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Herausgegeben vom Forschungsnetzwerk Fachdidaktik im Rahmen des universitären Forschungsschwerpunktes Lernen – Bildung – Wissen NACHWUCHSFORUM FACHDIDAKTIK Lena Christin Zimmermann Der Bildungsstandard „Schreiben“ der 8. Schulstufe Eine Analyse der Aufgabenqualität ausgewählter Text- und Beispielaufgaben unter Einbezug empirischer Schreibforschung Band 1

Lena Christin Zimmermann Der Bildungsstandard … · 10.2 Entwicklung der Planungs- und Überarbeitungskompetenz ... pdf [Stand 22.01.2011 ... entwickeln und aufeinander abzustimmen,

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Herausgegeben vom Forschungsnetzwerk Fachdidaktik im Rahmen des universitären Forschungsschwerpunktes Lernen – Bildung – Wissen

N A C H W U C H S F O R U M FACH DI DA K TI K

Lena Christin Zimmermann

Der Bildungsstandard „Schreiben“ der 8. SchulstufeEine Analyse der Aufgabenqualität ausgewählter Text- und Beispielaufgaben unter Einbezug empirischer Schreibforschung

Band 1

Eine Publikationsreihe des Forschungsnetzwerks Fachdidaktik im Rahmen des universitären ForschungsschwerpunktesLernen – Bildung – Wissen

ISBN 978-3-902897-00-8

REIHENHERAUSGEBERINNEN: Gerhard Lieb Leopold Mathelitsch Manuela Paechter Sabine Schmölzer-Eibinger Michaela Stock Bernd Thaller Wolfgang Weirer

N A C H W U C H S F O R U M FACH DI DA K TI K

Lena Christin Zimmermann

Der Bildungsstandard „Schreiben“ der 8. SchulstufeEine Analyse der Aufgabenqualität ausgewählter Text- und Beispielaufgaben unter Einbezug empirischer Schreibforschung

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei all den Menschen bedanken, die mich während meines Studiums und besonders in der Phase der Diplomarbeit begleitet und unterstützt haben.

Besonders möchte ich mich bei meiner Betreuerin Frau Prof. Dr. Sabine Schmölzer-Eibinger für die intensive Unterstützung, das große entgegen-gebrachte Interesse und ihr Engagement bedanken.

Ein großer Dank gilt meinem Partner Alexander, der auch die stressigen Phasen der vergangenen Monate liebevoll ertragen und immer Verständnis für mich gehabt hat.

Außerdem danke ich meiner Schwester Myriam, die mir emotional in vielen langen Gesprächen zur Seite gestanden ist und mich immer wieder motiviert hat.

Ich danke all meinen Freunden, vor allem Saida und Rene, für ihre auf-bauenden Worte und ihre Unterstützung, für das Interesse an meiner Ar-beit und ihre Hilfe. Danke auch an Birgit, die unglaublich schnell und ge-nau das Korrekturlesen übernommen hat.

Der größte Dank gilt meinen Eltern Brigitte und Werner, die immer an mich geglaubt, mich gefördert und besonders während der Phase der Dip-lomarbeit sowohl fachlich als auch emotional mit viel Zeit und Liebe unter-stützt haben. Ohne sie wäre dieser Weg nicht möglich gewesen.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung .............................................................. 1

TEIL A: BILDUNGSSTANDARDS

2 Bildungsstandards ............................................... 4

2.1 Was sind Bildungsstandards? ............................. 4 2.1.1 Konzeption der Bildungsstandards .................... 5 2.1.2 Regelstandards und Mindeststandards ............. 7 2.2 Ziele und Funktion der Bildungsstandards ...... 9 2.3 Implementierung der Bildungsstandards im österreichischen Schulsystem .............................. 10 2.4 Kritik und Gefahren der Standardisierung ....... 11

3 Der Kompetenzbegriff ........................................ 15

3.1 Kompetenzbegriff nach Weinert ......................... 16 3.2 Kritik an Weinerts Kompetenzbegriff ................ 18 3.3 Kompetenzmodell nach Ossner .......................... 20

4 Bildungsstandards im UF Deutsch ................... 27

4.1 Bildungsstandards für den Kompetenzbereich „Schreiben“ ............................................................ 29 4.2 Ableitung spezifischer Kriterienkataloge und Niveaustufen ......................................................... 31 4.3 „Schreibhaltungen“ .............................................. 32 4.4 Beurteilung von Schreibaufgaben ...................... 37

TEIL B: AUFGABEN

5 Aufgaben der Bildungsstandards und ihre Überprüfung ......................................................... 40

5.1 Aufbau der Testitems – Testtheoretische Überlegungen ........................................................ 40

5.2 Antwortformate ..................................................... 44 5.3 Baseline-Testung im Bereich „Schreiben“ 2009 ................................................... 46

6 Anforderungen an Aufgaben ............................. 50

6.1 Theoretische Ansätze von Aufgaben ................. 50 6.2 Aufgabentypen ...................................................... 52

7 Aufgabenorientierung ........................................ 54

7.1 Aufgabenorientierter Unterricht ......................... 54 7.2 Outputausrichtung und Bildungsstandards ..... 56 7.3 Die Rolle des Lehrenden ...................................... 59

8 Kompetenzorientierte Schreibaufgaben ......... 61

8.1 Schreiben als Bestandteil literaler Kompetenz ............................................................. 62 8.1.1 Der Kulturaspekt ................................................... 62 8.1.2 Der Handlungsaspekt ........................................... 63 8.1.3 Der Strukturaspekt ................................................ 65 8.2 Der Schreibprozess ............................................... 66 8.3 Anforderungen an Schreibaufgaben .................. 70

9 Ableitung eines Kriterienkatalogs ................... 75

9.1 Kriterien für Lernaufgaben .................................. 76 9.2 Kriterien für Testaufgaben ................................... 80

TEIL C: SCHREIBENTWICKLUNG

10 Schreibentwicklungsmodelle ............................ 83

10.1 Was ergibt sich aus Schreibentwicklungs- modellen für die Bildungsstandards „Schreiben“? .......................................................... 89 10.2 Entwicklung der Planungs- und Überarbeitungskompetenz .................................. 97

11 Entwicklung der Textsortenkompetenz .......... 104

11.1 Erzählen .................................................................. 104 11.2 Anleiten, Beschreiben ........................................... 105 11.3 Argumentieren ...................................................... 107 11.4 Konsequenzen für die Bildungsstandards „Schreiben“ ............................................................ 110

TEIL D: ANALYSE

12 Analyse der Aufgaben ........................................ 113

12.1 Testitems der Baseline-Testung ............................ 114 12.2 Beispielaufgaben der Bildungsstandards .......... 129

13 Resümee ................................................................. 137

14 Literaturverzeichnis ............................................. 140

15 Anhang ................................................................... 151

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1 Einleitung

Innerhalb der kommenden Jahre werden im österreichischen Schulsystem einige Änderungen passieren. Das Schlagwort für diese Reformen heißt „Standardisierung“. Diese vollzieht sich in Form von Bildungsstandards und deren standardisierter Überprüfung in der Grundschule und Unter-stufe sowie als Zentralmatura in der Oberstufe. Diese Arbeit wird sich dem Bereich der Sekundarstufe I im Unterrichtsfach Deutsch, genauer dem Teilbereich Schreiben, widmen. Die Standardtests werden in der 8. Schul-stufe durchgeführt, wobei die Standards durch die gestellten Aufgaben überprüft werden. Ein weiteres Schlagwort heißt „Kompetenzorien-tierung“. Schule soll nicht länger nur Vermittlerin von Wissen und Inhalten sein, sondern die Schülerinnen und Schüler mit Kompetenzen (= Fähigkei-ten und Fertigkeiten) ausstatten, die für die weitere schulische und berufliche Bildung von zentraler Bedeutung sind. (Bildungsstandards: http://www. bifie.at/bildungsstandards [Stand: 12.05.2011]) Diese Kompetenzen liegen zwischen den Standards und der Realisierung durch die Aufgaben. Ein Standard umfasst dabei verschiedene Kompetenzen, die durch die Aufga-benstellungen sichtbar werden. Zur Verdeutlichung ein kurzes Beispiel: Im Fach Deutsch beinhaltet der Standard „Texte planen“ folgende Kompeten-zen: • SchülerInnen können Methoden der Stoffsammlung (z.B. Mindmap,

Cluster) anwenden • SchülerInnen können die Textstruktur in Hinblick auf Textsorte und

Schreibhaltung festlegen • SchülerInnen können ihren sprachlichen Ausdruck an Schreibhaltung

und Textsorte anpassen • SchülerInnen berücksichtigen Textadressaten und Schreibsituation (http://www.bifie.at/sites/default/files/bist-d8-kompetenzbereiche.

pdf [Stand 22.01.2011]). Es besteht also ein Dreigespann aus Standard, Kompetenz und Aufgabe. Die große Herausforderung besteht nun darin, alle drei Bereiche so zu entwickeln und aufeinander abzustimmen, dass es letztlich im Stan-dardtest tatsächlich möglich ist die Kompetenzen einer Schülerin oder eines Schülers zu messen. Innerhalb der folgenden Arbeit werden alle drei Bereiche besprochen, der Schwerpunkt wird jedoch im Bereich der Aufga-ben gesetzt. Ziel ist es Qualitätskriterien zu erarbeiten, die zur Konzeption guter Aufgaben benötigt werden. Gleichzeitig soll überprüft werden, ob die veröffentlichten Aufgaben der Bildungsstandards diese Kriterien be-reits erfüllen. Die Konzeption von qualitativ hochwertigen Aufgaben ist

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unglaublich komplex. Gerade dann, wenn die Aufgaben für standardisierte Messverfahren verwendet werden, müssen sie zusätzlich zu inhaltlich relevanten und didaktischen Kriterien ihres Faches auch den Testgütekrite-rien der Messverfahren entsprechen und altersgemäß konzipiert sein, d.h. sie dürfen dem Entwicklungsverlauf im jeweiligen Bereich nicht wider-sprechen. Zur Erstellung der Qualitätskriterien werden in dieser Arbeit deshalb die theoretischen Konzepte der Aufgabenorientierung und Kom-petenzorientierung sowie Modelle der Schreibentwicklung und Testgüte-kriterien standardisierter Messverfahren berücksichtigt.

Die Arbeit wird sich in vier Teilbereiche gliedern. Der erste Teil umfasst allgemeine Informationen zu den Bildungsstandards und zu ihrer Imple-mentierung im österreichischen Schulsystem. Hier wird der Kompetenzbe-griff, der den Bildungsstandards zu Grunde liegt, behandelt und die Stan-dards für das Unterrichtsfach Deutsch, im Speziellen für die Bildungsstan-dards Schreiben eingeführt. Dabei werden auch Aufbau, Beurteilung und die Verwendung bestimmter Begriffe im Bereich Schreiben näher erläutert.

Im zweiten Teil stehen die Aufgaben im Mittelpunkt. Dafür werden zu-erst testtheoretische Überlegungen und verschiedene Antwortformate standardisierter Tests beschrieben, anschließend wird das Vorgehen zur Baseline-Testung 2009, speziell für den Kompetenzbereich Schreiben analy-siert. Die Baseline-Testung1 wurde auf Basis der bisher entwickelten Stan-dards und Aufgaben durchgeführt und hatte den Zweck, den Ist-Zustand an Schulen zu erheben. Ebenfalls erläutert werden in diesem Teil die theo-retischen Konzepte zur Aufgabenorientierung und Kompetenzorientie-rung, um im Anschluss einen Kriterienkatalog abzuleiten, auf dessen Basis im praktischen Teil die Aufgaben der Bildungsstandards analysiert wer-den. Der Kriterienkatalog wird sich in Testaufgaben und Lernaufgaben gliedern, da trotz großer Gemeinsamkeiten jeder Aufgabentyp besonderen Qualitätsmerkmalen entsprechen sollte.

Der große Bereich der Schreibentwicklung wird im dritten Teil der Ar-beit behandelt. Hier werden drei Entwicklungsmodelle vorgestellt und deren Bedeutung für die Bildungsstandards Schreiben herausgearbeitet. Außerdem beinhaltet dieser Teil die Entwicklung der Textsortenkompe-tenz sowie des Planens und Überarbeitens eines Textes. Gewonnen werden diese Informationen anhand von Ergebnissen empirischer Schreibfor-schung, die es unbedingt bei der Konzeption von Standards zu berücksich-tigen gilt. Durch Einbezug der Kenntnisse der Schreibforschung wird der bereits aufgestellte Kriterienkatalog erweitert.

Im vierten (praktischen) Teil dieser Arbeit werden die veröffentlichten Testitems und einige Beispielaufgaben der Bildungsstandards Schreiben

1 Die im praktischen Teil analysierten Aufgaben beziehen sich auf Testitems aus der

Baseline-Testung 2009, da bisher keine anderen Items veröffentlicht wurden.

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hinsichtlich der erarbeiteten Qualitätsmerkmale untersucht und bei Bedarf überarbeitet.

Die Quellenlage erweist sich für den Bereich der österreichischen Bil-dungsstandards in einigen Punkten als schwierig. Als Primärquellen soll-ten die veröffentlichten Texte, Aufsätze und Informationen des Bildungs-ministeriums und des BIFIE (= Bundesinstitut für Bildungsforschung, In-novation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens) dienen. Da aber einige Quellen, die aus den Anfängen der Bildungsreform stammen, nicht mehr online stehen oder aktualisiert wurden, muss in diesem Fall aus der Sekundärliteratur oder aus später veröffentlichten Aufsätzen zitiert werden. Weiters fällt auf, dass es wenig Literatur außerhalb der vom BIFIE veröffentlichten Texte gibt, die sich speziell mit den österreichischen Bil-dungsstandards befassen. Deshalb muss in einigen Bereichen auf Literatur aus der Bundesrepublik Deutschland zurückgegriffen werden, um diese dann auf die österreichischen Verhältnisse anzupassen.

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TEIL A: BILDUNGSSTANDARDS

2 Bildungsstandards

Die Entwicklung des österreichischen Schulsystems wird in den letzten Jahren stark von der Einführung der „Bildungsstandards“ dominiert. Diese Entwicklung ist als Reaktion auf internationale Vergleichsstudien wie PISA oder TIMSS zu sehen, in denen das Abschneiden österreichischer und deutscher Schülerinnen und Schüler einen Schock in der Bildungsland-schaft hervorrief. Diese Studien überprüfen Kompetenzen von Schülerin-nen und Schülern in verschiedenen Fächern auf einer bestimmten Schulstu-fe, decken allerdings nur einen Teil der österreichischen Bildungsland-schaft ab (vgl. Erläuterungen zur Änderung des SchUG, BGBl Nr. 472/1986 idF BGBl. I Nr. 117/2008 [Stand 27.02.2011]). PISA beispielsweise, als inter-nationale Vergleichsstudie, untersucht Kompetenzen 15- bis 16-jähriger Schülerinnen und Schüler in den Bereichen „Lesen, Mathematik und Na-turwissenschaften“ (vgl. http://www.bifie.at/pisa [Stand: 01.03.2011]. Somit sind sowohl nationale Inhalte und Besonderheiten als auch ganze Bereiche eines Unterrichtsfaches aus dieser Überprüfung ausgeklammert. Die Bildungsstandards sollen nun auf nationaler Ebene als Element der Vergleichbarkeit und Qualitätssicherung eingeführt werden.

Durch die Einführung von Bildungsstandards wird nun eine Maßnahme getrof-fen, um regelmäßig umfassende und objektiv festgestellte Ergebnisse über die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu erhalten, die für die Zwecke der Steuerung und der Planung im Bildungsbereich unerlässlich sind (Erläuterun-gen zur Änderung des SchUG, BGBl Nr. 472/1986 idF BGBl. I Nr. 117/2008 [Stand: 27.02. 2011]).

Was genau unter Bildungsstandards zu verstehen ist, welche Ziele hinter der Standardisierung stecken, wie weit die Implementierung dieser Standards im österreichischen Schulsystem fortgeschritten ist und welche Kritik an Standardisierung und Kompetenzorientierung geübt wird, soll nun im folgenden Punkt erläutert werden.

2.1 Was sind Bildungsstandards?

Die Arbeitsgruppe um Eckhard Klieme hat im Auftrag der Kultusminister-konferenz in Deutschland (KMK) eine „Expertise zur Entwicklung nationa-ler Bildungsstandards“ erarbeitet, die als Idealmodell einer Implementie-

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rung von Bildungsstandards im Schulsystem gesehen werden kann. Auf diese Expertise soll im Folgenden nun als Vergleichsobjekt Bezug genom-men werden.

Mit den Bildungsstandards werden allgemeine Bildungsziele aufge-griffen, die über Kompetenzen definiert sind. Diese muss die Schule ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln, damit bestimmte zentrale Bil-dungsziele erreicht werden (vgl. Klieme et al. 2007, 19). Über die Definition von Bildungszielen formuliert eine Gesellschaft demnach ihre Ansprüche gegenüber den Bildungsinstitutionen. (Beer 2006, 36)

Bildungsstandards sind in Österreich als Regelstandards konzipiert und legen fest, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten Schulstufe an wesentlichen Inhalten nachhaltig erworben haben sollen. (Lu-cyshyn 2007, 15)2

Dabei handelt es sich um Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen, die für die weitere schulische und berufliche Bildung von zentraler Bedeutung sind. (Bil-dungsstandards BIFIE [Stand 08.02.2011])

Die Kompetenzen sollen in regelmäßigen Abständen durch objektive Test-verfahren überprüft werden, um so die Qualität im österreichischen Schul-system zu sichern. Getestet werden sollen Schülerinnen und Schüler auf der 4. und 8. Schulstufe in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch (nur auf der 8. Schulstufe) sowie im naturwissenschaftlichen Bereich. Die Bildungsstandards für Mathematik, Deutsch und Englisch werden gerade erprobt, die Standards für die naturwissenschaftlichen Fächer (Biologie, Physik, Chemie) befinden sich derzeit noch im Entwicklungsstadium (vgl. Bildungsstandards BIFIE [Stand 08.02.2011]). Alle Schulen sollen wech-selnd im Drei-Jahres-Abstand überprüft werden. (BMUKK: Bildungsstan-dards [Stand: 11.02.2011])

2.1.1 Konzeption der Bildungsstandards

Aus der Definition der Bildungsstandards geht hervor, dass diese über Kompetenzen beschrieben und überprüft werden. Der in den Bildungs-standards verwendete Kompetenzbegriff von Weinert wird in einem späte-ren Kapitel ausführlich behandelt werden. An dieser Stelle sei deshalb nur angemerkt, dass die Kompetenzen der Bildungsstandards domänenspezi-

2 Die Definition von Lucyshyn ist allerdings nicht ganz eindeutig. Es entsteht der

Eindruck, als wären die zu erwerbenden Kompetenzen mit den zu erwerbenden In-halten gleichzusetzen. Kompetenz ist eben gerade nicht die Kenntnis über einen be-stimmten Inhalt, sondern umfasst bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten, die als problemlösendes Handeln auf die unterschiedlichsten Inhalte angewendet werden können. Natürlich sind in der Schule die Inhalte eines Faches nicht zu vernachlässi-gen. Sie bilden den fachlichen Rahmen, in dem sich Kompetenzen entwickeln und ausbilden.

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fisch verstanden werden, d.h. sie drücken vorrangig (aber nicht nur) die angestrebten fachlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern aus. (Klieme et al. 2007, 13) Diese fachbezogenen Kompetenzen bilden die Grundlage für die Entwicklung von fachübergreifenden Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen. Durch die Erarbeitung von fachspezifischen Kompetenzmodellen, die wiederum auf unterschiedlichen Niveaustufen konzipiert sein müssen, können die Standards über Aufgaben gut abgebil-det, gemessen und empirisch überprüft werden (vgl. Beer 2006, 37). Bil-dungsstandards werden also als Kompetenzen definiert, die wiederum durch die Aufgaben abgebildet werden. Die Aufgabenbeispiele sollen in Österreich auf zwei (Deutsch) bzw. drei (Mathematik, Englisch) Niveaustu-fen konzipiert werden. Es liegt die Vermutung nahe, dass man sich offen-bar an der Leistungsgruppendifferenzierung des Schulsystems orientiert hat. (Altrichter/Posch 2004, 2)

Alle drei Komponenten – Bildungsstandards, Kompetenzmodelle und Aufga-benstellungen bzw. Testverfahren – werden benötigt, um Bildungsstandards für die Qualitätsentwicklung an Schulen zu nutzen (Klieme et al. 2007, 17), deshalb ist die Entwicklung und Ausarbeitung aller drei Felder für das Gelingen einer Qualitätssteigerung im Bildungswesen notwendig.

Die österreichischen Bildungsstandards für die Sekundarstufe I orien-tieren sich am Kernbereich des Lehrplans für Hauptschule und AHS. Sie decken jedoch nicht den gesamten Lehrstoff eines Unterrichtsfachs ab, sondern beinhalten nur die Kernbereiche (vgl. Beer 2006, 79).

Bildungsstandards und Lehrplan treten daher in keiner Phase in eine konkurrie-rende oder gar widersprechende Position, sondern ergänzen einander positiv. (Beer 2006, 79)

Nach Klieme et al. sollen Standards folgende Qualitätsmerkmale aufwei-sen:

1. Fachlichkeit: Meint die eben beschriebene domänenspezifische Ausrich-

tung der Standards. Sie sollen die Kernkompetenzen der Fächer und Fächergruppen besonders klar herausarbeiten. (Klieme et al. 2007, 24)

2. Fokussierung: Die Standards decken nicht den gesamten Bereich eines Faches ab, sondern arbeiten Kernbereiche heraus. (Klieme et al. 2007, 25)

3. Kumulativität: In den Bildungsstandards werden längerfristige, aufbau-ende Ziele wahrgenommen. Lernen wird als kumulativer Prozess gese-hen, der durch die Kompetenzmodelle und Kompetenzstufen abgebil-det wird. Es geht darum, welche Kenntnisse Schülerinnen und Schüler nachhaltig erworben haben. (Beer 2006, 39)

4. Verbindlichkeit: Bildungsstandards sollen für alle Lernenden gelten, unabhängig von der besuchten Schulform. Sie stellen Mindestvoraus-setzungen dar, die von allen Schülerinnen und Schülern erfüllt werden

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sollen. Sie können somit einen Beitrag zum Abbau von Disparitäten im Schulsystem leisten. (Beer 2006, 39)

5. Differenzierung: Die Standards müssen Niveaustufen3 differenzieren, die unter und über bzw. vor und nach Erreichen dieses Mindestniveaus liegen. Sie machen so Lernentwicklungen verstehbar und ermöglichen weitere Profilbildungen und Abstufungen, die ergänzende Anforde-rungen in einem Land, einer Schule oder einer Schulform darstellen. (Klieme et al. 2007, 25)

6. Verständlichkeit: Die Standards sollen klar und knapp formuliert sein und keiner weiteren Interpretation bedürfen, um von allen Beteiligten (Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und Öffent-lichkeit) verstanden zu werden. (Beer 2006, 39)

7. Realisierbarkeit: Die Standards stellen eine Herausforderung für Lehren-de und Lernende dar, sind aber mit realistischem Aufwand erreichbar. (Klieme et al. 2007, 25)

2.1.2 Regelstandards und Mindeststandards

In der Theorie unterscheidet man bei Leistungsstandards (und eben dies sind die Bildungsstandards) zwischen Mindeststandards, Regelstandards und Maximalstandards. Der Unterschied liegt in der Festsetzung des zu erwartenden Niveaus. Mindeststandards legen Mindestleistungen fest, die von allen Kindern (p= 100 %), unabhängig von ihren Ausgangsbedingun-gen zu erreichen sind (vgl. Beer 2006, 25). Regelstandards entsprechen einem mittleren Erwartungsniveau, während Maximalstandards ein Ideal beschreiben (vgl. Klieme et al. 2007, 27). Die Autoren der Klieme-Expertise sprechen sich dezidiert für die Einführung der Bildungsstandards als Min-deststandards aus. Die Kompetenzmodelle und die Aufgaben (als Operati-onalisierungen) beschreiben dann eindeutig, welche Leistung Schülerinnen und Schüler erbringen müssen, um die Mindestanforderung zu erfüllen. (Klieme et al. 2007, 27) Der Sinn dieser Empfehlung zu Mindeststandards liegt in der Qualitätssicherung des Bildungssystems. Es soll vor allem Be-achtung auf leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler gelegt und so verhindert werden, dass diese zurückgelassen werden. Denn Deutschland (dasselbe kann auch für Österreich gelten) weist im Gegensatz zu anderen Industrieländern Schwächen im unteren Leistungsbereich auf. Dies ist unter anderem auch auf die Gliederung des Schulsystems in verschiedene Schultypen zurückzuführen. Nach Klieme können Mindeststandards dazu

3 Niveaustufen müssen empirisch gewonnen werden, um adäquate Ergebnisse und

faire Testverfahren garantieren zu können. Auch der Schwierigkeitsgrad von Aufga-benstellungen wird an die vorgegebenen Niveaustufen angepasst. Dass empirisch gewonnene Daten in vielen Bereichen noch ausständig sind, wird innerhalb dieser Arbeit an mehreren Stellen erläutert werden.

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beitragen die Disparitäten im Bildungssystem zu reduzieren (siehe dazu auch Qualitätsmerkmal 4: Verbindlichkeit) (vgl. Klieme et al. 2007, 27).

Im Gegensatz dazu orientieren sich Regelstandards an einer sozialen Bezugsnorm. Sie legen ein mittleres Anforderungsniveau fest, welches von möglichst vielen Schülerinnen und Schülern erreicht werden sollte (vgl. Beer 2006, 26). Regelstandards haben demnach einen normativen Charak-ter. Für Klieme besteht die Gefahr der Regelstandards vor allem darin, dass es bei Aussagen von Regelstandards immer „im Vergleich zum Regelfall Gewinner und Verlierer gibt“. (Klieme et al. 2007, 28) Die Frage, was leis-tungsschwächere Schülerinnen und Schüler können müssen, um als erfolg-reich zu gelten, kann durch Regelstandards nicht beantwortet werden. (Klieme et al. 2007, 28) Man geht quasi von einer Normalverteilung der Kompetenzen aus, die in statistischen Werten gesprochen eine mittlere Streubreite hervorbringt, innerhalb derer sich dieser Regelbereich befindet. Geht man von einer Verteilung analog der Streuung von Intelligenztests mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 15 aus, würde sich folgende Verteilung ergeben: Für die „Gewinner“ ließe sich ein p = (34,13 % + 50 %) von 84,13 % errechnen. Damit wäre die Quote der Verlierer auf 15,87 % festgelegt (vgl. Beer 2006, 26).

Trotz dieser eindeutigen Empfehlung des Klieme-Gutachtens hat man sich sowohl in Deutschland als auch in Österreich entschieden, Bildungs-standards als Regelstandards zu konzipieren

Bildungsstandards sind in Österreich als Regelstandards konzipiert und legen fest, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten Schulstufe an wesentlichen Inhalten nachhaltig erworben haben sollen. (Lu-cyshyn 2007, 15)

Beer (2006) merkt an, dass durch die Festlegung auf Regelstandards die österreichischen Bildungsstandards das Qualitätskriterium der Verbind-lichkeit nicht erfüllen. Des Weiteren kritisiert er, dass das Bildungsministe-rium die Standards bloß durch Experten festlegen ließ, ohne diese empi-risch prüfen zu lassen. Er verweist auf Ergebnisse der DESI-Studie, in der festgestellt wurde, dass die Englischkompetenzen von HauptschülerInnen deutlich unter den in den Bildungsstandards definierten Regelstandards liegen und diese nur von einer Minderheit der HauptschülerInnen erreicht werden.

An der Festlegung von realistischen Standards muss demnach noch gearbeitet werden. (Beer 2006, 67)

Warum das Bildungsministerium sich trotz dieser Kritik für die Einfüh-rung von Regelstandards entschieden hat, bleibt fraglich. Als Antwort wird auf die unüberbrückbare Disparität im Schulsystem verwiesen. Das Zu-rückgreifen auf Regelstandards wird damit begründet, dass eine größere Bandbreite an Schülerleistungen abgedeckt wird. Die Mindeststandardisie-

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rung scheint im differenzierten Schulsystem nicht als sinnvoll, da sich die Festlegung des Mindestniveaus aufgrund der hohen Bandbreite an un-terschiedlichen schulischen Leistungen als äußerst schwierig gestaltet und über die tatsächlichen Leistungen von Schülerinnen und Schülern keine wissenschaftlich validen Daten vorliegen. Man geht davon aus, dass die Leistungen von Schülerinnen und Schülern der AHS und der 1. Leistungs-gruppe Hauptschule sich anscheinend gravierend von denen der 2.und 3. Leistungsgruppe unterscheiden (vgl. Lucyshyn 2007, 15).

Da die Lehrpläne für beide Schulformen nahezu wortident sind, die Schülerpo-pulationen sich jedoch gravierend voneinander unterscheiden, hätte man den Mindeststandard so niedrig setzen müssen, dass er auch für die zweite und drit-te Leistungsgruppe der Hauptschule einen Anreiz zur Erreichung darstellt. (Lucyshyn 2007, 15)

Die Differenzierung im Schulsystem bleibt somit als unüberbrückbare Hürde bestehen, Bildungsstandards leisten in diesem Fall keinen Beitrag dem Ungleichgewicht entgegenzuwirken. Wie sinnvoll eine Bildungsre-form ist, ohne die dazu benötigten Rahmenbedingungen anzupassen (bei-spielsweise die Einführung einer gemeinsamen Schulform für alle 10- bis 14-Jährigen) sei dahin gestellt.

2.2 Ziele und Funktion der Bildungsstandards

Durch die Einführung der Bildungsstandards wurde bildungspolitisch die Wende von der so genannten „Inputsteuerung“ (über Curricula und Lehr-pläne) zur Outcome-Orientierung eingeschlagen. Bisher gaben im österrei-chischen Schulsystem Lehrpläne und Curricula vor, welche Inhalte auf welcher Schulstufe gelehrt und gelernt werden. Die Bildungsstandards legen ihren Blick auf die Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern. Um Vergleichbarkeit herzustellen, wurde die Umstellung zur Outputsteu-erung über Bildungsstandards beschlossen und damit auch eine über Klas-sen,- Schulen- und Landesgrenzen hinausgehende Überprüfung mit ver-bindlichen Zielen (vgl. Beer 2006, 32). Somit sollen Bildungsstandards als Instrument der Qualitätssicherung dienen, denn die Ergebnisse der Tests erlauben Aussagen über die Leistung des Unterrichts bzw. des Schulsys-tems und bilden eine Grundlage für Steuerungsmaßnahmen im Bildungs-wesen. (Bildungsstandards BIFIE [Stand: 10.02.2011]) Gleichzeitig stellen Bildungsstandards ein Evaluationsinstrument dar, dass durch den Zirkel von „Messen – Rückmelden – Umsetzen von Maßnahmen – erneute Mes-sung“ nachhaltige Qualität im Unterricht gewährleisten soll. (Bildungs-standards BIFIE [Stand: 10.02.2011]) Die Ergebnisse sollen nach derzeitigen Angaben des Bildungsministeriums weder in die Beurteilung der einzelnen Akteure einfließen noch zur Erstellung von Schulrankings gebraucht wer-

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den. Bildungsstandards sollen für die Beteiligten als objektives Instrument der Selbstevaluation dienen. (Bildungsstandards BIFIE [Stand:11.02.2011]) Aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler führen Bildungsstan-dards zu einem objektiven klaren Ergebnis ihrer Leistungen und können somit helfen Verantwortung für ihren eigenen Lernweg zu übernehmen (vgl. Beer 2006, 41). Ebenso erhalten die Eltern eine genaue Rückmeldung über Stärken und Schwächen ihres Kindes. Die erhöhte Transparenz kann als Grundlage für Beratungsgespräche und anschließende Fördermaßnah-men verstanden werden (vgl. Beer 2006, 41). Auch Lehrerinnen und Lehrer können aufgrund der objektiven Ergebnisse an der Qualität ihres Unter-richts arbeiten sowie Schülerinnen und Schüler individuell fördern (vgl. Beer 2006, 41).

2.3 Implementierung der Bildungsstandards im österreichischen Schulsystem

Anders als in Deutschland und der Schweiz ist man in Österreich nicht den Weg gegangen eine Expertise zur Klärung von Begriffen und der Ausgangslage an den Anfang der Implementierung der Bildungsstandards zu stellen. (Specht 2006, 16)

Im Jahr 2000 erarbeitete eine Steuergruppe im Auftrag der Bildungs-ministerin den Umfang der zu realisierenden Standards. Die ersten Ergeb-nisse dieser Arbeit wurden 2002 von Expertinnen und Experten einer kriti-schen Analyse unterzogen und anschließend überarbeitet. So konnte im Schuljahr 2003/04 mit der Pilotphase I gestartet werden. An der Pilotphase I nahmen 18 Schulen, die die Bildungsstandards auf der 8. Schulstufe prüf-ten, und 30 Volksschulen teil (vgl. Lucyshyn 2007, 12). Aufgabe der Leh-renden war es, die Standards in den Unterricht mit einzubeziehen und so die Wirksamkeit der Standards und Aufgabenbeispiele kritisch zu prüfen. Evaluiert wurde die Pilotphase I vom Zentrum für Schulentwicklung (ZSE) Graz (vgl. Beer 2006, 63).

Anschließend folgte die mehrjährige Pilotphase II von 2004-2007, an der ca. 140 Schulen in ganz Österreich teilnahmen. Das Ziel bestand ebenfalls darin, dass sich die Schulen mit den Standards und Aufgabenbeispielen auseinandersetzen, um kritische Rückmeldung geben zu können. 2006 fanden zum einen die ersten Feldtests in der Grundschule und auf der Sekundarstufe I statt, zum anderen wurde das BIFIE (= Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des Bildungswesens) zur Unterstützung des Gesamtprozesses eingerichtet (vgl. Lucyshyn 2007, 12).

Im Schuljahr 2008/09 wurde auf der 8. Schulstufe in den Fächern Ma-thematik, Deutsch und Englisch die sog. Baseline-Testung durchgeführt, um den Ist-Stand in diesen Fächern zu erheben. Die analoge Erhebung des Ist-Zustands der Grundschule folgte im Schuljahr 2009/10. Österreichweite

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Tests werden in den Schuljahren 2011/12 (8. Schulstufe) und 2012/13 (4. Schulstufe) durchgeführt. Die Rolle des BIFIE liegt hierbei in der Entwick-lung, Implementierung und Überprüfung der Bildungsstandards. (Bil-dungsstandards BIFIE [ Stand: 11.02.2011])

2.4 Kritik und Gefahren der Standardisierung

An der Einführung der Bildungsstandards, der damit verbundenen Out-put-Steuerung und Kompetenzorientierung ist in mehrerer Hinsicht Kritik geübt worden. Auf einige Punkte soll im folgenden Abschnitt näher einge-gangen werden.

Die Outputorientierung soll durch Steuerung der zu erwerbenden Kompetenzen zur Qualitätssicherung im Schulwesen beitragen. Output bezieht sich, wie bereits erwähnt, auf die Ergebnisse einer Lernleistung, der Input auf die zu vermittelnden Inhalte. Kritisch wird hier betrachtet, dass in beiden Varianten der Lernprozess, der zwischen Input und Output statt-findet, ausgeblendet wird (vgl. Bredella 2005, 49). Bildungsstandards bil-den in diesem Outputprozess normative Bezugsgrößen, durch ihre Abprü-fung in Tests werden ihre Inhalte den Unterricht wesentlich bestimmen. Die Gefahr, dass Lehrende ihren Unterricht als Prüfungsvorbereitung in-terpretieren, ist groß. Dieses Phänomen wird auch als „teaching to the test“ bezeichnet, dessen Praktik sich im angelsächsischen Raum stark verbreitet hat.

Und selbst wenn Lehrende ihren Unterricht weiterhin auf die Vermitt-lung allgemeiner Bildungsziele und Inhalte fokussieren, kann bei den Ler-nenden der Eindruck entstehen, es komme nur auf die Ergebnisse im groß angelegten Vergleichstest an (vgl. ebda., 49). Hier wird die Gefahr von Bildungsstandards als Selektionsinstrument ersichtlich. Nach derzeitigem Stand schließt das Bundesministerium einen Einfluss der Ergebnisse der Tests in die Notengebung aus, auch von Schulrankings wird bislang Ab-stand genommen. Altrichter und Posch hegen in ihrem Artikel „Die Dis-kussion um die österreichischen Bildungsstandards“ an diesem Umstand jedoch ernsthafte Zweifel.

Es besteht eine gute Chance, dass Tests bzw. verfügbare Aufgabenbeispiele und Items zur Leistungsbeurteilung verwendet werden, da die Testergebnisse Leis-tungsansprüche legitimieren, eine vergleichsweise stabile Beurteilungsbasis dar-stellen und die Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer für die Benotung verringern. (Altrichter/Posch 2004, 7)

Ebenfalls wird die Forcierung auf ein „Marktmodell“, d.h. die Verwen-dung der Ergebnisse für Schulrankings nicht ausgeschlossen. Denn wenn schon einmal Daten vorliegen, würden einerseits einige Schulen aus Wett-bewerbsgründen an einer Veröffentlichung interessiert sein, andererseits

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würde der Druck von Öffentlichkeit und Presse in diese Richtung steigen (vgl. ebda., 7). Ein weiterer Punkt, der in diesem Bereich zu verorten ist, bezieht sich auf den Umstand, dass Bildungsstandards das Selektionsprin-zip der derzeitigen Schulform unterstützen anstatt den Ungleichheiten entgegenzuwirken. Denn die Tests erfolgen gerade an den Nahtstellen des Bildungssystems. Entgegen der Empfehlung des Klieme-Gutachtens, in dem erstens darauf verwiesen wird, dass Bildungsstandards zum Abbau der Disparität im Schulsystem beitragen können und zweitens deutlich empfohlen wird, die Überprüfungen auf einer Zwischenstufe des Schulsys-tems (beispielsweise 3. und 7. Klasse) anzusiedeln (vgl. Klieme et al. 2007, 18), wurden in Österreich die Tests auf der 4. und 8. Schulstufe veran-schlagt. Kritisch zu betrachten ist diese Festlegung einerseits, weil kein Handlungsspielraum für Fördermaßnahmen an dieser Stelle der Schullauf-bahn bleibt. Evaluiert man Lernende beispielsweise auf der 3. Schulstufe und stellt bestimmte Defizite fest, besteht zumindest ein Schuljahr lang die Möglichkeit diese Kompetenzen individuell zu fördern, bevor der Schul-wechsel in die weiterführende Schule ansteht und Selektion vom Schulsys-tem selbst betrieben wird.

Durch die Platzierung von Standards und Tests an den schulischen Nahtstellen zeigen die österreichischen Vorschläge – sowohl von Steuergruppe als auch von Zukunftskommission – deutlich mehr Affinität zu Selektionsmodellen als das Konzept von Klieme et al. (2003). (Altrichter/Posch 2004, 7)

Andererseits machen externe Evaluationsprüfungen nur dann Sinn, wenn die Ergebnisse als Daten für den individuellen Lernzuwachs verwendet werden. Ein einmaliges Erheben des Ist-Zustands im Abstand von vier Jahren kann für einen Vergleich nicht in Frage kommen (vgl. Beer 2006, 97). Auch hier lohnt sich ein Blick in Richtung Entwicklungspsychologie. In vielen Bereichen der kognitiven und metakognitiven Entwicklung vollzieht sich diese individuell verschieden und gerade zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr gehen viele Veränderungen vor sich (vgl. Tücke 1999, 191 ff. und 285 ff.). Die Tests einmalig zu veranschlagen ohne einen Vergleichs-wert in absehbarer Nähe zu erheben, kann auch aus diesem Blickwinkel als unzureichend eingestuft werden.

Eine weitere Befürchtung besteht darin, welche Gewichtung einzelne Fächer bzw. fachliche Inhalte durch die Standardisierung erhalten. Da einerseits die Tests nur in gewissen Fächern durchgeführt werden, bleibt die Gefahr, dass andere zu „Nebenfächern“ abgestuft werden. Wichtig wäre es deshalb auch Standards für Fächer wie beispielsweise Kunst, Mu-sik, Sport und Geschichte einzuführen, da wesentliche Grundkompetenzen hier erworben werden und außerdem ein großer Beitrag zur Persönlich-keitsbildung geleistet wird (vgl. Beer 2006, 106). Andererseits besteht diese Gefahr analog in den Inhalten einzelner Fächer. Da die Standards nur Kernbereiche eines Fachs abbilden und somit einen großen Teil an Inhalten

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ausklammern, wäre die Gewichtung auf eben nur diese Kernbereiche zu verlagern riskant. Besonders betroffen ist hier das Fach Deutsch, dessen Inhalte Fertigkeiten, Fähigkeiten, Einstellungen, Reflexion und Kreativität vermitteln sollen. Diese sollten nicht auf Testbatterien reduziert werden, die sich notwendigerweise auf das leicht Überprüfbare beschränken müs-sen. (Blüml 2005, 125)

Kaspar H. Spinner sieht außerdem ein Problem im Verhältnis zwischen den formulierten Aufgaben der Bildungsstandards im UF Deutsch und den formulierten Kompetenzen. Er hat Aufgaben im Fach Deutsch analysiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufgaben eine massive Re-duktion bzw. Trivialisierung dessen darstellen, was in den Kompetenzen formuliert wird (vgl. Spinner 2005, 5). Als Beispiel wird eine Aufgabe aus den Entwürfen der Standards zum Mittleren Schulabschluss in Deutsch-land gewählt, die die „Gestaltung einer Szene auf der Grundlage eines literarischen Textes” zum Thema hat. Zu Frischs Tagebucheintrag „Vor-kommnisse“ soll eine Szene gestaltet werden, darüber hinaus ist eine In-haltsangabe verlangt. Die Aufgabe soll insgesamt zwölf Standards abde-cken, Spinner listet drei beispielhaft auf: • epische, lyrische und dramatische Texte unterscheiden • wesentliche Fachbegriffe zur Erschließung von Literatur kennen und

anwenden • sprachliche Gestaltungsmittel in ihren Wirkungszusammenhängen und

in ihrer historischen Bedingtheit erkennen. Spinner zieht hier in Zweifel, dass durch das Verfassen einer Inhaltsangabe tatsächlich die Kompetenz „sprachliche Gestaltungsmittel in ihren Wir-kungszusammenhängen und historischer Bedingtheit zu erkennen“ über-prüft werden kann (vgl. Spinner 2005, 6).

Andererseits scheinen die Aufgaben durchaus anspruchsvolle Inhalte zu verlangen. Der Text der eben beschriebenen Aufgabe handelt von drei Personen, die für mehrere Stunden in einem Aufzug eingeschlossen sind. Eine szenische Darstellung dessen verlangt von Schülerinnen und Schülern hohe Fähigkeiten in dramatischer Gestaltung, diese Schwierigkeit wird jedoch nicht überprüft bzw. beachtet. „Epische, lyrische und dramatische Texte unterscheiden zu können“ scheint dann erfüllt zu sein, wenn die Schülerinnen und Schüler eine Szene (und kein Gedicht) schreiben, die sich durch dramatische Elemente beispielsweise vom Tagebucheintrag unter-scheidet (vgl. Spinner 2005, 6). Die Komplexität der Aufgabe wird dem-nach in der Interpretation durch die Standards ebenfalls reduziert. Spinner spricht deshalb von einer wechselseitigen Reduktion von Aufgabenstel-lung und Standardformulierung.

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Erst in ihrem Zusammenwirken, das dann bei der Beurteilung durchschlägt, ergibt sich der problematische Effekt – oft ohne dass man ihn wahrnimmt. (Spinner 2005, 6)

In der vorliegenden Arbeit wird es zu überprüfen gelten, ob diese Ergeb-nisse auch auf die österreichischen Aufgabenitems im Bereich „Schrei-ben“ zutreffen.

Zu Ergebnissen, die zumindest die Annahme Spinners – Aufgaben tri-vialisieren die formulierten Kompetenzen – stützen, kommt eine erste em-pirische Untersuchung aus Deutschland. Hans Peter Klein (2010) unter-suchte kompetenzorientierte Aufgaben des standardisierten Zentralabiturs, welches bereits in verschiedenen deutschen Bundesländern praktiziert wird. Klein legt in seiner Untersuchung Schülerinnen und Schülern der 9. Schulstufe Gymnasium eine kompetenzorientierte Aufgabenstellung des Zentralabiturs vor, wobei weder Thema noch die Art der Aufgabenstellung den ProbandInnen bekannt waren. Auch die Korrektur und Beurteilung wurde analog der Abiturprüfung abgehalten (Erstprüfer und Zweitprüfer verschiedener Schulen aus unterschiedlichen Regionen). Als Kontrollfunk-tion dienten Aufgabenstellungen, die das gleiche Thema vor der Standar-disierung abprüften. Klein ging in seiner Hypothese davon aus, dass die kompetenzorientierten Aufgaben zumindest für einen Teil der Schülerin-nen und Schüler durchaus lösbar seien, da Lesekompetenz ausschlagge-bend für die Lösung dieser Art der Aufgabenstellung sei. Die Ergebnisse bestätigten die Hypothese mehr als deutlich. Von 27 TeilnehmerInnen erreichten 23 die Noten Sehr gut bis Ausreichend, nur vier Schüler kamen über die Notenstufe 5 nicht hinaus. (Klein 2010, 15) Als Grund für dieses Ergebnis sieht Klein die Reduzierung der Aufgabe auf Informationsent-nahme und Lesekompetenz. Die Aufgabenstellungen (ausgestattet mit umfangreichem Arbeitsmaterial) verlangen lediglich ein Abschreiben der Informationen, die bereits in den Texten oder Graphiken enthalten sind. Die in den Standards formulierten Kompetenzen wie „eigenständiges Ent-wickeln von Arbeitshypothesen zur Erkenntnisgewinnung, der darstellen-den Kommunikation oder praktischen Bewertung“ werden nicht abge-prüft, ebenso wenig wird der Einbezug fachlichen Wissens verlangt.

Die Aufgabe verlangt nicht, was sie ausdrückt. Im Bild gesprochen: Kompetenz-orientierung springt als Tiger und landet als Bettvorleger. (Klein 2010, 23)

Im Gegensatz dazu war kein/e SchülerIn in der Lage die nicht standardi-sierte Aufgabe zum gleichen Thema zu lösen, da sie nicht über das inhalt-lich fachliche Wissen (welches nicht standardisierte Aufgaben zur Lösung verlangen) verfügten.

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3 Der Kompetenzbegriff

Der Begriff der Kompetenz ist in den letzten Jahren vor allem im Bildungs-bereich zunehmend in Mode gekommen. Neben den unterschiedlichsten Definitionen findet er äußerst vielseitig Verwendung (Begriffe wie Sach- Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz werden besonders in der Be-rufspädagogik verwendet). Ausgelöst durch die Arbeitsmarktanforderun-gen der Wissens- und Informationsgesellschaft, in der reine inhaltliche Spezifizierung nicht länger ausreichend ist, entstand die Debatte im Bil-dungsbereich über die Verankerung dieser Anforderungen im Bildungs-konzept. Konkret wurde die Forderung nach übergeordneten Fähigkeiten und Fertigkeiten wie „Problemlösen, kritisches Denken und soziale Fähig-keiten“ laut (vgl. Klieme 2004, 13). Ebenso großen Einfluss auf die Kompe-tenzdebatte hatten groß angelegte Schulvergleichsstudien Ende der 1990er wie z.B. PISA. Hier wurde verdeutlicht, dass Schule ihren Schülerinnen und Schülern zwar fachliche Kenntnisse auf Grundlage der Lehrpläne vermittelt, diese jedoch nicht auf neue Problemstellungen oder fächerüber-greifende Anforderungen umgesetzt werden können (vgl. Feindt 2010, 85).

