kopp (Assistenz)[email protected]

Anzeigen:Axel Rückemann, [email protected]: 030 / 20 60 49-46

Layout:Stephen Ruebsam, unicom-berlin.de

Druck:PRINTEC OFFSET – medienhaus, KasselNachdruck mit Quellenangabe gestattet,

Beleg erbeten.Auflage: 27.000Ausgabe 2/2014: Juli 2014www.leibniz-gemeinschaft.de/journal

Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich.Es wird gratis über die Institute und Museen der Leibniz-Gemeinschaft verbreitet. Außerdem kann es über die Redaktion kostenlos unter [email protected] abonniert werden. ISSN: 2192-7847

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Die Leibniz­Gemeinschaft – 89 Mal Forschung zum Nutzen und Wohl der Menschen:Akademie für Raumforschung und Landesplanung – Leibniz-Forum für Raumwissenschaften (ARL), Hannover · Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI), Hamburg · Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelche-mie (DFA), Freising · Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften – Leibniz Informationszentrum Wirtschaft (ZBW), Kiel · Deutsches Bergbau-Museum (DBM), Bochum · Deutsches Diabetes-Zentrum – Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (DDZ) · Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV) · Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke · Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE), Bonn · Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Frankfurt am Main · Deutsches Museum (DM), München · Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), Göttingen · Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) · Deutsches Schiffahrtsmuseum (DSM), Bremerhaven · DIW Berlin – Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) · DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien, Aachen · Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH), Berlin · FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur (FIZ KA) · Forschungszentrum Borstel – Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften (FZB), Borstel · Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schul-buchforschung (GEI), Braunschweig · Germanisches Nationalmuseum (GNM), Nürnberg · GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS), Mannheim · GIGA German Institute of Global and Area Studies / Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA), Hamburg · Heinrich-Pette-Institut – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI), Hamburg · Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft (HI), Marburg · Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt am Main · ifo Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. (ifo) · ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS), Dortmund (assoziiert) · INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM), Saarbrücken · Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim · Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW) · Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) · Institut für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ) · Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik (KIS), Freiburg · Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH (DSMZ), Braunschweig · Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), Halle · Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) · Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI), Jena · Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e. V. (ISAS), Dortmund und Berlin · Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover · Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) · Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) · Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik an der Universität Rostock (IAP), Kühlungsborn · Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), Bamberg · Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), Kiel · Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz · Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) · Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ), Großbeeren & Erfurt · Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Berlin · Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP), Frankfurt (Oder) · Leibniz-Institut für Katalyse e. 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V. (WIAS) · Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) · ZB MED - Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln und Bonn · Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim · Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) · Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK), Bonn

Page 43: Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

2/2014 43

Ihren Höhepunkt erreicht die Debatte 1968. In Bielefeld fordern Demonstranten die Umbe-nennung eines neuen Ausstellungshauses: der Richard-Kaselowsky-Kunsthalle – gestiftet von Rudolf-August Oetker, Enkel des Unterneh-mensgründers August Oetker und Stiefsohn Kaselowskys. Der ist zwischen 1918 und 1944 leitender Geschäftsführer von Dr. Oetker und macht das Familienunternehmen unter Hitler zum „NS-Musterbetrieb“. Zudem ist Kaselows-ky Mitglied im „Freundeskreis Reichsführer-SS“, einem Zusammenschluss Industrieller, die nach 1945 als Profiteure der „Arisierung“ der deutschen Wirtschaft gelten. So einen Namensgeber lehnen die 68er ab. Auch das Ausstellungshaus nutzt den kontroversen Teil seines Namens nicht öffentlich – zum Ärger seines Stifters. Als der Name 1998 offiziell

Wie tief steckt Europa in der Eurokrise oder ist diese gar schon überwunden? Glaubt man manchem Politiker, dürfte das Gröbste überstanden sein. Folgt man Hans-Werner Sinn, ist das keineswegs der Fall. Während Deutschland über sprudelnde Steuereinnah-men, zunehmende Beschäftigung und Export-wachstum jubelt, stecken nach Griechenland, Zypern, Spanien und Irland nun auch Frank-reich und Italien in ernsten Schwierigkeiten. Die Finanzkrise schwelt weiter – das ist die „wirkliche Wahrheit“, die der Präsident des ifo-Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschafts-forschung an der Universität München in „Gefangen im Euro“ direkt und ungeschönt

