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PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCHl LENIN WERKE 33

Lenin - Werke 33

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PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCHl

LENINWERKE

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HERAUSGEGEBEN AUF BESCHLUSS

DES IX. PARTEITAGES DER KPR(B) UND DES

II . SOWJETKONGRESSES DER UdSSR

DIE DEUTSCHE AUSGABE ER SCHEINT

AUF BESCHLUSS DES ZENTRALKOMITEES

DER SOZIALISTISCHEN EINHEITSPARTEI

DEUTSCHLANDS

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INSTITUT FÜR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER KPdSU

W1.LEN1NWERKE

INS DEUTSCHE ÜBERTRAGENNACH DER VIERTEN RUSSISCHEN AUSGABE

DI E DEUTSCH E AUSGABEWIRD VOM INSTITUT FÜR MARXISMUS-LENINISMUS

BEIM ZENTRALKOMITEE DER SED BESORGT

DIETZ VERLAG BERLIN

1977

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WI.LENINBAND 33

AUGUST 1921 - MÄRZ 1923

< J fDIETZ VERLAG BERLIN

1977

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Originaltitel:

B . H . J T E H HH • C O H H H B H H f l© Poliüsdat, Moskau 1950

© Deutsche Übersetzung:Dietz Verlag Berlin 1962

Mit 1 Frontispiz und 1 Faksimile

6. Auflage 1977Dietz Verlag Berlin

Lizenznninmer 1LSV 0056

Printed in the German Democratic RepnblicGesamtherstellung: LVZ-Drndcerei „Hermann Dtmcker", Leipzig, III18 138

(Fotomedianisdier Nadidrack)Best. -Nr . :735 0 81 7

DDR 7,50 M

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V I I I Vorwort

der sozialen Zusammensetzung der Partei, die Entfaltung von Kritik und

Selbstkritik, die Leitung der Sowjet-, Gewerkschafts- und Genossen-sdiaftsorgane betreffen. Dazu gehören der Artikel „über die Parteireini-gung", die Briefe „ü ber die Bedingungen für die Aufnahme neuer Partei-mitglieder", der „Politische Bericht des Zentralkomitees der KPR(B)" aufdem XI. Parteitag der KPR(B), der Beschluß des ZK der KPR(B) „Oberdie Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften unter den Verhältnissender Neuen ökonomischen Politik" u . a.

Breiten Raum nehmen in dem Band Arbeiten ein, in denen sich LeninsBemühungen um die Festigung und Verbesserung des Staatsapparats

widerspiegeln. Dazu gehören der Brief „ü ber die Aufgaben der Arbeiter-und Bauerninspektion, wie sie aufzufassen und durchzuführen sind", der„Brief an J. W . Stalin über die Arbeit der Stellvertreter (der Stellvertreterdes Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare und des Rats für Arbeitund Verteidigung)", die „Verordnung über die Arbeit der Stellvertreter(der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare unddes Rats für A rbeit und Verteidigung)", der Brief „ über ,d°ppelte' Un ter-ordnung und Gesetzlichkeit" und die „Rede auf der IV. Tagung des Ge-samtrussischen Zentralexekutivkomitees der IX. Wahlperiode" am 31. Ok-tober 1922.

In vielen Reden, Artikeln und Dokumenten dieses Bandes legt Lenindie Grundprinzipien der Außenpolitik der Sowjetmacht dar. Ausgehendvon der Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz der Sowjetrepublik undder kapitalistischen Staaten legt Lenin der Außenpolitik den Kampf umden Frieden und die Verteidigung der Unabhängigkeit und Souveränitätdes Sowjetstaates zugrunde.

In den Arbeiten, die der internationalen kommunistischen und Arbeiter-bewegung gewidmet sind, formuliert Lenin die grundlegenden Aufgabender Einheitsfronttaktik und beleuchtet die Entwicklungsperspektiven derWeltrevolution. Er hebt die gewaltige Bedeutung hervor, die dem An-wachsen der nationalen Befreiungsbewegung und des revolutionärenKampfes in Indien, China und den anderen Ländern des Ostens, derenBevölkerung zusammen mit derjenigen Sowjetrußlands die große Mehr-heit der Erdbevölkerung ausmacht, für den endgültigen Sieg des Sozialis-mus in der ganzen Welt zukommt.

Der Band enthält die letzten Arbeiten Lenins „Tagebuchblätter", „O ber

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Vorwort IX

das Genossenschaftswesen", „Über unsere Revolution", „Wie wir die

Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen" und „Lieber weni-ger, aber besser". In diesen Artikeln zog Lenin das Fazit aus der geleiste-ten Arbeit und entwarf den Plan für den Aufbau des Sozialismus im So-wjetlande unter Teilnahme der Bauernschaft, die er durch seinen Genos-senschaftsplan in den sozialistischen Aufbau einbezog. Ferner definierteer die Aufgaben auf dem Gebiet der Kulturrevolution und umriß die kon-kreten Maßnahmen zur Reorganisation des Staatsapparats.

Besondere Beachtung verdient Lenins bekannter Artikel „Über die Be-deutung des streitbaren M aterialismus", worin Lenin ein Arbeitsprogramm

auf dem Gebiet der marxistischen Philosophie entwirft.Aus den in Band 33 enthaltenen Arbeiten und Briefen ersieht man klarLenins Kampf gegen die parteifeindlichen Auffassungen der Trotzkistenund Bucharinleute sowie gegen den großrussischen Chauvinismus und denlokalen Nationalismus, seinen Kampf für die Festigung der Freundschaftzwischen den Völkern.

In den Band 33 wurden 20 Arbeiten W. I. Lenins aufgenommen, diezum erstenmal in den Werken veröffentlicht werden. In den „Briefen andie Statistische Zentralverwaltung", in der „Rede zum vierten Jahrestag

der Oktoberrevolution auf einer Festversammlung von Arbeitern, Arbei-terinnen, Rotarmisten und Jugendlichen des Moskauer Stadtbezirks Cha-mow niki" am 7. November 1921 und im „Entwurf einer Direktive desPolitbüros des ZK der KPR(B) über die Neue ökonomische Politik" (dieletzten beiden Dokumente erscheinen hier überhaupt zum erstenmal) sindFragen beleuchtet, die mit der praktischen Durchführung der Neuen ö k o -nomischen Politik zusammenhängen.

In dem „Brief an die Mitglieder des Politbüros über die Parteireinigungund über die Bedingungen für die Aufnahme in die Par tei" schlägt Lenin

vor, strengere Bedingungen für die Aufnahme in die Partei festzulegen.Vollständig veröffentlicht wird zum erstenmal in den W erken der „Brieffür dieMitglieder des Politbüros. Antw ort auf die Bemerkungen betreffenddie Arbeit der Stellvertreter (der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ratsder V olkskomm issare)", worin Lenin die parteifeindliche Stellung Trotz -kis zur Frage der Rolle und der Aufgaben der Arbeiter- und Bauern-inspektion und der Staatlichen Plankommission scharf kritisiert.

Zum erstenmal werden ferner in den Werken veröffentlicht: der Brief

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X Vorwort

W . I. Lenins an D. I. Kurski, der die Ausarbeitung des sowjetischen Straf-

gesetzbuches betrifft; die „N otiz für das Politbüro über den Kampf gegenden Großmachtchauvinismus"; der „Brief über das Außenhandelsmono-pol" vom 13. Oktober 1922 (erscheint hier zum erstenmal), worin Lenindie Unerschütterlichkeit des Außenhandelsmonopols gegen Bucharin,Sokolnikow und andere verteidigt, die dessen Grundlagen untergrabenwollten; der „Brief an die Mitglieder des ZK betreffs der M öglichkeit, aufdem X. Gesamtrussischen Sowjetkongreß zu sprechen"; die zwei Briefeüber die Entwicklung der Radiotechnik und der Brief an das Politbürovom 15 . April 1922 (erscheint hier zum erstenmal).

Im „Brief an das Politbüro betreffend eine Resolution des IX. Gesamt-russischen Sowjetkongresses über die internationale Lage" betont Lenindie internationale Rolle des Sowjetstaates als des ersten Landes, das diePolitik der Selbstbestimmung der Völker in die Ta t um gesetzt hat.

In dem „Entwurf einer Entschließung des Gesamtrussischen Zentral-exekutivkomitees zum Bericht der Delegation auf der Genuakonferenz"werden die grundlegenden Aufgaben des Sowjetstaates auf dem Gebietder Außenpolitik festgelegt; im „Entwurf einer A ntwort an E. Vander-velde" entlarvt Lenin die verräterische Rolle der Führer der II. und der

zweieinhalbten Internationale, die die konterrevolutionären Parteien derMenschewiki und der Sozialrevolutionäre verteidigten (beide Dokumenteerscheinen hier zum erstenmal).

Schließlich enthält der Band zum erstenmal in den Werken veröffent-lichte Grußadressen W . I. Lenins an verschiedene Tagungen und Organ i-sationen.

Es folgen drei Bände mit Briefen W. I. Lenins (Bde. 34, 35, 37), einBand mit nachträglich veröffentlichten Dokumenten aus den Jahren1900-1923 (Bd. 36), die „Philosophischen Hefte" (Bd. 38), die „Heftezum Imperialismus" (Bd. 39) und die „Hefte zur A grarfrage" (Bd. 40).Die Ausgabe wird vervollständigt durch die Registerbände I und II.

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W.I.LENIN

November 1921

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N E U E Z E I T E N ,

A L T E F E H L E R I N N E U E R G E S T A L T

Jede neue Wendung der Geschichte ruft gewisse Veränderungen in derForm der kleinbürgerlichen Schwankungen hervor, die stets neben demProletariat auftreten und stets in diesem oder jenem Maße in das Prole-tariat eindringen.

Kleinbürgerlicher Reformismus, d. h. mit biederen demokratischen und„sozialdemokratischen Phrasen und ohnmächtigen Wünschen verbrämtesLakaientum vor der Bourgeoisie, und kleinbürgerlicher Revolutionarismus,drohend, aufgeblasen und großtuerisch in Worten, ein zerplittertes, ato-misiertes, kopfloses Nichts in der Tat — das sind die beiden „Ströme"

dieser Schwankungen. Sie sind unvermeidlich, solange die tiefsten W urzelndes Kapitalismus nicht beseitigt sind. Ihre Form modifiziert sich jetzt imZusammenhang mit einer bestimmten Wendung in der ökonomischenPolitik der Sowjetmacht.

Das Grundmotiv bei den Menschewiki und ihren Nachbetern ist: „DieBolschewiki haben kehrtgemacht zum Kapitalismus, nun ist es aus mitihnen. Die Revolution erweist sich trotz allem als eine bürgerliche, auchdie Oktoberrevolution! Es lebe die D emokratie! Es lebe der Reformismus!"Ob das auf rein menschewistische oder auf Sozialrevolutionäre Manier

gesagt wird, im Geiste der II. oder der zweieinhalbten Internationale, derSinn ist ein und derselbe.Das Grundmotiv bei den Halbanarchisten vom Schlage der deutschen

„Kommunistischen Arbeiterparte i"1 oder jenes Teils unserer ehemaligenArbeiteropposition, der die Partei verlassen hat oder von ihr abfällt, ist:„Die Bolschewiki glauben jetzt nicht an die Arbeiterklasse!" Die Losun-gen, die daraus abgeleitet werden, gleichen mehr oder minder den „Kron-städter" Losungen im Frühjahr 1921.

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Ti>. I.Lenin

Möglichst nüchtern und genau die Einschätzung der faktischen Klassen-

kräfte und die unbestreitbaren Tatsachen dem Gejammer und der Panikder Philister des Reformismus und der Philister des Revolutionarismusentgegenstellen — das ist die Aufgabe der Marxisten.

Man erinnere sich der Hauptetappen unserer Revolution. Die erste,sozusagen rein politische Etappe, vom 25. Oktober bis 5. Januar, bis zurAuseinanderjagung der Konstituante. In nur 10 Wochen haben wir für diewirkliche und vollständige Vernichtung der Überreste des Feudalismus inRußland hundertmal mehr getan als die Menschewiki und die Sozialrevo-lutionäre in den acht Monaten (Februar—Oktober 1917) ihrer Macht.

Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre, samt all den Helden der zwei-einhalbten Internationale im Ausland, waren zu jener Zeit erbärmlicheHelfershelfer der Reaktion. Die Anarchisten standen entweder ratlos ab-seits, oder sie unterstützten uns. War damals die Revolution eine bürger-liche Revolution? Natürlich ja — insofern das von uns zum Abschluß ge-brachte Werk die Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolutionwar, insofern es innerhalb der „Bauernschaft" noch keinen Klassenkampfgab. Aber zugleich haben wir ungeheuer viel geleistet über die bürgerlicheRevolution hinaus, für die sozialistische, die proletarische Revolution:

1. Wir entfalteten wie nie zuvor die Kräfte der Arbeiterklasse, was dieAusnutzung der Staatsgewalt durch sie anbelangte. 2. Wir versetzten denFetischen der spießbürgerlichen Demokratie, der Konstituante und denbürgerlichen „Freiheiten", von der Art der Pressefreiheit für die Reichen,einen in der ganzen Welt spürbaren Schlag. 3. Wir schufen den sowjeti-schen 7ypus des Staates, ein gigantischer Schritt vorwärts nach 1793 und1871.

Die zweite Etappe. Der Brester Frieden. Eine Sturmflut revolutionärerPhrasen gegen den Frieden — halbpatriotischer Phrasen bei den Sozial-

revolutionären und Menschewiki, „linker" Phrasen bei einem Teil derBolschewiki. „Haben sie erst mit dem Imperialismus Frieden geschlossen,so sind sie verloren" — behauptete in panischem Schrecken oder mitSchadenfreude der Spießer. Aber die Sozialrevolutionäre und Mensche-wiki schlössen Frieden mit dem Imperialismus als Teilnehmer am bürger-lichen Raubzug gegen die Arbeiter. Wir „schlössen Frieden", indem wirdem Räuber einen Teil unseres Ha b und Guts abtraten, um die Macht derArbeiter zu retten, um dem Räuber noch stärkere Schläge zu versetzen.

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"Neue Zeiten, alte Jehler in neuer Gestalt

Phrasen, daß wir angeblich „an die Kräfte der Arbeiterklasse nicht glau-

ben", hörten wir damals zut1

Genüge, aber wir ließen uns durch diePhrasen nicht täuschen.

Die dritte Etappe. Der Bürgerkrieg von den Tschechoslowaken und den„Konstituante-Anhängern" bis zu Wrangel, 1918—1920. Unsere RoteArmee existierte zu A nfang des Krieges noch nicht. Diese Armee ist auchheute jeder beliebigen Armee der Ententeländer weit unterlegen, wennman die materiellen Kräfte vergleicht. Und trotzdem trugen wir im Kampfgegen die Weltmacht der Entente den Sieg davon. Das Bündnis derBauern und A rbeiter un ter Führung der proletarischen Staatsmacht wurde

— eine weltgeschichtliche Errungenschaft — auf eine Höhe ohnegleichengehoben. Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre spielten die Rolle vonHelfershelfern der Monarchie, sowohl direkter Helfershelfer (als Mini-ster, Organisatoren, Propagandisten) als auch verkappter (die höchst „raf-finierte" und niederträchtige Haltung der Tschernow und Martow, dieangeblich ihre Hände in Unschuld wuschen, in Wirklichkeit aber mit derFeder gegen uns arbeiteten). Die Anarchisten pendelten wie zuvor hilfloshin und her: Ein Teil unterstützte uns, ein anderer Teil schädigte dieArbeit durch Geschrei gegen die militärische Disziplin oder durch Skepsis.

Die vierte Etappe. Die Entente ist gezwungen, Intervention und Blockadeeinzustellen (für wie lange?). Das unerhört verwüstete Land beginnt sichnur mühsam zu erholen, erst jetzt sieht es die ganze Tiefe der Zerrüttung ,durchlebt es die qualvollste Not, den Stillstand der Industrie, Mißernten,Hungersnot u nd Seuchen.

Wir haben die höchste und zugleich damit die schwierigste Stufe inunserem weltgeschichtlichen Kampf erreicht. Der Feind ist im gegebenenAugenblick und für den gegebenen Zeitabschnitt nicht derselbe, der ergestern war. Der Feind— das sind nicht die Heerhaufen der Weißgardisten

untei4

dem Kommando der Gutsbesitzer, die von allen Menschewiki undSozialrevolutionären, von der ganzen internationalen Bourgeoisie unter-stützt werden. Der Feind — das ist der graue Alltag der Wirtschaft ineinem kleinbäuerlichen Land mit zerstörter Großindustrie. Der Feind —das ist das kleinbürgerliche Element, das uns wie die Luft umgibt und sehrstark in die Reihen des Proletariats eindringt. Das Proletariat aber istdeklassiert, d. h. aus seinem Klassengeleise geworfen. Die Fabriken undW erke stehen still—das Proletariat ist geschwächt, zersplittert, entkräftet.

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W.I.Lenin

Das kleinbürgerliche Element im Innern des Staates aber wird von der

gesamten internationalen Bourgeoisie mit ihrer immer noch weltumspan-nenden Macht unters tützt .

Nun, wie sollte man es da nicht mit der Angst zu tun bekommen? Be-sonders solche Helden wie die Menschewiki und Sozialrevolutionäre, wiedie Ritter der zweieinhalbten Internationale, wie die hilflosen Anarchisten,wie die Liebhaber „linker" Phrasen. „Die Bolschewiki kehren zurück zumKapitalismus, mit den Bolschewiki ist es aus, die Revolution ist auch beiihnen nicht über den Rahmen der bürgerlichen Revolution hinausgekom-men." Dieses Gezeter hören wir zur Genüge.

Aber wir haben uns schon daran gewöhnt.Wir verkleinern die Gefahr nicht. Wir sehen ihr direkt ins Auge. Wir

, sagen den Arbeitern und Bauern: Die Gefahr ist groß — mehr Geschlos-senheit, Ausdauer und Kaltblütigkeit, werft die Nachbeter der Mensche-wiki und Sozialrevolutionäre, die Panikmacher und Schreihälse mit Ver-achtung hinaus.

Die Gefahr ist groß. Der Feind ist ökonomisch bei weitem stärker alswir, genauso wie er gestern militärisch bei weitem stärker war als wir.W ir wissen das, und im W issen liegt unsere Stärke. Wi r haben sowohl für

die Säuberung Rußlands vom Feudalismus als auch für die Entwicklungaller Kräfte der Arbeiter und Bauern, sowohl für den weltweiten Kampfgegen den Imperialismus als auch f üf die von den Platthe iten u nd Gem ein-heiten der II. und der zweieinhalbten Internationale befreite in ternationaleproletarische Bewegung schon so ungeheuer viel getan, daß panisches Ge-schrei nicht auf uns w irkt. Un sere revolutionäre Tätigkeit h abe n wir schongenug und übergenug „gerechtfertigt", indem wir der ganzen Welt durchTaten bewiesen haben, wozu der proletarische Revolutionismus fähig istzum Unterschied von der menschewistisch-sozialrevolutionären „Demo-

kratie" und dem feigen, durch Paradephrasen bemäntelten Reformismus.Wer vor Beginn eines großen Kampfes die Niederlage fürchtet, der

kann sich nu r zur Ve rhöhnu ng der Arbe iter Sozialist nennen.

Gerade weil wir uns nicht scheuen, der Gefahr ins Auge zu sehen,setzen wir unsere Kräfte besser zum Kam pf ein — wägen wir die Chancennüchterner, sorgfältiger, umsichtiger ab— ma chen wir alle Zugeständnisse,die uns stärken und die Kräfte des Feindes zersplittern (wie jetzt auchder Dümmste sieht, daß der „Brester Frieden" ein Zugeständnis war,

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"Neue Zeiten, alte Jebler in neuer Qestalt

das ans stärkte und die Kräfte des internationalen Imperialismus zer-

splitterte).Die Menschewiki schreien, die Naturalsteuer, die Freiheit des Handels,

die Zulassung der Konzessionen und des Staatskapitalismus bedeuten denZusammenbruch des Kommunismus. Diesen Menschewiki hat sich imAusland der frühere Kommunist Levi hinzugesellt; diesen Levi mußteman verteidigen, solange man versuchen konnte, die von ihm begangenenFehler als Reaktion auf eine Reihe von Fehlern zu erklären, die von den„linken" Kommunisten, besonders im März 1921 in Deutschland2, ge-macht worden waren; diesen Levi darf man nicht verteidigen, wenn er,

statt sein Unrecht einzugestehen, auf der ganzen Linie zum Menschewis-mus hinabgleitet.

Die zeternden Menschewiki brauchen wir nur darauf zu verweisen, daßdie Kommunisten schon im Frühjahr 1918 d ie Idee eines Blocks, einesBündnisses mit dem Staatskapitalismus gegen das kleinbürgerliche Elementproklamiert und verteidigt haben. Vor drei Jah ren! In den ersten Monatendes bolschewistischen Sieges! Nüchternheit besaßen die Bolsdiewiki schondamals. Und seitdem hat niemand die Richtigkeit unserer nüchternen Ein-schätzung der wirklich vorhandenen Kräfte widerlegen können.

Der beim Mensdhewismus gelandete Levi gibt den Bolschewiki (derenBesiegung durch den Kapitalismus er ebenso „prophezeit", wie alle Spieß-bürger, Demokraten, Sozialdemokraten usw. unseren Untergang prophe-zeiten, falls wir die Konstituante auseinanderjagen!) den Rat, sich an diegesamte Arbeiterklasse um Hilfe zu wenden! Denn bisher, man beliebezu sehen, hätte ihnen n ur ein 7eil der Arbeiterklasse geholfen!

Hier befindet sich Levi in auffallender Übereinstimmung mit jenenHalbanarchisten und Schreihälsen, darunter mit manchen Leuten aus derehemaligen „Arbeiteropposition", die so gern laute Phrasen dreschen über

das Thema, daß die Bolschewiki jetzt „an die Kräfte der Arbeiterklassenicht glauben". Sowohl die Menschewiki als auch diejenigen, die in An-archismus machen, verwandeln diesen Begriff „Kräfte der A rbeiterklasse"in einen Fetisch, ohne fähig zu sein, übef seinen tatsächlichen, konkretenInhalt nachzudenken. An die Stelle der Untersuchung und der Analysedieses Inhalts wird die Deklamation gesetzt.

Die Herrschaften aus der zweieinhalbten Internationale, die sich Revo-lutionäre nennen möchten, erweisen sich in Wirklichkeit in jeder ernsten

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W.I.Lenin

Lage als Konterrevolutionäre, denn sie fürchten die gewaltsame Zerstö-

rung des alten S taatsapparats, sie glauben nicht an die Kräfte der Arbeiter-klasse. Als wir das von den Sozialrevolutionären und Co. sagten, war dasunserseits keine Phrase. Jedermann weiß, daß die Oktoberrevolution inder Tat neue Kräfte, eine neue Klasse aufsteigen ließ — daß die bestenVertreter des Proletariats heute Rußland regieren, eine Armee geschaffenund geführt haben, eine örtliche Verwaltung usw. geschaffen haben, dieIndustrie leiten u. a. W enn es dabei bürokratische Auswüchse gibt, so ver-hehlen wir1 dieses Übel nicht, sondern decken es auf und bekämpfen es.Wer über dem Kampf gegen die Entstellung der neuen Ordnung ihren

Inhalt vergißt, wer vergißt, daß die Arbeiterklasse einen Staat vom So-wjettypus geschaffen hat und ihn leitet, der versteht einfach nicht zudenken und redet leichtfertig in den Tag h inein.

Doch die „Kräfte der Arbeiterklasse" sind nicht grenzenlos. Wenn derZustrom frischer Kräfte aus der Arbeiterklasse jetzt schwach, manchmalsehr schwach ist, wenn trotz aller Dekrete und Aufrufe, trotz aller Agi-tation, trotz aller Befehle, „Parteilose aufrücken zu lassen", der Zustromvon Kräften dennoch schwach ist, dann heißt es zu leerer Phrasendre-scherei hinabsinken, wenn man sich mit Deklamationen über „mangeln-

den Glauben an die Kräfte der Arbeiterklasse" darüber hinwegsetzen will.Ohne eine gewisse „Atempause" gibt es diese neuen Kräfte nicht; sie

werden nur langsam heranwachsen; anders als auf der Grundlage der wie-derhergestellten Großindustrie (d. h., genauer und konkreter gesagt, aufder Grundlage der Elektrifizierung) können sie von nirgendher kommen.

Nach den gewaltigen, in der W elt noch nie dagewesenen A nstrengungenbraucht die Arbeiterklasse in einem kleinbäuerlichen, wirtschaftlich zer-rütteten Land, eine Arbeiterklasse, die durch Deklassierung stark mitge-nommen ist, eine bestimmte Zeit, damit neue Kräfte heranwachsen und

nachrücken können, damit die alten und abgenutzten „repariert" werdenkönnen. Die Schaffung eines Militär- und Staatsapparats, der fähig war,die Prüfungen der Jahre 1917—1921 siegreich zu bestehen, war ein gro-ßes W erk , das die realen (nicht die in den Deklamationen der Schreihälseexistierenden) „Kräfte der Arbeiterklasse" beansprucht, mitgenommen,erschöpft hat. Das muß man begreifen und mit der Notwendigkeit, rich-tiger: mit der Unvermeidlichkeit eines verlangsamten Zuwachses neuerKräfte der Arbeiterklasse rechnen.

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3Veue Zeiten, alte 7eb\er in neuer Qestalt

Wenn die Menschewiki über den „Bonapartismus" der Bolschewiki

zetern (die sich angeblich auf Heer und Apparat stützen, gegen den Willender „Demok ratie"), so kommt darin die Taktik der Bourgeoisie vortrefflichzum Ausdruck, und Miljukow handelt richtig, wenn er sie unterstützt,wenn er die „Kronstädter" Losungen (vom Frühjahr 1921) unterstützt.Die Bourgeoisie kalkuliert ganz richtig, daß die wirklichen „Kräfte derArbeiterklasse" gegenwärtig aus dejf machtvollen Avantgarde dieserKlasse (der Kommunistischen Partei Rußlands, die sich die Rolle, denNamen, die Kraft einer „Avantgarde" der einzig revolutionären Klassenicht mit einem Schlage, sondern im Verlauf von 15 Jahren durch Taten

errungen hat) bestehen plus Elementen, die durch Deklassierung ammeisten geschwächt sind und den menschewistischen und anarchistischenSchwankungen am stärksten unterliegen.

Unter der Losung „Mehr Vertrauen in die Kraft der Arbeiterklasse"wird gegenwärtig in WirkHdbkeit eine Stärkung der menschewistischenund anarchistischen Einflüsse betrieben: Kronstadt hat das im Frühjahr1921 mit a ller Anschaulichkeit gezeigt und bewiesen. Jeder klassenbewußteArbeiter muß diejenigen, die über unseren „mangelnden Glauben an dieKräfte der Arbeiterklasse" schreien, entlarven und davonjagen, denn diese

Schreihälse sind in Wirklichkeit Helfershelfer der Bourgeoisie und derGutsbesitzer, zu deren Gunsten sie durch Erweiterung des Einflusses derMenschewiki und der Anarchisten eine Schwächung des Proletariats her-beizuführen suchen.

Hier „liegt der H und begraben", wenn man nüchtern in den wirklichenInhalt des Begriffs „Kräfte der Arbeiterklasse" eindringt!

Wo ist eure Arbeit, liebe Leute, wo sind eure Taten, um Parteilosereal aufrücken zu lassen an der wichtigsten „Front" der Gegenwart, ander Wirtschaftsfront, bei dem Werk des wirtschaftlichen Aufbaus? Diese

Frage müssen die klassenbewußten Arbeitef den Schreihälsen stellen. Sokann und soll man immer die Schreihälse entlarven und beweisen, daß siein Wirklichkeit den Aufbau der Wirtschaft nicht fördern, sondern hin-dern , daß sie der proletarischen Revolution nicht helfen, sondern sie hin-dern, daß sie keine proletarischen, sondern kleinbürgerliche Bestrebungenverfechten, daß sie einer fremden Klasse dienen.

Unsere Losung ist: Nieder mit den Schreihälsen! Nieder mit den un-bewußten Helfershelfern der Weißgardistenbande, die die Fehler der

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T V . 1 . Lenin

unglückseligen Kron städter vom Frühjahr 1921 wiede rholen! Vorwärts zu

sachlicher praktischer Arbeit, die mit der Eigenart der gegenwärtigenSituation und ihren Aufgaben zu rechnen vermag! Was uns not tut, sindnicht Phrasen, sondern Taten.

Die nü chterne Einschätzung dieser Eigenart un d dei" wirklichen, nichtder zusammenphantasierten, Klassenkräfte sagt uns:

Nach einer Periode von Erfolgen des proletarischen Schöpfertums aufmilitärischem, administrativem und allgemein-politischem Gebiet, wie dieWelt sie noch nie gesehen hat, ist nicht zufällig, sondern unvermeidlich,nicht durch das Verschulden von Personen oder Parteien, sondern kraft

objektiver Ursachen eine Periode viel langsameren Heranwachsens neuerKräfte angebrochen. In der wirtschaftlichen Arbeit ist der Aufbau unver-meidlich schwieriger, langsamer, allmählicher,- das ergibt sich aus demWesen dieser Arbeit, verglichen mit der militärischen, administrativen undallgemein-politischen. Das ergibt sich daraus, daß sie besonders schwierigist und, wenn man sich so ausdrücken darf, t iefere Wurzeln hat .

Darum werden wir bemüht sein , unsere Aufgaben in dieser neuen,höheren Etappe des Kampfes mit größter, mit dreifacher Vorsicht fest-zulegen. Wir werden diese Aufgaben bescheidener festlegen; wir werden

mehr Zugeständnisse machen, natürlich in den Grenzen dessen, was dasProletariat zugestehen kann, wenn es die herrschende Klasse bleiben will;möglichst rasche Aufbringung einer mäßigen Na turalsteu er un d möglichstgroße Freiheit für die Entwicklung, Festigung und Wiederherstellung derbäuerlichen Wirtschaft; wir werden die für uns nicht unbedingt notwen-digen Betriebe an Pächter abgeben, darunter auch an Privatkapitalistenund an ausländische Konzessionäre. Wir brauchen einen Block oder einBündnis des proletarischen Staates mit dem Staatskapitalismus gegen daskleinbürgerliche Element. Dieses Bündnis muß man geschickt verwirk-

lichen, nach der Regel „Siebenmal abmessen, einmal abschneiden". Wirwerden unmittelbar für uns ein kleineres Arbeitsgebiet lassen, nur das,was absolut notwendig ist. Wir werden die geschwächten Kräfte derArbeiterklasse auf weniger konzentrieren, dafür aber fester Fuß fassen,wir werd en uns nicht einmal und nicht zweimal, sonderti vielmals an H an dder praktischen Erfahrung kontrollieren. Schritt für Schritt, Zoll für Zoll —anders kann ein solches „Heer" wie das unsrige auf einem so mühevollenWeg, in einer so schwierigen Lage, unter solchen Gefahren jetzt nidht

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"Neue Zeiten, alte Jebler in neuer Q estdlt

vorrücken. W em diese Arbeit „langweilig", „uninteressant", „unverständ-

lich" ist, wer die Nase rümpft oder in Panik verfällt oder sich an Dekla-mationen über das Fehlen des „früheren Elans", des „früheren Enthusias-mus" usw. berauscht, den soll man lieber „von der Arbeit befreien" undkaltstellen, damit er keinen Schaden anrichten kann, denn er ist nichtwillens oder nicht fähig, über die Eigenart der gegenwärtigen Stufe, dergegenwärtigen Etappe des Kampfes nachzudenken.

Unter Bedingungen, wo das Land ungeheuer verwüstet ist und dieKräfte des Proletariats durch eine Reihe fast übermenschlicher Anstren-gungen erschöpft sind, nehmen wir das Schwierigste in Angriff: das Fun-

dament einer wirklich sozialistischen Wirtschaft zu legen und einen ge-regelten Warenaustausch (richtiger: Produktenaustausch) zwischen Indu-strie und Landwirtschaft herbeizuführen. Noch ist der Feind weitausstärker als wir; der anarchische, spekulative, individuelle Warenaustauschuntergräbt unsere Arbeit auf Schritt und Tritt. W ir sehen klar die Schwie-rigke iten und werden sie systematisch, hartnäckig überwinden. MehrInitiative und Selbständigkeit den örtlichen Organen, mehr Kräfte dorthin ,mehr Beachtung ihrer praktischen Erfahrung. DieArbeiterklasse kann ihreWunden nidht anders heilen, ihre proletarische „Klassenkraft" nidbt an-

ders wiederherstellen, die Bauernschaft kann in ihrem Vertrauen zurproletarischen Führung nidbt anders bestärkt werden als nach Maßgabedes tatsächlichen Erfolges bei der Wiederherstellung der Industrie und derHerstellung eines geregelten staatlichen Produktenaustausches, der sowohlfüf den Bauer als auch für den Arbeiter vorteilhaft ist. Nach Maßgabedieser Erfolge werden wir auch einen Zustrom neuer Kräfte bekommen,vielleicht nicht so rasch, wie es jeder von uns möchte, aber wir werdenihn bekommen.

An die Arbeit, an eine langsamere und vorsichtigere, eine ausdauerndere

und beharrlichere Arbeit!20. August 1921

„Vrawda" 9Vr. 190, TJadh dem 7ext der „Vrawda", ver-28. August 1921. glidben mit den von W. 1 LeninUnterschrift:7d. Lenin, durchg esehenen Korrekturfah nen.

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BRIEFE AN DIE STATISTISCHEZENTRALVERWALTUNG

1

AN DEN LEITERD E R S T A T I S T IS C H E N Z E N T R A L V E R W A L T U N G

16. VIII.Gen. Popow!Der Briefwechsel mit der Statistischen Zentralverwaltung, insbesondere

die Angaben der laufenden Industriestatistik, die ich am 3. VIII. von ihrerhielt, haben m ir mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß meine Anweisungen(im Brief vom 4. VI. 1921) überhaupt nicht befolgt werden und daß dieganze Arbeit, die ganze Organisation der Statistischen Zentralverwaltungfalsch ist.

Die Angaben der laufenden Industriestatistik, die ich am 3. VIII. erhielt,sind veraltet, und ich erhielt multa non multum — dem Umfang nach viel,dem Inhalt nach wenig! Haargenau wie bei den „bürokratischen Institu-tionen", von denen Sie in Ihrem Brief vom 11. VI. 1921 die Statistische

Zentralverwaltung abgrenzen wollen.Die „Ekonomitsdieskaja Shisn"3 hat in der Beilage zu Nr. 152, d.h.

im Juli, bereits vollständigere Angaben veröffentlicht!

Von eben dieser „Ekonomitsdieskaja Shisn" hatte ich bereits Angabenfür das erste Quartal 1921 !

Die Statistische Zentralverwaltung, die im Vergleich zu einer Einzel-gruppe von Publizisten zurückbleibt, ist das Musterbeispiel einer bürokra-tischen Institution. Vielleicht wird sie in etwa zwei Jahren eine Menge

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Briefe an die Statistische Zentralverwaltung 11

Material für die wissenschaftliche Arbeit liefern, aber das ist nicht das,

was wir brauchen.Seit meinem Brief vom 4. VI. 1921 sind fast 21/2 Monate vergangen,

aber alles bleibt beim alten. Die Mängel sind dieselben. Das von Ihnen(im Brief vom 11 . VI.) versprochene „Ka lenderprog ramm " u. a. bleibtaus.

Noch einmal lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf diese falsche Arbeits-weise und auf die Notwend igkeit, die Reorganisation der gesamten Arbeitin der Statistischen Zen tralverw altung z u beschleunigen.

Insbesondere:

1. Der Vorsitzende odef Leiter der Statistischen Zentralverwaltungmuß in engerem Kon takt mit de r Staatlichen Plankomm ission, nach direk-ten Anweisungen und Aufträgen des Vorsitzenden und des Präsidiumsder Staatlichen Plankomm ission arbeiten.

2. Die laufende Statistik (sowohl die Industrie- als auch die Landwirt-schaftsstatistik) muß zusammenfassende, praktisch wichtige Angaben(unter Zurückstellung der akademischen Bearbeitung „vollständiger"Daten) keinesfalls später, sondern unbedingt eher als unsere Presse lie-fern.

Man muß es verstehen, das praktisch Wichtige und Eilige auszuson-dern u nd das akademisch Wertvo lle für später zurückzustellen.

3. Zusammen mit der Staatlichen Plankommission muß eine Art index-number (Zahlenindex) für die Einschätzung des Zustands unserer gesam-ten Volkswirtschaft errechnet we rde n; er ist unbed ingt mindestens einmalim Monat auszuarbeiten und unbedingt den Zahlen der Vorkriegszeit,sodann des Jahres 1920 und nach Möglichkeit der Jahre 1917, 1918 und1919 gegenüberzustellen.

Ist es nicht möglich, genaue Zahlen zu erhalten, so sollen annähernde,

mutmaßliche, vorläufige genannt werden (mit besonderer Kennzeichnungeiner jeden solchen oder ähnlichen Kategorie).

Für die praktische Arbeit müssen wir Zah len ha ben, un d die StatistischeZentralverwaltung muß sie eher haben als alle andern. Die Prüfung derGenauigkeit der Zahlen, die Bestimmung der Fehlerquote u. a. aber stel-len wir einstweilen zurück.

Welche Zahlen für den index-number benutzt werden sollen, müssendie Statistische Ze ntralv erw altun g un d die Staatliche Plankom mission fest-

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12 TV. 1 Lenin

legen. (Beispielsweise die w ichtigsten, grundle gend en Za hl en : Bevölkerung,

Territorium, Produktion der wichtigsten Erzeugnisse, Hauptergebnisseder Arbeit im Verkehrswesen usw. — wenigstens 10—15 Zahlen, wie dieausländische Statistik diese „Z ahlenind exe" längst zusamm enstellt.)

4. Z u den 8 Fragen, die ich am 4. VI . in der „ung efähren Liste" ge-nannt habe, ist unbedingt sofort, ohne die geringste Verschleppung (dennes war völlig unzulässig, 2*4 Monate lang nichts zu tun), die unverzüg-liche Beschaffung und Zusammenfassung der Daten sowohl im allgemei-nen als auch im einzelnen zu organisieren:

— sofort für Moskau (Moskau muß vorbildlich sein)

— sodann für Petrograd— und für jedes Gouvernement (wobei die Gouvernements auszuson-

dern sind, wo man es versteht, die Sache schnell, ohne Bürokratismus,nicht auf alte akademische A rt anz upack en).

Man soll 9/io der vorh and ene n K räfte d er Statistischen Ze ntra l Verwal-tung und der Statistischen Gouvernementsbüros sofort für die richtige undschnelle Bearbeitung dieser acht Fragen einsetzen und Vio für die akade-mische Arbeit der Untersuchung vollständiger und allumfassender Daten.W enn es nicht anders geht , mu ß m an 99/ioo der Kräfte für die Bearbeitung

dessen heranziehen, was für unseren Aufbau praktisch und sofort not-wendig ist, und das übrige für bessere Zeiten zurückstellen, für die Zei-ten, da es einen Übe rschuß an Kräften geben w ird.

5 . D em Rat für Arbeit und Verteidigung* mu ß die Statistische Z entra l-verwaltung monatlich — und unbedingt eher als die Presse — vorläufigezusammenfassende Ergebnisse zu den Haupt fragen der Volkswirt-schaft (bei unbedingtem Vergleich mit dem vorhergegangenen Jahr) vor-legen. Diese Hauptfragen, die Hauptzahlen, sowohl die in den „Zahlen-index" aufzunehmenden als auch die nicht in ihn aufzunehmenden, müs-

sen unverzüglich ausgearbeitet w erden .Ich bitte, mir das Programm dieser Fragen und die Antwort zu den

anderen Punkten umgehend zu schicken.

Der Vorsitzende des Rats der VolkskommissareW . Ttljanow (Lenin)

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Briefe an die Siatistisdbe Zentraloerwaltung 13

A N D E N L E I T E R

D E R S T A T I S T I S C H E N Z E N T R A L V E R W A L T U N G

O D E R S E I N E N S T E L L V ER T R E T E R

1. IX. 1921Das mir ohne Datum zugeschickte Arbeits„programm" läuft auf eine

Bitte um Bewilligung zusätzlicher materieller Mittel hinaus.Das läßt sich jetzt unmöglich machen.Deshalb muß das ganze Programm so gekürzt werden, daß die

notwendigen Arbeiten mit den jetzt vorhandenen Mitteln fortgeführt(und zudem regelmäßiger und schneller beendet) werden können.

Ich schlage vor, diese Kürzung unverzüglich vorzunehmen, die Frageder Bewilligung zusätzlicher Mittel dagegen bis etwa November zurück-zustellen.

Die Kürzung des Programms empfehle ich so vorzunehmen, daß (biszur Erweiterung der Mittel) nur die notwendigsten Arbeiten zu leistenbleiben. Dazu sind zu rechnen:

1. Monatliche Berichte über die vom Staat verteilten Lebensmittel.

Die Formen der Berichterstattung sind zusammen mit dem Volkskom-missariat für Ernährungswesen ungefähr in folgender Weise festzulegen:

a) Zahl der Empfänger von Brot (für den Anfang sollte man sich vor-sichtshalber auf Brot beschränken, wenn die Kräfte fehlen, um über alleanderen ausgegebenen Produkte, sowohl Lebensmittel als auch Ge-brauchsgüter, Angaben hinzuzufügen)

je 1/4 Pfund

. „ V » „n *U „„ 1 „ USW.

b) ihre Gruppierung nach Berufen, Beschäftigung usw.,

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14 IV.I.Lenin

c) Ergebnis: Empfänger insgesamt und Brot ausgegeben insgesamt.

Die Angaben für Moskau und Petrograd sind am vordringlichsten;dann folgen die für das Moskauer und das Petrogr'ader Gouvernement,für die wichtigsten Industriegouvernements (Iwanowo-Wosnessensk,Donezbecken, Baku, Ural usw.) und zuletzt für die übrigen Gouverne-ments.

2. Monatsberichte über die Betriebe, die zur kollektiven Versorgungübergegangen sind.

Solange es wenige sind, alle im Auge behalten (wie auch in IhremSchreiben, S. 2, Punkt 1, vorgeschlagen). Dann, wenn es ihrer sehr viele

werden, Vs oder Vio auswählen und eingebend untersuchen.Kurz — alle Betriebe mit kollektiver Versorgung.Die Rechenschaftslegung dieser Betriebe haben Sie zu weit gefaßt (Ende

der S. 2, Punkt 2). Kann und muß kürzer gefaßt werden, nur das Wich-tigste.

3. Die laufende Industriestatistik für die monatlichen Sammelberichtekürzen; die Feststellung der erzeugten "Menge der Produkte, und zwarder wichtigsten, als unbedingt notwendig an die erste Stelle setzen.

Diese Angaben sind unbedingt jeden M onat erforderlich.

Die übrigen sind nicht unbedingt erforderlich und werden nicht so eilig,nach Maßgabe der Kräfte und M ittel der Statistischen Zentralverwaltung,ausgearbeitet.

4. Erzeugung, V erteilung und Verbrauch von Brennstoffen.Gesamtsummen jeden Monat absolut notwendig.Das Programm ist gemeinsam mit der Hauptverwaltung für Brennstoff-

versorgung auszuarbeiten, wobei die zur Zeit gebräuchlichen Formenmöglichst wenig geändert werden sollen.

5. Monatliche Sammelberichte über den Warenaustausch (Kommis-

sariat für Ernährungswesen und Zentralverband der Konsumgenossen-schaften) in kürzester Form: für die und die Menge Brotgetreide wurde,nach Kreisen, die und die Menge dieses oder jenes Erzeugnisses aus-gegeben.

6. Es ist, wie Sie in Anlage 1, Punkt IV, bemerken, natürlich schwierig,die Arbeit def Sowjetinstitutionen zu erfassen. Aber schwierig heißt nichtunmöglich. Es ist absolut notwendig, wenn nicht monatlich, so alle2—3 Monate für den Anfang wenigstens den „Personalbestand" anzu-

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"Briefe an die Statistisdbe Zentralverwaltung 15

geben, verglichen mit dem der Vorkriegszeit, mit dem anderer Institu-

tionen, anderer Gouvernements usw., wobei alle Angestellten zweck-mäßig in Kategorien eingeteilt werden (verantwortliche Leiter; reinesKanzleipersonal; Bedienungspersonal — ungefähre Aufzählung einigerKategorien) .

Vergleich der größten und der kleinsten Personalbestände nach Gou-vernements usw., Moskau und Petrograd in erster Linie.

Die Beschlüsse des letzten Sowjetkongresses verpflichten die StatistischeZentralverwaltung unbedingt, die statistische Untersuchung der Arbeitunserer Sowjetinstitutionen, der Zahl der Angestellten u. a. in Angriff zu

nehmen.5

7 . Für die Untersuchung eine Meine Anzahl typischer Betriebe (Fa-brike n, Sowjetwirtschaften) un d Institutionen auswählen (a) der besten -mustergültigen; (ß) der durchschnittlichen und (y) der schlechtesten.

Alles übrige streichen, auß er diesen 7 Pu nkte n.Ich bitte Sie, mir Ihre abschließende Meinung mitzuteilen, sowohl

grundsätzlich als auch über den Termin für die Ausarbeitung des Ar-beitsprogramms.

De r Vorsitzende des Rats für Arbeit und Verteidigung

Lenin

Zuerst veröffentlicht 1933. Nadb dem Manuskript.

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BRIEF AN DIE REDAKTION DER ZEITUNG„EK O N O M I TS C H ES K A J A S H I S N "

l . I X .Die Umwandlung der „Ekonomitscheskaja Shisn" in das Organ des

Rats für Arbeit und Verteidigung darf keine einfache und leere Formali-

tät bleiben.Die Zeitung muß zu einem Kampforgan werden, das nicht nur regel-mäßig wahrheitsgetreue Nachrichten über unsere Wirtschaft bringt, dieszum ersten, sondern das diese Nachrichten auch analysiert, sie wissen-schaftlich verarbeitet, damit richtige Schlußfolgerungen für die Leitungder Industrie u. a. gezogen werden können (dies zum zweiten), und dasschließlich alle an der Wirtsdiaftsfront Arbeitenden anspornt, sich fürpünktliche Rechenschaftslegung einsetzt, erfolgreicher Arbeit Beifall zolltund nachlässige, rückständige, unfähige Mitarbeiter bestimmter Betriebe,

Institutionen, Wirtschaftszweige usw. an den Pranger stellt, dies zumdritten.

Die Zeitung enthält eine Fülle höchst wertvollen, insbesondere statisti-schen Materials über unsere Wirtschaft. Aber dieses Material leidet anzwei Mängeln: es ist zufällig, unvollständig, unsystematisch, und außer-dem ist es nicht ausgew ertet, nicht an alysiert.

Zur Erläuterung einige Beispiele.

Der Artikel „Das Moskauer Kohlenbecken im Juli" (Nr. 188) gehörtzu den besten Artikeln, denn er enthält eine Analyse der Angaben, die

sowohl mit den Angaben der vergangenen Zeit als auch nach Betriebenverglichen werden. Aber die Analyse ist unvollständig. Es fehlt eine Er-klärung der Ursachen, warum der eine Betrieb (die Towarkowoer Grube)die Aufgabe gelöst hat, die von den anderen nicht gelöst wurde. Es fehlenpraktische Schlußfolgerungen. Es fehlt ein Vergleich mit den Jahresan-gaben.

In Nr. 190 findet sich auf Seite 2 eine Unmenge statistischer Einzel-heiten, wie sie in der Ze itung stän dig anzutreffen sind, aber sie sind völlig

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Brief an die Redaktion d er Zeitung „ Ekonomitsdieskaja Shisn" 17

„unverdaut", zufällig, roh, ohne die Spur einer Analyse, ohne Vergleich

(weder mit der vergangenen Zeit noch mit anderen Betrieben) usw.Damit die Zeitung tatsächlich und nicht nur in Worten zum Organ des

Rats für Arbeit und Verteidigung we rde, bedarf es folgender Ä nde rung en:1. Strenger auf den unpünktlichen oder unvollständigen Eingang der

Berichte bei den entsprechenden Institutionen achten und die Unverbes-serlichen öffentlich bloßstellen, gleichzeitig aber (über das betreffendeVolkskommissariat oder die Geschäftsstelle des Rats für Arbeit und Ver-

teidigung) eine akkura te B erichterstattung anstreben.

1. Alle veröffentlichten statistischen A nga ben viel streng er, d. h. u m -

sichtiger, sorgfältiger systematisieren, stets für Vergleichsdaten sorgen,stets Angaben für frühere Jahre (Monate usw.) anführen, stets Materialzusamm enstellen für die An alyse, für die Erklärung der K r s ach en

eines Mißerfolgs, für die Hervorhebung dieser oder jener Be-trieb e, die erfolgreich od ei' wen igstens besser als die übrig en a rbeiten us w.