Betrachtet man die Definition der Bildungsstandards führt diese auto-matisch zu einer Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff. Auf der Website des BIFIE heißt es wie folgt:

Bildungsstandards legen fest, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten Schulstufe nachhaltig erworben haben sollen. (Bil-dungsstandards bifie [Stand 01.02.2011])

Bildungsstandards sind demnach durch Kompetenzen definiert – sie kon-kretisieren ihre Lernziele in Form von Kompetenzen. Systematisch geord-net werden diese Anforderungen in Kompetenzmodellen, die Aspekte, Abstufungen und Entwicklungsverläufe von Kompetenzen darstellen. (Klieme et al. 2007, 21) Der Kompetenzbegriff hat somit endgültig Einzug in die österreichische Bildungslandschaft gefunden.

Im Folgenden sollen nun der Kompetenzbegriff nach Franz E. Weinert, der den Bildungsstandards zu Grunde liegt, und die Ausformulierung dieses Begriffes in den Bildungsstandards näher betrachtet werden. Ob-wohl die Definition nach Weinert mittlerweile weitestgehend akzeptiert ist, gibt es einige Kritikpunkte, die anschließend erörtert werden. Für den Deutschunterricht hat der deutsche Fachdidaktiker Jakob Ossner ein Kom-petenzmodell entwickelt, das sowohl auf den Kompetenzbegriff von Weinert aufbaut als auch durch den Einbezug der pädagogischen Psycho-logie eine mögliche analytische Grundlage zur konkreten Kompetenz-ableitung darstellt.

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3.1 Kompetenzbegriff nach Weinert

Franz E. Weinert entwickelte seinen Kompetenzbegriff im Auftrag der OECD, indem er mehr als 90 Kompetenzkonzepte weltweit untersucht und diese aufeinander bezogen hat. (Vollmer 2010, 32) Er gelangte zu folgender Definition, welche auch in der Klieme-Expertise nachzulesen ist:

Unter Kompetenzen versteht man die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernten kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen4 und sozia-len Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situa-tionen erfolgreich und verantwortungsvoll lösen zu können. (Weinert 2001, 27 f.)

Zum einen wird aus dieser Definition ersichtlich, dass es sich bei Kompe-tenzen um erworbene/erlernte Fähigkeiten handelt, die in verschiedensten Situationen erfolgreich eingesetzt werden können. Es wird also die Hand-lungsfähigkeit betont, die demnach beim Lösen einer Aufgabe direkt be-obachtbar und somit operationalisiert ist. Zum anderen wird klar, dass es sich bei Kompetenzen um ein multidimensionales Konzept handelt und sie somit nicht durch einzelne, isolierte Leistungen zu erfassen sind (vgl. Vollmer 2010, 32). Ferner ist zu betonen, dass Kompetenzen nach dieser Definition von Weinert über rein kognitive Leistungen hinausgehen, da Motivation, Wille und soziale Bereitschaft als Erfolgskriterium angeführt werden. In den Bildungsstandards werden die Kompetenzen domänen-spezifisch, also fachspezifisch geordnet, man hat sich somit gegen eine fachübergreifende Zuordnung entschieden. Nach Klieme (2004, 12) sind die Gründe dieser Strukturierung teils pragmatischer und teils lernpsycho-logischer Natur. Einerseits bleibe man durch die Fachbezogenheit der Tra-dition der Lehrplanarbeit und der Ausbildung der Lehrerschaft treu, ande-rerseits sei der Transfer von fachspezifischen auf übergreifende (Schlüssel-) Kompetenzen laut Experten illusionär. Im Klieme-Gutachten findet man deshalb folgende Einteilung:

Kompetenzen spiegeln die grundlegenden Handlungsanforderungen, denen Schülerinnen und Schüler in der Domäne ausgesetzt sind. Durch vielfältige, fle-xible und variable Nutzung und zunehmende Vernetzung von konkreten, be-reichsbezogenen Kompetenzen können sich auch „Schlüsselkompetenzen“ ent-wickeln, aber der Erwerb von Kompetenzen muss – wie Weinert (2001) hervor-hebt – beim systematischen Aufbau von „intelligentem Wissen“ in einer Domäne beginnen. (Klieme et al. 2007, 22)

Gleichzeitig wird hier die Abgrenzung des Kompetenzbegriffs der Bil-dungsstandards zu den Konzepten der Berufspädagogik (Sach-, Me-thoden-, Sozial- und Personalkompetenz) vollzogen. (Klieme 2004, 12)

4 absichts- und willensbezogen

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Kompetenzen werden in den Bildungsstandards als Leistungsdispositio-nen in bestimmten Fächern oder Domänen verstanden. Innerhalb einer Domäne werden Kompetenzmodelle von FachdidaktikerInnen, Psycholo-gInnen und PädagogInnen entwickelt. Diese Modelle beinhalten Teildi-mensionen einer Domäne (z.B. Rezeption und Produktion von Texten) und beschreiben jeweils unterschiedliche Niveaustufen auf solchen Dimensio-nen (vgl. Klieme et al. 2007, 22). Da diese Teilkompetenzen in unterschied-licher Weise alters- und entwicklungsabhängig sind, wird in Deutschland nach Übereinkunft aller 16 Bundesländer, in Österreich durch das Bil-dungsministerium festgelegt, welche qualitative Ausprägung für eine be-stimmte Alters- oder Schulstufe erforderlich ist (vgl. Vollmer 2010, 33). Nach Vollmer (vgl. ebda., 33) wurde die Niveaustufe dieser Standardisie-rung in Deutschland unabhängig davon festgelegt, was die betroffene Schülergruppe aktuell zu leisten in der Lage ist. Diese Festlegung lässt sich auf die Einführung von Regelstandards zurückführen, die, wie bereits erwähnt, ein mittleres Leistungs- und Anforderungsniveau festlegt. Da in Österreich die Bildungsstandards ebenfalls als Regelstandards formuliert wurden, ist davon auszugehen, dass auch die Niveaustufen unabhängig von der derzeitigen Leistung einer Schulstufe konzipiert wurden. Neben der Festlegung der qualitativen Ausprägung einer Altersgruppe sollten Kompetenzmodelle einen Aufschluss darüber geben, in welchen Kontexten, bei welchen Altersstufen und unter welchen Einflüssen sich die einzelnen Kompe-tenzbereiche entwickeln. (Klieme et al. 2007, 23) Dafür sind allerdings Model-le vonnöten, die sowohl spracherwerbstheoretische wie entwicklungspsy-chologische Befunde auf Basis empirischer Forschung liefern. Allerdings wurde dieser Bereich noch kaum systematisch angegangen (vgl. Vollmer 2010, 28).5

Ein weiterer Zusammenhang besteht zwischen den Kompetenz-modellen der Bildungsstandards und ihren Aufgaben. Die Aufgaben die-nen der empirischen Überprüfung, ob eine Schülerin oder ein Schüler das angestrebte Ergebnis oder Handlungspotenzial entwickelt hat (Klieme et al. 2007, 23), kurz gesagt, ob sie oder er das bestimmte Kompetenzniveau erreicht hat. Die Bearbeitung und Lösung von angemessenen niveauspezi-fischen Aufgaben erlaubt ein Urteil über die demonstrierte Performanz6 eines Testnehmenden und zugleich darüber, ob sich dieser auf einem be-stimmten Kompetenzniveau befindet bzw. auf welchem Niveau er sich konkret befindet. (Vollmer 2010, 39) Diese Zuordnung einer gezeigten Leis-tung auf ein bestimmtes Kompetenzniveau kann allerdings nur dann funk-

5 An dieser Stelle möchte ich auf die Kapitel 10 und 11 dieser Arbeit verweisen, in

denen versucht wird aus bereits bestehenden Ergebnissen der Schreibforschung und Schreibentwicklung für den Kompetenzbereich „Schreiben“ eine empirische Basis abzuleiten.

6 Performanz = sichtbare Ausformung der Kompetenz

18

tionieren, wenn die Aufgaben selbst niveauspezifisch (d.h. eindimensional) sind. Dementsprechend ist es Voraussetzung, dass sowohl die Bearbeitung als auch die Lösung genau auf jenes Können hinweisen, das durch das Kompetenzmodell als Anforderungsstufe ausgewiesen wurde (vgl. Voll-mer 2010, 39).

3.2 Kritik an Weinerts Kompetenzbegriff

An diesem Punkt sollen nun einige Kritikpunkte an der Weinert‘schen Kompetenzdefinition und die mit ihnen verbundenen Folgen angeführt werden.

Im Klieme-Gutachten finden sich ausgehend von der Weinert‘schen Kompetenzdefinition folgende Facetten, die je nach individueller Ausprä-gung eine Kompetenz ausmachen (vgl. Klieme et al. 2007, 72 f.):

• Fähigkeit • Wissen • Können • Verstehen • Handeln • Erfahrung • Motivation An dieser Auflistung ist in mehrerer Hinsicht Kritik geübt worden. Erstens scheint die begriffsgeschichtliche Tragweite und Problematik dieser Begrif-fe ausgeblendet zu sein, da hinter jedem eine eigene Philosophie und Ent-wicklungsgeschichte steckt. Die gewählte Zusammenstellung sei somit äußerst fragwürdig. (Koch 2010, 7) Die Auflistung der Begriffe weise auf ein „Ensemble der Problemlösefähigkeit“, welches allerdings psycholo-gisch unvollständig ist (vgl. Koch 2010, 7). Die Reduktion auf Problemlö-sefähigkeit führe zur Ausklammerung der Prozesse der Problemfindung und Problementdeckung. Problemlösen könne erst dann sinnvoll erschei-nen, wenn Schülerinnen und Schüler die Probleme zuvor entdeckt und sie als wichtig erachtet haben. Weiters wird kritisch hinterfragt, ob nicht im Zuge dieser Reduktion auch Zweifel, Skepsis, problematisierendes Denken und Kritik unter den Tisch fallen. (ebda., 8) Außerdem verweist Koch auf die psychologische Unvollständigkeit der Definition. Die Fantasie, obwohl diese an allen kreativen Lösungsprozessen beteiligt ist, sei aufgrund ihrer Nicht-Messbarkeit ausgeklammert worden. (ebda., 9)

Eine weitere Kritik vom deutschen Pädagogen Volker Ladenthin setzt bei der Aufnahme von Motivation als Lernziel in diese Auflistung an. Sei-ner Meinung nach wird in diesem Konzept eine völlig neue Theorie der Motivation präsentiert:

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• Motivation wandelt sich von einer Lernvoraussetzung zum Lernziel. • Motivation wird zu einem Zielbereich psychologischer Verhaltens-

modifikation. • Die Schülerinnen und Schüler sollen Motivation lernen. (Ladenthin

2010, 5)

Problematisch sieht Ladenthin einerseits, dass Motivation lernbar sein soll. SchülerInnen lernen dann nicht mehr aus Einsicht und sind deshalb auch motiviert, sondern die gelernte Motivation wird zur kausalen Ursache erhoben. Daraus würde sich ebenfalls eine Überprüfbarkeit der Motivation ergeben, die ja nun operationalisierbar ist und somit ein Erfolgskriterium darstellt. Außerdem kritisiert er, dass Motivation eine inhaltslose Kategorie als Lernziel habe: das Wollen.

Das Beeinflussen des Wollens ziele massiv auf das ab, was alle vorigen Bil-dungstheorien zu schützen versucht haben, nämlich den freien Willen und da-mit das Wollen des Selbst. (ebda., 6)

Ein weiteres großes Problem sieht Ladenthin in der Zerlegung von Kompe-tenzen in Teilkompetenzen. Man habe hier ein Konzept aus der Psycholo-gie übernommen, die Definition des Begriffes „Kompetenz“, ohne sich den Voraussetzungen wirklich bewusst zu sein. Die Idee hinter diesen psycho-logischen Richtungen sei eine Zerlegung menschlicher Handlung in Teil-handlungen, um diese so lernbar und messbar zu machen. Beispielsweise müsse man, um einen Text zu verstehen Buchstaben lesen können. Diese Zerteilung bringe zwar einen analytischen Vorteil, da man besser in der Lage ist Schwächen zu erkennen, die oft in Teilkompetenzen liegen. Aller-dings könne man von diesen Teilkompetenzen keine Synthese auf die Ge-samtkompetenz ableiten. Auch wenn jemand die Teilhandlungen be-herrscht, erfüllt er damit nicht automatisch die Kompetenz. Am Beispiel des Textverstehens erklärt er dies folgendermaßen: Wenn jemand in der Lage ist Buchstaben zu unterscheiden, Worte zu identifizieren und deren Bedeutung versteht, kann man noch lange nicht auf ein Textverständnis synthetisieren. Denn bereits beim Einordnen der Textsorte spielen kulturel-le Eigenheiten und Vereinbarungen eine Rolle, die sich nicht über die Be-herrschung der Teilkompetenzen erklären lassen (vgl. Ladenthin 2010, 7 f.).

Ladenthin übt Kritik an der starken Fokussierung auf quantitativ mes-sende Psychologie im Bildungssystem. Der Aufbau von Kompetenzen müsse ebenso durch kulturelle und inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Thema entstehen, wobei die Vermittlung dieser Inhalte nur durch pädagogisch und didaktisch ausgereifte Konzepte erreicht werden kann, deren Wertigkeit und Bedeutung im Zuge der Standardisierungen nicht verloren gehen dürfen (vgl. Ladenthin 2010, 9).

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3.3 Kompetenzmodell nach Ossner

Der deutsche Fachdidaktiker Jakob Ossner hat für den Deutschunterricht ein analytisches Kompetenzmodell entwickelt, welches versucht den An-forderungen der Standardisierung und des Kompetenzbegriffs von Weinert gerecht zu werden. Als Grundlage verwendet Ossner die vier Wissensarten der Pädagogischen Psychologie, die hier nun kurz angeführt werden sollen.

Es wird zwischen deklarativem Wissen, Problemlösewissen, prozeduralem Wissen und metakognitivem Wissen unterschieden. Deklaratives Wissen ist ein Wissen über Sachverhalte, Fakten oder Zahlen eines Gegenstandsbe-reichs und kann auch umgangssprachlich als Wissen bezeichnet werden (vgl. Ossner 2008, 32). Unter Problemlösewissen ist ein methodisches Wis-sen zu Erkenntnisgewinnung zu verstehen. Damit sind Strategien gemeint, die zur Bewältigung einer Problemsituation beitragen können. Umgangs-sprachlich wird Problemlösewissen als Können bezeichnet, denn derjenige, der dieses Wissen hat, kennt Wege zur Lösung eines Problems (Wie erar-beite ich einen schwierigen Text, …) (vgl. Ossner 2008, 32). Die nächste Kompetenzdimension ist das prozedurale Wissen, dem psychomotorische und kognitive Fertigkeiten zu Grunde liegen. Hier vollzieht sich der Über-gang vom Wissen zum Können. Prozedurales Wissen trägt dazu bei, dass jemand methodisch komplexe Aufgabenstellungen selbstständig lösen kann (vgl. Zeitlinger 2007, 115). Metakognitives Wissen beschreibt Wissen, das die Reflexion über das eigene Wissen und die eigenen Handlungen steuert. Es wird auch als Bewusstsein bezeichnet. Man unterscheidet dem-nach drei große Kompetenzdimensionen: Wissen – Können – und Bewusst-sein (vgl. Zeitlinger 2007, 115).

Im Fach Deutsch erscheint eine Gliederung in einzelne Arbeitsbereiche schwierig, da viele Bereiche miteinander in Verbindung stehen. Dieser Umstand wird besonders deutlich, wenn man versucht die Arbeitsbereiche in Kompetenzbereiche von Schülerinnen und Schülern zu fassen. Es be-steht ein großer Unterschied darin, ob eine zu erwerbende Kompetenz einer anderen untergeordnet ist oder nicht, ob sie andere umfasst oder nicht. Belege für das tatsächliche Zusammenwirken und den Aufbau einer Kompetenz lassen sich nur empirisch nachweisen, was bis zum heutigen Stand nicht befriedigend geschehen ist (vgl. Ossner 2008, 41). Aus diesem Grund kann lediglich ein analytisches Modell, wie es nun im Folgenden dargestellt wird, abgeleitet werden. Auch Ossner verweist an dieser Stelle (vgl. die Ausführungen von Ladenthin in Kapitel 3.2) auf die Gefahr der Zergliederung einer Kompetenz in Teilkompetenzen. Wenn man ohne empirische Befunde ein Modell nur analytisch ableiten kann, besteht das Risiko etwas auseinander zu nehmen, was eigentlich zusammengehört.

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Ossner gewinnt ein Grundmodell für sein Kompetenzmodell, indem die Inhaltsbereiche mit Hilfe der Wissensarten aus der Pädagogischen Psy-chologie hergeleitet werden. In allen Handlungsfeldern des Deutschunter-richts muss jede Wissensart erworben werden, jedoch haben diese in jedem Feld eine unterschiedliche Gewichtung. Das Handlungsfeld „Schreiben“ bildet hier eine Besonderheit, da es zwei Bereiche gibt, in denen das jewei-lige Ziel erreicht ist, wenn die zu erwerbenden Fähigkeiten genügend hoch prozeduralisiert sind. (Ossner 2008, 44) Gemeint sind hier das Motorische Schreiben (am Ende der 4. Klasse erreicht) und das Richtig Schreiben, die Orthografie, die am Ende der Sekundarstufe I automatisch ablaufen und nur noch in speziellen Fällen Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollte. (ebda., 44) Der Bereich „Schreiben“ wird deshalb in weitere Bereiche ausdifferen-ziert, woraus sich folgende Gliederung für die Arbeitsbereiche des Deutschunterrichts ergibt (vgl. ebda., 44).

Mündlichkeit unter media-

lem und konzeptio-

nellem Blick-winkel

Schriftlichkeit unter medialem und konzepti-onellem Blickwinkel

Thematisierung der Unterrichts-

sprache

Sprechen/ Zuhören

Schreiben Lesen und

Verstehen

Sprache themati-sieren Motorisches

Schreiben Richtig

schreiben Texte

schreiben

Darst. 1: Analytisches Modell der Arbeitsbereiche (Ossner 2008, 44) Dieses Modell der Arbeitsbereiche setzt Ossner nun wiederum mit den Wissensarten der Pädagogischen Psychologie in Verbindung und gelangt somit zu seinem Grundmodell für ein Kompetenzmodell in Matrixform.

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Darst. 2: Kompetenzmodell (Grundmodell) (Ossner 2008, 45)

Aus dieser Matrix ergibt sich ein Kompetenzrahmen bestehend aus 24 Feldern, die man als zu erwerbende Kompetenzen interpretieren kann. Zu beachten ist hier die unterschiedliche Gewichtung von Wissen, Können und Bewusstsein auf einer bestimmten Kompetenz. Beispielsweise ist pro-zedurales Wissen beim motorischen Schreiben hoch gewichtet, während Metakognition bei Sprache thematisieren einen hohen Stellenwert hat (vgl. Ossner 2008, 44 f.).

Das Grundmodell kann auf zwei Weisen um eine dreidimensionale Ebene erweitert werden. Erstens kann man die definierten 24 Felder auf Entwicklungsstufen beziehen (siehe Darst. 2). Es lässt sich aus dieser Er-weiterung nun ableiten, welche Kompetenz wann erworben wird (deskrip-tive Sicht) bzw. wann erworben werden sollte (normative Sicht). Bei der Annahme von drei Entwicklungsstufen erhält man nun 72 Punkte, die jeweils eine Kompetenz auf einer bestimmten Stufe beschreibt. Für die Definition und Gewinnung dieser Entwicklungsstufen bedarf es einer em-pirischen Untersuchung und Absicherung, was eine der Hauptaufgaben der gegenwärtigen Fachdidaktik darstellt (vgl. Ossner 2008, 45).

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Darst. 3: Kompetenzmodell mit Entwicklungsstufen (Ossner 2008, 46) Zweitens können an die Stelle der Entwicklungsstufen auf der Z-Achse Anforderungsniveaus definiert werden, die sich aus den Wissensarten und den Arbeitsbereichen ergeben. Das Modell ermöglicht somit das Stellen von kompetenzorientierten Aufgaben. Eine Frage, die nun gestellt werden kann, lautet beispielsweise am hervorgehobenen Punkt 4-2-2 (siehe Darst. 2): Welche Aufgabe des Anforderungsniveaus 2 überprüft das nötige Prob-lemlösungswissen bei Richtig schreiben (Ossner 2008, 47)?

Ossner betont, dass es sich bei diesem Kompetenzmodell um ein heuris-tisches Modell handelt, dessen Überprüfbarkeit erst empirisch geschehen muss. Es bringt allerdings den Nutzen, dass sich normative und empirische Aussagen aufeinander beziehen lassen, mit diesem Modell eine Systematik entsteht, in der vorhandene Fragen verortet werden können und diese Systematik auf Forschungsdesiderate hinweist. (Ossner 2006, 15)

Ausgehend von Ossners Kompetenzmodell haben Becker-Mrotzek/ Schindler eine Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung für den Bereich „Schreiben“ unternommen. Es werden Anforderungsbereiche des Schrei-bens mit den bereits erwähnten Wissensarten multipliziert, so dass aus dem Modell ersichtlich wird, welches Wissen bei welchem Anforderungs-

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bereich wie gebraucht wird. Im Folgenden wird nun dieses Schreibmodell näher erläutert werden, mit dem Ziel die österreichischen Bildungsstan-dards im Bereich „Schreiben“ diesem Kompetenzmodell zuordnen zu kön-nen bzw. über den Vergleich mit diesem Modell eine Aussage über deren theoretischen Aufbau machen zu können.

Becker-Mrotzek/Schindler verweisen vor Erläuterung zu ihrem Modell darauf, dass der Abstraktionsgrad des Modells erst nach empirischer Überprüfung festgelegt werden kann, d.h. erst wenn belegt worden ist, welche Kompetenzen unabhängig voneinander bestehen, kann der Abs-traktionsgrad eindeutig bestimmt werden. Der erste Schritt hierfür ist al-lerdings die Entwicklung eines theoretischen Modells für die einzelnen Domänen (vgl. Becker-Mrotzek/Schindler 2007, 12). Für den Bereich „Schreiben“ werden folgende inhaltliche Anforderungsbereiche ange-nommen: • Medien: Dienen dem Zwecke der Überdauerung, produzieren zerdehnte

Kommunikation, müssen auf irgendeine Weise medial gespeichert werden (motorisch per Hand, Tastaturschreiben, Diktat, Text-to-Speech-Programme, Gedächtnis, …)

• Orthografie: Beim schriftlichen Festhalten eines Textes wird ein Regel-werk von Schriftzeichen benötigt.

• Lexik: Textproduktion verlangt zwingend die Verwendung des Lexi-kons.

• Syntax: Textproduktion verlangt zwingend die Verwendung von Syn-tax. Allerdings ist dies nicht nur auf das Schreiben beschränkt, sondern gilt auch für den mündlichen Bereich, ebenso die Lexik. Syntax und Le-xik werden deshalb zu Sprachproduktion i.e.S. zusammenfasst.

• Textmuster: Textproduktion verlangt die Herstellung einer musterhaften Textstruktur (Layout, Überschriften, Absatzbildung, Kohäsion und Ko-härenz).

• Leserorientierung: Wird aus theoretischen und systematischen Gründen kein eigener Anforderungsbereich zugeordnet, da sie in den anderen Bereichen verortet ist. Aus analytischen Gründen wird sie jedoch im Modell dargestellt, weil sie eine zentrale Anforderung der schriftlichen Kommunikation ausmacht (Orientierung an einem absenten Adressa-ten). Ferner können in der Darstellung Wiederholungen in den anderen Bereichen vermieden werden. (Becker-Mrotzek/Schindler 2007, 12 f.)

Die vier Wissenstypen werden nun auf die Anforderungsbereiche übertra-gen, so dass man erkennen kann, welcher Wissenstyp im einzelnen Anfor-derungsbereich erforderlich ist.7 Im Bereich Problemlöse-Wissen ist ein

7 An dieser Stelle wird nun lediglich ein grober Überblick erfolgen, für eine detaillierte

Auflistung der einzelnen Wissensbereiche siehe: Becker-Mrotzek, Michael/Schindler, Kirsten (2007), „Schreibkompetenz modellieren“, in: Becker-Mrotzek, Michael/

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Wissen über Methoden zur Erkenntnisgewinnung zu verstehen, worunter in Bezug auf Schreiben alle Verfahren zählen, die der systematischen Her-stellung eines Textes dienen. Den automatischen Ablauf dieser Verfahren liefert das Prozedurale Wissen, während zum Metakognitiven Wissen alle Prozesse gehören, die den Schreibprozess sowie den Text in seinen unter-schiedlichen Aspekten zum Gegenstand der eigenen Kognition machen (vgl. ebda., 14 f.).

Darst. 4: Kompetenzmodell Schreiben (Becker-Mrotzek/Schindler 2007, 24)

Zu klären wäre nun, wodurch das Anforderungsniveau einer Schreibauf-gabe bestimmt ist, d.h. wann erfordert sie beispielsweise nur eine geringe bzw. hohe Kompetenz. Dies kann allerdings nur unter Einbezug der Schreibentwicklung festgelegt werden. Becker-Mrotzek/Schindler stellen in Bezug auf Schreibentwicklung die These auf, dass das Anforderungsni-veau im Wesentlichen eine Funktion des von der Schreibaufgabe gefor-derten Textmusters ist. Grundannahmen für diese These sind Belege, dass beispielsweise die Textart „Erzählen“ in der Regel früher beherrscht wird als die Instruktion oder Argumentation (vgl. ebda., 16). Die Folgerung dieser These beinhaltet, dass das Anforderungsniveau umso höher ist, je stärker das eigene Wissen für die Bewältigung der Schreibaufgabe um-strukturiert werden muss. Auf oben genanntes Beispiel übertragen hieße das, dass es für eine Erzählung ausreichend ist unmittelbares Wissen wie-derzugeben, während man für eine Argumentation das Wissen um-strukturieren muss. Darüber hinaus liegt die Anforderung einer Argumen-

Schindler, Kirsten (Hrsg.), Texte schreiben, Köln: Gilles & Francke, 7-26 (= Kölner Bei-träge zur Sprachdidaktik Reihe A 5).

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tation darin, dass diese Textsorte einen Sachverhalt konstituiert, d.h. ohne einen argumentativen Text gibt es keine Argumentation (vgl. Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 74). Im Gegensatz dazu beziehen sich andere Textsorten wie „Erzählung“, „Bericht“ oder „Beschreibung“ auf einen real existierenden Sachverhalt, an dem sich der/die SchreiberIn orientieren kann (vgl. ebd., 74). Der/die SchreiberIn muss also für eine Argumentation einen neuen Gegenstand konstruieren, während dieser bei anderen Text-sorten bereits vorhanden ist und als Ausgangspunkt für den Schreibvor-gang dienen kann.

Die These zum Schwierigkeitsgrad von Aufgaben gilt für die Bereiche Lexik, Syntax und Textmuster (Motorik und Medium bleiben unberührt). (Becker-Mrotzek/Schindler, 16) Schreibkompetenz wird demzufolge defi-niert als das Produkt aus Anforderungsniveau der Schreibaufgabe und der Sum-me des anforderungsbezogenen Wissens. (Becker-Mrotzek/Schindler, 16)

Ein/e SchreiberIn verfügt also über ein domänenspezifisches Wissen im Sinne der vier Wissenstypen (= Fachwissen im Bereich Lexik …, bestimm-tes methodisches und prozedurales Wissen, bestimmtes metakognitives und strategisches Wissen). Dieses Wissen kann in verschiedenen Bereichen unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

Aus der Summe dieser einzelnen Wissenskomponenten ergibt sich der indivi-duelle Faktor der Schreibkompetenz. Am Produkt mit der Anforderungshöhe der Aufgaben kann nun die sichtbare Schreibkompetenz abgelesen werden. (eb-da., 17)

Offen bleibt erstens die Frage, wie der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe konkret zu bestimmen und zu messen ist. Zweitens muss empirisch geklärt werden, welches Gewicht die einzelnen Komponenten des Schreibwissens und die verschiedenen Anforderungsbereiche bei der Berechnung der Schreibkompetenz haben und drittens müssen Ergebnisse der Schreibent-wicklungsforschung zur Beantwortung dieser Fragen und zur Ermittlung der einzelnen Teilkompetenzen miteinbezogen werden (vgl. ebda., 17).

Im folgenden Kapitel soll nun der Bildungsstandard „Schreiben“ erläu-tert und mit dem Modell von Becker-Mrotzek/Schindler in Verbindung gesetzt werden. Der Bereich Schreibentwicklung nimmt ein eigenes Kapitel ein, wobei auch hier wiederum Bezug auf das eben beschriebene Modell genommen werden soll.

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4 Bildungsstandards im UF Deutsch

Das in Darstellung 5 abgebildete Modell beschreibt die durch das Bil-dungsministerium festgelegten Bildungsstandards im Unterrichtsfach Deutsch für die 8. Schulstufe. Aus diesem Modell lässt sich die Aufteilung in vier Kompetenzbereiche (Zuhören/Sprechen, Lesen, Schreiben, Sprach-bewusstsein) ablesen, die miteinander verknüpft sind. Eine Besonderheit nimmt in diesem Modell die Kompetenz „Sprachbewusstsein“ ein, die einen integrierten Bestandteil in alle anderen Bereiche darstellt. Bei näherer Betrachtung des Bereichs „Sprachbewusstsein“ fällt allerdings auf, dass die Komponenten nicht ganz eindeutig sind. Sprachbewusstsein bedeutet ei-nen Einblick in das regelhafte System der Sprache zu besitzen und die Aufmerksamkeit vom Inhalt auf die sprachliche Erscheinung zu richten (vgl. Andersen/Funke 2003, 439). Es wird hier allerdings der Wortschatz dazugerechnet, dessen Ausbildung und Anwendung eher ein inhaltliches Kriterium eines Texts darstellt und weniger etwas mit der Struktur der Sprache zu tun hat.

Die einzelnen Teildimensionen werden weiter aufgegliedert, so dass sich 14 einzelne Standards ableiten lassen. Diese Standards wurden auf-grund des vorliegenden Kompetenzmodells, den Kernbereichen des Deutschunterrichts und des Lehrplans (Sprache als Trägerin von Sachin-formationen, Sprache als Grundlage von Beziehungen, Sprache als Gestal-tungsmittel, Sprachbetrachtung und Rechtschreibung) entwickelt (vgl. Bildungsstandards. Schulentwicklung [Stand 12.02.2011]). Eine genaue Auflistung aller Standards kann auf der Homepage des BIFIE nachgelesen werden. Für diese Arbeit ist lediglich der Bereich des Schreibens relevant, der im nachfolgenden Punkt genauer behandelt wird.

Eine weitere Sonderstellung nehmen die Dynamischen Fähigkeiten ein. Darunter fallen Methoden-Kompetenz, Sozial-Kompetenz, Kommunikati-ons- und Teamfähigkeit usw., die wichtig für die Bewältigung einer Auf-gabe sind, allerdings nicht getestet werden (vgl, ebda.). Nach dem Kompe-tenzbegriff von Weinert könnte man hier den Bereich der volitionalen Hal-tungen und Handlungen sowie gewisse Schlüsselkompetenzen verbuchen. Dass dieser Bereich schwer fassbar ist, wurde bereits erläutert, ebenso die Tatsache, dass sich Schlüsselkompetenzen über die Fachkompetenzen her-ausbilden sollen und somit ebenfalls nicht überprüfbar sind. Beer (2006) betrachtet diesen Umstand allerdings durchaus kritisch. Der österreichi-sche Lehrplan stellt die hier beschriebenen dynamischen Kompetenzen als gleichwertig den fachlichen Kompetenzen gegenüber. Da diese auch in die Kompetenzmodelle der Standards miteinbezogen wurden, müssen sie sich auch in den Aufgaben und Tests der Standards widerspiegeln, um eine

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Wertung der Fachlichkeit gegenüber den fachübergreifenden Qualifikatio-nen zu vermeiden (vgl. Beer 2006, 104).

Vergleicht man das entwickelte Kompetenzmodell für das UF Deutsch mit dem Kompetenzmodell von Ossner, so lassen sich die einzelnen Kom-petenzbereiche inhaltlich den Anforderungsbereichen im Ossner‘schen Modell zuordnen bzw. es finden sich wesentliche Übereinstimmungen. Auffallend ist jedoch, dass sich aus diesem Modell erstens keine Niveau-stufen ableiten lassen und zweitens die Wissensdimensionen außer Acht gelassen werden. Daraus ergibt sich eine Problematik für die Messbarkeit einzelner Kompetenzbereiche sowie für eine Verortung von Entwicklungs-stufen auf einem bestimmten Anforderungsbereich. Kurz gesagt fehlt die dritte Dimension, in der sich im Ossner‘ schen Modell Entwicklungsstufen und Anforderungsstufen ableiten lassen. Das vorliegende Modell be-schreibt zwar inhaltlich einzelne Dimensionen, bildet also eine qualitative Unterscheidung einer Kompetenz ab, beinhaltet jedoch keine Ableitung von Niveaustufen. Ein Problem kann hier dadurch entstehen, dass die Festlegung von Niveaustufen allein den Aufgaben überlassen bleibt (vgl. Zeitlinger 2007, 115).

Darst. 5: Kompetenzmodell für das Unterrichtsfach Deutsch8

8 URL: http://www.bifie.at/buch/1056/3/1/1 [Stand: 20.05.2011].

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4.1 Bildungsstandards für den Kompetenzbereich „Schreiben“

Für den Kompetenzbereich „Schreiben“ wurde ein Basiskriterienkatalog erstellt. Unter der grundlegenden Kompetenz des Schreibens wird ver-standen, unterschiedliche Texte formal und inhaltlich richtig zu verfassen, Gehörtes, Gelesenes und Erfahrenes schriftlich umzusetzen sowie elektro-nische Medien zu nutzen (vgl. http://www.bifie.at/sites/default/files/ bist-d8-kompetenzbereiche.pdf). Der Basiskriterienkatalog gliedert sich in die Teildimensionen „Texte planen“, „Texte verfassen“ und „Texte über-arbeiten“, wobei für diese Dimensionen wieder einzelne Kompetenzen abgeleitet werden.9 Diesen Teildimensionen liegt theoretisch das Schreib-prozessmodell von Hayes und Flower (1980) zu Grunde, welches den Schreibprozess als ein Zusammenspiel von „Planen“, „Formulieren“ und „Überarbeiten“ betrachtet. Eine genauere Beschreibung des Modells und die Überprüfung, ob dieses in den Aufgaben des Bildungsstandards „Schreiben“ Beachtung findet, werden zu einem späteren Zeitpunkt dieser Arbeit erfolgen.

Kompetenzen = Deskriptoren

Texte planen 28. Schüler/innen können Methoden der Stoffsammlung (z.B. Mindmap, Cluster) anwenden 29. Schüler/innen können die Textstruktur in Hinblick auf Text-sorte und Schreibhaltung festlegen 30. Schüler/innen können ihren sprachlichen Ausdruck an Schreibhaltung und Textsorte anpassen 31. Schüler/innen berücksichtigen Textadressaten und Schreibsi-tuation

Texte verfas-sen

32. Schüler/innen können beim Schreiben eigener Texte die grundlegenden Mittel des Erzählens (Orientierung, Konfliktauf-bau, Konfliktlösung) anwenden 33. Schüler/innen können Sachverhalte und Inhalte nach-vollziehbar, logisch richtig und zusammenhängend formulieren 34. Schüler/innen können altersgemäße und für ein Thema rele-vante Argumente und Gegenargumente formulieren und sie sprachlich verknüpfen bzw. gegenüberstellen 35. Schüler/innen können formalisierte lineare Texte/nicht-lineare Texte verfassen (z.B. Lebenslauf, Bewerbungsschreiben, Formulare ausfüllen) 36. Schüler/innen können unter Einhaltung wesentlicher Kom-munikationsregeln an einer altersgemäßen medialen Kommuni-kation teilnehmen (z. B. E-Mail, Leserbrief, ...)

9 Der Basiskriterienkatalog für den Bildungsstandard „Sprachbewusstsein“ als integra-

tiver Bestandteil des Bildungsstandards „Schreiben“ befindet sich im Anhang.

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37. Schüler/innen können das Schreiben als Hilfsmittel für ihr eigenes Lernen einsetzen (Zusammenfassung, Stichwortzettel, ...)

Texte überar-beiten

38. Schüler/innen können fremde und eigene Texte nach vorge-gebenen Kriterien inhaltlich optimieren 39. Schüler/innen können fremde und eigene Texte nach vorge-gebenen Kriterien sprachlich und orthografisch optimieren 40. Schüler/innen können fremde und eigene Texte im Hinblick auf Erfordernisse der Textsorte optimieren

Darst. 6: Kompetenzbereich Schreiben10

Vergleicht man den Basiskriterienkatalog mit dem Kompetenzmodell von Becker-Mrotzek/Schindler fällt zunächst einmal auf, dass man die Stan-dards von Sprachbetrachtung und Schreiben gemeinsam betrachten muss, um grundsätzliche Funktionen des Schreibens wie Orthografie, Lexik und Syntax verorten zu können. Denn wie bereits erwähnt, ist in den österrei-chischen Bildungsstandards „Sprachbewusstsein“ integrativer Bestandteil aller Kompetenzen. Die Teilkompetenz „Texte planen“ wird im Modell nach Becker-Mrotzek/Schindler auf das Problemlösewissen im Bereich Textmuster und Leseorientierung bezogen. Die Teilhandlung des „Texte Verfassens“ liegt im Bereich des Wissens und der Anwendung von Text-mustern, während „Texte überarbeiten“ metakognitives Wissen fordert (vgl. Becker-Mrotzek/Schindler 2007, 20). Es bleibt somit festzuhalten, dass sich die Standards für den Bereich „Schreiben“ dem Anforderungsmodell von Becker-Mrotzek/Schindler zuordnen lassen. Eine analytische Ablei-tung, wie sie bei den Modellen von Ossner oder Becker-Mrotzek/Schindler möglich ist, um festzustellen auf welcher Kompetenz Stärken oder Schwä-chen von Schülerinnen und Schülern liegen, welches Anforderungsniveau vorliegt bzw. auf welchem Entwicklungsniveau sich Schülerinnen und Schüler befinden, ist jedoch kaum möglich. Die Standards stellen eine normative Anforderungsauflistung von Fähigkeiten dar, bei denen eine Zuordnungsmöglichkeit von empirischen Befunden (deren Erarbeitung in vielen Bereichen noch aussteht) erschwert oder nicht möglich ist.

Allerdings wurde auf Basis der Baseline-Testung von 2009 der Bereich „Schreiben“ überarbeitet, erweitert und spezifische Kriterienkataloge für bestimmte Textsorten mit entsprechenden Niveaustufen abgeleitet. Im nächsten Punkt sollen diese nun näher beschrieben werden.

10 URL: http://www.bifie.at/sites/default/files/bist-d8-kompetenzbereiche.pdf

[Stand: 22.01.2011].

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4.2 Ableitung spezifischer Kriterienkataloge und Niveaustufen

Die im Folgenden angeführten Informationen zum Bildungsstandard „Schreiben“ sind dem Praxishandbuch für „Deutsch“ 5.-8. Schulstufe ent-nommen, welches im Auftrag des Bildungsministeriums in Unterstützung des BIFIE erarbeitet wurde. Dieses Handbuch beinhaltet vor allem Infor-mationen zu den Kriterienkatalogen im Bereich „Schreiben“, gibt Informa-tionen zu kriteriengeleitetem Bewerten und enthält ein Kapitel zu kompe-tenzorientierten Aufgaben im Deutschunterricht. Der Bereich der Aufga-ben wird in dieser Arbeit erst zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden. Bereits in der Einleitung wird vermerkt, dass sich die Angaben nicht auf die Beurteilung von Texten beschränken können, weshalb ein zweiter Band veröffentlicht werden soll, der weitere Impulse zum Kompe-tenzbereich „Schreiben“ enthalten wird (vgl. Habringer et al. 2010, 4). Für die vorliegende Arbeit heißt dies, dass sich die Analyse und Bearbeitung nur auf die Informationen beschränken kann, die zum jetzigen Zeitpunkt veröffentlicht und somit zugänglich sind. Es ist hier durchaus positiv zu vermerken, dass sich im Bereich des kompetenzorientierten Schreibens eine Weiterentwicklung vollzogen hat und die Wichtigkeit der Auseinan-dersetzung und Erweiterung dieses Bereichs erkannt wurde.

Für den Bereich „Schreiben“ bzw. für die Beurteilung und Einordnung der Qualität von Schreibaufgaben wird ein Kriterienkatalog eingesetzt. Etwas undurchsichtig erweist sich die Begriffsklärung von Basiskriterien-katalog und aufgabenspezifischem Kriterienkatalog, zwischen denen die Entwickler der Schreibaufgaben unterscheiden. Unter Basiskriterienkatalog wird eine modellhafte Darstellung von Kompetenzen verstanden und da-bei auf die Auflistung der Standards 32-37 (vgl. in dieser Arbeit Darst. 6) verwiesen. (Habringer/Staud/Taubinger 2010, 13) Ein aufgabenspezi-fischer Kriterienkatalog ergibt sich aus der Anforderung einer einzelnen Aufgabe, für die die Basiskataloge individuell adaptiert werden müssen (vgl. ebda., 13). Es werden nun einige Basiskataloge (zu den sog. „Schreib-haltungen“ Erzählen, Argumentieren, Informieren, Berichten) vorgestellt. Verwirrend ist an dieser Begriffsbildung, dass sich Basiskataloge (zum Erzählen, Argumentieren, Informieren, Berichten) aus einem Basiskatalog ableiten. Diese seien wiederum so allgemein gehalten, dass beispielsweise ein Basiskriterienkatalog zum Erzählen an jede Aufgabenstellung ange-passt werden kann, in der es um das Erzählen geht (vgl. ebda., 14). Tref-fender wäre wohl eine Unterscheidung in Basiskatalog – spezifischer Krite-rienkatalog – aufgabenspezifischer Kriterienkatalog, wobei letzterer durch die allgemeine Gültigkeit der spezifischen Kriterienkataloge relativiert wird.

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Die Kriterien, die in diesen Basiskatalogen angeführt sind, lehnen sich an die LBVO11 an, beziehen aber auch Fachdidaktik und Fachwissenschaft mit ein (vgl. Taubinger 2010, 9). Es werden folgende Kriterien aufgelistet (Habringer/Staud/Taubinger 2010, 13): 1. der Inhalt 2. die Gliederung 3. der Ausdruck 4. die Syntax 5. die Sprachrichtigkeit 6. die Rechtschreibung Alle diese Kriterien weisen vier Kompetenzniveaus auf: • Stufe 0: wenig bis nicht erfüllt • Stufe 1: teilweise erfüllt • Stufe 2: erfüllt • Stufe 3: übertroffen Die Auswahl von vier Kompetenzniveaus wird damit begründet, dass so eine Tendenz zur ausweichenden Mitte (wie bei der Notenskala Sehr gut bis Nicht genügend) vermieden wird und außerdem der Ausgangspunkt für eine detaillierte Rückmeldung für einzelne Kriterien als Basis für eine Textüberarbeitung möglich wird. (ebda., 13)12

4.3 „Schreibhaltungen“

Im folgenden Punkt soll der Begriff der „Schreibhaltung“ hinterfragt wer-den. Vorab sei dazu vermerkt, dass eine Definition des Begriffs sich als äußerst schwierig erweist. In der veröffentlichten Literatur der Bildungs-standards und im Lehrplan für die AHS wird „Schreibhaltung“ ohne eine Klärung oder Definition bzw. einen theoretischen Bezugspunkt verwendet. Im Praxishandbuch „Deutsch für die 5.-8. Schulstufe“ erstellen die Autoren Kriterienkataloge für die „gängigen Schreibhaltungen der Sekundarstufe I“. (Praxishandbuch, 5) Anhand der Kriterienkataloge wird ersichtlich, dass die Autoren zwischen den „Schreibhaltungen“ Erzählen, Argumentieren, Berichten und Informieren unterscheiden.

Es stellt sich hier die Frage, auf welcher theoretischen Basis der Begriff der „Schreibhaltung“ gewonnen wurde, da in der Fachliteratur in Bezug

11 Leistungsbeurteilungsverordnung, BGBI, Nr. 371/1974, zuletzt geändert durch BGBI,

II Nr. 35/1997, URL: http://www.bmukk.gv.at/schulen/ recht/gvc/lb_vo.xml#14 [Stand: 20.01.2011].

12 Die Kriterienkataloge zur „Schreibhaltung“ Argumentieren und zur „Schreibhal-tung“ Erzählen befinden sich im Anhang.

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auf „Erzählen, Argumentieren, Beschreiben“ von Schreibhandlungen die Rede ist. Der Unterschied zwischen Haltung und Handlung liegt auf der Hand: Eine Handlung umfasst eine zielgerichtete und in eine bestimmte Richtung motivierte Aktivität, während eine Haltung eine zielgerichtete Einstellung oder Gesinnung bezeichnet.13

Möglicher Orientierungspunkt für die Verwendung dieses Begriffs könnten die österreichischen Lehrpläne der AHS Unterstufe und Oberstufe sein. Im Unterstufenlehrplan taucht die Formulierung gar nicht auf, son-dern erst im Lehrplan der AHS-Oberstufe. Dort findet sich der Begriff der „Schreibhaltung“ im Zusammenhang mit Schriftlicher Kompetenz und ent-hält folgenden Inhalt: Schreibhaltungen und Textsorten:14

• Textsorten aus dem privaten, öffentlichen, journalistischen Leben verfassen

• verschiedene Schreibhaltungen entwickeln Welche „Schreibhaltungen“ genau gemeint sind bzw. was „Schreibhaltun-gen“ überhaupt sind, wird allerdings auch hier nicht erläutert. Es ist aber anzunehmen, dass sich die Autoren der Bildungsstandards „Schreiben“ am Lehrplan orientiert haben. Offen bleibt, warum Bildungsstandards der 8. Schulstufe (also Unterstufe) mit einem Begriff operieren, der erst für den Oberstufenunterricht vorgesehen ist.

Nach weiteren Recherchen konnte ein theoretischer Bezugspunkt zu den Schreibhaltungen gefunden werden, nämlich das Schreibentwick-lungsmodell von Carl Bereiter (1980). Das Modell wird in seinen Inhalten zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Arbeit genauer behandelt werden, interessant ist an dieser Stelle nur die Verwendung des Begriffs „Schreib-haltung“:

Auf der Homepage für Didaktik Deutsch der Universität Bamberg fin-det sich folgende Einteilung:15

13 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Haltung und http://de.wikipedia.org/wiki/

Handeln [Stand: 17.05.2011]. 14 Entnommen: http://www.oepu-noe.at/recht/lp/index.htm [Stand: 22.03.2011]. 15 URL: http://www.uni-bamberg.de/germ-didaktik/leistungen/transfer/online-

seminare/schreib-web/schreibhaltungen/ [Stand: 04.05.2011].