geändert wird, holt der erzürnte Patriarch ei-genhändig sämtliche von ihm gestellte Expona-te ab. Der Namensstreit steht symbolisch dafür, wie sich die „Pudding-Dynastie“ zu Lebzeiten Rudolf-August Oetkers ihrer NS-Vergangenheit verschließt. Oetker, der 1944 an die Unterneh-mensspitze rückt, war Mitglied der Waffen SS. Nach Kriegsende wurde er vorübergehend inter-niert und musste sich einem Entnazifizierungs-verfahren stellen. Zeitlebens verlor er kein Wort über das dunkelste Kapitel der Firmengeschich-te. Erst zwei Jahre nach seinem Tod beginnen seine Nachfahren 2009 sie aufzuarbeiten und öff-nen Andreas Wirsching – heute Direktor des In-stituts für Zeitgeschichte – und seinen Mitarbei-tern Jürgen Finger und Sven Keller die Archive. In „Dr. Oetker und der Nationalsozialismus“ veröf-fentlichen sie nun ihre Ergebnisse. marlene haas

herausarbeitet. Dabei bleibt er nicht nur bei der Dynamik der Eurokrise stehen, sondern plädiert auch entschieden für radikale Reformen, wie dem schnellen Austritt überschuldeter Länder aus der Eurozone oder einer Neuordnung der Europäischen Zentralbank. Damit, so Sinn, sei die Krise zu bewältigen. Das Buch, Ergebnis mehre-rer Gespräche zwischen Autor und Herausgeber Jens Schadendorf, behält den Charakter seiner Entstehung bei und präsentiert sich als 190 Sei-ten langes Interview. Der Leser hat so das Gefühl, den Unterhaltungen beizuwohnen. Nichtsdesto-trotz verlieren wissenschaftliche, ökonomische Argumente nicht an Gewicht.

bianca göpel

Der allererste

Struwwelpeter 1844. Nach-

druck des Urmanuskripts von

Dr. Heinrich Hoffmann;

38 Seiten, Verlag des Germa-

nischen National museums,

Nürnberg 2013; 12 Euro;

ISBN 978-3-936688-76-4

Jürgen Finger, Sven Keller,

Andreas Wirsching:

Dr. Oetker und der

Nationalsozialismus,

Geschichte eines Familien-

unternehmens 1933-1945;

624 Seiten, gebunden,

C.H. Beck Verlag,

München 2013;

29,95 Euro,

ISBN 978-3-406-64545-7

Hans-Werner Sinn:

Gefangen im Euro;

196 Seiten, Redline Verlag,

München 2014; 9,99 Euro,

ISBN 978-3-86881-525-2

Ernüchtert vom Versuch, für seinen damals dreijährigen Sohn ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen, setzte sich der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann 1844 hin und schrieb und illustrierte selbst ein Buch nach seinen Vorstellungen. Es sollte das meistverkaufte Kinderbuch der Welt werden: der Struwwel-peter. Über 500 Auflagen hat es in den ver-gangenen 170 Jahren gegeben. Wegen seiner teilweise brachialen (Bild-)Sprache ist der Struwwelpeter seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht unumstritten, greift aber Themen auf, die aktueller kaum sein

könnten: Rassismus, Tierquälerei, ADHS oder Magersucht. Das Urmanuskript des Struwwel-peter befindet sich seit 1902 im Besitz des Ger-manischen Nationalmuseums in Nürnberg und wurde zuletzt im vergangenen Jahr als Faksimi-le-Ausgabe neu herausgegeben. Einige der be-kannten „Helden“ wie der Zappel-Philipp oder Hanns Guck-in-die-Luft fehlen dort noch, und dennoch geben die Manuskriptseiten mit letzten handschriftlichen Korrekturen des Autors einen beeindruckenden Einblick in die Entstehung die-ses Kinderbuch-Klassikers. christoph herbort-von loeper

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Gesundheit!Forschen für die

Medizin von morgen

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2/2013

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Pandemien:Erreger auf dem

VormarschZuckersüße Gefahr:

Diabetes im Fokus

Galapagos: Schriftsteller auf

Forschungsreise

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9121 Die Meere: umkämpft,

ausgebeutet, lebenswichtig

Leibniz-Journal

3/2013

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

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ErbittertTerritorialstreit im

Chinesischen Meer Versunken

Denkmalschutz

am Nordseegrund

GlobalBakterien beherrschen

die Weltmeere

BegehrtOzeane als Wirtschaftsfaktor

Auf 3 S. 47 verlosen wir zwei unserer Lektüre-tipps.