3. Ein Netz von örtlichen Korrespondenten, sowohl von Kommunistenals aud> von Parteilosen, schaffen und den lokalen Korrespondenzen ausBetrieben, Bergwerken, Sowjetwirtschaften, Eisenbahndepots und -Werk-stätten usw. mehr Platz einräumen.

4 . In besonderen Beilagen zusammenfassendes Material über die wich-tigsten Fragen unserer Wirtschaft veröffentlichen. Dieses Material mußunbe dingt eine Ausw ertung, eine allseitige Ana lyse und praktische Schluß-folgerungen enthalten.

Da es an Papier mangelt , muß man sparsam damit umgehen. Wahr-scheinlich läßt sich das machen. Zum Beispiel die Auflage von 44000Exemplaren auf 30000 senken (das ist bei richtiger Verteilung völlig aus-reichend, wenn man je 2 für 10000 Amtsbezirke, je 4 für 1000 Kreise,je 10 für 100 Gou vernem ents un d darübe r hina us 5000 rechnet — alle

nur für Bibliotheken, Redaktionen und einige Institutionen). Dann wirdgenügend Papier frei für 8 (zweiseitige) Beilagen im Monat.

Das genügt für monatliche Zusammenfassungen zu einer ganzen Reihewichtigster Fragen (Brennstoff; Industrie, 2—3 Beilagen; Verkehrswesen;Ernährungswesen; Sowjetwirtschaften usw.).

Diese Beilagen sollen eine statistische Übersicht über die wichtigstenSeiten der Wirtschaft geben, nebst Auswertung, Analyse und praktischenSchlußfolgerungen.

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18 W. 3. Lenin

In der Tageszeitung soll das ganze statistische Material, das sehr um-

fangreich, aber äußerst lückenhaft ist, auf diese monatlichen Zusammen-fassungen zugeschnitten werden, gesäubert von Einzelheiten und Kleinig-keiten usw.

Da in vielen Fragen die Quellen für die Angaben der „Ekonomitsdhe-skaja Shisn" und der Statistischen Zentralverwaltung die gleichen sind,-sollen diese Beilagen (vorübergehend) die Veröffentlichungen der Statisti-

schen Zentralverwaltung ersetzen.

5 . Das gesamte laufende statistische Material soll auf a) die Mitarbeiterder „Ekonomitscheskaja Shisn", b) die Mitglieder der Staatlichen "Plan-

kommission und c) die Mitglieder oder Mitarbeiter der Statistischen Zen-tralverwaltung so aufgeteilt werden, daß jeder ein Gebiet der Volkswirt-schaft „verwaltet" und v er antw ortlich is t

aa) für den rechtzeitigen Eingang der Berichte und Berichtsmaterialien;für den erfolgreichen „Kampf" um ihren E ingang; für die zusätzliche An-forderung von M aterial usw. ;

bb) für die Zusammenfassung und Analyse der Angaben;cc) für die praktischen Schlußfolgerungen.6. Auf die Betriebe, die in Konzession und in Pacht gegeben sind,

soll die „Ekonomitsdbeskaja Shisn" sowohl hinsichtlich der Rechenschafts-legung als auch hinsichtlich der Kontrolle und der Schlußfolgerungengenauso achten wie auf die übrigen .

Ich bitte, zur Erörterung dieser Fragen und Maßnahmen eine Beratungunter Teilnahme des Redakteurs der „Ekonomitsdheskaja Shisn", einesVertreters der Statistischen Zentralverwaltung und eines Vertreters derStaatlichen Plankommission einzuberufen. Die Beschlüsse der Beratungbitte ich mir m itzuteilen.

. D er Vorsitzende des Rats für Arbeit un d Verteidigung

LeninP S : Die gleiche Beratung bitte ich, die Frage der Ausarbeitung eines

index-number (Zahlenindexes) zur Feststellung des allgemeinen Zustandsunserer Volkswirtschaft zu erörtern. Dieser „Index" soll monatlich ver-öffentlicht werden.

Zuerst veröffentlicht am 6. November i923 Nach dem Manuskript,in der „Ekonomitsdjeskaja Shisn" Nr. 3i.

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Ü B ER D I E P A R T E I R E I N I G U N G 6

Die Parteireinigung hat sich sichtlich zu einer ernsthaften und unge-heuer wichtigen Arbeit entwickelt.

Es gibt Orte, wo man die Partei reinigt, indem man sich hauptsächlichauf die Erfahrungen, die Hinweise der parteilosen Arbeiter stützt, sichvon ihren Hinweisen leiten läß t, mit den Vertretern der parteilosen prole-tarischen Masse rechnet. Das gerade ist das wertvollste, das wichtigste.Gelänge es uns wirklich, die Partei auf soUhe Weise von oben bis unten,„ohne Ansehen der Person", zu reinigen, so wäre das in der Tat eine

große Errungenschaft der Revolution.Denn die Errungenschaften der Revolution können jetzt nicht von der-selben Art sein wie früher. Sie ändern unvermeidlich ihren Charakter inAbhängigkeit vom Obergang von der Kriegsfront zur Wirtschaftsfront,vom Übergang zur Neuen ökonomischen Politik, von Bedingungen, diein erster Linie die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die Erhöhung derArbeitsdisziplin erfordern. In einer solchen Zeit wird zur Haupterrungen-schaft der Revolution die unauffällige, nicht in die Augen springende, nichtsofort sichtbare innere Verbesserung, die Verbesserung der Arbeit, ihrer

Organisation, ihrer Resultate; eine Verbesserung im Sinne des Kampfesgegen die auf das Proletariat wie auf die Partei zersetzend wirkendenEinflüsse des kleinbürgerlichen und kleinbürgerlich-anarchischen Elements.Um eine solche Verbesserung zu erzielen, muß man die Partei von denElementen reinigen, die den Kontakt mit der Masse verlieren (selbstver-ständlich schon gar nicht zu reden von den Elementen, die die Partei beider Masse in Verruf bringen). Natürlich werden w ir nicht allen Hinweisender Masse folgen, denn auch die Masse unterliegt zuweilen—besonders in

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20 TV. I.Lenin

Jahren außerordentl icher Ermüdung und Überanstrengung durch über-

mäßige Lasten und Mühsale — Stimmungen, die ganz und gar nicht fort-schrittlich sind. A be r für die Beurteilung d er M ensch en, durch die neg ativeEinstellung zu denjenigen, die sich „angebiedert" haben, die „kommissari-siert", die „verbürokratisiert" sind, sind die Hinweise der parteilosenproletarischen Masse, und in vielen Fällen auch die Hinweise der partei-losen bäuerlichen Masse, im höchsten Grade wertvoll. Die werktätigeMasse pflegt mit der größten Feinfühligkeit den Unterschied herauszu-finden zwischen ehrlichen und ergebenen Kommunisten und solchen, dieeinem Menschen, der im Schweiße seines Angesichts sein Brot erwirbt, der

keine Privilegien besitzt und keine „Beziehungen zur Obrigkeit" hat,Widerwillen einflößen.

Die Partei reinigen, indem man den Hinweisen def parteilosen Werk-tätigen Rechnung trägt, ist eine große Sad ie. Sie wird un s ernste Resultatebringen. Sie wird die Partei zu einer weitaus stärkeren Avantgarde derKlasse machen, als sie es früher war, sie wird sie zu einer Avantgardemachen, die mit der Klasse fester verbunden ist, die fähiger ist, die Klasseinmitten einer Unmenge von Schwierigkeiten und Gefahren zum Sieg zuführen.

Als eine Sonderaufgabe der Parteireinigung möchte ich noch die Säu-berung der Partei von ehemaligen Menschewiki nennen. Von den Men-schewiki, die später als Anfang 1918 in die Partei eingetreten sind, sollteman meines Erachtens nicht mehr als etwa ein Hundertstel in der Parteibelassen, und auch das nu r, nachdem man jeden, de r belassen we rden soll,auf Herz und Nieren geprüft hat . Warum? Weil die Menschewiki alsRichtung in der Periode 1918—1921 zwei ihrer Eigenschaften bewiesenhab en: ers tens — geschickt sich der un ter den Arbe itern he rrschend en Rich-tung anzupassen, sich bei ihr „anzubiedern"; zweitens — noch geschickter

der W eißgardis tenbande auf Treu und G lauben zu dienen, ihr durch Tatenzu dienen, während sie sich in Worten von ihr lossagen. Diese beidenEigenschaften ergeben sich aus der gesamten Geschichte des Menschewis-m u s : Man braucht sich nur des Axelrodschen „Arbeiterkongresses" zu er-innern, der Stellung der Menschewiki zu den Kadetten (und zur Monar-chie) in Worten und in Taten usw. usf. Die „Anbiederung" der Mensche-wiki bei dei1 KPR erfolgt nicht nur und sogar nicht so sehr aus Machia-vellismus (obwohl die Menschewiki hinsichtlich der Methoden der bürger-

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Tiber die Tarteireinigung 21

liehen Diplomatie schon seit 1903 bewiesen haben, daß sie erstklassige

Meister auf diesem Gebiet sind) als vielmehr infolge ihrer „Anpassungs-fähigkeit". Jeder Opportunist zeichnet sich durch Anpassungsfähigkeitaus (aber nicht jede Anpassungsfähigkeit ist Opportunismus), und dieMenschewiki als Opportunisten passen sich sozusagen „aus Prinzip" derunter den Arbeitern herrschenden Richtung an, nehmen eine Schutzfarbean wie der Hase, der im Winter weiß wird. Diese Besonderheit der Men-schewiki muß man kennen, und man muß sie in Rechnung stellen. Sie inRechnung stellen heißt aber die Partei säubern von ungefähr neunund-neunzig von hundert aller Menschewiki, die sich nach 1918 der KPR an-

geschlossen haben, d. h. zu einer Zeit, als der Sieg der Bolschewiki zuerstwahrscheinlich und dann unzweifelhaft zu werden anfing.

Man muß die Partei säubern von Gaunern, von Verbürokratis ier ten,von Unehrlichen, von unbeständigen Kom munisten un d von Menschewiki,die ihre „Fassade" übertüncht haben, aber im Herzen Menschewiki ge-blieben sind.

20. September 1921

„Vrawda" JVr. 210, "Nado dem Jexl der „Vrawda".21 . September i92i.Unterschrift: 7J. £ e «. i n.

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Ü B E R D I E A U F G A B E N

D E R A R BE IT ER - U N D B A U E R N I N S P E K T I O N ,

W I E S IE A U F Z U F A S S E N

U N D D U R C H Z U F U H R E N S I N D ?

Die Aufgabe der Arbeiter- und Bauerninspektion besteht nicht nur undsogar nicht so sehr in der „Aufspürung" und „Überführung" (das istAufgabe des Gerichts, mit dem die Arbeiter- und Bauerninspektion engzusammenarbeitet, aber keineswegs identisch ist) als vielmehr in derTäbigkeit zu verbessern.

Zur rechten Zeit geschickt korrigieren — das ist die Hauptaufgabe derArbeiter- und Bauerninspektion.

Um verbessern zu können, muß man erstens den Arbeitsablauf in einer

Institution, einem Betrieb, einer Abteilung u. dglJ m. untersudben undgründlich kennenlernen, zweitens rechtzeitig die notwendigen praktischenVeränderungen durchführen, sie tatsächlich verwirklichen.

Im Arbeitsablauf der verschiedenen und verschiedenartigen Betriebe,Institutionen, Behörden usw. gleicht sich vieles, und zwar gleicht es sichgrundsätzlich. Die Aufgabe der Arbeiter- und Bauerninspektion ist es, anHand praktischer Inspektionsarbeit eine Gruppe von leitenden, erfahrenenund beschlagenen Personen heranzubilden, die imstande wären, die Fragenzu formulieren (bei geschickter, richtiger Fragestellung wird bereits durch

die Fragestellung allein der Erfolg einer Revision im voraus entschiedenund die Möglichkeit zu einer Verbesserung geboten), der Revision undInspektion Richtung zu geben, die Verbesserung zu kontrollieren usw.

Die Organisation der Rechenschaftslegung z. B. ist in allen Behördenund Institutionen der verschiedensten Art von grundlegender Bedeutung.Die Arbeiter- und Bauerninspektion muß sie kennen, studieren — muß esverstehen, in kürzester Frist zu kontrollieren (indem sie einen Menschenauf eine halbe oder ganze Stunde in die entsprechende Kanzlei schickt),

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Tiber die Aufgaben der Arbeiter- und Bauerninspektion 23

ob die Rechenschaftslegung organisiert ist, ob sie richtig organisiert ist,

welche Mängel es in ihrer O rganisation gibt, wie sie abzustellen sind usw.Die Methode n, die Rechenschaftsiegang zu organisieren, die Method en,

Mängel zu bestrafen, die M ethoden, Beträger „aufzuspüren", die M etho-den, die tatsächliche Ausführung zu kon trollieren, müssen in der A rbeiter-und Bauerninspektion untersucht, gesammelt und zusammengefaßt wer-den. Sie maß über ein Verzeidmis der Institutionen, Behörden and Gou-vernements verfügen, die eine leidliche Rechenschaftsiegang organisierthab en: mögen es ihrer 1 von 100 oder sogar 1 von 1000 sein, das ist keinUnglück, wenn nur systematisch and unentwegt ein beharrlicher and un-

ermüdlicher Kampf um die Erweiterung des Anwendungsbereichs einesguten Vorbilds geführt wird. In d er Arbeiter- und Bauerninspektion mu ßes eine Zeittafel geben, die den Verlauf dieses Kampfes, unsere Erfolgeund Niederlagen in diesem Kampf tabellarisch zeigt.

Nachdem ich mich mit dem vorläufigen Entwurf des Berichts über dieArbeit der Organe für Brennstonversorgung und über die anwachsende(Brennstoff-) Krise im Herbs t 1921 beka nnt gemacht habe, bin ich davonüberzeugt,daß die ̂ ru tu ll^ ed er Arbeitin der Arbdter-andBaueminspek-

tion den Anforderungen nicht entspricht. In diesem Berichtsentwarf gibtes weder eine Tlntersudbutuf der Sache nodo Hinweise zur Verbesserung.Es wird z. B. ein Zeitraum von drei Wochen (des Jahres 1921) mit dem

Jahr 1920 verglichen. Man nimmt die nackten Summen. Der Vergleich istnicht richtig, denn es bleiben anberücksichtigt 1. die unterschiedlicheLebensmittelversorgung (sowohl das Frühjahr 1921 als auch das ganzeerste Halbjahr 1921 standen infolge des "Übergangs zur Natnralsteaerunter besonderen Bedingungen), 2. die Mißernte von 192 1.

Danischewsld weist darauf hin, daß die Gouvernements, die von der

M ißern te nicht betroffen waren , 1921 das Dreiwochenprogramm zu mehrals iOO% erfüllten, während die von der M ißernte betroffenen Gouverne-ments bei der Erfüllung des Solls ein gewaltiges Defizit hat ten.

Keinerlei Analyse ist im Bericht zu finden.Die Mängel der Rechenschaftslegung seitens der Hauptverwaltung für

Forstwirtschaft sind im vorläufigen Bericht der Arbeiter- und Bauern-inspektion offenbar richtig genannt. Das gibt auch Danischewski zu. Dasist bewiesen. Die Rechenschaftslegung ist schlecht

3 Lenin, W e t t e , Bd. 33

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24 'W.I.Lenin

Aber eben in dieser grundlegenden Frage darf sich die Arbeiter- und

Bauerninspektion in ihrem vorläufigen Bericht keinesfalls auf die „These"beschränken: „Die Rechenschaftslegung ist schlecht, es gibt keine Rechen-schaftslegung." Was haben denn die Genossen der Arbeiter- und Bauern-inspektion getan, um die Organisation der Rechenschaftslegung zu ver-bessern? Viele angesehene Mitarbeiter der Arbeiter- und Bauerninspek-t ion nahm en im W inte r und Frühjahr 1921 an e iner lAnmenge von Be-ratung en un d Kom missionen zur Frage der Brennstofikrise persönlidb teil.Gerade im Frühjahr 1921 (ich glaube im März 1921) erfolgte die Ab-lösung der Leitung in der Hauptverwaltung für Forstwirtschaft. Im März

1921 hätte also die Redbensdbaftslegung in der Hauptverwaltung fürForstwirtschaft auf neue Art organisiert werden müssen.

Danischewski hat das getan. Aber er hat das unbefriedigend getan.Seine Rechenschaftslegung ist schlecht. Danischewski ist zweifellos schul-dig.

Aber den Schuldigen in der Person des Leiters zu finden — das ist nurein winziger B ruchteil der A rbeit .

Hat die Arbeiter- und Bauerninspektion ihre Aufgabe und ihre Pflichterfüllt? "Hat sie ihre Aufgabe ridntig verstanden 7 Das ist die Hauptfrage.

U nd auf diese Frage m uß man mit Nein antwo rten.Da die Arbeiter- und Bauerninspektion die kritische Brennstofflage

kannte, da sie wußte, daß Holz am wichtigsten ist , da sie wußte, daß dieRechenschaftslegung bei der alten H au ptv erw altu ng für Forstwirtschaft(Lom ow) schlecht war, m uß te sie

im "März 1921 ihren formellen Rat geben, undzwar schriftlich: Organisiert die Rechen-schaftslegung so und so;

im April 1921 ko ntrollieren, wie die neue Leitung

(Danischewski) die Rechenschaftslegungorganisiert bat und nochmals ihren for-mellen Rat geben, und zwar schriftlich:Verbessert das und das, sonst wird esnicht vorwärtsgehen;

im Mai 1921 nochmals ko ntrollierenun d so weiter jeden Monat,

bis die Rechenschaftslegung leidlich organisiert sein w ür de .

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Tiber die Aufgaben der Arbeiter- und 'Bauerninspektion 25

Gerade im Frühjahr 1921 mußte die Arbeiter- und Banerninspektion

einen bestimmten Revisor damit betrauen (am besten eine öwzelpersonund nicht eine „Abteilang", obwohl es in der Praxis vermutlich in derArbeiter- und Bauerninspektion eine ganze „Abteilung" gibt, die sich mitder Revision oder Inspektion der Forst- oder überhaupt der Brennstoff-angelegenheiten befaßt), die Rechenschaftslegung der Hauptverwaltungfür Forstwirtschaft zu verfolgen, sie zu unier suchen, allmonatlicheinem bestimmten Mitglied des Kollegiums Bericht zu erstatten oderSammelberichte vorzulegen (in soundso viel Gouvernements gibt es eineleidliche Rechenschaftslegung; eine Liste dieser Gouvernements; in so-

undso viel Gouvernements gibt es überhaupt keine usw. — Maßnahmen?Im Zentralkomitee der K PR ? Im Gesamtrussischen ZE K? Ergebnisse derMaßnahmen?).

Danischewski ist schuldig, die Rechenschaftslegung schlecht organisiertzu haben.

Die Arb eiter- un d Bauerninspektion, d. h. der betreffende, mir demNamen nach nicht bekannte verantwortliche Revisor oder Inspektor usw.ist schuldig, seit Tiärz i92 i seine Pflicht nicht erfüllt zu haben.

Die praktische Frage, sachlich und unbürokratisch gestellt: Wie ist die

Rechenschaftslegung der Hauptverwaltung für Forstwirtschaft zu ver-bessern?

Da ich auf diese (wichtige) Frage im vorläufigen Bericht der Arbeiter-und Banerninspektion, der die Antwort darauf geben mußte, keine Ant-wort finde, suche ich mir selbst die Antwort, aber ich kann mich leichtirren, denn ich habe diese Angelegenheit nicht untersucht. Hier meineVorschläge, die ich gern abä ndere , wenn man mir bessere macht:

1. die Rechenschaftslegung erfolgt (einmal in zwei Wochen) nicht wiejetzt auf dem Postweg, sondern über Fernschreiber;

2. es wird dafür eine Art „Kode" ausgearbeitet: 7—9 Ziffern mit Buch-staben, um in wenigen Zeilen eine Zusammenfassung zu geben (Klafter-holz beschafft und abgefahren; Getreide, Futter n. ä. erhalten und aus-gegeben);

3. Danischewski erhält entweder durch Gesetzesakt das Recht, wegennicht termingerecht erfolgter Abrechnung Verhaftungen vorzunehm en,

oder (wenn das nicht möglich ist, wenn das aus irgend-welchen Gründ en nicht durchzusetzen ist) das Recht, sich an das Präsidium

3 *

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26 IV. 1 Lenin

des Gesamtrussischen ZEK mit der Bitte zu wenden, wegen nicht erfolgter

Abrechnung Verhaftungen vorzunehmen; Durchsetzung einer entspre-chenden Direktive über das ZK der KPR; Kontrolle der Durchführung;

4. Mittel und Wege der persönlichen, unmittelbaren 'Kontrolle an Ortund Stelle. Wird sie durchgeführt? Wie? Wo liegen die Schwierigkeiten?

Danischewski sagt, er habe Kontrolleure eingesetzt, die durch ganzRußland reisen und schon in allen Gouvernements waren, Kontrolleure,die bis nach unten gelangen, angeblich durchgreifen und in vielen Gou-vernements durchgegriffen haben.

Ist das wahr? Ist Danischewski von seinen Beamten nicht vielleicht irre-

geführt worden?Sehr wahrscheinlich ist er das.Und die Arbeiter- und Bauerninspektion? Sie muß das untersuchen

und wissen. Darüber steht im vorläufigen Bericht nicht ein Wort. Wannwurden die Kontrolleure eingesetzt, die überall herumreisen? Wievielgibt es? Ihr Niveau? D as Ergebnis ihrer Tätigkeit? W ie ist die Arbeit zuverbessern, wenn sie unbefriedigend organisiert ist? Das ist der Kern derSache, aber der Revisor der Arbeiter- und Bauerninspektion hat geradediesen Kern der Sache umgangen.

Ich wiederhole, die Organisation der Rechenschaftslegung ist das Haupt-problem. Diese Frage ist von der Arbeiter- und Bauerninspektion nichtuntersucht worden. Die Aufgabe, die Organisation der Rechenschafts-legung zu verfolgen, ihre Verbesserung zu erstreben und zu erreichen, istvon der Arbeiter- und Bauerninspektion nicht gelöst und sogar allerWahrscheinlichkeit nach nidot verstanden worden.

Die Arbeiter- und Bauerninspektion m uß es verstehen, über dasGesamtrussische ZEK, über das ZK der KPR, auf allen Wegenbis zu den höchsten Instanzen, sowohl den Partei- als auch den

Sowjetinstanzen, „vorzudringen", um eine Verbesserung in derOrganisation der Rechenschaftslegung zu erreichen.

Ich bin ausführlich auf eine sehr wichtige (und sehr einfache) Frageeingegangen: die Organisation der Rechenschaftslegung, weiter aber fol-gen ebenfalls wichtige und weit schwierigere Fragen, z. B. die Organi-sation der Vertragsarbeiten (Kontrolle der Ausführung; Rechnungsfüh-rung usw.) usf.

Eine besonders interessante Frage ist im vorläufigen Bericht gestreift,

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Über die Aufgaben der Arbeiter- und B auerninspektion 27

aber eben nur gestreift und nicht gründlich behandelt worden. Und zwar

schreibt der Verfasser des vorläufigen Berichts: „Die verantwortlichenLeiter sind bis zur Erschöpfung mit Arbeit überhäuft, während die tech-nischen Apparate der untergeordneten Organe (genannt sind die derHauptverwaltung für Brennstoffversorgung untenstehenden Hauptverwal-tungen für Kohle, für Forstwirtschaft u. a.) voller nidbtstuender Mit-arbeitersind."

Ich bin überzeugt, daß das eine wertvolle und absolut richtige Be^obachtung ist und daß sie nicht nur auf die Hauptverwaltung für Brenn-stoffversorgung, sondern auf alle oder auf 99 % der Institutionen und Be-

hörden zutrifft.überall gibt es dieses Übel.Die Arbeiter- und Bauerninspektion hätte im März, als die (neue)

Organisation geschaffen wurde, oder spätestens im April, als sie geschaf-fen war, schriftlich die formelle Empfehlung geben müssen:

Verbessert so und so.Das ist nicht geschehen.W ie soll man diesem Üb el abhelfen?Ich weiß das nicht einmal annähernd. Die Arbeiter- und Bauerninspek-

tion muß das wissen, denn es ist ihre Sache, das zu untersuchen — ver-schiedene Ressorts miteinander zu vergleichen, verschiedene praktischeVorschläge zu machen, sie in der Praxis zu erproben usw.

Wenn ich „Arbeiter- und Bauerninspektion" sage, dann habe ich vorallem den betreffenden Verfasser dieses vorläufigen Berichts im Auge. Abermir ist kla r, daß sich das nicht nu r auf diesen einen Verfasser allein bezieht.

Man muß einige, wenn auch nur 2—3 (soviel lassen sich sicherlich finden)unbedingt gewissenhafte, kluge und erfahrene Mitarbeiter der Arbeiter-und Bauerninspektion auswählen und sie dazu bringen, einen vernünftigen

Plan für die Arbeit der Revisoren auszuarbeiten, zunächst einmal dieOrganisation der Rechenschaftslegung betreffend. Es ist bessef, sichweniger vorzunehm en, das aber zu Ende zu führen.

Der Verfasser des vorläufigen Berichts hat einen Haufen Themen an-geschnitten, aber die Themen sind nicht untersucht, hastig zusammen-getragen, und das Ganze ergibt keinen Sinn. Es ist ein Spiel mit „Parla-mentsberichten". Nicht das ist notwendig, sondern eine praktische Ver-besserung.

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28 IVJ.Lenin

Mangelhafte Untersuchung ersieht man z. B. aus der Frage 52 (39):

nur vorbildliche Bergwerke aussondern. Das ist genau die Schlußfolgerung,zu der die Kommission des Rats für Arbeit und Verteidigung (Smilga undRamsin) kam, nachdem sie das Donezbedcen im September 1921 besuchthatte. Genau das ist auch die Schlußfolgerung der Staatlichen Plan-kommission.

Warum kenne ich die Arbeit der Staatlichen Plankommission und derKommission Smilgas, während der spezielle Revisor, der den Bericht überdie Hauptverwaltung für Brennstonversorgung abgefaßt hat, davon nichtsweiß?

Die Sache ist nicht richtig organ isiert.Als praktische Schlußfolgerung schlage ich vor:1. sich erst einmal die Organisation der Rechenschaftslegung vorzuneh-

men und diese Sache zu Ende zu führen;2. bestimmte Personen damit zu beauftragen und m ir ihre Namen m it-

zuteilen;3. mir den Nam en des Revisors mitzuteilen, dem die Angelegenheit der

Verwaltung für Forstwirtschaft übertragen ist.

27. IX. 1921

Lmin

Zuerst veröftentUdrt Tiadb dem Manuskript,ame.februar 1927in der JHamda' 3Vr. 30.

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A N D A S P R Ä S I D I U M D E S

V III. G E S A M T R U S S I S C H E N E L E K T R O T E C H N I S C H E N

K O N G R E S S E S 8

Ich bedaüre außerordentlich, daß es mir nicht möglich war, den Kon-greß persönlich zu begrüßen.

Ober die Bedeutung des Buches „Plan der Elektrifizierung" und nochmehr der Elektrifizierung selbst hatte ich des öfteren Gelegenheit, michzu äußern.9 Die maschinelle Großindustrie und ihre Übertragung auf dieLandwirtschaft ist die einzige ökonomische Grundlage für den Sozialis-mus, die einzige Grundlage für den erfolgreichen Kampf um die Befreiungder Menschheit vom Joch des Kapitals, von der Ermordung und Verkrüp-pelung vieler Millionen M enschen wegen der Frage, ob bei der Aufteilungder W elt der englische oder der deutsche, der japanische oder der amerika-nische Räuber das Übergewicht erlangen wird usw.

Die Sowjetrepublik der Arbeiter und Bauern hat mit der systematischenund planmäßigen Elektrifizierung unseres Landes begonnen. Wie küm-merlich, wie bescheiden unser Anfang auch sein mag, wie unwahrschein-lich groß die Schwierigkeiten dieses Vorhabens auch sein mögen für unserLand, das die Gutsbesitzer und Kapitalisten im vierjährigen imperia-listischen Krieg und im dreijährigen Bürgerkrieg verwüstet haben, für einLand, dem die Bourgeoisie der ganzen Welt auflauert, das sie sich unter-werfen und zu ihrer Kolonie machen will, wie qualvoll langsam die Elektri-fizierung auch bei uns voranschreitet, aber sie schreitet dennoch voran. MitHilfe Ihres Kongresses, mit Hilfe aller Elektrotechniker Rußlands undeiner ganzen Reihe der besten fortschrittlichen Wissenschaftler der ganzenWelt, dank den heldenmütigen Anstrengungen der Vorhut der Arbeiterund werktätigen Bauern werden wir diese Aufgabe bewältigen, werdenwir die Elektrifizierung unseres Landes durchführen.

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30 TVJ. Lenin

Ich begrüße den VIII. Gesamtrussischen Kongreß der E lektrotechniker

und wünsche ihm vollen Erfolg.

Der Vorsitzende des Rats der VolkskommissareW. Wjanow (Cenin)

Qesdmeben am s. Oktober 192U

VeröftentUdrt am 11. Oktober 1921 Tfadb dem Manuskript.

im .Bulletin des VIII. Qesamtrussisdien

Elektrotedbnisdben Kongresses' 5Vr. 3.

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Z U M V I E R T E N J A H R E S T A G

D E R O K T O B E R R E V O L U T I O N

De r vierte Jahrestag des 25 . Oktober (7. November) rückt heran.Je w eiter wir uns von diesem großen Ta g entfernen, desto klarer wird

die Bedeutung der proletarischen Revolution in Rußland, desto tiefer drin-gen wir auch in den Sinn der praktischen Erfahrung unserer Arbeit alsGanzesein.

Im kürzesten — und natürlich durchaus unvollständigen und un-genauen — Abriß könnte m an diese Bedeutung und diese Erfahrung fol-gendermaßen darlegen:

Die unmittelbare und nächste Aufgabe der Revolution in Rußland w ardie bürgerlich-demokratische Aufgabe, die Reste des Mittelalters zu be-seitigen, sie bis zum letzten Stein wegzuräumen, Rußland von dieser Bar-

barei, von dieser Schmach, von diesem größten Bremsklotz jeder Kulturand jedes Fortschritts in unserem Lande zu säubern.Un d w ir können m it Recht darauf stolz sein, daß wir diese Säuberung

viel entschiedener, rascher, kühner, erfolgreicher, viel umfassender undtiefgreifender vom Standpunkt der Einwirkung auf die Masse des Volkes,auf seine breite Masse, durchgeführt haben als die Große FranzösischeRevolution vor mehr als 125 Jahren.

Sowohl die Anarchisten als auch die kleinbürgerlichen Demokraten(d .h . die Menschewiki und Sozialrevolutionäre a ls die russischen Vertre ter

dieses internationalen sozialen Typs) redeten und reden unglaublich vielwirres Zeug über das Verhältnis der bürgerlich-demokratischen zur sozia-listischen {das beißt proletarischen) Revolution. Daß wir den Marxismusin diesem Punkt richtig auffassen, daß wir die Erfahrungen der früherenRevolutionen richtig auswerten, das hat sich im Laufe von vier Jahren vollund ganz bestätigt. Wir haben die bürgerlich-demokratische Revolutionzu Ende geführt wie niemand sonst. W ir marschieren ganz bewußt, sicherund unbeirrt vorwärts, zur sozialistischen Revolution, in dem Bewußtsein,

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32 W J.Lenin

daß sie nicht durch eine chinesische Mauer von der bürgerlich-demokra-

tischen Revolution getrennt ist, in dem Bewußtsein, daß nur der Kampfdarüber entscheiden wird, wie weit es uns (letztlich) gelingen wird, vor-wärts zu kommen, welchen Teil def unermeßlich hohen Aufgabe wirerfüllen, welchen Teil unserer Siege wir uns auf die Dauer sichern werden.Die Zeit wird's lehren. Aber wir sehen auch gegenwärtig schon, daß beimWerk der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft — für ein verwü-stetes, zerquältes, rückständiges Land — gigantisch viel geleistet worden ist.. Führen wir jedoch die Gedanken über den bürgerlich-demokratischen

Inhalt unserer Revolution zu Ende. Für Marxisten muß es klar sein, was

das bedeutet. Nehm en wir zur Erläuterung anschauliche Beispiele.Bürgerlich-demokratischer Inhalt der Revolution, das heißt — Säube-

rung der sozialen Verhältnisse (der Zustande, der Einrichtungen) desLandes vom Mittelalterlichen, von der Leibeigenschaft, vom Feudalismus.

Welches waren die hauptsächlichen Erscheinungen, Überbleibsel, Resteder Leibeigenschaft in Rußland im Jahre 1917? M onarchie, Ständewesen,Grundbesitz und Bodennutzung, Lage der Frau, Religion, Unterdrückungder Nationalitäten. Man nehme einen beliebigen von diesen „Augias-ställen" — die, beiläufig gesagt, von sämtlichen fortgeschrittenen Staaten

bei der Durchführung ihrer bürgerlich-demokratischen Revolutionen vor125, 250 und mehr Jahren (1649 in England) in recht erheblichem Maßeungesäubert gelassen wurden —, man nehme einen beliebigen von diesenAugiasställen, und man w ird sehen, daß wir sie gründlich gesäubert haben .In nur zehn Wodben, angefangen mit dem 25. Oktober (7. November)1917 und b is zu r Auseinanderjagung der Konstituante (5 . Januar 1918),haben wir auf diesem Gebiet tausendmal mehr geleistet, als die bürger-lichen Demokraten und Liberalen (die Kadetten) und die kleinbürger-lichen Demokraten (die Menschewiki und Sozialrevolutionäre) in adbt

"Monaten ihrer H errschaft geleistet haben.Diese Feiglinge, Schwätzer, selbstgefälligen Narzisse und Hamlets fuch-

telten mit dem Pappschwert — und vernichteten nicht einmal die Mon-archie! W ir haben den ganzen m onarchistischen U nrat hinweggefegt, wiedas noch niemand jemals getan hat. Wir haben keinen Stein auf demandern, keinen Ziegel auf dem andern gelassen von dem jahrhundertealtenBau des Ständewesens (die fortgeschrittensten Länder, wie England,Frankreich und Deutschland, haben sich bis heute noch nicht frei gemacht

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Zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution 33

von den Sporen des Ständewesens!). Die tiefsten Wurzeln des Stände-

wesens, nämlich die Ü berreste des F eudalismus und d er Leibeigenschaftim Grundbesitz, haben wir radikal ausgerissen. „Man kann darüberstreiten* (es gibt im A uslan d genu g Literaten, Kad etten, Menschew iki u ndSozialrevolutionäre, um sich mit derlei Streitereien zu befassen), was beiden AgiarUmgestaltungen der Großen Oktoberrevolution „letzten Endes"herauskommen wird. W ir tragen jetzt kein V erlangen danach, mit diesenStreitereien Zeit zu verlieren, denn wir entscheiden diesen Streit und dieganze Masse der davon abhängigen Streitfragen durch Kampf. Nicht zubestreiten ist jedoch die Tatsache, daß die kleinbürgerlichen Demokraten

acht Monate lang mit den Gutsbesitzern, den Hütern der Leibeigen-schaftstraditionen, „paktiert" haben, während wir in einigen Wochen so-woh l diese Gutsbesitzer als auch alle ihre Traditionen restlos vom An tlitzder russischen Erde hinweggefegt haben.

Man nehme die Religion oder die Rechtlosigkeit der Frau oder dieUnterdrückung und Nichtgldchberechtigung der nichtrussischen Nationa-litäten. All d ies sind Fragen der bürgerlich-demokratischen Revo lution. D ieBanausen der kleinbürgerlichen D em okratie habe n acht M ona te lang dar-über geschwätzt; es gibt unter den fortgeschrittensten Ländern der Welt

kein einziges, w o diese Fragen in bürgerHdb-demokratisdber Richtungvollständig gelöst wären. Bei uns sind sie durch die Gesetzgebung derOktoberrevolution vollständig gelö st W ir haben gegen die Religion wirk-lich gekämpft und tun es nach wie vor. Wir haben allen nichtrussisdienNationalitäten ihre eigenen Republiken oder autonomen Gebiete gegeben.Bei uns in R ußland gibt es k eine solche Gem einheit, Abscheulichkeit undNiederträchtigkeit wie die Rechtlosigkeit oder nicht volle Gleichberechti-gung der Frau, dieses empörende Überbleibsel der Leibeigenschaft unddes Mittelalters, das von der eigennützigen Bourgeoisie und dem stumpf-

sinnigen , eingeschüchterten Kleinbürgertum in ausnah mslos allen L ändern.d es Erdballs imm er wied er aufgefrischt w ird.

Dies alles ist Inhalt der bürgerlich-demokratischen Revolution. Voranderthalb un d zw eieinhalb Jahrhunderten versprachen die fortgeschritte-nen Führer dieser Revolution (dieser Revolutionen, wenn man von jedernationalen Abart des einen allgemeinen Typus sprechen w ill) den Völkern,die Menschheit von den mittelalterlichen Privilegien,'von der Nidttgldch-beredrtignng der Frau, von den staatlichen Vorrechten dieser oder jener

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Zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution 35

W ir vergessen keinen Augenblick, daß bei uns wirklich viele Mißerfolge

vorgekommen sind und Fehler gemacht werden. Als ob es bei einem soneuen, für die ganze Weltgeschichte neuen Werk wie der Schaffung einesnoch nie dagewesenen Jypus der Staatsordnung ohne Mißerfolge und.Fehler abgehen könnte! W ir werden unbeirrt kämpfen für die Korrekturunserer Mißerfolge und Fehler, für die Verbesserung der von Vollkom-menheit sehr, sehr weit entfernten Art und Weise, in der wir die Sowjet-prinzipien auf das Leben anwenden. Aber wir können mit Recht stolzdarauf sein und sind stolz darauf, daß uns das Glück zuteil geworden ist,den Aufbau des Sowjetstaates zu beginnen und damit eine neue Epoche

der Weltgeschichte einzuleiten, die Epoche der Herrschaft der neuenKlasse, die in allen kapitalistischen Ländern unterdrückt ist und die über-all zu neuem Leben, zum Sieg über die Bourgeoisie, zur Diktatur desProletariats, zur Erlösung der Menschheit vom Joch des Kapitals, von denimperialistischen Kriegen vorwärtsschreitet.

Die Frage der imperialistischen Kriege, jener heute in der ganzen W eltvorherrschenden internationalen Politik des Finanzkapitals, die unvermeid-

Udh neue imperialistische Kriege erzeugt, unvermeidlich eine unerhörteVerstärkung der nationalen Unterdrückung, der Plünderung, Ausraubung ,

Erdrosselung der schwachen, rückständigen, kleinen Völkerschaften durcheine Handvoll „fortgeschrittener" Mächte mit sich bringt — dies/; Frage istseit 1914 zum Eckstein der gesamten Politik aller Länder des Erdballs ge-worden. Es ist das für Millionen und aber Millionen Menschen eine Fragevon Leben und Tod. Es ist das die F rage, ob im nächsten imperialistischenKrieg, der vor unseren Augen von der Bourgeoisie vorbereitet wird, dervor unseren Augen aus dem Kapitalismus hervorgeht, 20 Millionen M en-schen niedergemetzelt werden sollen (statt der 10 Millionen Gefallenendes Krieges 1914—1918 nebst den ihn ergänzenden, auch heute noch nicht

beendeten „kleinen" Kriegen), ob in diesem (bei Weiterbestehen desKapitalismus) unvermeidlichen kommenden Krieg 60 Millionen verkrüp-pelt werden sollen (statt der 30 Millionen Verkrüppelter in den Jahren1914—1918). Auch in dieser Frage hat unsere Oktoberrevolution eine neueEpoche der Weltgeschichte eröffnet. D ie Lakaien der Bourgeoisie und ihreHandlanger in Gestalt der Sozialrevolutionäre und Menschewiki, in Ge-stalt der ganzen angeblich „sozialistischen" kleinbürgerlichen Demokratieder ganzen Welt haben die Losung „Umwandlung des imperialistischen

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Krieges in den Bürgerkrieg" verhöhnt. A ber diese Losung hat sich als ein-

zige Wahrheit erwiesen — als eine unangenehme, g robe, nackte, gransameWahrheit, gewiß, aber als Wahrheit inmitten eines Wnsts raffiniertesterchauvinistischer und pazifistischer Lögen. Diese Lügen brechen zusamm en.Der Brester Frieden ist entlarvt. Mit jedem Tag w erden immer schonungs-loser Bedeutung und Folgen des im Vergleich znm Brester Frieden nochschummeren Versailler Friedens entlarvt. Und immer klarer, immer deut-licher, immer unabweisbarer ersteht vor Millionen und aber MillionenMenschen, die über die Ursachen des gestrigen Krieges und über den her-aufziehenden Krieg von morgen nachdenken, die harte Wahrheit: Man

kann dem imperialistischen Krieg und der ihn unvermeidlich erzeugendenimperialistischen Welt (dem imperialistischen Frieden — füge ich hinzu,in des russischen W ortes zweiter Bedeutung) nicht anders entrinnen, mankann dieser Hölle nicht anders entrinnen ah durch den boisdbewistisdhen"Kampf und durch die bolschewistische Revolution.

Mögen die Bourgeoisie und die Pazifisten, die Generale und die Spieß-bürger, die Kapitalisten und die Philister, alle gläubigen C hristen und alleRitter de r II. und der zweieinhalbten Internationale diese Revolution nochso wütend beschimpfen — auch mit Strömen von Bosheit, Verleumdung

und Lüge werden sie an der weltgeschichtlichen Tatsache nichts ändernkönnen, daß zum erstenmal in Jahrhunderten und Jahrtausenden die Skla-ven den Krieg zwischen den Sklavenhaltern m it der offenen Verkündungder Losung beantwortet haben: Laßt uns diesen zwischen den Sklaven-haltern um die Teilung ihrer Beute geführten Krieg umwandeln in denKrieg der Sklaven aller Nationen gegen die Sklavenhalter aller Nationen!

Zum erstenmal in Jahrhunderten und Jahrtausenden ist diese Losungaus einer dum pfen und ohnmächtigen Erwartung zu einem klar ausgepräg-ten politischen Programm geworden, hat sie sich gewandelt zum wirk-

samen Kampf von M illionen Unterdrückter unter der Führung des Prole-tariats, zum ersten Sieg des Proletariats, zum ersten Sieg auf dem Wegeder Abschaffung der Kriege, zum ersten Sieg des Bündnisses der Arbeiteraller Länder über das Bündnis der Bourgeoisie der verschiedenen Natio-nen, dieser Bourgeoisie, die Frieden schließt und Krieg führt auf Kostender Sklaven des Kapitals, auf Kosten der Lohnarbeiter, auf Kosten derBauern, auf Kosten der Werktätigen.

Dieser erste Sieg ist noch nicht der endgültige Sieg, und unsere Oktober-

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Zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution 37

revolution ha t ihn nur un ter beispiellosen M ühsalen und Schwierigkeiten,

unter unerhörten Qualen, begleitet von größten Mißerfolgen und Fehlernunserseits davongetragen. Als ob es ohne Mißerfolge und ohne Fehlereinem einzigen rüdeständigen Volk gelingen könnte, die imperialistischenKriege der mächtigsten und fortgeschrittensten Länder des Erdballs zuüberwinden! Wir fürchten uns nicht, unsere Fehler zuzugeben, und wirwerden sie nüchtern beurteilen, damit wir lernen, sie zu korrigieren. A berTatsache bleibt Tatsache: Zum erstenmal in Jahrhunderten und Jahr-tausenden ist das Versprechen, den Krieg zwischen den Sklavenhalternmit der Revolution der Sklaven gegen samt und sonders alle Sklavenhalter

zu „beantworten", restlos erfüllt worden und wird allen Schwie-rigkeiten zum Trotz erfüllt.Wir haben dieses W.erk begonnen. Wann, in welcher Frist, die Prole-

tarier welcher Nation dieses Werk zu Ende führen werden, das ist un-wesentlich. Wesentlich ist, daß das Eis gebrochen, daß die Bahn frei ge-macht, daß der Weg gewiesen ist.

Fahrt fort mit eurer Heuchelei, ihr Herren Kapitalisten aller Länder,die ihr „das Vaterland verteidigt" — das japanische gegen das amerika-nische, das amerikanische gegen das japanische, das französische gegen das

englische und so weiter! Fahrt fort, euch die Frage nach den Kampf-mitteln gegen die imperialistischen Kriege durch neue „Basler Manifeste"(nach dem Muster des Basler Manifests von 191210) „vom Halse zuschaffen", ihr Herren Ritter der II. und zweieinhalbten Internationale mit-samt allen pazifistischen Spießern und Philistern der ganzen Welt! Dieerste bolschewistische Revolution hat die ersten hundert Millionen M en-schen auf der Erde dem imperialistischen Krieg, der imperialistischen W eltentrissen. Die folgenden Revolutionen werden die ganze Menschheitdiesen Kriegen und dieser Welt entreißen.

Unser letztes Werk — zugleich das wichtigste, schwierigste und unfer-tigste — ist der wirtschaftliche Aufbau, die Errichtung des ökonomischenFundaments für das neue, sozialistische G ebäude an Stelle des zerstörtenfeudalen und des halbzerstörten kapitalistischen Baus. Bei diesem wichtig-sten und schwierigsten Werk hatten wir die meisten Mißerfolge, diemeisten Fehler zu verzeichnen. Als ob man ein im W eltmaßstab so neuesWerk ohne Mißerfolge und ohne Fehler beginnen könn te! Aber w ir habenes begonnen. Wir bringen es voran. W ir sind gerade jetzt dabei, mit un-

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38 IV . 3. Lenin

serer „Neuen ökonomischen Politik" eine ganze Reihe unserer Fehler zu

korrigieren, wir lernen, wie man das sozialistische Gebäude in einemkleinbäuerlichen L and ohne diese Fehler wdterzubauen ha t.

Die Schwierigkeiten sind unermeßlich. W ir sind gewohnt, mit unermeß-lichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nicht ohne Grund haben unsereFeinde uns als „die Felsenfesten" und als die. Vertreter einer „knochen-brecherischen Politik" bezeichnet. Aber wir haben auch, wenigstens bis zueinem bestimmten Grad, eine andere in der Revolution unerläßliche Kunsterlernt: die Elastizität, die Fähigkeit, unsere Tak tik rasch und schroff zuändern, die veränderten objektiven Bedingungen zu berücksichtigen, einen

anderen Weg zu unserem Z iel zu wählen, wenn der frühere W eg sich fürden gegebenen Zeitabschnitt als unzweckmäßig,als unmöglich erwiesen bat.

Wir, die wir1 von der Welle des Enthusiasmus getragen waren , die wirden Volksenthusiasmus — zunächst den allgemeinen politischen, sodannden militärischen — geweckt hatten, wir rechneten darauf, daß wir aufGrund dieses Enthusiasmus auch die ebenso großen (wie die allgemeinenpolitischen und die militärischen) ökonomischen Aufgaben unmittelbarlösen würden. Wir rechneten darauf — vielleicht wäre es richtiger zusagen: Wir nahmen an, ohne genügend zu rechnen —, daß wir durch un-

mittelbare Befehle des proletarischen Staates die staatliche Produktion unddie staatliche Verteilung der Güter in einem kleinbäuerlichen Land kom-munistisch regehi könnten. D as Leben hat unseren Fehler gezeigt Es be-darf einer Reihe von Ubergangsstufen: Staatskapitalismus und Sozialis-mus, um den Übergang zum Kommunismus vorzubereiten, ihn durch dieArbeit einer langen Reihe von Jahren vorzubereiten. Nicht auf Grund desEnthusiasmus unmittelbar, sondern mit Hilfe des aus der großen Revo-lution geborenen Enthusiasmus, auf Grund des persönlichen Interesses,der persönlichen Interessiertheit, der wirtschaftlichen Rechnungsführung

bemüht euch, zuerst feste Stege zu bauen, die in einem kleinbäuerlichenLand über den Staatskapitalismus zum Sozialismus führen; sonst werdetihr nicht zum Kommunismus gelangen, sonst werdet ihr die Millionenund aber M illionen Menschen nicht zum Kommunismus fuhren. So h at esuns das Leben gelehrt. So hat es uns der objektive Entwicklungsgang derRevolution gelehrt.