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Schreibhaltungen (nach Bereiter, 1980) Carl Bereiter (USA) entwarf eine Folge von Schreibhaltungen mit ansteigender Kom-plexität: • assoziatives Schreiben • formbezogenes („performativ“) Schreiben • kommunikatives (Text und Leser) Schreiben • verbindendes Schreiben • wissengewinnendes („epistemic“) Schreiben

Hier sind „Schreibhaltungen“ nicht im Sinne der in den Bildungsstandards verwendeten „Schreibhaltungen“ gebraucht. Schreibhaltungen beziehen sich hier auf die Phasen der Schreibentwicklung, genauer auf die Ausdiffe-renzierung der Schreibkompetenz im Laufe der Schreibentwicklung. Der/die SchreiberIn hat je nach Entwicklungsdimension eine bestimmte „Haltung“ des Schreibens, die die Textproduktion dominiert. Beim assozia-tiven Schreiben (der ersten Stufe der Schreibentwicklung) steht beispiels-weise das ICH noch im Vordergrund, es wird alles so aufgeschrieben wie es dem/der SchreiberIn in den Sinn kommt. Dabei ist der Text noch wenig kohärent, die Struktur wird durch eine „what-next“ Strategie geschaffen (vgl. Fix 2008, 52). Eigentlich ist auch hier der Begriff der Haltung im her-kömmlichen Sinn nicht ganz passend, denn die SchreiberInnen haben kei-ne bewusste Einstellung dazu, wie sie ihren Text verfassen bzw. sie können auch nicht aus verschiedenen Möglichkeiten eine Haltung auswählen und diese dann einnehmen. Viel eher befinden sie sich aufgrund ihrer Entwick-lung in einem bestimmten Schreibmodus, der das Schreiben und somit auch das Produkt, also den Text, dominiert.

Es wird daraus jedenfalls deutlich, dass der Begriff der „Schreib-haltung“ in den Bildungsstandards nicht mit dem der Schreibentwicklung gleichzusetzen ist. Argumentieren, Erzählen, Berichten und Beschreiben ent-sprechen nicht der Definition von „Haltung“, sondern fordern vom Schrei-benden ein problemlösendes Handeln, welches sich an den konventionellen Vorgaben der verschiedenen Textmuster orientiert. Die Verwendung des Begriffs „Schreibhaltung“ bleibt demnach weiter ungeklärt. Ein Indiz da-für, dass Argumentieren, Erzählen, Berichten und Beschreiben auch in den Bildungsstandards im Sinne einer Schreibhandlung verstanden werden, ist, dass dieselben Autoren in Veröffentlichungen zur standardisierten Zentral-matura von Schreibhandlung und nicht von „Schreibhaltung“ sprechen (sie-he dazu Habringer/Staud/Taubinger 2010, 20).16 Genannt wird der Begriff im Zusammenhang mit Aufgabenformulierungen, die im Zuge der Kom-petenzorientierung Operatoren (= Arbeitsanweisungen) angeben sollen. Aufgabenstellungen sollen sich dahingehend ändern, dass sie möglichst

16 URL: http://www.bifie.at/sites/default/files/srp/infoveranstaltung_ahs__d_

staud-taubinger-bifie.pdf [Stand: 04.05.2011].

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wenig Fragen beinhalten, sondern eben eine Arbeitsanweisung, also einen Handlungsauftrag, angeben. Beispiele für Operatoren wären begründen, beschreiben, argumentieren, interpretieren, vergleichen und Ähnliches. Dadurch wird im besten Fall erreicht, dass die einheitliche Gestaltung der Aufgaben einerseits zu einem fairen Vergleich der Schülerleistungen führt und ande-rerseits die Schülerinnen und Schüler eine klare Vorgabe haben, an der sie sich orientieren können. Im Bereich „Schreiben“ führt die Auseinanderset-zung mit den Operatoren wieder zurück zur Schreibhandlung bzw. zur literalen Handlung wie z.B. dem Argumentieren. Wie ist nun eine solche literale Handlung aufgebaut, welche Faktoren spielen hier eine Rolle und wie kann sie didaktisch vermittelt werden?

In der Schreibdidaktik standen sich bislang Schreibprodukt und Schreibprozess kontrastiv gegenüber. Die Tradition der Aufsatzdidaktik orientierte sich stark am Textprodukt und dabei an festen Textsorten. Die neuere Schreibdidaktik setzt ihren Fokus auf den Schreibprozess, in dem zur Ausbildung von Schreibkompetenz Planen und Überarbeiten eine gro-ße Rolle spielen (vgl. Feilke 2010, 8). Auch die Bildungsstandards orientie-ren sich an dieser Didaktik und weisen Planen und Überarbeiten als eigene Standards und Kompetenzen aus. Die neueste schreibdidaktische For-schung weist aber darauf hin, dass zwischen Produkt und Prozess ein drit-ter Aspekt zu suchen ist, der eine bedeutende Rolle in der literalen Kompe-tenz einnimmt. Es handelt sich hierbei um literale Prozeduren. Darunter sind sprachliche Werkzeuge der Textbildung zu verstehen, die im Übergangs-feld von grammatischer und textueller Struktur liegen (vgl. Feilke 2010, 10).

Anhand folgender Grafik soll nun die Funktion der literalen Pro-zeduren innerhalb einer sprachlichen Handlung verdeutlicht werden, um anschließend einen Bezug zur Didaktik und die Relevanz für die Aufgaben der Bildungsstandards zu verdeutlichen.

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Darst. 7: Literales Handeln (Dorner/Schmölzer-Eibinger 2011) Für die Bildungsstandards „Schreiben“ ist der schriftliche Bereich (in Ab-grenzung zum mündlichen) einer literalen Handlung relevant. In Bezug auf die Bildungsstandards wären die literalen Handlungen Argumentieren, Erzählen, Berichten oder Beschreiben. Jede literale Handlung, jeder Gebrauch von Sprache steht in einem kulturspezifischen oder sozialen Zusammen-hang, der eine bestimmte Verwendung von Sprache (meist einen analyti-schen Sprachgebrauch) fordert. Die sprachliche Handlung ist also in ein literales Umfeld eingebettet, in der dargestellten Grafik wird dieses Umfeld als Literale Praxis bezeichnet (vgl. Dorner/Schmölzer-Eibinger 2011). Eine literale Praktik stellen für die Bildungsstandards die literale Institution Schule sowie das Bildungsministerium für Kunst und Kultur dar.

Die Literalen Prozeduren sind routinisierte Teilhandlungen oder Hand-lungskomponenten, die eine literale Handlung konstituieren. Das bedeutet, dass eine literale Handlung, wie etwa das Argumentieren, aus bestimmten einzelnen Komponenten zusammensetzt ist und sich erst in ihrem Zusam-menspiel der kohärente Text ausbildet, der darüber hinaus die Funktion der literalen Handlung erfüllt. Im Falle der literalen Handlung Argumentie-ren wären diese Teilhandlungen etwa den Sachverhalt darstellen, Argumente begründen, Gegenargumente anführen oder Argumente abwägen. (Dorner/ Schmölzer-Eibinger 2011) Diese literalen Prozeduren werden sprachlich über Routineausdrücke konstituiert, die als prototypische, musterhafte sprachliche Elemente zu verstehen sind und ebenfalls zur Textbildung beitragen (Beispiel für argumentative Routineausdrücke: zwar – aber; ei-nerseits – andererseits). Dies soll kurz am Beispiel der Verwendung von „zwar – aber“ erläutert werden. Beim Argumentieren bestätigt der/die SchreiberIn teilweise mit dem Ausdruck „zwar“ die Meinung des Gegen

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arguments, um sie allerdings durch die sprachliche Konstruktion mit „aber“ wieder zu entkräften und so die eigene Position hervorzuheben. Der Text oder die Textstruktur wird hier durch die Verwendung von ar-gumentativen Prozeduren bzw. eines sprachlichen Routineausdrucks ge-bildet (vgl. Feilke 2010, 11).

Das Modell einer prozedurenorientierten Didaktik von Dorner/ Schmölzer-Eibinger basiert auf der Annahme, dass eben diese literalen Prozeduren „lehr- und lernbar“ (Feilke 2010) sind. Dabei sind sie als Sche-ma verfügbar, können wiederholt gebraucht und immer wieder anders gefüllt werden. (Schmölzer-Eibinger i.V.) Dieses Modell soll hier nicht in den Einzelheiten erläutert werden. Interessant ist für den Kontext dieser Arbeit die Tatsache, dass literale Prozeduren durch Routineausdrücke vermittelt und den Lernenden bewusst gemacht werden können, um so eine literale Handlung kompetent umsetzen zu können. Es wird dabei von der Annahme ausgegangen, dass bestimmte Routineausdrücke „automa-tisch“ eine literale Prozedur hervorrufen. Wenn der Ausdruck „einerseits“ verwendet wird, muss in Folge auch „andererseits“ in den Text eingebaut werden, wodurch ein kohärenter, textsortenadäquater Text gebildet wird. Dieses Vorgehen funktioniert bei einer Vielzahl von Routineausdrücken: „wenn – dann“, „zwar – aber“, „sowohl – als auch“, usw. (Dorner/ Schmölzer-Eibinger 2011; vgl. auch Feilke 2010, 11).

Um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Die Angabe von Operatoren in den Aufgabenstellungen der Bildungsstandards scheint nach diesen Ausführungen durchaus sinnvoll zu sein. Wenn es mit Hilfe didaktischer Modelle gelingt literale Prozeduren als bewusste Teilkompo-nenten einer literalen Handlung zu vermitteln, haben die Operatoren eine hilfreiche Signalwirkung und können eine Orientierung für den Schreib-prozess darstellen. So würde beispielsweise den SchreiberInnen bei der Angabe des Operators „die eigene Meinung begründen“ eine Zahl von Prozeduren und Routineausdrücken zur Verfügung stehen und dadurch das Ausbilden einer Textstruktur erleichtert werden.

4.4 Beurteilung von Schreibaufgaben

Die Beurteilung und Bewertung von Schreibaufgaben stellt seit jeher ein großes Problem dar. Dies kommt daher, dass Schreibaufgaben einerseits keine eindeutige Lösung fordern, die im Sinne von richtig oder falsch beur-teilt werden kann wie dies beispielsweise im naturwissenschaftlichen Be-reich möglich ist. Andererseits verlangt eine Schreibaufgabe eine Reihe verschiedener Kompetenzen, deren trennscharfe Beurteilung eine große Herausforderung darstellt (vgl. Taubinger 2011, 6). Die Autoren der Bil-dungsstandards „Schreiben“ haben sich deshalb für ein kriteriengeleitetes Bewertungsverfahren entschieden, welches Chancen für eine objektivere

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Beurteilung bietet. Durch die Orientierung an kriterialen Normen wird angestrebt, dass der Vergleichsstandard nicht länger an der individuellen oder sozialen Norm gemessen wird, sondern in der Sache selbst liegt (vgl. Steinhoff 2010, 257 f.).

An dieser Stelle möchte ich eine Weiterentwicklung bzw. Spezifizierung des kriteriengeleiteten Bewertens anführen, nämlich die differenzierte Schü-lertextbeurteilung nach Torsten Steinhoff. Steinhoff macht zu Anfang seines Artikels deutlich, dass eine an Kompetenzentwicklungsmodellen orientier-te Textbeurteilung nur dann wirklich sinnvoll ist, wenn sie von einer mehrperspektivischen Differenzierung begleitet wird. Dazu benutzt er einen Schülertext, dessen Qualität, wenn Schreibkompetenz als Fähigkeit zur Lösung kommunikativer Anwendungssituationen verstanden wird, als sehr gering einzuschätzen ist (vgl. Steinhoff 2010, 258). Ordnet man die Schreibleistung des Schülers dem Schreibmodell von Augst17 zu, befindet sich der Schreiber auf der untersten Kompetenzstufe. Somit könnte man zu der Annahme gelangen, dass der Text von einem Grundschüler der 1. oder 2. Klasse verfasst worden sei, tatsächlich besucht der Schüler bereits die 6. Klasse einer Hauptschule und weist einen Migrationshintergrund auf (vgl. ebda., 259). Eine differenzierte Schülertextbewertung, wie sie Steinhoff vorschlägt, basiert auf seinem entwickelten Textformen-Konzept und er-fordert den Einbezug von Entwicklungs-, Prozess- und Situierungsper-spektive zur Beurteilung eines Schülertextes (vgl. ebda., 259). Generell liegt bei Schülertextbeurteilungen das Problem vor, dass man lediglich die Per-formanz messen kann. Das Verhältnis von Kompetenz und Performanz ist insofern schwierig, als man nicht automatisch davon ausgehen kann, dass der Rückschluss von der Qualität eines Schreibprodukts auf die Textkom-petenz des Verfassers die tatsächliche Schreibkompetenz widerspiegelt (vgl. Steinhoff 2010, 261).

Kompetenzstufen und Standards geben einen Rahmen für die zu errei-chenden Lernergebnisse, lassen jedoch Lehr- und Lernwege und die sie beeinflussenden schüler-, klassen- und schulbezogenen Faktoren weitge-hend unberücksichtigt. (ebda., 261) Das von Steinhoff entwickelte Konzept der Textformen ist auf Lehr- und Lernzusammenhänge ausgerichtet. Durch Einbezug von Entwicklungs-, Prozess- und Situierungsperspektive ge-winnt die Beurteilung der Qualität eines Textes und der Kompetenz des Schreibers deutlich mehr Substanz (vgl. ebda., 261).

Die Entwicklungsperspektive betrifft das Verhältnis des Textes zur je-weiligen Erwerbsphase. Denn Textformen sind grundsätzlich als „Ausfor-mungen einer konkreten Schreibentwicklungsphase“ zu verstehen. Die Beurteilung eines Textes sollte demnach immer in Relation dazu stehen, was der altersgemäßen Schreibstufe und Schulform angemessen ist. Ferner sind individuelle Einflussfaktoren und unterschiedliche Voraussetzungen 17 Wird in Teil C dieser Arbeit genauer erläutert werden.

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zu berücksichtigen (vgl. Steinhoff 2010, 261 f.). Die Prozessperspektive betrifft das Verhältnis des Textes zu seiner Produktion. Wichtige Punkte sind hier beispielsweise, ob es sich bei dem Text um eine „erste“ oder be-reits überarbeitete Version handelt. Ebenso spielen auch individuelle Ein-flussfaktoren wie der individuelle Umgang mit Schreibaufgaben, der indi-viduelle Wissensstand oder die lernstrategischen Muster des Schreibers eine entscheidende Rolle. (Steinhoff 2010, 262 ff.) Die Situierungsper-spektive betrifft das Verhältnis des Textes zur schreibdidaktisch-unter-richtlichen Einbettung. Es ist zu berücksichtigen aus welchem Schreibar-rangement der Text hervorgegangen ist, welche Rahmenbedingungen vor-lagen und welches fachdidaktische Konzept der Aufgabe zu Grunde liegt (vgl. Steinhoff 2010, 262 ff.).

Die Entwicklungsperspektive wird im „outcomeorientierten“ Schreib-unterricht bereits berücksichtigt. Es wäre nun wichtig diese in Relation zu den beiden anderen Perspektiven zu betrachten, denn nur so lassen sich ein „schreiber-differenzierender Unterricht“ und somit auch eine „schrei-ber-differenzierende Beurteilung“ umsetzen. Dieses Konzept soll außer-dem dazu beitragen die Lücke zwischen Performanz (dem Schülertext) und Kompetenz (der Schreibfähigkeit) zu schließen (vgl. Steinhoff 2010, 262).

Performanz (Schülertext)

Differenzierung 1: Entwicklungsdimension

Kompetenz (Schreibfähigkeit)

Differenzierung 2: Prozessdimension

Differenzierung 3: Situierungsdimension

Darst. 8: Überblicksmatrix zur differenzierten Schülertextbeurteilung (Steinhoff

2010, 262

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TEIL B: AUFGABEN

5 Aufgaben der Bildungsstandards und ihre Überprüfung

Aufgaben haben im Bereich der Bildungsstandards einen hohen Stellen-wert. Sie bilden die zu erwartenden Kompetenzen ab, d.h. erst durch das Bearbeiten einer Aufgabe wird eine Kompetenz operationalisiert und somit überprüfbar. Auf der anderen Seite sind Aufgaben didaktische Mittel, um eine erwünschte Kompetenz auszubilden und zu üben. Darüber hinaus funktionieren die Aufgaben innerhalb der standardisierten Überprüfungen als Testitems, die damit den Gütekriterien eines psychometrischen Test-verfahrens entsprechen müssen. Der folgende Punkt soll sich nun diesen testtheoretischen Überlegungen widmen und die Aufgaben des Bildungs-standards „Schreiben“ unter diesem Gesichtspunkt beleuchten.

5.2 Aufbau der Testitems – Testtheoretische Überlegungen

Jedes psychologische Testverfahren muss bestimmten Testgütekriterien entsprechen, um Genauigkeit der zu messenden Variable gewährleisten zu können. Unter diese Kriterien fallen die Objektivität, Reliabilität und Vali-dität. Unter Objektivität versteht man, dass der Test unabhängig vom je-weiligen Prüfenden bzw. Auswertenden das gleiche Ergebnis erzielt. Die Schwierigkeit in Tests Objektivität einer Aufgabe herzustellen, hängt vom Antwortformat einer Aufgabe ab. Einfacher zu erreichen ist Objektivität bei solchen Aufgaben, die ein eindeutiges Antwortformat aufweisen (z.B. Mul-tiple-Choice, richtig/falsch, …). Bei offenen Antwortformaten, unter die Schreibaufgaben fallen, ergibt sich das Problem, dass die Interrater-Übereinstimmungen oft nicht das erforderliche Maß erreichen. (Becker-Mrotzek 2008 [Stand: 01.02.2011]) Das Problem der objektiven Bewertun-gen bei Schreibaufgaben ist allerdings nicht neu. Thomas Eckes zitiert in seinem Aufsatz „Die Beurteilung sprachlicher Kompetenz auf dem Prüf-stand“ Studien der letzten 40 Jahre (Weiss 1965; Ingenkamp 1995; Bir-kel/Birkel 2002), in denen belegt wurde, dass ein und dieselbe Schreibauf-gabe von verschiedenen Lehrerinnen und Lehrern eine Beurteilung über die gesamte Notenskala erfuhr. Das nächste Testgütekriterium ist die Reli-abilität eines Tests. Darunter versteht man, ob ein Test das zu messende

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Merkmal zuverlässig, d.h. genau und stabil erfasst. (Becker-Mrotzek 2008 [Stand: 01.02.2011]) Aus diesem Grund müssten in einem Test mehrere Aufgaben zur gleichen Kompetenz abgeprüft werden, was aber gerade bei Schreibaufgaben ein zeitliches Problem mit sich bringt (vgl. ebda.). Aller-dings bezieht sich die Reliabilität nicht nur auf die Testitems, sondern ebenso auf die Interrater-Reliabilität, d.h. der Test sollte unabhängig vom Beurteiler stabil zur gleichen Beurteilung führen. Diese Interrater-Reliabilität wird nach traditionellen Testmethoden versucht herzustellen, indem man von einer True-Score-Konzeption ausgeht. Man nimmt einen „idealen Beurteiler“ an, der mit seinen Einschätzungen exakt die Fähigkei-ten einer Person beurteilen kann. In der realen Beurteilung unterliegen die Beurteiler stets Fehlereinflüssen, deshalb setzt sich das Urteil nach der True-Score-Konzeption additiv aus dem wahren Wert der beurteilenden Person und einem Fehlerwert zusammen. (Eckes 2010, 66) Um diesen Feh-lerwert mathematisch auszugleichen gibt es unterschiedliche Vorgehens-weisen, die genauer bei Eckes (2010) nachzulesen sind. Festzuhalten ist, dass jedoch keine dieser Methoden es verlässlich schafft eine ausreichende Interrater-Reliabilität herzustellen (vgl. Eckes 2010, 68 ff.).

Das letzte hier aufgelistete Testgütekriterium ist die Validität eines Messverfahrens. Validität ist dann gegeben, wenn der Test tatsächlich das misst, was er zu messen vorgibt. (Becker-Mrotzek 2008 [Stand: 01.02.2011]) Dies bedeutet für die Überprüfung der Bildungsstandards, dass bei einer Aufgabe keine andere Kompetenz, keine andere Fähigkeit bzw. kein zu-sätzliches Wissen abgefragt werden und somit einen Einfluss auf das Er-gebnis ausüben würden. Bei Schreibaufgaben ergibt sich allerdings das grundsätzliche Problem, dass sie durch längere Aufgabenstellungen oder Impulstexte auch Lesekompetenz voraussetzen, darüber hinaus wird bei vielen Schreibaufgaben Weltwissen der Schülerinnen und Schüler verlangt, was zu einer ungleichen Voraussetzung bei der Erledigung der Aufgabe führen kann (vgl. Becker-Mortzek 2008 [Stand: 01.02. 2011]). Die Itemwriter der Bildungsstandards versuchen deshalb dem Problem der oft zu langen und unübersichtlichen Aufgabenstellung entgegenzuwirken, indem sie für kompetenzorientierte Aufgaben eine einheitliche grafische Darstellung für Schreibaufgaben einführen. Diese besteht aus einem Informationsfeld, welches den Sachverhalt einer Aufgabe darstellt, ihn und die Situation beschreibt und Materialien enthält. Den zweiten Teil bildet ein Fragefeld, welches in Punkte gegliedert die einzelnen Aufträge angibt (vgl. Taubinger 2011, 2).

Eckes beschreibt ein weiteres Problem der Validität von offenen Aufga-ben. Diese werden von geschulten Beurteilern anhand eines Kriterienkata-logs bewertet, wobei die Validität davon abhängig ist, wie gut es gelingt die Einflussfaktoren, die nicht den Gegenstand der Messung betreffen, zu minimieren und zu kontrollieren. (Eckes 2010, 70) Darunter fallen distale

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Faktoren (Hintergrundmerkmale der Person wie Geschlecht oder Alter, Hintergrundmerkmale der Beurteiler wie Berufserfahrung oder sozialer Status, Hintergrundmerkmale der Testsituation wie Bedingungen der Test-durchführung oder der Beurteilung) sowie proximale Faktoren (Urteilsten-denzen wie Strenge/Milde, zentrale Tendenz18 oder Halo-Effekt,19 die Schwierigkeit der Aufgabe und der Kriterien sowie die Struktur der Ra-tingskala). (Eckes 2010, 72) Die Anforderungen an Aufgaben in Leistungs-messung erweisen sich somit als hoch komplex. Als psychometrisch fun-dierte Form von Leistungsbeurteilung nennt Eckes das Multifacetten-Rasch-Modell, welches ein Modell der Item-Response-Theorie bezeichnet. Dieses Modell sieht Personen, Beurteiler, Aufgaben, Kriterien usw. als Beispiele für Facetten einer Testsituation. Eine Facette wird definiert als eine Variable oder Komponente der Testsituation, von der angenommen werden kann, dass sie die Testergebnisse in systematischer Weise beeinflusst. (Eckes 2010, 74)

Das Multifacetten-Rasch-Modell berücksichtigt die Fehleranfälligkeit von Leis-tungsbeurteilungen, indem es für jede Person die Wahrscheinlichkeit dafür schätzt, dass sie bei einer bestimmten Aufgabe nach einem bestimmten Kriteri-um von einem bestimmten Beurteiler eine ganz bestimmte Einstufung auf der Ratingskala erfährt. Tatsächlich beobachtete Ratings werden als Realisationen dieser Wahrscheinlichkeiten aufgefasst. (Eckes 2010, 74)20

Man sieht an der Definition des Multifacetten-Rasch-Modells deutlich, dass dieses erstens versucht die vielfältigen Einflussfaktoren auf eine Leistungs-beurteilung zu berücksichtigen und zweitens einen mathematisch anderen Ansatz im Gegensatz zu traditionellen Leistungsbeurteilungsverfahren wählt, indem Fehler bei Messungen nicht als Summand des tatsächlichen Ergebnisses einfließen, sondern von vornherein als Wahrscheinlichkeiten eingerechnet werden. Dieses Modell trägt demnach zur Fairness von Leis-tungsüberprüfungen bei, da externe Einflussfaktoren berücksichtigt wer-den.

Die Überprüfung der Bildungsstandards für die Fächer Deutsch und Mathematik wird von der Test- und Beratungsstelle des Arbeitsbereichs Psychologische Diagnostik (Leitung Prof. Mag. Dr. Klaus Kubinger) an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien durchgeführt. Um die An-

18 Zentrale Tendenz bezeichnet die Neigung, die mittleren Kategorien einer Ratingskala

bevorzugt zu verwenden. (Eckes 2010, 72) 19 Der Halo-Effekt bezeichnet die Tendenz auf konzeptuell unterschiedliche Merkmale

ähnliche Einstufungen vorzunehmen, z.B. dann, wenn ein positiv zu bewertendes Merkmal alle anderen Merkmale überstrahlt. (Eckes 2010, 72)

20 Für eine detaillierte mathematische und statistische Ausführung des Multifacetten-Rasch-Modells vgl. Thomas Eckes (2010), „Die Beurteilung sprachlicher Kompetenz auf dem Prüfstand. Fairness in der beurteilenden Leistungsmessung“, in: Aguado, Karin/Schramm, Karin/Vollmer, Helmut Johannes (Hrsg.), Fremdsprachliches Handeln beobachten, messen, evaluieren, Frankfurt/M.: Lang, 73 ff.

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sprüche der Testtheorie zu gewährleisten, wird ein Rasch-Modell einge-setzt, welches aber nicht identisch mit dem oben beschriebenen Multifacet-ten-Rasch-Modell ist. Hier wird die Wahrscheinlichkeit ausgedrückt, dass eine Testperson v das Item i löst, und zwar in Abhängigkeit eines Perso-nenparameters (der die wahre Fähigkeit einer Person v beschreibt) und eines Itemparameters (der die wahre Schwierigkeit des Items i beschreibt). Hier bezieht man sich also auf den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe und nicht auf mögliche Beurteilungsfehler. Ob speziell für offene Schreibaufga-ben auf das Multifacetten-Rasch-Modell zurückgegriffen wird, kann nicht bestimmt werden, da keine Angaben vorliegen (vgl. Kubinger et al. 2006).

Als Kriterien für die Testitems werden folgende Punkte angeführt (an dieser Stelle werden nur diejenigen aufgelistet, die für den Bereich „Schrei-ben“ relevant sind): • Items dürfen nicht aufeinander aufbauen, d.h. die Lösung jedes einzel-

nen Items darf nicht davon abhängig sein, ob irgendein vorausgehen-des Item gelöst oder nicht gelöst worden ist. Insbesondere soll zu einem Thema (zu einer inhaltlichen Angabe) nur ein einziges Item formuliert werden bzw. soll immer nur ein einziges Item zur selben inhaltlichen Angabe ein und demselben Schüler vorgegeben werden. Der Grund da-für liegt in der andernfalls gegebenen Übergewichtung eines bestimm-ten Themas (einer inhaltlichen Angabe), was zu unfairer Verrechnung bei solchen SchülerInnen führen kann, die zufällig bei diesem Thema gehandicapt sind (Missverständnis; Desinteresse; Demotivation u.a.).

• Items dürfen lediglich die zu messen gesuchte Kompetenz erfassen, andere Faktoren wie Spezialwissen oder Ähnliches dürfen keinen sys-tematischen Einfluss auf die Qualität der Testleistung haben.

• Die Lösung muss grundsätzlich eindeutig sein, d.h. alle zu wertenden Antworten müssen vollständig bekannt sein. Dieser letzte Punkt gilt be-sonders für Aufgaben mit offenem Antwortformat, unter die auch Schreibaufgaben fallen.

• Die sprachliche Formulierung der Items muss extrem einfach sein. Es darf beispielsweise nicht vom Fremdwortschatz abhängen, ob eine Aufgabe gelöst werden kann oder nicht. (Kubinger et al. 2006, 9)

Becker-Mrotzek (2008) sieht eine zentrale Herausforderung für Schreibauf-gaben darin, komplexe Schreibaufträge zu erstellen, die möglichst wenig spezifisches Weltwissen der Schülerinnen und Schüler voraussetzen. Eben-so sollten Schreibaufgaben eine begrenzte Anzahl möglichst eindeutiger Lösungen hervorrufen, damit sie von den Ratern präzise beurteilt werden können. Denn oft bringen die Lösungen von Schreibaufgaben unerwartete Textteile hervor, die dann von den Ratern schwer eingestuft werden kön-nen, was somit eine mangelnde Übereinstimmung der Beurteilung zur Folge hat. (Becker-Mrotzek 2008 [Stand: 01.02.2011]) Diese Anforderungen

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decken sich mit den oben angeführten Testkriterien von Kubinger et al. (2006) und sollten deshalb unbedingt in den Testitems Beachtung finden, was im Zuge dieser Arbeit zu überprüfen ist. Darüber hinaus postuliert Becker-Mrotzek (2008), dass neben den komplexen Schreibaufgaben, die einen vollständigen Text als Lösung verlangen, Teilprozesse in Form von Aufgaben zur Planung, Formulierung und Überarbeitung gegeben werden. Diese Forderung scheint einerseits für die Beurteilung einer Schreibaufgabe Vorteile zu bringen, da einzelne Teilhandlungen eines Schreibprozesses überprüft werden, die zudem auch einen unterschiedlichen Anforderungs-grad aufweisen. Andererseits deckt sich diese Forderung mit dem Schreib-prozessmodell von Hayes und Flower, das den Bildungsstandards im Be-reich „Schreiben“ zu Grunde liegt. Auch hier gilt zu untersuchen, ob die bislang veröffentlichten Testitems dieser Anforderung gerecht werden.

Wie an dieser Auflistung von Anforderungen an Aufgaben als Teil ei-ner normierten, standardisierten Leistungsüberprüfung deutlich wird, macht es einen großen Unterschied, in welchem Setting Aufgaben gestellt werden. Grundsätzlich muss deshalb eine Unterscheidung zwischen Lern-aufgaben und Testaufgaben erfolgen. Denn Lernaufgaben haben einen anderen didaktischen Hintergrund, der dazu dient Inhalte zu vermitteln, einen Übungseffekt zu erzeugen und Schreibprozesse zu routinieren. Zu-sätzlich besteht in einem Lernsetting immer die Möglichkeit durch Rück-fragen Unklarheiten zu klären und auf einer Metaebene die Schreibaufgabe zu reflektieren. Diese Unterscheidung wird im nächsten Kapitel noch aus-führlicher bearbeitet werden. Ziel ist es einen Kriterienkatalog sowohl für Lern- als auch für Testaufgaben abzuleiten, um die bisher veröffentlichten Testitems der Baseline-Testung und die Beispielaufgaben analysieren zu können.

5.2 Antwortformate

Im Bereich der Testitems wird zwischen verschiedenen Aufgabenformaten unterschieden. In den Bildungsstandards kommen folgende Formate zum Einsatz (entnommen aus Kubinger et al. 2006, 11 f.): • freies Antwortformat mit freiem Text: Die Antwort in Form eines freien

Textes wird von Fachleuten auf Richtigkeit bewertet – aus Gründen der Ökonomie kommen solche Items relativ selten vor, jedoch bei je-dem/jeder SchülerIn mindestens einmal.

• Multiple-Choice Antwortformat, Variante „1 aus 6“: Es sind 6 Ant-wortmöglichkeiten vorgegeben, darunter die Lösung sowie 5 Distrakto-ren (dies sind Antwortvorschläge, die der Lösung nahe kommen, aber eben in gewisser Weise falsch sind). Die SchülerInnen werden jedes Mal darüber informiert, dass genau eine einzige Antwort richtig ist.

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• Multiple-Choice Antwortformat, Variante „2 aus 5“: Es sind 5 Ant-wortmöglichkeiten vorgegeben, darunter befinden sich genau 2 richtige Antworten sowie 3 Distraktoren. Die SchülerInnen werden jedes Mal darüber informiert, dass genau zwei Antworten richtig sind und beide angekreuzt werden müssen (keine zu wenig, keine zu viel), damit die Aufgabe als richtig gerechnet wird.

• Multiple-Choice Antwortformat, Variante „2x (2 aus 3)“: In einem Lü-ckentext fehlen zwei Textstellen, für die je 3 Antwortmöglichkeiten vorgegeben werden. Die SchülerInnen werden jedes Mal darüber in-formiert, dass sie für beide Lücken die richtige Antwort ankreuzen müssen, damit die Aufgabe als richtig gerechnet wird.

Diese Auflistung deckt sich allerdings nicht zur Gänze mit anderen Veröf-fentlichungen des BIFIE. In der aktuellsten Veröffentlichung von 2010 „Bil-dungsstandards in Österreich. Überprüfung und Rückmeldung“ werden noch weitere Aufgabenformate aufgelistet und eine begriffliche Unter-scheidung in „offene“, „halboffene“ und „geschlossene“ Aufgaben getrof-fen. Die von Kubinger als „freie“ Aufgaben bezeichneten decken sich mit den „offenen“ Aufgaben, während Multiple-Choice-Aufgaben in das „ge-schlossene“ Aufgabenformat fallen.

Das „halboffene Aufgabenformat“ umfasst Aufgaben, die ein freies Antworten verlangen, die Formulierung jedoch so präzise gestaltet ist, dass die Lösung ohne großen Aufwand mit richtig oder falsch bewertet werden kann. Die Aufgaben erfordern von den Schülerinnen und Schülern kurze Antworten, z.B. eine Zahl oder ein Wort. (Breit et al. 2010, 25)

Auch im Bereich der geschlossenen Aufgaben werden neben den Mul-tiple-Choice-Aufgaben noch „Richtig oder Falsch Items“ (bestehend aus einer Aussage, bei der richtig oder falsch anzukreuzen ist), „Umordnungs-items“ (Elemente müssen von den Schülerinnen und Schülern so angeord-net werden, dass sich eine richtige Reihenfolge ergibt) und „Zuordnungs items“ (die Schülerinnen und Schüler müssen vorgegebenen Begriffen eine korrekte Beschreibung zuweisen) genannt (vgl. Breit et al. 2010, 25).

Zu den Aufgabenformaten ist zu sagen, dass Schreibaufgaben bislang nur im offenen Aufgabenformat überprüft werden, die von externen Ra-tern beurteilt werden. Ob für diese Raterauswertung ein Multifacetten-Rasch-Modell zum Einsatz kommt, konnte nicht ermittelt werden. Es stellt sich jedoch aus mehreren Gründen die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre auch Teilkompetenzen eines Schreibprozesses durch andere Aufgabenfor-mate zu überprüfen. Denn erstens ist der Anteil an Schreibaufgaben mit je-weils einer Aufgabe pro Test gering im Gegensatz zu Aufgaben zur Über-prüfung von Lesekompetenz oder Sprachbetrachtung, die durch unter-schiedliche Aufgabenformate in einer Vielzahl abgeprüft werden können. Beim Stellen nur einer Aufgabe pro Test kann es aufgrund eines fehlenden Vergleichs zu einem verzerrten Bild der Kompetenz kommen, da, wie be-

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reits erwähnt, viele externe Faktoren (wie z.B. Interesse für das Thema) in den Schreibprozess hineinspielen können. Zweitens werden durch die Überprüfung von Teilkompetenzen individuelle Schwächen besser ersicht-lich, die auf dieser Basis dann speziell gefördert werden können. Drittens haben geschlossene oder halboffene Aufgaben den Vorteil, dass sie eine einfache Lösung zur Beantwortung aufweisen, die nicht auf ein kriterien-geleitetes Bewerten angewiesen sind, bei dem wiederum die Gefahr von Urteilsfehlern oder Verzerrungen besteht.

5.3 Baseline-Testung im Bereich „Schreiben“ 2009

Vorab sei angemerkt, dass die Baseline-Testung im Bereich „Schreiben“ einige Fragen bezüglich Inhalt und Ablauf aufwirft. Es soll versucht wer-den, einige dieser Fragen direkt zu klären, andere sollen eher in Form einer Hypothese formuliert und in einem späteren Kapitel beantwortet werden.

Vor der Baseline-Testung folgten wie bereits erwähnt mehrere Pilotie-rungsphasen und somit auch Überarbeitungsphasen der Testitems. Lese-items wurden zwischen 2006 und 2008 in drei Phasen überarbeitet, wäh-rend (zwei) Schreibaufgaben das erste Mal 2008 pilotiert und bearbeitet wurden. (vgl. BIFIE: Pilotierung im Testfach Deutsch [Stand: 11.03.2011]). Daraus wird erneut ersichtlich, dass das Erstellen von Schreibaufgaben im Gegensatz zu anderen Testbereichen wie Lesekompetenz ein noch relativ junger und unerfahrener Bereich in standardisierten Prüfungen ist. Denn zum einen wurden die Schreibitems erst relativ spät entwickelt, zum ande-ren weist die geringe Anzahl ((über alle Pilotphasen hinweg wurden 195 Leseitems, 171 Sprachbewusstseinsitems und zwei Schreibitems überprüft. (ebda. [Stand: 10.03.2011])) der entwickelten Items auf einige Schwierigkei-ten hin. Ein weiterer Unterschied zwischen den Testitems im Fach Deutsch besteht darin, dass im Bereich Lesen und Sprachbewusstsein die Items auf mehreren Niveaustufen analog zu Schulform und Leistungsgruppe (= AHS und 1. Leistungsgruppe HS; 2. Leistungsgruppe HS; 3. Leistungsgruppe HS) entwickelt wurden, während die Schreibitems für alle Schulformen und Leistungsgruppen identisch waren (vgl. BIFIE: Testfach Deutsch [Stand: 11.03.2011]). Die Beurteilung der Schreibaufgaben erfolgte über externe, geschulte Rater, die die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler auf vier Niveaustufen einordneten. Es kommt hier die Frage auf, ob dieses Vorgehen nicht die ohnehin stärkeren Leistungsgruppen bevorzugt, da anscheinend ein unterschiedlicher Entwicklungsstand von Schülerinnen und Schülern nicht berücksichtigt wird. Es wird aus den Angaben des BIFIE nicht ersichtlich, warum die Schreibitems keine Leistungsgruppen-differenzierung vornehmen. Möglich wäre dies allerdings schon, indem man beispielsweise schwächeren Leistungsgruppen mehr Hilfestellung über das Aufgabenformat zukommen lässt. Dies wäre in unterschiedlicher

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Form denkbar; von Lösungsbeispielen bis hin zur kleinschrittigen Arbeits-anweisung. Die Tatsache, dass der Kompetenzbereich „Schreiben“ über nur ein Item pro Test abgeprüft wird, ist ebenfalls kritisch zu betrachten. Es fehlt ein Vergleichswert bzw. kann mit nur einer Aufgabe kein Mittelwert errechnet werden. Wenn man an dieser Stelle berücksichtigt, dass die Tests lediglich auf der 4. und 8. Schulstufe durchgeführt werden, wird eine Schü-lerin bzw. ein Schüler anhand maximal zwei Schreibaufgaben in ih-rer/seiner gesamten Schullaufbahn durch das standardisierte Verfahren der Bildungsstandards beurteilt.

Darüber hinaus wurden für die Testhefte jeweils Parallelformen in allen Testbereichen angefertigt, um ein Abschreiben von Sitznachbarn nicht zu ermöglichen. (Kubinger et al. 2006, 10) In allen drei überprüften Kompe-tenzbereichen (Lesen, Schreiben, Sprachbetrachtung) ist jedoch im Mittel der gleiche Schwierigkeitsgrad durch Rasch-Konformität gegeben und somit ein Vergleich der Schülerleistungen möglich (vgl. BIFIE: Testfach Deutsch [Stand: 11.03.2011]).

Im Bereich „Schreiben“ ist jedoch diese Annahme aus mehreren Grün-den in Zweifel zu ziehen. Erstens wird aus den Angaben des BIFIE nicht ersichtlich, inwieweit die Schreibaufgaben der Rasch-Konformität unterlie-gen, während dies bei Lesen und Sprachbetrachtung dezidiert in Tabellen-format angegeben wird (siehe dazu BIFIE: Testfach Deutsch [Stand: 11.03.2011]). Der zweite Grund bezieht sich auf den Inhalt der Aufgabe. Es wurden in der Baseline-Testung zwei Formen von Schreibitems entwickelt, die als Parallelformen eingesetzt wurden. Dabei umfasste die erste Gruppe einen Schreibauftrag für einen argumentativen Text, die zweite einen Schreibauftrag für einen Erzähltext. Es ist deshalb einerseits fraglich, in-wieweit unterschiedliche Textsorten faire vergleichbare Rückschlüsse auf dieselbe Kompetenz zulassen, andererseits unterliegen diese beiden Text-sorten einer völlig unterschiedlichen Schreibentwicklung. Wie bereits in Punkt 3.3 im Kompetenzmodell nach Becker-Mrotzek für den Bereich Schreiben erwähnt wurde, sind argumentative Texte deutlich schwerer zu verfassen als Erzähltexte. Die Entwicklung der verschiedenen Schreibhand-lungen wie Argumentieren, Erzählen und Berichten wird in Kapitel 11 noch einmal ausführlich behandelt werden. Solange gelte die Hypothese, dass, wenn verschiedene Schreibhandlungen eine unterschiedliche Ent-wicklung durchlaufen, sich Aufgaben, die verschiedene Schreibhandlun-gen abprüfen, nicht als Vergleichsinstrument zur Feststellung von Schreib-kompetenz eignen.

Der nächste Punkt der Baseline-Testung im Bereich „Schreiben“ betrifft die überprüften Standards in Verbindung mit dem Schreibprozessmodell von Flower und Hayes. Wie bereits erwähnt, wurden die Standards „Texte planen“, „Texte formulieren“ und „Texte überarbeiten“ auf Basis des Hayes-und-Flower-Modells erstellt. Laut den Angaben des BIFIE wurden

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in beiden Testformen die Standards „Texte planen“ und „Texte formulie-ren“ mit den jeweiligen Teilkompetenzen überprüft. Dabei beinhaltete Testform 1 „Kompetenzbereich Schreiben – Argumentieren“ im Bereich „Texte planen“ die Standards 28-31, im Bereich „Texte verfassen“ die De-skriptoren 33, 34 und 36. Testform 2 „Kompetenzbereich Schreiben – Er-zählen“ umfasste ebenfalls die Standards 28-31 für den Bereich „Texte planen“, während im Bereich „Texte verfassen“ die Deskriptoren 32 und 33 überprüft wurden (vgl. BIFIE: Testfach Deutsch [Stand: 12.03.2011]). Die genaue Beschreibung der Deskriptoren ist der tabellarischen Auflistung in Kapitel 4.1 zu entnehmen.

Erstens fällt auf, dass die Überprüfung des Schreibprozesses nicht voll-ständig stattfindet, da keine Deskriptoren zur Kompetenz „Texte überar-beiten“ abgeprüft werden. Zweitens ist auf der Homepage des BIFIE Fol-gendes zu lesen:

Auch wenn die Schüler/innen im Rahmen der Aufgabenstellung nicht explizit zur Anlage einer Stoffsammlung (Standard 28) aufgefordert sind, ist diese wie andere Formen der Textplanung inhärent. (BIFIE: Testfach Deutsch: [Stand: 12.03.2011])

Diese Aussage erscheint wiederum aus mehreren Gründen fraglich: Nach den oben beschriebenen Testgütekriterien müssen alle zu werten-

den Antworten in der Aufgabenstellung enthalten sein (vgl. Kubinger et al. 2006, 10). Es besteht aber durchaus Zweifel, dass Schülerinnen und Schüler eine Stoffsammlung anlegen, wenn sie nicht explizit dazu aufgefordert werden. Darüber hinaus wird nicht ersichtlich, ob oder wie der Standard „Texte planen“ tatsächlich beurteilt und in die Bewertung miteinbezogen wird. Denn in den 2010 veröffentlichten Kriterienkatalogen werden keine Kriterien zu „Texte planen“ und „Texte überarbeiten“ angeführt (vgl. dazu die Kriterienkataloge im Anhang entnommen aus: Habringer et al. 2010, 30 ff.).

Um wieder zum Schreibprozess von Hayes und Flower zurück-zukehren, sei an dieser Stelle folgende Hypothese aufgestellt, die allerdings erst in der konkreten Analyse der einzelnen Aufgaben bestätigt werden kann: Wenn die Standards auf Basis des Hayes-und-Flower-Modells kon-zipiert wurden, müssen sich die Schreibprozesse auch in den Aufgaben-stellungen bzw. in den Arbeitsanweisungen widerspiegeln. Denn eine gute Schreibaufgabe steuert den gesamten Schreibprozess. (Jost/Knopp 2010 [Stand: 12.03.11]) Es besteht allerdings die begründete Vermutung, dass die Schreibprozesse „Texte planen“ und „Texte überarbeiten“ nicht in die Auf-gabenstellungen miteinbezogen wurden.

Insgesamt lässt sich in Bezug auf die Baseline-Testung 2009 feststellen, dass im Bereich „Schreiben“ vor der Abhaltung der ersten Standardüber-prüfungen noch einige Fragen geklärt werden und eventuell Verbesserun-gen vorgenommen werden müssen. Es wird deutlich, dass die Erfahrung

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mit Schreibaufgaben als Bestandteil eines standardisierten Testverfahrens noch gering ist und es noch einiger Evaluation bedarf, bevor die Items ein faires Ergebnis im Sinne der Testgütekriterien aufweisen.

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6 Anforderungen an Aufgaben

Der nun folgende Abschnitt widmet sich Aufgaben in ihren unterschied-lichen Funktionen und Settings. Dazu wird zunächst der Begriff der Auf-gabe näher beleuchtet und verschiedene Ansätze angeführt. Anschließend werden zwei theoretische Konzepte in den Fokus gerückt: die Aufga-benorientierung und die Kompetenzorientierung. Es soll geklärt werden, welche Anforderungen an Aufgaben im Sinne dieser zwei Richtungen gestellt werden. Darüber hinaus wird letztlich ein Kriterienkatalog für „gute“ Aufgaben abgeleitet werden, um diesen dann im praktischen Teil auf die Beispielaufgaben und Testitems des Bildungsstandards „Schreiben“ anwenden zu können.

6.1 Theoretische Ansätze von Aufgaben

Über die Konzeption von Aufgaben gibt es verschiedene Theorien. Hallet (2006) versucht über die traditionellen Theorien eine Perspektive auf Auf-gaben zu entwickeln, die den Anforderungen eines kompetenzorientierten Unterrichts und somit den Bildungsstandards entspricht.

Das erste Konzept betrachtet Aufgaben von einem lernpsychologischen und psycholinguistischen Ansatz und untersucht, welche mentalen und kog-nitiven Prozesse bestimmte Aufgabentypen auslösen. (Müller-Hartmann 2006, 172) Es wird von der Annahme ausgegangen, dass Aufgabenstellun-gen so beschaffen sein müssen, dass sie die in den Spracherwerb eingehen-den kognitiven Fähigkeiten berücksichtigen. (Hallet 2006, 72)

Das zweite Feld sind die soziokulturellen task-Theorien (basierend auf Arbeiten von Vygotsky und Lantolf), die den Lern- und Unterrichtsprozess als Feld interaktionalen und soziokulturellen Handelns konzeptualisieren. (Hallet 2006, 73) Der Fokus wird dabei auf die Herstellung einer Lernum-gebung gelegt, die der Interaktion, der gemeinsamen problemlösenden Anstrengung und der positiven Annahme der Lernerrolle förderlich ist. (ebda., 73)

Beiden Konzepten ist allerdings die Tatsache gemeinsam, dass sie auf Unterrichts- und Lernprozesse abzielen und somit die Schülerinnen und Schüler stark in ihrer Rolle als Lernende fokussieren. Hallet sieht diesen Umstand durchaus kritisch, da auf die reale Lebenswelt außerhalb des Klassenzimmers in beiden Ansätzen wenig Bezug genommen wird und Lernende kaum an gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen teil-nehmen (vgl. Hallet 2006, 73 f.). Außerdem führt Hallet an, dass fast jede Form der tasks (wenn auch implizit und verdeckt) mit Kompetenzkonzep-ten arbeitet, da in die Aufgaben Annahmen darüber eingehen, welche Fä-

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higkeiten und Fertigkeiten in sprachlichen und kulturellen Bereichen ent-wickelt werden sollen. (ebda., 74) Seiner Meinung nach lassen sich die Kompetenzziele weder durch den psycholinguistischen noch durch den soziokulturellen Ansatz verwirklichen, sondern nur durch Bezug auf das Hier und Jetzt außerhalb des Klassenzimmers, um Lernenden die Qualifi-kation für zukünftiges Handeln mitzugeben. An dieser Stelle wird der Begriff der Diskursfähigkeit bzw. der Teilhabe an lebensweltlichen Diskur-sen ins Spiel gebracht, der entscheidend für die Lebenschancen und indivi-duellen Gestaltungsmöglichkeiten der Lernenden ist. (Hallet 2006, 76) Un-ter „Diskurs“ wird ein mehr oder weniger geregeltes Ensemble von Rede und Gegenrede oder ein (prinzipiell in Texte überführbares) gesellschaftliches Wissen verstanden. (Hallet, 2006, 76) Diskurse behandeln meist ein gesellschaftlich relevantes Thema bzw. eine Fragestellung und beinhalten alle dazu ver-fassten Stimmen, Texte und Positionen über die unterschiedlichsten Medi-en hinweg. Diskurse entstehen aus Verhandlungs- und Aushandlungspro-zessen und sind somit nicht planbar und ergebnisoffen (vgl. Hallet 2006, 76). Es ist demnach wichtig Aufgaben so anzulegen, dass sie die Lernenden an realen Diskursen teilhaben lassen. Sie sollten die Verbindungsstelle zwi-schen der Lebenswelt und dem Unterricht darstellen und die Lernenden im Sinne handelnder, ernstzunehmender Akteure in diesem Feld verstehen (vgl. Hallet 2006, 77). Somit entstehen folgende Anforderungen an Aufga-ben: • Polyphonie und Multitextualität: Eine Aufgabe muss textuell und

medial die Vielstimmigkeit von Diskursen wiedergeben, um die Fähig-keit der intertextuellen Kompetenz auszubilden.