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„Und nun, lieber Herr Mayer, neh-men Sie Ihren Hut! Und seien Sie immer gut behütet!“ Mit diesem Wunsch seines Nachfolgers Mat-thias Kleiner – symbolisch unter-strichen durch einen kleidsamen Panama-Hut – verabschiedete die Leibniz-Gemeinschaft am 26. Juni 2014 mit einem Festakt ihren Präsidenten Karl Ulrich Mayer.

In seiner Abschiedsrede in der am Pariser Platz gelegenen Akademie der Künste bekann-te Karl Ulrich Mayer, dass er zu Beginn „das raue Leben in der Forschungspolitik“ unterschätzt habe. Im Sommer 2010 musste der erste hauptamtliche Präsi-dent der Leibniz-Gemeinschaft nach nur zehn Tagen im Amt den finanzpolitisch motivier-ten Verlust des damals größten Leibniz-Instituts – des Kieler IFM- GEOMAR – bewältigen.

„Wir von Leibniz“Mit einem Festakt feiert die Leibniz-Gemeinschaft die Übergabe

des Präsidentenamts von Karl Ulrich Mayer an Matthias Kleiner.

In seiner Rede erinnerte Karl Ulrich Mayer an seinen ers-ten akademischen Lehrer Ralf Dahrendorf und dessen für ihn prägenden Beitrag über „Reprä-sentative Tätigkeiten“, anhand dessen Mayer zum Ende seiner Amtszeit seine Beweggründe, das Amt zu übernehmen, schil-derte.

Vor mehr als 300 Gästen be-kräftigte Mayer, seine obers-te Priorität sei stets gewesen, Qualität und Exzellenz in der Wissenschaft auf allen Ebenen zu sichern und ließ zentrale Meilensteine der vergangenen vier Jahre Revue passieren: die Aufnahme von sieben neuen Instituten, die strategische Ent-wicklung der Gemeinschaft von der Formulierung der Sektions-profile 2011 über das Positi-onspapier mit dem Prinzip der

koordinierten Dezentralität und der Entwicklung der Leibniz-Forschungsverbünde 2012 bis hin zum Gewinn zusätzlicher Autonomie in Strategiefragen durch den neu ins Leben geru-fenen „Senatsausschuss Strate-gische Vorhaben“. Auch der den Umzug der Geschäftsstelle in die Berliner Chausseestraße sowie die Federführung der zentralen Ausstellung im Wissenschafts-jahr zum Demografischen Wan-del 2013 hätten die Stärken der Leibniz-Gemeinschaft mobili-siert, so Mayer.

Der scheidende Präsident übergebe ein „gut bestelltes Haus“ an seinen Nachfolger, hielt Brandenburgs Wissen-schaftsministerin Sabine Kunst stellvertretend für die Länder fest, das „viele Optionen für die Zukunft biete“.

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1 Vgl. den Beitrag von Matthias Kleiner auf den Seiten 8/9.

Wie er diese Optionen nutzen möchte, skizzierte der künfti-ge Leibniz-Präsident Matthias Kleiner. Die Potentiale, die sich aus dem Netzwerk der Leibniz-Gemeinschaft ergeben, müssten noch intensiver genutzt, die Ge-meinschaft und ihre Sichtbarkeit gestärkt werden1. Als Professor für Umformtechnik kennt sich Matthias Kleiner mit Spannun-gen aus. Auch deren eher soziale oder organisatorische Ausprä-gungen in der Wissenschaft hat er im Gründungsdekanat der

Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus nach der Wiedervereinigung oder als Präsident der Deutschen For-schungsgemeinschaft bereits kennengelernt. Dennoch liegen dem passioniertem Segler und Dauerkartenbesitzer von Borus-sia Dortmund Mannschaftsorien-tierung und Teamgeist nahe. Das zeigen auch seine Vorstellungen für die Zukunft: Ein vielstimmi-ges „Wir von Leibniz“ solle den Geist der Leibniz-Gemeinschaft und ihres Netzwerkes transpor-

tieren und auch jene Menschen mit einschließen, für die die Er-kenntnisse der Forschung rele-vant sind – ob als Gesellschaft oder als Individuum.