Und wir, die wir in drei und vier Jahren ein wenig gelernt haben,schroffe Wendungen zu machen (wenn eine schroffe Wendung erforder-

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Zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution 39

lieh ist), haben nun eifrig, aufmerksam, ausdauernd (obwohl immer nochnicht genügend eifrig, nicht genügend aufmerksam, nicht genügend aus-dauernd) begonnen, die neue W endu ng, die „N eue ökono misc he Poli t ik"zu lernen. Der proletarische Staat muß ein umsichtiger, sorgsamer, sach-kundiger „Unternehmer", ein tüchtiger Qroßkaufmann werden — s o n s t 'kann er das kleinbäuerliche Land nicht-ökonomisch auf die Beine bringen,einen anderen Übergang zum Kommunismus gibt es heute, unter den ge-gebenen Bedingungen, neben dem kapitalistischen (einstweilen noch kapi-talistischen) Westen nicht. Es scheint, als sei der Großkaufmann einökonomischer Typ us , der vom Kom munismus so weit entfernt ist wie der

Himmel von der Erde. Aber das ist gerade ein Widerspruch von solcherArt, der im lebendigen Leben von der bäuerlichen Kleinwirtschaft überden Staatskapitalismus zum Sozialismus führt. Persönliche Interessiertheithebt die Produktion; was wir vor allem und um jeden Preis brauchen, istdie Steigerung der Produktion. Der Großhandel vereinigt die MillionenKleinbauern ökonomisch, indem er sie interessiert, sie verbindet, sie zurnächsten Stufe hinführt: zu den verschiedenen Formen der Verbindungund Vereinigung in der Produktion selbst. Wir haben den notwendigenUmbau unserer ökonomischen Politik schon begonnen. Wir haben auf

diesem Gebiet schon gewisse — allerdings nicht große, nur teilweise, aberunzweifelhafte Erfolge aufzuweisen. Wir beenden auf diesem Gebiet einerneuen „Wissenschaft" schon die Vorbereitungsklasse. Wenn wir ziel-strebig und beharrlich lernen, jeden unserer Schritte an der praktischenErfahrung überprüfen, uns nicht fürchten, Begonnenes mehrmals um-zuarbeiten, unsere Fehler zu korrigieren, und uns dabei aufmerksam inihre Bedeutung vertiefen, dann werden wir auch in die nächsten Klassenaufsteigen. Wir werden den ganzen „Lehrgang" durchlaufen, obwohl ihndie Umstände der Weltwirtschaft und der Weltpolitik weitaus lang-

wieriger und schwieriger gemacht haben, als uns lieb war. Was es auchimmer koste, wie schwer auch die Qualen der Übergangszeit, Leiden,Hunger und Zerrüttung, sein mögen, wir werden den Mut nicht sinkenlassen und unser W er k zum siegreichen Ende führen.

14.X. 1921.Vrawda" "Nr. 234, i8. Oktober i92i. Nadb dem Manuskript.linier sdirift: 91. Centn.

4 Lenin, Werke, Bd. 33

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D IE N E U E Ö K O N O M I S C H E P O L I T IK

U N D DIE A U F G A B E N DE R A U S S C H Ü S S E

F Ü R P O L I T I S C H - K U L T U R E L L E A U F K L Ä R U N G

Referat auf dem II. Gesamtrussischen Kongreßder Ausschüsse für politisch-kulturelle Aufklärung

17. Oktober 192111

Genossen! Ich beabsichtige, dieses Referat, rich tiger gesagt, diese Aus-sprache der Neuen ökonomischen Politik und den Aufgaben der Aus-schüsse für politisch-kulturelle A ufklärung zu w idmen, wie ich sie im Zu-sammenhang m it dieser Politik auffasse. Mir will scheinen, daß es im höch-sten Grade falsch wäre, Referate über Fragen, die nicht in den Aufgaben-bereich dieses oder jenes Kongresses gehören, auf eine bloße Informationdarüber zu beschränken, was in der Partei oder in der Sowjetrepubliküberhaupt vorgeht.

E I N E S C H R O F F E W E N D U N G D E R S O W J E T M A C H TUND DER KPR

Ohne den Nutzen einer solchen Information und die Nützlichkeit vonBeratungen über die verschiedensten Fragen auch nur im geringsten zubestreiten, finde ch doch, daß der H auptmangel in der A rbeit der meistenunserer Kongresse das Fehlen einer direkten, unmittelbaren Verbindungmit den praktischen Aufgaben ist, vor denen sie stehen. Und über diese

Mängel möchte ich im Zusammenhang mit der Neuen ökonomischenPolitik und aus Anlaß der N euen ökonomischen Politik einiges sagen.

ü b e r die Neue ökonomische Politik w erde ich in kurzen und allgemei-nen Zügen sprechen. Die übergroße Mehrzahl von Ihnen, Genossen, sindKommunisten, und zwar, obgleich manche von Ihnen sehr jung sind, Kom-munisten, die in den ersten Jahren unserer Revolution in unserer allgemei-nen Politik eine große Arbeit geleistet haben. Und als Menschen, dieeinen großen Teil dieser Arbeit geleistet haben, kann Ihnen nicht entgan-

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gen sein, welche schroffe W endung unsere Sowjetmacht und unsere Kom-munistische Partei vollzogen haben, als sie zu der ökonomischen Politikübergingen, die man die „neue" nennt, neu im Verhältnis zu unserer vor-herigen ökonomischen Politik.

Aber dem Wesen der Sache nach enthält sie mehr Altes als unsere vor-herige ökonomische Politik.

Warum ist das so? Weil unsere frühere ökonomisdie Politik, wenn manauch nicht sagen kann, darauf berechnet war (wir haben in der damaligenSituation überhaupt wenig berechnet), so doch bis zu einem gewissenGrade vorausgesetzt hatte — man kann sagen: ohne Berechnung voraus-gesetzt ha tte —, daß ein unmittelbarer O bergang von der alten russischenÖkonomik zur staatlichen Produktion und Verteilung auf kommunisti-scher Grundlage erfolgen werde.

Wenn wir an unsere eigene frühere ökonomische Literatur denken,wenn wir uns erinnern, was die Kommunisten vor der Machtergreifung inRußland und kurz nach der Machtergreifung geschrieben haben, zumBeispiel Anfang 1918, als der erste politische Ansturm auf das alte Ruß-land mit einem gewaltigen Erfolg geendet hatte, als dje Sowjetrepublikgeschaffen worden war, als Rußland aus dem imperialistischen Krieg zwar

verstümmelt, aber doch ausgeschieden war, und zwar weniger verstüm-melt, als wenn es den Ratschlag der Imperialisten sowie der Menschewikiund Sozialrevolutionäre befolgt und weiterhin das „Vaterland verteidigt"hätte, so werden wir sehen, daß w ir in der ersten Periode, als wir eben erstden Grundstein zum Aufbau der Sowjetmacht gelegt hatten und eben erstaus dem imperialistischen Krieg ausgeschieden waren, über die Aufgabenunseres wirtschaftlichen Aufbaus viel vorsichtiger und bedachter ge-sprochen haben, als wir dann in der zweiten Hälfte des Jahres 1918 undwährend des ganzen Jahres 1919 und des ganzen Jahres 1920 handelten.

D A S G ESA MTRU SSISCH EZEN TRA LEX EK U TIV K O MITEE IM JA H RE 1918

ÜBER DIE ROLLE DER BAUERNSCHAFT

Wenn damals nicht alle von Ihnen aktive Funktionäre der Partei undder Sowjetmacht gewesen sind, so konnten Sie sich jedenfalls mit solchen

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42 IV. J.Lenin

Beschlüssen vertraut machen — und haben das gewiß auch getan — wiedem Besdiluß des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees von EndeApri l 1918 12 . Dieser Beschluß wies auf die Notwendigkeit hin, mit derbäuerlichen Wirtschaft zu rechnen, und die Grundlage für diesen Beschlußwar ein Referat, das die Rolle des Staatskapitalismus beim Aufbau desSozialismus in dem Falle, wenn es sich um ein Bauernland handelt, inRechnung stellte, das die Bedeutung der persönlichen, individuellen Ver-antwortlichkeit, der Einzelverantwortlichkeit betonte und das die Bedeu-tung dieses Faktors bei der Verwaltung des Landes, zum Unterschied vonden politischen Aufgaben des Aufbaus der Staatsmacht und von den mili-tärischen Aufgaben, hervorhob.

U N S E R F E H L E R

Anfang 1918 rechneten wir auf eine gewisse Periode, in der ein fried-licher Aufbau möglich sein werde. Nach dem Abschluß des BresterFriedens schien es, als sei die Gefahr entrückt und man könne mit demfriedlichen A ufbau beginnen. Aber wir täuschten uns, denn im Jah re 1918zog eine wirkliche Kriegsgefahr über uns herauf — dazu kam der tsche-choslowakische Aufstand und der Beginn des Bürgerkriegs, der sich bis1920 hinzog. Zum Teil unter dem Einfluß der auf uns einstürmendenmilitärischen Aufgaben und der, wie es sdiien, verzweifelten Lage, in dersich die Republik damals, im Augenblick der Beendigung des imperiali-stischen Krieges, befand, unter dem Einfluß dieser und einer Reihe ande-rer Umstände begingen wir den Fehler, daß wir beschlossen, den un-mittelbaren Übergang zur kommunistischen Produktion und Verteilungzu vollziehen. Wir waren der Meinung, daß uns die Bauern auf Grundder Ablieferungspflicht die notwendige Menge Getreide liefern und wir es

auf die Fabriken und Werke verteilen werden und daß wir damit einekommunistische Produktion und Verteilung haben werden.

Ich kann nicht sagen, daß wir uns einen solchen Plan ganz so bestimmtund anschaulich vorgezeichnet hätten, aber wir handelten ungefähr indiesem Sinne. Das ist leider eine Tatsache. Ich sage: leider, weil uns einenicht sehr lange Erfahrung von der Fehlerhaftigkeit dieser Konstruktionüberzeugte, die in Widerspruch stand zu dem, was wir früher über denÜbergang vom Kapitalismus zum Sozialismus geschrieben hatten, als wir

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die Auffassang vertraten, daß es ohne eine Periode der sozialistischenRechnungsführung und K ontrolle unmöglich sei, auch nu r die unte re Stufedes Komm unismus zu erreichen. In unserer theoretischen Literatur wu rdeseit 1917, als die Aufgabe der Machtausübung auf der Tagesordnungstand und dem ganzen Volk von den Bolschewiki erläutert wurde, mit Be-stimmtheit hervorgehoben, daß ein langwieriger und komplizierter Über-gang von der kapitalistischen Gesellschaft (und zwar desto langwieriger,je weniger sie entwickelt ist), ein Übergang auf dem Weg der sozialisti-schen Rechnungsführung und Kontrolle notwendig ist, um auch nur zueiner der Vorstufen der kommunistischen Gesellschaft zu gelangen.

E I N S T R A T E G I S C H E R R Ü C K Z U G

Das haben wir damals, als wir im Feuer des Bürgerkriegs die notwendi-gen Schritte zum Aufbau unternehm en mußten , gewissermaßen vergessen.Und unsere Neue ökonomische Politik besteht ihrem Wesen nach ebendarin, daß wir in diesem Punkt eine ernste Niederlage erlitten und einenstrategischen Rückzug eingeleitet haben: „Bevor man uns endgültigschlägt, wollen wir den Rückzug antreten und alles aufs neue umbauen,

aber stabiler." Da die Kommunisten bewußt die Frage der Neuen ökono-mischen Politik stellen, kann für sie kein Zweifel darüber bestehen, daß=wir an der ökonomischen Fron t eine ziemlich schwere ökonomische Nie der-lage erlitten haben. Und es ist natürlich unvermeidlich, daß manche Leutenun in einen recht deprimierten, fast panikartigen Zustand verfallen unddaß sich diese Leute wegen des Rückzugs einer Panikstimmung hingebenwerden. Das ist unvermeidlich. Hat doch die Rote Armee, wenn sie aufdem Rückzug war, ihren Sieg damit eingeleitet, daß sie vor dem Feindfloh, und jedesmal a n jede r Front machten manche Leu te diese Period e der

Panik durch. Aber jedesmal — an der Koltschakfront wie an der Denikin-front, an der Judenitschfront wie an der polnischen und an der Wrangel-front —, jedesmal zeigte es sich, daß sich an uns, nachdem man uns ein-mal, bisweilen auch öfter, ordentlich geprügelt hatte, das Sprichwort be-wahrheitete: „Ein Geprügelter ist das Doppelte wert." Einmal geschlagen,begannen wir, langsam, systematisch und vorsichtig anzugreifen.

Natürlich sind die Aufgaben an der ökonomischen Front um ein viel-

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fadies schwieriger als die Aufgaben an der militärischen Front, doch eine

allgemeine Ähnlichkeit dieser G rundzüge der Strategie ist vorhanden. Ander ökonomischen Front haben wir bei demVersuch, zum Kommunismusüberzugehen, im Frühjahr 1921 eine Niederlage erlitten, die ernster warals irgendeine Niederlage, die uns jemals von Koltschak, Denikin oderPilsudski beigebracht w urde, eine Niederlage, dieviel ernster, viel wesent-licher und gefährlicher war. Sie kam darin zum Ausdruck, daß sich unsereWirtschaftspolitik oben als losgelöst von unten erwies und nicht den Auf-schwung der Produktivkräfte bewirkte, der im Programm unserer Parteials die grundlegende und unaufschiebbare Aufgabe bezeichnet wird.

Die Ablieferungspflicht im Dorf, dieses unmittelbar kommunistischeHerangehen an die Aufgaben des Aufbaus in der Stadt, behinderte denAufschwung der Produktivkräfte und war die Grundursache der tief-gehenden ökonomischen und politischen K rise, in die wir im Frühjahr 1921hineingerieten. Deshalb wurde das notwendig, was, vom Standpunktunserer Linie, unserer Politik aus betrachtet, nur als eine sehr schwereNiederlage und ein Rückzug bezeichnet werden kann. Dabei kann mannicht sagen, daß dieser Rückzug einem Rückzug der Roten Armee gleicht,in voller Ordnung, in rechtzeitig vorbereitete Stellungen. Zwar warendie Stellungen rechtzeitig vorbereitet. Das läßt sidi nachprüfen, wenn mandie Beschlüsse unserer Partei vom Frühjahr 1921 mit dem von mir er-wähnten Beschluß vom April 1918 vergleicht. Die Stellungen waren recht-zeitig vorbereitet, aber der Rückzug in diese Stellungen erfolgte (underfolgt an vielen Orten in der Provinz noch jetzt) in ziemlicher und sogarübermäßiger Unordnung.

D E R S I N N DER N E U E N Ö K O N O M I S C H E N P O LIT IK

Hier tritt nun die Aufgabe der Ausschüsse für politisch-kulturelle Auf-klärung, gegen diese Erscheinung anzukämpfen, in den Vordergrund.Vom Standpunkt der Neuen OTconomischen Politik besteht die Grund-frage darin, daß man es versteht, die entstandene Lage so schnell wiemöglich auszunutzen.

Die Neue ökonomische Politik bedeutet die Ersetzung der Abliefe-rungspflicht durch die Steuer, bedeutet den Übergang zur Wiederherstel-

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lung des Kapitalismus in beträchtlichem Au sm aß. In wie großem A usm aß,das wissen wir nicht. Konz essionen an ausländische Kapitalisten (vorläufigsind allerdings noch recht wenige abgeschlossen, insbeso ndere im Vergleidimit den Angeboten, die wir gemacht ha be n), Verpachtung an Privatkapita-listen — das ist eben eine direk te W iederherstellung des Kapitalismus,und das ist mit den Wurzeln der Neuen ökonomischen Politik verbun-den. Denn die Aufhebung der Ablieferungspflicht bedeutet für die Bauernfreien Handel mit den landwirtschaftlichen Oberschüssen, die nicht durchdie Steuer erfaßt sind, die Steuer aber erfaßt nur einen kleinen Teil derProdukte. Die Bauern bilden den übergroßen Teil der gesamten Bevölke-rung und der gesamten Wirtschaft, und deshalb muß auf dem Boden die-

ses freien Handels der Kapitalismus unausbleiblich wachsen.Das ist das elementarste ökonomische Abc, das mit den Anfangsgrün-

den der ökonomischen Wissenschaft gelehrt wird und das uns außerdemjeder Schleichhändler lehrt, ein Geschöpf, das uns unabhängig von derökonomischen und politischen Wissenschaft ausgezeichnet mit der Ökono-mie bekannt macht. Und die Grundfrage besteht vom Standpunkt derStrategie in folgendem: Wer wird diese neue Lage schneller ausnutzen?Die ga nze Frage ist, wem die Bauernschaft folgen wird — dem Proletariat,das bestrebt ist, die sozialistische Gesellschaft aufzubauen, oder dem

Kapitalisten, der sagt: „Machen wir kehrt, so ist es ungefährlicher; mitihrem Sozialismus sollen sie uns vom Leibe bleiben."

W E R W I R D S I E G E N -

D E R K A P I T A L IS T O D E R D I E S O W J E T M A C H T ?

Darauf läuft der ganze gegenwärtige Krieg hinaus: Wer wird siegen,wer wird die Lage schneller ausnutzen — der Kapitalist, den wir selbst zurTür hereinlassen, oder sogar durch mehrere Türen (und durch vieleTü ren , die wir selber nicht kenne n un d die ohne und gegen unsere Absichtaufgetan werden), oder die proletarische Staatsmadit? Worauf kann sichdiese ökonomisch stützen? Einerseits auf die Besserung der Lage der Be-völkerung. In dieser Beziehung muß man an die Bauern denken. Es istvöllig unbestreitbar und für jedermann offenkundig, daß trotz eines sogroßen Unglücks wie der Hungersnot die Besserung der Lage der Bevöl-

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kerung, von diesem Unglück abgesehen, gerade im Zusammenhang mit

der Änderung unserer ökonomischen Politik eingetreten ist.Anderseits wird, wenn der Kapitalismus gewinnt, auch die industrielleProduk tion wachsen, mit ihr aber wird das Proletariat wachsen. Die Kapi-talisten werden aus unserer Politik Vorteile ziehen und werden ein Indu-strieproletariat schaffen, das bei uns durch den Krieg und die furchtbareVerwüstung und Zerrüttung deklassiert, d. h. aus seinem Klassengeleisegeworfen ist und aufgehört hat, als Proletariat zu existieren. Proletariatheißt die Klasse, die mit der Produktion materieller Güte r in Betrieben derkapitalistischen Großindustrie beschäftigt ist. Soweit die kapitalistischeGroß industrie ze rstört ist, soweit die Fabriken un d W erk e stillgelegt sind,ist das Proletariat verschwunden. Es wurde wohl m anchmal der Form nachals Proletariat gerechnet, aber es hatte keine ökonomischen Wurzeln.

W en n der Kapitalismus wiederersteht, so heißt das, daß auch die Klassedes Proletariats wiedererstehen wird, das mit der Produktion materieller,für die Gesellschaft nützlicher Güter beschäftigt ist, das in maschinellenGroßbetrieben tätig ist und sich nicht mit Spekulation, nicht mit der H er-stellung von Feuerzeugen zum Verkauf und m it sonstiger „Arbe it" befaßt,die nicht gerade sehr nützlich, aber bei dem zerrütteten Zustand unserer

Industrie völlig unvermeidlich ist.Die ganze Frage ist die: Wer wird wen überflügeln? Gelingt es denKapitalisten, sich früher zu organisieren, dann werden sie die Kommu-nisten zum Teufel jagen, darüber braucht man überhaupt kein Wort zuverlieren. Man muß diese Dinge nüchtern betrachten: Wer — wen? Oderwird die proletarische Staatsmacht imstande sein, gestützt auf die Bauern-schaft, die He rren Kapitalisten gehörig im Zaum zu halten, um den Kapi-talismus in das Fahrwasser des Staates zu leiten und einen Kapitalismuszu schaffen, der dem Staat untergeordnet ist und ihm dient? Man muß

diese Frage nüchtern stellen. Alle ideologischen Auslassungen, alle Be-trachtungen über politische Freiheiten sind hier Räsonnements, die mansehr häufig antreffen kann, besonders wenn wir uns das ausländische Ruß-land, das Rußland Nummer zwei, ansehen, wo es Dutzende von Tages-zeitungen aller politischen Parteien gibt, wo alle diese Freiheiten in denhöchsten Tönen und in allen erdenklichen Tonarten besungen werdenDas alles ist Geschwätz, sind Phrasen. Von diesen Phrasen muß man sichfrei zu machen wissen.

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D ER K A M P F W I R D N O C H H Ä R T E R W E R D E N

Wir haben in den vier Jahren viele ernste Schlachten bestanden undgelernt, daß eine ernste Schlacht etwas anderes ist als das Geschwätz ausAnlaß einer ernsten Schlacht, noch dazu von Leuten, die weit vom Schußsitzen. Man muß sich von dieser ganzen Ideologie, von diesem Geschwätzfrei zu madien wissen und den Kern der Sache betrachten. Der Kern derSache aber ist, daß der Kampf noch erbitterter, noch härter ist und seinwird als der Kampf gegen Koltschak und Denikin. Und zwar deshalb,weil jener Kampf ein militärischer war — das ist eine altgewohnte Sache.Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch hat man immer Krieg geführt .In der Kunst, im Krieg Menschen umzubringen, sind ungeheure Fort-schritte gemacht wo rden.

Allerdings saßen in den Stäben fast aller Gutsbesitzer Sozialrevolutio-näre und Menschewiki, die sich heiser schrien über Volksrechte, über dieKonstituante und darüber, daß die Bolschewiki alle Freiheiten verletzthät ten .

Dennoch war es leichter, die militärische Aufgabe zu lösen, als die, vorder wir jetzt stehen. Die militärische Aufgab e kon nte m an durch Ansturm ,

Angriff, Enthusiasmus lösen, geradezu durch die physische Kraft dervielen Arbeiter und Bauern, die sahen, daß der Gutsbesitzer auf sie los-ging. Heute gibt es keine offenen Gutsbesitzer mehr. Die Wrangel, Kol-tschak und Den ikin sind teils Niko laus R omanow nachgefolgt, teils habensie sich im Ausla nd in Sicherheit gebrach t. Diesen offenkundigen Feind—w ie früher d en Gutsbe sitzer un d d en Kapitalisten—sieht das Volk nicht.Ein klares Bild davon, daß sich der Feind schon mitten unter uns befindetund daß es derselbe Feind ist, daß die Revolution vor einem Abgrundsteht, auf den alle früheren Revolutionen gestoßen und vor dem sie zu-rückgescheut waren — diese Einsicht kann das Volk nicht haben, weil esunter großer Unwissenheit und unter dem Analphabetentum leidet . Undwie lange alle möglichen außerordentlichen Kommissionen brauchen wer-den, um dieses Analphabetentum mit außerordentl ichen Methoden zuliquidieren, ist schwer zu sagen.

Woher soll das Volk das Bewußtsein haben, daß sich an Stelle von Kol-tschak, Wrangel und Denikin hier, mitten unter uns, der Feind befindet,der alle früheren Revolutionen zugrunde gerichtet hat? Denn wenn die

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Kapitalisten die Oberhand über uns gewinnen, so bedeutet das die Rück-

kehr zum alten, was auch durch die Erfahrung aller früheren Revolutionenbestätigt wird. Un sere P artei h at die Aufgabe, das Bewußtsein zu wecken,daß der Feind mitten unter uns der anarchische Kapitalismus und deranarchische Warenaustausch ist. Man muß dieses Wesen des Kampfesklar begreifen und darauf hinwirken, daß die breitesten Arbeiter- undBauernmassen dieses Wesen des Kampfes klar begreifen: „Wer — w e n ?Wer wird die Oberhand gewinnen?" Die Diktatur des Proletariats ist derhärteste, der erbittertste Kampf, bei dem das Proletariat gegen die ganzeWelt kämpfen muß, denn die ganze Welt hat sich gegen uns gewandt, hat

Koltschak und Denikin unterstützt.Jetzt un terstützt die Bourgeoisie der gan zen W elt die Bourgeoisie Ruß -lands, wobei sie nach wie vor um ein vielfaches stärker ist als wir. Des-wegen verfallen wir keineswegs in Panik, denn an militärischen Kräftenhatten sie auch ein Übergewicht, das reichte jedoch nicht aus, um uns imKrieg zu zermalmen, obwohl es im Krieg, da sie über unermeßlich mehrArtillerie oder Flugzeuge verfügten, viel leichter war, uns zu zermalmen.Dazu hätte es vielleicht genügt, rechtzeitig einige Armeekorps der einenoder anderen kapitalistischen Macht, die gegen uns kämpfte, zu mobili-

sieren und Koltschak eine Anleihe von etlichen Millionen Goldrubel zugeben.

Doch alles half nichts, weil das Bewußtsein von ihrem Unrecht undunserem Recht auch in die Massen der englischen Soldaten eindrang, dienach Archangelsk gekommen waren, und ebenso in die Matrosenmassen,die die französische Flotte zum Abzug aus Odessa zwangen. Jetzt sindgegen uns Kräfte auf den Plan getreten, die ebenso wie früher mächtigersind als wir. Und um hier siegen zu können, muß man sich auf den letztenKraftquell stützen. Der letzte Kraftquell ist die Masse der Arbeiter undBauern, ihre Bew ußtheit, ihre Organisiertheit.

Entweder die organisierte proletarische Macht — und die fortgeschrit-tenen Arbeiter wie der nicht große Teil der fortgeschrittenen Bauern wer-den diese Aufgabe begreifen und eine Volksbewegung um sich zu organi-sieren verstehen —, und dann w erden wir als Sieger h ervorgehen.

Oder wir werden das nicht fertigbringen — und dann wird der Feind,der im Sinne der Technik über größere Kräfte verfügt, uns unweigerlichschlagen.

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zu sagen, die Revolution aber konnte sich nicht anders entwickeln als

durch eine Periode allgemeiner universeller Versammlungen über alleFragen.

Das hat in vieler Hinsicht Verwirrung gestiftet. Das war so, das istunvermeidlich, aber man muß sagen, daß das weiter gar nicht gefährlichist. W en n wir rechtzeitig auseinande rzuhalten lernen, was Sache des Dis-kutierens in Versammlungen und was Sache des Regierens ist, dann undnur dann werden wir erreichen können, daß die Sowjetrepublik auf derHöhe ist. Aber leider haben wir das noch nicht gelernt, und die meistenKongresse verlaufen durcha us nicht in sachlicher We ise.

Mit der Anzahl unserer Kongresse übertreffen wir alle Staaten derWelt. In keiner der demokratischen Republiken werden so viele Kon-gresse abgehalten wie bei uns, und sie können das auch gar nicht zulassen.

Wir dürfen nicht vergessen, daß wir in einem Lande leben, das großeVerluste erlitten hat und sehr verarmt ist, und wir müssen die Menschenlehren, so zu diskutieren, daß dabei, wie schon gesagt, auseinandergehal-ten wird, was Sache des Diskutierens in Versammlungen und was Sachedes Regierens ist. Mache Versammlungen, aber regiere ohne das geringsteSchwanken, regiere mit festerer Hand, als vor dir der Kapitalist regiert

hat. Sonst wirst du ihn nicht besiegen. Denke daran, daß die Regierungnoch strenger, noch fester sein mu ß als früher.

In der Roten Arm ee w ar nach monatelangen V ersammlungen die Diszi-plin so, daß sie der Disziplin der alten Armee nicht nachstand. Es wurdenstrenge, harte Maßnahmen angewandt, bis zu Erschießungen einschließ-lich, Maßnahmen, wie sie nicht einmal die alte Regierung gekannt hatte.Die Spießbürger schrieben und jammerten: „Seht, die Bolschewiki habenErschießungen eingeführt." Wir müssen sagen: „Ja, wir haben sie einge-führt, und wir haben das ganz bew ußt getan."

Wir müssen sagen: Entweder müssen diejenigen zugrunde gehen, dieuns zugrun de richten wollten und von denen wir meinen, daß sie zugrundegehen müssen — und dann wird unsere Sowjetrepublik am Leben bleiben,oder um gekehrt, die Kapitalisten w erden am Leben bleiben, und die Repu-blik wird zugrunde gehen. In einem Lande, das verarmt ist, werden ent-weder diejenigen zugrunde gehen, die sich der Disziplin nicht fügenkönnen, oder die ganze Arbeiter- und Bauernrepublik. Hier gibt es keineWahl und kann es keine geben, ebensowenig wie es irgendwelche Senti-

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mentalität geben darf. Sentimentalität ist kein geringeres Verbrechen alsSelbstsucht im K riege. Wer je tzt die Regeln der Disziplin durchbricht, deröffnet dem Feind die eigenen Reihen.

Darum sage ich, daß die Neue ökonomische Politik auch vom Ge-sichtspunkt des Lernens Bedeutung hat. Sie sprechen hier davon, wie manlehren soll. Sie müssen so weit kommen zu sagen, daß es für Halbwisserkeinen P latz unter uns gibt. Leben wir erst im Kommunismus, so wird dasLernen leichter sein. Heute dagegen sage ich, daß die Lehre nicht strenggenug sein kann — bei Strafe des Untergangs.

W E R D E N W I R E S V E R S T E H E N ,FÜ R U N S SELBST ZU A RBEITEN ?

Es hat bei uns Desertion in der Armee gegeben, ebenso auch an derFront der Arbeit: Du hast für den Kapitalisten gearbeitet, hast für denAusbeuter gearbeitet, und es ist begreiflich, daß du schlecht gearbeitethast, jetzt aber arbeitest du für dich selbst, für die Arbeiter- und Bauern-macht. Denke daran, daß die Frage zur Entscheidung steht, ob wir es ver-stehen werden, für uns selbst zu arbeiten, sonst — ich wiederhole — wirdunsere Republik zugrunde gehen. Und wir sagen ebenso, wie wir in derArmee gesagt haben: Sollen alle zugrunde gehen, die uns zugrunde rich-ten wollten, und hier werden w ir die härtesten Disziplinarmaßnahmen inAnwendung bringen, dann retten wir das Land, und unsere Republikwird leben.

Das muß unsere Linie sein, und das ist (unter anderem) der Grund,warum wir die Neue ökonom ische Politik brauchen.

Lernen Sie alle wirtschaften. Neben Ihnen werden Kapitalisten sein,neben Ihnen werden auch ausländische Kapitalisten, Konzessionäre undPächter sein, die bei Ihnen Hunderte Prozent Profit herausschinden undsich vor Ihren Augen bereichern werden. Mögen sie sich bereichern, Sieaber sollen bei ihnen wirtschaften lernen, und erst dann werden Sie diekommunistische Republik aufbauen können. Vom Standpunkt der Not-wendigkeit, rasch zu lernen, ist jede Laschheit das größte Verbrechen.Und in diese Lehre, eine schwere, harte, manchmal sogar grausame Lehre,muß m an gehen, da es einen anderen Ausweg nicht gibt.

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54 TV.1 Lenin

vollbringen, die die Welt je gesehen hat, erhoben sidi vor uns andereAufgaben — kulturelle Aufgaben, die man als „Kleinarbeit" bezeichnenkann. Es gilt, diese politische Umwälzung zu verdauen, sie den Massender Bevölkerung verständlich zu machen, zu erreichen, daß diese poli-tische Um wälzung keine bloße Deklaration bleibt.

V E R A L T E T E M E T H O D E N

Seinerzeit waren diese Deklarationen, Erklärungen, Manifeste, Dekretenotwendig. Davon haben wir genug. Seinerzeit waren diese Dinge not-wendig, um dem Volk zu zeigen, wie und was für neue, nie dageweseneDinge wir bauen wollen. Aber geht es an, dem Volk fortgesetzt zu zeigen,was wir bauen wollen? Mitnichten! Der einfachste Arbeiter wird dannanfangen, sich über uns lustig zu machen. Er wird sagen; „W as zeigst duimmerfort, wie du bauen willst, zeige lieber in de r Praxis, wie du zu bauenverstehst. Wenn du es nicht kannst, dann sind wir geschiedene Leute,scher dich zum Teufel!" Und er wird recht haben.

Die Zeit, da es notwendig war, die großen Aufgaben politisch zu schil-dern, ist vorbei, es ist die Zeit gekommen, wo man sie praktisch durch-führen muß. W ir stehen jetzt vor kulturellen Aufgaben, vor der Aufgabe,die politischen Erfahrungen auszuwerten, die in die Praxis umgesetzt wer-den müssen und können. Entweder Einbuße aller politischen Errungen-schaften der Sowjetmacht oder ihre Untermauerung durch ein ökono-misches Fundament. Das haben wir heute nicht. Und das eben muß inAngriff genommen werden.

Hebung der Kultur — das ist eine der aktuellsten Aufgaben. Und dasist die Aufgabe des Ausschusses für politisch-kulturelle Aufklärung, wenner wirklich der „politischen Aufklärung" dienen will entsprechend demNamen, den er sich ausgesucht hat. Sich einen Namen zulegen ist nichtschwer, aber wie steht es mit der Erfüllung der Aufgabe? Wir wollenhoffen, daß wir nach diesem Kongreß genaue Angaben darüber erhaltenwerden. Eine Kommission zur Liquidierung des Analphabetentums wurdebei uns am 19. Juli 1920 gebildet. Ich habe eigens, bevor ich hierher zumKongreß kam, das betreffende Dekret durchgelesen. Gesamtrussische Kom-mission zur Liquidierung des Analphabetentums . . . Dam it nicht genug:

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Die NÖP und die Aufgaben der Aussdbüsse fü r pol.-kult. Aufklärung 55

Außerordentliche Kommission zur Liquidierung des Analphabetentums.

Hoffen wir, daß wir nach diesem Kongreß Angaben erhalten werden, inwie vielen Gouvernements etwas auf diesem Gebiet geleistet und wasgeleistet worden ist, und daß wir einen genauen Bericht bekommen wer-den. Aber schon allein der Um stand, daß eine außerordentliche Kommis-sion zur Liquidierung des Analphabetentums gebildet werden mußte,beweist, daß wir (wie soll ich mich milder ausdrücken?) so etwas wieHalbwilde sind, denn in einem Lande, wo die Menschen keine Halbwildensind, würde man sich schämen, eine außerordentliche Kommission zurLiquidierung des Analphabetentums zu gründen; dort liquidiert man das

Analphabetentum in den Schulen. Dort gibt es leidliche Schulen, und inihnen wird unterrichtet. Worin? Vor allem im Lesen und Schreiben. Wennaber diese elementare Aufgabe nicht gelöst ist, dann ist es lächerlich, voneiner Neuen ökonomischen Politik zu sprechen.

D A S G R Ö S S T E W U N D E R

Was soll es da schon für eine neue Politik geben? Wenn wir das An-

alphabetentum durch außerordentliche Maßnahmen liquidieren müssen,können wir froh sein, uns mit der alten zu halten, so gut es geht. Das istklar. Aber noch klarer ist, daß wir sowohl auf militärischem als auch aufanderen Gebieten Wunder vollbracht haben. Das größte unter diesenW undern, glaube ich, wäre es, wenn wir die Kommission zur Liquidierungdes Analphabetentums selbst ganz und gar liquidieren könnten. U nd wennkeine solchen Projekte, wie ich sie hier gehört habe, über- eine Abtrennungvom Volkskommissariat für Bildungswesen auftauchen würden. Wenndem so ist, so werden Sie, wenn Sie darüber gründlich nachdenken, mir

beipflichten, daß man eine außerordentliche Kommission zur Liquidierunggewisser dummer Projekte bilden m üßte.

Mehr noch: Es genügt nicht, das Analphabetentum zu liquidieren, manmuß außerdem die sowjetische Wirtschaft aufbauen, und dabei wird manmit bloßer Kenntnis des Lesens und Schreibens nicht weit kommen. W irbrauchen einunvergleichlichhöheresKulturniveau.Esistnotwendig,daßderMensch seine Kenntnis des Lesens und Schreibens auch wirklich aasnutzt,daß er etwas zum Lesen hat, daß er Zeitungen und Propagandabroschüren

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58 W. 1. Lenin

man Sie: Übernehmt euch nicht mit dem Namen, wählt lieber einen be-

scheideneren Namen. Doch Sie wollten sich den Namen „Politische Auf-klärung" geben, in diesem Namen aber liegt vieles eingeschlossen. Siehaben sich doch nicht als Leute bezeichnet, die das Volk das Abc lehren,sondern haben den Namen „Politische Aufklärung" angenommen. Mankann Ihnen sagen: „Sehr gut, daß ihr das Volk im Lesen, im Schreiben, inder Durchfüh rung einer ökonomischen K ampagne un terweist, das ist allesgut und schön, aber das ist nicht politische Aufklärung, denn politischeAufklärung bedeutet, das Fazit aus allem zu ziehen."

Propaganda gegen die Barbarei und gegen solche Geschwüre wie die

Bestechlichkeit treiben wir und treiben auch Sie, wie ich hoffe, aber diepolitische Aufklärung erschöpft sich nicht in dieser Propaganda, sie zeigtsich in praktischen Ergebnissen, sie bedeutet, das Volk zu lehren, wie daszu erreichen ist, und den anderen ein Beispiel zu geben — nicht als Mit-glieder eines Exekutivkomitees, sondern als einfache Staatsbürger, diepolitisch geschulter sind als andere und es verstehen, über jederlei Schlam-perei nicht nur zu schimpfen — das ist bei uns weit genug verbreitet —,sondern auch zu zeigen, wie dieses Üb el praktisch zu ü berwind en ist. Da sist eine sehr schwere Kunst, die sich ohne einen allgemeinen Aufschwung

der Kultur, ohne daß man die Masse der Arbeiter und Bauern auf einhöheres Kulturniveau hebt, als wir es jetzt h aben, nicht meistern läßt! U ndeben auf diese Au fgabe des Hau ptausschu sses für po litisch-kulturelle Auf-klärung möchte ich das Aug enm erk vor allem lenken .

Ich will nun alles, was ich gesagt habe, zusammenfassen und die prak-tische Bilanz aller Aufgaben ziehen, vor denen die Gouvernementsaus-schüsse für politisch-kulturelle Aufklärung stehen.

D R E I H A U P T F E I N D E

Meiner Meinung nach gibt es drei Hauptfeinde, denen gegenwärtig einjeder gegenübersteht, einerlei für welches Ressort er zuständig ist, unddrei Aufgaben, vor denen der Funktionär für politisch-kulturelle Aufklä-rung steht, wenn er Kommunist ist, und das sind die meisten. Die dreiHauptfeinde, denen er gegenübersteht, sind folgende: der erste Feind istder kommunistische Hochmut, der zweite das Analphabetentum und derdritte die Bestechlichkeit.

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VII. Moskauer Qouvernements-Parteikonferenz 71

macht, der proletarischen Diktatur voraus, daß es gar keine andere Wirt-

schaftsform geben konnte, daß die Notwendigkeit, sich ihr zu fügen, fürdie ganze Masse der Privatunternehmer und Einzelbesitzer derart ein-leuchtend war, daß sie den Kampf auf dem Schauplatz aufnehmen wür-den, den wir als Staatsmacht für diesen Kampf bestimmt haben. Euch blei-ben — so sagten wir — die privaten Publikationen, euch bleibt der privateUnternehmungsgeist, euch bleibt die zur Werbung für diese Unterneh-mungen n otwendige Freiheit der An zeigen, sie werde n lediglich mit einerstaatlichen Steuer belegt, sie werden lediglich in den Händen des Staateskon zentriert, das System der Privatanzeigen an sich aber wird keineswegs

zer stör t, im Gege nteil, es wi rd euch ein gewisser Vorteil verschafft, wie erstets mit einer richtigen Konzentration des Nachrichtenwesens verknüpftist. In Wirklichkeit kam es jedoch so, daß wir den Kampf übe rhau pt nichtauf diesem Schauplatz ausz utragen hatte n. D er Feind, d. h. die Kapita-listenklasse, beantwortete dieses Dekret der Staatsmacht mit der völligenNegierung dieser ganzen Staatsmacht. Von Anzeigen konnte gar keineRede sein, weil alles, was an Bürgerlich-Kapitalistischem in unserer Ge-sellschaftsordnung geblieben war, schon damals seine sämtlichen Kräfteauf den Kampf um die Grun dlagen der Mach t selbst richtete. W ir, die wir

den Kapitalisten vorgeschlagen hatten: „Fügt euch der staatlichen Rege-lung, fügt euch der Staatsmacht, und ihr werdet statt der vollständigenZerstörung der Bedingungen, die den alten Interessen, Gewohnheiten undAnschauungen der Bevölkerung entsprechen, die allmähliche Änderungvon alledem auf dem W ege der staatlichen Regelung e rhalten" — wirwurden vor die Frage unserer Existenz selbst gestellt. Die Taktik, die sichdie Kapitalistenklasse zu eigen machte, bestand darin, uns in einen ver-zweifelten und erbarmungslosen Kampf zu treiben, der uns zu einer un-vergleichlich radikaleren Zerschlagung der alten Verhältnisse zwang, als

wir beabsichtigt hatten.Bei dem Dekret über die Monopolisierung der Privatanzeigen kam

nichts heraus, es blieb ein Fetzen Papier, das Leben aber, das heißt derWiderstand der Kapitalistenklasse, zwang unsere Staatsmacht, den gan-zen Kampf auf eine vollständig andere Ebene zu verlegen, uns nicht mitsolch nichtigen, lächerlichen Bagatellen zu befassen, mit denen uns ab-zugeben wir Ende 1917 die Naivität hatten, sondern mit der Frage: Seinoder Nichtsein — die Sabotage der ganzen Angestelltenklasse brechen

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76 TV.lCenin

der Basis des Staatskapitalismus, eine nicht geringe Rolle. Ich kann mich

hier nicht damit befassen, alle einschlägigen Daten zu untersuchen, immer-hin aber können Sie an diesem Beispiel anschaulich gewisse praktische Er-gebnisse des Wechsels in de r Politik sehe n. Eine Belebung des W irtschafts-lebens — das aber brauchen wir um jeden Preis —, eine Steigerung derProdu ktivität, was w ir ebenfalls um jeden P reis brauchen — all dieshaben wir durch die teilweise Rückkehr zum System des Staatskapitalis-mus bereits zu erreichen begonnen. Von unserer Kunst, davon, inwieweitwir diese Politik fernerhin richtig anwenden, wird es auch abhängen, wiegünstig die weiteren Ergebnisse sein werden.

Ich kehre nunmehr zur Entwicklung meines Grundgedankens zurück.Dieser Übergang zur Neuen ökonomischen Politik im Frühjahr, dieserunser Rückzug zu der Art und Weise, den Mitteln und Methoden, wiesich der Staatskapitalismus betätigt — hat e r sich als ausreichend erwiesen ,um den Rückzug einzustellen un d uns schon zum Angriff vorz ube reiten ?Nein, er hat sich noch als unzureichend erwiesen. Und zwar aus folgen-dem Gru nde. We nn wir auf den Vergleich zurückkommen , von dem ich amAnfang gesprochen habe (Sturmangriff und Belagerung im Krieg), sohaben wir die Neugruppierung der Truppen, die Neuvertei lung des

Kriegsmaterials usw. noch nicht beendet — kurzum, wir haben die Vor-bereitung zu den neuen Operationen, die jetzt, entsprechend der neuenStrategie und Taktik, anders angelegt werden müssen, noch nicht ab-geschlossen. Gegenwärtig, da wir den Obergang zum Staatskapitalismusdurchmachen, fragt es sich, muß man zu erreichen suchen, daß uns dieMethoden, die der vorangegangenen ökonomischen Politik entsprachen,jetzt nicht hindern? Selbstverständlich—und unsere Erfahrung hat es unsgezeigt — müssen wir das erreichen. Im Frühjahr sagten wir, daß wir unsnicht scheuen werden, zum Staatskapitalismus zurückzukehren, und for-

mulierten unsere Aufgaben dahin, daß wir eben den Warenaustausch inO rdn un g bringen müssen. Eine ganze Reihe von Dekreten und Verfügun-gen, eine Unmenge von Artikeln, die ganze Propaganda, die ganze Ge-setzgebung seit dem Frühjahr 1921 waren auf die Hebung des Waren-austausches zugeschnitten. Was war in diesem Begriff enthalten? Welcheswar, wenn man so sagen darf, der in diesem Begriff vorausgesetzte Auf-bauplan? Es wurde vorausgesetzt, daß im ganzen Staat die Industrie-erzeugnisse gegen die landwirtschaftlichen Produkte mehr oder minder

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78 Ti>'.I.Lenin

Jetzt befinden wir uns in einer Lage, wo wir noch ein wenig weiter

zurückgehen müssen, nicht nur zum Staatskapitalismus, sondern auch zurstaatlichen Regelung des Handels und des Geldumlaufs. Nur auf diesemWege, einem noch langwierigeren Wege, als wir angenommen hatten,können wir das Wirtschaftsleben wiederherstellen. Wiederherstellungeines richtigen Systems der wirtschaftlichen Beziehungen, Wiederherstel-lung der kleinbäuerlichen Wirtschaft, Wiederherstellung und Hebung derGroßindustrie durch eigene Kraft. Ohne das kommen wir aus der Krisenicht heraus. Einen anderen Ausweg gibt es nicht; indessen besteht inunseren Reihen noch keine genügend klare Einsicht in die Notwendigkeit

dieser ökonomischen Politik. W enn wir beispielsweise sagen: Es ist unsereAufgabe, daß der Staat zum Großkaufmann werde oder lerne, Groß-handel zu treiben — eine kommerzielle, kaufmännische Aufgabe —, soklingt das außerordentlich seltsam und für manche Leute auch außer-ordentlich schrecklich. „Wenn die Kommunisten", sagen diese Leute, „sichschon so weit verstiegen haben, daß je tzt kaufmännische Aufgaben, ganzgewöhnliche, simple, vulgäre, armselige kaufmännische Aufgaben auf dieTagesordnung gesetzt werden, was kann denn da vom Kommunismus nochübrigbleiben? Muß man angesichts dessen nicht vollends verzagen und

sagen: Nun ist alles verloren!" Derartige Stimmungen, glaube ich, kannman feststellen, wenn man um sich blickt, sie sind aber außerordentlichgefährlich, weil diese Stimmungen, wenn sie weite Verbreitung finden, nurdazu beitragen würden , vielen den Blick zu trüben und dasnüchterne Ver-ständnis für unsere unmittelbaren Aufgaben zu erschweren. "Wollte mansich selbst, der Arbeiterklasse, der Masse verhehlen, daß wir auf ökono-mischem Gebiet den im Frühjahr 1921 angetretenen Rückzug auch jetzt,im Herbst und W inter 1921/1922, noch fortsetzen, so würde das bedeu-ten , daß man sich zu völliger Einsichtslosigkeit verurteilt, so "würde das be-deuten, daß man nicht den Mut hat, der entstandenen Lage direkt insAuge zu sehen. Un ter solchen Verhältnissen wären A rbeit und Kampf un-möglich.

Wenn eine Armee, nachdem sie sich davon überzeugt hat, daß sie außer-stande ist, eine Festung im Sturm zu nehmen, erklären würde, sie wolledie alten Stellungen nicht räumen, sie werde keine neuen Stellungen be-ziehen, werde nicht zu neuen Methoden übergehen, um die Aufgabe zulösen — von einer solchen Armee würde man sagen: Wer gelernt hat an-

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VII. Moskauer Qouvernements-Parteikonferenz 81

von den Kapitalisten der ganzen Welt unterstützt wurde, trat die militä-

rische Gefahr in Erscheinung — sie war schon bedrohlicher. Und als wirunsere ökonomische Politik än derten , wu rde die Gefahr noch größer, weildie Ökonomik, die sich aus einer Unmenge wirtschaftlicher, alltäglicherKleinigkeiten zusammensetzt, an die man sich zu gewöhnen pflegt und dieman leicht übersieht, von uns besondere Aufmerksamkeit und Anspan-nun g verlangt und m it besonderer Bestimmtheit die Notw endigkeit in denVordergrund rückt, die richtigen Methoden zu ihrer Bewältigung zu erler-nen. Wiederherstellung des Kapitalismus, Entwicklung der Bourgeoisie,Entwicklung bürgerlicher Verhältnisse aus dem H andel heraus usw. — das

ist eben die Gefahr, die unserem jetzigen ökonomischen Aufbau, unseremjetzigen allmählichen Herangehen an die Lösung einer Aufgabe, die weitschwieriger ist als die vorhergehenden, eigen ist. Hier darf es nicht denkleinsten Irrtum geben.

Wir müssen begreifen, daß die gegenwärtigen konkreten Bedingungendie staatliche Regelung des Handels und des Geldumlaufs erheischen undda ß wir gerade auf diesem Gebiet zeigen müssen, was wir könne n. Wid er-sprüche gibt es in unserer ökonomischen Wirklichkeit mehr, als es vor derNeuen ökonomischen Politik gegeben hat: teilweise, kleine Verbesserun-

gen der ökonomischen Lage bei den einen Bevölkerungsschichten, beiwenigen; völliges Mißverhältnis zwischen den ökonomischen Hilfsquellenund den notwendigen Bedürfnissen bei den anderen Schichten, bei derM ehrza hl. Die Widersprüch e hab en sich vermehrt. Un d es ist verständlich,da ß wir, solange wir d ie ^Zeit des jähen U mb ruch s durchm achen, ausdiesen W idersprüchen nicht sofort mit einem Satz herauskomm en könn en.

Zu m Schluß möchte ich die drei Haup tthem en meines Referats hervor-heben. Das erste ist die allgemeine Frage: In welchem Sinne müssen wirdie Fehlerhaftigkeit der ökonomischen Politik unse rer Parte i in der Pe riode

zugeben, die der Neuen ökonomischen Politik vorausgegangen ist? Ichhabe mich bemüht, an einem Kriegsbeispiel klarzumachen, daß es not-wendig ist, vom Sturmangriff zur Belagerung überzugehen, daß zunächstder Sturmangriff unvermeidlich und daß es dann unumgänglich ist, sichnach dem Mißlingen des Sturmangriffs der Bedeutung neuer Kampf-

methoden bewußt zu werden.