• Multimodalität: Berücksichtigung verschiedener Modi des Aushand-lungsprozesses (Texte, Bilder, Filme, Karikaturen, …)

• Komplexität: Problem- und Fragestellungen orientieren sich an realen Diskursen und erfordern die Aktivierung von Weltwissen, Schemata und Konzepten als auch die intensive Beschäftigung mit dem bereitge-stellten Text-, Medien- und Materialarrangement.

• Offenheit: Tasks sind ergebnisoffen. Das Ergebnis kann nicht vorher vom Lehrenden bestimmt werden, wenn die Lernenden tatsächlich als verantwortliche Diskursteilnehmer verstanden werden. (Hallet 2006, 80)

Insgesamt aktivieren Aufgaben in diesem Sinne viele Kompetenzen und erfordern unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten und beziehen sich nicht isoliert auf eine Fähigkeit, wie dies bei Übungsaufgaben oft der Fall ist (vgl. Hallet 2006, 80).

Ebenfalls wird deutlich, dass diese Anforderungen nicht für alle Aufga-ben des Unterrichts gelten, denn wie bereits im vorigen Kapitel gezeigt wurde unterliegen Prüfungsaufgaben bzw. Testitems anderen Kriterien.

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Die hier angeführte Auswahl an Kriterien bezieht sich auf Lernaufgaben im Unterricht. Im folgenden Punkt wird nun eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Aufgabentypen und ihren Funktionen im Unterricht vorge-nommen.

6.2 Aufgabentypen

Wenn man vom Begriff der Aufgabe spricht, sollte man beachten, dass dieser je nach Kontext etwas anderes meint. Es gilt also zwischen verschie-denen Aufgabentypen zu unterscheiden. • Übungsaufgaben: Sind einfache Formen der Lernsteuerung wie Wie-

derholungsübungen, Einsetzübungen usw. • Hausaufgaben: Können entweder als Übungsaufgaben verstanden

werden oder zur selbstständigen Erarbeitung neuer Inhalte als Vorbe-reitung auf ein neues Kapitel im Lernprozess.

• Lernaufgaben: Wohl die komplexeste Form von Aufgaben. Kennzeich-nend sind Selbstständigkeit, Aktivität und Selbsttätigkeit der LernerIn-nen, weitgehende Freiheit der Lehrerinnen und Lehrer hinsichtlich der Ausgestaltung des Curriculums. Lernaufgaben sollten in heterogenen Lerngruppen individuelle Lernwege eröffnen. Sie haben eine größere Reichweite als Übungsaufgaben und beschäftigen Lernende über einen längeren Zeitraum. Methodisch oft über Projekte oder bestimmte Sozi-alformen wie Gruppen- oder Partnerarbeit umgesetzt. Sie sind ergeb-nisorientiert. Problemlösekompetenz soll entwickelt und im interakti-ven Austausch mit den LernpartnerInnen gefestigt werden.

• Prüfungsaufgaben: Markieren ein außergewöhnliches Ereignis im Un-terricht. Sie binden Lehrende und Lernende auf einmalige Weise, indem sie spezielle Vorbereitung erfordern, einer formellen Korrektur und Bewertung unterliegen sowie durch engere Aufgabenstellung gekenn-zeichnet sind.

• Bildungsstandards: Gehören zu Prüfungsaufgaben, bilden aber eine neue Sorte. Sie sind von außen gestellt und stellen eine normative Be-zugsform dar. Sie zielen nicht darauf ab, Lernprozesse in Gang zu set-zen, sondern die Ergebnisse vorhergegangener Lern- und Lehrprozesse zu messen und zu bewerten. Prüfungsaufgaben werden in diesem Zu-sammenhang als Testitems bezeichnet und müssen sog. Testgütekrite-rien entsprechen (vgl. Christ 2006, 44 ff.).

Diese Definition nach Christ ist jedoch nicht immer einheitlich verwendet und betrifft gerade im Bereich der Lern- bzw. Übungsaufgaben eher den Fremdsprachenunterricht. Becker-Mrotzek/Jost/Knopp (2010) nehmen für Schreibaufgaben folgende Unterscheidung zwischen Übungs- und Lern-aufgaben vor. Lernaufgaben markieren den Anfang eines neuen Lernpro-

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zesses, also die Einführung einer neuen Textform bzw. Schreibaufgabe. Sie dienen dazu eine bestimmte Teilkompetenz (z.B. das Verfassen eines Be-richtes) zu erweitern oder aufzubauen. Übungsaufgaben dagegen dienen dem Festigen und Anwenden bereits erlernter Schreibfähigkeit und wer-den über Schreibarrangements oder Schreibaufgaben realisiert. Diese Übungsaufgaben sollen alle Phasen des Schreibprozesses betreffen: • Planungsaufgaben zu Inhalt, Struktur, Prozess, Zielsetzung • Formulierungs- und Realisierungsaufgaben zu Lexik, Semantik, Prag-

matik, Stil, Textstruktur • Überarbeitungsaufgaben zu Lexik, Semantik, Pragmatik, Stil, Textstruk-

tur (Becker-Mrotzek/Jost/Knopp 2010 [Stand: 01.03.2011])

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7 Aufgabenorientierung

Das Konzept der Aufgabenorientierung entstammt eigentlich dem Fremd-sprachenunterricht bzw. Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (DaF/ DaZ). Es handelt sich hierbei um einen methodischen Ansatz (Tasked-based language learning = TBL), der Aufgaben (tasks) in den Mittelpunkt rückt, um seine (fremd)sprachendidaktischen Ziele zu erreichen (vgl. Bur-witz-Melzer 2006, 25). Das Prinzip der Aufgabenorientierung kann aber auch über die fachspezifischen Grenzen hinaus von Interesse sein, denn auch im Deutschunterricht geht es um die Vermittlung von sprachlichen Kompetenzen. Darüber hinaus zeigt der Schriftspracherwerb viele Paralle-len zum Fremdspracherwerb, denn zwischen der Verwendung sprachli-cher Mittel im mündlichen Bereich bis zum Gebrauch derselben Mittel beim Schreiben liegt ein größerer Entwicklungszeitraum (vgl. Feilke 2006, 15). Im folgenden Punkt sollen deshalb die Aspekte der Aufgabenorien-tierung angesprochen werden, die sich auf das Erlernen von sprachlicher Kompetenz im Allgemeinen und schriftsprachlicher Kompetenz im Beson-deren übertragen lassen.

7.1 Aufgabenorientierter Unterricht

Eine einheitliche Definition des aufgabenorientierten Unterrichts zu finden, erweist sich als schwierig. Es gibt allerdings gemeinsame Kennzeichen, die die verschiedenen Autoren der Aufgabenorientierung zuschreiben. Sie stellen sich gegen einen formorientierten Unterricht und plädieren für die Orientierung am „realen“ kommunikativen Sprachgebrauch, um Authen-tizität des Unterrichts zu gewährleisten. Eine Aufgabe sollte sich dadurch mehr am Inhalt als an der grammatischen Form orientieren, da Sprache nur über Inhalte gelernt werden kann (vgl. Bredella 2006, 22 und Krumm 2006, 123).

Im Bereich des Deutschunterrichts finden wir Formorientierung als klassischen Grammatikunterricht, in dem einzelne Phänomene gelernt und isoliert geübt werden, Sprache aber nicht in ihrer Gesamtheit und ihrem „natürlichen“ Kontext betrachtet wird. Im Bereich „Schreiben“ wäre eine Formorientierung am ehesten als klassischer Aufsatzunterricht bzw. reine Textsortenlehre zu interpretieren. Den Lernenden werden Kennzeichen einer Textsorte vermittelt, meist ohne diese in eine kommunikative Situati-on einzubetten, wobei die Aktivität des Lernenden oft relativ gering bleibt. Im Gegensatz dazu sind Aufgaben im Sinne der Aufgabenorientierung eine Arbeitsform, in der sowohl der Lernende und der Lernprozess ins Zentrum des Unterrichts rücken als auch eine Verbindung mit dem Kon-

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zept der Lernautonomie und Handlungsorientierung fokussiert wird (vgl. Krumm 2006, 123). Der Unterricht wird demnach geprägt durch Selbst-ständigkeit und Selbsttätigkeit der Lernenden, Relevanz der verhandelten Themen und Inhalte, Zielbezogenheit und Ganzheitlichkeit. (ebda., 123) Eine Aufgabe im Sinne der Aufgabenorientierung begleitet und struktu-riert den gesamten Lernprozess. Konkrete Ziele sollen über selbstständige Recherche und Aktion der Lernenden erreicht werden, darüber hinaus ist die Präsentation und Reflexion der Ergebnisse von zentraler Bedeutung. (ebda., 123) Eine Aufgabe sollte ebenso die Möglichkeit zur inneren Diffe-renzierung bieten. (Kepplin 2006, 104) Damit ist gemeint, dass dieselben Aufgaben auf unterschiedlichen Sprachniveaus eingesetzt werden, etwa indem man die Schwierigkeitsgrade des Textes variiert oder die Aufgaben-stellung unterschiedlich komplex gestaltet. (ebda., 104)

Diese neu geschaffenen Freiräume im Unterricht sollen jedoch nicht auf Kosten von sprachlicher Strukturiertheit oder sprachlicher Form geschaffen werden. Vielmehr soll der Lernende diese Formen selbst entdecken, was im Unterricht über explorative oder induktive Verfahren erreicht werden kann. Im Unterricht müssen diese Explorationsverfahren durch Vertiefun-gen und zur Verfügung gestellten sprachlichen Werkzeugen begleitet wer-den, wozu natürlich auch grammatische Instruktionen und Automati-sierungsphasen zählen. (Roche 2006, 212)

Kepplin (2006) sieht in der Selbstreflexion und Selbstevaluation von Lernprozessen ein weiteres Potenzial der Aufgabenorientierung. Dies be-deutet, dass neben dem Lernprodukt die LernerInnen den Fokus auf den eigenen Lern- und Aushandlungsprozess legen sollten (vgl. Kepplin 2006, 104). Demnach müssen einige Formen der Selbsteinschätzung etwa für die Realisierung von Aufgaben und den Einsatz von Arbeits- und Lernstrate-gien entworfen werden. (Kepplin 2006, 105) Methodische Beispiele wären Checklisten. Im Praxishandbuch D8 „Didaktische Anregungen zum Arbei-ten mit den Bildungsstandards“ (2007) wird eben auch für das UF Deutsch auf die Erstellung von Checklisten hingewiesen. Diese werden allerdings als Can-Do-Listen formuliert und sind so gestaltet, dass die Schülerinnen und Schüler sich selbst einschätzen sollen, welche Standards sie bereits erfüllen können (vgl. Weihs-Dengg 2007, 113 ff.). Die Frage ist allerdings, ob Schülerinnen und Schüler überhaupt selbst entscheiden können, ob die jeweilige Aussage auf sie zutrifft. (Kepplin 2006, 104) Kepplin schlägt als methodischen Ansatz vor Checklisten zu erstellen, die ihren Fokus zu-nächst einmal nicht darauf legen sollen, was der/die LernerIn bereits kann, sondern die sich darauf beziehen, was der Lernende überhaupt selbst ein-schätzen und beurteilen kann (z.B. kann ein/e LernerIn selbst nicht ein-schätzen, ob sein/ihr Wortschatz differenziert ist, sehr wohl aber, ob er/sie auf einen differenzierten Wortschatz geachtet hat). (Kepplin 2006, 105) Nach dieser Vorübung können im Unterricht oder in der Lerngruppe ge-

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meinsam Checklisten erstellt werden, die als sinnvoll für die momentan vorliegenden Aufgaben betrachtet werden, wozu auch durchaus Prüfungs-aufgaben zählen können. (Kepplin 2006, 105) Man sieht hier, dass sich Aufgabenorientierung und Arbeiten auf Basis der Bildungsstandards nicht ausschließen. Es bedarf allerdings an einigen Punkten noch einer Verfeine-rung und Überarbeitung des methodischen und didaktischen Vorgehens, damit das Arbeiten mit den Standards erfolgreich funktioniert. Der nächste Punkt wird sich nun mit dem Verhältnis von Aufgabenorientierung und Bildungsstandards beschäftigen.

7.2 Outputausrichtung und Bildungsstandards

Aufgabenorientiert sind Lernaufgaben, die nicht auf das isolierte Üben von Teilelementen abzielen. Sie zielen vielmehr auf eine „tiefe“ Verarbeitung ab, die die Integration verschiedener sprachlicher Fertigkeiten beinhaltet. Denn im natürlichen Sprachgebrauch sind diese sprachlichen Fertigkeiten, wie Schreiben, Lesen, und Sprechen nicht getrennt voneinander, sondern stehen miteinander in Beziehung (vgl. Portmann-Tselikas 2001, 16). Port-mann-Tselikas sieht in der Integration einige Vorteile. Einerseits ist das, was jemand rezeptiv versteht, nicht immer für die Produktion verfügbar. Eine Verbindung von Rezeption und Produktion führt zu einer leichteren Übertragung und es kann eine Erweiterung der Gebrauchsmöglichkeiten angebahnt werden. (ebda., 17) Andererseits wird der Aspekt der Wieder-holung in abwechslungsreicher Form erreicht (Diskussionen über Gelese-nes, Erzählen über Gehörtes, Zusammenfassen des Erarbeiteten in mündli-cher und schriftlicher Form) und von Schülerinnen und Schülern nicht als demotivierend oder überflüssig empfunden. Außerdem nimmt eine In-tegration von Fertigkeiten unsicheren, schüchternen LernerInnen die Scheu sich zu einem Thema zu äußern. Durch das Wiederholen in Form ver-schiedener Fertigkeiten entsteht Sicherheit in Bezug auf das Thema und die Sprache (vgl. ebda., 17). Wichtig ist hier noch, dass die Aufgabe diesen integrativen Lernprozess strukturiert und steuern muss. Dafür sind vom Lehrenden die Rahmenbedingungen und der situative Kontext zu gestal-ten.

Die Aufgabe führt eine Fragestellung ein, die zu ihrer Lösung eine ganze Reihe unterschiedlicher, aber aufeinander bezogener Situationen des Aushandelns, Planens, Schreibens, Lesens usw. notwendig macht. (Portmann-Tselikas 2001, 17)

An dieser Ausführung wird deutlich, dass Aufgaben im Sinne eines aufga-benorientierten Unterrichts auf die Steuerung eines Lernprozesses abzie-len. Es geht hierbei um Problemlösen in vielfältiger Weise, um Handlungs-orientierung, aber nichtsdestotrotz um Output. Die Outputorientierung

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entsteht, weil Lernende aus der sprachlichen Not einer kommunikativen Situation Ergebnisse bringen, aus denen Übungseffekte entstehen können. Es soll somit eine Abkehr der im Unterricht oft üblichen Abfolge von Üben und anschließendem Anwenden zu einem einheitlichen authentischen Sprachhandeln erfolgen (vgl. Krumm 2006, 124). Der Begriff der „sprachli-chen Not“ ist für den Deutschunterricht vielleicht nicht ganz passend, da die Sprache im Regelfall beherrscht wird. Es geht aber um das Ausbilden eines differenzierten Sprachgebrauchs, der doch ein anderes Vokabular erfordert und durch eine ganzheitliche, tiefe Verarbeitung über die Sprache komplexe Denk- und Reflexionsprozesse auslösen kann. Der Effekt ist somit der gleiche: Die Lernenden erreichen Sicherheit in der verwendeten Sprache und eine inhaltlich fundierte Auseinandersetzung mit Thema und Inhalt.

Ganz klar ist aber ein Unterschied hervorzuheben, der zwischen dem Output einer Testaufgabe und dem einer Lernaufgabe im Sinne der Aufga-benorientierung besteht. Bei Testaufgaben geht es ebenfalls um Problemlö-sefähigkeiten, jedoch steht nicht im Mittelpunkt wie eine Aufgabe konzi-piert sein muss, um Problemlösefähigkeit zu entwickeln und zu aktivieren. Es geht vielmehr um das Produkt bzw. das zu erreichende Lernergebnis. Daraus folgt, dass Testaufgaben anderen Kriterien folgen, beispielsweise geht es eher um die Frage den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe zu bestim-men (vgl. Krumm 2006, 124). Der Output bei Lernaufgaben ist zwar eben-falls wichtig, er sollte jedoch den Lernprozess nicht dominieren. Ein stark prüfungsorientierter Unterricht, der Fehler sanktioniert und Aufgaben durch Noten beurteilt, ist nicht vereinbar mit den Prinzipien eines aufga-benorientierten Unterrichts. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit Aufga-benorientierung mit den Bildungsstandards vereinbar ist. Im Folgenden sollen nun einige Standpunkte dazu erläutert werden.

Krumm (2006) sieht in der Diskussion um die Bildungsstandards und Kompetenzen eine Gefährdung des handlungs- und interaktionsorien-tierten Unterrichtskonzepts. Der Output des aufgabenorientierten Unter-richts beziehe sich eben gerade nicht auf einen Nachweis des Könnens. Vielmehr ist der Prozess der Lösung wichtiger als das Ergebnis – das Er-gebnis, also der Output muss im Sinne einer Evaluation verstanden wer-den, in die die Schülerinnen und Schüler einbezogen werden. Lösungen müssen reflektiert werden, um sich der kognitiven Dimension des Lern-prozesses bewusst zu werden. Im Gegensatz dazu sind Bildungsstandards Testinstrumente, die Lernende und ihren Lernprozess weitestgehend aus-klammern (vgl. Krumm 2006, 125).

Müller-Hartmann (2006) betrachtet die von der KMK vorliegenden Bei-spielaufgaben der Bildungsstandards im Fach Englisch. Analog wird hier die gleiche Stelle der österreichischen Bildungsstandards im Fach Deutsch angeführt:

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Die Aufgabenbeispiele veranschaulichen die fachlichen Standards. Sie machen deutlich, welche fachliche Leistung jeweils erbracht werden muss, um die Stan-dards zu erfüllen und bieten eine Grundlage für die Feststellung des Lernstan-des. Die Aufgabenbeispiele illustrieren eine für das jeweilige Fach cha-rakteristische Bandbreite von Aufgaben zur Überprüfung von Kompetenzen bzw. Standards. […] Die Aufgabenbeispiele sind nicht als Testformate für Prü-fungen oder Berechtigungen gedacht, sondern dienen zur Unterstützung der konkreten, praktischen Unterrichtsarbeit der Lehrerinnen und Lehrer. (BIFIE: Funktion der Aufgabenbeispiele [Stand: 16.03.2011])

Viele dieser Beispielaufgaben folgen allerdings, so Müller-Hartmann, ei-nem funktionalen Ansatz des Sprachenlernens und -lehrens, der die Inhalte und die damit verbundene Lernerorientierung oft wieder ausklammert, wodurch Themen und Inhalte trivialisiert werden. Aufgrund fehlender empirischer Validierung der Aufgaben kann es zu einer Verkürzung auf Prüfungsaufgaben kommen. (Müller-Hartmann 2006, 173) Deshalb ist es besonders wichtig Lehrkräfte soweit auszubilden und zu informieren, dass sie einen kritischen, evaluativen Umgang mit den Beispielaufgaben der Bildungsstandards beherrschen. Denn darüber hinaus besteht die Gefahr einer „Download-Mentalität“ der Lehrenden, was bedeutet, dass Lehrende die Aufgabenbeispiele der Bildungsstandards unreflektiert in ihren Unter-richt aufnehmen (Müller-Hartmann 2006, 178) und somit den Lernprozess aus dem Auge verlieren. Für die Beispielaufgaben der Bildungsstandards im Bereich „Schreiben“ wird es demnach zu überprüfen gelten, ob sie sich erstens dazu eignen den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler zu aktivieren und zweitens, ob bzw. inwieweit die Beispielaufgaben in Bezug auf Themenwahl und Inhalt einer Trivialisierung unterliegen.

Zydatiß (2006) hingegen sieht in der Outputorientierung durchaus eine längerfristige Zielperspektive der Rechenschaftspflicht von Schulen und Lehrkräften gegenüber der Schülerschaft und Öffentlichkeit (vgl. Zydatiß 2006, 259). Es sei deshalb wichtig, verschiedene Aufgabentypen (= Lern-aufgabe, Testaufgabe, Forschungsaufgabe) integrativ mit empirisch-quantitativem Zugriff zu erforschen, was bedeutet, dass „gute“ (kommu-nikative und in inhaltlicher Hinsicht schülerorientierte wie anspruchsvolle) Lernaufgaben auch Überprüfungsaufgaben sein können. Umgekehrt soll-ten valide und zuverlässige Überprüfungsaufgaben so weit wie möglich „gute“ Lernaufgaben darstellen. (Zydatiß 2006, 258) Die strikte Trennung von Lernaufgaben und Testaufgaben sei dagegen kontraproduktiv für die Qualitätsdiskussion. Denn nach dieser Sicht verhindern negativ konnotier-te Testaufgaben bzw. Evaluierungsaufgaben einen aufgabenorientierten Unterricht. Testaufgaben hätten allerdings durchaus positive Rückwirkun-gen, wenn die Qualität der Aufgaben stimmen würde. (Zyndatiß 2006, 258) Das große Forschungsdesiderat besteht zurzeit jedoch darin, diesen integ-rativen Zugang von Aufgaben in allen Kompetenzbereichen eines Unter-richtsfaches valide und empirisch abzudecken. Dies aufzuarbeiten be-

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zeichnet Zydatiß als die große Aufgabe der Fachdidaktik in den nächsten Jahren, denn eine Aufgabenorientierung ohne Bewertungspraxis und Struktur-äquivalent in der Leistungsfeststellung kann kaum einen Beitrag zur Qualitäts-steigerung des Unterrichts leisten. (Zydatiß 2006, 263)

7.2 Die Rolle des Lehrenden

Die Aufgabenorientierung entspricht einer Didaktik, die den Lernenden und den Lernprozess stark in den Fokus rückt. Durch die Ausbildung von Problemlösekompetenz bzw. einer „kritischen“ oder strategischen Kompe-tenz ist der Lernende in der Lage, Entscheidungen über die Auswahl von Themen, Ressourcen, Strategien und Techniken und deren Priorität selbst zu treffen. Lernende können das Wahrgenommene kritisch auswerten und die nötigen Produktionsschritte koordinieren. (Roche 2006, 213) Vor dem Hintergrund dieses handlungsbezogenen Kontexts wird klar, dass sich die Rolle des Lehrenden im Unterricht ändert. Der Lehrende ist nicht länger der zentrale Punkt, sondern der Lernende selbst. Die Funktion des Lehren-den wandelt sich vom Vortragenden zum Begleiter, Berater und Impulsge-ber. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind der Tatsache gegenüber skeptisch eingestellt die Verantwortung aus der Hand zu geben und die Gestaltung des Erwerbsprozesses den „Unwissenden“ zu überlassen. Doch genau darauf zielt eben authentisches Sprachhandeln im Sinne der Aufgaben-orientierung ab, sind es doch die Lernenden, in deren Köpfen der Sprach-erwerb stattfinden soll. (Roche 2006, 214) Spracherwerb kann für den Deutschunterricht nicht im engen Sinn übernommen werden. Dennoch sollte auch der Deutschunterricht dazu dienen, einen reflektierten, tiefen Einblick in die eigene Sprache zu entwickeln, denn nur so kann sprachliche Kompetenz (mündlich und schriftlich) ausgebildet werden.

Der Lehrende muss Flexibilität in Bezug auf die unterrichtliche Kom-munikation aufweisen, darüber hinaus muss er Kompetenz und Bereit-schaft zur Lernberatung mitbringen. Unter Lernberatung wird hier ver-standen, den Lernenden eine systematische, reflexive Orientierung für den eigenen Lernprozess zu vermitteln und sie dabei zu begleiten (vgl. Königs 2006, 119). Der Lernende soll darin unterstützt werden „sprachbewusst und sprachlernbewusst zu werden, selbstständig zu lernen, persönliche Lernwe-ge zu erproben und sich darüber mit anderen – Lehrenden und Lernen-den – auszutauschen“. (Christ 2005, 356) Portmann- Tselikas (2006) betont jedoch ausdrücklich, dass diese Art der Aufgaben den Unterricht keines-wegs unstrukturiert und chaotisch werden lässt. Im Gegenteil, denn diese Vorgehensweise bedingt eine komplexe und voraussetzungsreiche Arbeit des Lehrenden. Es ist nicht länger ausreichend geplante Stunden am Mate-rial abzuarbeiten, da durch die entstandenen Freiräume ein hohes Maß an Flexibilität und Spontaneität des Lehrenden erforderlich ist. Dieser über-

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nimmt die Funktion Arbeiten zu delegieren und Ergebnisse in die eigene Planung zu integrieren, ohne dabei die Balance zwischen Planung und Offenheit zu verlieren (vgl. Portmann- Tselikas 2006, 183).

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8 Kompetenzorientierte Schreibaufgaben

Um Anforderungen an kompetenzorientierte Schreibaufgaben formulieren zu können, soll an dieser Stelle noch einmal konkretisiert werden, wie sich Schreibkompetenz zusammensetzt, welche Faktoren hier eine Rolle spielen und wie man diese Kompetenz ausbauen und fördern kann.

Der traditionelle Aufsatzunterricht ist sehr stark an seiner sprachlichen Form orientiert und wird meist über die Aufsatzarten Bericht, Schilderung, Beschreibung, Abhandlung und Erörterung realisiert. Diese Form des Unter-richts ist stark produktorientiert, der fertig verfasste Text steht im Mittel-punkt, während der Schreibprozess kaum Beachtung findet. In vielen die-ser Schreibaufgaben fehlt darüber hinaus ein Adressatenbezug oder ein pragmatischer Zweck des Schreibens. Ebenso wurde mit dem Absolutset-zen der sprachlichen Form eine Entfremdung vom lernenden Subjekt vor-genommen, das hinter den Schreibaufgaben kein Ziel mehr erkennen konnte. Aufgrund der Unzufriedenheit mit dieser Art des Aufsatzunter-richts entwickelten sich einige Gegenbewegungen, wie das Freie Schreiben, der Kommunikative Aufsatzunterricht oder das Kreative Schreiben. Begrifflich wandelte sich die Aufsatzdidaktik zur Schreibdidaktik. Die didaktischen Konzepte beziehen nun den Prozess des Schreibens in den Unterricht mit ein, d.h. der Lernende soll auch die Fertigkeiten des Textproduzierens erwerben (vgl. Bachmann/Becker-Mrotzek 2010, 193).

Auch die österreichischen Bildungsstandards fordern durch die Gliede-rung in „Texte planen“, „Texte formulieren“ und „Texte überarbeiten“ eine Prozessorientierung des Schreibens. Was im Unterricht im Bereich der Lernaufgaben noch umsetzbar und sinnvoll erscheint, wird bei den stan-dardisierten Testungen schwierig. Die Tests sind auf den Output, also auf das Produkt eines Schreibprozesses ausgerichtet, und, wie an der Vorge-hensweise der Baseline-Testung ersichtlich wird, werden die Teilprozesse des Planens und Überarbeitens gar nicht oder unzureichend überprüft. Es entsteht also ein Widerspruch zwischen den Erhebungsmethoden und der geforderten Prozessorientierung der Bildungsstandards (vgl. Feilke 2006, 2). Eine weitere Schwierigkeit, die hinzukommt, ist die Tatsache, dass die Aufgaben der Standards sich wieder an den klassischen Textformen orien-tieren, da diese durch ihre jeweils spezifische Form leichter überprüfbar sind. Textformen sind ohne Zweifel ein nützliches Instrument zur Orientie-rung, eine Rückentwicklung in Richtung der traditionellen Aufsatzdidaktik sollte jedoch unbedingt vermieden werden. Wenn Bildungsstandards das halten wollen, was sie versprechen, müssen sie den Spagat schaffen ausge-reifte didaktische Lehr- und Lernmethoden mit den standardisierten Über-prüfungsmethoden zu vereinbaren.

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8.1 Schreiben als Bestandteil literaler Kompetenz

Dieses Kapitel soll dazu dienen die Fähigkeit des Schreibens unter Aspek-ten zu betrachten, die bislang in dieser Arbeit kaum beachtet wurden. Die Umlegung der hier nun folgenden Ausführungen auf konkrete Schreibauf-gaben ist wahrscheinlich kaum möglich. Trotzdem erweitert die Darstel-lung von Feilke (2006) den Blickwinkel auf das Schreiben in seiner Ge-samtheit (nämlich als Bestandteil der literalen Kompetenz), womit wichtige didaktische Grundsätze aufgezeigt werden können.

Der Begriff der Literalität stammt vom englischen „literacy“ und be-zeichnet umgangssprachlich die Fähigkeit „to read and write“. Feilke be-schreibt drei Komponenten, die seiner Meinung nach zur Kompetenz der Schriftlichkeit im Sinne von Literalität gehören. Diese drei Aspekte spielen beim Erwerb literaler Kompetenz eine entscheidende Rolle und sollten deshalb immer als Ganzes im Auge behalten werden (vgl. Feilke 2006, 3 f.).

Im Folgenden werden diese drei Aspekte (Kulturaspekt, Handlungs-aspekt, Strukturaspekt) erläutert, wobei der Schwerpunkt auf dem Hand-lungsaspekt liegen wird.

8.1.1 Der Kulturaspekt

Literalität und Schriftlichkeit ist in Abgrenzung zu Oralität und Mündlich-keit zu verstehen. Eine literale Gesellschaft organisiert ihr Wissen in Tex-ten, hält es schriftlich fest und gibt es somit in schriftlicher Form an die nächste Generation weiter. Schriftlichkeit wird demnach benötigt, um den gesellschaftlichen Fortbestand einer Hochkultur zu sichern. Die Schule ist als eine Institution Teil dieser literalen Gesellschaft und vermittelt ihr Wis-sen über Texte und hat somit die Aufgabe ihren Schülerinnen und Schülern literale Kompetenz weiterzugeben. Zur literalen Kompetenz zählen soziale, emotionale, kognitive und sprachliche Fähigkeiten, die zum Umgang mit Texten gebraucht werden (vgl. Feilke 2006, 4).

Literalität setzt also literacy voraus, ist aber mehr als die bloße Möglichkeit, sich schriftlich mitzuteilen. Sie schließt ein verändertes Verhältnis der Menschen zur Sprache, zu sich selbst und zur Gesellschaft ein. (Feilke 2006, 4)

In den Bereich des Kulturaspekts fallen die bereits erwähnten literalen Praktiken. Im Kontext der Institution Schule entwickeln sich literale Prak-tiken, die eine bestimmte sprachliche Kompetenz und das Beherrschen bestimmter Sprachformen einschließen. Das Vorhandensein von Schrift allein reicht nicht aus, um sprachliche und kognitive Komponenten zu bilden. Erst in Abhängigkeit von literalen Praktiken entwickeln sich unter-schiedliche Werte, Interessen und kognitive Schemata des Umgangs mit der Schrift (vgl. Feilke 2006, 6).

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Der Erwerb der literalen Kompetenz ist in Bezug auf den Kulturaspekt als „literale Sozialisation“ zu bestimmen. Über das Modelllernen werden Kinder literal sozialisiert, das Elternhaus spielt hierbei eine ebenso wichti-ge Rolle wie die Institution Schule. Bereits erwähnt wurde, dass das derzei-tige Schulsystem bislang nicht in der Lage ist, die ungleichen sozialen Vo-raussetzungen von bildungsfernen und bildungsnahen Schichten auszu-gleichen. Es trägt durch seine Differenzierung eher noch zu diesem Um-stand bei (vgl. Feilke 2006, 7).

8.1.2 Der Handlungsaspekt

In diesem Punkt geht es vor allem um die Unterschiede von Schreiben und Sprechen. Schreiben kann nicht als die bloße Übertragung von Sprache in das Medium der Schrift verstanden werden, denn es setzt andere Hand-lungen voraus. Unterschiede bestehen vor allem im kommunikativen, se-miotischen und temporalen Aspekt (vgl. Feilke 2006, 7 f.).

Das Sprechen ist von vornherein in eine kommunikative Situation ein-gebunden, Schreiben verläuft eher monolog, der/die SchreiberIn muss den Kontext erst herstellen. Beim Sprechen gibt es meist einen konkreten Ad-ressaten, Schreiben richtet sich grundsätzlich an ein allgemeines Lesepub-likum. So hat der/die SprecherIn in der mündlichen Kommunikation im-mer die Möglichkeit sofort auf Unklarheiten und Missverständnisse zu reagieren, während beim Schreiben eine räumliche und zeitliche Distanz von Produktion und Rezeption vorherrscht (vgl. Feilke 2006, 8).

Unter dem semiotischen Aspekt ist das Schreiben viel mehr sprachlich bestimmt, während man sich beim Sprechen auch auf non-verbale Kom-munikation, wie Mimik und Gestik, stützen kann. Der temporale Aspekt bezieht sich auf die Langsamkeit des Schreibens im Gegensatz zum Spre-chen. Dazu kommt, dass Schreiben mehr Pausen braucht als Sprechen, in denen Planungs- und Überarbeitungsfähigkeiten eingesetzt werden müs-sen (vgl. Feilke 2006, 8).

Man sieht deutlich, dass Schreiben unter dem Handlungsaspekt nicht einfach das Ergebnis eines Sozialisationsprozesses ist, sondern die Fähig-keit des problemlösenden Handelns in den Vordergrund gerückt wird. Gute Problemlöser unterscheiden sich von schlechten Problemlösern, weil sie eine globale Problemlöseperspektive besitzen und den Text als Ganzes im Blick haben. Ihr Vorgehen gliedert sich in mehrere Phasen und ist ent-sprechend strukturiert. Es scheint unter diesen Umständen wichtig die Handlungsbewusstheit (gute SchreiberInnen wissen, was sie tun) beim Schreiben zu fördern, um literale Kompetenz auszubauen (vgl. Feilke 2006, 9).

Die Schwierigkeiten des Schreibprozesses können aber auch als Chan-cen verstanden werden literale Kompetenz zu fördern. So kann die Abwe-senheit eines Adressaten dazu genutzt werden abstrakte Adressatenkon-

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zepte zu entwickeln. Wenn man Lernenden diesen Umstand bewusst macht, kann sinnvoll erarbeitet werden, welche Formulierung und Struk-turierung beispielsweise ein Argument braucht, um von der Allgemeinheit verstanden zu werden. Auch die Langsamkeit beim Schreiben kann für die Entwicklung der Planungs- und Überarbeitungskompetenz genutzt wer-den (vgl. Feilke 2006, 10). SchreiblernerInnen sollten also ein metakogniti-ves Bewusstsein für den eigenen Schreibprozess entwickeln, sie sollten lernen ihre Sprache, ihren Text und ihre Vorgangsweise reflektieren zu können, um ihr Schreibziel umsetzen zu können. Schreibaufgaben in die-sem Sinne beziehen Planung und Überarbeitung mit ein und enthalten bestenfalls die Möglichkeit zur Reflexion des Schreibprozesses.

Daraus ergibt sich für die didaktische Forschung, dass der Blick auf Schreibprozess bzw. Schreibentwicklungsprozess und Schreibprodukt sich nicht kontrastiv gegenüberstehen darf, sondern beide Perspektiven mitei-nander verbunden werden müssen. (Feilke 2006, 11) Im Bereich der Schrei-bentwicklung konnte gezeigt werden, dass ein enger Zusammenhang zwi-schen der Entwicklung des Problemlösens und der entsprechenden sprach-lichen Fähigkeit besteht. Im Bereich des Argumentierens stellte man so beispielsweise fest, dass komplexen sprachlichen Formen einfache „und-dann-Verknüpfungen“ vorausgingen. Außerdem konnte gezeigt werden, dass zwischen sprachlich ausgereiften Verwendungen im mündlichen und dem Gebrauch derselben Äußerungen im schriftlichen Bereich ebenfalls ein Entwicklungszeitraum lag, was viele Parallelen zum Fremdsprachener-werb aufweist (vgl. Feilke 2006, 11). Es kann hier gleichzeitig noch einmal gezeigt werden, dass das Konzept der Aufgabenorientierung für den Fremdsprachenunterricht sich mit dem Schriftspracherwerb vereinbaren lässt.

Schreiben beansprucht also die Umstrukturierung sprachlichen Wissens und ist einer Entwicklung unterworfen. Die Entwicklung der Problemlöse-fähigkeit ist jedoch nicht altersgebunden, sondern abhängig von der Schreiberfahrung. Man kann also festhalten, dass Lebensalter nicht gleich Schreibalter ist, denn erwachsene Analphabeten durchlaufen gleiche Ent-wicklungsstufen wie jüngere SchreibanfängerInnen (vgl. Feilke 2006, 11). Gerade diese Tatsache macht ein standardisiertes Überprüfungsverfahren schwierig, wenn die Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf ihre Schreiberfahrung nicht die gleichen sind. Denn wenn sprachliche Sozialisation (vgl. Kulturaspekt) ein Aspekt der literalen Kom-petenz darstellt, müsste die Institution Schule einen Ausgleich durch eine gerechte Basis im Bereich der Schreiberfahrung herstellen, um allen Ler-nenden gleiche Chancen zu ermöglichen. Solange dies aber aufgrund der Differenzierung und Ungleichheit im Schulsystem nicht erfüllt wird, dar-über hinaus die Entwicklungsperspektive auf den Schreibprozess kaum

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beachtet wird, werden auch standardisierte Verfahren nichts am eigentli-chen Problem des Schulsystems ändern.

Schreiben als problemlösendes Handeln führt automatisch zu unter-schiedlichen Lösungen der verschiedenen SchreiberInnen, es ist demnach strukturell kreativ. Didaktisch ergibt sich daraus, dass die Gestaltung von Schreibanlässen für divergierende Problemlösungen anzulegen ist und eine hohe Fehlertoleranz aufweisen sollte. (Feilke 2006, 12) Nach Beschreibung des Handlungsaspekts wird deutlich, dass Schreiben mehr ist als die Inter-nalisierung von vorgegebenen Normen und Werten der Literalität (Kultur-aspekt). Es entwickeln sich vielmehr nach innengeleitete, konstruktive Prozesse von Problemlösestrategien und Regeln.

Es empfiehlt sich daher didaktisch eine entwicklungsorientierte Analyse und ei-ne lernersensitive Beurteilung der Problemlösewege der Schreiberinnen und Schreiber vorzunehmen. (Feilke 2006, 11)

8.1.3 Der Strukturaspekt

In diesem Punkt muss zwischen geschriebener Sprache, schriftlicher Sprache und Schriftsprache unterschieden werden. (Ludwig 1983; Ehlich 1983) Unter geschriebener Sprache ist die Übertragung von Sprache in Schrift unter rein medialem Aspekt zu verstehen. SchreibanfängerInnen sind auf dieser Stufe zu verorten, ebenso steht in der historischen Entwicklung von Volks-sprache anfangs rein „medial geschriebene“ Sprache (vgl. Feilke 2006, 12). Diese geschriebene Sprache entwickelt sich von medial schriftlich zu kon-zeptionell schriftlich (vgl. Koch/Oesterreicher 1994). Schriftliche Sprache weist im Unterschied zu geschriebener Sprache eigenständige Formmerk-male auf, die das Lesen und Verstehen unterstützen (vgl. Feilke 2006, 12).

Schriftsprache ist nun die historisch tradierte Form einer Sprache. Im mündlichen Sprachgebrauch wird diese Form nicht verwendet, die formale Einheit der Sprache findet sich nur in der Schrift. Deshalb wird Schriftspra-che zur standardsprachlichen Varietät einer Sprache, die sprachlichen Merkmale werden verbindlich. (Feilke 2006, 12) Die literale Kompetenz ist weder im Bereich der geschriebenen, noch der schriftlichen Sprache anzu-siedeln. Es reicht nicht aus die Zeichen einer Sprache aufschreiben zu kön-nen. Vielmehr muss man die Formmerkmale schriftlicher Sprache beherr-schen. Es geht hierbei um konzeptionelle Schriftlichkeit, also die Orientie-rung an und die Konstruktion von sprachlichen Explizitformen auf praktisch jeder Ebene der Sprache, vom Laut über das Wort und den Satz bis zum Text. (Feilke 2006, 13)

Explizitformen ermöglichen erst kontextunabhängiges Sprachverstehen und existieren auf allen sprachlichen Ebenen (Wort, Satz und Text). Ein Text im Sinne geschriebener Sprache, z.B. wenn ihn ein/e SchülerIn der 1. Klasse verfasst, ist wahrscheinlich prinzipiell verstehbar, wenn der/die LeserIn den Kontext, in dem der/die SchülerIn ihn verfasst hat, kennt. Ein

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solcher Text genügt jedoch nicht den Ansprüchen konzeptioneller Schrift-lichkeit. Diese fordert maximale formale (sprachstrukturelle) Absicherung des Verstehens bzw. maximale Kontextunabhängigkeit für alle sprachlichen Formebe-nen. (Feilke 2006, 13) Genau diese Explizitformen stellen oft Schwierigkei-ten für SchreiberInnen dar. Viele Schülerinnen und Schüler nehmen diese zu genau, sie explizieren beispielsweise genau das, was sie bei der Artiku-lation eines Wortes hören (Hempt statt Hemd) oder glauben eine semanti-sche Struktur zu erkennen (Muskeltier statt Musketier) (vgl. Feilke 2006, 13 f.). Zu diesen Explizitformen können Kinder jedoch nur über die Entwick-lung eines „literalen Sprachbewusstseins“ kommen, was durch Schrift-spracherfahrung und Schriftsprachaufmerksamkeit erreicht werden kann. (Feil-ke 2006, 14)

8.2 Der Schreibprozess

In den vergangenen Kapiteln wurde bereits viel über die Sichtweise eines produktorientierten und prozessorientierten Schreibens bzw. Schreibunter-richts gesprochen. Nach Feilke (2006) dürfen sich diese beiden Perspekti-ven nicht ausschließen, sondern müssen gemeinsam im Blick stehen, um Schreibkompetenz bei Schülerinnen und Schülern auszubauen. In diesem Kapitel soll nun die Perspektive des Schreibprozesses näher betrachtet wer-den. Dazu wird das Schreibprozessmodell von Hayes und Flower (1980) herangezogen, welches bereits mehrmals erwähnt wurde und auf dessen Basis die Bildungsstandards im Bereich „Schreiben“ entwickelt wurden. Vorab sei erwähnt, dass das Verständnis von Schreiben als Prozess eben-falls eine Perspektive auf die Schreibentwicklung eröffnet. Diese wird je-doch im nächsten Kapitel gesondert behandelt und hier höchstens peripher gestreift.

Die Entwicklung des Schreibprozessmodells entstammt der „kognitiven Wende“, die sich von der textlinguistischen Betrachtung eines Schreibpro-dukts zu kognitionspsychologischen Betrachtungen des Schreibprozesses beschreiben lässt. Die Datenbasis für ihre Untersuchungen gewannen Hayes und Flower anhand von „Thinking-aloud-Protokollen“, in denen die ProbandInnen während des Schreibvorgangs zu „lautem Denken“ aufge-fordert wurden (vgl. Fix 2008, 36).

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Darst. 9: Schreibmodell Hayes und Flower 198021

Das Modell schafft es den Schreibprozess systematisch zu beschreiben und in seine einzelnen Teile zu zerlegen. (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 26) Der zu schreibende Text wird als ein „ill-defined problem“ bezeichnet, was den Schreibprozess als ein ungeklärtes Problem mit offener Lösung be-schreibt. Der Schreibprozess ist abhängig von seinem Aufgabenumfeld, zu dem Adressat, Motivation und Thema zählen, und dem Wissen des Autors, welches im Langzeitgedächtnis gespeichert ist (vgl. Fix 2008, 36). Das Schreibmodell besteht aus drei Phasen, deren Ablauf von einem Monitor überwacht wird. In der ersten Phase des „Text-Planens“ entwirft der/die SchreiberIn einen Plan für sein/ihr Vorgehen, indem er/sie aus dem Lang-zeitgedächtnis gespeicherte Informationen zu Adressat, Thema und mögli-chen Schreibplänen abruft (vgl. Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 26). Hier wird das Schreibvorhaben strukturiert, das Schreibziel entworfen, Informa-tionen werden geordnet und ausgewertet (vgl. Fix 2008, 37).

In der Formulierungsphase geht es um die Versprachlichung des Tex-tes, die entweder bottom-up (Wörter werden gesucht und zu Sätzen ver-bunden) oder top-down (Satzschema wird gewählt und mit Wörtern ge-füllt) gesteuert verlaufen kann. Beim Formulieren findet zusätzlich eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Inhalt statt, denn auf der Suche nach einer passenden sprachlichen Form werden auch Gedanken weiterentwi-ckelt und Unpassendes wieder verworfen (vgl. Fix 2008, 37 f.). Hier wird eine enge Verknüpfung des Formulierens mit dem Überarbeiten deutlich. Überarbeiten kann also schon vor dem eigentlichen Schreibvorgang als

21 URL: http://spzwww.uni-muenster.de/~griesha/eps/wrt/prozess/hayesuflowers.

html [Stand: 01.05.2011].

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Prätext im Kopf stattfinden und somit mit der Phase des Formulierens zusammenfallen. Bei einem bereits niedergeschriebenen Text wird ein semantischer Abgleich zwischen den Vorstellungen, die der/die Schreibe-rIn sich überlegt hat und dem tatsächlich Formulierten getätigt. Wenn hier eine große Differenz vorliegt, greift der/die AutorIn in den Text ein und überarbeitet diesen (vgl. Fix 2008, 38).

Da Schreiben in Schreibprozessmodellen als problemlösendes Handeln gesehen wird, müssen Aufgabenstellungen dieser Sicht entsprechen. Fix (2008) unterscheidet zwischen Aufgaben, die eine klare Lösung durch Ein-bezug eines bestimmten Wissens erwarten und Problemaufgaben, die le-diglich Operatoren für den Lösungsweg benennen, Verlauf und Ergebnis jedoch nicht im Voraus bestimmt werden können (vgl. Fix 2008, 39).