Zu diesem Vorsatz passte auch der Wunsch der Staatssekretärin im Bundesforschungsministe-rium Cornelia Quennet-Thielen, die Matthias Kleiner mit einem Zitat Gottfried Wilhelm Leibniz‘ „Klarheit in den Worten, Brauch-barkeit in den Sachen“ wünschte.

hvl

1 Gutes Omen: Mit der Siegesgöttin Viktoria auf dem Brandenburger Tor im Rücken übergibt Karl Ulrich Mayer sein Amt an Matthias Kleiner. | 2 Matthias Kleiner mit BMBF-Staatssekretärin Cornelia Quennet- Thielen und Max-Planck-Präsident Martin Stratmann. | 3 Gut behütet den Hut genommen. | 4 Im Gespräch mit DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel. | 5 Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer mit dem Leibniz-Vizepräsident Heinrich Basler (Mi.) und dem Präsidenten der HU Berlin Jan-Hendrik Olbertz. | 6 Peter-André Alt, Präsident der FU Berlin, mit Leibniz-Vizepräsident Friedrich Hesse. | 7 Frankfurts Uni-Präsident Werner Müller-Esterl mit Leibniz-Altpräsident Ernst Th. Rietschel. | 8 Nordische Kombination: Rostocks Uni-Rektor Wolfgang Schareck (li.) mit Leibniz-Vizepräsident Matthias Beller vom Leibniz-Institut für Katalyse, Rostock. | 9 Voll besetzt: 300 Gäste in der Akademie der Künste | 10 Hamburgs Wissenschafts-senatorin Dorothee Stapelfeldt mit Matthias Kleiner.

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Den Bundesrat und die Leibniz-Gemeinschaft eint, dass sich in ihnen die föderale Struktur der Bundesrepublik deutlich widerspiegelt. Daher war es naheliegend, dass das derzeit in der Länderkammer präsidierende Land Niedersachsen seine Leibniz-Institute einlud, stellvertretend die dortige Wissenschaftslandschaft beim Tag der offenen Tür im Bundesrat zu präsentieren. Alle sechs Leibniz-Institute mit Hauptsitz in Niedersachsen gaben den 18.000 Besuchern der Veranstaltung Einblick in Vielfalt, Relevanz und Qualität ihrer Arbeit. Auch der Präsident des Bundesrates, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil stattete den Leibniz-Instituten einen Besuch ab und war unter anderem von den Prothesen der Neurobiologen des Deutschen Primatenzentrums sehr angetan und ließ sich auf der auf der Vibrations-Mess-Schubkarre des Leibniz-Instituts für Geophysik sitzend ordentlich durch rütteln.Impressionen aus dem Bundesrat unter www.leibniz-gemeinschaft.de/fotogalerien

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Fünf Mal gute NotenIn seiner Märzsitzung hat der Senat der Leibniz-Gemeinschaft nach Abschluss des Evaluierungsverfah-rens fünf Leibniz-Institute positiv bewertet. Zur weite-ren Förderung durch Bund und Länder sind somit vorgeschlagen: das Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg, das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle, das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, das Deutsche Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen sowie das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenöko-logie in Bremen. Die detaillierten Stellung-nahmen des Senats zu den Instituten sind online verfügbar unter www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/evaluierung

Postdoc-Stipen-dien dauerhaft gesichertDie Leibniz-Ge-meinschaft und der Deutsche Akademi-sche Austauschdienst (DAAD) führen ihr gemeinsames „Leib-niz-DAAD-Research Fellowship-Program-me“ für herausra-gende internationale Nachwuchswissen-schaftler dauerhaft fort. Leibniz-Präsident Karl Ulrich Mayer und die Generalsekretärin des DAAD, Dorothea Rüland, unterzeich-neten im Juni eine unbefristete Koope-rationsvereinbarung. Seit Gründung des Programms 2010 wurden insgesamt 60 Forscher gefördert. Die meisten stammen aus Europa (21), Indien (11), den USA (4) und China (5). In

diesem Jahr gingen fast 200 Bewerbun-gen von Postdocs aus insgesamt 53 Ländern ein. Damit ist das Interesse noch einmal erheblich gewachsen im Verhältnis zu den 118 Bewerbungen im Vorjahr. www.daad.de/leibniz

100 Termine im BundestagAm 20. und 21. Mai 2014 haben mehr als 60 Bundestagsab-geordnete aller vier Fraktionen Besuch von Leibniz-Wissen-schaftlern erhalten. Im Zuge der Aktion „Leibniz im Bun-destag“ hatten sie sich mit Forschern zu persönlichen Ge-sprächen über deren Einschätzungen zu aktuellen Fragestel-lungen vereinbart. Insgesamt wurden bei der siebten Auflage von „Leibniz im Bundestag“ mehr als 100 Termine verabredet, nachdem die Leibniz-Wissen-schaftler den Volks-vertretern über 200 Themenvorschläge angeboten hatten.