Weiter. Die erste Lehre und die erste Etappe, die sich zum Frühjahr1921 abgezeichnet hatte, war Entwicklung des Staatskapitalismus auf

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88 "W. 1 Centn

den einen Ausweg, daß wir lernen werden, uns anpassen werden, es ver-

stehen werden, die Aufgaben so zu lösen, wie sie gelöst werden müssen,d. h. entsprechend den gegebenen Bedingungen.

Das ist meine Antw ort an die Genossen, die sich in der heutigen A us-sprache geäuße rt hab en ; jetzt abe r möchte ich ku rz einige der schriftlichenAnfragen beantworten.

In einer Zuschrift heißt es: „Sie beziehen sich auf Port Arthur, aberkönnen Sie sich nicht vorstellen, daß wir, die wir von der internationalenBourgeoisie eingekreist sind, Port Arthur sein könnten?"

Ja, Ge nossen, ich hab e bereits darauf hingewiesen, daß das Element des

Krieges die Gefahr ist, daß man einen Krieg nicht beginnen darf, ohnedamit zu rechnen, daß ma n eine Niederlage erleiden kann . W en n w ir eineNiederlage erleiden, werden wir uns natürlich in der traurigen Lage vonPort Arthur befinden. In meiner ganzen Rede hatte ich das belagerte undnicht nur von unserer Armee belagerte Port Arthur des internationalenKapitalismus im Auge. Im Innern eines jeden kapitalistischen Landesschwillt die Arm ee imm er meh r an, die dieses Port A rthu r des internatio-nalen Kapitalismus belagert.

In einer Zuschrift wird gefragt: „Welches wird unsere Taktik am Tage

nach der sozialen Revolution sein, wenn diese nach ein, zwei Jahren aus-bricht?" Könnte man auf solche Fragen antworten, so wäre es sehr leicht,Revolutionen zu machen, und wir hätten sie allenthalben dutzendweisegemacht. Auf solche Fragen zu antworten ist unmöglich, weil wir nichtsagen können, was in einem halben Jahr, geschweige denn in einem oderzwei Jahren sein wird. Derartige Fragen zu stellen ist ebenso nutzlos wieder Versuch, die Frage zu entscheiden, welche der kämp fenden Seiten sichin der traurigen Lage der Festung Port Arthur befinden wird. Wir wissennur das eine, daß die Festung des internationalen Port Arthur zu guter

Letzt unweigerlich fallen wird, weil in allen Ländern die Kräfte wachsen,die dieses Po rt A rthu r bezwingen werden. Für uns aber besteht das Gru nd-problem darin, wie es zu bewerkstelligen ist, daß unter den sehr schwie-rigen Verhältnissen, in denen w ir uns jetz t befinden, die Möglichkeit erha l-ten bleibt, die Großindustrie wiederaufzubauen. Wir dürfen kaufmän-nische Kalkulation nicht scheuen, sondern müssen begreifen, daß man nurauf dieser Grundlage erträgliche Bedingungen schaffen kann, die die Ar-beiter sowohl hinsichtlich des Arbeitslohns als auch hinsichtlich des Ar-

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Ü B E R D I E B E D E U T U N G D E S G O L D E S J E T Z T

U N D N A C H D E M V O L L E N S I E G D E S S O Z I A L I S M U S

Die beste Art, den Jahrestag der großen Revolution zu feiern, ist, dieAufmerksamkeit auf ihre ungelösten Aufgaben zu konzentrieren. DieRevolution solcherart zu feiern ist besonders dann angebracht und not-wendig, wenn es grundlegende Aufgaben gibt, die von der Revolutionnoch nicht gelöst worden sind, wenn es erforderlich ist, sich zur Lösungdieser Aufgaben etwas (vom Standpunkt des von der Revolution bisherGeleisteten) Neues zu eigen zu machen.

Neu ist für unsere Revolution gegenwärtig die Notwendigkeit, zu einer

„reformistischen", schrittweisen, vorsichtig umgehenden Methode desHandelns in den Grundfragen des wirtschaftlichen Aufbaus zu greifen.Diese „Neuheit" ruft zahlreiche Fragen, Bedenken und Zweifel hervor,die sowohl theoretischer als auch praktischer N atu r sind.

Die theoretische Frage lautet: Wie erklärt sich nach einer Reihe revolu-tionärster Handlungen der Übergang zu außerordentlich „reformistischen"Handlungen auf demselben Kampf feld und angesichts des allgemeinensiegreichen Verlaufs der Revolution im ganzen? Handelt es sich hier nichtum eine „Preisgabe der Positionen", um ein „Eingeständnis des Zu-

sammenbruchs" oder etwas Ähnliches? Die Feinde, von den Reaktionärenhalbfeudaler Prägung bis zu den Menschewiki oder anderen Rittern derzweieinhalbten Internationale, behaupten natürlich, das sei der Fall. Dafürsind sie ja Feinde, daß sie bei jedem A nlaß und ohne jeden Anlaß Erklä-rungen solcher Art in die Welt hinausschreien. Die rührende Einheit allerParteien — von den Feudalen bis zu den Menschewiki — in dieser Fragebeweist nur ein übriges Mal, daß alle diese Parteien gegenüber der prole-tarischen Revolution wirklich „eine reaktionäre Masse" darstellen (wie es,

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96 ' ' W. 1 Lenin

Ein kleines, ganz kleines Beispiel: Im Donezbecken hat eine geringe, noch

sehr ge ringe, abe r doch unzw eifelhafte w irtschaftliche Belebung eingesetzt,teils dank der Steigerung der Arbeitsproduktivität auf den großen Staats-schächten, teils aber dan k de r Verpa chtung der kleinen Bauernschächte. Dieproletarische Staatsmacht erhält somit eine geringe (vom Standpunkt fort-geschrittener Länder aus kläglich geringe, bei unserer Armut aber dochmerkliche) Menge zusätzlicher Kohle zu einem Selbstkostenpreis, sagenwir, von 100 % und verkauft sie an einzelne Staatsinstitutionen zu 120 % ,an einzelne Privatpersonen zu 140%. (In Parenthese sei bemerkt, daß ichdiese Zahlen ganz willkürlich nehme, erstens, weil ich die genauen Zahlen

nicht kenne, und zweitens, weil ich sie, selbst wenn sie mir bekannt wären,jetzt nicht veröffentlichen würde.) Das sieht danach aus, als ob wir, wennauch im bescheidensten Ausmaß, doch anfangen würde n, den Umsatz zwi-schen Industrie und Landwirtschaft zu meistern, den Großh and el zu mei-stern, die Aufgabe zu meistern: bei der vorhandenen, kleinen, rückstän-digen oder bei der großen, aber geschwächten, ruinierten Industrie ein-haken, auf der gegebenen ökonomischen Grundlage den Handel beleben,dem durchschnittlichen Mittelbauern (das aber ist die Massenfigur, derVertreter der Masse, der Träger der Elementargewalt) die wirtschaftliche

Belebung fühlbar machen und das für eine systematischere und beharr-lichere, umfassendere und erfolgreichere Arbeit zur Wiederherstellungder Großindustr ie ausnutzen.

Wir dürfen uns nicht vom „Gefühlssozialismus" oder von der altrus-sischen, halb herrschaftlichen, halb bäuerlichen, patriarchalischen Stim-mung übermannen lassen, denen eine instinktive Geringschätzung desHandels eigen ist. Alle und jede ökonomische Obergangsform darf manbenutzen und muß man, sofern das erforderlich ist, zu benutzen ver-stehen, um die Verbindung der Bauernschaft mit dem Proletariat zu festi-

gen, um die Volkswirtschaft in dem ruinierten und erschöpften Landunverzüglich zu beleben, um die Industrie zu heben und um weitere,umfassendere und tiefgreifendere Maßnahmen, wie die Elektrifizierung,zu erleichtern.

Das Verhältnis von Reformen und Revolution ist nur vom Marxismusgenau und richtig bestimmt worden, wobei Marx dieses Verhältnis nurvon der einen Seite sehen konnte, nämlich in einer Situation, die demersten mehr oder minder festgegründeten, mehr oder minder dauerhaften

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REDE ZUM VIERTEN JAHRESTAGDER OKTOBERREVOLUTION

AUF EINER FESTVERSAMMLUNG DER ARBEITERDER PROCHOROWSCHEN MANUFAKTUR

6. NOVEMBER 192 1»

Kurzer Zeitungsbericht

( D e r g a n z e S a a l e r h e b t s i c h . L a n g a n h a l t e n d e rB e i f a l l . ) Blicken wir zurück auf die vergangenen vier Jahre, so sehenwir, daß a uß er dem russischen kein einziges Proletariat in der W elt einenvollen Sieg über die Bourgeoisie errungen hat. Wenn uns das gelungen ist,dann n ur d eshalb, weil die Bauern und A rbeiter wu ßten , daß sie für ihreneigenen Boden, für ihre eigene Macht käm pfen. D er K rieg gegen D enikin,W rangel und Koltschak w ar dtt erste Krieg in der Geschichte, in dem dieWerktätigen erfolgreich gegen ihre Unterdrücker gekämpft haben. Der

zweite Grund für unseren &ieg lag darin, daß die Entente nicht genug ihrergebener Truppen gegen Rußland aufbieten konnte, weil die SoldatenFrankreichs und die Matrosen Englands nicht ins Feld ziehen wollten, umihre Brüder zu unterdrücken.

Die vier Jahr e brachten uns die Verwirklichung eines unerh örten W un -ders: das hungrige, schwache, halbzerstörte Land hat seine Feinde, diemächtigen kapitalistischen Länder, besiegt.

Wir haben uns eine noch nie dagewesene, von keinem vorausgesehenefeste internationale Position erkämpft. Jetzt bleibt noch die gewaltige

Aufgabe, die Volkswirtschaft in Ordnung zu bringen. Alles, was wir er-reicht haben, zeigt, daß wir uns auf die wunderbarste Kraft der Weltstützen — auf die Kraft der Arbeiter und Bauern. Das gibt uns die Zu-versicht, daß wir den nächsten Jahrestag im Zeichen des Sieges an derFront der Arbeit begehen w erden.

J>rawda" JVr. 252, Tiadi dem 7ext der „Prawda".9. November 4921.

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112 IV. 1 Lenin

bereits in großem Um fang begonn en w orden ist, ausnahmslos alle Gouve r-

nements erfassen, werden wir die Hungersnot besiegen und eine wirk-liche Verbesserung der bäuerlichen Wirtschaft erzielen können. Deshalbmüssen derartige Kongresse wie der Ihrige in allen Gouvernementstagen und auf die Bauernmassen Einfluß nehmen. Das ist jetzt eine poli-tische N otw end igkeit, m öchte ich sogar sagen, denn alle politischen F ragenlaufen, da sich unsere internationale Lage verbessert hat, auf ein und das-selbe hinaus: die Produktivität der Landwirtschaft um jeden Preis zuerhöhen. Die Erhöhung ihrer Produktivität wird auch eine Verbesserungu n se re r I nd us tr ie n ach sich z ie he n." ( D i e k u r z e R e d e d e s G e n .

L e n i n a u f d e m K o n g r e ß m a c h t e a u f d i e B a u e r n -d e l e g i e r t e n e i n e n t i e f e n E i n d r u c k u n d w u r d e m i ts t ü r m i s c h e m , l a n g a n h a l t e n d e m B e i f a l l a u f -g e n o m m e n . )

„Trawda" SVr. 270, Nadb dem 7ext der .Vrawda".3O .rNovembcri92l.

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116 W. 1. Lenin

Reihe von Kriegen zur „Verteidigung" des französischen Imperialismus

ode r eine sozialistische Revolution — eine ande re W ah l gibt es für dieArbeiter und Bauern Frankreichs nicht. Und sie werden sich nicht ein-schüchtern lassen durch Hinweise der konterrevolutionären Kapitalistenauf den schweren Bürge rkrieg, den diese Sow jetrußlan d aufgezw ungenhaben. Die Arbeiter und Bauern Frankreichs haben es verstanden, einenberechtigten, gerechten und revolutionären K rieg gegen ihre F eudalherrenzu führen, als diese die Große Französische Revolution des 18. Jahrhun-derts abw ürgen wollten. Die französischen Arbe iter und Bauern werden esverstehen, einen genauso berechtigten, gerechten und revolutionären K rieg

gegen die französischen Kapitalisten zu führen, wenn diese zu Emigran-ten werden, die eine ausländische Invasion gegen die sozialistische fran-zösische Republik organisieren. Für die französischen Arbeiter und Bauernwird es um so leichter sein, ihre Ausbeuter1 zu zerschmettern, als ganz

Europa, das durch den niederträchtigen Versailler Frieden zerfleischte, bisaufs Blut gequälte und balkanisierte Europ a, direkt wie indirekt auf ihrerSeite stehen wird.

. 2. Die im nächsten Teil der Th esen enthaltene Behauptung „Die bevor-stehende Revolution in Frankreich (cette revolution que nous devons

faire) . . . wird in gewisser A rt eine vorzeitige Revolution sein" (sera enquelque sorte une revolution avant terme), halte ich für falsch, ebenso wiedie folgende Behauptung:

„Die von den Theoretikern des Marxismus verkündete Konzentrationdes Eigentums vo llzog sich in dei" Lan dwirtschaft nicht regelm äßig." (Laconcentration de la propriete annoncee par les theoriciens du marxismene s'est pas pro dui te avec regularite" dans l'agricultu re.)

Das ist falsch. Und das sind nicht die Auffassungen von Marx, nichtdie Auffassungen des M arxism us, sondern die Auffassungen jener „The o-

retiker" des Quasi-„Marxismus", die die II. Internationale bis zu demschmachvollen Bankrott von 1914 gebracht haben. Das sind die Auffassun-gen jener Pseudomarxisten, die 1914 auf die Seite „ihrer" nationalenBourgeoisie übergegangen sind und die in längst vergangenen Zeiten keinande rer als Jules Guesde so glänzend verspottet hat, als er gegen M illerandschrieb, daß die zukünftigen Millerands im kommenden Krieg um dieAufteilung der kapitalistischen Beute auf der Seite „ihrer" Kapitalistenstehen werden.

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Tiber die Thesen der Kommunistischen Partei Jrcmh-eidbs zur Agrarfrage 119

Alle diese Hinweise der Thesen sind zweifellos richtig und praktisch

notwendig. Es scheint mir nur, daß man nicht im Rahmen der unter demKapitalismus üblichen Technik bleiben darf, sondern einen Schritt weitergehen müßte. Man müßte ein paar Worte darüber sagen, daß es notwen-dig ist, ganz Frankreich planmäßig und durchgehend zu elektrifizieren,und daß es absolut unmöglich ist, diese Arbeit zugunsten der Arbeiter und

Bauern ohne Beseitigung der Herrschaft der Bourgeoisie, ohne Eroberungder Macht durch das Proletariat zu leisten. In der französischen Literaturgibt es reiches Material über die Bedeutung der Elektrifizierung für Frank-reich. Mir ist nur bekannt, daß ein kleiner1 Teil davon in das auf Ver-

anlassung unserer Regierung verfaßte Werk über den Plan der Elektrifi-zierung Rußlands einging und daß nach dem Krieg die technische Vor-bereitung der Frage der Elektrifizierung in Frankreich ein gutes Stückvorangekommen ist.

Äu ßerst w ichtig wä re es meiner A nsicht nach sowohl vom theoretischenals auch vom praktisch-agitatorischen Standpunkt aus, in den Thesen zuerwähnen (und überhaupt in der kommunistischen Literatur mehr darüberzu sagen), daß die moderne fortgeschrittene Technik eine Elektrifizierung

des ganzen Landes — und einer Reihe von Nachbarländern — nach einem

einheitlichen Plan dringend erforderlich macht; daß eine solche Arbeitgegenwärtig durchaus durchführbar ist; daß die Landwirtschaft und ins-besondere die Bauernschaft dabei am meisten gewinnen würde; daß, so-lange der Kapitalismus u nd das Privateigentum an den Produktionsm ittelnbestehenbleiben, die Elektrifizierung eines ganzen Landes und einer Reihevon Ländern erstens nicht schnell und planmäßig und zweitens nicht zu-

gunsten der Arbeiter und Bauern verwirklicht werden kann. Unter demKapitalismus führt die Elektrifizierung unweigerlich zu einem verschärf-

ten "Druck der Qroßbanken sowohl auf die Arbeiter als auch auf die

Bauern. Bereits vor dem Krieg hat nicht etwa irgendein „engstirnigerMarxist", sondern der heute patriotisch beflissen vor den Kapitalistenscharwenzelnde Lysis höchstselbst bewiesen, daß Frankreich in W irklich-keit eine Jinanzoligardbie ist.

Frankreich besitzt glänzende Möglichkeiten einer Elektrifizierung. Siegtdas Proletariat in Frankreich, so wird aus einer planmäßigen Elektrifizie-rung, die nicht mit dem Privateigentum der Großgrundbesitzer und Kapi-talisten zu rechnen h at, gerade die Xleinbauernsthaft unermeßlichen Nut-

9 Lenin, Werke, Bd. 33 .

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1

Ü B E R D I E I N N E N - U N D A U S S E N P O L I T I K

D E R R E P U B L I K

Bericht des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees und desRats der Volkskommissare an den IX . Gesamtrussischen Sowjetkongreß

23. Dezember 1921

( S t ü r m i s c h e O v a t i o n e n . R u f e : „H urra !" , „Es lebe unserFührer, Gen . Len in!", „Es lebe der Führer des internationalen Proletariats,G en. L enin!" L a n g a n h a l t e n d e r B e i f a l l . ) G enossen! Ich habedie Aufgab e, einen Bericht üb er die äuße re un d innere Lage der Republikzu geben. Zum erstenmal bin ich in der Lage, einen solchen Bericht nachAblauf eines ganzen Jahres zu geben, in dem kein einziger, zumindestkein großer Überfall von Seiten der russischen und ausländischen Kapita-listen auf u nser e Sowjetmacht erfolgt ist. Es wa r da s erste Jah r, in dem wiruns einer wenn auch völlig unzulänglichen, so doch relativen Ruhe vorÜberfällen erfreuten und unsere Kräfte wenigstens einigermaßen aufunsere hauptsächlichste u nd wichtigste Aufgabe konz entrieren konn ten —nämlich darauf, die durch die Kriege zerrüttete Wirtschaft wiederher-zustellen, die Rußland durch die herrschenden Ausbeuterklassen geschla-genen Wunden zu heilen und den Grundstein für den sozialistischenAufbau zu legen.

Vor allem m uß ich, wenn ich die internationale Lage unserer Republikbeh and le, das aussprechen, was ich schon früher gesagt habe , nämlich, d aßsich ein gewisses, wenn auch in hohem Grade labiles, aber immerhin einGleichgewicht in den internationalen Beziehungen herausgebildet hat. Dasbeobachten wir jetzt. Höchst sonderbar ist es für diejenigen unter uns,die die Revolution von ihren ersten Anfängen an miterlebten, die unsereunerhörten Schwierigkeiten bei der Durchbrechung der imperialistischenFronten kannten und unmittelbar verfolgten, jetzt zu sehen, wie sich dieDinge entwickelt habe n. Wahrscheinlich ha t dam als niemand erwa rtet und

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126 TV.J.Lenin

konnte auch niemand erwarten, daß sich die Lage so gestalten w ürde, wie

sie sich gestaltet h at.Wir stellten uns die künftige Entwicklung (und es ist vielleicht nicht

überflüssig, jetzt daran zu erinnern, denn es wird uns und unseren prak-tischen Schlußfolgerungen in den wichtigsten Wirtschaftsfragen zustattenkommen) einfacher, geradliniger vof, als sie sich ergab. Wir sagten uns,sagten der A rbeiterklasse, sagten allen Werktätigen sowohl Rußlands alsauch der anderen Länder: Es gibt keinen anderen Ausweg aus dem ver-fluchten und verbrecherischen imperialistischen Gemetzel als die Revolu-tion, und indem wir den imperialistischen Krieg durch die Revolution ab-

brechen, eröffnen wir allen Völkern den einzig möglichen Ausweg ausdiesem verbrecherischen Gemetzel. Es schien uns damals — und konnteuns gar nicht anders scheinen —, daß dieser Weg ein klarer, gerader undder leichteste Weg ist. Es stellte sich indes hefaus, daß diesen geradenW eg — der allein uns tatsächlich aus den imperialistischen Beziehungen,aus den imperialistischen Verbrechen und dem imperialistischen Krieg, derdie ganze übrige Welt weiterhin bedroht, herausgeführt hat —, es stelltesich heraus, daß diesen Weg zu beschreiten den anderen Völkern nichtgelungen ist, zumindest nicht so rasch, wie wir angenommen hatten.

Und wenn wir trotzdem jetzt sehen, was sich ergeben hat, wenn wirsehen, wie sich die einzige Sozialistische Sowjetrepublik in der Um-kreisung einer ganzen Reihe ihr in Todfeindschaft gegenüberstehenderimperialistischer Mächte behauptet, so fragen wir u ns : W ie konnte es sokommen?

Man kann ohne jede Übertreibung darauf antworten: Es konnte sokommen, weil unsere Auffassung von den Ereignissen im wesentlichenrichtig war, weil unsere Beurteilung des imperialistischen Gemetzels undder Verwirrung, die zwischen den imperialistischen Großmächten entstan-

den ist, im wesentlichen richtig war. Nuf deshalb ergab sich eine so merk-würdige Lage, ein derart labiles, unverständliches und doch bis zu einemgewissen Grade unzw eifelhaftes Gleichgewicht, wie wir es jetzt sehen unddas darin besteht, daß wir, von allen Seiten von Staaten eingekreist, diesowohl ökonomisch als auch militärisch unermeßlich mächtiger sind als wirund uns durchweg in offener Todfeindschaft gegenüberstehen, dennochsehen, daß es ihnen nicht gelungen ist, das Vorhaben zu verwirklichen, fürdas sie drei Jahre lang soviel Mittel und Kräfte vergeudet haben — die

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IX . Qesamtrussisdher Sowjetkongreß 127

unmittelbare und sofortige Erdrosselung Sowjetrußlands. Wenn wir uns

fragen, wie das geschehen konnte, wie es dazu komm en ko nnte, daß einerder zweifellos rüdeständigsten und weitaus schwächsten Staaten, dem diestäfksten Mächte der Welt in offener Feindschaft gegenüberstehen, demAnsturm gegen ihn standhielt — wenn wir diese Frage untersuchen, sosehen wir klar, woran es lag: Wir hatten recht in dem, was das Wesent-lichste war. Wir hatten die Dinge richtig vorausgesehen und beredinet.Es zeigte sich, daß wir zwar nicht jene schnelle, direkte und unmittelbareUnterstützung von den werktätigen Massen der ganzen Welt erhielten,auf die wir gerechnet und die wir unserer ganzen Politik zugrunde gelegt

hatten , daß wir aber soviel Un terstützung ande rer A rt, eine nicht direkte,nidit sdinelle Unterstützung, erhielten, daß gerade diese Unterstützung,gerade die Sympathie, die wir bei den werktätigen Massen — sowohl beiden Arbeitermassen als audi bei den ländlichen, den Bauernmassen — inder ganzen W elt, sogar in den uns am feindlichsten gegenüberstehendenStaaten fanden, daß gerade diese Unte rstützun g und diese. Sympathie dieletzte, entsdieidende Quelle, die entsdieidende Ursadie dafür waren, daßalle gegen uns geriditeten Angriffe mit einem Fiasko endeten, daß dasBündnis der Werktätigen aller Länder, das wir1 verkündet, bekräftigt und

innerhalb der Grenzen unserer Republik auch verwirklicht haben, sich aufalle Länder ausw irkte. So unsicher diese Stütze auch ist, solange der Kapi-talismus noch in den anderen Ländern besteht (das müssen wir natürlidiklar sehen und unumwunden zugeben) — so unsidier diese ganze Stützeaudi ist, so muß man dod i sagen, daß m an sidi jetzt bereits auf sie stützenkann. Diese Sympathie und diese Unterstützung kamen darin zum Aus-drude, daß die Invasion, die wir im Lauf e von drei Jah ren durdigemadithaben und die uns unerhörte Verwüstungen und Qualen bradite, daß einesoldie Invasion, id i will nicht sagen unmöglich — hier muß man sehr vor-

siditig und umsiditig sein —, aber immerhin für unsere Feinde außer-ordentlidi ersdiwert worden ist. Und gerade hieraus läßt sidi letztlichjene merkw ürdige , auf den ersten Blick unverständliche Lage erk lären, diewir. jetzt haben.

W enn wir die Sympathien für den Bolschewismus und die sozialistischeRevolution ganz kaltblütig abwägen, wenn wir die internationale Lageeinfach von dem Standpunkt aus betraditen, wie die Kräfte einzuschätzensind, unabhängig davon , ob diese Kräfte für eine gerechte oder ungeredite

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128 IV'.1 Lenin

Sache, für die Ausbeuterklasse oder für die werktätigen Massen ein-

treten — wir wollen das unbeachtet lassen, sonde rn abzuwäg en versuchen,wie diese Kräfte im internationalen Maßstab gruppiert sind —, so werdenwir sehen, daß diese Kräfte so gruppiert sind, daß sich unsere Voraus-sichten, unsere Berechnungen im wesentlichen bestätigt haben, daß sichder Kapitalismus zersetzt und daß nach dem Krieg, der zuerst durch denBrest-Litowsker und dann durch den Versaüler Frieden gekrönt wurde —ich weiß w irklich nicht, welcher der schlimm ere ist —, der Haß und Wider -wille gegen den Krieg auch in jenen Ländern, die als Sieger aus ihm her-vorgegangen sind, um so stärker wird, je weiter die Zeit voranschreitet.

Und je weiter1

der Krieg in die Vergangenheit rückt, um so klarer wirdnicht nur den Werktätigen, sondern in sehr, sehr hohem Grade auch derBourgeoisie der Siegerländer, daß sich der Kapitalismus zersetzt, daß dieWirtschaftskrise in der ganzen Welt eine unerträgliche Lage geschaffenhat und daß es trotz aller1 errungenen Siege keinen Ausweg gibt. Das istder Grund, warum wir, obwohl wir sowohl ökonomisch als auch politischund militärisch unermeßlich schwächer sind als alle anderen Staaten, zu-gleich stärker sind als sie, weil wir alles erkennen und richtig beurteilen,was herauskommt und herauskommen muß bei diesem imperialistischen

W irrw arr , d iesem blut igen Knäuel und jenen Widersprüchen (man nehm enur den Widerspruch in der Währungsfrage, von den anderen will ich garnicht sprechen), in die sie sich verwickelt haben und immer tiefer ver-wickeln, ohne einen Ausw eg z u sehen.

Und nun beobachten wir, wie sich die Meinung der Vertreter der ge-mäßigten Bourgeoisie ändert, die entschieden und unbedingt von jedemGedanken an den Sozialismus überhaupt — ich sage schon gar nicht „andiesen schrecklichen Bolschewismus" — weit entfernt ist, daß sogar solcheLeute ihre Meinun g änd ern wie der bek annte Schriftsteller Keyn es, dessen

Buch in alle Sprachen übersetzt ist, der selbst an den Versailler Verhand-lungen teilgenommen hat, der alles darangesetzt hat, seinen Regierungenzu helfen — sogar1 er mußte in der Folgezeit diesen Weg verlassen, vonihm abgehen, wobei er den Sozialismus nach wie vor verwünscht. Ich wie-derhole, er spricht nicht vom Bolschewismus, er will nicht einmal darandenken — er sagt der kapitalistischen Welt: „Das, was ihr macht, bringteuch in eine ausweglose Lage", und er schlägt ihnen sogar so etwas wiedie Annullierung der Schulden vor.

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IX . Qesamtrussisdoer Sowjetkongreß 131

um den Frieden zu erhalten, den wir um einen so hohen Preis erkauft

haben. Wir gehen auf die größten Zugeständnisse und Opfer ein, abernicht auf jegliche, nicht auf endlose . Das m ögen sich die zum Glück wen igzahlreichen Vertreter der kriegslüsternen Parteien und annexionistischenCliquen Finnlands, Polens und Rumäniens, die darauf spekulieren, gutm e r k e n . ( B e i f a l l . )

Wer einigermaßen vernünftig und wohlüberlegt, als Politiker, urteilt,der wird zugeben, daß es in Rußland keine Regierung gegeben hat undauch keine geben kann außer der Sowjetregierung, die sich zu solchen Zu-geständnissen und solchen Opfern in bezug auf die Nationalitäten bereit

fände, sowohl diejenigen, die im Innern unseres Staates leben, als auchdiejenigen, die dem Russischen Reich angegliedert waren. Es gibt keineande re Regierung und ka nn keine geben, die sich so klar bew ußt w äre w iewir1 und so deutlich vor aller Welt ausspräche und erklärte, daß die Hal-tung des alten Rußlands, des zaristischen Rußlands, des Rußlands derKriegsparteien, gegenüber den in Rußland ansässigen Völkerschaften ver-brecherisch war, daß diese Verhältnisse unzulässig sind, daß sie bei denunterdrückten Nationalitäten berechtigten Protest, Unwillen und Em-pörung hervorgerufen haben. Es gibt keine andere Regierung und kann

keine geben, die diese Lage so offen eingestünde und diese Propagandatriebe, eine Propaganda, die sidi gegen den Chauvinismus richtet, einePropaganda, die das verbrecherische Wesen des alten Rußlands, deszaristischen Rußlands und des Rußlands Kerenskis, aufdeckt, es gibt keineandere Regierung, die Propaganda triebe gegen die gewaltsame Anglie-derung and erer Nationalitäten an Rußland. Das sind keine leeren W or te —das ist eine einfache politische Tatsache, die für jedermann klar und dievöllig unbestreitbar ist. Solange nicht von Seiten irgendeiner NationalitätIntrigen gegen uns gesponnen werden, die diese Nationalitäten unfrei

machen un d sie imperialistisch versklave n, solange sie keine Brücke ba ue n,damit man uns erdrosseln kann, werden wir uns an Formalitäten nichtstoßen. Wir1 werde n nicht vergessen, daß wir Revolutionäre sind. ( B e i -f a l l . ) Ab er es gibt Tatsachen, die unumstößlich und unbestreitbar be-weisen, daß die kleinste und wehrloseste Nationalität, wie schwach sieauch sein möge, in dem Rußland, das die Menschewiki und Sozialrevolu-tionäre besiegt hat, absolut darüber beruhigt sein kann und darf, daß wirihr gegenüber nichts als friedliche Absichten hegen, daß unsere Propa-

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ganda gegen das verbrecherische Wesen der1 alten Politik der alten Regie-

rungen nicht nachläßt und daß wir nach wie vor den festen W unsch ha ben,unter allen Um ständen, selbst um den Preis größter Opfer und Zugeständ -nisse, den Frieden mit allen Nationalitäten, die dem Russischen Reich an-gehört hatten und nicht bei uns bleiben wollten, aufrechtzuerhalten. W irhaben das bewiesen. Un d wir wefden das beweisen, so stark die V erwün-schungen auch sein mög en, die von allen Seiten auf u ns niederhag eln. W irsind der Meinung, daß wir das großartig bewiesen haben, und vor derVersammlung der Vertreter der Arbeiter und Bauern ganz Rußlands, voi"der ganzen Millionenmasse der russischen Arbeiter und Bauern erklären

wir, daß wif mit allen Kräften bestrebt sein werden, den Frieden weiter-hin zu erhalten, daß wir nicht vor großen Zugeständ nissen und Op fernzurückscheuen we rden, um diesen Frieden zu behaup ten.

Aber es gibt eine Grenze, über die hinaus man nicht gehen kann. Wirwe rden nicht zulassen, daß m an sich üb er die Friedensverträge lustig macht,wir1 werden keine Versuche zulassen, unsere friedliche Arbeit zu stören.Wir werden das unter keinen Umständen zulassen und werden wie einMan n aufs tehen , um unsere Exis tenz zu verteidigen . ( B e i f a l l . )

Gen ossen, was ich eben gesagt h ab e, ist für Sie völlig klar und verstän d-

lich, un d Sie kon nten von niem andem einen ande ren Rechenschaftsberichtüber unsere Politik erw arten. Sie wußten , daß unsere Politik so ist und nurso sein kann. Leider gibt es jedoch heute auf der1 Welt zwei Welten: diealte — den Kapitalismus, der in eine Sackgasse geraten ist und niemalsnachgeben wird, und die heranwachsende neue Welt, die noch sehrschwach ist, die aber s tark un d groß we rden w ird, denn sie ist unbes iegbar.Diese alte Welt hat ihre alte Diplomatie, die nicht glauben kann, daß esmöglich ist, offen und ehrlich zu sprechen. Die alte Diplomatie meint,g er ad e d ahinter mü sse i rg en de in e L is t s teck en . ( B e i f a l l u n d H e i -

t e r ' k e i t.) Als diese in ökonomischer und militärischer B eziehung all-mächtige alte W elt — es ist schon lange her—einen Vertreter der amerika-nischen Regierung, nämlich Bullitt, mit dem Vorschlag zu uns schickte, mitKoltschak und Denikin Frieden zu schließen, und zwar einen Frieden, derfür uns äußerst ungünstig gewesen wäre, und als wir sagten, daß uns dasBlut der Arbeitet1 und Bauern, das schon so lange in Rußland vergossenwird, so teuer ist, da ß wir, obw ohl der Frieden für uns äuß erst ung ünstigist, dennoch dazu bereit sind, weil wir überzeugt sind, daß sich Koltschak

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IX . Qesamtrussisdicr Sowjetkongreß 133

und Denikin von innen h eraus zersetzen w erde n; als wir das geradeheraus

sagten, ohne uns um einen gewählten diplomatischen Ton zu bemühen,kam en sie zu dem Sc hluß, wir1 m üßten unbeding t Betrüger sein. U nd nach-dem Bailitt, der mit uns am gemeinsamen Tisch wohlwollend verhandelthatte, in seine Heimat zurückgekehrt war, gab man ihm einen Fußtritt,zwang ihn, seinen Abschied zu nehmen, und ich wundere mich, daß manihn nicht nach imperialistischem Brauch wegen Geheimbündelei mit denB olschew iki in s Z uc hth au s gesteckt h at. ( H e i t e r k e i t , B e i f a l l . )Es kam aber so, da ß wir, die wir dam als auf einen für un s den kba r schlech-ten Frieden eingehen wollten, einen Frieden zu günstigeren Bedingungen

efhielten. Das ist eine kleine Lehre. Ich weiß, die alte Diplomatie könnenwir ebensowenig erlernen, wie wir uns sonst umkrem peln könne n, aber dieLeh ren, die wir in dieser Ze it auf dem Gebiet der D iplomatie* erteilthaben und die sich die anderen Staaten gefallen lassen mußten, konntendoch nicht ganz spurlos vorübergehen, sie sind sicher im Gedächtnis dese in en o de r a n de re n h af te ng eb lie be n. ( H e i t e r k e i t . ) U n d d a ru m istunsere unumw undene E rklärung, daß die Arbeiter und B auern Rußlandsden Segen des Friedens über alles schätzen, daß sie aber diesbezüglich nurbis zu einer gewissen Grenze zu gehen erlauben werden, so aufgefaßt

worden, daß sie keine Sekunde, keine Minute lang vergessen werden,welche Lasten sie im imperialistischen und im Bürgerkrieg auf sich neh-men m ußten. Diese unsere Mahnu ng werden, davon bin ich überzeugt, derganze Kongreß, die ganze Masse der Arbeiter und Bauern, ganz Rußlandbestätigen und erhärten. Diese Mahnung wird, davon bin ich überzeugt,bestimmt nicht spurlos vorübergehen und immerhin eine gewisse Rollespielen, ganz gleich, wie man sich zu ihr stellt und was für eine diploma-tische List man nach alter diplomatischer Gewohnheit dahinter vermutenmag.

Da s ist es, Genossen, was ich zu unserer interna tionalen Lage zu sagenfür n otw end ig ha lte. Es ist bis zu einem gewissen G rad e ein labiles Gleich-gewicht erreicht worden. Materiell sind wir in ökonomischer und militä-rischer Hinsicht maßlos schwach, moralisch dagegen — dieser Gedanke istnatürlich nicht unter dem Gesichtspunkt der abstrakte n Mo ral, sondern alsreales Kräfteverhältnis aller Klassen in allen Staaten zu verstehen — sindwir stärker als alle anderen. Das ist in der Praxis erprobt, das wird nichtdurch W or te , sondern durch Taten bew iesen, das ist bereits einmal bewie-

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140 W. 1 Lenin

blühendem Zustand befindet, wenn sie die Kleinbauern sofort mit einer

genügenden Produktenmenge oder einer größeren Produktenmenge alsfrüher versofgen und auf diese Weise ein riditiges Verhältnis zwischenden von den Bauern eingehenden Vorräten an landwirtschaftlichen Pro-dukte n und den industriellen Erzeugnissen herstellen kann , dan n wird d ieBauernschaft vollauf zufriedengestellt sein, dann wird die Bauernschaft inihrer Masse, die parteilose Bauernschaft, kraft der Tatsachen anerkennen,daß diese neue Ordnung besser ist als die kapitalistische Ordnung. Sprichtman von einer blühenden Großindustrie, die fähig ist, die Bauernschaftsofort mit allen erforderlichen Produkten zu versorgen, so ist diese Vor-

aussetzung bereits vorhanden; betrachtet man die Frage im Weltmaßstab,so ist die blühende Großindustrie, die die Welt mit allen Produkten ver-sorgen könnte, auf Erden bereits vorhanden, nur versteht man sie nichtanders in Betrieb zu setzen als zu dem Zweck, Geschütze zu bauen, Ge-schosse und andere Waffen herzustellen, die mit so großem Erfolg 1914bis 1918 verwendet worden sind. Damals arbeitete die Industrie für denKrieg, und sie versorgte die Menschheit so reichlich mit ihren Produkten,daß es nicht weniger als 10 Mill. Tote und nicht weniger als 20 Mill.Krüppel gab. Das haben wir gesehen, und ein Krieg im 20. Jahrhundert

ist immerhin nicht mehr das, was die früheren Kriege waren.Aus der Mitte der Leute, die jeglichem Sozialismus am feindseligsten

und am fremdesten gegenüberstehen, die der bescheidensten sozialisti-schen Idee mit unerbittlicher Feindschaft gegenüberstehen, ertönte nachdiesem Krieg sogar in jenen Ländern, die als Sieger aus ihm hervor-gegangen sind, eine große Zahl von Stimmen, die deutlich sagten, daßman einen solchen Krieg wohl kaum noch einmal zulassen könne, selbstwenn es auf der Welt die bösen Bolschewiki nicht gäbe. Das sagen dieVertreter der reichsten Länder. Das ist es, wofür diese reiche, hochent-

wickelte Großindustrie gearbeitet hat. Sie hat dazu gedient, Krüppel zuproduzieren, und es blieb ihr keine Zeit, die Bauern mit ihren Erzeug-nissen zu versorgen. Trotzdem kann man mit Recht sagen, daß eine solcheIndustrie im Weltmaßstab vorhanden ist. Es gibt in der Welt Länder miteiner solchen hochentwickelten Großindustrie, die sofort Hunderte vonMillionen rückständiger Bauern versorgen kann. Wir legen das unserenBerechnungen zugrunde. Sie, die Sie Ihre Beobachtungen im täglichenLeben machen, wissen bessef als sonst jemand, was von unserer Groß-

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IX . gesamtrussischer Sowjetkongreß 141

industrie übriggeblieben ist, die ohnehin schwach entwickelt war. Im

Donezbecken zum Beispiel, dieser Hauptbasis der Großindustrie, ist wäh-rend des Bürgerkriegs so viel zerstört worden, und es haben sich dort soviele imperialistische Regierungen abgelöst (wie viele dieser Regierungenhat die Ukraine erlebt!) — das konnte sich nicht anders auswirken, alsdaß von unserer Großindustrie nur verschwindend kleine Reste übrig-geblieben sind. Kommt dann noch eine solche Katastrophe wie die Miß-ernte 1921 hinzu, so kann man verstehen, daß uns der Versuch, die Bauern-schaft m it Erzeugnissen der in die Hände des Staates übergegangenen Groß-industrie zu versofgen, nicht gelungen ist. Da dieser Versuch nicht gelungenist, kann es keine andere ökonomische Verbindung zwischen der Bauern-schaft und den Arbeitern, d. h. der Landwirtschaft und der Industrie gebenals den Austausch, den Handel. Das ist die Kernfrage. Die Ersetzung derAblieferungspflicht durch die Naturalsteuer — das ist die Kernfrageunserer ökonomischen Politik, und diese Kernfrage ist äußerst einfach.Wenn es keine blühende Großindustrie gibt, die fähig ist, sich so zuorganisieren, daß sie die Bauernschaft sofort mit Produkten versorgenkann, so gibt es für die allmähliche Entwicklung eines mächtigen Bünd-nisses def Arbeiter und Bauern keinen anderen Weg als den Weg desHandels und der allmählichen Hebung der Landwirtschaft und Industrieüber ihren gegenwärtigen Stand hinaus, unter der Leitung und Kontrolledes Arbeiterstaates — einen anderen Weg gibt es nicht. Die absoluteNotwendigkeit hat uns diesen Weg gewiesen. Und nur hierin be-stehen die Grundlage und der Wesenskern unserer Neuen ökonomischenPolitik.

In der Epoche, da die Hauptaufmerksamkeit und die Hauptkräfte aufpolitische und militärische Aufgaben gerichtet waren, konnten wir nichtanders als mit größter Schnelligkeit handeln, indem wir mit der Avant-garde vorwärtsstfebten in dem Bewußtsein, daß diese Avantgarde unter-stützt werden wird. Im Bereich der großen politischen Umgestaltungen,jenes gewaltigen Werkes, das wir im Laufe von drei Jahren bewältigthaben, als wir uns gegen die herrschenden W eltmächte zui1 Wehr setzten,war das Bündnis zwischen den Bauern und den Arbeitern durch denbloßen politischen und militärischen Elan gesichert, denn jeder Bauerwußte, spürte und fühlte, daß ihm ein jahrhundertealter Feind gegenüber-stand, der Gutsbesitzer, den die Vertreter der anderen Parteien so oder

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IX . Qesamtrussisdber Sowjetkongreß 143

machen h ier unvergleichlich mehi* Fehle r, wen n wir rüc kwä rts blicken,

gebannt von der vergangenen Erfahrung, die großartig, erhaben und ma-jestätisch war, die Weltbedeutung hatte, die aber jene Aufgabe ökono-mischen Charakters nicht lösen konnte, welche uns jetzt auferlegt istunter den Bedingungen eines Landes, dessen Großindustrie zerstört ist,unter Bedingungen, die von uns verlangen, daß wir vor allem lernen, jeneökonomische Verbindung herzustellen, die jetzt unvermeidlich und not-wendig ist. Diese Verbindung ist der Handel. Das ist für Kommunisteneine recht unangenehme Entdeckung. Es ist sehr wohl möglich, daß dieseEntdeckung äußerst unangenehm ist, sie ist sogar1 zweifellos unangenehm,

wenn wir uns aber von Erwägungen leiten lassen, ob etwas angenehmoder unangenehm ist, dann werden wir auf das Niveau jener „Beinahe-Sozialisten" hinabsinken, die wir in der Epoche der Provisorischen Regie-run g Kerenskis zur Ge nüge ken neng elernt hab en. Die „Sozialisten" diesesSchlages genießen in unsere r Republik wohl k aum noch irgendeine Auto ri-tät. Unsere Stärke aber lag stets in der Fähigkeit, die realen Verhältnissezu berücksichtigen und sich nicht vor ihnen zu fürchten, so unangenehmsie auch für uns sein mögen.

Insofern es eine Großindustrie im Weltmaßstab gibt, ist zweifellos ein

unmittelbarer Übergang zum Sozialismus möglich, und niemand wirddiese Tatsache bestreiten, wie auch niemand bestreiten wird, daß dieseGroßindustrie entweder den Atem verliert und in den blühendsten undreichsten Siegerländern Arbeitslosigkeit schafft oder nichts anderes tut,als Geschosse für die Ausrottung der Menschen zu fabrizieren. Habenwir abe r angesichts der rückständigen V erhältnisse, unte r dene n wir in dieRevolution eingetreten sind, heute nicht die industrielle Entwicklung, diewir brauchen, wollen wir da etwa verzichten? den Mut sinken lassen?Nein. Wir werden uns an die schwere Afbeit machen, denn der Weg, den

wir beschritten haben, ist richtig. Zweifellos ist der Weg des Bündnissesder Volksmassen der einzige W eg , auf dem die Arbe it des Bauern und dieArbeit des Arbeiters Arbeit für sich selbst und nicht Arbeit für den Aus-beuter sein wird. Um dies aber unter unseren Verhältnissen zu verwirk-

. liehen, ist jene ökonomische Verbindung notwendig, die heute die einzigmögliche ist — die Verbind ung durch die W irtschaft.

Das ist der Grund unseres Rückzugs. Darum mußten wir uns zumStaatskapitalismus zurück ziehen, zu den Konzessionen zurückziehen, zum

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IX . Qesamtrussisdoer Sowjetkongreß 145

lung der Großindustrie so schwierig ist. Wir müssen Erfolge erringen,

und wir beginnen sie zu erringen, aber man darf nicht vergessen, daß wires hier mit einem anderen Tempo und anderen Arbeitsverhältnissen zutun hab en und daß es hier schwerer ist, den Sieg zu erringen. W ir könnenhier unsere Ziele nicht so schnell erreichen, wie uns das auf politischemund militärisdiem Gebiet gelungen ist. Wir können hier nicht stoßweiseund sprungweise vorwärtsgehen, und die Fristen sind hier anders be-messen — sie zählen nach Jahrzehnten. Ja, das sind die Fristen, in denenwir Erfolge im ökonomischen Krieg erkämpfen müssen, und zwar vonunseren N adib arn nidit unters tützt , sondern befehdet.

Unser Weg aber ist der richtige, denn es ist der Weg, den über kurzoder lang unweigerlich audi die anderen Länder beschreiten werden. Wirhaben begonnen, auf diesem richtigen Weg zu gehen. Wir müssen unsnur jeden Schritt, auch den kleinsten, im einzelnen überlegen und alleunsere Fehler, auda die kleinsten, beherzigen, dann werden wir aufdiesem W ege unse r Ziel erreichen.

Genossen, ich müßte jetzt einige Worte über unser Hauptgewerbe, dieLandwirtschaft, sagen, abei1 ich denke, Sie werden zu dieser Frage ein vielausführlicheres u nd vollständigeres Referat hö ren , als ich es halten kön nte ,

ebenso wie über die Hungersn ot, über die Gen. Kalinin zu Ihnen sprechenwird.

Es ist Ihnen allen gut bekann t, Genossen, mit welch ungeheurer W uch tdie Hungersnot 1921 über uns hereinbrach. Diese Katastrophen des altenRußlands mußten sich unvermeidlidi auch auf uns übertragen, denn dereinzige Ausweg hieraus kann nur die Wiederherstellung der Produktiv-kräfte sein, aber nicht auf der alten, armseligen Basis des Kleinbetriebs,sondern auf einer neuen Basis, auf der Basis der1 Großindustr ie und derElektrifizierung. Nur darin liegt die Erlösung von unserer Bettelarmut,

von den ununterbrochenen Hungersnöten, aber für diese Arbeit lassensidi, wie man sofort sieht, nicht die Fristen setzen, mit denen wir1 unserepolitischen und militärischen Siege maßen. Obwohl wir von feindlichenStaaten umringt sind, haben wir die Blockade durdibrochen. So spärlichdie Hilfe auch war, wir haben doch einiges bekommen. Insgesamt beläuftsie sich auf iV i Mill. Pud. Das war die ganze Hilfe, die wir aus demAusland bekamen, die dem hungernden Rußland von den ausländischenStaaten gnädigst erwiesen werden konnte. An Spenden konnten wir an-

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IX . Qesamtrussisdjer Sowjetkongreß 147

sorgung der Hungergebiete mit Saatgut und der Erweiterung der Saat-

flächen überhaupt einen gewissen Erfolg buchen konnten, so hoffen wir,im Frühjahr einen noch größeren Erfolg zu erzielen.

Im Herbst haben wir in den von der Hungersnot betroffenen Gouver-nements ungefähr 75% der Wintersaatflächen bestellt, in den teilweisevon der Mißernte in Mitleidenschaft gezogenen Gouvernements 102%,in den produzierenden Gouvernements 123% , in den konsumierendenGouvernements 126 %. Das zeigt jedenfalls, daß wir, so höllisch schweraudi unsere Verhältnisse waren, der Bauernschaft hinsichtlich der Erwei-terung der Saatflädie und der Bekämpfung der Hungersnot dennoch eine

gewisse Hilfe erwiesen haben. Unter den Verhältnissen, die jetzt ein-getreten sind, können wir, ohne im geringsten zu übertreiben und ohneeinen Irrtum befürchten zu müssen, mit Recht erwarten, daß wif derBauernschaft bei der Sommeraussaat wesentliche Hilfe erweisen werden.Diese Hilfe wird, ich wiederhole es, keineswegs durchgreifend sein. Wirhaben keinesfalls genug Vorräte, um der ganzen Not abzuhelfen. Dasmuß unumwunden gesagt werden. Um so mehr aber müssen wir unsereKräfte anspannen , um diese Hilfe zu erweitern.