Am Hayes-Flower-Modell ist in mehrerer Hinsicht Kritik geübt und in Folge dessen Erweiterungen verfasst worden, auf die jedoch nicht explizit eingegangen werden soll. Für die Analyse der Aufgaben der Bildungsstan-dards reicht es aus, Schreiben als einen mehrphasigen Problemlöseprozess zu verstehen, der auch in den Aufgaben und deren Beurteilung berücksich-tigt werden sollte.

Abraham et al. (2007) wählen zur Modellierung der Schreibkompetenz das Schreibentwicklungsmodell von Carl Bereiter (1980), welches als Schreibkompetenzmodell aufgefasst wird, und setzten es mit einem Schreibprozessmodell in Beziehung. Das Modell von Bereiter geht davon aus, dass beim Schreiben unterschiedliche Fähigkeiten beteiligt sind, die sich mit zunehmender Schreibkompetenz ausdifferenzieren. Diese Wis-sens- oder Fähigkeitssysteme sind: • flüssiges Produzieren von geschriebener Sprache • das Generieren von Ideen • die Beherrschung von Schreibkonventionen • die Fähigkeit beim Schreiben die Sicht eines Lesers einzunehmen • literales Verständnis und Unterscheidungsvermögen • reflexives Denken (Abraham et al. 2007, 6) Bereiter unterscheidet zwischen fünf „stages“, die sich vor dem Hinter-grund der komplexer werdenden Integration der Teilsysteme entwickeln. (Abraham et al. 2007, 6) Da es sich bei der Entwicklung dieser Bereiche um kognitive Fähigkeiten handelt, die in Verbindung mit motivationalen und sozialen Aspekten zur Lösung von (Schreib)problemen beitragen, spricht Feilke von Teil-kompetenzen. Feilke bezieht sich hier auf die Definition des Kompetenzbe-griffs nach Weinert, der auch den Bildungsstandards zu Grunde liegt, und schafft es so ein Schreibentwicklungsmodell zu einem Schreibkompetenz-modell weiterzuentwickeln.

Diese Teilkompetenzen nach Bereiter sind:

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• assoziatives Schreiben: Hier wird das Produzieren geschriebener Sprache mit der Fähigkeit verbunden Ideen zu generieren. Beispielsweise schreiben Kinder alles auf, was ihnen einfällt ohne auf eine Reihenfolge zu achten.

• normbewusstes Schreiben: Beim Aufschreiben werden Schriftsprachkon-ventionen zunehmend beachtet. Für ungeübte SchreiberInnen besteht die Schwierigkeit darin, dass sie sich stark auf diese Konventionen kon-zentrieren müssen und so der Schreib- und Gedankenfluss gehemmt werden kann.

• kommunikatives Schreiben: Das normbewusste Schreiben wird mit der sozialen Wahrnehmung verbunden. Der/die potenzielle LeserIn wird in Bezug auf sein/ihr Wissen, seine/ihre Interessen und seinen/ihren Standpunkt vom/von der SchreiberIn berücksichtigt.

• vereinigtes Schreiben: Zusätzlich zum Kommunikativen Schreiben kann das eigene sprachlich-literarische Urteilsvermögen selbstkritisch einge-schätzt werden. Eine Rückmeldeschleife wird durch bereits erworbene Lese- und Schreibfähigkeit ausgelöst, die den/die SchreiberIn befähigt einen persönlichen Stil und eigene Standpunkte zu entwickeln. Schrei-ben wird zunehmend authentisch.

• epistemisches Schreiben: Schreiben trägt zum Erkenntnisgewinn bei. Schreiben evoziert und intensiviert die Suche nach Bedeutung und wird zu einem integralen Bestandteil des Denkens. (Bereiter, in: Abraham et al. 2007, 6 f.)

Im Weiteren nimmt Feilke Bezug auf das Schreibprozessmodell von Wro-bel, welches eine Erweiterung des Hayes-Flower-Modells darstellt. Wrobel (1995) postuliert für das Schreiben eine handlungstheoretische Einbettung: Es sollen die allgemeinen Bedingungen für komplexes Handeln gelten. Dabei hat der Handelnde ein Motiv, handelt zu einem bestimmten Zweck mit einem bestimmten Ziel, entwickelt einen Plan und Strategien und reali-siert diese in Teilhandlungen mit entsprechenden Subplänen. (Fix 2008, 45) Der Schreibende bewegt sich dabei in einem Handlungsraum, in dem er zu jedem Zeitpunkt entscheiden muss, welche Handlung aus einer Reihe von möglichen Handlungen er als nächste auswählt. (Fix 2008, 45) Wrobel ge-langt dabei zu folgenden Teilschritten des Schreibprozesses: Planen, For-mulieren, Inskribieren (im Sinne von Aufschreiben), Überprüfen/Revidie-ren.

Diese Teilhandlungen setzt Feilke nun in Beziehung zu den Teil-kompetenzen des Bereiter-Modells:

Fähigkeiten nach Bereiter (1980) Teilprozesse nach Wrobel (1995)

Geschriebene Sprache produzieren Inskribieren

Ideen und Einfälle finden Thematisch-inhaltliches Planen

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Beherrschen von Schreibkonventionen Formulieren, Überprüfen/Revidieren, auch Planen der Schreibhandlung

sich adressatenorientiert verhalten Formulieren, Planen der Schreibhand-lung

Geschriebenes differenziert beurteilen Überprüfen/Revidieren

Schreiben als Mittel des Denkens einset-zen

Planen, Formulieren, Überprüfen/Re-vidieren

Darst. 10: Verhältnis von Schreibentwicklung und Schreibprozess (Abraham et al.

2007) Anhand dieser Gegenüberstellung zeigt Feilke deutlich, dass die einzelnen Teilprozesse des Schreibens nicht strikt aufeinander folgend ablaufen. Vielmehr verhalten sie sich iterativ, interaktiv und rekursiv zueinander (vgl. Abraham et al. 2007, 9). Iterativ bedeutet, dass die Phasen sich während des Schreibprozesses wiederholen können, d.h. ein fertiges Textprodukt kann erst nach mehreren Versuchen entstehen. Dass die einzelnen Phasen miteinander in Verbindung stehen, also sich interaktiv zueinander verhal-ten, sieht man unter anderem daran, dass es zu jedem Zeitpunkt des Textverfassens möglich ist neue Ideen in den Prozess mit einzubeziehen. Wenn erste Schreibversuche durch Überarbeitungen verändert werden, wird über das Überarbeiten selbst nachgedacht, d.h. die Teilprozesse sind auf sich selbst beziehbar, also rekursiv (vgl. Abraham et al. 2007, 10).

Feilke betont allerdings im Anschluss an seine Gegenüberstellung, dass das Schreibentwicklungsmodell nur einen Rahmen für Kompetenzen auf-spannt und nicht alle Teilkompetenzen für das Schreiben erfasst. Ein gelin-gender Schreibunterricht darf sich deshalb nicht auf Handlungsbegriffe als Zielgröße beschränken, sondern muss ebenfalls die (text)grammatischen Bedingungen für eine Textproduktion zum Thema machen. Darunter sind spezifische sprachliche Formen einer Textsorte zu verstehen, so braucht beispielsweise ein Bericht andere grammatische Strukturen und Stilmittel als eine Erzählung (vgl. Abraham et al. 2007, 10). An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die „Literalen Prozeduren“ (beschrieben in Kapitel 4.3) hinweisen, deren didaktisches Konzept sich in meinen Augen gut eignet, diese spezifischen sprachlichen Formen einer Textsorte zu vermitteln.

8.3 Anforderungen an Schreibaufgaben

Nachdem nun versucht wurde die Schreibkompetenz in ihrem literalen Kontext näher zu beleuchten, muss noch geklärt werden wie kompetenz-orientierter Unterricht und da speziell kompetenzorientierte Schreibaufga-ben gestaltet sein sollten.

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Zunächst einmal werden noch zwei Maximen erläutert, die bei der Konstruktion von Schreibaufgaben zu beachten sind und dies unabhängig davon, ob es sich um eine Lern- oder Testaufgabe handelt. Zum einen muss der Schwierigkeitsgrad einer Schreibaufgabe bestimmt werden, denn Schreibkompetenz ist dadurch gekennzeichnet, dass Aufgaben eines be-stimmten Schwierigkeitsgrades erst ab einer bestimmten Kompetenzstufe und nicht auf einer niedrigeren gemeistert werden können (vgl. Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 60). In Kapitel 3.3 wurde bereits das Kompetenz-modell „Schreiben“ nach Becker-Mrotzek/Schindler erläutert und dabei erwähnt, dass sich der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe daraus ergibt, inwieweit Wissen einzusetzen und umzustrukturieren ist. Hier sollen nun exemplarisch einfache, schwierige und komplexe Schreibaufgaben vonei-nander unterschieden werden.

Einfache Aufgaben sind dabei solche, bei denen Textstrukturen unter ein-fachem Rückgriff auf vorhandenes Wissen hergestellt werden können. (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 60) Die Logik des Gewussten kann die Darstellung in Texten soweit strukturieren, dass eine einfache Wiedergabe des Gewussten eine kommunikative Situation erfüllt. Dies sind zum Bei-spiel Erzählungen selbst erlebter Ereignisse oder das Beschreiben bekann-ter und sichtbarer Gegenstände. (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 60) Für die Bewältigung schwieriger Aufgaben muss das Gewusste für die Darstel-lung umstrukturiert, d.h. unter einer bestimmten Perspektive verändert werden. Die Logik des Gewussten muss mit Blick auf die kommunikative Funktion verändert werden. (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 61) Einige Beispiele wären das Instruieren, das Berichten, das Zusammenfassen/Re-produzieren und das Protokollieren. Exemplarisch verdeutlicht werden soll dies am Instruieren, das darauf abzielt, die Ausführung von Handlungen zu vermitteln. Die Darstellung in Bedienungsanleitungen muss sich dem-nach nicht an der Gerätelogik, sondern an der Bedienungslogik orientieren. Dies ist jedoch nur möglich, wenn bei der Textproduktion eine mögliche Bedienungssituation antizipiert und das Sachwissen entsprechend adap-tiert wird. (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 61) Unter komplexe Schreibaufga-ben fallen beispielsweise die Textanalyse, die Rezension, das Referat, die Prä-sentation und die Facharbeit. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass selbst geschaffenes Wissen in zusammenhängender und logischer Form darge-stellt werden muss. Dafür muss bereits Gewusstes mit fremdem Wissen (angeeignet durch das Lesen von Texten) und eigenen Beobachtungen verbunden werden, um so neues Wissen zu schaffen, welches mit einem bestimmten Ziel unter Beachtung von Schreibkonventionen und mit Blick auf die Adressaten darzustellen ist (vgl. Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 62 f.). Inwieweit die Annahme dieser Kompetenzstufen (= Aufgabenschwie-rigkeitsgrad) und der Schreibentwicklungsverlauf übereinstimmen wird in Kapitel 10.1 behandelt werden. Dabei soll auch berücksichtigt werden,

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welche Auswirkungen die Ergebnisse auf curriculare Schreibaufgaben bzw. die Bildungsstandards haben. Diese Einteilung des Schwierigkeits-grades stützt nun die Annahme, dass es sich bei den Schreibaufgaben der Baseline-Testung 2009 um Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierig-keitsgrad handelt, denn eine Erzählung wäre im Bereich der schwierigen Aufgaben zu verorten, während die Argumentation bereits Kennzeichnen komplexer Schreibaufgaben trägt.

Zum anderen sollten Schreibaufgaben auf Differenzierung achten, denn der Schreibprozess vollzieht sich individuell. In einer heterogenen Schul-klasse kann demnach nicht davon ausgegangen werden, dass erstens alle SchülerInnen das gleiche Vorwissen in Bezug auf die Schreibaufgabe besit-zen, zweitens alle Beteiligten über den gleichen Grad an literaler Erfahrung verfügen (vielen ungeübten SchreiberInnen fällt es schwer sich neben dem Inhalt auf Adressaten und Schreibkonventionen zu konzentrieren; betrifft vor allem bildungsferne Schichten mit wenig literaler Vorbildung im El-ternhaus), drittens zwischen Jungen und Mädchen gleiche Motivation und gleiches Interesse für ein Thema vorliegen, viertens selbstständiges Arbei-ten bei allen Lernenden im gleichen Ausmaß vorliegt und fünftens dieselbe Schreibstrategie angewandt wird (vgl. Fix 2008, 132).

Neben diesen interindividuellen Unterschieden kann es zusätzlich zu intraindividuellen Unterschieden kommen: Ergebnisse einer Untersuchung zweier unterschiedlicher Schreibaufgaben haben gezeigt, dass SchülerIn-nen durchaus aufgabenspezifisch reagieren. Jede Aufgabe erfordert die Aktivierung anderer Wissenskomponenten, deshalb kann es beispielsweise demselben Schüler bei einer Inhaltsangabe durchaus gut gelingen sein Vorwissen einzusetzen, während dies beim freien Schreiben nicht der Fall sein muss und vice versa. (Fix 2008, 133 f.)

Fix (2008) unterscheidet zwischen quantitativer und qualitativer Differen-zierung. Quantitative Differenzierung bezieht sich auf die Textlänge und das Arbeitstempo, wie auch die Anzahl der Überarbeitungsdurchgänge. Der Zeitrahmen sollte dabei so gewählt sein, dass die Schreibenden den Schlusspunkt ihres Schreibprozesses selbst bestimmen können. Bei der qualitativen Differenzierung wird versucht die verschiedenen Wissensbe-stände und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen. Dies kann entweder durch die Abstufung des Komplexitätsgrades einer Aufgabenstellung erfolgen (mehr/weniger Hilfen durch vorgegebene Stichwörter, Bilder, Satzanfänge, Wortlisten) oder durch Zuwendung und Hilfestellung durch LehrerInnen und MitschülerInnen (vgl. Fix 2008, 134).

Daraus kann für die Aufgaben der Bildungsstandards folgende Schluss-folgerung gezogen werden: 1. Schreibkompetenz sollte nicht anhand einer einzelnen Aufgabe

überprüft werden, da intraindividuelle Unterschiede nicht sichtbar werden und dadurch keine aussagekräftigen Ergebnisse abgeleitet

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werden können. Wenn zeitliche Gründe gegen die Überprüfung zweier Schreibaufgaben sprechen, sollte den Schülerinnen und Schülern aller-dings die Wahl zwischen verschiedenen Aufgaben zur Verfügung ste-hen.

2. Der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe kann über die qualitative Differenzierung variiert werden, so dass auch schwächere Schülerin-nen und Schüler die Aufgabe erfolgreich und motiviert bewältigen können. Hier besteht die Möglichkeit dieselbe Aufgabenstellung allen Schülerinnen und Schülern zu geben, die dann nach Bedarf Hilfsmate-rial zur Verfügung gestellt bekommen. Dies kann dann durchaus in die Bewertung einfließen, je nachdem, welche oder wie viele Hilfen der Schreibende in Anspruch genommen hat.

Im folgenden Abschnitt sollen nun Kriterien für kompetenzorientierte Schreibaufgaben postuliert werden. Es wurde bereits gezeigt, dass Schrei-ben ein Prozess ist, der sich in mehrere Phasen gliedert. Schreibaufgaben sollten deshalb die Ausbildung dieser einzelnen Teilprozesse und Teil-kompetenzen unterstützen und durch intensives Üben die einzelnen Teil-prozesse so miteinander verbinden, dass eine zunehmende Automatisie-rung zu kognitiver Entlastung führt, damit die Bewältigung von komple-xen Schreibaufgaben möglich wird. Ebenso muss das Überarbeiten als Pro-zess betrachtet werden, denn nur die Etablierung eines Sprachbewusstseins führt zur Verbesserung von Texten (vgl. Abraham et al. 2007, 13).

Schreibaufgaben sind darüber hinaus als problemlösendes Handeln zu verstehen. In diesem Bereich besteht für unerfahrene SchreiberInnen eine Schwierigkeit in der „zerdehnten Sprechsituation“ (Ehlich 1983), also in der räumlichen und zeitlichen Trennung von Produktion und Rezeption, von SchreiberIn und LeserIn. Die Abwesenheit des Adressaten ermöglicht eben keine direkten Reaktionen, Rückmeldungen oder Fragen, die ansons-ten den Verlauf einer Kommunikation bestimmen. Deshalb sollten Schreib-aufgaben so situiert sein, dass die Lernenden darauf mit einer sinnvollen Textform reagieren können (vgl. Bachmann/Becker-Mrotzek 2010, 195). Dafür müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: • Der zu schreibende Text muss eine identifizierbare Funktion erfüllen.

Schülerinnen und Schüler müssen erkennen können, welches Problem bearbeitet werden soll. Daraus resultiert, dass sie das Ziel und den Ad-ressaten kennen müssen, um sinnvolle Entscheidungen über Aufbau, propositionalen Gehalt und die Auswahl der sprachlichen Muster und Mittel zu treffen.

• Schülerinnen und Schüler müssen die Gelegenheit bekommen sich das erforderliche Wissen (Weltwissen und sprachliches Wissen) anzueig-nen.

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• Der Text sollte in einem Kontext sozialer Interaktion eingebettet wer-den, da die Zerdehnung der Sprechsituation so leichter überwunden werden kann.

• Die Schülerinnen und Schüler sollten Gelegenheit bekommen die Wir-kung ihres Textes auf den/die LeserIn zu überprüfen, so wie sie es von der mündlichen Kommunikation gewohnt sind. (Bachmann/Becker-Mrotzek 2010, 195)

Bachmann konnte 2005/06 (Bachmann et al. 2007) in einer Studie zeigen, dass gut strukturierte und tief in soziale Interaktion eingebettete Aufga-benstellungen die Ausdifferenzierung pragmatischer Schreibfähigkeiten positiv beeinflussen. Darüber hinaus konnten so ungünstige Startbedin-gungen wie „Bildungsferne“ oder „Deutsch als Zweitsprache“ zu Teilen kompensiert werden. (Bachmann/Becker-Mrotzek 2010, 197)

Ferner sollten Schreibaufgaben authentisch gestaltet sein, d.h. sie sollten den Anschluss an die Lebenswirklichkeit, die auch medial zu sehen ist, suchen. (Abraham et al. 2007, 15) Natürlich hat die Schule das Problem die Wirklichkeit des „echten“ Lebens konstruieren zu müssen. Nichtsdesto-trotz findet im Unterricht, wie in jedem anderen gesellschaftlichen Hand-lungsraum, das Leben statt (vgl. ebda., 15). Diese Authentizität der Aufga-ben kann über Alltagsnähe und die Einbettung in glaubwürdige Kontexte erreicht werden (Abraham et al. 2007, 15), denn erst wenn Schreiben von den Lernenden als individuell bedeutsam erlebt wird, kann die Fähigkeit und die Motivation zum selbstständigen Handeln ausgebildet werden (vgl. Bräuer/Schindler 2010, 3).

Zum Abschluss dieses Kapitels soll noch einmal betont werden, dass kompetenzorientierte Aufgaben einen nachvollziehbaren Handlungszu-sammenhang aufweisen müssen. Neben dem Weltwissen (Sachkompe-tenz), das entweder vorhanden ist oder ansonsten geliefert werden muss und Kenntnissen über die erwartete Textsorte, müssen Schreibaufgaben ein für die Schülerinnen und Schüler identifizierbares Ziel vorgeben, das echte oder vorstellbare Adressaten kommunikativ erreichen soll. Die Aufgabe muss durch einen Lebensweltbezug die Motivation und Selbstständigkeit der Lernenden fördern. Darüber hinaus müssen die Bewertungskriterien offen liegen, um den Schülerinnen und Schülern eine faire Orientierung für den Schreibprozess zu liefern (vgl. Becker-Mrotzek/Jost/Knopp 2010, 2).

Außerdem ist bei Testaufgaben zu beachten, dass sie immer einen et-was niedrigeren Schwierigkeitsgrad aufweisen sollten, als die zuvor geüb-ten und trainierten Lernaufgaben (vgl. Abraham et al. 2007, 15).

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9 Ableitung eines Kriterienkatalogs

In diesem Abschnitt soll nun ein Kriterienkatalog sowohl für Lernaufgaben als auch für Testaufgaben aus den bisher erarbeiteten Ergebnissen abgelei-tet werden. Für die Bereiche der Aufgabenorientierung und Kompetenzor-ientierung beschrieben in Kapitel 7 und 8 sei an dieser Stelle auf eine Schwierigkeit hingewiesen. Unter Aufgabenorientierung ist ein didakti-sches Konzept zu verstehen, dessen Aufgaben immer im Kontext der un-terrichtlichen Situation betrachtet werden müssen. Es ist deshalb schwierig Aufgabenbeispiele auf Kriterien der Aufgabenorientierung zu untersuchen, ohne sie in Bezug auf den eingesetzten Kontext zu kennen. Portmann-Tselikas (2006) verweist eben genau auf diesen Punkt, wenn er sagt, dass Aufgaben nicht gleichzusetzen sind mit der Aufgabenformulierung. Auf-gabenformulierungen sind dann erfüllt, wenn sie den Adressaten, in dem Fall die Schülerinnen und Schüler, richtig informieren und orientieren. Sie sind demnach für Lernende gedacht, verlangen eine Fragestellung oder Aufforderung, informieren über Themen, liefern Materialien und Angaben zu den erwarteten Aktivitäten der Lernenden und zu den Resultaten, die aus ihnen erwachsen, und optimalerweise enthalten sie auch Angaben, die die Aufmerksamkeit auf Sprache sowie die Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstbeurteilung des Lernenden fördern. (Portmann-Tselikas 2006, 185)

Aufgabenformulierungen sind nach dem Eisberg-Prinzip gestaltet und nur ein Teil des didaktischen Ganzen. (Portmann-Tselikas 2006, 185)

Viele der Kriterien, die beispielsweise das Konzept der Aufgabenorientie-rung fordert, sind aus der Aufgabenformulierung nicht ersichtlich und werden einfach vorausgesetzt. Portmann-Tselikas entwirft ein Vier-Felder-Schema, in dem jede Aufgabe anzusiedeln und zu interpretieren ist.

Lernziele

Unterrichtsbedingungen AUFGABE Adressaten

Lerntheorie

Darst. 11: Vier-Felder-Schema (Portmann-Tselikas 2006, 184) Darüber hinaus sieht Portmann-Tselikas ein begriffliches Problem, welches sowohl auf Kompetenzorientierung als auch auf Aufgabenorientierung zutrifft. Aufgaben sind in einer anderen Sprache formuliert als die meisten der Kriterien, die Fach- und Bezugswissenschaften benennen. Eine Über-tragung oder eine Analyse von Aufgabenformulierungen erweist sich des-halb oft als schwierig. Formulierungen sind meist durch pragmatische

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Begriffe gekennzeichnet: Sie thematisieren Tätigkeiten, Ziele, Intentionen, Materialien usw. Die Kriterien, die an Aufgaben gestellt werden, entstam-men theoretischen Modellierungen und weisen deshalb auch die fachliche Sprache ihrer Disziplin auf und sind sehr abstrakt gehalten. Aus dieser sprachlichen Differenz ergibt sich dann, dass aus den Kriterien keine Auf-gaben ableitbar sind. (Portmann-Tselikas 2006, 186)

Als Beispiel wird an dieser Stelle angeführt, dass es für das Kriterium der „tiefen Verarbeitung“ kein sprachlich konkretes Aktivitätsbündel gibt, das dieses Kriterium realisiert. (ebda., 186)

Trotz dieser Schwierigkeit soll nun ein Kriterienkatalog erstellt werden, der im praktischen Teil dieser Arbeit auf die Test- und Beispielaufgaben des Bildungsstandards „Schreiben“ angewendet wird. Klar werden soll allerdings, dass die Auswertung der Aufgaben immer einen Interpretati-onsspielraum offen lassen wird, so dass die Ergebnisse durchaus zu einer Diskussion anregen können. Der Kriterienkatalog wird getrennt für Lern-aufgaben und Testaufgaben entwickelt, denn wie gezeigt wurde, gibt es spezielle Kriterien für jeden Aufgabentyp.

9.2 Kriterien für Lernaufgaben

Kriterium Erklärung Forderung

Der Schreibprozess

Teilprozesse in einer kom-plexen Schreibaufgabe expli-zit berücksichtigen

Schreibkompetenz setzt sich aus den Teilkompe-tenzen „Planen“, „Formu-lieren“ und „Überarbei-ten“ zusammen.

Komplexe Aufgaben soll-ten so strukturiert sein, dass sie die Teilprozesse „Planen“, „Formulie-ren“ und „Überarbei-ten“ explizit berücksichti-gen.

eigene Aufgabenstellungen zu Teilprozessen konzipieren

Jede Teilkompetenz des Schreibprozesses verlangt eine eigene Form des Wissens und Handelns (z.B. benötigt Überarbeiten metakognitives Wissen).

Die Teilprozesse „Planen“, „Formulieren“ und „Über-arbeiten“ sollten isoliert geschult und anschließend in den komplexen Schreib-prozess integriert werden.

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Reflexion des Schreib-prozesses ermöglichen

Selbstreflexion führt zu einer tiefen Verarbeitung der geforderten Fähigkei-ten, stärkt die Motivation sowie selbstständiges Handeln und erleichtert das Arbeiten an Schwä-chen.

Lernaufgaben sollten die Möglichkeit zur Reflexion des eigenen Schreibpro-zesses bieten.

Verlauf des Schreibprozesses beachten

Die Teilprozesse des Schreibens laufen nicht strikt nacheinander ab. Die einzelnen Phasen können sich während des Schreib-prozesses wiederholen (iterativ), stehen mitei-nander in Verbindung (interaktiv) und sind auf sich selbst beziehbar (re-kursiv).

Der Verlauf des Schreib-prozesses sollte bei der Konzeption von Lernauf-gaben und Lernsettings beachtet werden.

die Wirkung auf den/die LeserIn erfahrbar machen

Aus der mündlichen Kommunikation sind Schülerinnen und Schüler die Rückmeldung des „Adressaten“ gewohnt.

Aufgaben sollten die Wir-kung auf den/die LeserIn erfahrbar machen.

Der Handlungsraum

Selbstständigkeit und Selbst-tätigkeit fördern

Schreiben als problemlö-sendes Handeln erfordert Selbstständigkeit der Schreiberinnen und Schreiber.

Aufgaben sollten Selbst-ständigkeit und Selbsttä-tigkeit fördern.

Selbstevaluation und Selbst-reflexion fördern

Selbstevaluation und Selbstreflexion regen zu einer tiefen Verarbeitung des Gelernten an und helfen Schwächen und Stärken zu erkennen und realistisch einzuschätzen.

Selbstreflexion und Selbstevaluation sollten zu einem festen Bestandteil von Lernaufgaben gehö-ren.

verschiedene sprachliche Fähigkeiten integrieren

In realen Diskursen und Kontexten herrscht eine Verbindung aller sprachli-chen Fähigkeiten vor bzw. werden all diese Fähigkei-ten benötigt.

Aufgaben sollten eine Integration verschiedener sprachlicher Fähigkeiten erfordern, damit eine tiefe Verarbeitung des Gelern-ten erreicht wird.

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literales Bewusstsein aus-bauen

Schreiben lernt man nur durch Schreiben, wobei es wichtig ist, den Lernenden den Umgang mit den Konventionen der Schrift-sprache bewusst zu ma-chen.

Aufgaben sollten ein lite-rales Bewusstsein mittels Schriftspracherfahrung und durch Schriftsprach-aufmerksamkeit herstel-len.

Handlungsaufforderungen (Operatoren) angeben

Die Angabe von Operato-ren gibt den SchreiberIn-nen eine Orientierung, welche literale Handlung von ihnen erwartet wird.

Aufgabenstellungen soll-ten Operatoren angeben.

erkennbares Schreibziel angeben

Lernende müssen eine sinnvolle Entscheidung über Aufbau, propositio-nalen Gehalt und die Auswahl der sprachlichen Mittel treffen können.

Die Aufgaben sollten ein erkennbares Schreibziel aufweisen.

Der soziale Raum

Adressaten angeben Eine der größten Heraus-forderungen beim Verfas-sen komplexer Schreibauf-gaben stellt die Einnahme der Leserperspektive dar.

Die Aufgaben sollten einen realen oder fiktiven Adressaten angeben, um die Ausbildung der Leser-orientierung zu erleich-tern.

Kontext sozialer Interaktion herstellen

Im schriftlichen Sprachge-brauch herrscht eine „Zer-dehnung der Sprechsitua-tion“ vor.

Aufgaben sollten in einen Kontext sozialer Interakti-on eingebunden werden, damit die Zerdehnung der Sprechsituation leichter überwunden werden kann.

Sachkompetenz

Aneignung von Weltwissen ermöglichen

Nur SchreiberInnen, die über Sachwissen verfügen, können einen distanzier-ten und inhaltlich an-spruchsvollen Text schrei-ben.

Die Aufgabe sollte den Lernenden die Möglichkeit zur Aneignung des erfor-derlichen Weltwissens bieten.

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Bewertung durch die Lehrperson

Differenzierung beachten Die heterogenen Wissens-bestände der Lernenden erfordern eine Differenzie-rung des Schwierigkeits-grades. quantitative Differenzie-rung: Variation der An-zahl von Überarbeitungs-durchgängen, Berücksich-tigung verschiedener Arbeitstempi qualitative Differenzie-rung: Abstufung des Komplexitätsgrades durch Strukturierung und Hilfe-stellung

Aufgaben sollten sowohl qualitative als auch quan-titative Differenzierung aufweisen.

hohe Fehlertoleranz zulassen Schreiben ist strukturell kreativ und führt automa-tisch zu unterschiedlichen Lösungen.

Fehler sollten bei Lernauf-gaben nicht mit Sanktio-nen belegt oder als negativ betrachtet werden, da sonst der Schreib- und Problemlöseprozess ge-hemmt wird.

Verlaufsoffenheit und Ergeb-nisoffenheit herstellen

Schreiben als problemlö-sendes Handeln stellt die SchreiberInnen vor ein Problem, welches auf verschiedene Weise krea-tiv gelöst werden kann.

Der Lehrende sollte keine konkrete Lösung im Vor-feld bestimmen. Aufgaben sollten verlaufsoffen und ergebnisoffen sein. Die Aufgaben sollten genü-gend Zeit und Raum ge-ben, die unterschiedlichen Lösungswege zu reflektie-ren.

Schwierigkeitsgrad vorher bestimmen

Bei Schreibaufgaben wird zwischen einfachen, schwie-rigen und komplexen Auf-gaben unterschieden.

Der Lehrende sollte sich darüber bewusst sein, welchen Schwierigkeits-grad die Aufgabe auf-weist. Der Lehrende sollte den Schwierigkeitsgrad bereits bei der Konzeption der Aufgabe bestimmen und gleichzeitig die Be-wertungskriterien festle-gen.

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Inhaltliche, thematische Ausrichtung

am „realen“ Sprachgebrauch orientieren

Die SchreiberInnen müs-sen sich mit dem Inhalt der Aufgabe identifizieren können, damit Motivation für den Schreibprozess hergestellt wird.

Die Aufgaben sollten hohe Authentizität aufweisen.

Teilnahme an realen Diskur-sen ermöglichen

Diskurse behandeln meist ein gesellschaftlich rele-vantes Thema bzw. eine Fragestellung.

Aufgaben sollten die Teil-nahme an realen Diskur-sen ermöglichen.

9.2 Kriterien für Testaufgaben

Kriterium Anforderung an Testaufgaben

Testgütekriterien

Objektivität Der Test/die Aufgabe muss unabhängig vom Prüfenden das gleiche Ergebnis erzielen.

Reliabilität Der Test/die Aufgabe muss das zu messende Merkmal genau, stabil und zuverlässig messen.

Validität Der Test/die Aufgabe muss das messen, was er/sie zu messen vorgibt.

exakte Erfassung der Kompetenz

Items dürfen nur die gesuchte Kompetenz erfassen, andere Fähigkeiten dürfen nicht für die Lösung der Aufgabe relevant sein, z.B. Lesekompetenz.

Bestimmung des Schwierigkeitsgra-des

Die Komplexität der Aufgabe sollte sich aus der Anforderung der Textsorte ergeben (einfache, schwierige und komplexe Aufga-ben). Der Schwierigkeitsgrad der Testaufgabe sollte etwas unter dem der Lernaufgaben liegen (Hilfestellung, Differenzierung).

quantitative Diffe-renzierung

SchülerInnen sollten ausreichend Zeit zur Verfügung haben, damit das individuelle Arbeitstempo eingehalten werden kann. Das Ende des Schreibvorgangs sollte von ihnen selbst bestimmt werden.

qualitative Diffe-renzierung

Der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe sollte variiert werden, damit auch schwächere SchülerInnen die Aufgabe erfolgreich und motiviert bewältigen können.

Angabe von Bewer-tungskriterien

Die Bewertungskriterien sollten in den Aufgabenstellungen offen gelegt werden. Es sollte nur das überprüft werden, was auch in der Aufgabe explizit verlangt wird.

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Gestaltung von Schreibaufgaben

Angabe von Hand-lungsaufforderun-gen (Operatoren)

Es sollten Operatoren und Routineausdrücke in der Aufgabe angegeben werden, damit die SchreiberInnen eine Orientierung erhalten, welche Schreibhandlung zu erfüllen ist.

Sprachwahl Es sollte eine einfache Sprache verwendet werden, die wenig Fremd- oder Fachwörter enthält, da es nicht vom Wortschatz abhängen darf, ob die Aufgabe gelöst werden kann.

unterschiedliche Aufgabenformate

Es sollten unterschiedliche Aufgabenformate zum Einsatz kommen, d.h. eine Kompetenz sollte sowohl durch offene, ge-schlossene oder halboffene Formate überprüft werden.

einheitliche grafi-sche Struktur

Eine Aufgabe sollte übersichtlich gestaltet sein und sich in ein Informationsfeld und ein Frage-/Handlungsfeld gliedern.

Sachkompetenz

Sachwissen Die Aufgabe sollte möglichst wenig spezifisches Weltwissen fordern, da durch heterogene Wissensbestände SchülerInnen benachteiligt sein könnten. Die Aufgabe sollte den SchülerInnen die Möglichkeit zur Aneig-nung des erforderlichen Sachwissens bieten.

Der Schreibprozess

Beachtung des Schreibprozesses in komplexen Schreib-aufgaben

In komplexen Schreibaufgaben sollten Angaben zum gesamten Schreibprozess (Planen, Formulieren und Überarbeiten) enthal-ten sein, da Aufgaben den gesamten Schreibprozess steuern sollten.

Überprüfen von Teilprozessen

Es sollten auch Teilprozesse zu Planung, Formulierung und Überarbeitung überprüft werden, die in eigenen Aufgabenstel-lungen konzipiert sind.

Planungshilfen In Aufgaben sollten Planungshilfen mit Angaben zum erwarte-ten Textmuster bzw. zur erwarteten Schreibhandlung gegeben werden. Aufgaben sollten Hinweise zum Schreibplan enthalten, wie Zeitangaben, erwartete Anzahl von Wörtern und Ressourcen-steuerung etc.

Angaben zum Überarbeiten

Die Angaben sollten so formuliert werden, dass oberflächenbe-zogenes Korrigieren vermieden wird. Es sollte der Hinweis gegeben werden, sich auf Inhalte, Textstruktur und Kohärenz zu beziehen.

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Schreiben als problemlösendes Handeln

Schreibziel Aus der Aufgabe sollte ein klares und erkennbares Schreibziel abgeleitet werden können, damit Schreibende eine sinnvolle Entscheidung über Aufbau, propositionalen Gehalt und die Auswahl der sprachlichen Mittel treffen können.

inhaltliche Rele-vanz des Themas

Das Thema der Aufgabe sollte für die Schreibenden bedeutsam sein, damit der Zweck des Schreibens erkannt wird und die Mo-tivation erhöht wird. Die Aufgaben sollten sich thematisch an der Lebenswelt der SchülerInnen orientieren und Alltagsnähe aufweisen.

Teilhabe an le-bensweltlichen Diskursen

Aufgaben sollten die Teilnahme an lebensweltlichen Diskursen ermöglichen. Je näher sich der Kontext der Aufgabe an realen Problemfeldern orientiert, desto deutlicher kann der Schreiben-de das Schreibziel erkennen und durch die Schreibhandlung umsetzen.

Die Strukturierung der Aufgabe ist Strukturierung des Handelns.

Die Aufgabe sollte zur Ausbildung komplexer Schreibfähigkeit durchaus anspruchsvoll und komplex sein. Sie sollte allerdings so strukturiert sein, dass die komplexe Handlung in Teilhand-lungen zerlegt wird, damit die Aufgabe gelöst werden kann.

Der soziale Raum

Angabe von Adres-satInnen

Die Aufgabenstellung sollte einen realen oder fiktiven Adressa-ten angeben, um so die Ausbildung der Leserorientierung zu erleichtern.

Ausbau des Kon-texts

Die Aufgaben sollten in einen Kontext sozialer Interaktion ein-gebettet werden, damit die Zerdehnung der Sprechsituation leichter überwunden werden kann.

Die Entwicklungsperspektive

Orientierung an Textmustern und literalen Handlun-gen

Aufgaben sollten sich an einem Textmuster bzw. einer literalen Handlung orientieren, da diese Orientierung einen notwendigen Entwicklungsschritt zur Ausbildung der Leserperspektive dar-stellt.

komplexe Hand-lungen in Teil-handlungen glie-dern

Um den Erwerb komplexer Schreibfähigkeit zu fördern, sollten die Handlungen in Teilaspekte zerlegt, isoliert bearbeitet und dann wieder in die komplexe Handlung integriert werden.

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TEIL C: SCHREIBENTWICKLUNG

10 Schreibentwicklungsmodelle

Im folgenden Punkt werden drei unterschiedliche Schreibentwicklungs-modelle von Bereiter (1980), Feilke/Augst (1989) und Becker-Mrotzek (1997) vorgestellt und miteinander verglichen. Es handelt sich bei den Mo-dellen um unterschiedliche Modelltypen, die jeweils einen anderen Aus-gangspunkt heranziehen.

Das Schreibentwicklungsmodell von Bereiter ist eng angelehnt an kog-nitive Stufenentwicklungsmodelle der Entwicklungspsychologie, wie etwa das von Jean Piaget. Die Entwicklung vollzieht sich in Stufen oder Phasen, in denen einzelne Teilfähigkeiten erworben und weiter ausdifferenziert werden. Deshalb bezeichnet Feilke das Modell von Bereiter auch als Dimen-sionswechselmodell (vgl. Feilke 2003, 181).

In Piagets Modell befinden sich Kleinkinder in der „präoperationalen Phase“, die beim Schuleintritt durch eine Phase der „konkreten Operation“ abgelöst wird. Das Kind entwickelt Sachkompetenz, bleibt aber noch im Konkret-Anschaulichen verhaftet. Im Alter von ca. elf bis zwölf Jahren erfolgt die Phase der „formalen Operation“, in der auch abstrakte Prob-lemlösungen möglich werden. Die Phasen vollziehen demnach eine Ent-wicklung vom Konkreten zum Abstrakten, was sich bislang auch in den Lehrplänen niederschlug (vgl. Fix 2008, 51). Bereiters Modell nimmt nun für die Schreibentwicklung entsprechend fünf Stufen an, deren Komplexi-tät sich im Laufe der Entwicklung steigert, wobei jede Stufe einen ihr eige-nen Schreibmodus beinhaltet (vgl. Fix 2008, 52).

1. associative writing (Assoziatives Schreiben) 8-10 Jahre:22 Es wird ohne

weitere Planung das aufgeschrieben, was gerade in den Sinn kommt. Den so entstandenen Texten fehlen weitestgehend Leserbezug und Ko-härenz (vgl. Becker-Mrotzek 2004, 112). Die Textverknüpfung wird meist über eine „what-next“- Strategie realisiert, die sich in der Reihung „und dann … und dann“ ausdrückt. Von Bereiter und Scardamalia auch als „knowledge telling“ bezeichnet. (Fix 2008, 52)

22 Die Altersangaben sind nicht verbindlich. Wie bereits erwähnt, ist das Schreibalter

nicht mit dem Lebensalter gleichzusetzen. Die Angaben dienen zur Einordnung für einen „normalen“ Entwicklungsverlauf und sind aus Becker-Mrotzek, Michael (2004), Schreibentwicklung und Textproduktion. Der Erwerb der Schreibfähigkeit am Beispiel der Bedienungsanleitung, Rudolfzell: Verlag für Gesprächsforschung, 112 ff. entnommen.

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2. performative writing (Performatives Schreiben) 10-12 Jahre: Der/die SchreiberIn geht dazu über bereits gelernte orthografische und sprach-liche Normen im eigenen Text zu berücksichtigen. Das Performative Schreiben ist eher eine schulisch geförderte Anpassungsleistung, da ei-ne Integration alter Fertigkeiten in die neue der Textproduktion statt-findet und weniger neues Schreibverhalten ausgebildet wird. (Becker-Mrotzek 2004, 112)

3. communicative writing (Kommunikatives Schreiben) ab 12 Jahre: Hier wird ein wichtiger Entwicklungsschritt vollzogen, indem das Assozia-tive und das Performative Schreiben mit der sozialen Kognition, d.h. der sozialen Perspektivenübernahme verbunden wird. Schreibende sind nun in der Lage die Sicht des/der Lesers/Leserin zu berücksichti-gen, also während des Schreibens einen Rezeptionsvorgang zu antizi-pieren. (Becker-Mrotzek 2004, 112)

4. unified writing (Umfassendes Schreiben): In dieser Entwicklungsstufe rückt der eigene Text in den Fokus. Der/die SchreiberIn ist in der Lage neben dem Einbezug des/der Lesers/Leserin, also dem kommunikati-ven Aspekt, auch eigene Anforderungen an den Text zu stellen, wie sti-listischen oder argumentativen Ansprüchen zu genügen. (Becker-Mrotzek 2004, 113)

5. epistemic writing (Epistemisches Schreiben): Entspricht der höchsten Stufe der Schreibentwicklung. Schreiben wird hier zur Erkenntnis- und Wissensgewinnung eingesetzt. Das Schreiben wird zu einem Instru-ment des Denkens, was Bereiter und Scardamalia als „knowledge trans-forming“ bezeichnen. (Becker-Mrotzek 2004, 113)

Jede dieser Stufen weist erstens eine neue Kontrollebene auf, die in den Fokus des/der Schreibers/Schreiberin rückt, und zeichnet sich zweitens dadurch aus, dass neue Schreibziele ausdifferenziert werden. Die fünf Stufen sind nacheinander durch die Dominanz der Aspekte Prozess, Pro-dukt und Leser bestimmt (vgl. Feilke 2003, 181).

In der folgenden Grafik des Bereiter-Modells erkennt man, dass im Lau-fe der Schreibentwicklung jeweils eine andere Dimension im Mittelpunkt steht, in der jeweils bestimmte Probleme dominieren. Beim Assoziativen Schreiben steht der Schreibprozess im Zentrum, das flüssige Schreiben ist das dominante Problem, ebenso wie die flüssige Ideengenerierung. Das Performative Schreiben fokussiert das Schreibprodukt, da Normen, Muster und Konventionen beachtet werden. Durch den Einbezug des/der Le-sers/Leserin und die Antizipation der Lesererwartung steht beim Kom-munikativen Schreiben der Aspekt des/der Lesers/Leserin im Mittel-punkt. Wenn in der nächsten Stufe des Umfassenden Schreibens die Fähig-keit der Textüberarbeitung und die Ausbildung reflexiver Fähigkeiten folgen, orientiert sich der/die SchreiberIn wieder am Textprodukt. In der letzten Stufe des Epistemischen Schreibens steht nun der Schreibprozess im

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Fokus des reflexiven Denkens. Das Schreiben wird zur Erkenntnisbildung, zur Transformation alten und zur Produktion neuen Wissens eingesetzt (vgl. Feilke 2003, 181).

Darst. 12: Schreibentwicklungsmodell nach Bereiter (Ulrich 2001, 50)23

Während sich Bereiters Modell stark am Wechsel der Dimensionen orien-tiert, setzen Feilke & Augst eine Dimension, nämlich die kommunikative Problemdimension ins Zentrum ihres Modells und entwickeln so ein Di-mensionsdifferenzierungsmodell (vgl. Feilke 2003, 181).

Das Modell wurde aus empirischen Daten einer Untersuchung zum ar-gumentativen Schreiben gewonnen und auf Basis des Organon-Modells des sprachlichen Zeichens von Karl Bühler entwickelt (vgl. Feilke 2003, 181).

Feilke & Augst unterscheiden innerhalb der kommunikativen Prob-lemdimension vier Teildimensionen, die sukzessive in den Aufmerksam-keitsfokus des/der Schreibers/Schreiberin rücken (Feilke 2003, 181): die expressive Problemdimension, die kognitive Problemdimension, die textu-elle Problemdimension und die soziale Problemdimension. Es handelt sich bei der Sichtweise dieses Modells um eine Konzeption der Schreibentwick-lung als Lernprozess, den das Individuum in der aktiven Auseinandersetzung mit den verschiedenen, strukturell gegebenen Handlungsmöglichkeiten von Texten vollzieht. (Becker- Mrotzek 2004, 115)

Die nachfolgende Grafik bildet den Handlungsraum für einen Schreib-vorgang ab. Es zeigt sich, dass je nach Entwicklung eine Problemdimension den Schreibvorgang dominiert, wobei die höchste Stufe des Schreibens

23 Deutsche Übersetzung und Ergänzung von Ulrich 2001.

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dann erreicht ist, wenn ICH, SACHE, LESER und TEXT vereint werden und der/die SchreiberIn flexibel damit umgehen kann (vgl. Fix 2008, 55).

Die expressive Problemdimension (ca. 8-12 Jahre)24 ist durch die Orientie-rung an der eigenen Erlebnisperspektive gekennzeichnet. Nach dem Mo-dell von Bühler dominiert hier die Ausdrucksfunktion. Der Text wird als assoziativ verbundene Szenenfolge mit linear-reihendem Ordnungsprinzip konstituiert. (Feilke 2003, 181) Der Text enthält noch keine ausreichende Kohärenz, bei argumentativen Texten wird ein linear verlaufendes Text-muster strukturiert, das aber noch Argumentationsbrüche enthält, in Er-zählungen dominiert die eigene Erlebnisperspektive die Erwartungen des Textmusters. (Becker-Mrotzek 2004, 116)

expressive Prob-lemdimension

ICH

textuelle Prob-lemdimension

der TEXT die SACHE kognitive Prob-lemdimension

der ANDERE

soziale Prob-lemdimension

Darst. 13: Kommunikative Handlungsprobleme bei der Textproduktion nach Feil-

ke/Augst 1989 (Feilke 2003) In der kognitiven Problemdimension (ca. 10-15 Jahre) rückt die Orientierung an der Sache bzw. den Textinhalten in den Aufmerksamkeitsfokus. (Feilke 2003, 181) Die Kohärenz des Textes entsteht durch die Logik der Sache, die Textordnungsmuster haben einen formal-systematischen Charakter (vgl. Becker-Mrotzek 2004, 116). Eine formale Orientierung erfolgt in der textuel-len Problemdimension (ab 15 Jahren). Der/die SchreiberIn orientiert sich an formalen Mustern und Textkonventionen, nach deren Maßgabe das Wissen in die Textproduktion einfließt. (Feilke 2003, 181 f.) Das vierte Entwick-lungsniveau wird als soziale Problemdimension (ab ca. 15 Jahren) beschrie-ben, wobei eine dialogische Ordnung eintritt. Der/die SchreiberIn invol-viert und integriert die Leserperspektive und das Leserinteresse in seinen Text, was zu einer Abschwächung der Musterorientierung führt (Fragen, Dialogsimulation, evaluative Markierungen). Im Bühler‘schen Modell kor-respondiert die dialogische Ordnung mit der Appellfunktion, der die Dar-stellungsform pragmatisch untergeordnet wird. (Feilke 2003, 182) Diese

24 Die Altersangaben dienen lediglich zur Orientierung und sind nicht verbindlich.

Entnommen: Becker-Mrotzek, Michael (2004), Schreibentwicklung und Textproduktion. Der Erwerb der Schreibfähigkeit am Beispiel der Bedienungsanleitung, Rudolfzell: Verlag für Gesprächsforschung, 116 f.