MaTaxAm 1. April 2014 hat der Leibniz-WissenschaftsCampus „Mannheim Taxation“ (MaTax) seine Arbeit aufgenommen. MaTax ist ein gemeinsames Projekt des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität Mann-heim. Im Rahmen von MaTax arbeiten Wissenschaftler aus den Bereichen Unter-nehmensbesteuerung, öffentliche Finanzen, Steuerrecht sowie den Politikwissenschaften an der Gestaltung eines zukunftsfähigen, nachhaltigen Steuer-systems.http://www.matax.eu

Zum zweiten Mal war die Ge-schäftsstelle der Leibniz-Ge-meinschaft Ausstellungsort der Langen Nacht der Wissenschaf-ten Berlin-Brandenburg. Am 9. Mai 2014 präsentierten sich in der Chausseestraße das Leibniz- Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, die Biblio-thek für Bildungshistorische For-schung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, das Weierstraß-Insti-tut für Angewandte Analysis und Stochastik, das Zentrum für Zeit-historische Forschung Potsdam sowie der Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ mit Ständen

Lange Nacht bei Leibniz

und einem umfangreichen Vor-tragsprogramm. Den mehr als 700 Besuchern zeigten sie unter anderem die Luftbildausstellung „Die DDR von oben“, Mitmach-experimente zu alten deutschen Schreibschriften, Einblicke in ak-tuelle Analyseverfahren großer Datenmengen, teilweise unveröf-fentlichte Dokumente, Film- und Tonmaterial zur Geschichte der Berliner Mauer sowie neuste Erkenntnisse zum Einfluss der Lichtverschmutzung auf Mensch und Umwelt.Mehr Bilder der Nacht unter www.leibniz-gemeinschaft.de/fotogalerien

Leibniz im Bundesrat

Sütterlin-Schreibübung am Whiteboard.

Page 47: Leibniz-Journal 2/2014: Frieden und Konflikte

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Der Behaim-Globus, der etwa im Jahr 1492/94 entstan-den ist, ist die älteste erhaltene Darstellung der Erde in Kugelform. Das Pionierwerk der Kartografie und Zeugnis des sich rasant wandelnden Weltbildes vom Mittelalter zur Neuzeit ist im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg

zu besichtigen.

Plagegeist XXL. Im Jahr 1932 schuf der Präparator Alfred Keller ein fünfzigfach vergrößertes Modell einer Stubenfliege. Ab dem

16. August 2014 wird sie Teil der neuen Sonderausstellung „Fliegen“ im Museum für Naturkunde in Berlin.

Die goldene Totenmaske eines Kindes wurde 1877 in der Küstenstadt Antarados (Ţarţūs) in Kilikien

(Syrien) entdeckt. Schon ein Jahr später erweckte der Fund aus dem ersten bis Anfang des dritten Jahrhunderts n. Chr. das Interesse von Troja-Entdecker Heinrich Schliemann und ist heute im Bestand des Römisch-Germanischen Nationalmuseums in Mainz.

Ein gut getarntes grünes Gummibärchen findet sich im Museumsbereich „Gesteine und Mineralien“ des Sen-

ckenberg Naturmuseums in Frankfurt/Main. Vor 35 Jahren schum-melte es ein Präparator aus Spaß in den ausgestellten Malachit (Cu2[(OH)2|CO3]) aus dem Ural (Russland).

Auf einer Expedition nach Ägypten und in die Kordofan-Region des heutigen Sudan sammelte Alexander Koenig im Jahr

1913 auch eine Giraffe, die noch heute in der Dauerausstellung zu sehen ist. Dem Festakt zur konstituierenden Sitzung des parla-mentarischen Rats am 1. September 1948 im Lichthof des Zoolo-gischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn wohnte sie wohl als einziges Tier bei – allerdings mit Stoff verhängt.