In diesem Zusammenhang muß ich die Gesamtzahlen erwähnen, die

sich auf unser Ernährungswesen beziehen. D ie Naturalsteuer brachte denBauern in ihrer Masse, also die gesamte Bauernschaft genommen, imgroßen und ganzen eine Erleichterung. Das braucht nicht bewiesen zuwerden. Es handelt sich nidit nur darum, weldie Getreidemenge derBauer abzuliefern hatte , sondern darum , daß der Bauer sich bei der N atu-ralsteuer sicherer fühlte und daß sich seine Interessiertheit an der Wirt-sdiaft erhöhte. Dem strebsamen Bauern eröffnete die Naturalsteuer beiSteigerung der Produktivkräfte einen breiteren Weg. Das Ergebnis derEinziehung der Naturalsteuer für das Berichtsjahr ist im allgemeinen so,

daß wir sagen müssen: Es gilt, alle unsere Kräfte anzuspannen, um nichtSchiffbrudi zu erleiden.Hier ganz kurz die allgemeine Bilanz, die ich Ihnen nach den letzten

Angaben des Volkskommissariats für Ernährungswesen mitteilen kann.W ir brauchen mindestens 230 Mill. Pud, davon 12 Müll. Pud für die Hun-gernden, 37 Mill. für Saatgut und 15 Mill. für den Reservefonds. Auf-bringen können wir aber 109 Mill. durch die Naturalsteuer, 15 Mill. durchdie Mahlgebühr, 12H Mill. durch Rückerstattung der Saatgutdarlehen,

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148 W.I.Lenin

13H Mill. durch Warenaustausch, 27 Mill. aus der Ukraine und 38 Mill.

Pud aus dem Ausland (38 Mill. , wenn w ir annehm en, da ß wir 30 Mill. aufGrund der Transaktion erhalten, von der ich eben sprach, und außerdem8 Mill. Pud kaufen ). Das macht zusamm en 215 Mill. Pud . Tro tzde m bleibtauf diese Weise ein Defizit, und wir haben kein einziges Pud in Reserve.Ob wir aber noch mehr im Ausland einkaufen können, ist unbekannt.Unser Ernährungsplan ist jetzt ganz knapp bemessen, um die Bauern-schaft, die unter der Hungersnot gelitten hat, so wenig wie möglich zubelasten. Ha ben wir 1920 38 Mill. Personen auf Staatskosten unterh alten,so haben wir diese Zahl jetzt auf 8 Mill. Reduziert. Hieraus läßt sich aber

nu r der eine Schluß ziehen: Die Na turalsteu er m uß z u 100 % , d. h. voll-ständig, aufgebracht werden, koste es, was es wolle. Wir vergessenkeineswegs, daß das für die Bauernschaft, die so viel erlitten hat, eine un-geheure Last bedeutet. Ich weiß sehr gut, daß es den Genossen im Landedra uß en , auf deren Schultern die ganze Last der Lebensmittelbeschaffunglag, besser bekann t ist als mif, was diese Aufgabe bedeu tet, die N atu ral-steuer unbedingt jetzt zu 100% aufzubringen. Ich muß Ihnen aber imNamen der Regierung als Fazit des Rechenschaftsberichtes über unsereArbeit im Jahre 1921 sagen: Diese Aufgabe, Genossen, muß erfüllt wer-

den, diese Schwierigkeit müssen wir in Kauf nehmen, und diese Lastmüssen wir bewältigen. Andernfalls ist das Grundlegendste, das Elemen-tarste auf dem Gebiet unseres Verkehrswesens und unserer Industrie nichtgewährleistet, das minimalste, absolut notwendige Budget nicht gewähr-leistet, ohne das man in der Lage, in der wir uns befinden, umringt vonFeinden und bei einem höchst labilen internationalen Gleichgewicht, niditexistieren kann.

Ohne ungeheure Anstrengungen gibt es aus der Lage, in die wir, vomimperialistischen Krieg und vom Bürgerkrieg gepeinigt und von den regie-

renden Klassen aller Länder gehetzt, geraten sind, keinen Ausweg undkann es keinen geben, und darum muß man ohne Furcht vor der bitterenW ahr heit klipp und klar sagen und im Nam en des Kongresses allen Funk-tionären im Lande draußen einschärfen: „Genossen, die ganze Existenzder Sowjetrepublik, unser ganzer äußerst bescheidener Plan der Wieder-herstellung des Verke hrswese ns un d der Indus trie ist darauf aufgeb aut,daß wir das allgemeine Ernährungsprogramm erfüllen. Darum ist es eineunbedingte Notwendigkeit , die Naturals teuer zu 1 0 0 % aufzubringen."

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152 W.J.Lenin

Wirtschaft. Es gibt keine andere Rettung für die Republik, für die Be-

hauptung, Erhaltung und Festigung der Macht der Arbeiter und Bauern,als energische Arbeit in dieser Beziehung. D aß wir keine geringen Erfolgeerzielt haben, das hat insbesondere das Beispiel des Donezbeckens ge-zeigt, wo mit außerordentlicher Hingabe und außerordentlichem Erfolgsolche Genossen gearbeitet habe n wie Gen. Pjatakow auf dem G ebiet derGroßindustrie und wie Gen. Ruchimowitsch auf dem Gebiet der Klein-industrie, welch letzterem es zum erstenmal gelungen ist, die Kleinindu-strie so weit zu bringen, daß sie einiges wenige lieferte. In der Groß-industrie hat die Arbeitsleistung des Häuers die Vorkriegsnorm erreicht,

was bei uns früher nicht der Fall wa r. Die gesamte Kohlenförderung desDonezbeckens belief sich, wen n w ir das Jah r 1920 nehm en, auf 272 M ill.Pud . Sie betrug 272 Mill. Pu d, 1921 aber beträgt sie 350 Mill. Diese Za hlist im Vergleich zu der Höchstzahl der Vorkriegszeit — 1 Milliarde 700Millionen Pud — außerordentlich klein. Immerhin ist es aber etwas. Daszeigt, daß ein ernsthafter Schritt vorwärts gemacht wird. Das ist immer-hin ein Schritt vorwärts bei der Wiederherstellung der Großindustrie,und um die Großindustrie wiederherzustellen, dürfen wir keine Opferscheuen.

Noch ein paar Worte über die Hüttenindustrie. In dieser Hinsicht istunsere Lage besonders schwer. Wir erzeugen, grob geschätzt, etwa 6%dessen, was in der Vorkriegszeit erzeugt worden ist. In solchen Ruin, insolche Bettelarmut haben der imperialistische Krieg und der BürgerkriegRußland gestürzt! Aber wir kommen natürlich voran. Bei uns entstehensolche Zentren wie „Südstahl", wo Gen. Meshlauk ebenfalls äußerst hin-gebungsvoll arbeitet. So schwer auch unsere Lage ist, wir sehen hier docheinen großen Erfolg. In der ersten Hälfte 1921 schmolzen wir monatlidi70000 Pud Roheisen, im Oktober 130000, im November 270000, d. h.

fast das Vierfache. Wir sehen, daß wir keinen Grund haben, in Panik zuverfallen. Wir verhehlen uns keineswegs, daß die Zahlen, die ich ange-führt hab e, von einem kläglichen, armseligen N iveau zeugen, wir kö nnenaber doch mit diesen Zahlen beweisen, daß wir, wie schwer das Jahr 1921auch war, welch außerordentliche Schwierigkeiten die Arbeiter- undBauernklasse auch zu ertragen hatte, dennoch vorankommen, daß wir aufdem rechten W eg sind und, wen n wir alle Kräfte anspannen , darauf hoffenkönnen, daß der Aufstieg noch steiler wird.

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IX , gesamtrussischer Sowjetkongreß 153

Ich hätte noch gern einige Angaben über den Erfolg der Elektrifizierung

gemacht. Leider haben wir vorläufig keinen großen Erfolg aufzuweisen.Ich hatte damit gerechnet, daß ich den IX. Kongreß zur Inbetriebnahmeeiner von der Sowjetmacht erbauten zweiten großen Kraftzentrale be-glückwünschen könnte,- die erste ist Schatura, die zweite — die neue Zen-trale — das Kraftwerk Kaschira, das wir gerade im Dezember zu eröffnenbeabsichtigten.32 Es hätte uns in der ersten Zeit 6000 Kilowatt Strom ge-liefert— und kann das auch leisten—, was bei den 180 00K ilow att, die wirin Moskau haben, eine wesentliche Hilfe wäre. Hier hat aber eine ganzeReihe von Hindernissen dazu geführt, daß wir dieses Kraftwerk im

De zem ber 1921 noch nicht in Betrieb nehmen kön nen. D as wird in K ürzegeschehen, spätestens in einigen Wochen, überhaupt haben Sie sich ver-mutlich für den Bericht interessiert, der dieser Tage in der „Ekonomi-tscheskaja Shisn" erschienen und von Ingenieur Lewi unterzeichnet ist —einem der führenden Teilnehm er des VIII. Gesamtrussischen Elektrotech-nischen Kongresses und überhaupt einem unserer besten Fachleute. Ausdiesem Bericht will ich Ihnen nur kurz die folgenden Zahlen nennen:Wenn wir die Jahre 1918 und 1919 zusammennehmen, so wurden beiuns in dieser Zeit 51 Kraftwerke mit einer Kapazität von 3500 Kilowatt

in Betrieb genommen. Wenn wir die Jahre 1920 und 1921 zusammen-zählen, so wurden 221 Kraftwerke mit einer Kapazität von 12000 Kilo-watt in Betrieb genommen. Vergleicht man diese Zahlen mit denen West-europas, so scheinen sie natürlich äußerst kläglich, armselig zu sein. Abersie zeigen, wie die Sache sogar beim Vorhandensein von Schwierigkeiten,wie sie kein andres L and ken nt, vorwä rtsgehen kan n. Keine geringe Rollespielte die Ausb reitung kleiner Kraftwerke auf dem L ande . Es m uß offengesagt werden, daß hierfür sehr oft etwas, abgezweigt worden is t . Aberauch in diesen Abzweigungen liegt ein gewisser Nutzen. Durch diese

kleinen Kraftwerke wurden auf dem Lande Zentren der neuen modernenGroßindustrie geschaffen. Obzwar winzig klein, zeigen sie doch denBauern, daß Rußland nicht bei der Handarbeit haltmacht, nicht beimprimitiven Holzpflug stehenbleibt, sondern vorwärtsschreitet, anderenZeiten entgegen. U nd in die Ma ssen der Bauern dringt allmählich der G e-danke ein, daß wir Rußland auf eine andere Basis stellen müssen undkönnen. Die Fristen sind hierfür, wie ich schon sagte, nach Jahrzehntenbemessen, aber die Arbeit hat bereits begonnen, der Gesichtskreis der

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156 "W. 1 Lenin

den Verhältnissen der Armut, unter den Verhältnissen unerhörter Lasten

und Schwierigkeiten, von Brotmangel, Hunger und Kälte, aber das ist dieeinzig richtige Lehre, die wir durchmachen müssen. Hier w äre jeder Ver-such, sich vor dieser Aufgabe zu drücken, jeder Versuch, die Augen davorzu verschließen, in der Meinung, das ginge einen nichts an, seitens einesjeden Kommunisten oder Gewerkschafters verbrecherischster und ge-fährlichster Hochmut. Genossen, wir alle, die wir Sowjetrußland regieren,leiden sehr an dieser Schwäche, und wir müssen das ganz offen zugeben,um uns von diesem Fehler frei zu machen.

Wir gehen an die Aufgaben unseres wirtschaftlichen Aufbaus auf

Grund unserer Erfahrungen von gestern heran, und darin liegt geradeunser grundlegender Fehler. Ich möchte Ihnen hier ein französischesSprichwort anführen, das besagt, daß bei den Menschen Vorzüge undMängel gewöhnlich eng zusammenhängen. Die Mängel eines Menschensind gewissermaßen die Fortsetzung seiner Vorzüge. Aber wenn man dieVorzüge weiter fortsetzt, als nötig ist, wenn sie nicht dann in Erscheinungtreten, wann es nötig ist, und nicht dort, wo es nötig ist, dann werden siezu M ängeln. Wahrscheinlich hat das fast jeder von Ihnen im persönlichenLeben und überhaupt beobachtet, und wir beobachten jetzt in der ganzen

Entwicklung unserer Revolution wie unserer Partei und unserer Gewerk-schaften, der Hauptstütze der Partei, wir beobachten am ganzen Apparat,der Sowjetrußland regiert, diesen Mangel, der gewissermaßen eine Fort-setzung unserer Vorzüge ist. Der größte Vorzug war, daß wir auf poli-tischem und militärischem Gebiet einen welthistorischen Schritt gemachthaben, der in die Weltgeschichte als Ablösung einer Epoche durch eineandere eingegangen ist. Un d welche Qualen wir auch noch erdulden müs-sen — das kann uns niemand streitig machen. Aus dem imperialistischenKrieg und aus unseren Nöten sind wir nur durch die proletarische Revo-

lution herausgekommen, nur deshalb, weil die Sowjetordnung die alteOrdnung abgelöst' hat. Das läßt sich nicht mehr rückgängig machen, dasist ein unanfechtbares, unbestreitbares und unverrückbares Verdienst, dasunsere Feinde uns durch keinerlei Anstrengung und keinerlei Druck mehrnehmen können, aber gerade dieser Vorzug wird zu einem sehr gefähr-lichen Mangel, wenn man ihn dort fortsetzt, w o es nicht angebracht ist.

Die politischen und militärischen Aufgaben konnten auf der gegebenenBewußtseinsstufe der Arbeiter und Bauern durch einen Aufschwung des

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IX . Qesamtrussisdber Sowjetkongreß 159

durch den Enthusiasmus der Vortru pps entschieden, denen die'Masse spon-

tan und halb bewußt folgte. Anders konnte die Entwicklung in einer vonZa ren, G utsbesitzern un d Kapitalisten niedergehaltenen Gesellschaft auchnicht verlaufen. Und diesen Teil der Arbeit, d. h. die politische Umwäl-zung , haben wir so durchgef üh rt, daß die welthistorische Bedeutung dieserTat unbestritten ist. Später, nach der großen politischen Umwälzung, trittjedoch eine and ere Aufgab e auf d en Plan, die man begreifen m uß : Es gilt,diese Umwälzung zu verarbeiten, sie ins Leben umzusetzen, ohne sichdamit herauszureden, daß die Sowjetordnung schlecht sei und daß mansie um gestalten m üsse. Es gibt bei uns schrecklich viele Leute , die auf U m -

gestaltungen jedweder Art versessen sind, und durch diese Umgestaltun-gen wird so großes Unheil angerichtet, wie ich es in meinem ganzenLeben nicht kennengelernt habe. Daß es bei uns im Apparat bei derOrganisierung der Massen Mängel gibt, weiß ich ausgezeichnet, und ichmache mich anheischig, Ihnen zu zehn Mängeln, die mir jeder von Ihnenaufzeigen kann, sofort ein weiteres Hundert zu nennen. Aber es gehtnicht darum, den Apparat durch eine schnelle Reorganisation zu ver-bessern, sondern da rum , daß diese politische Um wälz ung verarbe itet w er-den muß, damit in Kultur und Wirtschaft ein neues Niveau erreicht wird.

Darauf kommt es an. Nicht umgestalten soll man, sondern im Gegenteilhelfen, die zahlreichen Mäng el zu beseitigen, die es in der Sowjetordnungund im ganzen Verwaltungssystem gibt, damit Dutzenden und Millionenvon Menschen geholfen wird . Die gan ze Ma sse der Bauernschaft m uß unshelfen, die gewaltige politische Errungenschaft, die wir gemacht haben, zuverarbeiten. H ier he ißt es nüchtern bleiben und sich Rechenschaft darü berablegen, da ß w ir diese Errungenschaft zw ar hab en, daß sie aber noch nichtvöllig in die Ökon om ik des Alltagslebens und in die Existenzbedingungender Massen eingegangen ist. Hier gibt es Arbeit für ganze Jahrzehnte,und dafür müssen gewaltige Anstrengungen gemacht werden. Diese Ar-beit ist nicht in dem Tempo, mit der Schnelligkeit und unter den Bedin-gungen zu leisten, unte r den en w ir die militärische A rbeit geleistet haben.

Bevor ich schließe, erlau be ich m ir, diese Le hre — daß M ängel zuweilendie Fortsetzung un serer Vorzüge sind — noch auf eine unsere r Institu-tionen, nämlich auf die Gesamtrussische Tscheka auszu dehn en. Geno ssen!Es ist Ihnen allen natürlich bekannt, was für einen wilden Haß dieseInstitution bei den russischen Emigranten und den zahlreichen Vertretern

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der regierenden Klassen der imperialistischen Länder hervorruft, die mit

diesen russischen Em igranten un ter einem Dach lebe n. W ie könnte es auchanders sein! Das ist ja die Institution, die unsere schärfste Waffe wargegen die unzähligen Verschwörungen, die unzähligen Anschläge auf dieSowjetmacht seitens der Leute, die unvergleichlich stärker waren als wir.Ihnen, den Kapitalisten und Gutsbesitzern, verblieben alle internationa-len Verbindungen , sie genossen jegliche internationale U nters tützu ng, sieerhielten Unterstützung von Staaten, die unvergleichlich mächtiger sindals unser Staat. Sie wissen aus der Geschichte dieser Verschwörungen, wiediese Leute vorgegangen sind. Sie wissen, daß man darauf nicht anders

antworten konnte als mit Repressalien, mit erbarmungslosen, schnellen,sofortigen Repressalien, die sich auf die Sympathie der Arbeiter undBauern stützten. D as ist das Verdienst unserer Gesamtrussischen Tscheka.Wir werden das stets betonen, wenn wir in direkter oder indirekter Formdas Gezeter hören, wie wir es oftmals aus dem Ausland hören, das jenerussischen Vertreter anstimmen, die das W or t „Tscheka" in allen Sprachenzu gebrauchen verstehen und es als Muster, als Typus russischer Barbareibezeichnen.

Me ine H err en Kapitalisten," russische un d ausländische! W ir wissen,

daß ihr diese Institution nicht liebgewinnen könnt. Das wäre ja nochschöner! Sie hat es verstanden, eure Intrigen und Schliche wie niemandsonst unter Bedingungen abzuwehren, da ihr uns zu erdrosseln suchtet,da ihr uns mit Überfällen eingekreist habt, da ihr Verschwörungen imInnern angezettelt habt und vor keinerlei Verbrechen zurückgeschrecktseid, um unsere friedliche Arbeit zu hintertreiben. Wir konnten daraufnicht anders antworten als mit dieser Institution, die jeden Schritt der Ver-schwörer verfolgte und sich darauf verstand, nicht lange zu überreden,sondern unverzüglich zu strafen. Ohne eine solche Institution kann die

Mac ht der W erktätig en nicht bestehen, solange es auf der W elt noch Au s-beuter gibt, die nicht gewillt sind, den Arbeitern und Bauern ihre Guts-besitzer- und Kapitalistenrechte auf dem Präsentierteller darzubiete n. Daswissen wir sehr gut, aber wir, wissen auch, daß die Vorzüge eines Men-schen zu seinen Mängeln werden können, und wir wissen, daß die Lage,die sich bei uns herausgebildet hat, gebieterisch verlangt, diese Institutionauf die rein politische Sphäre zu beschränken, ihre Tätigkeit auf die Auf-gaben zu konzentrieren, bei deren Lösung ihr die Verhältnisse und Be-

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IX . gesamtrussischer Sowjetkongreß 161

dingungen zustatten kommen. Wenn die Versuche der Konterrevolution

derart bleiben, wie sie bisher waren — und wir haben keine Beweise da-für, daß sich die Mentalität unserer Gegner in dieser Beziehung geänderthat, wir haben keinen Grund, das anzunehmen —, so werden wir so zuantworten verstehen, daß man unsere Antwort ernst nimmt. Der Sowjet-staat läßt ausländische Vertreter ins Land, die unter dem Vorwand kom-men, Hilfe zu leisten, aber diese Vertreter helfen, die Sowjetmacht zustürzen. Dafür haben wir Beispiele. Wir werden nicht in die Lage einessolchen Staates kommen, denn wir wissen eine solche Institution wie dieGesamtrussische Tscheka zu schätzen und einzusetzen. Das können wir

allen und jedem garantieren. Zugleich aber sagen wir ganz deutlich, daßes notwendig ist, die Gesamtrussische Tscheka einer Reform zu unter-ziehen, ihre Funktionen und Kompetenzen festzulegen und ihre Arbeitauf politische Aufgaben zu beschränken. W ir haben gegenwärtig die Auf-gabe, den Warenumlauf zu entwickeln — das erheischt die Neue ök on o-mische Politik —, das aber erfordert größere revolutionäre Gesetzlichkeit.Es ist klar, hätten wir unter den Bedingungen des militärischen Angriffs,als der Feind die Sowjetmacht an der Gurgel packte, hätten wir damalsdiese Aufgabe an die Spitze gestellt, so wären wir Pedanten gewesen,hätten wir Revolution gespielt, aber nicht Revolution gemacht. Je mehrwir in Verhältnisse eintreten, die feste und sichere Machtverhältnisse sind,je stärker sich der Warenumlauf entwickelt, desto nachdrücklicher mußdie entschiedene Losung der Verwirklichung größerer revolutionärer Ge-setzlichkeit in den Vordergrund gerückt werden, und desto mehr verengtsich die Sphäre der Institution, die auf jeden Schlag der Verschwörer miteinem Gegenschlag antwortet. Das ist das Ergebnis der Erfahrungen, Be-obachtungen und Überlegungen, die von der Regierung im Laufe des Be-richtsjahres gemacht worden sind.

Zum Schluß muß ich sagen, Genossen, daß die Aufgabe, die wir indiesem Jahr lösen und die wir bis jetzt so schlecht gelöst haben — derZusammenschluß der Arbeiter und Bauern zu einem festen ökonomischenBündnis, selbst unter den Verhältnissen größter Armut und Zerrüttung —,daß diese Aufgabe von uns jetzt richtig gestellt worden ist, daß wir einerichtige Linie bezogen haben und es in dieser Beziehung keine Zweifelgeben kann. Und vor dieser Aufgabe steht nicht nur Rußland, sondern dieganze Welt.

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IX. Qesamtrussisöoer Sowjetkongreß 163

D I R E K T I V E F Ü R D I E A R B E I TA U F W I R T S C H A F T L I C H E M G E B I ET ,

A N G E N O M M E NV O M IX. G E S A M T R U S S I S C H E N S O W J E T K O N G R E S S

2 8 . D E Z E M B E R 1 9 2 1

Der IX. Gesamtrussische Sowjetkongreß gibt nach Entgegennahme derReferate und Berichte der Volkskommissariate über die wirtschaftlicheTätigkeit im Berichtsjahr allen zentralen und lokalen Sowjetinstitutionendie nachstehenden grundsätzlichen Anweisungen, die bestimmt sind, dieBeschlüsse des Sowjetkongresses zu einzelnen Fragen der Arbeit auf wirt-schaftlichem Gebiet zu ergänzen und zu verallgemeinern, und die striktdurchgeführt werden müssen:

1. Der Sowjetkongreß befiehlt allen Wirtschaftsorganen, als wichtigsteund vordringliche Aufgabe ihrer Tätigkeit zu betrachten, daß bei der Ver-sorgung der Bauernschaft mit einer großen Menge von W are n, die für denAufschwung der Landwirtschaft und für die Verbesserung der Lebenslageder werktätigen Masse der Bauernschaft notwendig sind, in kürzesterFrist und um jeden Preis dauerhafte praktische Erfolge erzielt werden.

2. Dieses Ziel als das Hauptziel müssen alle leitenden Organe derIndustrie stets im Auge behalten, selbstverständlich ohne dabei die hun-dertprozentige Versorgung der Roten Armee, die im Interesse der un-

geschwächten Verteidigungsfähigkeit der Sowjetrepublik an erster Stellezu stehen hat, auch nur im geringsten zu vernachlässigen.3. Demselben Ziel muß die Verbesserung der Lage der Arbeiter in dem

Sinne untergeordnet sein, daß alle Arbeiterorganisationen (in erster Liniedie Gewerkschaften) verpflichtet werden, für eine solche Umstellung derIndustrie Sorge zu tragen, die geeignet ist, die Bedürfnisse der Bauern-schaft rasch und umfassend zu befriedigen. Dabei sind Lohnerhöhungenund Verbesserungen in der Lebenslage der Industriearbeiter unmittelbar

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164 W.J.Lenin

davon abhängig zu machen, in welchem Grade diesbezüglich Erfolge

erreicht werden.4. Demselben Z iel muß die Tätigkeit des Volkskommissariats für Finan-

zen untergeordnet sein, dem der IX. Sowjetkongreß die Aufgabe stellt,unter Anspannung aller Kräfte und mit größtmöglicher Schnelligkeit dieEmission von Papiergeld einzuschränken und später übe rhaup t einzustel-len und wieder einen geregelten Geldumlauf auf der Basis der Goldwäh-rung einzuführen. Die Ersetzung der Emission durch Steuern muß striktund ohne die geringste Verschleppung durchgeführt werd en.

5. Dasselbe Ziel müssen sich alle für den Innen- und Außenhandel zu-

ständigen Organe und Institutionen, d. h. der Zentralve rband der Konsum-genossenschaften, das Volkskommissariat für Außenhandel usw., als ihrHauptziel stellen. Der Sowjetkongreß wird die Erfolge dieser Institutionennur an den schnellen praktischen Ergebnissen messen, die bei der Entwick-lung des Umsatzes zwischen Landwirtschaft und Industrie erzielt werden,und beauftragt die leitenden Organe der Sowjetmacht, ebenso zu ver-fahren. Insbesondere stellt der Sowjetkongreß die Aufgabe, stärker aufdie privaten Wirtschaftsunternehmungen zurückzugreifen, was die Ge-winnung und Ausfuhr von Rohstoffen sowie jederlei Entwicklung des

Handels betrifft. Den Staatsorganen weist er hierbei eine kontrollierendeund lenkende Rolle zu, wobei jede Ar t von Verschleppung und B ürokratis-mus, die der lebendigen Sache schaden, schonungslos zu ahnden ist.

6. Von allen zuständigen Wirtschaftsorganen und -institutionen ver-langt der IX. Sowjetkongreß, daß sie unvergleichlich aufmerksamer undenergischer als bisher alle einigermaßen befähigten Kräfte aus den Reihender parteilosen Arbeiter und Bauern zur staatlichen Tätigkeit auf diesemGebiet heranziehen.

Der Kongreß stellt fest, daß wir in dieser Beziehung zurückgeblieben

sind; — daß in dieser Beziehung nicht systematisch und beharrlich genuggearbeitet wird; — daß der Kreis der Wirtschafts- und Staatsfunktionärein dieser Beziehung unbedingt und dringend erweitert werden muß; — daßinsbesondere jedem Erfolg, der zum wirtschaftlichen Aufschwung beiträg t,regelmäßiger entweder durch den Orden „Banner der Arbeit" oder durchGeldprämien Anerkennung gezollt werden muß.

Der Sowjetkongreß lenkt die Aufmerksamkeit aller Wirtschaftsorganeund der verschiedenartigsten Klassenörganisationen, die nicht rein Staat-

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IX . Qesamtrussisdher Sowjetkongreß 165

liehen Charakter tragen, auf die unbedingte Notwendigkeit, für den wirt-

schaftlichen Aufbau noch beharrlicher Spezialisten heranzuziehen. Dar-unter sind sowohl Vertreter der Wissenschaft und Technik als auch Men-schen zu verstehen, die sich durch praktische Tätigkeit Erfahrungen undKenntnisse im Handel, in der Organisation großer Unternehmungen, inder Kontrolle geschäftlicher Tran saktione n u. dgl. m. erworbe n habe n.Die zentralen und lokalen Institutionen der RSFSR haben ständig dafürzu sorgen, daß die Lage de r Spezialisten verbessert und unter ihrer L eitungein breiter Kreis von Arbeite rn u nd Bauern angelernt w ird.

7. Vom Volkskommissariat für Justiz fordert der IX. Sowjetkongreß

unvergleichlich größere Energie in zweierlei Hinsicht:Erstens müssen die Volksgerichte der Republik die Tätigkeit der priva-

ten Händler und Unternehmer aufmerksam verfolgen; sie dürfen nichtzulassen, daß deren Tätigkeit im geringsten eingeengt wird, müssen jedochgleichzeitig den kleinsten Versuch, von der strikten Einhaltung der Ge-setze der Republik abzuweichen, auf das strengste bestrafen und diebreiten Massen der Arbeiter und Bauern dazu erziehen, sich selbständig,rasch und tatkräftig einzuschalten, wenn es gilt, über die Einhaltung derGesetzlichkeit zu wachen.

Zweitens müssen die Volksgerichte aufmerksamer darauf achten, daßBürokratismus, Amtsschimmelei und schlechte Wirtschaftsorganisation ge-richtlich geah ndet we rden. Prozesse dieser A rt sind notwe ndig; erstens umdas Verantwortungsgefühl gegenüber diesem Übel zu heben, das unterunseren Verhältnissen so schwer zu bekämpfen ist, zum andern, um dieAufmerksamkeit der Arbeiter- und Bauernmassen auf diese höchst wich-tige Frage zu lenken und um das praktische Ziel zu erreichen: größerewirtschaftliche Erfolge.

Der IX. Sowjetkongreß ist der Meinung, daß in der neuen Periode die

Aufgabe des Volkskommissariats für Bildungswesen darin besteht, in kür-zester Frist auf allen Gebieten einen Stamm von Spezialisten a us Arbe iter-und B auernkreisen heran zubilde n, und empfiehlt, die schulische un d auße r-schulische Bildungsarbeit noch stärker mit den aktuellen wirtschaftlichenAufgaben sowohl der gesamten Republik als auch des jeweiligen Gebietesund Orte s zu verbinden. Insbesondere stellt der IX. Sowjetkongreß fest,daß bei weitem noch nicht genügend getan wurde, um den Beschluß desVIII. Sowjetkongresses über die Propagierung des Plans der Elektrifizie-

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168 VJ. Lenin

essanten" Charakter der Vorschläge, die wir der englischen Arbeiterparteimachen, zu verstehen. Im großen und ganzen soll der Entwurf der Noteeine ausgemacht höfliche und außerordentlich populäre (dem Begriffs-vermögen zehnjähriger Kinder angepaßte) Verspottung der idiotischenFührer der englischen Arbeiterpartei sein.

Ich schlage dem Politbüro vor, zu überlegen, ob man nicht eine Ab-schrift dieses Briefes an Krassin schicken sollte. Ich persönlich spreche michdafür aus.

27. XII. 1921 £enin

Zuerst veröffentlicht am 2 i.Januar 1930 Jelefonisdh diktiert,in der „Vrawda"Nr.2i. jyjöcfc einer masdbine-

gesdhriebenen Kopie.

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Ü B E R D I E R O L L E

U N D D I E A U F G A B E N D ER G E W E R K S C H A F T E N

U N T E R D E N V E R H Ä L T N I S S E N

D ER N E U E N Ö K O N O M I S C H E N P O L IT I K

Beschluß des ZK der KPR(B) vom 12. Januar 192235

1. D IE N E U E Ö K O N O M I S C H E P O L IT IKU N D D I E G E W E R K S C H A F T E N

Die Neue ökonomische Politik führt zu einer Reihe wesentlicher Ver-änderungea in der Lage des Proletariats und folglich auch der Gewerk-schaften. Die überwiegende Masse der Produktionsmittel auf dem Gebietder Industrie und des Verkehrswesens bleibt in den H änden des proletari-schen Staates. Zusammen mit der Nationalisierung des Grund und Bodens

zeigt dieser Umstand, daß die Neue ökonomische Politik das, Wesen desArbeiterstaates nicht verändert, die Methoden und Formen des sozialisti-schen Aufbaus jedoch wesentlich ändert, denn sie läßt auf der Basis einerBefriedigung der vielmillionenköpfigen Bauernschaft über den Markt denökonomischen Wettstreit zu zwischen dem im Aufbau befindlichen Sozia-lismus und dem nach Wiedererstehung strebenden Kapitalismus.

Die Änderungen der Formen des sozialistischen Aufbaus werden durchden Umstand hervorgerufen, daß in der gesamten Politik des Übergangsvom Kapitalismus zum Sozialismus die Kommunistische Partei und die

Sowjetmacht jetzt bei diesem Übergang besondere Methoden anwenden,in vieler Beziehung auf eine andere Art vorgehen als früher, eine Reihevon Positionen sozusagen durch eine „neue Umgehung" erobern, einenRückzug durchführen, um besser vorbereitet wieder zum Angriff auf denKapitalismus überzugehen. Insbesondere sind gegenwärtig freier Handelund Kapitalismus, die der staatlichen Regelung unterstehen, zugelassenund entwickeln sich, während anderseits die sozialisierten Staatsbetriebeauf das sogenannte Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung, d. h.

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auf komm erzielle Grundlage, übergeführt werden, was bei der allgemeinen

kulturellen Rückständigkeit und Erschöpfung des Landes unvermeidlich ingrößerem oder geringerem Maße dahin führen wird, daß im Bewußtseinder Massen die Betriebsleitung und die im Betrieb beschäftigten Arbeiterals einander entgegengestellt erscheinen.

2. DER STAATSKAPITALISMUSIM PROLETARISCHEN STAAT

U N D D I E G E W E R K S C H A F T E N

Ohne sein Wesen zu ändern, kann der proletarische Staat die Freiheitdes Handels und die Entwicklung des Kapitalismus nur bis zu einem be-stimmten Grade zulassen und nur unter der Bedingung der staatlichenRegelung (Aufsicht, Kontrolle, Festsetzung der Formen, der Ordnungusw.) des Privathandels und des privatwirtschaftlichen Kapitalismus. DerErfolg einer solchen Regelung hängt nicht nur von der Staatsmacht ab,sondern noch mehr vom Reifegrad des Proletariats und der werktätigenMassen im allgemeinen, sodann vom Kulturniveau usw. Aber selbst bei

vollem Erfolg einer solchen Regelung bleibt der Gegensatz zwischen denKlasseninteressen der Arbeit und des Kapitals unbedingt bestehen. Dar-um besteht von nun an eine der wichtigsten Aufgaben der Gewerkschaftendarin, die Klasseninteressen des Proletariats in seinem Kampf gegen dasKapital in jeder H insidit und mit allen Mitteln zu verteidigen. Diese Auf-gabe muß offen an eine der ersten Stellen gerückt werden, der Gewerk-sdiaf tsapparat muß entsprechend umgebaut, abgeändert oder ergänzt wer-den (Konfliktkommissionen, Streikfonds, Fonds für gegenseitige Hilfe usw.müssen gegründet, richtiger gesagt, von Fall zu Fall geschaffen werden).

3. DIE STAATLICHEN BETRIEBE,D I E A U F D I E S O G E N A N N T E W I R T S C H A F T L I C H E

R E C H N U N G S F Ü H R U N G Ü B E R G E F Ü H R T W E R D E N ,U N D D I E G E W E R K S C H A F T E N

Die Überführung der Staatsbetriebe auf die sogenannte wirtschaftlicheRechnungsführung ist unvermeidlich und untrennbar verbunden mit der

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172 W. I.Lenin

munistisdie Partei und die Sowjetmadit als audi die Gewerksdiaften offen

anerkennen, daß der ökonomisdie Kampf besteht und so lange unvermeid-lidi ist, bis die Elektrifizierung der Industrie und der Landwirtsdiaftwenigstens in den Grundzügen abgesdilossen und damit die Axt an alleWurzeln des Kleinbetriebs und der Marktherrsdiaft gelegt ist.

Anderseits ist es augensdieinlidi, daß das Endziel des Streikkampfesunter dem Kapitalismus die Zerstörung des Staatsapparats, der Stu rz derStaatsmacht der gegebenen Klasse ist. Aber beim proletarisd ien Staat vomübergangstyp us, wie es der unsere ist, kann das Endziel jeder Aktion derArbeiterklasse nur die Festigung des proletarisdien Staates und der Staats-

madit der proletarisdien Klasse, auf dem W ege des Kampfes gegen büro -kratisdie Auswüdise dieses Staates, gegen seine Fehler und Sdiwädien,gegen die sidi seiner Kontrolle entziehenden Klassengelüste der Kapita-listen usw. sein. Darum können sowohl die Kommunistisdie Partei unddie Sowjetmadit als audi die Gewerksdiaften keinesfalls vergessen unddürfen den Arbeitern und werktätigen Massen niemals"verhehlen, daß dieAnwendung des Streikkampfes in einem Staat mit prbletarisdier Staats-

. madit aussdiließlidi erklärt und gereditfertigt werden kann durdi büro-kratisdie Auswüdise des proletarisdien Staates und alle möglidien Über-

reste der kapitalistisdien Vergangenheit in seinen Institutionen einerseitsund durdi die politisdie Unentwidceltheit und kulturelle Rüdcständigkeitder werktätigen Massen anderseits.

Deshalb ist es bei Reibungen und Konflikten zwisdien einzelnen Grup-pen der Arbeiterklasse und einzelnen Institutionen und Organen desArbeiterstaates die Aufgabe der Gewerksdiaften, mitzuwirken an dermöglidist sdinellen und sdimerzlosen Beilegung der Konflikte mit maxi-malen Vorteilen für die von ihnen vertretenen Arbeitergruppen, soweitdiese Vorteile erre idit werden können ohne Benäditeiligung anderer Grup-

pen und ohne Sdiaden für die Entwiddung des Arbeiterstaates und seinerWirtsdiaft als Ganzes, denn nur diese Entwiddung kann die Grundlagefür das materielle und geistige Wohl der Arbeiterklasse sdiaffen. Dieeinzig riditige, gesunde und zweckmäßige Methode für die Beilegung vonReibungen und Konflikten zwisdien einzelnen Teilen der Arbeiterklasseund Organen des Arbeiterstaates ist eine vermittelnde Beteiligung derGewerksdiaften, die durd i ihre entspredienden O rgane entweder mit deninteressierten Wirtschaftsorganen auf Grund genau formulierter Förde-

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Tiber die Holle und die Aufgaben der Qewerksdbaften 173

rangen und Vorschläge beider Seiten Verhandlungen aufnehmen oder andie höheren staatlichen Instanzen appellieren.

In Fällen, wo die unrichtige Handlungsweise von Wirtschaftsorganen,die Rückständigkeit gewisser Arbeitergruppen, die provokatorische Tätig-keit kon terrevo lutionä rer Elem ente oder schließlich die man gelnde Um sichtder Gewerkschaftsorganisationen selbst zu offenen Konflikten in Formvon Streiks in Staatsbetrieben usw. führen, ist es die Aufgabe der Ge-werkschaften, zur schnellsten Liquidierung der Konflikte beizutragendurch M aßna hm en, die sich aus dem C harak ter der Gewerkschaftsarbeitergeben: durch Ergreifung von Maßnahmen zur Beseitigung tatsächlicherUnregelmäßigkeiten und Mißstände und zur Befriedigung berechtigter

und erfüllbarer Forderungen der Massen, durch politische Einwirkung aufdie Massen usw.

Einer der wichtigsten und unfehlbarsten Gradmesser für die Richtigkeitund den Erfolg der Arbeit einer Gewerkschaft ist der Grad, in dem sieMassenkonflikte in Staatsbetrieben erfolgreich durch eine umsichtigePolitik verhütet, die auf den wirklichen und allseitigen Schutz der Inter-essen der Arbeitermassen sowie auf die rechtzeitige Beseitigung der An-lässe für Konflikte gerichtet ist.

5. D I E R Ü C K K E H RZ U R F R E I W I L L I G E N M I T G L I E D S C H A F T

I N D E N G E W E R K S C H A F T E N

Die formale Einstellung der Gewerkschaften, wonach ausnahmslos allein Lohnarbeit stehenden Personen als Gewerkschaftsmitglieder zählen, hatin gewissem Grade zu bürokratischen Auswüchsen in den Gewerkschaftenund zu ihrer Losgelöstheit von den breiten Massen ihrer Mitglieder ge-führt; daher ist es notwendig, mit aller Entschiedenheit den Grundsatz der

freiwilligen Mitgliedschaft in bezug auf den individuellen wie auch denkollektiven Eintritt in die Gewerkschaften zu verwirklichen. Von den Ge-werkschaftsmitgliedern darf man auf keinen Fall fordern, daß sie be-stimmte politische Ansichten vertreten; in diesem Sinne wie auch in derFrage der Stellung zu r Religion müssen die Gewerkschaften parteilos sein.Von den Gewerkschaftsmitgliedern ist im proletarischen Staat nur zu for-dern , daß sie Verständnis hab en für die kameradschaftliche Disziplin und

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174 TV.1 Lenin

für die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der Kräfte der Arbeiter

zum Schutz der Interessen der Werktätigen und zur Unterstützung derMacht der Werktätigen, d. h. der Sowjetmacht. Der proletarische Staatmuß den gewerkschaftlichen Zusammenschluß der Arbeiter sowohl inrechtlicher wie auch in materieller Hinsicht fördern. Aber die Gewerk-schaften dürfen keinerlei Rechte ohne Pflichten haben.

6. G E W E R K S C H A F T E N U N D B E T R I E B S L E I T U N G

Nach der Eroberung der Staatsmacht besteht das wichtigste und grund-legendste Interesse des Proletariats in der Vergrößerung der Produkten-menge und der gewaltigen Steigerung der Produktivkräfte der Gesell-schaft. Diese im Programm der KPR klar gestellte Aufgabe ist bei unsgegenwärtig durch den Ruin, die Hungersnot und die Zerrüttung derNachkriegszeit besonders akut geworden. Darum ist ein schneller undmöglichst nachhaltiger Erfolg bei der Wiederherstellung der G roßindustriedie Voraussetzung, ohne welche der Erfolg des gesamten Werkes der Be-freiung der Arbeit vom Joch des Kapitals undenkbar, der Sieg des Sozia-lismus undenkbar ist, aber ein solcher Erfolg erfordert seinerseits, bei dergegenwärtigen Lage Rußlands, unbedingt die Konzentration der gesamtenMachtfülle in den Händen der Betriebsleitungen. Diese Leitungen, die inder Regel nach dem Prinzip der Einzelverantwortung zusammengesetztsind, müssen selbständig sowohl die Festsetzung der Lohnsätze wie auchdie Verteilung der Geldmittel, der Verpflegungsrationen, der Arbeits-kleidung und jeder sonstigen Versorgung regeln, und zwar auf der Grund-lage und in den Grenzen der mit den Gewerkschaften abgeschlossenenKollektivverträge, bei größtmöglicher Manövrierfreiheit, bei strengsterKontrolle der tatsächlichen Erfolge hinsichtlich der Steigerung der P roduk-

tion ohne Verluste, sondern mit Gewinn, bei sorgfältigster Auswahl derhervorragendsten und tüchtigsten Verwaltungskräfte usw.

Jede unmittelbare Einmischung der Gewerkschaften in die Leitung derBetriebe muß unter diesen Bedingungen als unbedingt schädlich und un-zulässig betrachtet werden.

Aber es wäre völlig falsch, diese unbestreitbare W ahrheit in dem Sinneauszulegen, daß die Teilnahme der Gewerkschaften an der sozialistischen

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Tiber die Rolle und die Aufgaben der Qewerksdhaften 175

Organisierung der Industrie und an der Leitung der staatlichen Industrie

zu verneinen sei. Diese Teilnahme ist notwendig in genau bestimmten,nämlich in den folgenden Formen.

7. D I E R O L L E U N D D I E T E I L N A H M ED E R G E W E R K S C H A F T E N

A N D E N W I R T S C H A F T S - U N D S T A A T S O R G A N E ND E S P R O L E T A R I S C H E N S TA AT ES

Das Proletariat ist die Klassenbasis des Staates, der den Ü berga ng vomKapitalismus zum Sozialismus vollzieht. Das Proletariat kann diese Auf-gabe in einem Lande, in welchem die Kleinbauernschaft gewaltig über-wiegt, nu r dan n erfolgreich lösen, we nn es das Bündnis mit der üb erg roß enMehrheit der Bauernschaft außerordentlich geschickt, behutsam und all-mählich verwirklicht. Die Gewerkschaften müssen die engsten und stän-digen Mitarbeiter der Staatsmacht sein, die in ihrer gesamten politischenund wirtschaftlichen Arbeit von der bewußten Vorhut der Arbeiterklasse— der Kommunistischen Partei — geleitet wird. Die Gewerkschaften, dieim allgemeinen eine Schule des Kommunismus sind, müssen im besonderenfür die gesamte Masse der Arb eiter un d sodann auch für alle W erktätig eneine Schule der Verwaltung der sozialistischen Industrie (und nach undnach auch der Landwirtschaft) sein.

Ausgehend von diesen prinzipiellen Leitsätzen sind für die nächstePeriode folgende Grundformen der Teilnahme der Gewerkschaften anden Wirtschafts- und Staatsorganen des proletarischen Staates festzulegen:

1. Die Gewerkschaften nehmen an der Zusammensetzung aller Wirt-schafts- und Staatsorgane teil, die mit der Wirtschaft zusam men hängen,indem sie ihre Kandidaten aufstellen und Angaben über deren Beschäf-

tigungsdauer, Erfahrung usw. machen. Die Entscheidung der Frage stehtausschließlich den Wirtschaftsorganen zu, die auch die ganze Verantwor-tung für die Arbeit der entsprechenden Organe tragen. Dabei ziehen dieWirtschaftsorgane .die Beurteilung aller Kandidaten in Betracht, die vonden entsprechenden Gewerkschaften gegeben wird.

2. Eine der wichtigsten Aufgaben der Gewerkschaften besteht darin,aus der Masse der Arbeiter und der Werktätigen überhau pt Verwaltungs-

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176 • 19.1 Lenin

kräfte heranzuziehen und auszubilden. Wenn es heute bei uns Dutzende

von Verwaltungsfunktionären der Industrie gibt, die den Anforderungenvollauf genügen, und Hunderte, die den Anforderungen mehr oder we-niger genügen, so brauchen wir in der nächsten Zeit Hunderte von denersteren und Tausende von den letzteren. Die systematische Erfassungaller für eine solche Arbeit geeigneten Arbeiter und Bauern und die ein-gehende, allseitige, praktische Prüfung des Erfolgs ihrer Ausbildung fürdie Verwaltungstätigkeit müssen von den Gewerkschaften viel sorgfältigerund energischer durchgeführt werden als bisher.

3. Die Teilnahme der Gewerkschaften an allen Planungsorganen des

proletarischen Staates, an der Ausarbeitung der Wirtschaftspläne, derProduktionsprogramme und der Voranschläge für die Verwendung derFonds zur materiellen Versorgung der Arbeiter, an der Auswahl der Be-triebe, die im staatlichen Versorgungssystem bleiben oder die in Pachtbzw. Konzession gegeben werden, usw. ist unbedingt zu verstärken. DieGewerkschaften, die unmittelbar keinerlei Kontrollfunktionen über dieProduktion der privaten und verpachteten Betriebe übernehmen, verwirk-lichen ihre Teilnahme an der Regelung der privatkapitalistischen Produk-tion ausschließlich durch die Teilnahme an den entsprechenden staatlichen

Organen. Neben der Teilnahme der Gewerkschaften an der gesamtenKultur- und Bildungsarbeit und der Produktionspropaganda soll einesolche Betätigung der Gewerkschaften die Arbeiterklasse und die werk-tätigen Massen immer weiter und tiefer hineinziehen in den gesamtenstaatswirtschaftlichen Aufbau, wobei sie diese bekannt macht mit demganzen Kreislauf des Wirtschaftslebens, mit dem ganzen Kreislauf derIndustrietätigkeit, von der Rohstoffbeschaffung bis zur Realisierung desErzeugnisses, und ihnen eine immer konkretere Vorstellung vermitteltsowohl von dem einheitlichen Staatsplan der sozialistischen Wirtschaft alsauch von der praktischen Interessiertheit des Arbeiters und Bauern an derVerwirklichung dieses Plans.