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letzte Stufe wurde in Feilkes Untersuchung nur von wenigen SchreiberIn-nen erreicht, wobei allerdings eine Zunahme von der Mittel- zur Oberstufe zu verzeichnen ist. Offenbar gelingt es vielen SchreiberInnen nicht sich von einem ich-, sach- oder textzentrierten Schreiben zu lösen (vgl. Fix 2008, 55).

Das Schreibentwicklungsmodell von Becker-Mrotzek (1997) wird von Feilke als mehrdimensionales Parallelstadienmodell bezeichnet. (Feilke 2003, 182) Becker-Mrotzek integriert in sein Modell sowohl Annahmen der Di-mensionspluralität (Bereiter) als auch eine dimensionskonsistente Diffe-renzierung (Feilke & Augst) und verbindet somit beide zuvor erläuterten Modelle (vgl. Feilke 2003, 182). Becker-Mrotzek konnte im Rahmen einer empirischen Untersuchung zu instruktiven Texten (Altersgruppe ca. 10-23 Jahre) feststellen, dass sich die Schreibentwicklung parallel in kategorial verschiedenen Dimensionen vollzieht (vgl. Feilke 2003, 182). Der Untersu-chung legte er folgende drei Dimensionen zu Grunde: Sachverhalte im Text, Aspekte der Sprechhandlung im Text, Organisation der Schreibhandlung, die sich auf drei Entwicklungsstufen vollziehen. (Feilke 2003, 182) In der Dimensi-on der Sachverhalte wird untersucht, welche Sachverhalte in den Text auf welcher Entwicklungsstufe aufgenommen und wie diese dargestellt wer-den. (Feilke 2003, 182) Unter dem Bereich „Aspekte der Sprechhandlung im Text“ wird eine sprechaktbezogene Ausdifferenzierung verstanden. Der Schreibende verschiebt seinen Aufmerksamkeitsfokus von der „Illokution über die Proposition zur Perlokution“. (Feilke 2003, 182) Zu Beginn der Schreibentwicklung überwiegt also der kommunikative Zweck oder die kommunikative Absicht einer Sprachhandlung. Im Zuge der Entwicklung werden die Informationen des Sachverhaltes wichtiger, bis letztlich der Schreibende die Wirkung seines Textes und somit seinen Einfluss auf den/die LeserIn erkennt (vgl. Busch/Stenschke 2007, 217; Richter 2008, 28). Die Dimension „Organisation der Schreibhandlung“ bezieht sich auf die Prozessaspekte des Planens, Formulierens und Überarbeitens beim Schrei-ben. Becker-Mrotzek geht hier von einer zunehmenden Reflektiertheit aus, die sich auf die Teilprozesse auswirkt (vgl. Richter 2008, 28). Dabei werden nicht nur die einzelnen Teilbereiche weiter ausdifferenziert, sondern auch der Kontrollbereich einer einzelnen Teilhandlung erweitert. Beispielsweise entwickelt sich der Teilhandlungsprozess des Planens von der Planung einzelner Formulierungen zur Planung der gesamten Schreibhandlung (vgl. Feilke 2003, 182).

Nach Erläuterung der drei Modelle wird nun kurz auf Gemeinsamkei-ten und Unterschiede eingegangen. Gemeinsam ist allen Modellen der Anfangs- und Endpunkt der Schreibentwicklung. Sie beginnt ungefähr um das 8. Lebensjahr, also zu dem Zeitpunkt, an dem Kinder Texte einigerma-ßen flüssig niederschreiben können. Diese Schreibphase wird als assozia-tiv, egozentrisch und erlebnisorientiert bezeichnet und endet ungefähr zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr (vgl. Becker-Mrotzek 2004, 117). Der

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Endpunkt der Schreibentwicklung ist für eine Altersstufe weniger genau bestimmt, der ungefähre Zeitpunkt besteht nach Erreichen der Adoleszenz. Hier erreicht ein/e SchreiberIn maximale literale Kompetenz, d.h. alle An-forderungen des Schreibens (Orientierung an Leser, Sache und Text und eigene Perspektive) werden in einem ausgewogenen Verhältnis erfüllt. Der Schreibprozess ist dabei genau geplant, bewusst und reflektiert. Auch ein abschließendes Ende der Schreibentwicklung wird übereinstimmend nicht angenommen, die Schreibentwicklung gilt als prinzipiell offener Prozess (vgl. Becker-Mrotzek 2004, 117).

Die Modelle weisen allerdings in der Entwicklungsphase zwischen dem 10. und 16. Lebensjahr einige Differenzen auf. Übereinstimmend wird noch angenommen, dass sich die Entwicklung kontinuierlich, schrittweise und nicht sprunghaft vollzieht (vgl. Becker-Mrotzek 2004, 118). Die Reihenfolge der erworbenen Fähigkeiten wird jedoch in den Modellen unterschiedlich dargestellt. Bereiter nimmt die Realisierung kommunikativer Texte als zweiten Entwicklungsschritt (wenn man das performative writing als Aus-bauphase des associative writing betrachtet) an, während Feilke/Augst das Herstellen einer dialogischen Ordnung, also eine Orientierung am Leser für den letzten Schritt halten. Ebenso nimmt Bereiter eine Orientierung an Normen und Textmustern bereits auf der Stufe des performative writing an, während diese bei Feilke/Augst erst auf der textuellen Problemdimension und somit deutlich später einsetzt (vgl. Becker-Mrotzek 2004, 118).

Die Frage ist nun, wie es zur Annahme dieser unterschiedlichen Ent-wicklungen kommen kann. Becker-Mrotzek sieht einerseits eine Erklärung darin, dass die Modelle die Schreibentwicklung von einem unterschiedli-chen Standpunkt aus betrachten. Bereiter geht von prozessorientierten und kognitiven Kategorien aus, während sich Feilke/Augst an textbezogenen Kategorien orientieren (vgl. Becker-Mrotzek 2004, 118). Darüber hinaus scheint andererseits die Wahl der Textsorte eine Rolle zu spielen, denn die durch „die Altersvariable erklärten Entwicklungen […] (scheinen) ebenfalls durch die Textsortenvariable erklärbar“. (Feilke 1996, in: Becker-Mrotzek 2004, 118)

Das erreichte Schreibniveau stellt sich anscheinend während der Entwicklung in Abhängigkeit von der Textsorte sehr unterschiedlich dar. (Becker-Mrotzek 2004, 118)

Bislang fehlen allerdings vergleichende Untersuchungen zwischen den verschiedenen Textsorten, es gibt nur Belege für die Entwicklung der ein-zelnen Textsorten. Dieser Entwicklungsverlauf wird im Zuge dieser Arbeit in Punkt 11 näher beschrieben werden.

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10.1 Was ergibt sich aus Schreibentwicklungsmodellen für die Bildungsstandards „Schreiben“?

An dieser Stelle wird nun dargestellt, welchen Beitrag die oben beschriebe-nen Schreibentwicklungsmodelle zur Entwicklung der Bildungsstandards „Schreiben“ leisten können.

Die Schreibentwicklungsmodelle ermöglichen es, ähnlich wie das Schreibprozessmodell von Flower und Hayes, die Komplexität des Schrei-bens abzubilden und somit auch didaktische Konsequenzen zu ziehen. Dies würde bedeuten, dass man zu Beginn der Schreibentwicklung das assoziative Schreiben zulässt und erst im Verlauf den Schreibprozess struk-turiert. Man könnte die Modelle also als eine Grundannahme verstehen das Curriculum von einfachen zu komplexen Schreibaufgaben und Textsorten zu gestalten. Fix (2008) spricht an dieser Stelle allerdings von einem didak-tischen Paradoxon. Denn auch der Tatsache, dass das Schreibalter und das Lebensalter nicht gleichzusetzen sind, muss Rechnung getragen werden. Ein Schreibunterricht braucht ebenso eine Perspektive auf individuelle Entwicklungsschritte, fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler müssen mit Angeboten versorgt werden. Außerdem muss der Zusammenhang der einzelnen Modi der Schreibentwicklung beachtet und die Integration ge-leistet werden. (Fix 2008, 56) Es gilt also im Deutschunterricht (dasselbe gilt auch für die Bildungsstandards) das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Polen herzustellen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Becker-Mrotzek/ Böttcher (2006). Sie sehen für den Erwerb der Schreibfähigkeit einen Ver-lauf, der Parallelen zum Spracherwerb aufweist. Sprechen hat für Kinder vorrangig die Funktion zur Kommunikation, sie versuchen von Anfang an ihre kommunikativen Ziele zu erreichen, auch wenn die sprachlichen Mit-tel dazu noch nicht ausreichen. Beim Schreiben verhält es sich ähnlich. Kinder unterscheiden nicht nach Textsorte, sondern verfolgen ein kommu-nikatives Ziel. Sobald das schreibende Kind einen Zweck, ein Ziel und eine Funktion seines Schreibens erkennt, werden diese verfolgt, unabhängig davon, ob es schon in der Lage ist die Aufgabe sprachlich, inhaltlich und normgerecht zu lösen (vgl. Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 63 f.). Becker-Mrotzek/Böttcher zeigen nun weiter, dass die Kompetenzstufen, die sie als Aufgabenschwierigkeit definieren (siehe Punkt 8.3: Unterscheidung in einfache, schwierige und komplexe Schreibaufgaben), und die Entwick-lungsstufen nicht parallel verlaufen. Da Schülerinnen und Schüler von Anfang an alle wichtigen Funktionen nutzen, um ihr Schreibziel zu errei-chen, wäre ein curriculares Fortschreiten von einfachen zu komplexen Aufgaben nicht richtig und würde besonders die Schreibmotivation sen-ken. (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, 78) Dies bedeutet natürlich nicht, dass bereits in der Unterstufe Erörterungen geschrieben werden sollen. Viel-mehr geht es um eine altersgerechte, den kognitiven Entwicklungen ent

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sprechende Ausbildung von schriftlichen Fähigkeiten. Denn je früher Kin-der bereits mit den unterschiedlichen Funktionen des Schreibens vertraut werden und Schreiben für verschiedene Ziele und Zwecke einzusetzen lernen, desto schneller entwickeln sie literale Kompetenz. Umgekehrt soll-ten einfache Schreibaufgaben wie das Erzählen nicht nach der Grundschule oder Unterstufe aufgegeben werden, sondern auch in der Oberstufe weiter ausdifferenziert werden, um weiterhin die Ausbildung und Differen-zierung aller Funktionen des Schreibens zu gewährleisten. Zur Förderung und Ausbildung der Kompetenz komplexe Aufgaben lösen zu können, müssen die Aufgaben entsprechend gestaltet sein. Bachmann et al. (2007) konnten in einer Studie zur Untersuchung funktional-pragmatischer Schreibfähigkeit zeigen, dass auch schwierige Aufgaben gelöst werden können, wenn die Aufgabe in einen sozialen Kontext eingebettet und ent-sprechend gut strukturiert ist. Die Versuchspersonen (Schülerinnen und Schüler der 2. Schulstufe) sollten sowohl eine Beschreibung als auch einen instruktiven Text25 verfassen. Beim Verfassen des instruktiven Textes schnitten die Schülerinnen und Schüler deutlich besser ab, obwohl es sich hierbei um die schwierigere Aufgabe handelt. Es konnte somit gezeigt werden, dass funktional-pragmatische als auch formal-basale Schreibfä-higkeiten umso besser realisiert werden, je strukturierter die Aufgabe und je tiefer diese in soziale Handlungskontexte eingebettet ist. (Schmölzer-Eibinger i.V.) Die Schreibentwicklung verläuft demnach nicht von einfa-chen zu komplexen Fähigkeiten, sondern wird unabhängig voneinander erworben und parallel in allen Dimensionen ausdifferenziert (vgl. Schmöl-zer-Eibinger i.V.).

Hierzu passt auch die These Jakob Ossners (1996), der Ergebnisse eines Entwicklungseinschnitts in der 7. Schulstufe folgendermaßen interpretiert: Dieser Entwicklungssprung sei das Ergebnis des schulischen Curriculums, das statt der Ontogenese (Einzelentwicklung) eher eine „institutionsgeleite-te Entwicklung“ fördere. (Fix 2008, 56) Eben weil die Schule genau an die-ser Stelle von einem Entwicklungsschritt ausgeht, ruft sie ihn gerade hier hervor, indem sie Textsorten mit höherer Anforderung im Sinne von dis-tanzierter und objektiver Perspektiveneinnahme, wie etwa den Bericht, einführt. (Fix 2008, 56)

Es deutet nach diesen Ergebnissen auf eine positive Entwicklung hin, dass in den Bildungsstandards der 8. Schulstufe alle Textsorten und somit einfache, schwierige und komplexe Aufgaben gestellt werden. In diesem Be-reich entspricht die Konzeption der Standards den Ergebnissen der Schreibentwicklungsforschung und kann somit einen Beitrag leisten

25 Die Aufgabe bestand darin, eine Anleitung zum Basteln einer Fingerpuppe zu verfas-

sen. Diese Anleitung wurde anschließend Schülerinnen und Schülern der Parallel-klasse vorgelegt, die anhand dieser die Puppe basteln sollten.

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Schreibkompetenz zu fördern, solange die Konzeption der Aufgaben altersgemäß gestaltet ist.

Somit stellt sich nun die Frage, wo Schreiberinnen und Schreiber auf der 8. Schulstufe nach den Schreibentwicklungsmodellen stehen bzw. nach welchen Anforderungen die Aufgaben gestaltet sein müssen, um die Ent-wicklung zu fördern. Diese Frage kann jedoch nicht so einfach beantwortet werden. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens entspricht das Schreibalter nicht dem Lebensalter, sondern ist abhängig von der Schreiberfahrung. Die Schreiberfahrung kann natürlich trotz des identischen Lebensalters völlig unterschiedlich sein, denn sie wird sowohl durch Schule und Unterricht als auch durch das private Umfeld geprägt, wobei höchstwahrscheinlich beide Faktoren keine gleichen Voraussetzungen schaffen. Darüber hinaus spielen die bearbeitete Textsorte und dabei der Umstand, dass die Schreibkompe-tenz in Abhängigkeit von der Textsorte stark variieren kann, eine Rolle. Der zweite Grund liegt darin, dass das Alter in der 8. Schulstufe (im Schnitt 14 Jahre) genau in die Phase der Schreibentwicklung fällt, in der die be-schriebenen Modelle Differenzen aufweisen. Aus diesen Gründen ist eine genaue Ableitung, auf welcher Entwicklungsstufe Schülerinnen und Schü-ler der 8. Schulstufe stehen, schwer zu treffen. Genau hier liegt auch die hohe Anforderung an die Aufgaben bzw. Aufgabenentwickler. Die Aufga-ben sollten wenn möglich so gestaltet sein, dass sie dem Stand der Ent-wicklung entsprechen bzw. auch schwächeren Schülerinnen und Schülern die Ausbildung weiterer Schreibkompetenz und somit das positive Erfül-len einer Aufgabe erleichtern. Dieser Umstand soll nun an einem Beispiel verdeutlicht werden. Im Folgenden werden nun zwei Schülerantworttexte aus der Baseline-Testung vorgestellt. Die Aufgabe war das Verfassen eines Beitrags an eine Jugendzeitschrift, also eines argumentativen Textes zu der Frage, ob Sportstunden in der Schule gekürzt werden sollen. Die Schüle-rinnen und Schüler sollten ihre Meinung durch das Anführen von zwei Argumenten begründen.26 Die Antworttexte sind dem Praxishandbuch für „Deutsch“ 5.-8. Schulstufe (S. 23 ff.) entnommen.

26 Die genaue Analyse der Aufgaben der Baseline-Testung erfolgt im praktischen Teil

dieser Arbeit. Für die Auswertung der Antworttexte genügt hier diese Information zur Aufgabenstellung.

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Versucht man nun die beiden Texte, die von Schülerinnen und Schülern der gleichen Altersstufe verfasst wurden, einer Entwicklungsstufe der Schreibentwicklungsmodelle zuzuordnen, fällt sofort auf, dass die Texte große Unterschiede in ihrem Niveau aufweisen. Da es sich um das Verfas-sen eines argumentativen Texts handelt, wird für die Analyse das Schreibmodell von Feilke/Augst herangezogen. In dieser Auswertung wird bewusst nicht auf die Angaben des Kriterienkatalogs der Bildungs-standards eingegangen, damit eine Beurteilung vermieden wird. Die Texte sollen ausschließlich nach Entwicklungskriterien eingeordnet werden, ohne dabei eine Wertung vorzunehmen. Diese Perspektive führt anschlie-ßend zu der Möglichkeit Verbesserungsvorschläge und Konsequenzen für Aufgabenstellungen der Bildungsstandards „Schreiben“ zu formulieren.

Der erste Text ist noch stark in der expressiven Problemdimension verhaf-tet, das ICH steht im Vordergrund. Dies wird deutlich, da der Schreibende nur von seinem persönlichen Empfinden zum Thema Sport in der Schule berichtet und beinahe jeden Satz mit einer „Ich mag …“ oder „Ich finde …“ Konstruktion beginnt. Obwohl der Text, wie in der Aufgabenstellung ver-langt, mit einer Anrede an potenzielle Leserinnen und Leser beginnt, wer-den diese im Text nicht antizipiert. Die Aussage „Wenn das Wetter schön ist, gehen wir, wenn wir zwei Stunden turnen haben, in den Helfatplatz“ belegt dies deutlich, denn kein fremder Leser wird wissen, was der „Hel-fatplatz“ ist. Der Text weist noch kaum Züge eines argumentativen Textes auf, das einzig zu wertende Argument wäre die Aussage, dass „die drei Sportstunden pro Woche reichen, weil nicht jeder gerne Sport treibt“. Wenn man überhaupt von einem argumentativen Text sprechen kann,

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enthält er Argumentationsbrüche und fehlende Kohärenz, was ein Zeichen für die expressive Problemdimension ist. Der Schreiber bedauert anfangs noch nur drei Stunden in der Woche Sportunterricht zu haben, am Ende des Textes ändert er seine Meinung dahingehend, dass die Anzahl der Stunden ausreichend ist. Auch von einer Orientierung an der Sache, also vom Errei-chen der kognitiven Problemdimension kann noch nicht wirklich gesprochen werden. Der Text gibt die persönliche Beziehung des Schreibers zu Sport wieder, enthält aber weder Informationen darüber, warum Sportunterricht in der Schule sinnvoll ist oder nicht, noch allgemeine Informationen oder Ausführungen zum Thema Sport. Man kann grundsätzlich sagen, dass der Text über weite Teile eher Merkmale einer Erzählung aufweist und nicht argumentativ funktioniert. Dies deutet darauf hin, dass der Schreiber noch keine Erfahrung mit der Textsorte der Argumentation hat, der Aufbau und der Inhalt verlaufen nicht argumentativ, Routineausdrücke finden sich gar nicht. Dieser Text ist demnach ein deutliches Beispiel dafür, dass Schreibal-ter und Lebensalter nicht übereinstimmen.

Im Gegensatz dazu ist im zweiten Text die expressive Problemdimension bereits deutlich überwunden. Der Schreiber äußert sich distanziert, ohne zu stark auf persönliches Empfinden einzugehen. Der Text weist eine Glie-derung in Einleitung, Anführen der eigenen Meinung und einen Schluss auf, zusätzlich werden Routineausdrücke („meine Gründe sind …“, „weil“, „wie ich es bereits oben erwähnt habe …“, „außerdem möchte ich noch sagen …“) für eine Argumentation eingesetzt und somit Kohärenz aufge-baut. Diese Tatsache lässt darauf schließen, dass der Schreiber bereits teil-weise auf der textuellen Dimension operiert, indem versucht wird, sich an Konventionen der Textsorte zu orientieren. Allerdings werden die Argu-mente noch nicht mit Beispielen untermauert, das erste Argument „Sport ist ein Ausgleich und dient zum Abreagieren“ ist noch nicht klar struktu-riert und könnte allgemeiner und distanzierter formuliert werden. Der Fokus des Schreibers liegt demnach noch auf der kognitiven Dimension. Trotzdem bezieht der Schreiber den Leser in seinen Text mit ein und tritt sogar einmal in einen Dialog „… und möchte Ihnen meine Meinung dazu darlegen“. Dies weist darauf hin, dass der Schreiber bereits in der Lage ist auf der sozialen Dimension zu operieren. Unterstützend wirkt sich hier si-cher der Umstand aus, dass die Aufgabenstellung einen direkten Adres-saten (das Redaktionsteam) verlangt und die Argumentation in Form eines Briefes gestaltet werden soll. Der Schreiber ist also hier bereits in der Lage ansatzweise auf alle vier Perspektiven einer kommunikativen Handlungs-situation einzugehen. Auffällig ist aber bei beiden Texten, dass die implizi-ten Adressaten, also die Leser der Zeitschrift, nicht miteinbezogen werden. Der zweite Text weist zudem klare Muster eines Briefs auf, der Schreiber wendet sich an das Redaktionsteam und führt auch eine Grußformel als Abschied an. Es kann deshalb nicht klar gesagt werden, ob der Schreiber

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sich an den Konventionen des Textmusters „Brief“ oder an der Textsorte der Argumentation orientiert hat.

Anhand dieser beiden Texte wird jedoch sehr deutlich, dass man mit großen Unterschieden im Entwicklungsniveau der Schülerinnen und Schü-ler rechnen muss. Während der zweite Text die Aufgabe zufriedenstellend erfüllt (es werden zwei Argumente genannt, der Leser wird angesprochen, eine Gliederung und Kohärenz sind vorhanden) ist beim ersten Text eine deutliche Überforderung spürbar, denn der Schreiber scheint mit der Textsorte der Argumentation bislang nicht vertraut. Bei einer standardi-sierten Überprüfung würde dieser Schüler wohl in den unteren Kompe-tenzstufen eingeordnet. Aus den bisherigen Ergebnissen zur Schreibent-wicklung soll an dieser Stelle auf zwei Dinge deutlich hingewiesen werden. Erstens stellt sich das erreichte Schreibniveau in Abhängigkeit von der Textsorte sehr unterschiedlich dar. (Becker-Mrotzek 2004, 118) Es kann demnach nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass derselbe Schüler bei einer Aufgabe zu einer anderen Textsorte (in der mehr Schreiberfahrung vorliegt) ein ähnlich niedriges Niveau erreichen würde. Hier tritt wieder die Forderung nach Vergleichbarkeit zutage, in den Testungen der Bil-dungsstandards sollten also mindestens zwei Schreibaufgaben zu unter-schiedlichen Textsorten überprüft werden, um ein genaues Bild über die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu erhalten. Zweitens unter-streichen diese Ergebnisse die Forderung nach einer Differenzierung der Schreibaufgaben. Der Verfasser des ersten Textes ist noch nicht in der Lage auf der kognitiven, sozialen und textuellen Dimension zu operieren. Die Auf-gabenstellung sollte hier mehr Unterstützung bieten, um den Schreiber zu entlasten und ihm eine bessere Orientierung für den Schreibprozess zu ermöglichen. Da der Schreiber sowohl wenig Erfahrung mit der Textsorte als auch wenig Wissen über die Sache zu haben scheint, würde sich hier beispielsweise anbieten, Zusatzmaterial in Form von Leserbriefen zur Ver-fügung zu stellen, die sich bereits zu dem Thema geäußert haben.27 Die Aufgabe sollte sich dann nicht mehr darauf beschränken nur das Redakti-onsteam anzusprechen, sondern einen weiteren Beitrag in Form eines Le-serbriefes zu verfassen, in dem alle potenziellen LeserInnen angesprochen werden.

Dadurch wird Folgendes erreicht: Den Schülerinnen und Schülern wird die Teilnahme an einem realen Diskurs ermöglicht, die Schreibaufgabe wird in einen kommunikativen Kontext eingebettet, der Zweck und das Ziel der Schreibaufgabe werden somit deutlicher. Außerdem werden durch bereits verfasste Leserbriefe der Aufbau und die konventionellen Muster einer solchen Textsorte sichtbar und können beim Schreiben als Orientie-

27 Dieser Vorschlag zur Erweiterung der Aufgabe stellt nur einen Teil der Umstruktu-

rierung der Aufgabe dar. Eine ausführliche Beschreibung und Bearbeitung dazu er-folgt im praktischen Teil.

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rung dienen. Gleichzeitig erhält der Schreiber Informationen über die Sa-che, er kann sein Wissen somit erweitern und bekommt die Möglichkeit verschiedene Blickwinkel zu einem Thema kennen zu lernen. Dies sollte beim Schreibvorgang dazu führen, dass die expressive Problemdimension leichter überwunden werden und somit größere Distanz beim Schreiben eingenommen werden kann. Ferner kann durch die Teilnahme an einem realen Diskurs und die Orientierung an einer Vorlage die Leserperspektive besser antizipiert werden.

Dieser Vorschlag zur Differenzierung der Aufgabenstellung sollte demnach die Schülerinnen und Schüler darin unterstützen alle Prob-lemdimensionen einer kommunikativen Handlung einzunehmen und das Ausbilden eines nächsten Entwicklungsniveaus zu erleichtern. Natürlich werden weiterhin individuelle Unterschiede bestehen bleiben. Differenzie-rung ermöglicht aber eine Förderung und Unterstützung der schwächeren Schülerinnen und Schüler und lässt sie nicht zurück. Die Motivation und das Interesse am Schreiben können aufrechterhalten werden, was eine Grundvoraussetzung für die Ausbildung von hoher Schreibkompetenz darstellt. Im besten Fall wird durch Differenzierung ein allgemeines An-steigen des Schreibniveaus erreicht, was ja ein dezidiertes Ziel der Stan-dardisierung ausmacht. Problematisch in standardisierten Testverfahren könnte allerdings werden, dass bei einem Angebot von Zusatzmaterial die Lesekompetenz impliziert wird. Aber auch dieses Problem wäre lösbar, in-dem man beispielsweise die Lesekompetenz durch Fragen zu den Leser-briefen explizit überprüft. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass auch in realen Diskursen die Lese- und Schreibkompetenz nicht voneinan-der zu trennen sind. Deshalb überwiegen die Vorteile einer Differenzie-rung durch Zusatzmaterial deutlich.

10.2 Entwicklung der Planungs- und Überarbeitungskompetenz

Die Fähigkeit Texte planen und überarbeiten zu können, stellt eine wichti-ge Voraussetzung der Schreibkompetenz dar. Aus Beobachtungen von Schreibexperten weiß man, dass diese ihren Schreibprozess steuern. Sie schreiben zielorientiert, setzen sich selbst konkrete Ziele, sie motivieren sich selbst, indem sie aus intrinsischen Motiven schreiben oder sich selbst be-lohnen, sie bilden aufgrund ihres Textsortenwissens Schreibpläne, die einen Textentwurf, einen Plan des Schreibprozesses und ein eigenes Zeitma-nagement enthalten, sie sind in der Lage den eigenen Schreibprozess hin-sichtlich des Schreibplans zu reflektieren, zu bewerten und zu überarbeiten und sie nutzen zur Verfügung stehende Ressourcen (Gestaltung der Schreibumgebung, Einbezug externer Quellen) zur Erreichung ihres Schreibziels (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 29).

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Durch diese Auflistung wird deutlich, welche unterschiedlichen kogni-tiven und sozialen Fähigkeiten zur Bewältigung einer Schreibaufgabe ein-gesetzt werden müssen. Betrachtet man hierzu die Schreibentwicklung, wird klar, dass man eine effiziente Planungs- und Überarbeitungs-kompetenz nicht zu früh erwarten kann. Becker-Mrotzek geht davon aus, dass Planen und Überarbeiten erst in der zweiten oder dritten Entwick-lungsphase bedeutsam werden, da zu Beginn der Schreibentwicklung (as-soziativ, expressive Phase) die Verarbeitungskapazitäten noch nicht ausrei-chen, um gleichzeitig Verschriftungs- und Vertextungsprozesse zu bewäl-tigen, da Planen und Überarbeiten eine gewisse Routine in der Beherrschung von Schrift und Orthographie voraussetzen (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 27). Solange die Probleme des Schreibens noch auf der mo-torischen und graphemischen Ebene des Schreibens liegen, ist keine text-orientierte Planungsaktivität feststellbar (vgl. Feilke 1993, 25). Bereiter und Scardamalia unterscheiden beim Planen zwischen „rhetorical space“ (Prob-leme, die sich von Bedingungen der Kommunikation und der Sicherung der Verstehensvoraussetzung her bestimmen) und „content space“ (Prob-leme, die sich auf das Thema eines Textes und dessen Strukturierungsan-forderung beziehen). (Feilke 1993, 25) Bezogen auf diese beiden Problem-räume konnten Bereiter und Scardamalia Entwicklungsverläufe feststellen, die eindeutig mit dem Schreibalter korrelieren.

Empirisch wurde Datenmaterial über die Analyse von Protokollen „Lauten Denkens“ gewonnen. (Bereiter/Scardamalia 1987; Burtis et al. 1983) Dabei wurde festgestellt, dass bis zu einem Alter von 10 Jahren prak-tisch gar keine Indikatoren vorhanden sind, die auf eine Trennung von Textproduktion und Planung hinweisen. Im Vergleich zu älteren Schreibe-rInnen finden sich weder Planungspausen vor dem Formulierungsprozess noch das Anfertigen von Notizen. Selbst nach expliziter Aufforderung Notizen anzufertigen, beginnen die 10-Jährigen sofort mit der Textproduk-tion, denn Notizen und Text sind nahezu identisch (vgl. Feilke 1993, 26). Erste deutliche Unterschiede sind erst bei 14-jährigen SchreiberInnen er-kennbar, die auch in der Lage sind Schreib-Planungshandlungen zu seg-mentieren und konzeptuell in verschiedene Einzelschritte zu zerlegen (vgl. Feilke 1993, 26).

Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass in allen Altersgruppen unter der Adoleszenz, also dem Alter von ca. 18 Jahren, die Planungsvari-anten von inhaltlichen Problemen der Textproduktion überlagert wurden (90 % der Inhalte der Protokolle beziehen sich auf inhaltliche Aspekte, nur 10 % auf die Form der Darstellung, Kommunikationsziele und Adressaten-wirkung). Die Fähigkeit zur Planung einer konzeptuellen, abstrahierten Struktur des eigenen Textes konnte erst ab der Adoleszenz nachgewiesen werden (vgl. Feilke 1993, 26).

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Andere Untersuchungen zur Planungsfähigkeit setzen beim Textstruk-turwissen oder Textsortenwissen zum Erzählen, Berichten und Argumentie-ren an. (Dolz/Schneuwly 1989; Bereiter/Scardamalia 1987) Das Wissen über eine Textsorte wird als Kenntnis über die Superstruktur eines Textes bezeichnet und bezieht sich auf die globale Textproduktion. Diese Studien bringen übereinstimmend Ergebnisse, die belegen, dass SchreiberInnen bereits zu einem frühen Zeitpunkt ihres Lernprozesses über diese Super-strukturen verfügen, jedoch meist unbewusst, nicht reflektiv und implizit. Es sind zwar bereits 8-Jährige in der Lage eine kleine Geschichtenerzäh-lung zu verfassen, ebenso können 10- bis 14-Jährige einen Bericht oder eine Argumentation schreiben. Wenn man die SchreiberInnen aber nach einer Begründung fragt, warum der Text ihnen gut gefalle, geben ca. 70 % der 6-Jährigen und noch 30 % der 9-Jährigen Argumente an, die entweder un-spezifisch oder für die Geschichte nebensächlich sind. Die 10- bis 14-Jährigen verfügen zwar bereits über reflexive Kenntnis von narrativen Strukturen, bei anderen Textsorten tritt jedoch das gleiche Phänomen auf wie in der Altersgruppe der 6- bis 9-Jährigen. Erst ab der Adoleszenz kann von einer globalen Textplanung gesprochen werden, die auch die pragma-tischen Textfunktionen berücksichtigt (vgl. Feilke 1993, 27).

Die Ergebnisse zur Fähigkeit „Texte überarbeiten“ zeigen einen ähnli-chen Entwicklungsverlauf wie beim „Texte planen“. Das Überarbeiten ist im Hayes/Flower-Modell der dritte Subprozess des Monitoring (neben dem Planen und Formulieren), d.h. der ständigen Kontrolle der Textpro-duktion. Im Zusammenhang mit der Schreibentwicklung konnte eine Kor-relation von Schreibalter/Schreiberfahrung und der Überarbeitung der linguistischen Ebene eines Textes beobachtet werden. Das Überarbeiten zeigt hier eine Entwicklung vom deutlich lokal begrenzten zum textbezo-genen Überarbeiten und eine Entwicklung von der Überarbeitung der Oberflächenstruktur (Orthografie, Wortwahl, Syntax) eines Textes zu einer inhaltsorientierten und auf die Textbasis bezogenen Überarbeitungsweise. (Feilke 1993, 28)

Eine Studie von Langer (1986) zeigt, dass erst 14-Jährige nach Fertigstel-lung des Textes mit einer Überarbeitung beginnen, während jüngere SchreiberInnen inhaltlich „voll bei der Sache“ bleiben und mündlich mit der Ideengenerierung fortsetzen (vgl. Feilke 1993, 28). Erst ab dem Alter von ca. 14 Jahren kann demnach von einem Beginn der „reflective strate-gies“ gesprochen werden. Beim Überarbeiten zählt allerdings nicht allein die Tatsache, dass überarbeitet wird, sondern es kommt stark auf das WIE an. Bereiter und Scardamalia (1983) stellten fest, dass erst ab der Adoles-zenz von einer globalen Überarbeitung gesprochen werden kann. Bei einer Untersuchung von 10-, 12- und 14-Jährigen blieben in allen drei Alters-gruppen die Überarbeitungen auf lokaler Ebene (orthografische Korrektu-ren, Satzumstellungen und ein Austausch von Wörtern ohne große textuel-

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le Relevanz), wobei die Texte dabei oft nicht besser, sondern schlechter wurden (vgl. Feilke 1993, 29).

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Fix (2000) bei einer Untersuchung zur Textüberarbeitung von Schülerinnen und Schülern der 8. Schulstufe. Dabei wurden sowohl Revisionen zum Freien Schreiben als auch zum Schreiben einer Inhaltsangabe untersucht. Die Überarbeitungen waren zwar zu zwei Dritteln erfolgreich, erfolgten jedoch meist auf lokaler Ebene und waren hauptsächlich oberflächenbezogen (vgl. Fix 2000, 353). Die erfolgreichen Revisionen der Textoptimierung erfolgten vor allem von schreiberfahrenen Schülerinnen und Schülern, während die weniger schreiberfahrenen ent-weder den Überarbeitungsbedarf nicht erkannten oder aus Mangel an einer Revisionsstrategie ihren Text nicht überarbeiten konnten (vgl. Fix 2000, 341).

Die Gründe für die nicht erfolgte oder oberflächenbezogene Überarbei-tung bestehen in der noch nicht ausgebildeten Fähigkeit zur abstrakten Repräsentation von Kommunikationszielen und -adressaten im Text, um globale Verbesserungen der Textstruktur vornehmen zu können. (Feilke 1993, 29) Auch ein mangelndes Textstrukturwissen, d.h. Kenntnisse über das erwartete Textmuster und fehlende Revisionsstrategien zählen hierzu (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 29). Es wird so deutlich, dass der Schreibpro-zess auf zwei Ebenen eingebettet und unterstützt werden muss, um Schü-lerinnen und Schüler in der Ausbildung ihrer Schreibentwicklung zu un-terstützen. Zum einen ist ein Wissen über die Textsorte, über die Struktur des geforderten Textes wichtig und hilfreich. Die Textmuster bieten eine Orientierung für den Schreibprozess, geben dem Text eine Gliederung und helfen das Schreibziel zu erreichen. Zum anderen braucht der Schreibende einen konkreten Schreibplan, der Werkzeuge, Strategien, Zeitplanung, Ressourcensteuerung und Ähnliches beinhaltet (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 29). Es gilt demnach sowohl auf der Produkt- als auch auf der Prozessebe-ne anzusetzen.

Es stellt sich nun die Frage, mit welchen didaktischen Schreibarrange-ments und mit welcher Art von Aufgaben die Ausbildung und Unterstüt-zung zum Planen und Überarbeiten geleistet werden kann.

Glaser/Brunstein (2007) konnten in einer empirischen Studie zeigen, dass die Vermittlung von Schreibstrategien dann besonders erfolgreich ist, wenn sie die Ausbildung der Selbstregulation fördert. (Becker-Mrotzek 2007, 28) Ihre Untersuchung (4. Klasse, Erzähltexte) beinhaltete die Aus-wirkung von traditionellem Aufsatzunterricht (Kontrollgruppe), gezieltem Aufsatztraining (Versuchsgruppe 1) und gezieltem Aufsatztraining in Ver-bindung mit selbstregulierenden Prozessen (Versuchsgruppe 2) auf die Schreibkompetenz. Die Versuchsgruppen erhielten vier Wochen lang ge-zieltes Aufsatztraining im Umfang von einer Doppelstunde pro Woche. Dabei wurden den Schülerinnen und Schülern der VG 1 Hinweise zum

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Aufbau und Inhalt in Form der sieben W-Fragen, ein dreischrittiger Schreibplan zum Planen, Formulieren und Überarbeiten gegeben sowie Stilübungen durchgeführt. Die VG 2 erhielt dieselben Hinweise, zusätzlich wurden vier Verfahren zur Selbstregulation vermittelt (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 30). • strategische Planung: Mit Hilfe eines Geschichtenplans (beinhaltet die

sieben W-Fragen) werden Schülerinnen und Schüler dazu angehalten, bereits vor dem Schreiben Ideen festzuhalten und so den Text vorzu-strukturieren.

• Ergebnis- und prozessbezogene Zielplanung: Mittels einer 14-Punkte-Bewertungsskala (umfasst Geschichtenplan und Bewertungsteil) sollen die Schülerinnen und Schüler eine bestimmte Punktezahl anstreben, die etwas über der des letzten Aufsatzes liegt. Vorher wird ein konkretes Schreibziel bestimmt, z.B. „wörtliche Rede verwenden“.

• Selbstbewertung: Mittels der Bewertungsskala wird nach dem Schreiben der Aufsatz bewertet, indem die Schülerinnen und Schüler den sieben Elementen (= W-Fragen) einen Realisierungsgrad von 0-2 zuweisen. Die so erreichte Punktzahl wird mit den angestrebten Zielen verglichen.

• Korrektur: Nach der Selbstbewertung wird der Text gemeinsam mit den Trainerinnen und Trainern überarbeitet (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 31).

Die Ergebnisse der Studie sind deutlich: Nach den vier Wochen übertraf die Versuchsgruppe 2 die beiden anderen Gruppen in den Schreibleistun-gen deutlich. Die Ergebnisse zeigten sich ebenfalls bei einer Transferaufga-be und blieben über einen längeren Zeitraum konstant. Becker-Mrotzek greift die Ergebnisse von Glaser/Brunstein auf: Schreibprozessstrategien sollten prozess- und produktbezogen vermittelt werden, es empfiehlt sich eine inhaltliche Planungshilfe in Form eines kriterienorientierten Fragenka-talogs, der die zentralen Strukturmerkmale der Textsorte enthält, und ei-nen zeitlichen Schreibplan, der je nach Entwicklungsstand bestimmte Schreibschritte in ihrer zeitlichen Reihenfolge vorgibt, einzusetzen (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 32).

Interessante Ergebnisse zur Überarbeitungskompetenz stammen auch von Brakel Olson (1990) und Schmölzer-Eibinger (2008). Brakel-Olson un-tersuchte Überarbeitungsprozesse 12-jähriger Schülerinnen und Schüler unter vier verschiedenen Bedingungen. Unter Bedingung A erfolgt das Überarbeiten ohne jede Hilfe, unter Bedingung B mit Überarbeitungsin-struktion, in Bedingung C wurde in einer peergroup ohne Instruktion überarbeitet, während Bedingung D eine peergroup mit Instruktion dar-stellte. Die Ergebnisse zeigten, dass in Bedingung A und B die bereits er-wähnten Phänomene auftreten: Die Texte werden zwar überarbeitet, je-doch nur lokal gebunden und beziehen sich primär auf Oberflächenmerk-male des Textes. Unter Bedingung C und D, also bei Revisionen in

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peergroups, wurde zwar weniger überarbeitet als in Einzelarbeit, aber die Verbesserung der Texte nahm signifikant zu. Die Überarbeitungen bezogen sich auch auf die globale Textebene, darüber hinaus wurde die kommuni-kative Struktur des Textes deutlich verbessert (vgl. Feilke 1993, 29). Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Überarbeitung fremder Texte die Leserper-spektive in den Überarbeitungsprozess direkt integriert wurde, weshalb die Abstraktion des Lesers nicht mehr notwendig ist. Sie deuten aber auch darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler als LeserInnen und Textkritike-rInnen früher über globales Textstrukturbewusstsein verfügen, als sie es beim Schreiben selbst anwenden können (vgl. Feilke 1993, 30).

Die Ergebnisse von Schmölzer-Eibinger (2008) stützen diese These ebenfalls. Untersucht wurden Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache und Deutsch als Zweitsprache beim kooperativen Schreiben einer Bildgeschichte. Das kooperative Schreiben führte zu einer Verbesserung aller Texte, sowohl von schreibschwächeren als auch von kompetenten Schülerinnen und Schülern. Die Schreibstärkeren profitierten zwar mehr, da die Überarbeitungen stärker auf globaler Ebene und Textkohärenz er-folgten, jedoch erkannten alle Schülerinnen und Schüler die sprachlichen Schwächen, die sich in ihren Einzeltexten noch zeigten, und behoben diese im Zuge des gemeinsamen Schreibprozesses (vgl. Schmölzer-Eibinger 2008, 101 ff.).

Zwei didaktische Methoden, die das kooperative Schreiben beinhalten, werden nun kurz vorgestellt. Es handelt sich dabei um die Textlupe und die Schreibkonferenz. Bei der Textlupe handelt es sich um ein kriterienorientier-tes Verfahren zur Textoptimierung und zum schrittweisen kooperativen Schreiben. Schülerinnen und Schüler nehmen hier abwechselnd die Rolle des Schreibers und des Lesers ein. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten schriftlich in Kleingruppen mit Hilfe eines Kommentarbogens, der sog. Textlupe. Jeder in der Gruppe erhält einen Text des Mitschülers sowie die Textlupe und trägt seine Vorschläge, Kommentare und Angebote zur Überarbeitung ein. Die Texte werden dabei reihum gegeben, bis jeder in der Gruppe alle Texte der MitschülerInnen kommentiert hat. Gefördert wird dabei die kritische Auseinandersetzung mit Texten, durch das Bear-beiten fremder Texte fällt das Überarbeiten leichter, da die Distanz zum Text größer ist (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 33).

Das zweite Verfahren ist die Schreibkonferenz. Sie ist geeignet, um Pla-nungs- und Überarbeitungsstrategien anzuwenden. Die Schülerinnen und Schüler sollen in regelmäßigen Schreibzeiten Texte verfassen. Die ersten Entwürfe werden dann in die Schreibkonferenz eingebracht, in der jeweils drei MitschülerInnen zusammenarbeiten und dabei die Entwürfe nach in-haltlichen, stilistischen und orthografischen Aspekten besprechen. An-schließend wird der Text vom Verfasser überarbeitet und zur „Endkontrol-le“ an den Lehrenden übergeben. Zum Abschluss wird der Text in Rein-

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schrift auf einen Schmuckbogen übertragen, damit alle Texte veröffentlicht werden können (Leserunde, Klassenzeitung etc.) (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 34).

Am Ende dieses Kapitels soll nun noch eine Untersuchung angeführt werden, die das Überarbeiten unter kulturellen Gesichtspunkten betrach-tet. Das Überarbeiten eines Textes ist in unserem Kulturkreis sehr stark mit dem Begriff der Korrektur verknüpft, wodurch viele SchreiberInnen zu fokussierten Verbesserungen der Textoberfläche neigen und weniger auf Kohärenz und globale Strukturen eingehen. Matsuhashi/Gordon (1985) untersuchten 110 adoleszente Schreiber zwischen 17 und 19 Jahren. Sie bildeten drei Gruppen, die jeweils eine andere Arbeitsanweisung zum Überarbeiten erhielten. Gruppe I erhielt lediglich den Hinweis den Text zu überarbeiten, Gruppe II sollte den Text überarbeiten und dabei darauf achten, dass möglicherweise vergessene Informationen und übersehene Aspekte integriert werden sollen und Gruppe III bekam dieselbe Anwei-sung wie Gruppe II mit dem Zusatz den Text sofort nach dem Schreiben umzudrehen und vor dem Überarbeiten nicht noch einmal zu lesen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Überarbeitung der textuellen Kohärenz von Gruppe I bis Gruppe III konstant zunimmt (16 % < 40 % < 60 %), wobei in Gruppe I 40 % überhaupt keine Veränderungen in Bezug auf die Textbasis vornahmen (vgl. Feilke 1993, 30).

Matsuhashi/Gordon schließen aus diesen Ergebnissen, dass die nur auf Oberflächenmerkmale bezogene Überarbeitung nicht nur eine Frage des Alters und der entwicklungspsychologischen Orientierung ist, sondern ebenso von den „ökologischen“ Bedingungen des Schreibens abhängt. Die kulturbedingte Verbindung des Überarbeitens mit dem Korrigieren, wel-ches sich an der Textoberfläche orientiert, kann nur durch eine explizite Erwähnung in der Aufgabenstellung (hier: „add to unseen text- Methode“) ausgeglichen werden (vgl. Feilke 1993, 30 f.).

Aus allen hier aufgelisteten Ergebnissen lässt sich ableiten, dass die Aufgabenbeispiele der Bildungsstandards Anweisungen zum Planen und Überarbeiten enthalten sollten, die den Text in einen produkt- und pro-zessbezogenen Aspekt gliedern, d.h. eine inhaltliche Planungshilfe bei-spielsweise in Form eines Kriterienkatalogs sowie einen zeitlichen Schreib-plan je nach Entwicklungsniveau mit einzelnen Schreibschritten enthalten. Didaktisch und methodisch sollte (bei den Beispielaufgaben) das koopera-tive Schreiben gewählt, ebenso wie Methoden zur Selbstregulation vermit-telt werden. Darüber hinaus sollten die Überarbeitungsanweisungen so gestaltet sein, dass das oberflächenbezogene Korrigieren vermieden wird, indem zumindest der Hinweis darauf gegeben wird, sich auf inhaltliche Informationen und Kohärenz und Struktur des Textes zu beziehen.

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11 Entwicklung der Textsortenkompetenz

Der folgende Punkt umfasst eine kurze Darstellung der Entwicklung der Textsortenkompetenz des Erzählens, Anleitens/Beschreibens und des Argu-mentierens. Die Auswahl entspricht den angegebenen Textsorten bzw. Schreibhandlungen der Bildungsstandards für die 8. Schulstufe. Hierbei stellen empirische Studien die Grundlage für die folgenden Ausführungen dar. Wie bereits erwähnt, gibt es bislang keine Studie, die die verschiede-nen Textsorten in ihrem Zusammenhang untersucht, sondern jeweils ein-zelne Untersuchungen für jede spezielle Textsorte. Auch zum Berichten gibt es kaum empirische Studien. Berichten kann zwar zu den informierenden Textsorten gerechnet werden, fällt hier aber nicht unter die deskriptiven Texte (wie Anleiten oder Beschreiben), sondern wird eher dem Erzählen zugeordnet, da es im Hinblick auf die Darstellungsfunktion die Referenz auf Ereignisse und Vorgänge gemeinsam hat (vgl. Feilke 2003, 186).