Die älteste erhaltene Schiffstoilette der Welt stammt aus der Zeit um 1380 von der „Bremer Kogge“, die 1962 aus der Weser geborgen wurde. Die Benutzer konnten während ihres

„Geschäfts“ das Deck problemlos überblicken, die Toilette entleer-te direkt ins Meer. Im Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven ist sie heute zu besichtigen, aber nicht mehr zu benutzen.

Eine der folgenreichsten Entdeckungen der Menschheitsgeschichte machten Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann im Jahr 1938 mit der Kernspaltung. Der Versuchsaufbau ist im Deutschen Museum in München auf dem Otto-Hahn-Tisch mit Originalteilen rekonstruiert.

Ein eigenes

Anschauungsbergwerk unterhält das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum. Darin sehen die Besucher nicht nur Historisches, sondern auch einen hochmodernen Hightech-Streb, der derzeit den Höhepunkt der Berg-bautechnik darstellt.

ListeDie Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bieten faszinierende Einblicke in die Erd- und Kulturgeschichte und deren Erforschung. Hier einige ihrer ganz besonderen Exponate.

Verlosung

3 Exemplare des Buchs „Dr. Oetker und der Natio-nalsozialismus“ von Jürgen

Finger, Sven Keller und Andreas Wirsching. (3 Buchvorstellung auf S. 43).Stichwort: „Oetker“

5 Exemplare des Buchs „Der aller-erste

Struwwelpeter 1844“.(3 Buchvorstellung auf S. 43).Stichwort „Struwwelpeter“

Teilnahme unter Nennung von Stichwort, Name und Postanschrift per E-Mail an:verlosung@leibniz- gemeinschaft.deEinsendeschluss: 31. August 2014

Die Gewinner erklären sich im Falle des Gewinns mit der Nennung ihres Namens und Herkunftsortes im nächsten Leibniz-Journal einverstan-den.

Die Gewinner der Verlosun-gen aus dem Heft 4/2013:

Je ein Klima-Brettspiel „KEEP COOL“ des Potsdam-Instituts für Klimafolgenfor-schung erhalten:Dirk Leyk aus Berlin, Gisy Sommerfeld aus Berlin, Lars Böhme aus Berlin, Sebasti-an Wohnhas aus Bielefeld, Isabelle Behm aus Schwedt/Oder, Mervan Arbag aus Speyer, Susanne Maas aus Steinheim, Udo Schult aus Hamburg, Ursula Krys aus Hannover, Helga Wiederhold aus Hannover

Je ein Exemplar des Buchs „Affengesellschaft“ von Julia Fischer geht an:Jochen Fleischhacker aus Berlin, Jörg Rampelt aus Berlin, Dorothea Walz aus Struppen

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Leibniz Leute

Prof. Dr. Tilman Grune ist neuer wissenschaftlicher Vor-stand des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke. Er tritt die Nachfolge von Prof. Hans-Georg Joost an, der die wissen-schaftliche Leitung des Instituts über zwölf Jahre innehatte. Die Position Grunes wird mit dem Lehrstuhl für Molekulare Toxi-kologie der Universität Potsdam verbunden sein. Vor seinem Amtsantritt leitete der Ernäh-rungstoxikologe und Mediziner das Institut für Ernährungs-wissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dort erforschte Grune die Zusam-menhänge zwischen Ernährung und Alterungsprozessen, die auch am DIfE im Fokus seiner Forschung stehen werden.

Der international renommier-te Strukturbiologe Prof. Dr. Kay Grünewald wechselt aus Oxford an das Hamburger Heinrich-Pette-Institut, Leib-niz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI). Mit der Beru-fung und der damit verbunde-nen Einrichtung einer neuen Abteilung „Strukturbiologie der Viren“ stärkt das HPI seine wissenschaftliche Ausrichtung und die Infektionsforschung am Wissenschaftsstandort Ham-burg. Seit fünf Jahren leitet Kay Grünewald das Oxford Particle Imaging Center am Wellcome Trust Centre for Human Ge-netics der Universität Oxford. 2013 wurde er dort zum Profes-sor für Structural Cell Biology ernannt.