4. Die Ausarbeitung der Tarife und Versorgungsnormen usw. bildeteinen notwendigen Bestandteil der Arbeit der Gewerkschaften beim Auf-bau des Sozialismus und bei ihrer Teilnahme an der Leitung der Industrie.Im besonderen müssen die Disziplinargerichte unentwegt darauf hin-wirken, die Arbeitsdisziplin und kulturelle Formen des Kampfes umsie zu heben und die Produktivität zu steigern, ohne sich jedoch im all-

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Tiber die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften 177

gemeinen in die Funktionen der Volksgerichte und in die Funktionen der

Verwaltung einzumischen.Diese Aufzählung der wichtigsten Funktionen der Gewerkschaften beimAufbau der sozialistischen W irtschaft muß selbstverständlich von den ent-sprechenden Organen der Gewerkschaften und der Sowjetmacht bis inalle Einzelheiten konkretisiert werden. Das Wesentlichste für die Hebungder Volkswirtschaft und die Festigung der Sowjetmacht ist, un ter Berück-sichtigung der Erfahrungen aus der von den Gewerkschaften geleistetengewaltigen Arbeit bei der Organisierung und Leitung der Wirtschaft so-wie der Fehler, die in der unmittelbaren, unvorbereiteten, nicht kompeten-

ten, unverantwortlichen Einmischung in die Verwaltung bestanden undnicht wenig Schaden angerichtet haben, bewußt und entschieden über-zugehen zur beharrlichen, sachlichen, auf eine lange Reihe von Jahrenberechneten Arbeit auf dem Gebiet der praktischen Unterweisung derArbeiter und aller Werktätigen in der Leitung der Volkswirtschaft desganzen Landes.

8. D IE V E R B I N D U N G M I T D E N M A S S E NA LS G R U N D B E D I N G U N G J E D W E D E R A RB EIT

D E R G E W E R K S C H A F T E N

Die Verbindung mit den Massen, d. h. mit der gewaltigen M ehrheit derArbeiter (und sodann aller Werktätigen) ist die wichtigste, grundlegendeBedingung für den Erfolg jedweder Tätigkeit der Gewerkschaften. Vonunten bis zu r höchsten Spitze der Gewerkschaftsorganisationen und ihresApparates muß ein ganzes System von verantwortlichen Genossen, undzwar unbedingt nicht nur aus den Reihen der Kommunisten,' geschaffenund praktisch auf Grund der Erfahrung vieler Jahre erprob t w erden, vonGenossen, die tief im Arbeiterleben verwurzelt bleiben, das Leben derArbeiter in- und auswendig kennen und es verstehen müssen, in jederFrage, in jedem.Mom ent die Stimmung der M assen, ihre wirklichen Be-strebungen, Bedürfnisse und Gedanken untrüglich festzustellen, die esverstehen müssen, ohne eine Spur falscher Idealisierung den Grad der Be-wußtheit der M assen und die Stärke des Einflusses dieser oder jener Vor-urteile und Oberreste der Vergangenheit festzustellen, die es verstehenmüssen, das grenzenlose Vertrauen der Masse durch kameradschaftliches

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178 W.J.Lenin

Verhalten zu ihr und durch sorgsame Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu

gewinnen. Eine der größten und bedrohlichsten Gefahren für die zahlen-mäßig bescheidene Kommunistische Partei, die als Vorhut der Arbeiter-klasse ein riesiges Land führt, das (vorläufig noch ohne direkte Unter-stützung fortgeschrittener Länder) den Übergang zum Sozialismus voll-zieht, ist die Gefahr der Loslösung von den Massen, die Gefahr, daß dieVorhut zu weit vorauseilt , ohne „die Front auszurichten", ohne mit dergesamten A rm ee der A rbeit, d. h. mit der gewaltigen M ehrhe it derArbeiter- und Bauernmassen, in fester Verbindung zu bleiben. Wie diebeste Fabrik mit einem ausgezeichneten Triebwerk und erstklassigen

Maschinen stillstehen wird, wenn der Transmissionsmechanismuszwischen dem Trieb werk und den M aschinen nicht funktioniert, so ist eineKatastrophe unseres sozialistischen Aufbaus unvermeidlich, wenn derTransmissionsmechanismus zwischen der Komm unistischen Partei und denMassen — die Gew erkschaften — falsch aufgeb aut ist ode r nicht richtigfunktioniert. Es genügt nicht, diese Wahrheit zu erläutern, an sie zuerinnern, sie zu bestätigen, sie m uß in der gesamten Stru ktur der Ge werk-schaften und in ihrer tagtäglichen Arbeit organisatorisch verankert sein.

9. D I E W I D E R S P R Ü C H E I N D E R L A G ED E R G E W E R K S C H A F T E N

B E I D E R D I K T A T U R D E S P R O L E T A R I A T S

Aus all dem oben Dargelegten ergibt sich eine Reihe von W idersprüchenzwischen den verschiedenen Aufgaben der Gewerkschaften. Einerseits istdie Hauptmethode ihrer Tätigkeit d ie Überzeugung, die Erziehung;anderseits können sie sich als Teilhaber der Staatsmadit nicht der Teil-

nahme an Zwangsmaßnahmen entziehen. Einerseits ist ihre Hauptauf-gabe der Schutz der Interessen der werktätigen Masse n im unm ittelbarstenun d nächstliegenden Sinne des W or te s; anderseits können sie als Teilhaberder Staatsmacht und Erbauer der gesamten Volkswirtschaft als Ganzesnicht auf Dru ckm ittel verzichten. Einerseits müssen sie auf militärische A rtarbeiten, denn die Diktatur des Proletariats ist der erbittertste, hart-näckigste, verzweifeltste Klassenkrieg; anderseits sind gerade auf die Ge-werkschaften spezifisch militärische Arbeitsmethoden am allerwenigsten

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180 l/V. 3 . Lenin

entstanden waren, was das Gesamtrussische ZEK veranlaßt hat, diese

ganze Angelegenheit dem Gericht zu übergeben.Die Schuld für solche Erscheinungen tragen die Kommunistische Partei

und die Sowjetmacht als Ganzes in unvergleichlich größerem Maße als dieGewerkschaften. Aber jetzt handelt es sich nicht darum, das Maß derpolitischen Schuld festzustellen, sondern darum, bestimmte politischeSchlüsse zu ziehen. W en n alle unse re führenden Körperschaften, d. h.sowohl die Kommunistische Partei als auch die Sowjetmacht und die Ge-werkschaften, es nicht erreichen, daß w ir jede n Spezialisten, der gewissen-haft, mit Sachkenntnis und Hingabe arbeitet, auch wenn seine Ideologie

dem Kom munismus völlig fremd ist, wie unseren Augapfel h üten, so kannvon keinerlei ernsthaften Erfolgen beim sozialistischen Aufbau die Redesein. Wir werden zwar noch nicht bald so weit sein können, aber wirmüssen um jeden Preis dahin kom me n, daß die Spezialisten als besond eresoziale Schicht, die bis zu r Erreichung d er höchsten Entwicklungsstufe derkommunistischen Gesellschaft eine besondere Schicht bleiben wird, unterdem Sozialismus besser leben als unter dem Kapitalismus, sowohl inmaterieller als auch in rechtlicher Beziehung, sowohl im Hinblick auf diekameradschaftliche Zusammenarbeit mit den Arbeitern und Bauern als

auch in geistiger Hinsicht, d. h. hinsichtlich der Befriedigung, die sie inihrer Arbeit finden, und des Bewußtseins, daß ihre Arbeit, die von deneigennützigen Interessen der Kapitalistenklasse unabhängig ist, gesell-schaftlichen Nutzen bringt. Niemand wird einverstanden sein, eine Be-hörde als halbwegs erträglich eingerichtet anzuerkennen, in der keineplanmäßig organisierte und praktische Ergebnisse zeitigende Arbeit ge-leistet wird, um für die Spezialisten allseitig zu sorgen, die besten unterihnen zu fördern, ihre Interessen zu wahren und zu schützen usw.

Diese ganze vielfältige Arbeit müssen die Gewerkschaften leisten

(bzw. müssen sie systematisch an der entsprechenden Arbeit aller Be-hörden teilnehmen) unter dem Gesichtspunkt nicht der Interessen der be-treffenden Behörde, sondern der Interessen der A rbeit und der Volkswirt-schaft als Ganzes. In bezug auf die Spezialisten obliegt den Gewerkschaf-ten die schwerste und m ühevollste Arbeit der tagtäglichen Einw irkung aufdie breitesten M assen der W erktä tigen , um richtige Beziehungen zwischenihnen un d den Spezialisten herzustellen, und nu r eine solche Arbe it kannwirklich ernste praktische Ergebnisse zeitigen.

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Tiber die Rolle un d die Auf gaben de r Qewerksdhaften 181

11 . D I E G E W E R K S C H A F T E N

U N D D E R K L E I N B Ü R G E R L I C H E E I N F L U S SA U F D I E A R B E I T E R K L A S S E

Die Gewerkschaften haben nur dann reale Bedeutung, wenn sie sehrbreite Schichten parteiloser Arbeiter vereinigen. Daraus ergibt sich unver-meidlich, besonde rs in einem Lan de mit gewaltig überwiegender Bauern-schaft, gerade in den Gewerkschaften eine relative Zählebigkeit jenerpolitischen Einflüsse, die den Oberbau auf den Resten des Kapitalismusund auf der Basis der Kleinproduktion bilden. Das sind die kleinbürger-

lichen, d. h. einerseits die sozialrevolutionär-menschewistischen (die rus-sische Abart der Parteien der II . und der zweieinhalbten Internationale),anderseits die anarchistischen Einflüsse; nur innerhalb dieser Strömungenist eine halbwegs beträchtliche Anzahl von Personen geblieben, die denKapitalismus nicht aus eigennützigen Klassenmotiven, sondern ideologischverteidigen, da sie nach wie vor an eine nicht klassenmäßig bedingte Be-deutung der von ihnen gepredigten „Demokratie", „Gleichheit" und„Freiheit" schlechthin glauben.

Ge rade durch die erwäh nte sozialökonomische Ursach e un d nicht durch

die Rolle einzelner Gruppen öder gar einzelner Personen sind die bei unszu beobachtenden Überreste (zuweilen auch das Wiederaufleben) der-artiger kleinbürgerlicher Ideen in den Gewerkschaften zu erklären. So-wohl die Kommunistische Partei als auch die Sowjetinstitutionen, dieKultur- und Bildungsarbeit leisten, sowie alle Kommunisten in den Ge-werkschaften müssen daher dem ideologischen Kampf gegen die klein-bürgerlichen Einflüsse, Strömungen u nd Abw eichungen innerhalb der Ge-werkschaften weit größere Aufmerksamkeit widmen — um so mehr, alsdie Neue ökonomische Politik zwangsläufig zu einer gewissen Stärkung

des Kapitalismus führt. Ein Gegengewicht dazu in Form des verstärktenKampfes gegen die kleinbürgerlichen Einflüsse auf die Arbeiterklasse istdringend notwendig.

ZKderXPRCB)Qesdirieben 30. T>ezember i92ibis 4. Januar 1922.Veröffentlidit am n."]anuar 1922 "Nadb dem 7ext der „Prawda",in der „Vrawda" N r. i2. verglidhen mit dem Manuskript.

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E N T W U R F E I N E R D I R E K T IV E

D E S P O L I T B Ü R O S D E S Z K D E R K P R ( B )

O BE R D I E N E U E Ö K O N O M I S C H E P O L I T I K

Das Politbüro weist alle Wirtschaftsorgane darauf hin, daß die Neueökonomische Politik jetzt, nach der Parteikonferenz vom Dezember 1921und nach dem IX. Sowjetkongreß, genügend klar und eindeutig festgelegtist. Darum ist es notwendig, alle Anstrengungen darauf zu richten, sie soumfassend und schnell wie möglich in die Praxis umzusetzen. Alle all-gemeinen Erörterungen, alles Theoretisieren und Diskutieren über dasThema der Neuen ökonomischen Politik sind in die Debattierklubs undzum Teil in die Presse zu verweisen. Aus dem Rat der Volkskommissare,

dem Rat für Arbeit und Verteidigung und allen Wirtschaftsorganen istdergleichen erbarmungslos zu verbannen.

Vom Volkskommissariat für Finanzen verlangt das Politbüro, alle An-strengungen auf die schnellstmögliche Neueinführung mehrerer Steuernund Vermehrung der Steuereinnahmen sowie auf praktische, sachlicheKorrekturen am gesamten Budget zu konzentrieren. Alle Erörterungenüber Fragen der Finanzpolitik, über die Ersetzung der Naturalsteuer durchGeldsteuern u. ä. sind teils in die Debattierklubs, teils in die Presse zuverweisen.

Alle Kommissionen sind auf das minimalste Mindestmaß zu beschrän-ken; die Kommissionsarbeit ist durch Anforderung schriftlicher Anträgeoder Gegenvorschläge von allen interessierten Behörden in kürzester Frist(1—2 Tage) zu ersetzen.

Von allen Volkskommissaren verlangt das Politbüro unbedingt tech-nische Schnelligkeit, Energie, Beseitigung von Bürokratismus und Schlend-rian in der praktischen Erprobung der Neuen ökonomischen Politik; dasPolitbüro verlangt unbedingt die Entlohnung möglichst vieler verantwort-

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Entwurf einer Direktive des Politbüros des ZK der XPJKB) 183

licher Personen nach dem Prämiensystem für die Beschleunigung und Ver-

größerung der Produktion und des Handels, sowohl des Innen- als auchdes Außenhandels. Diese Forderung betrifft in erster Linie das Volks-kommissariat für Außenhandel, die Staatsbank (besonders ihre Handels-abteilung), den Zentralverband der Konsumgenossenschaften und denObersten Volkswirtschaftsrat.

Centn

Nach Annahme im Politbüro ist die Direktive allen Mitgliedern derKollegien aller Volkskommissariate und allen M itgliedern des Präsidiums

des Gesamtrussischen ZEK mitzuteilen.

Qesdhrieben zwisdhen dem 7elefonisdh diktiert.9. und 12 . Januar 1922. Naä) einer masdbine-Zum erstenmal veröffentlicht. gesdhriebenen Xopie,

verglidben mit demManuskript.

13 Lenin, Werke, Bd. 33

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A N D I E W E R K T Ä T I G E N D A G E ST A N S 3?

Dankbar nehme ich das Geschenk, ein Ergebnis der schöpferischenInitiative der werktätigen Massen Dagestans, entgegen.

Ich wünsche Erfolg bei dem schwierigen Werk der wirtschaftlichenWiedergeburt Dagestans.

Der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare der RSFSRLenin

12.1. 1922

Jswestija "WZJX" 3Vr. io, Jekfonisdh diktiert.14. Januar 1922. Tiaäj einer masdhine-

gesdbriebenen Xopie.

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185

B R IE F A N G E N O S S E N O R D S H O N I K I D S E

Ü B E R D I E V E R S T Ä R K U N G

D E R G E O R G I S C H E N R O T E N A R M E E 3 8

Gen. Sergo!Es ist absolut notwendig, auf dem Sowjetkongreß Georgiens einen Be-

schluß über die unbedingte Verstärkung der Qeorgisdben Roten Armee zufassen und diesen Beschluß in die 7at umzusetzen.

Im äußersten Fall, wenn die Bauern dagegen sind, muß der Beschlußwenigstens in allgemeinster Form durchgebracht werden: Es wird als not-wendig erachtet, „die Georgische Rote Armee unbedingt zu verstärken,alle Machtorgane und alle werktätigen M assen hierzu aufzurufen" usw.

Aber in der Praxis muß die Georgische Rote Armee um jeden Preis undsofort ausgebaut und verstärkt werden. Mag es für den Anfang 1 Brigade,ja noch weniger sein. 2000—3000 rote Militärschüler, davon anderthalb-

tausend Kommunisten, damit sich um diese Schüler (als Stamm) eineArmee entfalten kann, wenn es nötig sein wird — das ist absolut notwendig.

Stalin wird vielleicht G enaueres über die militärtechnischen Details derDurchführung hinzufügen.

Ich beschränke mich auf die politische Seite der Sache: Wer das nichtdurchführt, den werden wir ohne w eiteres aus der Partei ausschließen.Hier ist nicht zu spaßen. Das ist politisch absolut notwendig, und Sie per-sönlich wie das ganze Georgische ZK sind vor der ganzen Partei dafürverantwortlich.

Ich warte auf Antwort. Ihr £enin

13.11.

Das ist sowohl für Gen. Sergo als auch für alle Mitglieder des ZK derKommunistischen Partei Georgiens.

Zuerst veröffentlicht i925. "Nach dem von "W.-l Lenin ergänztenund unterzeichneten Original.

1 3*

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186

BRIEF AN D. I. KURSKI

28. II. 1922Gen. Kurski!

Betrifft Ihren An twortbrief vom 2 3. II . (N r. 255 ) auf meinen Brief.

Ich w erde mich bemü hen , ein persönliches Treffen zu ermög lichen, aberich kan n es nicht versprechen, den n um meine Ge sund heit ste ht es schlecht.

Ich hoffe, daß Sie mir nadh der Versammlung der verantwortlichen M it-arbeiter, die in Verbindung mit meinem Brief stattfindet, noch etwas überdie praktischen Ergebnisse dieser Versammlung schreiben werden. Beson-ders wichtig ist es, eine tatsächliche Kontrolle durchzuführen: Was wirdwirklieb getan? Was wird wirklich erreicht? Die Erfolge der Volks-gerichte und der Revolutionstribunale? Wie könnte man das registrierenund kontrol l ieren?

Zahl de r Prozesse wegen M ißbrauch der W ÖP ?Zahl der gerichtlichen Aburteilungen, welche Strafen (insgesamt, nicht

in Einzelfällen)?

usw. M it komm unistischem G ru ß Lenin

Besonders dringend un d w ichtig:

PS. Z u m Zivilgesetzbuch39-. Ich bin außerstande, mich in die Formulie-

rung der einzelnen Pu nkte zu vertiefen. M ein Ges undheitszustand erlaubt

es nicht.Ich m uß mich auf folgende P unk te bes chränken:1. Der Volkskommissar für Justiz muß persönUcb verfolgen

und nachprüfen, wer für jeden wichtigen Abschnitt des Zivilgesetzbuchesverantwortlich ist.

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Brief a n D ." 1 . Xurski 187

2 . Alles, was es in der Literatur und in der Praxis der westeuropäischen

Länder zum Sdbutz der Werktät igen gibt , unbedingt übernehmen.3 . Sich nicht darauf beschränken (das ist die Hauptsache). Dem Volks-

kommissariat für Auswärtige Angelegenheiten nicht blindlings folgen." N i c h t „ E u r o p a " n a c h e i f e r n , s o n d e r n w e i t e r g e h e n ,

w a s d i e v e r s t ä r k t e E i n m i s c h u n g d e s S t a a t e s i n d i e

„ p r i v a t r e c h t l i c h e n B e z i e h u n g e n " , i n d i e Z i v i l -

ang ele g enh eit en betrifft. Wie man das konkret machen soll,kann ich nicht sagen, denn ich bin völlig außerstande, die Frage gründlichzu untersuchen oder mich auch nur in ein einzelnes Gesetz zu vertiefen.

Aber daß man das machen muß, ist mir klar. Daß uns jetzt die Gefahrdroht, auf diesem Gebiet nicht genug zu tun (und nicht die Ge-fahr, „zu viel" zu tun), das ist mir auch völlig klar. Gerade vor Genua 4"dürfen wir keinen falschen Ton anschlagen, dürfen nicht zurückweichenund nicht die geringste Möglichkeit aus der Hand geben, die Einmischungdes Staates in die „zivilrechtlichen" B eziehungen zu erweitern.

Centn

Zuerst veröffentlicht 1945 Nach dem Manuskript,

im Lenin-Sammelband XXXV.

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188

N O T I Z E N E I N E S P U B L I Z I S T E N

über das Besteigen hoher Berge, über die Schädlichkeit der Verzagtheit,über den Nutzen des Handels, über das Verhältnis zu den Menschewiki

u. dgl. m.*i

I

EIN E A RT BEISPIEL

Stellen wir uns einen Menschen vor, der einen sehr hohen, steilen undnoch unerforschten Berg besteigt. Nehmen wir an, es sei ihm gelungen,nach Überwindung unerhörter Schwierigkeiten und Gefahren viel höherzu steigen als seine Vorgänger, den Gipfel habe er aber dennoch nicht

erreicht. Er befindet sich nun in einer Lage, in der ein Weiterkommen inder gewählten Richtung und auf dem eingeschlagenen Weg schon nichtmehr nur schwierig und gefährlich, sondern geradezu unmöglich gewordenist. Er muß umkehren, abwärts steigen, andere Wege suchen, die zwarlänger sein mögen, dafür aber die Möglichkeit in Aussicht stellen, denGipfel zu erreichen. Der Abstieg in dieser in der W elt noch nie erlebtenHöhe, auf der sich unser hypothetischer Bergsteiger befindet, bietet viel-leicht gar noch größere Gefahren und Sdiwierigkeiten als der Aufstieg:man tu t leichter einen Feh ltritt; es ist nicht so bequem, sich die Stelle an-

zusehen, auf die man den Fuß setzt; es fehlt jene besonders gehobeneStimmung, die durch das unmittelbare Hinaufsteigen, direkt dem Ziel zu,entstanden w ar, usw. Man muß sich anseilen, ganze Stunden darauf ver-wenden, mit dem Pickel Stufen oder Stellen zur sicheren Befestigung desSeils auszuhauen, man muß sich mit der Langsamkeit einer Schildkrötefortbewegen, und noch dazu rückwärts, abwärts, weg vom Ziel, undimmer noch ist nicht zu sehen, ob dieser verzweifelt gefährliche, qualvolleAbstieg ein Ende nimmt, ob sich ein einigermaßen aussichtsreicher Umweg

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Notizen eines Publizisten 189

finden läßt, auf dem man wieder — kühner, rascher und direkter — vor-

wärts, aufwärts, dem Gipfel zu gehen könnte.Es dürfte wohl ganz natürlich sein anzunehmen, daß sich bei einemMenschen, der in eine solche Lage geraten ist, Minuten der Verzagtheiteinstellen — t rotz der unerhörten Höhe, die er erreicht hat . Und wahr-scheinlich wären diese Minuten zahlreicher, häufiger, schwerer, wenn ergewisse Stimmen von unten hören könnte, von Leuten, die aus gefahr-loser Ferne, durchs Fernrohr, diesen höchst gefahrvollen Abstieg beobach-ten, den man nicht einmal (nach dem Muster der „Smena-Wedi" -Leute 42 )einen „Abstieg mit Bremse" nennen kann, denn eine Bremse setzt einengut durchkonstruierten, schon ausprobierten Wagen, eine im voraus ge-baute Straße und schon früher erprobte Mechanismen voraus. Hier abergibt es weder Wagen noch Straße, überhaupt nichts, schlechthin nichts,was vorher erprobt worden wäre!

Die Stimmen von unten aber klingen schadenfroh. Die einen zeigenihre Schadenfreude offen, johlen und schreien.- Gleich wird er abstürzen,geschieht ihm ganz recht, das ist ja Wahnsinn, was er macht! Die anderntrachten ihre Schadenfreude zu verbergen , sie machen es vorwiegend w ieJuduschka Golowljow*,- kummervoll richten sie ihre Blicke zum Himmel:

Zu unserem größten Leidwesen bestätigen sich unsere Befürchtungen!Haben wir, die wir unser ganzes Leben auf die Vorbereitung eines ver-nünftigen Plans zur Besteigung dieses Berges verwandt haben, nicht denAufschub der Besteigung verlangt, solange unser Plan nicht fix und fertigausgearbeitet vorliegt? Und wenn wir den Weg so leidenschaftlich be-kämpft haben, den dieser Wahnwitzige jetzt selber aufgibt (seht, seht, erist zurückgegangen, er steigt abwärts, er müht sich stundenlang ab, umdie Möglichkeit zu erhalten, eine armselige Elle vorw ärtszuko mm en! U nsaber hat er mit den gemeinsten Worten beschimpft, als wir systematischMäßigung und A kkuratesse verlangten!) — wenn wir den Wahnwitzigenso leidenschaftlich verurteilt und alle davor gewarnt haben, ihn nach-zuahmen und zu unterstützen, so haben wir das ausschließlich aus Liebezu dem großen Plan der Besteigung dieses nämlichen Berges getan, umdiesen großen Plan als Ganzes nicht zu kompromittieren!

Zu m Glück kann unser hypo thetischer Bergsteiger u nter den in unserem

* Hauptfigur des Romans „Die He rren Golowljow" von Saltykow-Schtschedrin. Der Tibers.

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Notizen eines Publizisten 19r

des Proletariats, die berufen ist, dieEpodie der Herrsdiaf t der Bourgeoisie

abzulösen. Audi das kann nidrt mehr rüdegängig gemadit werden , obwohles nur durdi die praktisdie Erfahrung der Arbeiterklasse mehrerer Län-der gelingen wird, den Sowjettypus des Staates „zu Ende zu führen".

Nidit zu Ende geführt haben wir jedoch die Errichtung auch nur desFundaments der sozialistischen Wirtschaft. Das können die uns feindlichenKräfte des sterbenden Kapitalismus noch rückgängig madien. Man mußsich dessen klar bewußt sein und es offen zugeben, denn es gibt nichtsGefährlicheres als Illusionen (und Schwindelanfälle, zumal in großenHöhen). Und an dem Eingeständnis dieser bitteren Wahrheit ist entschie-

den nichts „Schreckliches", nichts, das berechtigten Anlaß auch nur zurgeringsten Verzagtheit gäbe, denn wir haben stets die Abc-Wahrheit desMarxismus verkündet und wiederholt, daß zum Sieg des Sozialismus diegemeinsamen Anstrengungen der Arbeiter mehrerer fortgeschrittener Län-der notwendig sind. Wir aber stehen einstweilen immer noch allein, undwir haben in einem rückständigen Lande, in einem Lande, das mehr alsdie übrigen verwüstet ist, unglaublich viel geleistet. Ja, noch mehr: Wirhaben die „A rmee" der revolutionären proletarischen Kräfte bewahrt, wirhaben ihre „Manövrierfähigkeit" bewahrt, wir haben den klaren Kopfbehalten, der uns nüchtern zu beurteilen gestattet, wo, wann und wie weitman zurückgehen muß (um einen kräftigeren Sprung zu tun); wo, wannund wie das nicht zu Ende geführte Werk erneut in Angriff genommenwerden muß. Als rettungslos verloren müßte man diejenigen Kommu-nisten bezeichnen, die sich einbilden wollten, daß man ohne Fehler, ohneRückzüge, ohne ein vielmaliges Neubeginnen des nicht zu Ende Geführtenund des falsch Gemachten solch ein weltgeschichtliches „Unternehmen"wie die Vollendung des Fundaments der sozialistischen Wirtschaft (be-sonders in einem Lande der Kleinbauernschaft) zu Ende führen könnte.Diejenigen Kommunisten aber, die weder in Illusionen noch in Verzagt-heit verfallen, die sich die Kraft und Geschmeidigkeit des Organismusbewahren, um beim Herangehen an diese überaus schwierige Aufgabewiederholt „von Anfang zu beginnen", sind nicht verloren (und werdenes aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie sein).

Und wir dürfen uns um so weniger gestatten, auch nur in die geringsteVerzagtheit zu verfallen, es liegen für uns um so weniger Gründe dazuvor, als wir bei all unserer Zerrüttung, Arm ut, Rückständigkeit und Hun-

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IV. 1 Lenin

gersnot begonnen haben, auf dem Gebiet der den Sozialismus vorbereiten-

den Wirtschaft in so manchem vorwärtszukommen, während nebenuns, in der ganzen W elt, fortgeschrittenere Länder, die tausendmal reicherund militärisch mächtiger sind als wir, fortfahren, auf dem Gebiet „ihrer"

von ihnen so gepriesenen, ihnen vertrauten, seit Jahrhunderten erprobtenkapitalistischen Wirtschaft zurückzufallen.

III

OBER DIE FUCHSJAGD; ÜBER LEVI; ÜBER SERRATI

Man sagt, das aussichtsreichste Verfahren bei der Fuchsjagd sei folgen-des: Man kreist die aufgespürten Füchse in einer gewissen Entfernungmittels einer mit roten Fähnchen behängten und in geringer Höhe überdem Schnee angebrachten Leine ein; der Fuchs, der sich vor dem offen-sichtlich künstlich „von Menschenhand" geschaffenen Ding fürchtet,kommt nur dann und nur dort heraus, wo dieser „Zaun" aus Fähnchenoffensteht; und gerade dort erwartet ihn der Jäger. Man sollte meinen,

für ein solches von allen gehetztes Tier sei Vorsicht die positivste Eigen-schaft. Aber auch hier erweist sich die „Fortsetzung des Vorzugs" alsMangel. Man fängt den Fuchs gerade auf Grund seiner übergroßen Vor-sicht.

Ich muß mich eines Fehlers schuldig bekennen, den ich, gleichfalls ausübergroßer Vorsicht, auf dem III. Kongreß der Komintern begangenhabe. Auf diesem Kongreß stand ich auf dem äußersten rechten Flügel.Ich bin überzeugt, daß dies die einzig richtige Stellung war, denn einerecht zahlreiche (und „einflußreiche") Gruppe von Delegierten, mit vielen

deutschen, ungarischen und. italienischen Genossen an der Spitze, nahmeine unmäßig „linke" und unrichtig linke Haltung ein, wobei sie allzuoftdie nüchterne Beurteilung der für eine sofortige und unmittelbare revolu-tionäre Aktion nicht sehr günstigen Lage durch verstärktes Schwenkenmit roten Fähnchen ersetzte. Aus Vorsicht, in der Sorge darum, daß diesezweifellos unrichtige Abweichung zum linken Radikalismus nicht derganzen Taktik der Kommunistischen Internationale eine falsche Richtunggebe, nahm ich Levi in jeder Weise in Schutz und sprach dabei die Ver-

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Notizen eines Publizisten 193

mütung aus, daß er vielleicht aus übergroßem Schrecken über die Fehler

der Linken den Kopf verloren habe (ich leugnete nicht, daß er den Kopfverloren hatte) und daß es Fälle gegeben habe, in denen Kommunisten,die den Kopf verloren hatten, ihn dann wieder „fanden". Indem ich —unter dem Druck der „Linken" — sogar die An nahm e zu ließ, daß Levi einMenschewik ist, verwies ich darauf, daß sogar eine solche Annahme dieSache noch nicht entscheide. Zum Beispiel beweist die ganze Geschichtedes fünfzehnjährigen Kam pfes zwischen den M enschew iki un d den Bol-schewiki in Rußland (1903—1917), wie es auch die drei russischen Revo-lutionen beweisen, daß die Menschewiki im allgemeinen zweifellos im

Unrecht und daß sie in der Tat Agenten der Bourgeoisie in der Arbeiter-bewegung waren. Das ist eine unbestreitbare Tatsache. Aber diese un-bestreitbare T atsache schafft nicht die ande re Tatsache aus der W elt, da ßdie Menschewiki in einzelnen Fällen gegen die Bolschewiki im Rechtwaren, zum Beispiel in der Frage des Boykotts der Stolypinschen Dumaim Jahre 1907.

Seit dem III. Kongreß der Komintern sind schon 8 Monate vergangen.Offenbar ist unser dam aliger Streit mit den „Link en" bereits veraltet, be-reits durch das Leben entschieden. Es stellte sich heraus, daß ich in bezug

auf Levi unrecht hatte, denn er hat mit Erfolg bewiesen, daß er auf denmenschewistischen Pfad nicht zufällig, nicht vorübergehend, nicht nurdeshalb, weil er im Kampf gegen den sehr gefährlichen Fehler der „Lin-ken" den „Bogen überspannte", sondern auf lange Zeit, auf die Dauer,aus seiner ganzen Natur heraus geraten ist. Statt nach dem III. Kongreßder Komintern ehrlich einzusehen, daß es notwen dig w ar, um W iederauf-nahme in die Partei zu bitten, wie ein Mensch verfahren mußte, der ausGereiztheit über gewisse Fehler der Linken vorübergehend den Kopfverloren hatte, ging-Levi daran, die Partei in kleinlicher Weise mit

Schmutz zu bewerfen und ihr heimtückisch ein Bein zu stellen, d. h. denAgenten der Bourgeoisie aus der II . und zweieinhalbten Internationalefaktische Dienste zu erweisen. Selbstverständlich hatten die deutschenKommunisten durchaus recht, die das damit beantworteten, daß sie vorkurzem noch einige Herrschaften aus ihrer Partei ausschlössen, die PaulLevi bei dieser edlen Beschäftigung insgeheim unterstützten.

Die Entwicklung der deutschen und der italienischen kommunistischenPartei nach dem III. Kongreß der Komintern beweist, daß sie den Fehler

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194 "F. 1 Lenin

der Linken auf diesem Kongreß begriffen haben und ihn korrigieren —

allmählich, langsam, aber sicher; die Beschlüsse des III. Kongresses derKommunistischen Internationale werden loyal verwirklicht. Die Um-gestaltung des alten Typus der parlamentarischen, in Wirklichkeit refor-mistischen und nur leicht revolutionär übertünchten europäischen Parteizu einem neuen 7ypus der Partei, zu einer wirklich revolutionären,wirklich kommunistischen Partei — das ist eine außerordentlich schwie-rige Sache. Das Beispiel Frankreichs zeigt diese Schwierigkeit wohl amanschaulichsten. Im täglichen Leben den 7ypus der Parteiarbeit um-zubilden, den Alltagstrott zu überwinden, es durchzusetzen, daß die

Partei zur Vorhut des revolutionären Proletariats wird, sich dabei nichtvon den Massen zu lösen, sondern in immer nähere und engere Ver-bindung mit ihnen zu kommen, sie zum revolutionären Bewußtseinund zum revolutionären Kampf emporzuheben — das ist das Schwie-rigste, aber auch das Wichtigste. Wenn die europäischen Kommunistendie (wahrscheinlich sehr kurze) Zeitspanne zwischen den Perioden be-sonderer Versdiärfung der revolutionären Kämpfe, wie sie viele kapita-listische Länder Europas und Amerikas 1921 und Anfang 1922 durch-gemacht haben, nicht zu dieser gründlichen, inneren, tiefgreifenden Um-

gestaltung des ganzen Aufbaus und der ganzen Arbeit ihrer Parteienausnutzen , so wird das ihrerseits das größ te Verbrechen sein. Glücklicher-weise gibt es keine Gründe, das zu befürchten. Die nicht lärmende, nichtgrelle, nicht marktschreierische, nicht schnelle, aber in die Tiefe gehendeArbeit der Schaffung wirklicher kommunistischer Parteien, wirklicherrevolutionärer Vorhuten des Proletariats in Europa und Amerika hat be-gonnen, und diese Arbeit geht weiter.

Die politischen Lehren, die sich sogar aus der Beobachtung einer sotrivialen Sache wie der Fuchsjagd ziehen lassen, erweisen sich als nicht

nutzlos: Einerseits führt übergroße Vorsicht zu Fehlern. Anderseits darfman nicht vergessen, daß man, wenn man die nüchterne Beurteilung derLage durch bloße „Stimmung" oder durch das Schwenken mit roten Fähn-chen ersetzt, einen nicht wieder gutzumachenden Fehler begehen kann;daß man zugrunde gehen kann unter Verhältnissen, wo die Schwierig-keiten zwar groß sind, der Untergang aber nicht im geringsten, nidit imallergeringsten zwangsläufig ist.

Pau l Levi will sich je tzt bei der Bourgeoisie — und folglidh bei der II. und

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Notizen eines Publizisten 195

zweieinhalbten Internationale, ihren Agenten — dadurch besonders ver-

dient machen, daß er gerade diejenigen Werke Rosa Luxemburgs neuherausgibt, in denen sie unrecht hatte. Wir antworten darauf mit einpaar Zeilen aus einer trefflichen russischen Fabel: Wohl traf s sich, daßdes Adlers Flug ihn niedriger, als Hühner fliegen, trug, doch fliegenHühner nie auf Adlershöh'n*. Rosa Luxemburg irrte in der Frage derUnabhängigkeit Polens; sie irrte 1903 in der Beurteilung des Mensche-wismus; sie irrte in d er Theorie der Akkumulation des Kapitals; sie irrte,als sie im Juli 1914 neben Plechanow, Vandervelde, Kau tsky u. a. für dieVereinigung der Bolschewiki mit den Menschewiki eintrat; sie irrte in

ihren Gefängnisschriften von 1918 (wobei sie selbst nach der Entlassungaus dem Gefängnis Ende 1918 und A nfang 1919 ihre Fehler zum großenTeil korrigierte). Aber trotz aller dieser ihrer Fehler war sie und bleibtsie ein Adle r; und nicht nu r die Erinnerung an sie wird den Komm unistender ganzen Welt immer teuer sein, sondern ihre Biographie und die voll-ständige Ausgabe ihrer Werke (mit der sich die deutschen Kommunistenin unmöglieher Weise verspä ten, was nu r teilweise mit den u nerh ört vielenOpfern in ihrem schweren Kampf zu entschuldigen ist) werden eine sehrnützliche Lehre sein bei der Erziehung vieler Generationen von Kommu-

nisten der ganzen Welt. „Die deutsche Sozialdemokratie ist nach dem4. August 1914 ein stinkender Leichnam" — mit diesem Ausspruch RosaLuxemburgs wird ihr Name in die Geschichte der Arbeiterbewegung derganzen Welt eingehen. Auf dem Hinterhof der Arbeiterbewegung aber,zwischen den Misthaufen, werden Hühner vom Schlage Paul Levis,Scheidemanns, Kautskys und dieser ganzen Sippschaft selbstverständlichüber die Fehler der großen Kommunistin in ganz besondere Verzückunggeraten. Jedem das Seine.

Was Serrati betrifft, so muß man ihn mit einem faulen Ei vergleichen,

das mit einem Knall und einem besonders . . . pikanten Arom a platzt. Auf„seinem" Parteitag eine Resolution über die Bereitwilligkeit, sich dem Be-schluß des Kongresses der Kommunistischen Internationale zu fügen,annehmen zu lassen, dann zu diesem Kongreß den alten Lazzari zuschicken und zum Schluß die Arbe iter mit der Grobhe it eines Roßtäuscherszu prellen — das ist eine Perle. Die italienischen Kommunisten, die einewirkliche Partei des revolutionären Proletariats in Italien heranbilden,

* Nach I. A. Krylows Fabel „Der Adler und die Hühner". Der übers.

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Ü B E R D I E I N T E R N A T I O N A L E

U N D D I E I N N E R E L A G E

D E R S O W J E T R E P U B L I K

Rede in der Sitzung der kommunistischen Fraktiondes Gesamtrussischen Verbandstages der Metallarbeiter

6. März 1922«

( S t ü r m i s c h e r B e i f a l l . ) G enossen! G estatten Sie mir, Ihre her-gebrachte Ordnung etwas zu' durchbrechen und heute nicht die Themenzu behandeln, die auf der Tagesordnung Ihrer Sitzung und Ihres Ver-bandstages stehen, sondern Ihnen meine Schlußfolgerungen und Erwä-gungen über die Hauptaufgaben der Politik darzulegen. Bei uns pflegteman sich schon des öfteren an diejenigen zu wenden, die, ohne offizielleVertreter dieser oder jener staatlichen Institutionen zu sein, faktischeinen gewaltigen Anteil an der staatlichen Tätigkeit haben. Und Sie alle

wissen, daß in der Mehrzahl unserer staatlichen Institutionen die wirk-liche sachliche Arbeit von diesen oder jenen V ertretern der Arbeiterklassegeleistet wird, darunter natürlich auch — und mit in der vordersten Reihe— von den M etallarbeitern.

Deshalb glaube ich auch, daß es in diesem Falle durchaus nicht unan-gebracht sein dürfte, Ihre hergebrachte Ordnung zu durchbrechen undnicht so sehr über die Gewerkschafts- und Parteifragen als vielmehr überdie politischen Fragen, über unsere internationale und innere Lage zusprechen. Denn es gibt meiner Ü berzeugung nach sowohl in unserer inter-

nationalen als auch in unserer inneren Lage etwas, das einem gewissenUmschwung in der Politik ähnelt und von jedem Parteimitglied und selbst-verständlich auch von jedem klassenbewußten Arbeiter besondere Auf-merksamkeit erfordert, damit dieser Umschwung in der Politik ganzbegriffen, richtig aufgefaßt und in der Arbeit — in der Sowjet-, der Par-tei-, der Gewerkschafts- und jeder sonstigen Arbeit — durchgesetzt wird.

Sie alle wissen natürlich, Genossen, daß bei uns unter den Fragen derinternationalen Politik Genua nach wie vor an erster Stelle steht. Nicht,

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198 T i > . J. Lenin

daß ich sehr fest davon überzeugt wäre, daß es diese Stelle nach wie vor

mit Recht einnimmt; denn wenn wir „Genua" sagen, so meinen wir damitdie allen längst bekannte Konferenz, die in Italien, in Genua, angesetztund schon fast ganz vorbereitet war, die sich aber gegenwärtig leider ineinem so unbestimmten Zustand befindet, daß niemand weiß (ich be-fürchte sehr, daß die Initiatoren und Veranstalter von Genua es selbstnicht wissen), ob sie große Aussichten hat, zustande zu kommen, oder obsie fast gar keine Aussichten hat. Jedenfalls müssen wir uns selbst undallen, die sich für die Geschicke der Arbeiter- und Bauernrepublik einiger-maßen interessieren, sagen, daß die Position, die wir in dieser Hinsicht,

d. h. in der Frage der Konferenz in Genua eingenommen haben, von allemAnfang an ganz fest gewesen und ebenso fest geblieben ist. Und es istnicht unsere Schuld, wenn es jemand anderem nicht nur an der Festigkeit,sondern sogar an der elementarsten Entschlossenheit, an der elementarstenFähigkeit gebricht, seine eigenen Absichten auszuführen. Wir haben vonallem Anfang an erklärt, daß wir Qenua begrüßen und nadb Qenua gehen,wir haben ausgezeichnet begriffen und durchaus kein Hehl daraus ge-macht, daß wir als Kauf eute dorthin gehen, weil wir den Handel mit denkapitalistischen Ländern (solange sie noch nicht ganz zusammengebrochen

sind) unbedingt brauchen, und daß wir zu dem Zweck dorthin gehen, ummöglichst richtig und möglichst vorteilhaft die politisch angemessenen Be-dingungen dieses Handels zu erörtern , und weiter nichts. Das ist natürlichdurchaus kein Geheimnis für diejenigen kapitalistischen Staaten, derenRegierungen den ersten Plan der Genueser Konferenz aufstellten und ihreEinberufung betrieben. Diese Staaten wissen ausgezeichnet, daß die Reiheder Handelsverträge, die uns mit verschiedenen kapitalistischen Ländernverknüpfen, immer länger wird. Die Zahl der praktischen Handels-geschäfte nimmt zu; die Zahl der gemeinsamen russisch-ausländischen

Handelsunternehmungen, die bis ins kleinste Detail beraten werden unddie verschiedenartigsten Kombinationen verschiedener ausländischerStaaten und verschiedener Zweige unserer Industrie vorsehen, ist gegen-wärtig sehr groß. Darum ist die praktische Grundlage dessen, wovon inGenua hauptsächlich die Rede sein wird, den kapitalistischen Staaten vor-trefflich bekannt. Und wenn eine Unmenge aller möglichen politischenGespräche, Mutmaßungen, Projekte den ergänzenden überbau dieserGrundlage bildet, so muß man verstehen, daß dies nur ein kleiner über-

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über die internationale und die innere Lage der Sowjetrepublik 199

bau ist, wie ihn Leute, die daran interessiert sind, sehr oft künstlich er-

richten, ausdenken und zu verwirklichen trachten.In den reichlich vier Jahren des Bestehens der Sowjetmacht haben wir

selbstverständlich genug praktische Erfahrung erworben (abgesehen da-von, daß wir das auch theoretisch gut genug gewußt haben), um diesesdiplomatische Spiel, das die Herren Vertreter der bürgerlichen Staatennach allen Regeln der veralteten bürgerlichen diplomatischen Kunst trei-ben, gebührend einschätzen zu können. W ir verstehen ausgezeichnet, wasdiesem Spiel zugrunde liegt: Wir wissen, daß sein Kern der Handel ist.Die bürgerlichen Länder müssen mit Rußland Handel treiben: Sie wissen,

daß ohne die einen oder anderen Formen wechselseitiger ökonomischerBeziehungen der Verfall bei ihnen so wie bisher weitergehen wird; trotzaller ihrer großartigen Siege, trotz all der endlosen Prahlereien, mit denensie die Zeitungen und Telegramme der ganzen Welt füllen, geht ihreWirtschaft doch aus den Fugen, und die einfachste Aufgabe — nicht etwaNeues aufzubauen, sondern nur das Alte wiederherzustellen — könnensie nach allen ihren grandiosen Siegen nun schon das vierte Jahr nicht mei-stern und kommen immer noch nicht damit zu Rande, wie man zu dritt,zu viert, zu fünft (eine ungewöhnlich hohe Zah l, wie Sie sehen, die die

Möglichkeit einer Verständigung ungeheuer erschwert) zusammen-kommen und eine Kombination finden könnte, die es ermöglichen w ürde,Handel zu treiben.

Ich begreife wohl, daß Kommunisten wirklich Zeit brauchen, um Han-del treiben zu lernen, und daß jeder, der das lernen will, anfangs einigeJahre lang die gröbsten Fehler machen wird ; die Geschichte wird ihm ver-zeihen, weil das für ihn eine neue Sache ist. Da muß m an eben die H irneelastischer machen und jedes kommunistische oder vielmehr russischeOblomowtum* und vieles andere ablegen. Daß aber die Vertreter der

bürgerlichen S taaten das Handelsgeschäft von neuem zu lernen haben , dassie seit Jahrhunderten betreiben und auf dem ihr ganzes gesellschaftlichesDasein beruht — das ist sonderbar. Für uns ist das übrigens nicht so son-derbar: Wir haben schon längst gesagt und gewußt, daß sie den imperia-listischen Krieg weniger richtig beurteilt haben als wir. Sie pflegten ihndanach zu beurteilen, worauf sie mit der Nase stießen, und drei Jahre nachihren gigantischen Siegen können sie keinen Ausweg aus der Lage finden.

* Oblomow - Titelheld eines Romans von I. A. Gontscharow. Der Tibers.

U Lenin, Werke, Bd. 33

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200 TV. 3. Lenin

Wir Kommunisten sagten, daß wir den Krieg tiefer und richtiger ein-

schätzen, daß sich seine Widersprüche und Drangsale unvergleichlichbreiter auswirken, als die kapitalistischen Staaten annehmen. Und wennwir als Auße nseiter die bürgerlichen Siegerländer betrachteten, sagten wir :Sie werd en noch des öfteren an unsere V oraussagen und un sere Einschät-zung des Krieges und seiner Folgen denken. Der Umstand, daß sie sich inden einfachsten Dingen nicht mehr zurechtfinden, setzt uns nicht in Er-staunen. Doch gleichzeitig sagen wir: Wir brauchen den Handel mit denkapitalistischen Staaten, solange sie noch als solche existieren. Zu denVerhandlungen mit ihnen gehen wir als Kaufleute, und daß wir das zu-

stande bringen, wird durch die wachsende Zahl der Handelsverträge mitden kapitalistischen Mächten bewiesen, wird durch die Zahl der Geschäfts-abschlüsse bewiesen . W ir kö nne n sie nicht veröffentlichen, solange sie nichtabgeschlossen sind. Wenn ein kapitalistischer Kaufmann zu uns kommtund sagt: „Solange wir die Besprechungen nicht zum Abschluß gebrachthaben, muß das unter uns bleiben" — dann kann man das natürlich vomgeschäftlichen Standpunkt aus nicht abschlagen. Aber wir wissen ja, wieviele Verträge in Vorbereitung sind — die bloße Liste dieser Verträge u m-faßt mehrere Seiten, und darunter befinden sich Dutzende von konkret

besprochenen praktischen Angeboten solider Finanzgruppen. Natürlichwissen das die Herren Vertreter der bürgerlichen Mächte, die in Genuazusammentreten, nicht schlechter als wir: Mag es sonst stehen, wie es will,aber die Verbindung dieser Regierungen mit ihren kapitalistischen Finnenist natürlich bestehengeblieben. Immerhin ist sogar bei ihnen das Durch-einander noch nicht so groß , daß sie das nicht wü ßten .