11.1 Erzählen

Zur Textsorte Erzählen gibt es einige empirische Studien, die allerdings meist das Grundschulalter oder den Beginn der Sekundarstufe I abdecken. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass man das Erzählen als einfache Schreib-aufgabe bereits früh im Curriculum angesiedelt hat und es altersmäßig an den Beginn der Schreibentwicklung einordnet.

Boueke et al. (1995), Wolf (2000) unterscheiden zwischen vier Etappen der Strukturierung von Erzählungen, in denen ein a) enumerativer, b) linear-sequentieller, c) makrostrukturell kontrastiver und d) narrativ involvierender Modus der Ereignisdarstellung aufeinander folgen. (Feilke 2003, 184) Im enumerativen Modus, der sich auch in anderen Textsorten findet, sind die Aussagen assoziativ-inhaltlich gereiht, ohne dabei einen Bezug für eine globale Textstruktur herzustellen. Der Text erscheint dabei als bloße Auflis-tung und kann in kognitiver Hinsicht als eine Protoform literaler Textbil-dung gewertet werden. (Feilke 2003, 184) Im sequentiellen Modus ist der Text als Kette von Sätzen, die primär durch die Abfolge des Ereignisses motiviert ist, verbunden. Die Sätze sind dabei nicht bloß gelistet, sie sind großteils über eine „und dann“ Struktur verknüpft, wobei in der Anfangs-phase noch die syntaktische Stereotype der Liste erhalten bleibt. (Feilke 2003, 184) Im kontrastierenden Modus ist der Text durch die Zuspitzung der Geschichte im Hinblick auf einen Erwartungsbruch gekennzeichnet. Makrostrukturell kann der Text in ein Vorher und Nachher gegliedert werden, wobei sich die lokale Textordnung an dieser globalen Einteilung orientiert. (Feilke 2003, 185) Die leserorientierte Integration und die narra-

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tiv-sprachliche Durchformung dieser Funktion (Markierung der Ereignis- und Affektstruktur der Geschichte) stehen schließlich im abschließenden involvierenden Modus im Vordergrund. (Feilke 2003, 185)

Schülein/Wolf/Boueke (1995) stellen ab einem Alter von ca. 10 Jahren ein ausgebautes globalstrukturelles Schema für Erzählungen fest. Aller-dings spielt der Inhalt des Erzählten eine entscheidende Rolle. Freedman (1987) untersuchte 200 freie Texte (5., 8. und 12. Schuljahr), wobei die Un-tersuchung auf einen Vergleich der Erzählstrukturen von selbst erlebten und erfundenen Geschichten abzielt. Dabei wurde festgestellt, dass bei erfundenen Geschichten das Schema einer Geschichtengrammatik von mehr als der Hälfte der 10-Jährigen realisiert wird, während dies bei selbst erfundenen nur von etwa einem Drittel passiert. Hier sind erst die 18-Jährigen zu fast 100 % in der Lage auch Selbsterlebtes schriftlich in der typischen Form einer Erzählung zu verarbeiten und zu präsentieren. (Feil-ke 2003, 185)

11.2 Anleiten, Beschreiben

Das schriftliche Beschreiben ist empirisch bislang kaum untersucht. Eine Ausnahme bietet hier die nicht publizierte Studie von Schneuwly/Rosat (1986), die Zimmerbeschreibungen auf der 2., 4., 6., und 8. Schulstufe mit-einander verglichen. Dabei ist eine deutliche Entwicklungstendenz zu ver-zeichnen: Zu Beginn der Grundschulzeit werden die Zimmerbeschreibun-gen als syntaktische stereotype Liste unverbundener Sätze verfasst, seman-tisch stellen die Sätze eine Auflistung der im Zimmer vorhandenen Gegenstände dar, wobei deutliche Parallelen zum enumerativen Modus der Erzählungen vorhanden sind. (Feilke 2003, 186) In der 4. und 6. Klasse orientieren sich die Schülerinnen und Schüler an den vorhandenen Gegen-ständen des Zimmers („Gegenstandsrahmen“). Diese werden beschrieben, jedoch ohne dass dabei auf das Zimmer bzw. die Anordnung der Gegen-stände im Raum Bezug genommen wird. (Feilke 2003, 186) Ab dem 8. Schuljahr werden nun für die Gegenstände feste Bezugspunkte im Raum angegeben, jedoch ist nur die Hälfte der Schülerinnen und Schüler dieser Schulstufe in der Lage eine Gesamtbeschreibung des Zimmers von einem Betrachtungspunkt aus zu produzieren. (Feilke 2003, 186)

Das Anleiten stellt die anspruchsvollste Handlung in diesem Bereich dar, weil Beschreibungen und Erklärungen für das Leseverständnis inte-griert werden müssen. Die erste empirische Untersuchung stammt dabei von Becker-Mrotzek (1997), der daraus sein Schreibentwicklungsmodell ableitet. Dabei geht er von der Annahme aus, dass sich die benötigten sprach- und textstrukturellen Kompetenzen sukzessive und parallel in allen Dimensionen ausdifferenzieren. Die Stichprobe umfasste bei der Un-tersuchung 164 Texte aus dem 4., 6., 7., 10., 12. Schuljahr sowie Texte von

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Germanistikstudenten und Technischen Redakteuren (vgl. Feilke 2003, 186). Die Aufgabe war das Verfassen einer Bedienungsanleitung für eine digitale Stoppuhr. Becker-Mrotzek stellt nun drei Entwicklungsniveaus plus die Stufe Null fest. Auf dieser werden Texte eingeordnet, die nicht als Anleitung brauchbar sind, was ausschließlich Texte des 4. Schuljahres be-trifft. Auf dem ersten Entwicklungsniveau (4.-6. Schuljahr) werden Äußer-lichkeiten der Uhr oder des Hantierens mit der Uhr beschrieben, ohne dabei auf Handlungszwecke Bezug zu nehmen. Die Texte bestehen aus einem Anleitungskern, der eine Beschreibung der Bedienungshandlung enthält. (Feilke 2003, 187)

Auf der zweiten Entwicklungsstufe (7.-10. Schuljahr) wird die Bedie-nungshandlung nicht nur beschrieben, sondern von ihren Zweckursachen, syntaktisch meist durch „um … zu“ Verwendungen, her erklärt. Dazu orientieren sich die SchreiberInnen am/an der LeserIn und potenziellen AnwenderIn: Erste Gliederungen treten beispielsweise durch Zwischen-überschriften auf. Darüber hinaus werden auch die nicht wahrnehmbaren Aspekte des Gegenstands integriert, häufig allerdings noch mit unkonven-tionellen Formulierungen, z.B. „Die Uhr läuft innerlich weiter“ (vgl. Feilke 2003, 187). Das dritte Entwicklungsniveau, welches ab der Adoleszenz erreicht wird, orientiert sich an einem abstrakten, generalisierten Adressa-ten und stellt die Verständigung mit ihm an den Anfang. Die Anleitung an den/die LeserIn verläuft anweisend und trägt zur Wissensgewinnung bei, dabei orientiert sich der/die SchreiberIn am möglichen Zweck der Bedie-nung. (Feilke 2003, 187)

Eine weitere Studie zur Instruktion stammt von Thomas Bachmann (2002), der Schülern der 4., 8., und 10. Schulstufe drei verschiedene Anlei-tungsaufgaben stellt (Strategiespiel erläutern, Schnurtrick erläutern, Pa-pierfliegerfaltanleitung). Der Fokus der Untersuchung von 36 Schülertex-ten liegt auf der Verwendung der Kohäsions- und Kohärenzmittel. (Feilke 2003, 187) Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Kohäsions- als auch Kohä-renzindikatoren von der 4. bis zur 8. Schulstufe deutlich ansteigen, zum 10. Schuljahr hin aber wieder abnehmen. Das Ergebnis wird dabei so interpre-tiert, dass auf der zweiten Entwicklungsstufe eine Übererfüllung zur Ex-plizitheit und Normgenauigkeit vollzogen wird, die dann auf dem dritten Entwicklungsniveau wieder zurückgeht. (Feilke 2003, 187) Dieses Ergebnis erweist sich als textsortenübergreifend und wurde von Schmidlin (1999) für erzählende und von Schneuwly (1988) und Feilke (1996) für argumenta-tive Texte bestätigt. Die überdurchschnittliche Orientierung an der Norm scheint demnach eine notwendige Durchgangsphase auf dem Weg zur Leserorientierung darzustellen. (Feilke 2003, 187)

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11.3 Argumentieren

Das Argumentieren stellt die komplexeste und schwierigste Schreibhand-lung dar. Zwar zeigte Feilke (1995), dass bereits GrundschülerInnen die Grundkompetenzen des Argumentierens beherrschen, auf der anderen Seite wird eine entwickelte Argumentationsfähigkeit selbst nach 13 Schul-jahren nur von einem Teil der Schülerinnen und Schüler erreicht (vgl. Feil-ke 2003, 187). Die komplexe Anforderung besteht im sachkonstituierenden Charakter der Argumentation, während sich das Erzählen oder Anleiten auf einen realen Gegenstand beziehen. Die Argumentation ist außerdem durch strukturelle Offenheit gekennzeichnet, da deskriptive oder narrative Passagen in den Text inkludiert werden können. Aus diesem Grund ist die Argumentation im Gegensatz zu den anderen Textsorten in ihrer Struktur wenig prägnant. (Feilke 2003, 188) Ein weiteres Problem stellt die geforder-te Leseranpassung dar, wobei die Schwierigkeit darin besteht eine/n po-tenzielle/n LeserIn von den Argumenten zu überzeugen. Dabei kommt es im inhaltlichen Problemraum auch auf die Folgerichtigkeit, Haltbarkeit und Relevanz der gewählten Argumente an. (Feilke 2003, 188)

Schneuwly (1998) stellt einen Vergleich von 120 anleitenden und 90 ar-gumentativen Texten des 4., 6., 8. Schuljahres sowie einer Gruppe Erwach-sener an: Das Ergebnis zeigt eine deutliche Verschiebung der Entwicklung der argumentativen Texte gegenüber den anleitenden betreffend die Kohä-renz und die textstrukturierenden Mittel. (Feilke 2003, 188)

Feilke & Augst entwickelten ihr bereits beschriebenes Schreibmodell auf Basis einer empirischen Untersuchung von 120 argumentativen Briefen des 7., 10., 12. Schuljahres sowie von 23-Jährigen SchreiberInnen. Dabei stellten sie für jede der vier Entwicklungsdimensionen ein bestimmtes Textordnungsmuster fest: linear-reihend, material-systematisch, linear-dialogisch, formal-systematisch. Im Laufe der Entwicklung kann allerdings nicht davon gesprochen werden, dass hier ein Textordnungsmuster durch das nächste ersetzt wird, vielmehr werden auf Basis der erworbenen Mus-ter neue Fähigkeiten ausgebaut und bereits erworbene Fähigkeiten in die neue Problemdimension integriert. (Feilke 1988, 78 f.) Dieser Differenzie-rungsprozess entspricht dem allgemeinen entwicklungspsychologischen Vorgang der Dezentralisierung der Perspektiven. (Feilke 1988, 78) Eine strikte Abfolge nach Alter konnte nicht festgestellt werden, jedoch eine Tendenz, dass die jüngeren SchreiberInnen der 7. und 10. Schulstufe linear-reihende und material-systematische Textordnungsmuster bilden, während bei SchülerInnen der Oberstufe und Erwachsenen formal-systematische und linear-dialogische Textordnungsmuster überwiegen. Gleichzeitig finden sich jedoch auch schon bei einigen jüngeren SchreiberInnen die ausdiffe-renzierten Textordnungsmuster so wie linear-reihende und material-

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systematische Muster, die auch bei Erwachsenen vorkommen (vgl. Feilke 1988, 78 f.).

Bei einem Vergleich der Entwicklung der argumentativen Fähigkeiten und der Entwicklung der anderen Textsorten kann festgestellt werden, dass sich das Argumentieren zu einem deutlich späteren Zeitpunkt entwi-ckelt. Denn der linear-reihende Modus wurde auch von Wolf (2000) für das Erzählen festgestellt, wobei er hier zu einem deutlich früheren Zeitpunkt erreicht wird. (Feilke 2003, 188) Ebenso zeigen dies die Ergebnisse von Schneuwly (1998) beim Vergleich von argumentativen und anleitenden Texten.

Coirier & Golder (1993) untersuchten 92 Texte des 4.-10. Schuljahres und leiteten drei Stufen der Entwicklung der Argumentationsfähigkeit ab: 1. präargumentativ: ungestützte Position; Sätze beginnen meist mit der 1.

Person Singular. Der oben analysierte Text aus der Baseline-Testung kann beispielsweise in dieser Stufe verortet werden.

2. minimale Argumentation: ein Argument pro Position 3. elaborierte Argumentation: zwei unverknüpfte Argumente pro Position,

später zwei verknüpfte Argumente pro Position (Feilke 2003, 189) Die Folgerung, die sich aus der beschriebenen Entwicklung ergibt, ist fol-gende: Zum Verfassen einer elaborierten Argumentation braucht der/die SchreiberIn neben einer entwickelten kognitiven Fähigkeit auch eine sozia-le Kognition, die dem Informationsbedürfnis des/der Lesers/Leserin ge-recht wird. Daraus folgt eine hohe sprachliche Anforderung der Textsorte. In anderen Textsorten ist die Information für den/die LeserIn bereits durch die Sache selbst gegeben. Jechle (1992) sieht die soziale Kognition erst ab dem 9. Schuljahr gegeben, bei berichtenden Texten kann sie dagegen be-reits im 7. Schuljahr festgestellt werden (vgl. Feilke 2003, 188 f.).

Wie diese durchaus hohen sprachlichen Anforderungen am besten ver-mittelt werden können, wurde in einigen didaktischen Studien untersucht. Da das Argumentieren eine hoch komplexe sprachliche Handlung dar-stellt, wurden die einzelnen Aspekte in Teilhandlungen zerlegt. Daraus entstehen bestimmte Aufgabentypen (siehe dazu: Feilke 2010, 160): Zuordnungs- und Sortierungsaufgaben • Finden und Auswählen von geeigneten Argumenten zu einer These • Ordnen und Hierarchisieren von Argumenten zu einer These • Sortieren von Pro- und Contra-Argumenten Textbezogene Einsetz- und Ordnungsaufgaben • Einsetzen vorgegebener argumentativer Konjunktionen in einen Text • Ersetzen falsch eingesetzter Konjunktionen in einem Text • Rearrangierung der zerlegten Elemente eines kontroversen Textes Direkt kontroversenbezogene Settings

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• Alpha-Omega-Verfahren (Vorgabe des ersten und letzten Satzes, die sich gegenseitig widersprechen)

• Informationen über den kontroversen Status des Themas; Streitfiktion • Freies Schreiben zu einer These oder Forderung (Feilke 2010, 160) Die Aufgaben gehen dabei von einer starken Künstlichkeit und Isolation der Teilhandlungen zur „Natürlichkeit“ der Aufgabenkontexte über. Piolat et al. (1999) kommen hier zu dem Ergebnis, dass je stärker restringiert ein Erwerbskontext ist, desto zuverlässiger lässt sich der Erwerb der jeweiligen Teilkomponente vorhersagen. (Feilke 2010, 161) Diese Ergebnisse sprechen demnach für eine Didaktik, die zum Erwerb die Fähigkeiten in isolierten Kontexten präsentiert.

restringierte Kontexte semifreie Kontexte freie Kontexte

↓ Didaktische Konsequenz: Stärker aufgabendifferen-zierte Produktionsformen fördern den Erwerb der Teilkompetenzen.

• geringe Authentizität

• hohe Authentizität

• definierte Komplexität • undefinierte Komple-xität

• geringer Automatisie-rungsbedarf

• hoher Automatisie-rungsbedarf

• aufgabendifferenzierte didaktische Fokussie-rung

• geringere didaktische Fokussierung

• hohe Trennschärfe im Blick auf Teilkompe-tenzen

• geringe Trennschärfe im Blick auf Teilkom-petenzen

Darst. 14: Konsequenzen restringierter vs. schwachrestringierter Schreibkontexte

(Feilke 2010, 160) Auf den ersten Blick wirken diese Ergebnisse wie ein Widerspruch zu den bisher postulierten Kriterien für gute Aufgaben im Sinne der Aufgabenori-entierung, wie beispielsweise hohe Authentizität. Allerdings beziehen sich die hier genannten Ergebnisse auf den Erwerb der Kompetenzen und nicht auf Testaufgaben. Aber auch die Erwerbsdimension sollte bei der Konzep-tion von Aufgaben für standardisierte Tests und vor allem in Bezug auf Beispielaufgaben (= Lernaufgaben) nicht außer Acht gelassen werden. Es ist durchaus möglich Formen der oben genannten Aufgabentypen in kom-plexe Schreibaufgaben zu integrieren oder generell Teilkompetenzen zu

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überprüfen. Durch Integration von beispielsweise Zuordnungsaufgaben in komplexe Aufgaben kann ein geeignetes Instrument zur Differenzierung geschaffen werden, da das Teilen einer komplexen Handlung zur Verbes-serung der Schreibleistung führt.

11.4 Konsequenzen für die Bildungsstandards „Schreiben“

In diesem Punkt werden nun Ergebnisse aus den vorangegangenen Kapi-teln auf die Schreibaufgaben der Bildungsstandards übertragen.

Vorweg ist an dieser Stelle ein relevantes Ergebnis für diese Arbeit zu nennen. Die Entwicklung der verschiedenen Textsorten zeigt, dass die in Kapitel 5.3 aufgestellte Hypothese hiermit bestätigt werden kann, d.h. argumentative Fähigkeiten entwickeln sich deutlich später als die des schriftlichen Erzählens und stellen eine höhere Anforderung an den/die SchreiberIn. Eine als Parallelform konzipierte Überprüfung (vgl. Baseline-Testung 2009), in denen eine Gruppe einen argumentativen, die andere einen Erzähltext zur Bearbeitung bekommt, liefert keinen gerechten Ver-gleich über die Schreibkompetenz.

Bachmanns Ergebnisse (2002) zeigen, dass Normorientierung den Schü-lerinnen und Schülern nicht oktroyiert wird, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Lerninteresses ist und als Teilschritt zur Ausbildung der Leserperspektive notwendig durchlaufen werden muss. (Feilke 2003, 187) Textsortenarbeit dient zur Orientierung an der Norm, deshalb sollten Textmuster auch in den Aufgaben verwendet werden. Das zweite Ergebnis von Bachmann ist noch weitreichender: Je schwieriger der Anleitungsge-genstand eingeschätzt wurde, desto stärker war der Gebrauch der Konne-xion und der textstrukturierenden Mittel, was gleichzeitig zu einer zuneh-menden Leserorientierung führt. (Feilke 2003, 187) Das bedeutet, dass Auf-gaben durchaus anspruchsvoll und komplex gestaltet sein sollten, wenn man die Entwicklung der Schreibkompetenz fördern will. Es gilt demnach ein ausgewogenes Maß des Schwierigkeitsgrads zu finden bzw. eine Ab-wechslung zwischen komplexen und weniger komplexen Aufgaben, zwi-schen Teilkompetenzen und komplexen Handlungen. Anspruchsvolle Aufgaben, die die Schreibentwicklung fördern, unterstützen die Schrei-benden gerade in der Ausbildung komplexer Schreibkompetenz. Wie die einzelnen Schritte der Schreibentwicklung zeigen, liegt die größte Schwie-rigkeit darin, einen distanzierten, global strukturierten und leserorien-tierten Text zu verfassen. Aufgaben müssen demnach so strukturiert wer-den, dass sie durch ihre Gestaltung genau diese Dinge einfordern. Dies soll

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nun an einem Beispiel verdeutlicht werden. Die Aufgabe stammt von Thomas Bachmann und ist für die 7.- 9. Schulstufe konzipiert.28

Eine „Zimmerbeschreibung“ für den Onkel aus den USA verfassen Dein Onkel lebt in den USA. Ihr schreibt euch regelmä-ßig E-Mails. Heute hast du ein besonderes Anliegen: Du möchtest dein Zimmer besser einrichten. So wie es eingerichtet ist, hast du einfach zu wenig Platz. Alles steht irgendwie im Weg. Dein Onkel ist Innenarchitekt und du bist sicher, dass er dir beim „Umstellen“ helfen kann. Er findet immer überraschende Lösungen. Das Problem ist nämlich, dass du nichts weggeben willst und eigentlich alles brauchst. Schau dir die drei Fotos und den Zimmerplan genau an. Du musst ja wissen, wie dein Zimmer aussieht. Die Fotos zeigen „dein“ Zimmer aus verschiedenen Blick-winkeln. ■ Beschreibe dein Zimmer so, dass dein Onkel sich auch ohne (!) Fotos und Zimmerplan eine genaue Vor-stellung von deinem Zimmer machen kann. Aus tech-nischen Gründen kannst du Fotos und Zimmerplan deinem Onkel nicht mailen. Er soll möglichst genau wissen, □ wie dein Zimmer aussieht, □ was wo steht. ■ Schreib einen Entwurf von deinem E-Mail an den Onkel.

Die Aufgabe kann durchaus als anspruchsvoll gewertet werden, da sie das Verfassen einer komplexen Schreibhandlung (Beschreiben) verlangt und nicht nur eine Teilkompetenz überprüft. Durch ihren Aufbau und ihre Struktur wird die Aufgabe allerdings in kleinere, überschaubare Schritte zerlegt.

28 Aufgabe nachzulesen unter: http://www.iik.ch/wordpress/downloads/Bachmann-

sims-Tagung20.01.10.pdf [Stand: 05.05.2011].

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Sie ist in einen realistischen sozialen Kontext eingebettet, wodurch die Identifikation mit der Aufgabe und die Motivation erhöht werden. Die Schülerinnen und Schüler schreiben hier für den „Ernstfall“ (vgl. Bach-mann 2010) und erkennen somit einen Zweck hinter ihrer Schreib-handlung. Durch das reale Problem (aus technischen Gründen ist eine Übertragung der Fotos nicht möglich) wird der Sinn deutlich: Um dieses zu lösen, muss man über die Kompetenz des Beschreibens verfügen. Gleichzeitig wird durch die Struktur das Schreibziel klar, was eine Grund-voraussetzung für einen konkreten Schreibplan darstellt. Durch die Abbil-dung der Fotos und der Skizze kann der/die SchreiberIn sich ein Bild von „seinem“/„ihrem“ Zimmer machen, er/sie hat so die Möglichkeit sich das benötigte Wissen für die Lösung der Aufgabe selbst anzueignen. In einer Unterrichtssituation wäre dieser Punkt durchaus variabel, indem man die Schülerinnen und Schüler tatsächlich ihr eigenes Zimmer fotografieren und anschließend eine Skizze anfertigen lässt. Für das Verfassen eines leserori-entierten Textes hilft hier der konkrete Adressat. Einerseits wird durch das Textmuster (E-Mail/Brief) und andererseits durch die Funktion des Adres-saten (Helfer für das Problem) der Einbezug der Leserperspektive einge-fordert und somit auch die Ausbildung einer globalen Textstruktur unter-stützt. Hier kommt jedoch noch ein weiterer Punkt hinzu. Durch die Struk-tur der Aufgabe kann „die Probe aufs Exempel“ gemacht werden: Der Text funktioniert dann, wenn der/die LeserIn anhand der Beschreibung die richtige Vorstellung vom Zimmer erhält. Dies könnte im Unterricht bei-spielsweise dadurch überprüft werden, indem der Text (verfasst anhand von Fotos des eigenen Zimmers) einem Mitschüler gegeben wird, der nun auf Basis der Beschreibung ebenfalls eine Skizze anfertigt. Es besteht eben-falls durch die Aufgabe die Möglichkeit, ob tatsächlich oder nur fiktiv, dass LeserIn und VerfasserIn auch miteinander in Kontakt treten. Im Unterricht könnte dann in Partnerarbeit der jeweilige Text gemeinsam verbessert werden und zwar aufgrund der Probleme, die sich für den/die LeserIn während der Rezeption und dem Anfertigen der Skizze ergeben haben.

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TEIL D: ANALYSE

12 Analyse der Aufgaben

In diesem Teil der Arbeit werden nun die Aufgaben der Bildungsstandards auf Basis der in Kapitel 9 formulierten Kriterien überprüft. Dabei wird zwischen den zwei freigegebenen Testitems der Baseline-Testung und einigen Beispielaufgaben aus der veröffentlichten Aufgabensammlung des BIFIE unterschieden. Es soll außerdem versucht werden Verbesse-rungsvorschläge für die Aufgabenstellungen zu formulieren, falls dies notwendig ist. Die Betrachtung der Schreibentwicklung in Kapitel 10 und 11 hat die bereits formulierten Kriterien bestätigt, einige Punkte können jedoch noch vertieft und ergänzt werden: • Zur Ausbildung einer komplexen Schreibfähigkeit sollten die Aufgaben

durchaus anspruchsvoll und komplex sein. Sie müssen allerdings durch ihre Struktur (Zerlegen der komplexen Handlung in Teilhandlungen), durch die Einbettung in einen sozialen Kontext und Angabe eines Ad-ressaten den/die SchreiberIn in der Entwicklung seiner/ihrer Fähigkei-ten unterstützen.

• Planungshilfen müssen auf zwei Ebenen erfolgen: Sie müssen erstens inhaltliche Hilfestellung mit Informationen, Angaben und Orientie-rungshilfen zum erwarteten Textmuster geben und zweitens braucht der Schreibende einen konkreten Schreibplan, der Werkzeuge, Strate-gien, Zeitplanung, Ressourcensteuerung und Ähnliches beinhaltet (vgl. Becker-Mrotzek 2007, 29).

• Lernaufgaben sollten zur Überarbeitung Methoden des kooperativen Schreibens nutzen. Die Distanz, die zum Überarbeiten benötigt wird, ist bei fremden Texten gegeben, für die Überarbeitung des eigenen Texts muss die Leserperspektive eingenommen werden, was vielen Schreibe-rInnen Probleme bereitet und nicht zur Verbesserung der Texte führt.

• Die Angaben zum Überarbeiten sollten so formuliert werden, dass oberflächenbezogenes Korrigieren vermieden wird. Es sollte zumindest der Hinweis gegeben werden sich auf Inhalte, Textstruktur und Kohä-renz zu beziehen. Eine weitere Möglichkeit wäre auch die „add to un-seen text“ Methode.

• Für den Erwerb der komplexen Schreibfähigkeit des Argumentierens sollte die Handlung in Teilaspekte zerlegt werden. Diese Teilaufgaben können allerdings auch in die Testaufgaben integriert werden.

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• Die Normorientierung an einem Textmuster ist textsortenübergreifend ein notwendiger Entwicklungsschritt zur Ausbildung der Leserorientie-rung und sollte deshalb in den Aufgaben berücksichtigt werden. Hilfe-stellungen könnten in Form von literalen Prozeduren und Routineaus-drücken gegeben werden.

Nach der theoretischen Erarbeitung der Kriterien für Aufgaben wird klar, wie schwierig und komplex die Formulierung geeigneter Aufgabenstel-lungen ist. „Gute Schreibaufgaben“ müssen gleichzeitig auf mehreren Ebe-nen (Produkt, Prozess und Prozedur) funktionieren, sie müssen darüber hinaus auf heterogene Voraussetzungen der Lernenden achten, eventuell Testgütekriterien entsprechen und altersgemäß strukturiert und formuliert sein. Kurz gesagt, die Konzeption guter Aufgaben stellt eine große Heraus-forderung dar.

12.1 Testitems der Baseline-Testung

In diesem Kapitel werden die zwei freigegebenen Items der Baseline-Testung untersucht. Wie bereits erwähnt, wurde der Test als Parallelform konzipiert, so dass die eine Hälfte der Teilnehmenden einen argumentati-ven Text, die andere Hälfte einen Erzähltext verfassen sollte. Da die Base-line-Testung zur Erhebung des Ist-Zustands durchgeführt wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die kommenden Testungen der Bildungsstandards ebenfalls als eine solche Parallelform gestaltet werden. Davon wäre, wie in dieser Arbeit deutlich gezeigt wurde, aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsverläufe der verschiedenen Textsorten unbedingt abzuraten.

Die erste Aufgabe ist das Verfassen eines argumentativen Textes und lautet folgendermaßen:29 Eine Jugendzeitschrift möchte wissen, wie ihre Leser/innen über die Zahl der Sportstunden in der Schule denken. Schreib einen Beitrag für die Zeitschrift zu folgendem Thema: „Mehr, weniger oder gleich viele Sportstunden wie bisher in der Schule?“ Wie würdest du entscheiden? Erkläre deine Meinung und gib zwei Gründe dafür an. Dein Beitrag soll etwa 80 Wörter lang werden. Du hast 15 Minuten Zeit. Beginne so: Sehr geehrtes Redaktionsteam, _________________________________ Schreib deinen Beitrag für die Jugendzeitschrift im Antwortbogen auf.

29 Aufgabenstellung entnommen: Praxishandbuch „Deutsch“ für die 5.-8. Schulstufe

(2010), 22.

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Das Verfassen eines argumentativen Textes ist zu den komplexen Aufgaben zu zählen und stellt eine große Herausforderung mit hohem Schwierig-keitsgrad an die SchreiberInnen dar, was durch die Analyse der Antwort-texte in Kapitel 10.1 gezeigt wurde.

In Bezug auf die Testgütekriterien ist bei obiger Aufgabe eine Unklar-heit anzumerken. Auch bei offenen Schreibaufgaben muss die Lösung eindeutig sein, d.h. alle zu wertenden Antworten müssen bekannt sein. Die Aufgabe enthält zwar durchaus Angaben zum Standard 11 „Texte verfas-sen“. Aber wie bereits in Kapitel 5.3 in der Analyse der Baseline-Testung ge-zeigt wurde, nimmt der Test den Standard 10 „Texte planen“ der Aufgabe als inhärent an, obwohl keine konkreten Angaben dazu vorhanden sind. Inwieweit der Standard „Texte planen“ in die Bewertung einbezogen wur-de, ist ebenfalls unklar, da sich die Kriterienkataloge nicht auf Planung und Überarbeitung beziehen. Ebenso gibt es eine Unklarheit den Standard „Texte verfassen“ betreffend. Überprüft wird die Fähigkeit „altersgemäße und für ein Thema relevante Argumente und Gegenargumente zu formu-lieren und sie sprachlich verknüpfen bzw. gegenüberstellen zu können“. (http://www.bifie.at/sites/default/files/bist-d8-kompetenzbereiche.pdf [Stand: 22.01.2011]) Die Aufgabenstellung enthält allerdings keine explizite Aufforderung Gegenargumente in den Text zu integrieren, darüber hinaus wird nicht klar ersichtlich, inwieweit das Anführen von Gegenargumenten für die Bewertung relevant ist. Im Kriterienkatalog zur „Schreibhaltung“ Argumentieren findet sich dieser Punkt im Bereich „Anforderungen über-troffen (Niveaustufe 3)“ (vgl. Praxishandbuch für Deutsch 2010, 32). Es kann somit keine klare Übereinstimmung von Standard, Aufgabe und Be-wertung festgestellt werden. Um diese zu erreichen, empfiehlt es sich, das Einbeziehen von Gegenargumenten in die Aufgabenstellung (und eventu-ell in den Kriterienkatalog) zu integrieren, damit der Standard tatsächlich zur Gänze überprüft werden kann.

Auch im Bereich der quantitativen und qualitativen Differenzierung weist die Aufgabe Schwächen auf. Die Arbeitszeit ist mit 15 Minuten rela-tiv knapp bemessen, SchreiberInnen mit langsamerem Arbeitstempo könn-ten unter Druck geraten. Außerdem ist zu bezweifeln, dass es innerhalb dieses Zeitraums möglich ist, sich über Planung und Überarbeitung Ge-danken zu machen. Darüber hinaus differenziert die Aufgabe nicht zwi-schen unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schülerinnen und Schüler, da alle Testteilnehmenden dieselbe Aufgabe zur Bearbeitung bekommen haben. Es werden auch keine Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, durch die auch die schwächeren Schülerinnen und Schüler unterstützt werden. Im Hinblick auf das erforderliche Welt- und Sachwissen wurde die Aufgabe im Umfeld Schule angesiedelt, wodurch sichergestellt wird, dass jeder Testteilnehmende Erfahrung und Wissen in diesem Bereich aufweist. Dass aber die persönliche Erfahrung mit Sport und Sportstunden nicht aus-

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reicht, um einen distanzierten argumentativen Text zu schreiben, konnte ebenfalls in Kapitel 10.1 durch die Analyse der Antworttexte gezeigt wer-den. Das Bereitstellen von Zusatzmaterial wäre deshalb sowohl aus Sicht der Differenzierung als auch in Bezug auf erforderliches Sachwissen zu empfehlen.

Auch im Bereich des Schreibprozesses kann nicht von einer Beachtung desselben gesprochen werden. Da keine Angaben und Aufforderungen in der Aufgabenstellung enthalten sind, wird die Forderung nach Steuerung des gesamten Schreibprozesses nicht erfüllt. Das Fehlen von konkreten Planungsangaben macht es schwierig zu analysieren, inwieweit Hilfestel-lungen zur inhaltlichen und strategischen Planung enthalten sind. Wenn dies der Fall ist, dann kann die Angabe zur Arbeitszeit als strategische Hilfe gezählt, die Anrede „Sehr geehrtes Redaktionsteam“ als Adressaten-angabe sowie die Angabe „zwei Gründe anzugeben“ als inhaltliche Pla-nungshilfe gewertet werden. Der Standard 12 „Texte überarbeiten“ wurde komplett ausgespart.

Die komplexe Aufgabenstellung ist ferner nicht so strukturiert, dass sie in einzelne Handlungsschritte gegliedert werden kann, wie es in der oben beschriebenen Aufgabe von Thomas Bachmann der Fall ist. Dort erhält der/die SchreiberIn über den sozialen Kontext der Aufgabe und die Bil-der/Skizze die Möglichkeit, sich zuerst mit der Sache auseinanderzuset-zen, bevor der Text geschrieben wird. In der hier vorliegenden Aufgabe ist dies nicht der Fall. Der/die SchreiberIn soll seine/ihre Meinung zum The-ma „Mehr, weniger oder gleich viele Sportstunden wie bisher“ schriftlich formulieren, ohne dass dabei der Kontext näher erläutert wird. Dies hat Auswirkungen auf das Schreibziel und den Zweck der Aufgabe. Warum soll der/die SchreiberIn seine/ihre Meinung äußern? Warum möchte die Jugendzeitschrift die Meinung ihrer LeserInnen dazu abdrucken? Gibt es dafür einen realen Hintergrund wie beispielsweise Budgetkürzungen an Schulen?

Um motiviert zu schreiben, einen Sinn hinter dem Schreibvorhaben zu erkennen und das Schreibziel planen zu können, sind diese fehlenden An-gaben aber elementar wichtig. Ein Kontext sozialer Interaktion und die Teilhabe an einem realen Diskurs wären durch die Situierung der Aufgabe als Zeitschriftenbeitrag gegeben bzw. möglich, doch aufgrund der geringen Angaben wird der Kontext nicht „realistisch“ ausgebaut. Wie in der Analy-se der Antworten zumindest im ersten Text gezeigt werden konnte, fehlt es dem Schreiber an ausreichendem Wissen über die erwartete Textsorte, einem konkreten Schreibplan, an Leserorientierung und letztlich auch an Sachwissen.

Die Aufgabenstellung gibt zwar explizit einen Adressaten, nämlich das Redaktionsteam der Zeitschrift an, implizit richtet sich ein Zeitschriftenbei-trag aber an alle LeserInnen der Zeitung. Diese impliziten LeserInnen wur-

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den in keinem der beiden analysierten Texte antizipiert. Dieses Problem könnte mit der Orientierung an einem Textmuster zusammenhängen. Nach Angaben der Autoren wurde die Aufgabe bewusst so gestaltet, dass weder die Textsorte der Erörterung noch ein Leserbrief erwartet werden, um die „Schreibhaltung“ des Argumentierens und keine Textsortenkompetenz abzuprüfen (vgl. Praxishandbuch Deutsch, 22). Erwartet wird ein Beitrag in Form einer schriftlichen Stellungnahme. Textsorten oder Textmuster dienen allerdings zur Orientierung bei der Ausbildung einer globalen Textstruktur und sind gerade zur Ausbildung von Schreibkompetenz wichtig. Die Orientierung an einem Textmuster ist ein wichtiger Entwick-lungsschritt auf dem Weg zur Ausbildung der Leserorientierung und sollte deshalb in den Aufgaben berücksichtigt werden (vgl. Feilke 2003; Bach-mann/Becker-Mrotzek 2007). Gemeint ist hier keine strenge Formorientie-rung wie in der traditionellen Aufsatzdidaktik, sondern eine funktional-pragmatische Orientierung, die zur Ausbildung des Schreibziels dient.

Als Hilfestellung wurde der Einstieg des Textes als persönliche Anrede an den Adressaten (das Redaktionsteam) gestaltet. SchreiberInnen, die die Textsorte des (Leser-)Briefs kennen und Erfahrung mit diesem Textmuster haben, werden wahrscheinlich automatisch einen Beitrag im Sinne eines Briefes verfassen (vgl. hier Text 2 der Analyse, der Schreiber tritt in einen Dialog mit dem Leser und verabschiedet sich), wobei hier dann das Prob-lem auftritt, dass sich in einem realen Kontext der Leserbrief nicht aus-schließlich an das Redaktionsteam, sondern an die Leserinnen und Leser einer Zeitung richtet. Hier liegt vermutlich die Ursache dafür, dass der Schreiber des zweiten Textes die Leser der Zeitschrift nicht mit einbezogen hat, obwohl er die Fähigkeit zur Leserorientierung aufweist. Der Schreiber verfasst einen Brief an das Redaktionsteam und beachtet eine mögliche Veröffentlichung seines Beitrags in der Zeitschrift und somit weitere Rezi-pientInnen nicht, da die Aufgabe dies auch nicht explizit ausweist. Beson-ders unerfahrenere oder schwächere SchreiberInnen haben es hier schwer. Da es kein klar formuliertes Textmuster gibt, fehlt ihnen die Orientierung zur Ausbildung eines konkreten Schreibplans und Schreibziels. Grundsätz-lich ist ein Leserbrief ein Mittel zur Kommunikation, Leserinnen und Leser nehmen so zu einem Beitrag oder bereits verfassten Leserbriefen Stellung und geben ihre Meinung zu einem Thema wieder. Die Zeitung bietet eine öffentliche Diskussionsplattform, in Bezug auf die Aufgabenstellung wäre so die Forderung eines kommunikativen Kontexts mit Teilhabe an realen Diskursen durch Einbettung der Aufgabe in diesen von selbst erfüllt. Die hier besprochene Aufgabe zum Thema „Sportstunden“ bildet – mit der guten Absicht die Schülerinnen und Schüler zu entlasten – den Kontext nicht vollständig aus. Er wird nur angedeutet und ist vom/von der Schrei-berIn selbst zu füllen (mit Inhalt und Textmuster), was für unerfahrene

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SchreiberInnen mit wenig Wissen über Textmuster eine immense Heraus-forderung darstellt.

Die äußerliche Gestaltung der Aufgabe entspricht weitestgehend den erarbeiteten Anforderungen. Als Handlungsaufforderungen (Operatoren) werden „erklären“ und „die Meinung begründen“ angegeben. Die Aufga-be ist dabei so gegliedert, dass die Sachinformationen im ersten Teil der Aufgabe gegeben sind und anschließend die eigentliche Handlungsauffor-derung gestellt wird. Die Angabe von Operatoren ist aber nur dann wir-kungsvoll, wenn die SchreiberInnen in der Lage sind die Anweisung mit einer dementsprechenden Handlung zu verbinden. Dazu werden vor allem Handlungsschemata, sprachliches Wissen und sprachliche Mittel (Literale Prozeduren und Routineausdrücke) sowie inhaltliches Wissen zum Thema benötigt. Verbesserungsvorschlag Im Folgenden wird nun ein Verbesserungsvorschlag präsentiert, wobei versucht werden soll die aufgezeigten Probleme zu reduzieren.

In einer Jugendzeitschrift wurde ein Artikel zum Thema: „Wie viel Sportunterricht brauchen wir in der Schule?“ veröffentlicht.

Die Meinungen zu diesem Thema gehen stark auseinander. Die Zeit-schrift hat deshalb folgende Leserbriefe in der nächsten Ausgabe abge-druckt: Sehr geehrtes Redaktionsteam, liebe Leserinnen und Leser, als Direktor einer AHS habe ich mich dazu entschieden eine Stunde weniger Sport pro Woche in meiner Schule anzubieten. Meine Gründe sind folgende. Die Schule spart so Geld und Zeit. Das Geld wird in den Ausbau eines Chemielabors investiert, damit unsere Schule auch in Zukunft dem aktuellsten Standard in den Naturwissenschaften entsprechen kann. Die ge-wonnene Stunde kann nun von den SchülerInnen für Förderunterricht oder Vertie-fung ihrer Interessen (Sprache, Naturwissenschaft) genutzt werden. Schule sollte sich auf die Vermittlung von fachlichem Wissen konzentrieren, für sportliche Betä-tigung steht den Kindern nach dem Unterricht ausreichend Zeit zur Verfügung.

Herbert Winter, Direktor aus Linz

Sehr geehrtes Redaktionsteam, liebe Leserinnen und Leser, das Thema des Artikels „Wie viel Sportunterricht in der Schule?“ liegt mir sehr am Herzen. Meiner Meinung nach wäre es extrem schlecht die Sport-stunden in der Schule zu kürzen. Erstens ist regel-

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mäßiger Sport und Bewegung enorm wichtig für die Gesundheit der Kinder. Durch Sport können Rü-ckenschäden, Übergewicht und das Risiko für Herzkrankheiten deutlich vermindert werden. Zweitens brauchen die Schülerinnen und Schüler einen Ausgleich zum vielen Stillsitzen in allen ande-ren Fächern. Durch genügend Bewegung und kör-perlichen Ausgleich wird dann auch die Konzentra-tion für die nächsten Stunden gefördert.

Peter Müller, Sportlehrer aus Graz

Sehr geehrtes Redaktionsteam, liebe Leserinnen und Leser, ich bin eine alleinerziehende Mutter und habe wenig Geld für Freizeitaktivitäten für mein Kind zur Verfügung. Deshalb finde ich es sinnvoll, wenn es mehr Sportunterricht an Schulen geben wür-de. Außerdem ist mein Kind nach der Schule noch sehr lange mit den Hausaufgaben beschäftigt, so dass ihm nicht viel Zeit bleibt noch regelmäßig Sport zu treiben. Um jedem Kind dieselben Chancen eines sportlichen Ausgleichs zu bieten, finde ich es angebracht das Sportangebot an Schulen zu erweitern. Ingrid Maier, Mutter aus Wien

Sehr geehrtes Redaktionsteam, liebe Leserinnen und Leser, ich betreibe in meiner Freizeit viel Sport und bin Mitglied in einem Fußballverein. Ich finde die drei Schulstunden Sport pro Woche ausreichend, weil ich meinen sportli-chen Ausgleich in der Freizeit bereits habe. In der Schule will ich die Zeit nutzen, um Lernstoff und Hausaufgaben zu erledigen, damit ich danach Zeit habe meine Freizeit selbst zu gestalten.

Christoph, 16 Jahre Salzburg

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Schritt 1: Unterstreiche in den abgedruckten Leserbriefen alle Argumente für den Sportunterricht mit Rot, alle Argumente gegen den Sportunterricht mit Blau. Trage die Argumente nun in die nachfolgende Tabelle ein.

Pro-Argumente (+) Argumente für mehr oder gleich viel Sport-unterricht

Kontra-Argumente (-) Argumente für weniger Sportunterricht

Fördert Gesundheit Mehr Geld für andere Fächer

Schritt 2: Welche Meinung hast du zu diesem Thema?

• Meine Meinung: Ich bin für ______________ Sportstunden in der Schu-

le. (mehr, gleich viele, weniger) Schritt 3: In jeder Diskussion gibt es gegensätzliche Meinungen. Es ist wichtig, dass man in seinen Überlegungen auch die Gegenseite berücksichtigt. Sammle deshalb zwei Argumente, die a) für deinen Standpunkt bzw. b) gegen dei-nen Standpunkt sprechen.

a) Argumente für meine Meinung (+) b) Argumente gegen meine Meinung

(-)

Schritt 4: Verfasse nun ebenfalls einen Leserbrief für die Jugendzeitschrift Xpress und gib mindestens zwei Gründe für deine Meinung an, die die LeserInnen überzeugen sollen. Die in den Leserbriefen markierten Ausdrücke können dir bei der sprachlichen Gestaltung deines Textes helfen.

Versuche mögliche Gegenargumente in deiner Argumentation zu ent-kräften – dabei helfen dir die Formulierungen in der nachfolgenden Tabel-le. Bevor du mit dem Schreiben beginnst, trage deine Meinung in die Ta-belle ein und versuche die Pro- und Kontra-Argumente in deiner Argu-mentation zu verbinden.

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Meine Gründe:

Meine Meinung Ich finde, … Ich bin der Meinung, dass …

Argumentation dafür spricht … dagegen spricht zwar … aber einerseits … andererseits auf der einen Seite … auf der anderen Seite

Du hast für die Aufgabe 30 Minuten Zeit. Dein Beitrag sollte ca. 80 Wörter lang sein. Nutze das folgende „Textgerüst“: Text: Sehr geehrtes Redaktionsteam, liebe Xpress-Leserinnen und Leser, Liebe Grüße Durch die Gliederung der Aufgabe in mehrere Arbeitsschritte wird eine Planungsphase in die Aufgabe integriert, in der die Schülerinnen und Schüler sich mit dem Inhalt (Sachwissen) auseinandersetzen, die Funktion des Textes erkennen und Gliederungsaspekte für ihren Test vorstrukturie-ren, wobei auch auf die Integration von Gegenargumenten geachtet wird. Die Textplanung wurde hier in Form von Sortierungs- und Sammelaufga-ben gestaltet und somit als Teilaspekt in eine komplexe Handlung inte-griert.

Die Aufgabe einen weiteren Leserbrief zu verfassen situiert die Aufgabe in einen realen und kommunikativen Kontext, der die Teilnahme an einem realen Diskurs gewährleistet. Der Zweck und das Schreibziel werden somit klarer, darüber hinaus dienen die Leserbriefe als Orientierungshilfe für das Textmuster.

Durch die Zerlegung der komplexen Handlung wird die Schreibaufga-be in ihrem Schwierigkeitsgrad etwas reduziert. Dies entspricht der Forde-rung, dass der Schwierigkeitsgrad der Testaufgaben etwas unter dem der Lernaufgaben liegen sollte. Qualitative Differenzierung könnte hier so erreicht werden, dass die hinführenden Arbeitsschritte wie das Unterstrei-chen der Argumente als fakultative Aufgabe für schwächere SchreiberIn-nen gestaltet werden können. Ferner wäre es möglich ein Kriterienblatt mit Angaben zu argumentativen Texten zur Verfügung zu stellen, welches die Schülerinnen und Schüler sich bei Bedarf holen können.