Prof. Dr. Stefan Kooths wird zum 1. November 2014 neuer Leiter des Prognose-Zentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft. Er folgt Prof. Dr. Joachim Scheide, der in den Ruhestand geht.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hat PD Dr. med. Natalia

Prof. Dr. Klaus­Dieter Weltmann (Mi.), Direktor des Greifswalder Leibniz-Instituts für Plasmaforschung und Technologie, ist in Japan mit dem Plasma Medicine Award

Plasmamedizin ausgezeichnet geehrt worden. Es handelt sich um die höchste Auszeich-nung auf dem Gebiet der plasmamedizinischen Forschung, die von der Internationalen Gesellschaft für Plasmamedi-zin verliehen wird.

Rudovich vom Deutschen Institut für Ernährungsfor-schung Potsdam- Rehbrücke mit dem mit 15.000 Euro dotierten Menarini-Preis ausgezeichnet.

DIW-Vorstandsmit-glied Prof. Dr. Gert G. Wagner ist der

neue Vorsitzende des am Bundesministe-rium für Arbeit und Soziales angesiedel-ten Sozialbeirats, der die Bundesre-gierung in Fragen der Rentenpolitik und der Altersvorsorge berät.

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Das Senckenberg Deutsche En-tomologische Institut (SDEI) im brandenburgischen Müncheberg hat einen neuen Direktor: Der Biologe und Schmetterlingsfor-scher Prof. Dr. Thomas Schmitt hat Anfang April die Leitung des Instituts übernommen. Bis März 2014 arbeitete er erst als Junior-, dann als Universitätsprofessor am Lehrstuhl für Biogeogra-phie der Universität Trier. Seit April 2014 hat Thomas Schmitt eine gemeinsam mit der Martin- Luther-Universität Halle-Witten-berg berufene W3-Professur für Entomologie inne.

Am 31. März 2014 ist PD Dr. Judith Haendeler, Arbeits-gruppenleiterin am Leibniz-Ins-titut für umweltmedizinische For-schung in Düsseldorf, vom Rektor der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf zur W2-Professorin ernannt worden. Haendeler hatte zuvor bei der Deutschen

Forschungsgemeinschaft eine Heisenberg-Professur für um-weltinduzierte kardiovaskuläre Degeneration eingeworben.

Prof. Johannes G. de Vries ist neuer Forschungsbereichsleiter „Katalyse mit erneuerbaren Roh-stoffen“ am Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT) in Rostock. De Vries gilt weltweit als Experte auf dem Gebiet der Katalyse. Bis zu

seinem Wechsel ans LIKAT hat er im niederländischen Geleen für einen Chemiekonzern mit rund 24.500 Mitarbeitern gearbeitet. Gleichzeitig kommt Johannes de Vries seit 1999 einem Lehrauf-trag (einer Professur für Homo-gene Katalyse) an der Universität in Groningen nach.

ZEW-Präsident Prof. Dr. Clemens Fuest ist auf Vorschlag des Euro-päischen Rates in die neu gebil-dete „Hochrangige Arbeitsgruppe Eigenmittel“ berufen worden.

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Prof. Dr. Ludwig Eichinger hat im Zuge der Feierlichkei-ten zum 50-jährigen Bestehen des von ihm geleiteten Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim aus den Händen von Baden-Württembergs Wissenschaftsminis-terin Theresia Bauer das Bundesverdienst-kreuz am Bande erhalten.

Dr. Susanne Fritz (Senckenberg) erhält von der Deutschen Forschungsge-meinschaft knapp 740.000 Euro, um am Frankfurter LOEWE Biodiversität und Klima Forschungs-zentrum (BiK-F) eine Nachwuchsgruppe

Arbeiten bei LeibnizDie 89 Institute der Leibniz-Gemeinschaft beschäftigen 17.500 Mitarbeiter, darunter 3.500 Doktorandinnen und Doktoranden und zahlreiche Auszubildende.

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zur Erforschung der Makroevolution von Vögeln aufzubauen. Ihr Team wird unter-suchen, wie sich die klimatische Nische ausgesuchter Vogel-gruppen im Laufe der Evolution verändert hat und wie sich Vögel grundsätzlich an Klimaveränderungen anpassen. Das Projekt wird im Rahmen des Emmy Noether-Pro-gramms gefördert.

Prof. Dr. Eckhard Klieme vom Deut-schen Institut für Internationale Päda-gogische Forschung hat von der Deutschen Gesellschaft für Er-ziehungswissenschaft den Forschungspreis 2014 erhalten.

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