Wenn wir daher in Telegrammen aus dem Ausland ständig auf Nach-richten stoßen, die den Anschein erwecken, als ob sie keine genaue Vor-stellung davon hätten, was in Genua vor sich gehen soll, als ab sie sich

etwas Neues ausdächten, als ob sie die Welt mit neuen Bedingungen, diesie Rußland stellen werden, überraschen wollten, so gestatten wir uns,ihnen zu sagen (ich hoffe, daß ich Gelegenheit haben werde, das LloydGeorge in Genua persönlich zu sagen): Ihr werdet, meine Herren, damitniemand überraschen. Ihr seid Kaufleute und versteht ausgezeichnet, Ha n-del zu treiben. Wir lernen erst, Handel zu treiben, und treiben ihn sehrschlecht. Aber wir haben Dutzende und Hunderte von Verträgen undVertragsentwürfen, aus denen ersichtlich ist, wie wir Handel treiben, was

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Vber die internationale und die innere Lage der Sowjetrepublik 201

für Geschäfte und unter welchen Bedingungen wir sie abschließen oder

abschließen werden. Und wenn wir in den Zeitungen auf alle möglichenNachrichten stoßen, die darauf berechnet sind, jemanden einzuschüchtern,Nachrichten, daß man uns eine Prüfung auferlegen werde, so lächeln wirdarüber ziemlich gelassen. Drohungen haben w ir zur G enüge gehört, undzwar ernsthaftere als die Drohungen eines Händlers, der Anstalten macht,die Tür zuzuschlagen, wenn er seinen allerallerletzten Preis bietet. Wirhaben von den alliierten Mächten, in deren Händen sich fast die ganzeWelt befindet, Drohungen mit Kanonen gehört. "Wir haben uns durchdiese Drohungen nicht erschrecken lassen. Vercjeß t d as bitte nicht, ihr

Herren europäischen "Diplomaten!W ir sind gar nicht erpicht darauf, unser eigenes diplomatisches Prestige,

unser Renommee zu w ahren, was für die bürgerlichen Staaten so außer-ordentlich wichtig ist. Wir werden offiziell nicht einmal über diese Drohun-gen reden. Aber wir haben sie nicht vergessen. Kein einziger Arbeiter,kein einziger Bauer hat bei uns vergessen, er kann nicht vergessen undwird niemals vergessen, daß er gekämpft hat, um die Arbeiter- undBauernmacht gegen den Bund all der stärksten Mächte zu verteidigen, diedie Intervention unterstützt haben. W ir haben eine ganze Kollektion von

Verträgen, die diese Staaten im Laufe einer Reihe von Jahren mit denKoltschak und Denikin abgeschlossen haben. Sie sind veröffentlicht, wirkennen sie, die ganze Welt kennt sie. Warum also Versteck spielen und dieSache so hinstellen, als ob wir allesamt das Gedächtnis verloren hätten?Jeder Bauer und jeder Arbeiter weiß, daß er gegen diese Mächte gekämpfthat und daß sie ihn nicht besiegt haben. Und wenn ihr Herren Vertreterder bürgerlichen Staaten euch die Zeit damit vertreiben wollt, daß ihreuer Papier (ihr habt sehr viel davon, mehr als nötig) und eure Tinte ver-schwendet, eure Telegrafenleitungen und eure Radiostationen überlastet,

um der ganzen Welt bekanntzugeben: „Wir werden Rußland einerPrüfung unterziehen", so wollen wir erst noch sehen, wer den kürzerenziehen wird. Wir sind schon geprüft worden, und zwar geprüft wordennicht durch Worte, nicht durch den Handel, nicht durch den Rubel, son-dern durch den Knüppel. Und wir haben bereits durch schwere, blutigeund qualvolle Wunden verdient, daß nicht wir selber, sondern unsereGegner von uns sagen müssen: „Ein Geprügelter ist das Doppelte wert."

Wir haben das auf militärischem Gebiet verdient. Was freilich den

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202 TV.lCenin

Handel anbelangt, so prügelt man uns Kommunisten leider nicht genug,

ich hoffe aber, daß dieser Mangel in nächster Zukunft behoben sein wird,und zwar mit ebensolchem Erfolg.

Ich sagte, daß ich darauf rechne, mit Lloyd George in Genua über dieseThemen persönlich sprechen und ihm sagen zu können, daß man nichtversudjen soll, uns mit Bagatellen einzuschüchtern, denn dabei büßen nurdiejenigen ihr Prestige ein, die uns einschüchtern wollen. Ich hoffe, daßmich meine Krankheit nicht daran hindern wird, die mir seit mehrerenMonaten keine Möglichkeit gibt, an den politischen Geschäften unmittel-bar teilzunehm en, und m ir überhaup t nicht erlaubt, den Sowjetposten, auf

den ich gestellt bin, auszufüllen. Ich hab e G run d zu d er An nahm e, da ß ichin einigen W ochen imstande sein we rde, meine unmittelbare Arbeit wiederaufzunehmen. Ob sie aber imstande sein werden, sich in einigen Wochenzu dritt oder zu viert darüber zu einigen, wovon sie der ganzen IVelt ver-kündet haben, daß sie sich einig seien — dessen bin ich nicht sicher. Ichwage sogar zu behaupten, daß niemand in der Welt dessen sicher ist, janoch mehr, daß sie das selber nicht wissen; denn als die Siegermächte, inderen Hä nde n die M acht über die ganze We lt liegt, in Cannes zusamm en-traten, nachdem sie sich schon viele Male versammelt hatten — die Zahl

ihrer Ko nferenz en ist endlos , un d die europäische bürgerliche Presse machtsich sogar selbst darüber lustig —, da vermochten sie trotzdem nicht rechtzu sagen, was sie wollen.

Am richtigsten hat deshalb, unter dem Gesichtspunkt der praktischenAufgaben und nicht des diplomatischen Bockspringens, Gen. Trotzki dieLage definiert. Am Tage nach der Nachricht, daß in bezug auf Genuaalles in bester Ordnung, alles restlos vereinbart sei, daß über Genua vollesEinvernehmen herrsche, daß aber die labile Stellung einer der bürger-lichen Regierungen (sie sind so verdächtig labil geworden) einen zeit-

weiligen Aufschub nötig gemacht habe, veröffentlichte er einen Befehl:„Jeder Rotarmist soll sich mit der internationalen Lage vertraut machen;wir wissen genau, daß es bei ihnen eine stabile Gruppe gibt, die ihr Glückin einer Intervention versuchen will; wir werden auf der Hut sein, undjeder Rotarmist soll wissen, was das diplomatische Spiel bedeutet und wasdie Gewalt der Waffen bedeutet, die bisher stets alle Klassenkonflikteentschieden hat."

Jeder Rotarmist soll wissen, was dieses Spiel bedeutet und was die Qe-

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Tiber die internationale und die innere Lage der Sowjetrepublik 203

walt der Waffen bedeutet, und dann wollen wir sehen. Wie sehr auch der

Kapitalismus in allen kapitalistischen Ländern daniederliegt, so könnendoch viele Parte ien, die nicht ohne Einfluß sind, ihr G lück in einem solchenAbenteuer versuchen. Und wenn die Regierungen so wenig stabil sind,daß sie eine Tagung nicht rechtzeitig einberufen können, wer weiß dann,in wessen Händen sich diese Regierungen erweisen werden? Wir wissen,daß es bei ihnen einflußreiche Parteien, einflußreiche Persönlichkeiten undLen ker der W irtschaft gibt, die den Krieg wünschen. W ir w issen das sehrgut, und über das, was den Wirtschaftsverträgen wirklich zugrunde liegt,sind wir zur Genüge unterrichtet. Wir haben ungewöhnlich viel Schweres

zu erdulden gehabt und wissen, was für Leiden und Qualen uns ein neuerKrieg auferlegen kann, aber wir sagen, daß wir das noch einmal ertragen

werden, versucht nur einmal, das auszuprobieren! Die Schlußfolgerung,die Gen. Trotzki zog, als er, anstatt Erwägungen nach Art des diploma-tischen Bockspringens anzustellen, seinen kategorischen Befehl veröffent-lichte, besteht darin, daß man jedem Rotarmisten von neuem die inter-nationale Lage klarmachen muß, weil die Vertagung der Genueser Kon-ferenz wegen der labilen Stellung der italienischen Regierung die Gefahreines Krieges bedeutet. Wir werden erreichen, daß jeder unserer Rot-

armisten das weiß. Das ist für uns um so leichter zu erreichen, als man inRußland selten eine Familie, einen Rotarmisten antrifft, die das nichtwüßten, und zwar nicht nur aus Zeitungen, Rundschreiben oder Befehlen,sondern aus dem eigenen Dorf, wo der R otarmist die Krüppel, die Familiengesehen hat, die diesen Krieg durchgehalten haben, wo er die Mißernte,den qualvollen Hunger und Ruin, die höllische Not sieht und weiß, wo-durch d as alles herv orge rufen w ord en ist, obgleich er die Paris er Publika -tionen der Menschewiki und Sozialrevolutionäre nicht liest, um das mitden bösartigen Eigenschaften der Bolschewiki zu erklären. Es gibt jetzt in

seinem ganzen Wesen wohl kaum eine stärkere Stimmung als die derAbwehr (nennen wir es so), der Abwehr gegen diejenigen, die uns denKrieg Koltschaks und Denikins gegen uns aufgezwungen und ihn unter-stützt haben. Da brauchen wir keine neuen Agitations- und Propaganda-kommissionen ins Leben zu rufen.

3n der 7rage der Qenueser "Konferenz muß man den "Kern der Sache

streng unterscheiden vo n den Zeitungsenten, die die Bourg eoisie losläßt,

der Bourgeoisie sdieinen sie schreckliche Bomben zu sein, uns aber schüch-

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tern sie nicht ein, weil wir ihrer schon viele erlebt haben und sie nicht

immer verdienen, daß man sie auch nur mit einem Lächeln beantwortet.Alle Versuche, uns Bedingungen wie Besiegten aufzuzwingen, sind leererWahn, auf den es nicht lohnt zu antworten. Wir knüpfen als XaufleuteBeziehungen an und wissen, was man uns sdhuldet und was wir den andernsdbulden und wie hodh ihr rechtmäßiger und sogar erhöhter Profit seinkann. Wir erhalten viele Angebote, die Zahl unserer Vertrage nimmt zuund wird weiter zunehmen, was sich die drei, vier Siegermächte auch inden Kopf setzen mögen; durch diesen Konferenzaufschub werdet ihr ver-lieren, weil ihr euren eigenen Leuten beweisen werdet, daß ihr selber nicht

wißt, was ihr wollt, und daß ihr an der sogenannten Willenskrankheitleidet. Diese Krankheit besteht da rin, daß ihr euch in der Wirtschaft undin der Politik nicht zurechtfindet, die wir tiefgründiger als ihr eingeschätzthaben. Bald werden zehn Jahre vergangen sein, seitdem wir das getanhaben, aber diese ganze nachfolgende Zerrüttung und der Verfall sind denbürgerlichen Staaten immer noch nicht klar.

W ir sehen die Lage, die sich bei uns herausgebildet hat, bereits klar undkönnen mit voller Bestimmtheit sagen, daß wir den Rüdkzug, den wir be-gonnen haben, bereits einstellen können und ihn audh einstellen. £s ist

genug. Wir sehen vollständig klar und verhehlen nicht, daß die Neueökonomische Politik ein Rückzug ist; wir waren über das hinausgegan-gen, was wir festhalten konnten, aber das ist nun einmal die Logik desKampfes. Wenn sich jemand dessen erinnert, wie es im Oktober 1917 war,oder wenn einer damals noch politisch unreif war u nd sich später mit derLage, wie sie im Jahre 1917 w ar, vertraut gemacht hat, so weiß er, welcheine Menge von Kompromißvorschlägen die Bolschewiki damals der Bour-geoisie gemacht haben. Sie sagten damals: „Herrschaften, bei euch brichtalles zusammen, wir aber werden an die Macht kommen und sie behaup-

ten. Wollt ihr nicht die Güte haben, euch zu überlegen, wie ihr das, umnach Bauernart zu sprechen, ohne Skandal ordnen könnt?" Wir wissen,es gab nicht nur Skandale, sondern auch Versuche zu Aufständen, die vonden Menschewiki und Sozialrevolutionären angezettelt und unterstütztwurden. Früher sagten sie: „Wir sind bereit, sofort die Macht den Sowjetsabzutreten." Dieser Tage hatte ich Gelegenheit, in einer Pariser Zeitschrift(dort gibt es sehr viel von dieser Ware) einen Artikel Kerenskis gegenTschernow zu lesen; Kerenski sagt: „Haben wir uns etwa an die Macht

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Tiber die internationale und die innere Cage der Sowjetrepublik 205

geklammert? Ich habe bereits während der Demokratischen Beratung

erklärt, wenn sich Leute finden, die es übernehmen, eine homogene Regie-rung zu bilden, so wird die Macht der neuen Regierung ohne jede Er-schütterung übergeben werden."

W ir w eigerten uns nicht, die Macht allein zu übernehmen. Das erklär-ten wir schon im Juni 1917.44 Im Oktober 1917 haben wir das auf dem

Sowjetkongreß verwirklicht. Der Sowjetkongreß ha tte eine bolschewistischeMehrheit. Da wandte sich Kerenski an die Offiziersschüler, eilte zuKrasnow, wollte eine Armee sammeln und auf Petrograd marschieren.Wir haben sie ein wenig verdroschen, und nun sind sie gekränkt und

sagen: „Was für Wüteriche, Usurpatoren, was für Henker!" Wir ant-worten: „Klagt euch selber an, Freunde! Glaubt nicht, daß die russischenBauern und Arbeiter eure Taten vergessen haben! Ihr habt uns imOktober zum Kampf in seiner erbittertsten Form herausgefordert, alsAntwort darauf haben wir den Terror und den dreifachen Terror auf-geboten, und sollte es wieder erforderlich sein, so werden wir ihn noch ein-mal aufbieten, wenn ihr es noch einmal versuchen solltet." Kein einzigerArbeiter, kein einziger Bauer zweifelt daran , daß er notwendig ist; außerhysterischen Intelligenzlern zweifelt niemand daran.

Wir hatten unter den Bedingungen unerhörter ökonomischer Schwierig-keiten gegen einen Feind Krieg zu führen, der unsere Kräfte hundertfachüberstieg; es ist verständlich, daß wir dabei auf dem Gebiet außerordent-licher kommunistischer Maßnahmen weit gehen mußten, weiter als nötig;man zwang uns dazu. Unsere Gegner glaubten, sie würden uns den Gar-aus machen, sie glaubten, uns nicht in Worten, sondern in der Tat zurUnterwerfung zwingen zu können. Sie sagten: „Wir werden uns aufkeinerlei Zugeständnisse einlassen." W ir antworteten: „Wenn ihr glaubt,daß w ir uns zu extremen kommunistischen Maßnahm en nicht entschließenwerden, dann irrt ihr euch." Und wir haben uns entschlossen, wir haben 1

das getan, und wir haben gesiegt. Heute sagen wir, daß wir diese Posi-tionen nicht halten können, wir treten den Rückzug an, weil wir genugerobert haben, um die notwendigen Positionen zu halten. Die ganze weiß-gardistische Sippschaft mit den Menschewiki und Sozialrevolutionären ander Spitze frohlockt und sagt: „Aha! Ihr tretet den Rückzug an!" — „Froh-lockt nur, damit macht ihr euch selbst etwas vor", sagen wir. Für uns istes vorteilhaft, wenn unser Gegner, statt sich mit sachlicher Arbeit zu

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206 'W.I.Lenin

befassen, sich in Illusionen wiegt. Triumphiert nur, dadurch, daß ihr euch

in Illusionen wiegt, bringt ihr uns in eine noch günstigere Lage. Wir habenkolossale Positionen erobert, und hätten wir von 1917 bis 1921 diesePositionen nicht erobert, so hätten wir keinen Raum für einen Rückzuggehabt — sowohl im geographischen als auch im ökonomischen und poli-tischen Sinne. Wir behalten im Bunde mit den Bauern die Macht, undwenn ihr auf die Bedingungen nicht eingehen wollt, die euch vor demKrieg angeboten wurden, so werdet ihr nach dem Krieg schlechtere Be-dingungen erhalten. Das ist in der diplomatischen, ökonomischen undpolitischen Geschichte von 1917 bis 1921 genau fixiert, so daß es durchauskeine Prahlerei ist. Das ist einfach eine Feststellung, einfach eine Mah-nung. Hätten die Herren Kapitalisten im Oktober 1917 unsere Vorschlägeangenommen, so hätten sie fünfmal mehr gehabt als heute. Ihr habt dreiJahre lang Krieg geführt. Was hab t ihr erreicht? W ollt ihr weiterhin Kriegführen? Wir wissen ganz gut, daß bei weitem nicht alle unter euch Kriegführen wollen. Wir wissen anderseits, daß wir bei der verzweifeltenHungersnot und bei dem jetzigen Zustand unserer Industrie nicht allePositionen halten können, die wir von 1917 bis 1921 gewonnen haben.Wir haben eine ganze Reihe davon preisgegeben. Aber wir können jetztsagen, daß dieser Rückzug in dem Sinne, daß wir den Kapitalisten Zu-

geständnisse machen, beendet ist. W ir haben unsere Kräfte und die Kräfteder Kapitalisten gegeneinander abgewogen. Wir haben zu diesem Behufeine ganze Reihe von Erkundungen durchgeführt, indem wir Verträge mitrussischen und ausländischen Kapitalisten abschlössen, und wir sagen, undich hoffe und bin überzeugt, daß auch der Parteitag das offiziell im Nam ender führenden Partei Rußlands sagen wird: 'Unseren ökonomischen Rück-

zug, können wir jetzt einstellen. Es ist genug. Weiter zurück werden wirnicht gehen, sondern uns damit befassen, die Kräfte richtig zu entfaltenund zu gruppieren.

Wenn ich sage, daß wir unseren ökonomischen Rückzug einstellen, sobedeutet das nicht, daß ich die höllischen Schwierigkeiten, in denen wiruns befinden, auch nur im geringsten vergessen hätte und daß ich Sie indieser Hinsicht beruhigen und trösten möchte. Die Frage nach den G ren-zen des Rückzugs und danach, ob wir ihn einstellen oder nicht — das ist

•nicht die Frage danach, was für Schwierigkeiten das sind, vor denen wirstehen. Wir wissen, vor welchen Schwierigkeiten wir stehen. Wir wissen,

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Tiber die internationale und die innere Lage der Sowjetrepublik 207

was eine Hungersnot in einem Bauernland wie Rußland bedeutet. Wir

wissen, daß es uns noch nicht gelungen ist, das durch die Hungersnot her-vorgerufene Elend zu beheben. Wir wissen, was die Finanzkrise in einemLande bedeutet, das Handel zu treiben gezwungen ist und in dem einesolche Unmasse von Papiergeld ausgegeben ist, wie die Welt noch niegesehen hat. Wir kennen diese Schwierigkeiten, wir wissen, daß sie ge-waltig sind. Ich scheue mich nicht zu sagen, daß sie unermeßlich sind. Dasschreckt uns keineswegs. Im Gegenteil, wir werden unsere Kraft darausschöpfen, daß wir den Arbeitern und Bauern offen sagen: „Das sind dieSchwierigkeiten, vor denen ihr steh t, das ist die Gefahr, die uns von den

Westmächten droht. Laßt uns arbeiten und unsere Aufgaben nüchtern insAuge fassen!" Wenn wir unseren Rückzug einstellen, so heißt das nicht,daß wir diese Gefahren nicht kennen. Wir sehen ihnen direkt ins Auge.Wir sagen: „Hier liegt die Hauptgefahr; die durch die Hungersnot her-vorgerufenen Leiden müssen geheilt werden . Wir haben sie noch nicht ge-heilt. Wir haben die Finanzkrise noch keineswegs überwunden." Mandarf also die Worte von der Einstellung des Rückzugs keinesfalls so auf-fassen, als wären wir der Ansicht, daß wir das Fundament (der neuenÖkonom ik) schon gelegt hätten und nun ruhig weitergehen könnten. N ein,

das Fundament ist noch nicht gelegt. Wir können der Zukunft noch nichtruhig entgegensehen. W ir sind von Gefahren umringt, von militärischen,über die ich zur Genüge gesprochen habe, und von noch größeren Ge-fahren im Innern, wo es ökonomische Gefahren gibt, die in der schreck-lichen Ruinierung der Bauernschaft, in der H ungersnot, in der finanziellenWirrnis bestehen. Sie sind außerordentlich groß. Eine gewaltige Kraft-anspannung w ird von uns erfordert. Doch wenn man uns einen Krieg auf-zwingen sollte, so werden wir zu kämpfen wissen. Aber Kriegführen istauch für die andern keine so leichte Sache. Es war für sie 1918 leicht, denKrieg zu beginnen, ebenso wie 1919, ihn fortzusetzen. Aber bis 1922 istviel Wasser, auch viel Blut und viel anderes, die Wolga hinuntergeflossen.Die Arbeiter und Bauern im Westen sind ganz und gar nicht mehr die-selben, die sie 1919 waren. Man kann sie jetzt nicht mehr mit der Behaup-tung betölpeln, man führe gegen die Deutschen Krieg, und die Bolsche-wiki seien nur Sendlinge der Deutschen — weiter nichts. Wir verfallenwegen unserer ökonomischen Lage nicht in Panik. Wir haben gegenwärtigDutzende von Verträgen, die mit russischen und ausländischen Kapita-

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listen abgeschlossen worden sind. Wir kennen die Schwierigkeiten, vor

denen wir standen und stehen. Wir wissen, warum die russischen Kapita-listen auf diese Verträge eingegangen sind. Wir wissen, unter welchenBedingungen diese Ve rträge abgeschlossen w orden sind. Die m eisten dieserKapitalisten gehen als Praktiker, als Kaufleute auf diese Verträge ein.Und auch wir tun es als Kaufleute. Aber jeder Kaufmann stellt bis zueinem gewissen Grade die Politik in Rechnung. Ist das ein Kaufmann auseinem halbwegs zivilisierten Land, so wird er mit einer Regierung, vonder er nicht in hohem G rad e den Eindruck von Festigkeit un d Zuverlässig-keit gewinnt, keine Geschäfte abschließen. Ein Kaufmann, der das täte,

wäre kein Kaufmann mehr, sondern ein Dummkopf. Die machen aberunter den Kaufleuten nicht die überwältigende Mehrheit aus, weil dieganze Logik des kommerziellen Kampfes sie vom kommerziellen Feldentfernt. War die Einschätzung bei uns früher die: Hat dich Denikingeschlagen, so beweise, daß du ihn schlagen kannst, so ist sie jetztanders: Hat dich der Kaufmann geschlagen, so beweise, daß du ihn zwin-gen kannst, ein Geschäft abzuschließen. Wir haben diesen Beweis gelie-fert. W ir haben bereits eine An zahl von Verträgen mit den größten kapi-talistischen Firmen Rußlands und Westeuropas. Wir wissen, worauf es

ihnen ankomm t. Sie wissen, worauf es uns ankom mt.Die Aufgabe, vor der wir in unserer Arbeit stehen, ändert sich jetzt

etwas. Darüber möchte ich in Ergänzung zu meinem ohnehin etwas langgeratenen Referat nu n noch einige Wo rte sagen.

Im Zusammenhang damit, daß hinsichtlich Genuas Schwankungen zuverzeichnen sind, deren En de, wie es scheint, nicht abzuse hen ist, und da ßwir in unserer Innenpolitik so viele Zuge ständnisse gemacht haben , müssenwir jetzt sagen: „Qenug, keine weiteren Zugeständnisse!" Wenn d ieHerren Kapitalisten glauben, man könne die Sache noch weiter in die

Länge ziehen, und je länger sie das täten, desto größer würden die Zu-geständnisse sein, so, wied erhole ich, m uß m an ihnen sagen: „ Qenug, mor-

gen werdet ihr gar nidots erhalten!" Wenn sie aus der Geschichte der So-wjetmacht und ihrer Siege nichts gelernt haben, dann — wie sie wollen.Wir haben unserseits alles getan und das vor der ganzen Welt erklärt. Ichhoffe, der Parteitag wird ebenso bestätigen, daß wir uns weiter nichtzurückziehen. Der Rüdkzug ist beendet, und im Zusammenhang damitändert sich auch unsere Arbeit.

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"Über die internationale und die innere £,age der Sowjetrepublik 209

Es muß festgestellt werden, daß sich bei der Erörterung dieser Frage

bei uns bis jetzt noch eine große, fast krankhafte Nervosität bemerkbarmacht; man stellt alle möglichen Pläne auf und faßt alle möglichen Be-schlüsse. Bei dieser Gelegenheit möchte ich folgendes anführen. Gesternlas ich zufällig in den „Iswestija" ein Gedicht von Majakowski über einpolitisches T h em a. « Ich gehöre nicht zu d en V ereh rern seines dichterischenTalents, obwohl ich meine Inkompetenz auf diesem Gebiet gern zugebe.Ab er schon lange ha be ich vom politischen un d adm inistrativen Stan dpu nktaus kein solches Vergnügen empfunden. In seinem Gedicht macht er sichweidlich lustig über die vielen Sitzungen und verspottet die Kommunisten,

die immerzu Sitzungen und abermals Sitzungen abhalten. Ich weiß nicht,wie es in dem Gedicht um die Poesie bestellt ist, was aber die Politik an-geht, so verbürg e ich mich, daß das vollständig richtig ist. W ir befinden unstatsächlich in der Lage von Leuten (und man muß sagen, daß das eine sehralberne Lage ist) , die imm erzu Sitzungen ab halten, Kommissionen bilden,Pläne aufstellen — bis ins Unendliche. Es hat einen solchen Typus desrussischen Lebens gegeben — Oblom ow . Er pflegte imm erzu auf dem Bettzu liegen und Pläne zu schmieden. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Ruß-land hat drei Revolutionen durchgemacht, aber die Oblomow s sind imm er

noch da, denn in Oblomow verkörperte sich nicht nur der Gutsbesitzer,sonde rn auch der Bauer, und nicht nu r de r Bauer, sond ern auch der Intel-lektuelle, und nicht nur der Intellektuelle, sondern auch der Arbeiter undKom munist. Es genügt, uns einmal anz usehen, w ie wir Sitzungen abhalten,wie wir in den Kommissionen arbeiten, um zu sagen: Der alte Oblomowist noch da, und m an m uß ihn lange wasdhen, säubern, zausen und walken,

damit etwas Vernünftiges herauskommt. In dieser Hinsicht müssen wirunsere Lage ohne jede Illusion betrachten. Wir haben es keinem vondenen nachgemacht, die das Wort „Revolution" mit großen Buchstaben

schreiben', wie das die Sozialrevolutionäre tun. Aber wir können dieWorte von Marx wiederholen, daß während der Revolution nicht wenigerDum mheiten gemacht we rden, sondern m anchmal sogar nod i mehr.4^ Manmuß sich diese Dummheiten nüchtern und furchtlos vor Augen halten —das müssen wir Revolutionäre lernen.

Wir haben in dieser Revolution so viel geleistet, was nicht wieder rück-gängig zu machen ist, was schon endgültig gesiegt hat und was schon dieganze Welt kennt, daß wir keinesfalls verlegen und nervös zu werden

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210 'W.I.Lenin

brauchen. Zur Zeit ist die Lage die, daß wir, gestützt auf die durch-

geführte Erkundung, eine Überprüfung des von uns Geleisteten vor-nehmen — diese Üb erprü fung ist von sehr großer Bedeutung, von ihr ausmüssen wir weitergehen. Und wenn wir einen Kampf gegen die Kapita-listen zu bestehen haben, müssen wir entschlossen unseren neuen Weggehen. Wir müssen unsere ganze Organisation so aufbauen, daß an derSpitze der komm erziellen Unternehmungen nidht Leute stehen, die auf

diesem Qebiet keine Erfahrung haben. Bei uns ist es gang und gäbe, daßma n an die Spitze einer Institution einen Komm unisten stellt, einen an er-kanntermaßen gewissenhaften, im Kampf für den Kommunismus erprob-

ten Menschen, der im Gefängnis gesessen hat, der aber vom Handel nichtsversteht, und ausgerechnet den stellt man an die Spitze eines staatlichenTrusts. Er weist unbestreitbar alle Vorzüge eines Kommunisten auf, unddennoch wird ihn der Geschäftsmann hereinlegen— und er wird recht dar-an tun. Denn ganz unnützerweise hat man die würdigsten, prächtigstenKom mun isten, an d eren Ergebenheit kein Mensch zweifeln w ird, der seinefünf Sinne beisammen hat, auf einen Platz gestellt, auf den man einenrührigen kaufmännischen Angestellten stellen muß, der seine Arbeit ge-wissenhaft macht und viel besser damit zurechtkommen wird als der er-

gebenste Kom munist. Eben hier ist es, wo sich unser Oblo mo wtum zeigt.Wir haben an die praktische Arbeit in den Exekutivorganen Kommu-nisten mit allen ihren vorzüglichen Eigenschaften hingesetzt, die aber fürdiese Arbeit völlig ungeeignet sind. Wieviel Kommunisten sitzen bei unsin den staatlichen Institutionen. Wir haben gewaltige Materialien, solidewissenschaftliche Werke, die den exaktesten deutschen Gelehrten in Ent-zücken versetzen wü rden , wir haben Berge von Papiere n, und man braucht50 Jahre Arbeit der Kommission für die Parteigeschichte 47 , multipliziertmit 50, um sich in alledem zurechtzufinden, aber praktisch werdet ihr in

einem staatlichen Trust nichts erreichen und nicht erfahren, wer wofürverantwortlich ist. Die praktische Ausführung der D ekre te, von denen w irme hr als genug haben und die wir mit jener H ast backen, die M ajakowskigeschildert hat, bleibt ohne Kontrolle. Werden die Anordnungen der ver-antwortlichen kommunistischen Funktionäre bei uns ausgeführt? Ver-stehen sie es, diese Sache zu orga nisieren ? N ein , das ist nicht der Fall, unddeshalb ändert sich auch der Angelpunkt unserer Innenpolitik. Was sindunsere Sitzungen und Kommissionen? Sehr häufig bloße Spielerei. Seit-

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Tiber die internationale und die innere Zage der Sowjetrepublik 211

dem wir die Parteireinigung begonnen und uns gesagt haben: „Fort mit

den N utznießern und Mitläufern der Partei, mit den Dieben!", ist es beiuns besser geworden. Ungefähr hunderttausend haben wir an die Luftgesetzt, und das ist ausgezeichnet, aber das ist erst ein Anfang. Auf demParteitag werden wir diese Frage gründlich erörtern. Und dann, denkeich, werden die Zehntausende, die jetzt nur Kommissionen bilden undpraktische Arbeit weder leisten noch zu leisten verstehen, dasselbe Schick-sal erleiden. Wenn wir uns dann auf diese Weise gesäubert haben, wirdsich unsere Partei mit der praktischen Arbeit befassen und wird das ebensoverstehen, wie sie es auf militärischem Gebiet verstanden hat. Natürlich

ist das keine Arbeit von einigen wenigen M onaten , auch nicht von einemJahr. In dieser Frage müssen wir felsenfest sein. W ir scheuen uns nicht zusagen, daß sich der Charakter unserer Arbeit geändert hat. Unser schlimm-ster innerer Feind ist der Bürokrat, der Kommunist, der auf einem ver-antwortlichen (und auch auf einem nichtverantwortlichen) Sowjetpostensitzt und allgemeine Achtung als gewissenhafter Mensch genießt. Esstimm t, daß er nicht singen kann, doch dafür rüh rt er keinen Branntweinan.* Er hat es nicht gelernt, den Schlendrian zu bekämpfen, er verstehtes nicht, ihn zu bekämpfen, er bemäntelt ihn. "Dieses Jeindes müssen wir

uns entledigen, u nd mit Hilfe aller klassenbewußten Arbeiter und "Bauernwerden wir ihm zu Leibe zu rüdnen. 7m Kampf gegen diesen 7eind, gegendiese Stümperei und dieses Oblomow tum wird die ganze M asse der par-

teilosen Arbeiter und "Bauern dem Vortrupp der Kommunistisdben Parteiwie ein Mann folgen. "Diesbezüglich kann es keine Schwankungen geben.

Ich bin am Schluß und möchte kurz zusammenfassen. Das Spiel mitGenua, das Bockspringen um Genua wird uns nicht im geringsten schwan-kend machen. Jetzt kann man uns nicht mehr fangen. "Wir geben zu denXaufleuten und werden uns auf Qesdbäfte einlassen, wobei wir unsere

Politik der Zugeständnisse fortsetzen, aber ihre Qrenzen sind bereitsfestgelegt. Was wir den Kaufleuten in unseren Verträgen bisher einge-räumt haben, war ein Schritt zurück in unserer Gesetzgebung, und weiterwerden wir nicht gehen.

Im Zusammenhang damit ändern sich unsere Hauptaufgaben in derinneren, besonders in der ökonomischen Politik. Wir brauchen keineneuen Dekrete, keine neuen Institutionen, keine neuen Kampfmethoden.

*~Nach I. A. Krylows Fabel „Musikanten". Der Tibers.

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212 "W. J. Lenin

Was wir braudhen, ist eine Kontrolle über die Eignung der Menschen,

eine Kontrolle über die wirkliche Durchführung. Die nächste Reinigungwird sich gegen die Kom mu nisten richten, die sich einbilden, Verwaltungs-funktionäre zu sein. Alle diejenigen, die sich nur mit diesen Kommis-sionen, Beratungen und Besprechungen abgeben, aber nicht die einfachstepraktische Arbeit leisten, sollen sich lieber auf das propagandistische undagitatorische und jedes andere nützliche Arbeitsgebiet werfen. Sie klügelnirgend etwas Besonderes und Verzwicktes aus und suchen sich damit zurechtfertigen, daß es die Neue ökonomische Politik gebe und daß manetwas Neues ausd enken m üsse. Ab er da s, wom it sie beau ftragt sind, wird

nicht getan. Sie sorgen sich nicht da rum , wie sie die Kop eke, die m an ihnenanvertraut hat, sparen können, und bemühen sich nicht, zwei Kopekendaraus zu machen, aber stellen Pläne für Milliarden und sogar Billionenvon Sowjetgeld auf Gegen dieses Üb el werde n wir unseren Kampf führen.Die Menschen kontrollieren und die faktische Durchführung jedes Auf-trags kontrollieren — darin, noch einmal darin und nur darin liegt jetztder Ange lpunkt der ga nzen A rbeit, d er ganzen Politik. Da s ist keine Sachevon einigen Mon aten , auch nicht von einem Jah r, sondern eine Sache vonmehreren Jahren. Wir müssen offiziell im Namen der Partei sagen, wo

jetzt der Angelpunkt der Arbeit liegt, und die Reihen entsprechend um-gruppieren. Dann werden wir auf diesem neuen Gebiet ebenso Siegersein, wie wir es bishe r auf allen Arbeitsgebie ten w are n, die die bolschewi-stische proletarische Macht, unterstützt von der Bauernmasse, in Angriffgenom men hat . (B e i f a 11,)

JPravoda" Nr. 54, Nach dem CTexf der .VraioAa".8. März 1922,

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Ü B ER D I E B E D E U T U N G

D E S S T R E IT B A R E N M A T E R I A L I S M U S

über die allgemeinen Aufgaben der Zeitschrift „Pod Snamenem Mar-xism a"« hat Gen. Trotzki in Heft 1/2 schon alles Wesentliche gesagt undes ausgezeichnet gesagt. Ich möchte auf einige Fragen eingehen, die Inhaltund Programm der Arbeit näher bestimmen, welche sich die Redaktionder Zeitschrift in ihrem Geleitwort zu Heft 1/2 zum Ziel gesetzt hat.

In diesem Geleitwort heißt es, nicht alle, die sich um die Zeitschrift„Pod Snamenem Marxisma" vereinigt haben, seien Kommunisten, dochalle seien konsequente Materialisten. Ich denke, daß dieses Bündnis von

Kommunisten und Nichtkommunisten unbedingt notwendig ist und dieAufgaben der Zeitschrift richtig bestimmt. Einer der größten und gefähr-lichsten Fehler von Kommunisten (wie überhaupt von Revolutionären, dieerfolgreich den Anfang einer großen Revolution vollbracht haben) ist dieVorstellung, daß eine Revolution von Revolutionären allein durchgeführtwerden könne. Umgekehrt, für den Erfolg jeder ernsten revolutionärenArbeit ist es notwendig, zu begreifen und für die Praxis als Richtschnurzu nehmen, daß Revolutionäre lediglich als Avantgarde einer wirklichlebensfähigen und fortschrittlichen Klasse ihre Rolle spielen können. Die

Avantgarde erfüllt nur dann die Aufgaben einer Avantgarde, wenn sie esversteht, sich von der unter ihrer Führung stehenden Masse nicht loszu-lösen, sondern die ganze Masse wirklich vorwärtszuführen. Ohne einBündnis mit Nichtkommunisten auf den verschiedenartigsten Tätigkeits-gebieten kann von einem erfolgreichen kommunistischen Aufbau keineRede sein.

Das bezieht sich auch auf die Arbeit, die sich die Zeitschrift „Pod Sna-menem Marxisma" zum Ziel gesetzt hat — auf die Verteidigung des Ma-

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214 W. 1 Lenin

terialismus und Marxismus. Die Hauptrichtungen des fortschrittlichen

gesellschaftlichen Denkens Rußlands haben glücklicherweise eine wohl-fundierte materialistische Trad ition. Von G. W . Plechanow ganz zuschweigen, genügt es, Tschernyschewski zu nennen, dem gegenüber dieVolkstümler unserer Zeit (die Volkssozialisten, Sozialrevolutionäreu. dgl. m.) nicht selten zurück gegangen sind, weil sie reaktionären philo-sophischen Moderichtungen nachjagten und sich vom Flitterglanz des an-geblich „letzten Wortes" der europäischen Wissenschaft täuschen ließen,unfähig, hinter diesem Flitterglanz die eine oder andere Spielart des La-kaientums vor der Bourgeoisie und ihren Vorurteilen, vor dem reaktio-

nären Geist der Bourgeoisie zu erkennen.Jedenfalls gibt es bei uns in Rußland noch Materialisten aus dem Lager

der Nichtkommunisten — und es wird sie zweifellos noch ziemlich langegeben —, und unsere unbedingte Pflicht ist es, alle Anhänger des konse-quenten und streitbaren Materialismus im Kampf gegen die philosophi-sche Reaktion und gegen die philosophischen Vorurteile der sogenann-ten „gebildeten Gesellschaft" zu gemeinsamer Arbeit heranzuziehen.Dietzgen der Ältere, den man nicht mit seinem Sohn, einem ebenso an-maßenden wie erfolglosen Literaten, verwechseln darf, brachte die Grund-

auf fässung des M arx ism us von den philosophischen Richtungen, die in denbürgerlichen Län dern herrschen und unter ihren Gelehrten und Pu blizistenAnsehen genießen, richtig, treffend und klar zum Ausdruck, als er sagte,daß die Professoren der Philosophie in der modernen Gesellschaft in derMehrzahl der Fälle tatsächlich nichts anderes sind als „diplomierte La-kaien der Pfafferei".

U nse re russischen Intellektuellen, die sich — wie übrigen s auch ihreKollegen in allen übrigen Ländern — sehr gern für fortschrittliche Leutehalten, lieben es durchaus nicht, wenn die Behandlung der Frage in die

durch Dietzgens Urteil angegebene Richtung gelenkt wird. Und zwarlieben sie es deshalb nicht, weil ihnen die Wahrheit ein Dorn im Augeist. Es genügt, ein wenig über die staatliche, ferner die allgemein-ökono-mische, die soziale und jede Art sonstiger Abhängigkeit der Gebildetenunserer Zeit von der herrschenden Bourgeoisie nachzudenken, um die ab-solute Richtigkeit der scharfen Charakteristik Dietzgens zu begreifen.Man braucht sich nur an die übergroße Mehrzahl der in den europäischenLändern so häufig auftauchenden philosophischen Moderichtungen zu

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Tiber die Bedeutung des streitbaren Materialismus 215

erinnern , angefangen beispielsweise mit denen, die an die Entdeckung des

Radiums anknöpften, bis zu denen, die sich heute an Einstein zu klam-mern suchen, um eine Vorstellung von dem Zusammenhang zu bekom-men, der zwischen den Klasseninteressen und der Klassenstellung derBourgeoisie sowie der Unterstützung, die sie jeglichen Formen der Reli-gion gewährt, und dem Ideeninhalt der philosophischen Moderichtungenbesteht.

Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß eine Zeitschrift, die ein Organdes streitbaren Materialismus sein will, erstens ein Kampforgan im Sinneder unentwegten Entlarvung und Verfolgung aller modernen „diplomier-

ten Lakaien der Pfafferei" sein muß , einerlei, ob diese als R epräsentantender offiziellen Wissenschaft oder als Freischärler auftreten, die sich „de-mokratisch-radikale oder ideell-sozialistische" Publizisten nennen.

Eine solche Zeitschrift muß zw eitens ein O rgan des streitbaren Atheis-mus sein. Wir haben Behörden oder zumindest staatliche Einrichtungen,die für diese Arbeit zuständig sind. Sie wird jedoch äußerst träge, äußerstunbefriedigend geleistet, da sich offenbar der Druck der allgemeinen Ver-hältnisse unseres echt russischen (obzw ar sowjetischen) Bürokratismus aufsie auswirkt. Es ist daher außerordentlich wichtig, daß in Ergänzung der

von den entsprechenden staatlichen Einrichtungen geleisteten A rbeit, zurKorrektur und Belebung dieser Arbeit eine Zeitschrift, die ein Organ desstreitbaren Materialismus werden will, unermüdlich atheistische Propa-ganda treibt und für den Atheismus kämpft. Die gesamte einschlägigeLiteratur in allen Sprachen muß aufmerksam verfolgt und-alles, was aufdiesem Gebiet von irgendwelchem Wert ist, übersetzt oder mindestensbesprochen werden.

Engels hat den Führern des modernen Proletariats schon vor langer Zeitden Rat gegeben, die kämpferische atheistische Literatur vom Ende des

18. Jahrhund erts zur Massenverbreitung unter dem Volk zu übersetzen.*9

Zu unserer Schande haben wir dies bisher noch nicht getan (einer von denzahlreichen Beweisen dafür, daß es viel leichter ist, in einer revolutionärenEpoche die Macht zu erobern, als diese Macht richtig zu gebrauchen).Zuweilen will man diese unsere Trägheit, Un tätigkeit und Ungeschicktheitmit allerhand „tiefgründigen" Erwägungen rechtfertigen, zum Beispieldamit, daß die alte atheistische Literatur des 18. Jahrhunderts veraltet,unwissenschaftlich, naiv usw. sei. Es gibt nichts Schlimmeres als der-

15 Lenin, W erte, Bd. 33

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216 TV.1). Lenin

gleichen pseudowissenschaftliche Sophismen, hinter denen sich entweder

Pedanterie oder ein vollkommenes Unverständnis für den Marxismusverbirgt. Natürlich finden sich in den atheistischen Schriften der Revolu-tionäre des 1 8. Jah rhu nde rts nicht wenig unwissenschaftliche un d na iveDinge. Aber niemand hindert die Herausgeber dieser Schriften daran, siezu kürze n und ihnen ku rze Nachw orte beizugeben, in denen auf den Fort-schritt, den die Menschheit seit dem En de des 18. Jahrh und erts in derwissenschaftlichen K ritik der Religion gemacht ha t, auf die entspreche ndenneuesten W er ke usw. hingewiesen wird. Es wä re der größ te und schlimm-ste Fehler, den ein Marxist begehen kann, zu glauben, die Millionen-

massen des Volkes (besonders der Bauern und Handwerker), die von derganzen modernen Gesellschaft zu geistiger Finsternis, Unwissenheit undBefangenheit in Vorurteilen verdammt sind, könnten aus dieser Finsternisnur auf dem geraden Weg rein marxistischer Aufklärung herauskommen.Diesen Massen muß man in der atheistischen Propaganda die mannig-faltigsten Kenntnisse vermitteln, man muß sie mit Tatsachen aus denallerverschiedensten Lebensgebieten bekannt machen, muß bald so, baldanders an sie herantreten, um ihr Interesse wachzurufen, muß sie ausdem religiösen Schlaf erwecken, sie von den verschiedensten Seiten her,

mit den verschiedensten M ethod en a ufrütteln u. dgl. m.Die schlagfertige, lebendige, talentvolle, geistreich und offen die herr-

schende Pfafferei attackierende Publizistik der alten Atheisten des18. Jahrhunderts wird zur Aufrüttelung der Menschen aus ihrem reli-giösen Schlaf fast durchweg tausendmal geeigneter sein als die langwei-ligen, trockenen, fast niemals durch geschickt ausgewählte Tatsachen er-läuterten W iederga ben des M arxism us, die in unserer Literatur überwiegenund (sagen wir es offen) den Marxismus häufig entstellen. Alle größerenWerke von Marx und Engels liegen bei uns in Obersetzungen vor. Es

gibt nicht den geringsten Grund zu der Befürchtung, daß der alte Atheis-mus und der alte Materialismus bei uns unergänzt bleiben könnten durchdie Korrekturen, die Ma rx un d Engels vorgenommen haben. Die H aup t-sache — das gerade vergessen unsere vermeintlich marxistischen, in Wirk-lichkeit aber den M arxism us verunstaltenden Kom munisten zum eist —besteht darin, daß man es verstehen muß, die noch ganz unentwickeltenMassen für eine bewußte Einstellung zu den religiösen Fragen und füreine bew ußte K ritik an den Religionen zu interessieren.

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Tiber die Bedeutung des streitbaren Materialismus 2\7

Anderseits betrachte man die Vertreter der modernen wissenschaft-

lichen Religionskritik. Fast stets „ergänzen" diese Vertreter der gebildetenBourgeoisie ihre eigene Widerlegung der religiösen Vorurteile durchArg um en te, die sie sogleich als ideelle Sklaven der B ourgeoisie, als „d iplo-mierte Lakaien der Pfafferei" entlarven.

Zw ei Beispiele: Professo r R. J. W ipp er gab 1918 ein Büchlein „D erUrsprung des Chris tentums" (Verlag „Pharos", Moskau) heraus. DerVerfasser berichtet zwar über die wichtigsten Erkenntnisse der modernenWissenschaft, führt jedoch nicht nur keinen Kampf gegen die Vorurteileund den Betrug, diese Waffen, deren sich die Kirche als politische Organi-

sation bedient, er macht nicht nur einen Bogen um diese Fragen, sondernerhebt auch noch den geradezu lächerlichen und im höchsten Grade reak-tionären Anspruch, über den beiden „Extremen", dem idealistischen wiedem materialistischen, zu stehen. Das ist Liebedienerei vor der herrschen-den Bourgeoisie, die in der ganzen Welt Hunderte Millionen Rubel vondem den Werktätigen abgepreßten Profit zur Unterstützung der Religionverwendet.

Der bekannte deutsche Gelehrte Arthur Drews widerlegt in seinemBuch „Die Christusmythe" die religiösen Vorurteile und Märchen, er be-

weist, daß es einen Christus niemals gegeben hat, spricht sich aber amSchluß des Buches für die Religion aus, freilich für eine erneuerte, frischaufgeputzte, schlau zurechtgemachte Religion, die fähig wäre, „der täglichimmer mächtiger anschwellenden naturalistischen Flutwelle" zu wider-stehen (S . 238 d er 4. deutschen Auflage, 1910 ). H ier h aben wir es miteinem direkten, bewuß ten Reaktionär zu tun , der d en. Ausbeu tern u n-verhüllt hilft, die alten und verfaulten religiösen Vorurteile durchfunkelnagelneue, noch widerlichere und niederträchtigere Vorurteile zuersetzen.

Das bedeutet nicht, daß man Drews nicht übersetzen sollte. Das be-deutet, daß die Kommunisten und alle konsequenten Materialisten, wennsie bis zu einem gewissen Grade ihr Bündnis mit dem progressiven Teilder Bourgeoisie verwirklichen, diese unentwegt entlarven müssen, sobaldsie ins Reaktionäre verfällt. Das bedeutet, daß es Verrat am Marxismusund Materialismus wäre, wenn man ein Bündnis mit den Vertretern derBourgeoisie des 18. Jahrhunderts, d. h. der Epoche, da diese revolutionärwar, verschmähen wollte, denn im Kampf gegen die herrschenden reli-

1 5*

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218 TV.I.Lenin

giösen Dunkelmänner ist es unsere Pflicht, mit den Drews ein „Bündnis"

in dieser oder jener Form, in diesem oder jenem Grade einzugehen.Die Zeitschrift „Pod Snamenem Marxisma", die ein Organ des streit-

baren Materialismus sein will, muß der atheistischen Propaganda, derBerichterstattung über die entsprechende Literatur und der Behebung dergewaltigen Mängel unserer staatlichen Tätigkeit auf diesem Gebiet vielPlatz einräumen. Besonders wichtig ist es, die Bücher und Broschüren aus-zuwerten, die viele konkrete Tatsachen und Gegenüberstellungen enthal-ten, aus denen der Zusammenhang der Klasseninteressen und Klassen-organisationen der modernen Bourgeoisie mit den Organisationen der

religiösen Institutionen und der religiösen Propaganda siditbar wird.Außerordentlich wichtig sind alle Materialien, die sich auf die Ver-

einigten Staaten von Nordamerika beziehen, wo der offizielle, amtliche,staatliche Zusammenhang zwischen Religion und Kapital weniger in Er-scheinung tritt. Dafür sehen wir dort um so klarer, daß die sogenannte„moderne Demokratie" (die die Menschewiki, die Sozialrevolutionäreund zum Teil auch die Anarchisten usw. so unvernünftig verherrlichen)nichts anderes darstellt als die Freiheit, das zu predigen, was für die Bour-geoisie vorteilhaft ist, vorteilhaft ist es für sie aber, wenn die reaktio-

närsten Ideen, die Religion, der Obskurantismus, die Verteidigung derAusbeuter u. dgl. m. gepredigt werden.

Man darf wohl erwarten, daß die Zeitschrift, die ein Organ des streit-baren Materialismus sein will, unserem Leserpublikum einen Überblicküber die atheistische Literatur bieten wird, versehen mit Hinweisen, fürwelchen Leserkreis und in welcher Hinsicht diese oder jene Schriftengeeignet sein könnten, und mit Angabe, was bei uns schon erschienen ist(als bereits erschienen können nur brauchbare Übersetzungen, deren esnicht allzu viele gibt, betrachtet werden) und was noch herausgegeben

werden muß .