Auch in dieser Aufgabe wird die Kompetenz „Texte überarbeiten“ nicht überprüft. Da es für SchreiberInnen dieser Altersstufe äußerst schwierig ist

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eigene Texte zu überarbeiten und dort Fehler zu erkennen, sollte diese Kompetenz in einer eigenen Aufgabe abgefragt werden. Beispiel: (angelehnt an die Methoden zur Lernstandserhebung der 8. Schulstufe im Land NRW)30

Den SchreiberInnen wird ein Satz von Regeln zur Textsorte oder zum allgemeinen Schreibstil vorgegeben. 1. Wortwiederholungen vermeiden 2. eintönigen Satzbau vermeiden usw. 3. Die eigene Meinung muss begründet werden, Behauptungen vermei-

den. 4. Argumente sollten durch Beispiele unterstützt werden. Die SchreiberInnen bekommen einen Textausschnitt zum selben Thema wie der von ihnen verfasste Text, der allerdings einige Schwächen auf-weist: Ich finde Sport in der Schule gut, weil ich gerne Sport treibe. Ich kann mich oft nicht konzentrieren und da hilft mir der Sport als Ausgleich.

Welche Regel wurde hier nicht beachtet? _____________________________ Verbesserungsvorschlag: ___________________________________________ Die meisten Schüler finden den Sportunterricht in der Schule überflüssig. Ich bin deshalb der Meinung, dass es keinen Sportunterricht an Schulen geben sollte.

Welche Regel wurde hier nicht beachtet? _____________________________ Verbesserungsvorschlag: ___________________________________________ Das zweite veröffentlichte Testitem der Baseline-Testung ist eine Aufgabe zur Schreibhandlung Erzählen.31

30 URL: http://www.standardsicherung.schulministerium. nrw.de/ lernstand8/ uplo-

ad/download/mat_2006/deutsch/textueberarbeitung_de07.pdf [Stand 07.05.2011]. 31 Aufgabenstellung entnommen: Praxishandbuch „Deutsch“ für die 5.-8.Schulstufe

2010, 15.

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Verfasse mit Hilfe der folgenden Bilder eine Geschichte. Sie soll etwa 120 Wörter lang werden. Du hast 20 Minuten Zeit. Du brauchst keine Überschrift zu schreiben. Schreib die Geschichte im Antwortbogen auf.

Dein/e Testleiter/in wird dir sagen, wann du die Bearbeitung dieser Aufgabe beenden sollst. Das Erzählen fällt in den Bereich der einfachen Schreibaufgaben. Durch die Vorgabe einer Bildgeschichte, die bis zum Schluss alle relevanten Aspekte der Geschichte abdeckt, wird die Anforderung der Aufgabe nochmals re-duziert. Das Verfassen einer Bildgeschichte wurde für die Baseline-Testung gewählt, um sowohl Unterschiede in der Vorerfahrung von Wissen zu bestimmten Inhalten der Schülerinnen und Schüler zu minimieren, als auch durch die Angabe des Erzählinhalts exakter das erzählerische Poten-zial eines/einer Schreibers/Schreiberin erfassen zu können (vgl. Praxis-handbuch Deutsch, 15). Ebenso kann die Annahme, man erleichtere durch die Abfolge der Bilder das Schreiben, weil bereits die Erzählstruktur der Geschichte wiedergegeben wird, auch zu einem Problem führen. Schreibe-rInnen neigen oft dazu, diese Struktur wiederzugeben, indem sie im Sinne des Beschreibens reagieren (vgl. Böth 1995, 92). Die Ursache liegt wohl da-rin, dass die Logik der Sache das Assoziative und Fantasievolle dominiert. Bilder müssen in Sprache „übersetzt“ werden, deshalb erscheint es logi-scher das Gesehene wiederzugeben, als eine Geschichte zu verfassen (vgl. Böth 1995, 92). Für diesen Fall müssen die SchreiberInnen durch bestimmte Fragen oder Vorgaben angeregt werden, um die Assoziationen in Sprache zu übertragen, die auf den Bildern nicht durch die Abfolge sichtbar sind

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(Wie fühlt sich eine Figur? In welcher Beziehung steht die Figur zu den anderen Figuren der Geschichte?) (vgl. Böth 1995, 92).

In Bezug auf die Testgütekriterien tritt dasselbe Problem auf wie beim Testitem „argumentativer Text“. Der Standard „Texte planen“ wird der Aufgabe als inhärent angesehen, obwohl keine Aufforderung oder Hand-lungsanweisung dazu aus der Aufgabenstellung abzuleiten ist. Das erfor-derliche Weltwissen zur Bewältigung der Aufgabe ist über die Abfolge der Bilder gegeben. Die Aufgabe entspricht somit den Anforderungen des Kriterienkatalogs.

Die zur Verfügung stehende Zeit scheint ebenfalls durchaus angemes-sen, um quantitative Differenzierung zu gewährleisten. Allerdings ist das Verhältnis der Zeitbemessung beider Aufgaben nicht ausgeglichen. Der argumentative Text wurde mit 15 Minuten und 80 Wörtern veranschlagt, der Erzähltext mit 20 Minuten und 120 Wörtern. Die Anzahl der zu schrei-benden Wörter bestimmt aber nicht den Schwierigkeitsgrad des Textes. Während durch die Bildgeschichte der Gegenstand des Textes bereits vor-liegt, muss der/die SchreiberIn im argumentativen Text den Gegenstand erst konstituieren. Für die Auseinandersetzung mit der Sache und den Inhalten wird demnach beim argumentativen Text deutlich mehr Zeit be-nötigt bevor mit dem Schreiben begonnen werden kann. Damit sind 15 Minuten Arbeitszeit für den Text relativ knapp bemessen, auch wenn der Textumfang 80 Wörter umfassen soll.

Auch die äußerliche Gestaltung der Aufgabe entspricht den Anforde-rungen des Kriterienkatalogs. Der Operator „eine Geschichte verfassen“ könnte eventuell in „eine Geschichte erzählen“ umformuliert werden, um eine deutlichere Information über die erwartete Schreibhandlung zu lie-fern.

Wie bereits erwähnt besteht auch bei diesem Testitem das Problem, dass keine konkreten Angaben zum Schreibprozess, also zum Planen und Überarbeiten, enthalten sind. Das Fehlen der Angaben zur Textplanung hat bei dieser Aufgabe vielleicht nicht so große Auswirkungen wie beim ar-gumentativen Text, da die Reihenfolge der Geschichte und somit die globa-le Gliederung des Textes bereits durch die Bildabfolge gegeben ist.

Die eigentliche Schwäche der Aufgabe zeigt sich dann, wenn man sie aus dem Blickwinkel des problemlösenden Handelns betrachtet. Das Feh-len eines Adressaten oder die Einbettung in einen realen kommunikativen Kontext kann ebenfalls durch den geringen Schwierigkeitsgrad der Aufga-be ausgeglichen werden. Viel entscheidender ist hier die inhaltliche Rele-vanz des Themas. Die Geschichte eines Zoobesuchs umreißt weder ein gesellschaftlich relevantes Thema oder ist in einen realen Diskurs eingebet-tet, noch ist sie von persönlicher Bedeutung für den/die einzelne/n SchreiberIn. Für die Alterstufe der 14-Jährigen ist dieses Thema wahr-scheinlich wenig interessant oder spannend. Dadurch gerät aber der Zweck

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des Schreibens in Zweifel und könnte Auswirkungen auf die Schreibmoti-vation mit sich bringen. Die Schülerinnen und Schüler verfassen womög-lich den Text, weil sie es für das positive Bestehen des Tests „müssen“ und nicht aus einer intrinsischen Motivation heraus. Wenn Schreiben als prob-lemlösendes Handeln gesehen wird, muss die Aufgabe auch eine Heraus-forderung für den/die SchreiberIn darstellen, es muss also ein Problem gegeben sein, welches es zu lösen gilt. Durch die Strukturierung der Auf-gabe und die Vorgabe aller Informationen zu der Geschichte fällt aber die Herausforderung ein Problem zu lösen weitestgehend weg. Dazu kommt, dass nach den Ergebnissen der Schreibentwicklungsforschung die Schrei-berInnen im Alter von 14 Jahren im Durchschnitt über eine relativ ausge-reifte narrative Kompetenz verfügen, so dass auch aus dieser Perspektive kaum eine Herausforderung durch die Aufgabenstellung zu sehen ist. Die Aufgabe wäre eher geeignet für Schülerinnen und Schüler, die erst am Anfang der Entwicklung der narrativen Kompetenz stehen, um ihnen den Schreibprozess und die Textstrukturierung zu erleichtern.

Anhand eines veröffentlichten Antworttextes32 zu dieser Aufgabe wer-den nun die hier aufgezeigten Probleme verdeutlicht, um anschließend einige Verbesserungsvorschläge zu formulieren.

32 Antworttext entnommen: Praxishandbuch „Deutsch“ für die 5.-8.Schulstufe 2010, 18.

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An diesem Schülertext werden einige der oben beschriebenen Probleme deutlich. Zum einen steigt der Schreiber in den ersten zwei Sätzen in den Text ein, indem er die Bildfolge beschreibt: „Franz geht mit seiner Klasse in den Zoo.“, „Zuerst gehen sie …“, „Als letztes gehen sie …“. Im zweiten Satz wird dann aber das Tempus zu Gunsten des narrativen Textmusters gewechselt und im folgenden Verlauf auch weiter durchgehalten. Es kann somit gezeigt werden, dass Bildgeschichten zur Wahl einer beschreibenden

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Handlung führen können. Es empfiehlt sich daher die Aufgabenstellung durch Anregungen zu erweitern, die Assoziationen zur Geschichte bewir-ken. Das auffälligste Merkmal des Schülertextes ist wohl, dass beinahe die Hälfte des verfassten Textes wieder gestrichen wurde und somit auch nicht in die Bewertung einfließt. Liest man sich aber den durchgestrichenen Textteil durch, wird klar, dass dieser deshalb gestrichen wurde, weil er einen erweiterten Schluss enthält, der nicht aus der Bildfolge hervorgeht. Der Schreiber hat der Geschichte ein weiteres „Bild“ hinzugefügt und ein eigenes Ende erfunden. Ein möglicher Grund für die Entscheidung die Textpassage zu streichen könnten erstens die vorgegebene Bildfolge sein, verbunden mit der Sorge dem Schreibauftrag nicht korrekt zu entsprechen. Durch das Streichen dieses Textteils leidet aber die inhaltliche Qualität der restlichen Geschichte. Das Ende wirkt somit abrupt, wenig ausformuliert und einfallslos. Betrachtet man den durchgestrichenen Teil näher, wird aber sehr wohl erzählerisches Potenzial des Schreibers sichtbar. Es wird Spannung aufgebaut, die Geschichte bekommt noch eine Wende („Plötz-lich kam Franz mit noch einer Banane zurück“), zusätzlich wird wörtliche Rede als erzählendes Element verwendet „Franz, mach das nicht noch einmal“. Man sieht so deutlich, dass die enge Vorstrukturierung des Textes durch die Bildgeschichte auch Nachteile mit sich bringt. Die SchreiberIn-nen sind in ihrer Fantasie und der Entfaltung ihres erzählerischen Potenzi-als eingeengt. Durch einen offen gestalteten Inhalt wäre einerseits dem Problem der Enge entgegengewirkt, andererseits wäre so eine Herausfor-derung geschaffen, die ebenfalls zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Text führt. Verbesserungsvorschläge, Alternativen 1. eine Bildgeschichte verfassen, die ein altersgemäßes Thema zum Inhalt hat Die inhaltliche Relevanz trägt zur Motivation beim Schreiben bei. Das

Thema sollte entweder eine gesellschaftliche, soziale Relevanz oder ei-nen persönlichen, emotionalen Zugang wählen. Beispiel: Mobbing auf dem Schulhof

2. die Bildgeschichte offen gestalten Dies kann entweder durch einen offenen Schluss (das letzte Bild wird

nicht gegeben) oder durch ein Fehlen des Mittelteils (nur das erste und letzte Bild geben) erreicht werden. Die Herausforderung besteht dann darin, den fehlenden Inhalt selbst zu erschließen. So kann das narrative Potenzial besser entfaltet werden und das Schreibziel wird klarer.

3. Einnahme einer bestimmten Perspektive einer Figur aus der Geschichte Die Herausforderung liegt darin, das Gesehene aus verschiedenen

Blickwinkeln zu betrachten und hat einen emotionalen Aspekt. Außer-dem wird so die Beschreibung der Bilder vermieden.

Beispiel: Verfasse eine Geschichte mit Hilfe der folgenden Bilder. Erzähle diese Geschichte aus der Sicht des Affen/des Mädchens/des Jungen/der Lehre-

128

rin. Hilfe beim Schreiben: Was fühlt die Figur in der Geschichte, wie ist ihr Verhältnis zu den anderen Figuren usw.? Warum erzählt die Figur die Ge-schichte? Schreibe die Geschichte in der Ich-Form.

4. nur einen Bildimpuls geben Dieser sollte die Aufgabe trotzdem strukturieren und Hilfen zu Inhalt

und Gliederung bieten. Als Beispiel wird hier eine Aufgabe von Ulf Ab-raham (Universität Bamberg) vorgestellt,33 die als Bildimpuls die Foto-graphie eines Mädchens enthält. Das Mädchen trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Alles wird gut“.

Die Aufgabe ist offen gestaltet und stellt somit eine Herausforderung dar. Durch die Angaben der Schreibaufgabe wird der Schreiber dazu angeleitet dem Text eine Richtung zu geben (T-Shirt muss vorkommen, in der 1. Person verfassen, Person schaut zu Beginn der Geschichte in den Spiegel) und erhält somit Orientierung. Das Bild eignet sich zu ei-ner persönlichen, emotionalen Auseinandersetzung mit einem Thema, da das Mädchen auf dem Bild in einem ähnlichen Alter wie der/die SchreiberIn sein dürfte. Die Aufgabe regt die Fantasie des/der Schrei-bers/Schreiberin an und ist im Sinne der Aufgabenorientierung ergeb-nisoffen.

Dieses Bild (2005) heißt „Alles wird gut“ und stammt von der Malerin Justine Otto. Erfin-den Sie eine Geschichte, die dieses Mädchen zu erzählen hat, und schreiben Sie sie in der 1. Person auf. Das T-Shirt muss in der Ge-schichte vorkommen. Beginnen Sie Ihren Text damit, dass sie in den Spiegel schaut und beschreiben Sie, was sie sieht.

Zusätzlich könnte man bei einem Bildimpuls ein Mindmap zur Textpla-nung anfertigen lassen, um den Standard „Texte planen“ zu überprüfen. Dadurch wird zusätzlich unerfahrenen SchreiberInnen Hilfestellung bei der Textplanung geboten. Zum Standard „Texte überarbeiten“ bietet sich eine ähnliche Möglichkeit wie bei der Überarbeitungsaufgabe zum argu-mentativen Text an. Für jedes Textmuster könnten spezielle Regeln und Eigenschaften im Kriterienkatalog enthalten sein, die dann auf Beispielsät-ze angewendet und im Anschluss verbessert werden sollen.

33 Aufgabe entnommen: Abraham, Ulf, Schreibaufgaben im Deutschunterricht. Impulsrefe-

rat und Arbeitsphasen, URL: www.schulamt-oal.de/index. php?...schreibaufgaben... deutschunterricht... oder: http://www. google.at/search?sourceid=navclient&hl= de&ie=UTF-8&rlz=1T4SKPB_deAT259AT260&q=Schreibaufgaben+in+einem+ kom-petenzorientierten+Deutschunterricht+Ulf+Abraham+%28Universit%c3% a4t+ Bam-berg%29 [Stand: 08.05.2011].

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Zum Abschluss dieses Punktes ist zu den beiden Testitems Folgendes zu sagen: Beide Aufgaben weisen Charakteristika der Kompetenzorientierung auf und erfüllen im Ansatz die Anforderungen des Kriterienkatalogs dieser Arbeit. Es sind jedoch bei beiden Items Verbesserungen möglich. Im Ver-gleich der Items fällt auf, dass die angebrachte Kritik genau gegenläufig ist. Die Aufgabe des argumentativen Texts als komplexe Schreibaufgabe bietet zu wenig Orientierung für unerfahrene SchreiberInnen und weist einen zu wenig ausgereiften Kontext auf. Die einfache Schreibaufgabe des Erzählens hingegen kann als zu eng interpretiert werden, die Vorgaben können für SchreiberInnen einschränkend wirken.

12.2 Beispielaufgaben der Bildungsstandards

Aus den Beispielaufgaben der Bildungsstandards wurden aus der vom BIFIE veröffentlichten Aufgabensammlung einige Beispiele ausgewählt. Dazu sei vorab angemerkt, dass die Beispielaufgaben als Anregungen für einen kompetenzorientierten Unterricht gedacht sind und für eine konkrete Unterrichtseinheit didaktisch und methodisch variabel aufbereitet werden können und sollen. Dies muss in der folgenden Analyse berücksichtigt werden. Daher werden die Aufgabenbeispiele nur in ihren Grundzügen untersucht und im Anschluss einige didaktische und methodische Anre-gungen gegeben. Es sei hier weiters erwähnt, dass die Qualität der Bei-spielaufgaben sich in diesem Sinne deutlich von den Testitems abhebt. Betrachtet man die Beispielaufgaben als didaktische Anregung und Grund-lage für den Unterricht, erfüllen sie (wenn sie sinnvoll eingebettet werden)

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viele Anforderungen des Kriterienkatalogs. Besonders auffällig ist, dass die Aufgaben sich thematisch meist an einem realen Diskurs orientieren und sehr lebensnah gestaltet sind. Darüber hinaus werden in einigen Aufgaben nur Teilkompetenzen des Schreibprozesses behandelt und diese mit ande-ren Bereichen der literalen Kompetenz (wie Lesen) verknüpft. Trotzdem muss auch hier gesagt werden, dass der Bereich „Schreiben“ (Standard 10, 11 und 12) einen relativ kleinen Anteil (im Gegensatz zu Leseaufgaben) einnimmt. Die veröffentlichte Aufgabensammlung enthält insgesamt ca. 100 Beispielaufgaben für kompetenzorientierten Unterricht, wobei die komplexen Schreibaufgaben eine geringe Anzahl davon ausmachen. Posi-tiv kann allerdings vermerkt werden, dass die Aufgaben dem Kriterium der Integration verschiedener sprachlicher Fähigkeiten gerecht werden, da in einigen Aufgaben, die in erster Linie Leseaufgaben sind, auch einzelne Teilprozesse des Schreibens verlangt werden. So werden die Schülerinnen und Schüler beispielsweise bei einer Aufgabe zum Thema „Faltanleitung“ nach einigen Multiple-Choice-Aufgaben zur Lesekompetenz angeleitet, unklare Formulierungen der Anleitungsschritte zu überarbeiten und zu verbessern (vgl. Aufgabensammlung Band 1, Aufgabe 5: Sadakos Plan).

Die erste Beispielaufgabe dient zur Bewusstwerdung und Übung unter-schiedlicher Textmuster. Den Schülerinnen und Schülern werden stich-wortartig Fakten gegeben, aus denen unterschiedliche Textmuster zu for-mulieren sind. Anschließend wird ihnen ein Kriterienblatt ausgeteilt, wel-ches bestimmte Kriterien der Textmuster enthält. Sie sollen in einem ersten Schritt ihre Texte hinsichtlich dieser Kriterien bewerten und in einem zwei-ten Schritt überprüfen, ob die Kriterien erfüllt sind und anschließend den Text überarbeiten.

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AUFGABENBLATT: UNTERSCHIEDLICHE TEXTE VERFASSEN34

Aufgabe 1 Die Fakten: • Thomas Müller, 13 Jahre, Steinbügelstraße 14, 2700 Wiener Neustadt • Dienstag, 6. 12. 2005, 15.30 Uhr • Thomas ist alleine zu Hause und möchte einmal das Auto seiner Familie „aus-

probieren“. • Steinbügelstraße führt bergab, Straße glatt, Auto fährt gegen die Hauptschule

Steinbügelstraße 98 und durchschlägt die Mauer des Turnsaalgebäudes • Thomas ist leicht verletzt • Den Vorfall beobachtet haben Franjo und Ivana Mujic, 14 Jahre, Mühlstraße 26. • Sie waren auf dem Weg zum Nachmittagsunterricht. • Direktorin der Hauptschule: Herta Holt

Verfasse unter Verwendung der oben angeführten Fakten drei Texte. Dein/e Deutschlehrer/in gibt dir bekannt, welche der drei Textsorten du ausführen sollst:

1. kurzer Zeitungsbericht (ca. 6-8 Sätze) 2. erstes kurzes Polizeiprotokoll 3. Erlebniserzählung zum Thema: „Das war wie im Film“ in der Ich-Form (nimm

dabei an, du warst gerade auf dem Weg zum Nachmittagsturnen …). Schreibe nur den Höhepunkt: Beginne mit „Plötzlich … hinter mir …“

4. Kurzgeschichte bzw. Erzählung über Thomas Müller in der Er/Sie-Form (nur die Einleitung)

5. schriftliche Mitteilung der Direktorin darüber, dass der Turnsaal nicht benützt werden kann. Die kurze, aber informative Mitteilung wird am Turnsaaleingang angebracht.

6. E-Mail an deinen Freund in Graz, in dem du kurz schilderst, was an deiner Schule passiert ist

Unterrichtsvorschlag: Weiterarbeit mit dem Kriterienblatt Aufgabe A: Bewerte deine Texte, inwieweit sie die wichtigsten Merkmale für die geforderte Textsorte erfüllen! Kreuze die deiner Meinung nach zutreffende Rubrik an! Aufgabe B: Überprüfe, ob deine Texte die wichtigsten Merkmale für die jeweilige Textsorte aufweisen. Überarbeite deine Texte mit Hilfe des Kriterienblattes!

34 Aufgabensammlung Band 1: Bildungsstandards Deutsch – 8. Schulstufe, URL:

http://www.gemeinsamlernen.at/siteVerwaltung/mOBibliothek/Bibliothek/D8_Band_1_Maerz_2007.pdf, S. 99.

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Beispiel für einen Kriterienkatalog

nein teilweise ja perfekt

Dein Zeitungsbericht sollte folgende Be-standteile aufweisen:

Titel, Vorspann/lead/ Zusammenfassung, Text(körper)

Beantwortung der W-Fragen

korrekte Zeitformen

Konjunktiv I/II bei indirekter Rede

Vermeidung von ein-tönigem Satzbau

Analyse Im Bereich des Schreibprozesses erfüllt die Aufgabe weitestgehend die Anforderungen des Kriterienkatalogs. Nur im Bereich des Textplanens werden keine dezidierten Anweisungen gegeben. Durch die Angabe der Fakten, die der Text enthalten soll, werden die SchülerInnen allerdings auf der inhaltlichen Seite entlastet. Ein Verbesserungsvorschlag wäre hier, die Schülerinnen und Schüler die zu verfassenden Texte selbst auswählen und dies nicht vom/von der LehrerIn entscheiden zu lassen. Die Möglichkeit der Wahl erhöht die Identifikation mit der Aufgabe und fördert die Moti-vation für den Schreibprozess. Was die Aufgabe aber sehr gut erfüllt, ist das Bewusstwerden der Funktion verschiedener Textmuster. Die Schüle-rInnen lernen, dass dieselben Informationen je nach Kontext einen unter-schiedlichen pragmatischen Zweck erfüllen. Daher wird durch die Aufga-be das Ausbilden eines literalen Bewusstseins durch Schriftspracherfah-rung und Schriftsprachaufmerksamkeit erfüllt. Die Aufgabe beinhaltet weiters einen Anteil an Selbstreflexion. Mit Hilfe des zur Verfügung ge-stellten Kriterienkatalogs sollen die Schülerinnen und Schüler angeben, welche Merkmale ihr Text aufweist. Eine Schwierigkeit, die hier auftreten könnte, wäre, dass Schülerinnen und Schüler ihre Produkte oft schwer beurteilen können. Im Sinne von Kepplin (2006) könnte dieser Punkt so verändert werden, dass die SchreiberInnen einschätzen sollen, worauf sie beim Schreiben besonders geachtet haben (vgl. Kapitel 7.1 in dieser Arbeit). Das Arbeiten mit Kriterienkatalogen wird hier neben der Selbstreflexion auch für die Überarbeitungsphase genutzt. Mit Hilfe der Merkmale sollen die SchreiberInnen ihren Text verbessern. Methodisch könnte die Überar-

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beitungsphase auch in Partnerarbeit, in Form einer Schreibkonferenz oder als Textlupe erfolgen, da Überarbeitungen von fremden Texten leichter fallen. Die Kriterienkataloge könnten aber auch für die Planungsphase hilfreich sein. Methodisch könnte diese gemeinsam mit dem/der LehrerIn stattfinden, um so noch einmal spezielle Kennzeichen eines bestimmten Textmusters zu verdeutlichen.

Das Thema ist sehr alltags- und lebensnah gewählt, so dass auch das er-forderliche Sachwissen – unterstützt durch die angegebenen Fakten – vo-rausgesetzt werden kann. Auch die zu verfassenden Schreibaufträge, wie z.B. das Verfassen eines Mitteilungsblatts, sind alltagsnah und somit von pragmatischem Nutzen für die Schülerinnen und Schüler. Schwieriger gestaltet sich die Aufgabe einen Polizeibericht zu verfassen. Das Beispiel weist durchaus Alltagsnähe auf, ob diese Textsorte allerdings den Schüle-rinnen und Schülern dieser Altersstufe vertraut und somit „schülernah“ ist, kann in Zweifel gezogen werden. Da es in der Aufgabe in erster Linie um das Erkennen unterschiedlicher Textfunktionen geht, sind der reale Diskurs und der kommunikative Kontext weniger stark ausgeprägt, was aber auf die Qualität der Aufgabe keine Auswirkung hat.

Die einzelnen Aufgabenstellungen könnten allerdings durch den Leh-renden genauer ausformuliert werden, wodurch beispielsweise die Adres-saten der Schreibaufgabe deutlicher oder Operatoren konkreter benannt werden würden. Textsorte Bericht Berichte für die Lokalzeitung „Die Woche“ von dem Vorfall. Deine LeserInnen sollten über die wichtigsten Fakten und beteiligten Personen informiert werden. Finde außerdem eine Schlagzeile. Die gewählten Textmuster bieten sich sowohl für eine Präsentation im Unterricht (Mitteilungsblätter aushängen, Geschichten vorlesen lassen, Berichte „veröffentlichen“) an als auch zur Überprüfung der Leserwirkung (Diskussion während der Präsentation: Wird man durch das Mitteilungs-blatt ausreichend informiert? Gibt es Missverständnisse?)

Die nächste Beispielaufgabe umfasst den Bereich argumentativer Texte und dient zur Ausbildung argumentativer Fähigkeiten. Basis für die Auf-gabe sind verschiedene Stellungnahmen aus einem Internetforum (nachzu-lesen in: Aufgabensammlung Band 1: Bildungsstandards Deutsch – 8. Schulstufe) zum Thema Ganztagsschule. Die Schülerinnen und Schüler sollen nun nacheinander mehrere Teilaufgaben erledigen.

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AUFGABENBLATT: GANZTAGSSCHULE35 Pro & Contra Ganztagsschule

Die Debatte um die Ganztagsschule erhitzt die Gemüter.

Leser/innen des KURIER haben im Internet-Forum dieser Tageszeitung dazu Stel-lung genommen. (Achtung! Erledige die folgenden Aufgaben nicht gleichzeitig, sondern in getrenn-ten Durchgängen!):

Aufgabe 1 Lies dir jede Stellungnahme gut durch. Entscheide, ob die Stellungnahme für oder gegen die Ganztagsschule ist oder ob man das nicht entscheiden kann. Kreuze dann jenes Symbol an, das für die jeweilige Stellungnahme deiner Meinung nach zutrifft: + die Stellungnahme ist für die Ganztagsschule - die Stellungnahme ist gegen die Ganztagsschule ~ man kann nicht entscheiden, ob die Stellungnahme dafür oder dagegen ist

Aufgabe 2 Lies dir jede Stellungnahme noch einmal gut durch. Überlege dir, wie gut der Leser/die Leserin argumentiert hat. Kreuze dann die dementsprechende Spalte neben der Stellungnahme an: A ist ein starkes und gut begründetes Argument B ist ein gutes Argument C ist ein schwaches Argument D ist eigentlich kein Argument, sondern eher Behauptung, Aufforderung oder Ähnliches E die Stellungnahme hat kaum oder nichts mit dem Thema zu tun

Aufgabe 3 Fasse die mit „Zusammenfassung“ gekennzeichneten Stellungnahmen in ein bis

35 Aufgabensammlung Band 1: Bildungsstandards Deutsch – 8. Schulstufe, URL:

http://www.gemeinsamlernen.at/siteVerwaltung/mOBibliothek/Bibliothek/D8_Band_1_Maerz_2007.pdf.

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zwei Sätzen zusammen. Gib nur die Kernaussage wieder! (Beachte die korrekte Rechtschreibung!) Beispiel: Ich habe das große glück wirklich einen tollen arbeitsplatz kollegen und chef zu haben. aber viele von uns, egal ob in einer partnerschaft oder nicht, haben nicht dieses glück. heute einen beruf zu finden, wenn man familie hat, ist alles andere als einfach! vielleicht sollten sich ja die politiker mal gedanken drüber machen, wie es uns wirklich geht, unsere männer verdienen nicht so viel wie sie, so dass die frauen zuhause bleiben können!! lg s. r., 1210 wien Zusammenfassung: Wenn man eine Familie hat, muss man – auch als Frau – arbeiten gehen, egal ob man einen Partner hat oder nicht, sonst reicht das Geld nicht.

Aufgabe 4 Trage in die am Schluss stehende Tabelle drei wichtige Argumente für die Ganz-tagsschule und drei wichtige Argumente gegen die Ganztagsschule ein.

Aufgabe 5 Verfasse einen Eintrag in das Leserforum von ca. sechs Sätzen. Gib deine Meinung wieder und begründe sie.

Die Aufgabe ist so strukturiert, dass die SchreiberInnen von einfachen Teilhandlungen zu einer komplexen Argumentation geführt werden. Die Aufgaben 1 bis 4 stellen Zuordnungs- und Sortierungsaufgaben dar, die nach Piolat et al. (1999) zu einer sicheren Ausbildung argumentativer Kompetenz führen. Aufgabe 3 stellt zudem die Möglichkeit sicher, dass der/die SchreiberIn sich mit der Sache und den Inhalten auseinanderset-zen und die Argumente aus den Stellungnahmen filtern kann. Die Teilauf-gaben 1 bis 4 können als Textplanungsphase gewertet werden. Durch das Sortieren von Pro- und Kontrapositionen wird den Schülerinnen und Schü-lern der inhaltliche Aspekt der Diskussion (das Sachwissen) verdeutlicht. Die Lernenden verstehen durch Aufgabe 2 die Unterschiede zwischen stark begründeten Argumenten und Behauptungen. Da die Stellungnah-men aus einem Internetforum entnommen wurden und sie unterschiedli-che inhaltlich-argumentative und sprachliche Qualität aufweisen, wird den SchreiberInnen bewusst, welcher pragmatischer Zweck hinter der Textsor-te steckt und wie wichtig ein gut begründetes Argument bzw. ein sprach-lich kohärenter Text ist.

Aufgabe 5 beinhaltet nun das eigentliche Textverfassen. Inhaltlich knüpft der Text an einen realen Diskurs an und betrifft gleichzeitig die Lebenswelt der SchülerInnen. Da die persönliche Betroffenheit bei diesem Thema relativ hoch ist, kann auch von hoher Schreibmotivation ausgegan-gen werden. Darüber hinaus ist der Kontext ausgebaut und kommunikativ gestaltet. Der eigene Text ist ein weiterer Beitrag in das Internetforum und

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ermöglicht so die Teilnahme an einer öffentlichen Diskussion. Dadurch wird auch der Adressat des Textes klar und somit auch das Schreibziel. Als Operatoren werden in dieser Aufgabenstellung „die eigene Meinung wie-dergeben“ und „die eigene Meinung begründen“ angegeben. Ähnlich wie bei den Testaufgaben enthält die Aufgabe aber keine Angaben zur Einbe-ziehung von Gegenargumenten in den Text. Als Verbesserungsvorschlag wird hier die Erweiterung „Versuche auch mögliche Einwände zu entkräften“ genannt. Didaktische Anregungen zum Weiterarbeiten mit der Aufgabe • Im Unterricht ist es wichtig, dass mit den Textprodukten weitergearbei-

tet wird. Die Ergebnisse müssen besprochen und diskutiert werden, be-sonders um die Arbeit der Schülerinnen und Schüler wertzuschätzen. Um auch die Wirkung auf den/die LeserIn zu prüfen, könnten die Stel-lungnahmen als Ausgangspunkt für eine Gruppendiskussion dienen. Da es in der Klasse sicher VertreterInnen beider Meinungen zur Ganz-tagsschulform gibt, bietet sich diese Sozialform durchaus an. Ferner dient dies auch zur Übung (wenn auch im mündlichen Bereich) Argu-mente der Gegenseite aufzugreifen und zu entkräften.

• Darüber hinaus sollten auch Überarbeitungsprozesse angeregt werden. Dazu würde sich hier die Methode der Schreibkonferenz anbieten, in der die Schülerinnen und Schüler gemeinsam ihre Texte überarbeiten.

• Ebenfalls würde sich hier das didaktische Konzept der literalen Proze-duren zur Weiterarbeit eignen. Anhand der verfassten Texte sollen die Schülerinnen und Schüler die verwendeten Routineausdrücke sam-meln. Es können auch die Texte des Leserforums oder andere Texte zum selben Thema verwendet werden, wenn die Schülertexte bei-spielsweise keine Argumente der Gegenseite durch Routineausdrücke (zwar … aber; zum einen … zum anderen) ausgedrückt haben. Durch die Routineausdrücke können die literalen Prozeduren anschließend bewusst gemacht und die Texte überarbeitet werden.

• Zur Selbstreflexion Checklisten verwenden. Nach dem Verfassen des eigenen Textes könnten Checklisten mit Kriterien der Textsorte einge-setzt werden, so dass die SchreiberInnen reflektieren und einstufen müssen, worauf sie beim Schreiben geachtet haben und in welchen Be-reichen sie sich noch verbessern können.

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13 Resümee

Als abschließendes Resümee lässt sich sagen, dass die Kompetenzorientie-rung im Schulsystem einen wertvollen Beitrag zur Qualitätsverbesserung leisten kann. Schülerinnen und Schüler auf zukünftiges und lebenslanges Lernen und berufliches Leben vorzubereiten und mit entsprechenden Fer-tigkeiten auszustatten entspricht den Anforderungen einer modernen Di-daktik. Die Richtung, die durch die Bildungsstandards im Schulsystem eingeschlagen wird, ist demnach durchaus zielführend. Eine konkrete Umsetzung erweist sich allerdings schwieriger. Die Schwierigkeiten betref-fen einerseits die allgemeine Ebene der Standardisierung und andererseits die Umsetzung in den konkreten Fachbereichen. Auf der Ebene des Schul-systems konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass eine Standardisie-rung nur dann als Instrument zur Qualitätssicherung dienen kann, wenn auch die Rahmenbedingungen im System dafür geschaffen werden. Eine Standardisierung, die durch die Einführung von Regelstandards bewusst in Kauf nimmt, dass ca. 15 % der Schülerinnen und Schüler die Standards nicht erfüllen werden bzw. können, trägt zur Unterstützung der Differen-zierung im Schulsystem bei anstatt Ungleichheiten entgegenzuwirken. Dieser Umstand wird noch dadurch erhöht, dass die Standardtests an den Nahtstellen des Bildungssystems erfolgen, wodurch sich die Förderung von Schwächen schwierig gestalten könnte bzw. die Entscheidung für die weitere Schullaufbahn schon getroffen sein könnte. Daraus lässt sich schließen, dass durch die Einführung von Standards alleine keine ausrei-chende Verbesserung der Bildungsqualität geschaffen werden kann. Erst wenn sich die Rahmenbedingungen ändern (beispielsweise durch eine gemeinsame Schulform aller 10- bis 14-Jährigen und/oder durch Bereitstel-lung von Förderprogrammen parallel zur Standardisierung und/oder Weiterbildung für Lehrkräfte usw.), kann eine nachhaltige Steigerung der Leistungen und Qualität erwartet werden.

Im Bereich der Bildungsstandards Schreiben konnte gezeigt werden, dass die Konzeption der Standards als Abbildung des Schreibprozesses den Ansprüchen der Schreibforschung und Schreibdidaktik gerecht wird, die Umsetzung in den Testaufgaben allerdings bislang nicht erfolgt ist. Eine weitere Schwachstelle der Schreibitems liegt im Bereich der Differen-zierung. Schülerinnen und Schüler stellen eine heterogene Gruppe dar, die Bearbeitung der gleichen Schreibaufgabe für alle SchülerInnen könnte für einige überfordernd wirken und zum Verlust der Schreibmotivation füh-ren. Das Bereitstellen von Zusatzmaterial und Hilfestellungen oder die Umstrukturierung von Aufgaben, so dass komplexe Schreibhandlungen in Teilhandlungen zerlegt werden, ist deshalb unbedingt anzuraten. Ferner

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wäre die Anzahl mit einem überprüften Schreibitem pro Test relativ ge-ring, um eine tatsächliche Aussage über Schreibkompetenz treffen zu kön-nen. Deshalb sollte, wenn nur ein Schreibitem pro Test aus Zeitgründen überprüft wird, dieses erstens hohe Qualität aufweisen und den Kriterien und Anforderungen „guter Schreibaufgaben“ entsprechen. Zweitens emp-fiehlt es sich auch Aufgaben zu Teilkompetenzen des Schreibprozesses zu stellen, die auch durch andere Aufgabenformate überprüfbar sind. Hier lohnt sich ein Blick auf die Sprachstandserhebung des Bundeslandes NRW der Bundesrepublik Deutschland (siehe Kapitel 12.1 dieser Arbeit), in der die Teilkompetenz des Textüberarbeitens in Form von Multiple-Choice-Aufgaben und halboffenen Aufgabenformaten überprüft wird.

Weiters müssen die Ergebnisse empirischer Schreibforschung und Schreibentwicklung in die Konzeption der Aufgaben miteinbezogen wer-den. Wie gezeigt wurde, durchlaufen Textsorten eine unterschiedliche Entwicklung. Das Konzipieren einer Parallelform wie in der Baseline-Testung, in der die Gruppen verschiedene Textsorten bearbeiten müssen, ist aus Gründen der Vergleichbarkeit und vor allem durch den unter-schiedlichen Schwierigkeitsgrad der Textsorten nicht zu empfehlen. Es soll aber an dieser Stelle noch einmal angemerkt werden, dass die Baseline-Testung zur Erhebung des Ist-Zustands durchgeführt wurde. Ob eine ähn-liche Konzeption der Parallelformen in den Standardtests zu erwarten ist, kann deshalb nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Bei der Analyse der Aufgaben hat sich gezeigt, dass ein deutlicher Qua-litätsunterschied zwischen den Testitems und den Beispielaufgaben vor-liegt. Die Beispielaufgaben sind als Lernaufgaben zu verstehen, dienen zur Verdeutlichung der Standards und können in den Unterricht integriert werden. Es empfiehlt sich hier, das Lehrpersonal mit dem Umgang kompe-tenzorientierter Aufgaben zu schulen, damit eine Download-Mentalität verhindert werden kann und die Beispiele eine didaktisch sinnvolle Einbet-tung im Unterricht erfahren. Die veröffentlichten Beispielaufgaben erfüllen die Anforderung des Kriterienkatalogs. Wenn man sie als Ausgangspunkt für ein Unterrichtskonzept versteht und durch ansprechende Sozialformen (z.B. kooperatives Schreiben) und Ausweitungen (z.B. Präsentation der Ergebnisse) im Unterricht umsetzt, können sie einen wertvollen Beitrag zum kompetenzorientierten Schreibunterricht leisten.

Insgesamt befindet sich die Standardisierung des österreichischen Schulsystems in einem Entwicklungsstadium, wodurch die Ergebnisse dieser Arbeit keine endgültige Bewertung darstellen, sondern einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Bereichs Schreiben leisten sollen. Es ist wichtig, vor der Durchführung der Tests eventuelle Schwächen zu evaluieren, zu erkennen und zu überarbeiten, damit die Einführung der Standards auch ihr angestrebtes Ziel der Qualitätsverbesserung erreicht.

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Der Beitrag dieser Arbeit liegt in der Aufarbeitung und Übertragung bereits bestehender theoretischer und empirischer Forschung auf die Bil-dungsstandards Schreiben. Wie bereits mehrfach erwähnt wurde, ist der Bereich der Schreibforschung in Bezug auf Kompetenzorientierung noch relativ jung und bedarf weiterer empirischer Absicherung. Daraus entste-hen folgende Aufgaben für die Schreibdidaktik der kommenden Jahre: Die Niveaustufen müssen empirisch gewonnen bzw. überprüft werden, um wirklich sichere Ergebnisse der Tests liefern zu können. Ebenso müssen die Kompetenzbereiche und die Aufgliederung in Teilkompetenzen, die bis-lang nur analytisch gewonnen wurden, empirisch abgesichert werden, damit nicht etwas auseinander genommen wird, was eigentlich zusam-mengehört. (Ossner 2008)

Auch an der Erstellung qualitativ hochwertiger Schreibaufgaben, die den Schreibprozess ebenso wie das Schreibprodukt berücksichtigen, sollte weiter gearbeitet werden. Darüber hinaus gibt es weiteren Bedarf an empi-rischen Studien, die überprüfen, welche Kriterien Aufgabenstellungen erfüllen müssen, damit die zu lernende Fähigkeit bestmöglich ausgebildet wird.

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14 Literaturverzeichnis

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Darst. 3: „Kompetenzmodell mit Entwicklungsstufen“, in: Ossner, Jakob (22008), Sprachdidaktik Deutsch, Paderborn: Schöningh (= UTB StandardWissen Lehramt 2807), 46.

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Darst. 5: „Kompetenzmodell für das Unterrichtsfach Deutsch“, in: Bildungsstandards bifie, URL: http://www.bifie.at/buch/1056/3/1/1 [Stand: 20.05.2011].

Darst. 6: „Kompetenzbereich Schreiben“, URL: http://www.bifie.at/sites/ default/files/bist-d8-kompetenzbereiche.pdf [Stand: 22.01.2011].

Darst. 7: „Literales Handeln“, in: Dorner, Magdalena/Schmölzer-Eibinger, Sabine (2011), Sprache, Wissenserwerb und literale Praxis. Literale Prozeduren als Grundele-mente fachlicher Wissenskommunikation, unveröffentlichtes Manuskript, Graz.

Darst. 8: „Überblicksmatrix zur differenzierten Schülertextbeurteilung“, in: Pohl, Thorsten/Steinhoff, Torsten (2010), Hrsg., Textformen als Lernformen, Köln: Gilles & Francke, 262 (= Kölner Beiträge zur Sprachdidaktik Reihe A 7).

Darst. 9: „Schreibmodell Hayes und Flower 1980“, URL: http://spzwww. uni-muenster.de/~griesha/eps/wrt/prozess/hayesuflowers.html [Stand: 01.05. 2011].

Darst. 10: „Verhältnis von Schreibentwicklung und Schreibprozess“, in: Abraham, Ulf/Baurmann, Jürgen/Feilke, Helmuth/Kammler, Clemens/Müller, Astrid (2007), „Kompetenzorientiert unterrichten. Überlegungen zum Schreiben und Lesen“, in: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht, Nr. 203.

Darst. 11: „Vier-Felder-Schema“, in: Bausch, Karl-Richard/Burwitz-Melzer, Eva/Königs, Frank G./Krumm, Hans-Jürgen (2006), Hrsg., Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdspra-chenunterrichts, Tübingen: Narr, 184 (= Gießener Beiträge zur Fremdsprachendi-daktik).

Darst. 12: „Schreibentwicklungsmodell nach Bereiter“, in: Ulrich, Winfried (2001), Didaktik der deutschen Sprache: Ein Arbeits- und Studienbuch in drei Bänden. Band 2: Schriftlicher Sprachgebrauch – Rechtschreiben und Zeichensetzung, Stuttgart: Klett, 50 ((zit. nach: Richter, Bastian (2008), Didaktische Konzepte zur Förderung der Schreibkompetenz in der Sekundarstufe I, URL: http://www.linse. nuni-due.de/ linse/esel/arbeiten/schreibkompetenzfoerderung.pdf [Stand: 27.05. 2011]).

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Darst. 14: „Konsequenzen restringierter vs. schwachrestringierter Schreibkontexte“, in: Klotz, Peter/Portmann-Tselikas, Paul/Weidacher, Georg, (2010), Hrsg., Kon-

150

texte und Texte. Soziokulturelle Konstellationen literalen Handelns, Tübingen: Narr, 160 (= Europäische Studien zur Textlinguistik 8).

151

15 Anhang

Kompetenzbereich: Sprachbewusstsein

Einsicht gewinnen in Struktur, Normen und Funktion der Sprache als Vo-raussetzung für Textverstehen, wirkungsvollen Sprachgebrauch und ge-lungene mündliche und schriftliche Kommunikation unter Berücksichti-gung des Sprachstandes von Schülerinnen und Schülern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch.

(Dieser Bereich ist integrierter Bestandteil aller anderen Kompetenzbe-reiche des Faches Deutsch.)

Kompetenzen = Deskriptoren

Text- und Satzstrukturen kennen und anwenden

41. Schüler/innen erkennen die sprachlichen Mittel für den Textzusammenhang (Binde-, Ersatz- und Verweiswörter) und ihre Funktion 42. Schüler/innen erkennen und variieren Satzbau und Satzbauelemente: Hauptsatz, Gliedsatz, Satz-glied, Satzgliedteil 43. Schüler/innen können Sätze durch Satzzeichen strukturieren 44. Schüler/innen erkennen Verbformen und können sie funktional anwenden

Wortarten und Wortstruk-turen kennen und anwen-den

45. Schüler/innen können Wortarten und ihre we-sentlichen Funktionen erkennen und benennen 46. Schüler/innen können Grundregeln der Wortbil-dung (Ableitung und Zusammensetzung) anwenden

Über einen differenzierten Wortschatz verfügen und sprachliche Ausdrucksmit-tel situationsgerecht an-wenden

47. Schüler/innen kennen Bedeutungsunterschiede von Wörtern: Wortfelder, Wortfamilien, Synonyme, Antonyme, Ober- und Unterbegriffe 48. Schüler/innen kennen die Bedeutung von grund-legenden idiomatischen Wendungen (insbesondere von verbalen Phrasen) 49. Schüler/innen können Sprachebenen unterschei-den (z.B. gesprochene und geschriebene Sprache, Dialekt, Umgangssprache, Standardsprache) und an die kommunikative Situation anpassen

Über Rechtschreibbewusst-sein verfügen

50. Schüler/innen beherrschen grundlegende Regeln der Dehnung, der Schärfung, des Stammprinzips, der Groß- und Kleinschreibung und können diese beim Schreiben anwenden 51. Schüler/innen beherrschen die Rechtschreibung des Gebrauchswortschatzes einschließlich gängiger

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Fremdwörter 52. Schüler/innen können Arbeitshilfen zur Recht-schreibung (z.B. Wörterbuch) einsetzen

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ISBN 978-3- 902897-00-8

Das „Nachwuchsforum Fachdidaktik“ des Forschungsnetzwerks Fachdidaktik (FNF) an der Universität Graz ist eine Initiative zur Nachwuchsförderung im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „Lernen – Bildung – Wissen“, die jungen NachwuchswissenschafterInnen die Möglichkeit gibt, ihre wissen-schaftlichen Arbeiten im Bereich der Fachdidaktik einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. In die Reihe aufgenommen werden ausgezeichnete Diplom- und Masterarbeiten, Dissertationen und Habilitationen.