Nicht minder wichtig, wenn nicht gar noch wichtiger, als das Bündnismit den konsequenten Materialisten, die nicht der Partei der Kommunistenangehören, ist für die vom streitbaren Materialismus zu leistende Arbeitdas Bündnis mit den Vertretern der modernen Naturwissenschaft, die demMaterialismus zuneigen und sich nicht scheuen, ihn entgegen den in dersogenannten „gebildeten Gesellschaft" herrschenden philosophischen

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Tiber die Bedeutung des streitbaren Materialismus 219

Modesdhwankungen zum Idealismus und Skeptizismus zu verfechten und

zu propagieren.D er in Heft 1/2 der Zeitschrift „Pod Snamenem Marxism a" erschienene

Artik el A. Timirjasews üb er die Relativitätstheorie Einsteins läßt u nshoffen, daß es der Zeitschrift gelingen wird, auch dieses zweite Bündniszu verwirklichen. Man muß ihm größere Aufmerksamkeit zuwenden.M an m uß bedenken, daß gerade aus dem jähen Um bruch, den die moderneNaturwissenschaft durchmacht, unausgesetzt reaktionäre philosophischeSchulen und Richtungen, große wie kleine, emporsprießen. Die Fragen,welche die jüng ste Revo lution auf dem G ebiet der Naturwissenschaft auf-

wirft, aufmerksam zu verfolgen und hierzu Naturforscher für die Mit-arbeit an der philosophischen Zeitschrift zu gewinnen ist daher eine Auf-gabe, ohne deren Lösung der streitbare Materialismus schlechthin wederstreitbar noch materialistisch sein kann. W en n Timirjasew im ersten Heftder Zeitschrift hervorheben mußte, daß schon eine Unzahl Vertreter derbürgerlichen Intelligenz in allen Ländern die Theorie Einsteins, der nachTimirjasews Worten persönlich keinerlei aktiven Feldzug gegen dieGrundlagen des Materialismus führt, auszuschlachten versucht, so gilt dasnicht nur für Einstein allein, sondern für eine ganze Reihe, wenn nicht die

Mehrzahl aller großen Neuerer in der Naturwissenschaft seit dem Endedes 19. Jahrhund erts .

Und um einer solchen Erscheinung nicht ratlos gegenüberzustehen,müssen wir begreifen, daß sich ohne eine gediegene philosophischeGrundlage keine Naturwissenschaft, kein Materialismus im Kampf gegenden Ansturm der bürgerlichen Ideen und gegen die Wiederherstellungder bürgerlichen Weltanschauung behaupten kann. Um diesen Kampfbestehen und mit vollem Erfolg zu Ende führen zu können, muß derNaturforscher moderner Material is t , bewußter Anhänger des von Marx

vertretenen Materialismus sein, das heißt, er m uß dialektischer M aterialistsein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Mitarbeiter der Zeitschrift„Pod Snamenem Marxisma" das systematische Studium der DialektikHegels vom materialistischen Standpunkt aus organisieren, d. h. jenerDialektik, die Marx sowohl in seinem „Kapital" wie auch in seinen histo-rischen und politischen Schriften praktisch angewandt hat, und zwar mitso viel Erfolg, daß jetzt jeder Tag, da im Osten (Japan, Indien, China)neue Klassen zum Leben und zum Kampf erwachen—d. h. jene Hunderte

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220 W. J.Lenin

Millionen der Menschheit, die den größeren Teil der Erdbevölkerung

ausmachen und die durch ihre geschichtliche Untätigkeit und ihren ge-schichtlichen Schlaf bisher den Stillstand und die Fäulnis in vielen fort-geschrittenen Staaten Europas bedingt haben —, daß jeder Tag, da neueVölker und neue Klassen zum Leben erwachen, den Marxismus immermehr bekräftigt.

Gewiß ist ein solches Studium, eine solche Auslegung und eine solchePropaganda der Hegeischen Dialektik außerordentlich schwierig, und dieersten Versuche in dieser Richtung werden zweifellos mit Fehlern behaftetsein. Aber nur der macht keine Fehler, der nichts tut. Gestützt auf die

Marxsche Anwendung der materialistisch aufgefaßten Dialektik Hegels,-könn en un d m üssen wir diese Dialektik nach allen Seiten hin ausarbeiten,in der Zeitschrift Auszüge aus den Hauptwerken Hegels veröffentlichenund sie materialistisch auslegen, indem wir sie durch Musterbeispiele derAnwendung der Dialektik bei Marx kommentieren, ebenso aber auchdurch Musterbeispiele der Dialektik auf dem Gebiet der ökonomischenun d politischen Verhä ltnisse, wie sie uns die neueste Geschichte, besonde rsder m ode rne imperialistische Krieg un d die Revolution, in so ungew öhnlichgroßer Anzahl bieten. Die Gruppe der Redakteure und Mitarbeiter der

Zeitschrift „Pod Shamenem Marxisma" sollte nach meiner Meinung eineAr t „Gesellschaft materialistischer F reunde d e r Hegeischen Dialektik"sein. Die mo dernen N aturforsch er werd en (wenn sie es verstehen, danachzu suchen, und wir es lernen, ihnen dabei zu helfen) in der materialistischgedeuteten Dialektik Hegels eine Reihe von Antworten auf die philo-sophischen Fragen finden, die durch die Revolution in der Naturwissen-schaft aufgeworfen werd en un d bei denen die intellektuellen Anbete r d erbürgerlichen Mode zur Reaktion „abgleiten".

Stellt man sich eine solche Aufgabe nicht und arbeitet man nicht syste-

matisch an ihrer Lösung, so kann der Materialismus kein streitbarerMaterialismus sein. Er wird, um einen Ausdruck Schtschedrins zu ge-brauchen, sich nicht so sehr schlagen als vielmehr geschlagen werden.Ohne eine solche Aufgabenstellung werden die großen Naturforscherauch künftig ebenso häufig wie bisher in ihren philosophischen Schluß-folgerungen un d Verallgemeinerungen hilflos sein. De nn die Naturw issen-schaft schreitet so schnell voran, macht eine P eriode so tiefgehendenrevolutionären Umbruchs auf allen Gebieten durch, daß sie ohne

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Tiber die "Bedeutung des streitbaren Materialismus 221

philosophische Schlußfolgerungen unter keinen Umständen auskommen

kann.Zum Schluß möchte ich noch ein Beispiel anführen, das zwar nicht dasGebiet der Philosophie, aber doch jedenfalls das Gebiet der gesellschaft-lichen Fragen betrifft, denen die Zeitschrift „Pod Snamenem Marxisma"ebenfalls Beachtung schenken w ill.

Es ist eines von den Beispielen dafür, wie die moderne Quasi-Wissen-schaft in Wirklichkeit als Schrittmacher der krassesten und niederträch-tigsten reaktionären A nschauungen dient.

Un läng st erhielt ich die Zeitschrift „Eko nom ist" N r. 1 (1922 ) zu -

gesan dt, die von der X I. Ab teilung de r „Russischen Technischen G esell-schaft" herausgegeben wird. Der junge Kommunist, der mir diese Zeit-schrift zusandte (und der wahrscheinlich keine Zeit hatte, sich mit ihremInhalt beka nnt zu ma chen ), sprach sich üb er die Zeitschrift unvorsichtiger-weise außerordentlich lobend'aus. In Wirklichkeit stellt diese Zeitschrift— ich weiß nicht, inwieweit bewußt — ein Organ moderner Anhänger derLeibeigenschaft dar, die sich natürlich in die Toga der Wissensdiaftlich-keit, des Dem okratismus u. dgl. m. hüllen.

Ein gewisser H er r P . A . Sorokin veröffentlicht in dieser Zeitschrift weit-

schweifige, angeblich „soziologische" Untersuchungen „über den Einflußdes Kriege s". P e r gelehrte Artikel strotzt von gelehrten Hinw eisen aufdie „soziologischen" Werke des Verfassers und seiner zahlreichen aus-ländischen Lehrer un d Kollegen. Seine Gelehrtheit sieht so au s:

Auf Seite 83 lese ich:

„Auf 1 0000 Ehen in Petrograd kommen gegenwärtig 92,2 Ehescheidungen -eine phantastische Z ahl, wobei von 100 geschiedenen Ehen 51,1 weniger als einJahr dauerten, 1 1% hatten eine Dau er von nicht einmal einem Mon at, 2 2% vonweniger als zwei Monaten, 4 1 % von weniger als drei-sechs Monaten und nur26 % von über sechs Monaten. Diese Zahlen besagen, daß die moderne gesetz-liche Ehe die Form ist, die dem Wesen nach außereheliche geschlechtliche Be-ziehungen verbirgt und Liebhabern ,galanter Abenteuer' die Möglichkeit gibt,mit gesetzlichem' Segen ihren Gelüsten zu frönen." („Ekonomist" Nr. 1, S. 83.)

Sicher rechnen sich sowohl dieser Herr als selbst auch die „RussischeTechnische Gesellschaft", die die Zeitschrift herausgibt und derartigeBetrachtungen veröffentlicht, zu den Verfechtern der Demokratie und be-trachten es als schwere Beleidigung, wenn man sie als das bezeichnet, was

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222 W.JXenin

sie in Wirklichkeit sind, nämlich als Anhänger der Leibeigenschaft, als

Reaktionäre, als „diplomierte Lakaien der Pfafferei".EHe oberflächlichste Bekanntschaft mit der Gesetzgebung der bürger-lichen Länder über Ehe, Scheidung und aneheliche Kinder wie auch mitder wahren Lage der Dinge in dieser Hinsicht zeigt jedem, der sich fürdiese Frage interessiert, daß sich die moderne bürgerliche Demokratieselbst in den demokratischsten bürgerlichen Republiken in dieser Bezie-hung gerade als Fürsprecherin der Leibeigenschaft gegenüber der Frauund den unehelichen Kindern erweist

Das hindert die Menschewiki, die Sozialrevolutionäre und einen Teil

der Anarchisten sowie alle entsprechenden Parteien des W estens natürlichnicht, mit ihrem Geschrei über die Demokratie und deren Verletzungdurch die Bolschewiki fortzufahren. In W irklichkeit stellt gerade die bol-schewistische Revolution in Fragen wie der Ehe, der Ehescheidung nndder Lage der unehelichen Kinder die einzige konsequent demokratischeRevolution dar. Das ist aber eine Frage, die unmittelbar die Interessender g rößeren Bevölkemngshälfte in jedem Lande berührt. Erst die bolsche-wistische Revolution hat, trotz der großen Zah l der vorangegangenen undsich demokratisch nennenden bürgerlichen Revolutionen, in dieser Bezie-

hung zum erstenmal einen entschiedenen Kampf geführt, und zwar sowohlgegen die reaktionären and leibeigenschaftlichen Zustände als auch gegendie übliche Heuchelei der herrschenden und besitzenden Klassen.

Wenn dem Herrn Sorokin 92 Ehescheidungen auf 10000 Ehen einephantastische Zahl zu sein scheinen, so bleibt uns nur die Annahme übrig,daß der Verfasser entweder in einem vom Leben so abgeschlossenenKloster gelebt hat und erzogen worden ist, daß wohl kaum jemand an dieExistenz eines solchen Klosters glauben wird, oder daß dieser Verfasserdie Wahrheit zugunsten der Reaktion und der Bourgeoisie verfälscht. W er

auch nur einigermaßen mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in denbürgerlichen Ländern vertraut ist, der weiß, daß die faktische Zahl derfaktischen (natürlich nicht von der Kirche und dem Gesetz sanktionierten)Ehescheidungen überall unvergleichlich höher ist Rußland unterscheidetsich in dieser Hinsicht von den anderen Ländern lediglich dadurch, daßseine Gesetze die Heuchelei und die rechtlose Lage der Frau und ihres Kin-des nicht sanktionieren, sondern offen und im Nam en der Staatsmacht je-der Heuchelei und jeder Rechtlosigkeit den systematischen Krieg erklären.

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"Über die 'Bedeutung des streitbaren Materialismus 223

Ene marxistische Zeitschrift wird auch gegen die modernen „gebilde-

ten" Anhänger der Leibeigenschaft dieser Sorte Krieg führen müssen.Wahrscheinlich bezieht bei uns ein nicht geringer Teil dieser Lente sogarStaatsgelder und steht im Staatsdienst, nm die Jugend aufzuklären, ob-wohl sie dazu nicht mehr taugen, als notorische Kinderschänder in derRolle von Erziehern an Schulen für die unterste Altersstufe taugenwürden.

Die Arbeiterklasse Rußlands hat es vermocht, die Macht zu erobern,aber es noch nicht gelern t, sie zu gebrauchen, denn sonst hätte sie derartigeLehrer un d Mitglieder gelehrter Gesellschaften schon längst aufs höflichste

in die Länder der bürgerlichen „Dem okratie" hinauskomplimentiert. Do rtist fü r solche Leibeigenschaftsapostel gerade der richtige Platz.Sie wird es lernen, wenn sie nur will.

12. III. 1922

JPod Snamenem tMarxisma' TJr. 3, 9iad> dem 7ext der Zeit-TAärz 1922. sdbrift JPod Snamenem"Untersdmft-.TJ. Lenin TAarxisma".

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224

A N D I E M I T G L I E D E R D E S P O L I T B Ü R O S

ü b e r die Thesen des Gen. Preobrashenski5"

1. Die Überschrift paßt nicht. Das sind keine „Grundprinzipien", diesind im Programm bereits festgelegt, sondern es müßte heißen „über dieArbeit der KPR auf dem Lande unter den gegenwärtigen Verhältnissen".

Ich schlage vor: Der Autor wird beauftragt, die Thesen zu kürzen un dsie entsprechend dieser neuen Themenstellung teilweise abzuändern. Ins-besondere sind die Wiederholungen von allgemeinen Grundsätzen zukürzen (sie sind in einem Flugblatt angebracht, das den künftigen Partei-tagsbeschluß erklären und kommentieren wird) und die prdktisdben, be-

sonders die organisatorisdben Schlußfolgerungen ausführlicher zu ent-wickeln.

2. In der Überschrift von Abschnitt I: „die sozialen Verhältnisse" an-statt der Einzahl.

(Die Abschrift ist schludrig: „Vereinigung" statt „Verarmung"„landlos" statt „pferdelos" ...)

3. In Abschnitt I sind besonders viele Längen: vieles davon gehört ineine Broschüre.

4. über den „genossenschaftlichen Zusammenschluß" wird in Ab-

schnitt I und in anderen Abschnitten nackt und abstrakt gesprochen. Dasist schon tausendmal gesagt worden und ist einem über. Man m uß es ganzanders darlegen, darf nicht die nackte Losung „Schließt euch zu Genossen-schaften zusammen!" wiederholen, sondern muß konkret zeigen, worin diepraktische Erfahrung des genossenschaftlichen Zusammen-schlusses besteh t und wie er zu fördern ist. Wenn der Autor über diesesMaterial nicht verfügt, dann m uß in den Parteitagsbeschluß die Torderungaufgenommen werden, dieses Material zu sammeln und es zu bearbeiten,

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An die Mitglieder des Politbüros 225

aber nicht akademisch, sondern praktisch. (Alle Thesen des Gen. Preo-

brashenski sind super- und hyperakademisch; intelligenzlerisches, sek-tiererisches, literarisches Geschreibsel, aber keine praktische Arbeit aufstaatlichem und wirtschaftlichem Gebiet.)

5. „Mit Ausnahme der Kollektivwirtschaften" nicht Entwicklung, son-dern „Tendenz zum Niedergang" (bei der Dorfarmut). Das taugt nichts.Erstens ist nicht bewiesen, daß es bei den „Kollektiven" überhaupt besserist. Man soll die Bauern nicht durch falsches kommunistisches Eigenlobverärgern. Zweitens nicht „Tendenz zum Niedergang", sondern Sta-gnation der Entwicklung überall; Niedergang oft.

6. Daß sich die „wirtschaftlich stärkere Bauernschaft" „für die Aufgabe,begeistert'r die landwirtschaftliche Kultur" zu verbessern, ist un-geschickt ausgedrückt und leider auch „kommunistische Prahlerei". Manmuß sagen : „beginnt, wenn auch langsam" (Abschnitt I).

7. „Die bäuerliche (?) Gleichheit verschwindet" (?). So kann man nichtsagen.

Das Ende von A bschnitt I ist völlig unbrauchbar: ein Artikel und keineThesen; V ermutungen ohne Belege.

8. In Abschnitt II ist der Anfang höchst unpopulär. Und im Grunde

hat das in den Thesen nichts zu suchen. Das ist aus einer anderen Op er.9. Der zweite Satz in Abschnitt II (gegen die „Methoden der Komitees

der D orfa rm ut") ist schädlich und falsch, denn ein Krieg z. B. kann dazuzwingen, Methoden der Komitees der Dorfarmüt anzuwenden.

Das mu ß man ganz anders ausdrücken, z. B. so : In Anbetracht der über-ragenden Bedeutung, die der Hebung der Landwirtschaft und der Ver-mehrung ihrer Produkte zukommt, muß die Politik des Proletariatsgegenüber dem Kulakentum und der wohlhabenden Bauernschaft imgegenwärtigen Augenblick hauptsächlich darauf gerichtet sein, deren Aus-

beuterbestrebungen usw. einzuschränken.Wie unser Staat diese Bestrebungen einschränken, wie er die Dorf-

armut schützen soll und kann, das ist der springende Punkt. Das mu ß m anstudieren und unbedingt in der P raxis studieren, allgemeine Phrasen abersind sinnlos.

10. Die letzten Worte in Abschnitt II sind richtig, aber nicht populärund nicht entwickelt. Muß bearbeitet w erden.

11. In Abschnitt III ist der Satz „Die Loslösung" usw. völlig entstellt.

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226 W.3. Lenin

12. überhaupt überwiegen im ganzen Abschnitt III Gemeinplätze. Das

führt zu nichts. Sie so nackt zu wiederholen ist schädlich; es ruft Übelkeithervor, Langeweile, Widerwillen gegen das Wiedergekäute.

Statt dessen sollte man lieber wenigstens einen Xrets auswählen undan Hand einer sachlichen Analyse zeigen, wie man „beim genossenschaft-lichen Zusammenschluß" helfen muß, anstatt die Bauern durch alberne,sich kommunistisch gebärdende Qenossenschaftsspielerei zu verärgern; —wie und wobei haben wir tatsädbtidb zu agronomischen Verbesserungenu. a. beigetragen, wie müssen wir dazu beitragen usw.

Das Thema ist nicht richtig angepackt. Diese Art des Herangehens ist

schädlich. Allen wird übel von allgemeinen Phrasen. Sie erzeugen Büro-kratismus und begünstigen ihn .

13. Der Anfang von Abschnitt IV ist besonders mißlungen. Ein un-populärer Artikel, aber keine Thesen für einen Parteitag.

Weiter. „Direktiven auf dem Verordnungsweg", das ist es, was derAutor empfiehlt. Das ist grundfalsch. Der Bürokratismus würgt uns ja ge-rad e deshalb, weil wir noch immer mit „Direktiven auf dem Verordnungs-weg" liebäugeln. Etwas Schlechteres und Schädlicheres hätte sich der Au tornicht ausdenken können.

Weiter. Auf einem Parteitag der KPR davon zu sprechen, daß „dieBeschlüsse des IX. Sowjetkongresses verwirklicht w erden müssen", ist einunerhörter Skandal. Dafür Thesen zu schreiben!!

Der ganze Abschnitt taugt nichts. Gemeinplätze. Phrasen. W ünsche, dieallen über sind. Genau das ist „kommunistischer Bürokratismus" von beute.

Statt dessen sollte man lieber die praktischen Erfahrungen, sei es auchnur eines Kreises — oder auch nur eines Amtsbezirks — nehmen und dieseAngaben nicht akademisch, sondern praktisch bearbeiten: Lernt, meinelieben kommunistischen Bürokraten, das und das nicht zu tun (konkret,

mit Beispielen und mit Nennung der O rte , unter genauer Anführung vonTatsachen), dafür aber das und das zu tun (ebenso konkret).

In bezug auf die „Genossenschaften" ist diese Unzulänglichkeit derThesen hier, in Abschnitt IV, besonders groß und besonders schädlich.

14. In Abschnitt V werden die „Arbeiter der Sowjetwirtschaften" als„Kader des landwirtschaftlichen Proletariats" bezeichnet. Das ist falsch.Das ist „kommunistischer Hochmut". Viel häufiger sind das nicht Pro-letarier, sondern sowohl „Paupers" als auch Kleinbürger und was immer

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An die Mitglieder des Politbüros 117

man will. Man darf sich nicht einem leeren Wahn hingeben. Das ist

schädlich. Das ist die Hanptquelle unseres Bürokratismus. Das verärgertdie Bauern unnötigerweise, das kränkt sie. Es wäre vorerst klüger, überdie „Kader des landwirtschaftlichen Proletariats" in unseren Sowjetwirt-schaften zu schweigen.

Weiter heißt es richtig, daß die Organisierung dieses „Proletariats"(„eines äußerst ungleichartigen und buntscheckigen": richtig! und deshalbnicht „Kadern", sondern eher etwas Unanständigem ähnlich) „sehrschwierig ist" .

Richtig! Und deshalb darf man nicht solche Dinge sagen wie „der

Personalbestand der Sowjetwirtschaften muß von Kleinbesitzerelementengesäubert werden", denn das ruft (wie etwa die Forderung, die Bauern-häuser von schlechter Luft zu säubern) Qelächter hervor, und zwar mitRecht.

Besser gar nichts sagen.15. (Erst !) in Abschnitt VI wird an die praktischen Aufgaben heran-

gegangen. Aber auch das geschieht so schwach, gründet sich so wenig aufpraktische Erfahrungen, daß man (in Abänderung des oben in Punkt 1gemachten Vorschlags) den Schluß ziehen m uß :

die Thesen für unbrauchbar zu erklären;den Autor plus Ossinski plus Theodorowitsch plus Jako-

wenko zu beauftragen, auf dem Parteitag eine Beratung von Dele-gierten, die auf dem Lande arbeiten, zu organisieren;

zum Thema der Beratung keinesfalls „Prinzipien" u. ä. zumachen, sondern ausschließlich die "Untersuchung undEinschätzung der praktischen Erfahrungen-.

Wie erfolgt der genossenschaftliche Zusammen-schluß?

Wie kämpft man gegen die schlechten Sowjetwirt-schaften? gegen die schlechten Genossenschaften undKollektive?W ie ist der Gesamtrussische Land- und Forstarbeiter-verband zu verstärken? (Hier den Autor für Arbeitau] iange Zeit einsetzen.)

Vom ZK ist die Aufgabe dieser Beratung festzulegen — auf keinen Fallin die Wiederholung von Gemeinplätzen verfallen, sondern ausschließlich

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228 IV. J.Lenin

die örtlichen praktischen Erfahrungen (im Kreis, im Amtsbezirk,

im Dorf) eingehend untersuchen; wenn es ihrer nur wenige gibt (sicher-lich gibt es nur wenige, denn niemand hat sich die Mühe gemacht, sie zusam me ln; nicht gesammelte Erfahrungen dagegen gibt es sehr viele), dannsollte der Parteitag lieber

(a) eine Kommission zur Untersuchung dieser praktischen Erfah-rungen wählen ;(b) sie dem Zentralkomitee unterstellen;(c) den Gen. Preobrashensk i in diese Komm ission einbeziehen;

(d) ihn auch in den Gesamtrussischen Land- und Forstarbeiter-

v e rb an d e i n b e z i e h e n . . .(e) die Kommission beauftragen, Erfahrungen zu sammeln, sie zubearbeiten und (nach einer Reihe von Artikeln)

einen Brief des ZK (des neuen) über die Organisation der Arbeitauf dem Lande auszuarbeiten, der ganz konkrete Hinweise ent-ha l ten mu ß, wie der genossenschaftliche Zusammenschluß erfolgensoll, wie die Kulaken „einzuschränken" sind, ohne daß das Wachs-tum der Produktivkräfte aufgehalten wird, wie der GesamtrussischeLand- und Forstarbei terverband arbeiten muß, wie er verstärkt

werden kann usw. usf.Vom ZK ist (ungefähr) folgende Parteitagsresolution auszuarbeiten:

Die Tatsachen zeigen und die spezielle Parteitagskommissionbestätigt, daß der Hauptmangel in der Arbeit der Partei auf demLan de darin besteh t, da ß die praktischen Erfahrunge n nicht studiertwe rden. D as ist die W urz el allen Üb els und des ganzen Bürokratis-mus. Der Parteitag beauftragt das ZK, dagegen in erster Linie zukämpfen, unter anderem mit Hilfe der und der Kommission, vonderen M itgliedern 1 — (oder 2 , 3) ständig im Gesamtrussischen

Land- und Forstarbei terverband arbeiten werden.Die Kommission muß Flugblätter und Broschüren herausgeben und

die Praxis systematisch untersuchen, um Ratschläge geben und Anord-nungen treffen zu können, wie die Arbeit durchzuführen ist und wie nicht.

16. III. 1922 Lenin

Zuerst veröftentUdit 1925. "Nado dem "M anuskript.

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229

E N T W U R F E I N E R A N T W O R T

A N E . V A N D E R V E L D E 5 1

17. M ärz 1922Kein einziges Mitglied der Sowjetregierung in Rußland hat jemals dar-

an gezweifelt, daß die Vertreter der Zw eiten Internationale unbeirrt stetseine Politik durchgeführt haben, die mit geringen Abweichungen auch vonden Vertretern der „W iener sozialistischen Vereinigung" durchgeführt wor-den ist. Namentlich haben sie eine Politik des direkten wie des indirektenBündnisses mit jenen Ausbeuterklassen getrieben, die in allen Ländern dieKommunisten verfolgt und gemordet haben, wofür es in der demokra-tischen Republik Deutschland besonders zahlreiche und anschaulicheBeispiele gibt. N ur durch diese Übereinstimm ung und die politische Ver-wandtschaft zwischen den Parteien der Sozialrevolutionäre und der M en-

schewiki, die faktisch den Überfall Koltschaks, Denikins u. a. auf Rußlandunterstützt haben, kann man sich das Vertrauen erklären, das bestimmtepolitische Kreise in Westeuropa heute den Sozialrevolutionären und denMenschewiki entgegenbringen. In Wirklichkeit ist in der Angelegenheitder Sozialrevolutionäre, von der Sie schreiben, nicht nur kein Urteil ge-fällt worden, sondern es hat nicht einmal ein Prozeß stattgefunden, undden A ngeklagten ist noch keine Anklageschrift überreicht worden. Jeden-falls halte ich es für meine Pflicht hinzuzufügen, daß die Sowjetregierungsachliche Vorschläge, wie beispielsweise den Vorschlag, Gefangene aus-

zutauschen bzw. diese oder jene Kategorien von Gefangenen freizulassen,nicht abgelehnt hat, als solche Vorschläge von der Regierung Denikinswährend seines direkten Überfalls auf Sowjetrußland, der die Wieder-errichtung der Macht der Gutsbesitzer zum Ziele hatte, gemacht wordenwaren.

Zum erstenmal veröffentiidht. TJadh einer masdbine-gesdhriebenen "Kopie.

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230

V O R W O R T

Z U I. I. S T E P A N O W S B U C H

„ D I E E L E K T R I F I Z I E R U N G D ER R S F SR

I M Z U S A M M E N H A N G M I T DE RÜ B E R G A N G S P H A S E D E R W E L T W I R T S C H A F T "

Von ganzem Herzen empfehle ich die vorliegende Arbeit des Gen.Stepanow allen Kommunisten zur Beachtung.

Es ist dem V erfasser gelungen, äußerst schwierige und wichtige Fragenausgezeichnet darzulegen. Der Verfasser hat gut daran getan, daß er sichentschloß, ein Buch nicht für die Intellektuellen zu schreiben (wie es bei

uns in N achahmung der schlechtesten M anieren bürgerlicher SchriftstellerBrauch ist), sondern für die Werktätigen, für die wirkliche Masse desVolkes, für die einfachen Arbeiter und Bauern. Im Anhang bringt derVerfasser ein Literaturverzeichnis sowohl für diejenigen, denen es schwer-fällt, bestimmte Stellen in der Darlegung des Gen. Stepanow ohne Erläute-rungen zu verstehen, als auch für diejenigen, die sich mit den wichtigstenW erken der russischen und der ausländischen L iteratur zu der behandel-ten Frage überhaupt vertraut machen wollen. Besonders hervorzuhebenist der Anfang des Kapitels VI, wo der Verfasser ausgezeichnet die Be-

deutung der Neuen Ökonomischen Politik erläutert und dann vortrefflichden „leichten" Skeptizismus widerlegt, der hinsichtlich der Elektrifizierunggang und gäbe ist; hinter diesem Skeptizismus verbirgt sich gewöhnlichdie Tatsache, daß über den Gegenstand nicht ernsthaft nachgedacht wird(wenn dieser Skeptizismus nicht, was auch bisweilen vorkommt, als Deck-mantel dient für die feindliche Einstellung von Weißgardisten, Sozial-revolutionären und Menschewiki zu jeder sowjetischen Aufbauarbeitüberhaupt).

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Vorwort zulJ.StepanowsBud) 231

Was uns vor allem zu einer wirklichen (und nicht bürokratisch-frucht-losen) Arbeit auf dem Gebiet der Volksbildung fehlt, das sind geradesolche „Handbücher für Schulen" (für alle, unbedingt alle Schulen, die esüberhaupt gibt) wie das vorliegende. Wenn alle unsere marxistischenSchriftsteller, anstatt ihre Kräfte auf das allen schon zum Halse heraus-hängende politische Wortgeprassel in Zeitungen und Zeitschriften zu ver-schwenden, darangingen, ebensolche Handbücher bzw. Lehrbücher zuausnahmslos allen Fragen des gesellschaftlichen Lebens abzufassen, dannhätten wir nicht den schmählichen Zustand, daß fast fünf Jahre nach Er-oberung der politischen Macht durch das Proletariat in seinen, des Prole-tariats, staatlichen Schulen und Universitäten alte bürgerliche Gelehrtedie Jugend alten bürgerlichen Plunder lehren (vielmehr, sie damit ver-derben).

De r achte Sowjetkongreß hat beschlossen, daß der Unterricht über denElektrifizierungsplan in allen — ausnahmslos allen — Lehranstalten derRSFSR obligatorisch ist 5 3 Dieser Beschluß ist, wie auch viele andere,infolge unserer (unserer, der Bolsdbewiki) Kulturlosigkeit auf dem Papiergeblieben. Jetzt, mit dem Erscheinen des vorliegenden „Handbuchs fürSchulen" des Gen. Stepanow, muß erreicht werden — und wir werden eserreichen! —, daß in jeder Kreisbibliothek (und dann auch in jeder Am ts-bezirksbibliothek) einige Exemplare dieses „Handbuchs" vorhandensind; — daß bei jedem Kraftwerk in Rußland (und es gibt ihrer über 800)nicht nur dieses Buch ausliegt, sondern daß auch unbedingt allgemein-verständliche populäre V orträge übe r die Elektrizität und übe r die Elektri-fizierung der RSFSR sowie über die Technik überhau pt veranstaltet wer-den; — daß jede r Volksschullehrer dieses „Handbuch" liest und beherrscht(zur Unterstützung ist in jedem Kreis ein Zirkel oder eine Gruppe vonIngenieuren und Physiklehrern zu organisieren) und es nicht nur selbstliest, versteht und beherrscht, sondern auch imstande ist, den Schülernund überhaupt der Bauernjugend den Inhalt einfach und verständlichwiederzugeben.

Das zu erreichen wird nicht wenig Mühe kosten. Wir sind arm undkulturell rückständig. Da s ist kein Unglück. Wenn wir nu r einsehen, da ßwir lernen müssen. W en n w ir nur lernen wollen. W enn wir nur k lar be -greifen, daß der Arbeiter u nd de r Bauer jetzt lernen muß, nicht um G uts-

1 6 Lenin, Werke, Bd. 33

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232 IV. 1. Lenin

besitzern und Kapitalisten „Nutzen" und Profit zu bringen, sondern umdas eigene Leben besser zu gestalten.Dies alles aber ist bei uns vorhanden. Und deshalb werden wir lernen

und werden erfolgreich lernen.

18. III. 1922 7 i - M l

."Prawda" 7lr. 64, "Nado dem 7ext des Budbes.- J.21. März 1922. Stepanow, ."Die Elektrifizierung

der JISTSR im Zusammenhang

mit der Vbertjangspbase derTVeUwirtsüaft", Moskau 1922,veriflidyen mit dem Manuskript.

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BR IEF A N J . W. STA LIN

Ü B E R D I E A R B E I T D E R S T E L L V E R T R E T E R

(D ER S T E L LV E R T R E T ER D E S V O R S I T Z E N D E N

D E S R AT S D ER V O L K S K O M M I S S A R E

U N D D E S R AT S F Ü R A R B E I T U N D V E R T E I D I G U N G )

21 . III. 1922Ich habe mit Zjurupa undR ykow gesprochen. Ich hoffe, die Arbeit wird

gut vorankommen, übrigens betrifft eine Frage Ihr Volkskommissariat.Die Hauptaufgabe von Zjurupa und Rykow ist (muß jetzt sein) die Kon-trolle der Durchführung und die Auswahl von Leuten.

Es werden Helfer gebraucht. D er Apparat der Geschäftsstelle des Ratsder Volkskommissare allein reicht dafür nicht aus, und ihn zu vergrößernist nicht rationell. Ich habe den Gedanken geäußert, daß man dafür (als

unmittelbare Hilfe für Zjurupa und Rykow bei der Kontrolle der Durch-führung und bei der Aufsicht über die unteren Organe der Volkskommis-sariate) die Arbeiter- und Bauerninspektion ausnutzen soll. Ich möchtewissen, ob Sie das gutheißen; wenn ja, bedarf es einer schriftlichen Ab-machung zwischen Ihnen und den Stellvertretern, und an der Ausarbei-tung dieser Abmachung möchte ich teilnehmen.

Das Ziel ist, aus den besten Mitarbeitern der Arbeiter- und Bauern-inspektion, die Zjurupa und Rykow in Absprache mit Ihnen auswählen,Leute zu machen (indem sie sowohl von Ihnen als auch von den beiden

Stellvertretern an praktischen Aufträgen geprüft werden), die besondersund unbedingt zuverlässig und imstande sind, schnell und unbedingt a) dieDurchführung durchzusetzen; b) die Durchführung zu kontrollieren;c) die richtige Struktur des Apparats in dem einen oder anderen Volks-komm issariat, in der einen oder anderen Abteilung, im M oskauer oder imPetrograder Sowjet usw. zu überprüfen; d) Instruktionen zu geben, wiedie Arbeit zu organisieren ist.

Diese Leute arbeiten nicht anders, als daß sie den Stellvertretern und

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Z U M V I E R J Ä H R I G E N J U B I L Ä U MD E R „ B E D N O T A " 5 3

Ich beglückwünsche die Redaktion der „Bednota" zum vierjährigenBestehen der Zeitung.

Vier Jahre lang hat sich die Zeitung ehrenvoll und erfolgreich bemüht,den Interessen der werktätigen Bauernschaft zu dienen. Der Krieg, derden Völkern von den Kapitalisten und G utsbesitzern aufgezwungenwurde, ha t Rußland soverheert, daß unsere werktätige Bauernschaft immernoch arm geblieben ist. Viel Arbeit und schwere Arbeit steht den werk-tätigen Massen Rußlands noch bevor, bis die Folgen des Krieges, Hungers-not und Armut, Not und Zerstörung, überwunden werden können.

Aber diese schwere Arbeit werden sowohl die Bauern als auch dieArbeiter Rußlands auf sich nehmen und zu Ende führen, koste es, was eswolle. Bei dieser Arbeit werden die Arbeiter und Bauern von dem Be-wußtsein gestützt und gestärkt, daß sie jetzt für sich selbst, für die Ver-besserung ihres Lebens arbeiten werden, nicht aber für die Bereicherungder Gutsbesitzer und Kapitalisten.

Das Bündnis der Arbeiter und Bauern — das ist es, was uns die Sowjet-macht gebracht hat. Darin liegt ihre Stärke. Das ist das Unterpfand fürtmsere Erfolge und für unseren endgültigen Sieg.

Dieses Bündnis sicherte uns den Sieg über Koltschak und Denikin, diemit Unterstützung ausländischer, von den Kapitalisten geschickter Trup-pen die Herrschaft der Gutsbesitzer in Rußland wiederaufrichten wollten.

Jetzt sind die ausländischen Kapitalisten gezwungen, mit SowjetrußlandHandelsverträge abzuschließen. Diese Verträge werden uns helfen, dienotwendigen landwirtschaftlichen Geräte, Maschinen und andere Gegen-

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236 TVJ.Lenin

stände für die Wiederherstellung der zerrütteten bäuerlichen Wirtschaft

zu erhalten.Wir erleben jetzt, nach dem Hungerjahr, ein sehr schweres Frühjahr.Aber wir werden den M ut nicht verlieren. Wie groß die Not der A rbeiterund Bauern auch sein mag, w ir haben uns jetzt das Recht und die Möglich-keit erkämpft, für uns selbst und nicht für den Gutsbesitzer zu arbeiten.Und wir werden die zerrüttete Wirtschaft wiederherstellen und ver-bessern.

23. III. 1922 W ; em>l

."Bednota" JVr. 1183, Nadb dem Manuskript.26. März 1922.

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B R I E F Ü B E R D E N P L A N

F Ü R D E N P O L I T I S C H E N B E R I C H T

A U F D E M X I . P A R T E I T A G E

23. III. 1922Gen. M olotow!Ich bitte Sie, der Plenartagung des ZK zu übermitteln.-1. Meine Bitte, midi wegen Krankheit von der Teilnahme an der Plenar-

tagung zu befreien (es übersteigt meine Kraft, sowohl an der Plenar-tagung teilzunehmen als auch das Referat auf dem Parteitag zu halten) ;

2. wenn sich zur E rläuterung des unten beigefügten Plans für das Refe-rat meine Anwesenheit auf der Plenartagung als notwendig erweist, sokann ich unbedingt kommen und werde 2—3 Stunden nach telefonischem

Anruf da sein.3. Nachstehend der Plan des von mir vorgesehenen politischen Berichts

des ZK auf dem Parteitag:im wesentlichen W iederholung, in einigen Punkten 'Weiter-führung dessen, was in der Rede auf dem Verbandstag derMetallarbeiter am 6. III. 1922 gesagt worden ist. Ganz kurzüber Genua. Etwas ausführlicher über die !N ÖJ> und überden Begriff „Staatskapitalismus".

Einstellung des (ökonomischen) Rückzugs und Aufgabe,

die Kräfte umzugruppieren. Warnung seitens der Bour-geoisie, die uns durch den M und des „Smena-W edi"-Man-nes Ustrjalow erklären läßt, die 3VÖP sei keine „Taktik",sondern eine „Evolution" des Bolschewismus.

Das Wichtigste, woran es uns mangelt, ist Kultur, ist dieKunst, zu verwalten: Illustration dieser Feststellung an Handeiniger Beispiele. Ökonomisch und politisch sichert uns die

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238 W.3.£enin

W o ? vollauf die Möglichkeit, das Fundament der sozia-listischen Wirtschaft zu errichten. Es kommt „nur" auf diekulturellen Kräfte des Proletariats und seiner Avantgardean.

Darüber, was von unserer Revolution unveräußerlich er-kämpft worden ist, und darüber, was von ihr noch nicht zuEnde geführt worden i st

Möglichkeit einer Intervention. Gefahr einer Finanzkrise.Die „-Atempause" ausnutzen: den Schwerpunkt der Arbeitauf die Auswahl von Menschen und auf die Kontrolle derfaktischen Durchführung verlegen.

Die Kluft zwischen der Größe der Aufgaben, mit derenDurchführung begonnen worden ist, und der Armut, sowohlder materiellen als auch der kulturellen.

Ergänzend zum Bericht auf die Rolle der zwei Stellver-treter des Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare unddes Vorsitzenden des Rats für Arbeit un d Verteidigung hin-weisen; auf meinen diesbezüglichen Briefwechsel mit A. D.Zjurupa von Ende Januar 1922; auf die Leitsätze über dieneue Organisation der Arbeit mit möglichst umfassender

Kontrolle der Durchführung, die jetzt von uns zu dritt (plusRykow) ausgearbeitet werden.

Den Rat der Volkskommissare von Kleinkram befreien,-seine Funktionen genauer von denen des Rats für A rbeit undVerteidigung und des Kleinen Rats der Volkskommissare ab-grenzen. Die Autorität des Rats der Volkskommissare da-durch heben, daß die leitenden Genossen, die Volkskommis-sare, an seinen Sitzungen teilnehmen, und nicht nur ihreStellvertreter.

In Verbindung damit und entsprechend den mehrfachenmündlichen Erklärungen des Gen. Kalinin sowie der bei-gefügten schriftlichen Mitteilung des G en. Jenukidse demParteitag im Namen des ZK vorschlagen, den oben dar-gelegten Plan gutzuheißen und auch die Einberufung des Ge-samtrussischen ZEK zu längeren Tagungen zwecks Aus-arbeitung grundlegender Fragen der Gesetzgebung und

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Brief über den Plan für den politischen Bericht 239

zwecks systematischer Kontrolle der Arbeit der Volks-

kommissariate und des Rats der Volkskommissare zu bil-ligen.Schließlich müssen die Funktionen der Partei (und ihres

ZK) und der Sowjetmacht viel genauer voneinander ab-gegrenzt werden,- die Verantwortlichkeit und Selbständig-keit der Sowjetfunktionäre und der Sowjetinstitutionensind zu erhöhen und der Partei die Gesamtleitung der Arbeitaller Staatsorgane zusammen zu überlassen, ohne die gegen-wärtige allzu häufige, unregelmäßige und oft kleinliche Ein-mischung.

Einen entsprechenden Resolutionsentwurf ausarbeiten undauf dem Parteitag einbringen.

4. Ich bitte die Plenartagung des ZK , einen zusätzlichen R eferenten desZK zu bestimmen, denn mein Referat ist zu allgemein, außerdem bin ichnicht absolut davon überzeugt, daß ich imstande sein werde, es zu halten,die Hauptsache aber — an der laufenden Arbeit des Politbüros habe ichseit Monaten nicht mehr teilgenommen.

M it kommunistischem GrußLenin

Zuerst veröffentlicht Tiadi dem Manuskript.

am 30. August 1928in der .Prawda" Nr. 20i.

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ÜBER DIE BEDINGUNGEN FÜR DIE AUFNAHMENEUER PARTEIMITGLIEDER

An Qenossen Molotow

Ich bitte, auf der Plenartagung des ZK meinen nachstehenden Antrageinzubringen:

Ich halte es für äußerst wichtig, die Kandidatenzeit bei der Aufnahmeneuer Mitglieder in die Partei zu verlängern. Von Sinowjew ist sie auf einhalbes Jahr für Arbeiter und auf ein Jahr für sonstige festgesetzt worden.Ich schlage vor, die halbjährige Kandidatenzeit nu r für solche Arbeiter zubelassen, die nicht weniger als zehn Jahre tatsächlich als Arbeiter in gro-ßen Industriebetrieben beschäftigt waren. Für die übrigen Arbeiter sindanderthalb Jahre, für Bauern und Rotarmisten zwei Jahre und für allesonstigen drei Jahre festzusetzen. Besondere Ausnahmen sind zulässig,wenn das Zentralkomitee und die Zentrale Kontrollkommission sie ge-meinsam genehmigen.

Ich halte es für höchst gefährlich, die von Sinowjew vorgeschlagenenkurzen Fristen unverändert beizubehalten. Ohne Zweifel werden bei unsständig Personen als Arbeiter bezeichnet, die nicht die geringste ernsthafteSchule im Sinne der G roßindustrie durchgemacht haben. U nter d ie Kate-gorie der Arbeiter fallen sehr oft waschechte Kleinbürger, die sich zufälligund nur für ganz kurze Zeit in Arbeiter verwandelt haben. Alle klugenWeißgardisten berücksichtigen ganz bestimmt den Umstand, daß der an-geblich proletarische Charakter unserer Partei in Wirklichkeit nicht diegeringste Gewähr dafür bietet, daß in ihr nicht Kleinbesitzerelemente, und

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Tiber, die 'Bedingungen für die Aufnahme neuer Parteimitglieder 241

zwar in kürzester Frist, das Übergewicht bekommen. Angesichts der bei

uns vorherrschenden unexakten, unsystematischen Arbeitsweise werdendie kurzen Fristen der Kandidatenzeit in Wirklichkeit ein vollständigesFehlen jeder ernsthaften Kontrolle darüber bedeuten, ob die Kandidatenwirklich einigermaßen e rprobte Kommunisten sind. W enn wir 300000 bis400000 Mitglieder in unserer Partei haben, so ist auch diese Zahl über-mäßig hoch, denn entschieden alle Fakten sprechen dafür, daß das Niveauder jetzigen Parteimitglieder ungenügend ist. Deshalb bestehe ich nach-drücklich darauf, daß die Kandidatenzeit verlängert wird und daß fernerdas Organisationsbüro den Auftrag erhält, Bestimmungen auszuarbeitenund streng anzuwenden, die die Kandidatenzeit wirklich zu einer sehrernsthaften Probezeit und nicht zu einer leeren Formalität machen.

Ich bin der M einung, daß diese Frage auf dem Parteitag besonders ein-gehend behandelt werden muß.

24. III..1922 Lenin

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Tiber die 'Bedingungen fü r die Aufnahme neuer Parteimitglieder 243

neuen politischen Erfolg bringen, so wird der Andrang von kleinbürger-

lichen und allem Proletarischen geradezu feindseligen Elementen in diePartei gigantisch zunehmen. Eine halbjährige Kandidatenzeit für Arbeitervermag diesen Andrang keinesfalls einzudämmen, denn nichts ist leichter,als sich eine solche kurze Kandidatenzeit künstlich zu verschaffen, am somehr, als es sehr vielen intellektuellen und halbintellektuellen Elementenunter unseren Verhältnissen nicht die geringsten Schwierigkeiten bereitendürfte, Arbeiter zu werden. Aus alledem ziehe ich den Schluß — der inmeinen Augen noch dadurch bekräftigt wird, daß die Weißgardisten dienichtproletarische Zusammensetzung unserer Partei ganz bewußt in Rech-

nung stellen —, daß wir die Fristen der Kandidatenzeit beträchtlich ver-längern müssen und daß es, wenn es bei den sechs Monaten für Arbeiterbleiben soll, unbedingt notwendig ist, um nicht uns selbst und andere zubetrügen, den Begriff „Arbeiter" so festzulegen, daß unter diesen Begriffnur diejenigen fallen, die tatsächlich auf Grund ihrer Lebenslage zu einerproletarischen Denkweise gekommen sein müssen. Das ist aber unmöglich,wenn man nicht viele Jahre in der Fabrik gewesen ist, und zwar ohneirgendwelche Nebenabsichten, vielmehr infolge der allgemeinen ökono-mischen und sozialen Lebensverhältnisse.

Will man nicht vor der Wirklichkeit die Augen verschließen, so mußman zugeben, daß gegenwärtig die proletarische Politik der Partei nichtdurch ihre Zusammensetzung, sondern durch die gewaltige, ungeschmä-lerte Autorität jener ganz dünnen Schicht bestimmt wird, die man die alteParteigarde nennen kann. Es genügt ein kleiner innerer Kampf in dieserSchicht, und ihre Autorität wird, wenn nicht untergraben, so doch jeden-falls so weit geschwächt, daß die Entscheidung schon nicht mehr von ihrabhängen wird.

Es ist deshalb notwendig: 1. alle Fristen der Kandidatenzeit zu ver-

längern; 2. mit besonders detaillierten Einzelheiten festzulegen, worin daswirkliche Durchmachen der Kandidatenzeit bestehen soll, welches die kon-kreten und praktischen Bedingungen für die Kontrolle darüber sein sollen,daß die Kandidatenzeit wirklich durchgemacht wird und nicht eine leereFormalität bleibt; 3. in den Institutionen, die über die Aufnahme neuerParteimitglieder zu entscheiden haben, muß eine qualifizierte Mehrheitgeschaffen werden; 4. die Aufnahme muß von der Entscheidung nicht nurder Gouvernements-Parteikomitees, sondern auch der Kontrollkommis-

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244 "W J.Lenin

sionen abhängig gemacht werden; 5. es müssen noch weitere Maßnahmenausgearbeitet werden, die es der Partei erleichtern sollen, sich derjenigenMitglieder zu entledigen, die gar keine Kommunisten in dem Sinne sind,daß sie die proletarische Politik ganz bewußt durchführen. Ich schlagekeine neue Generalreinigung der Partei vor, denn ich glaube, daß dasjetzt praktisch undurchführbar ist, aber irgendwelche Mittel zu einer fak-tischen Reinigung der Partei, d. h. zu einer Verringerung ihres Bestandes,müssen gefunden werden, und wenn man darüber nachdenkt, dann kanneine Reilie geeigneter Maßnahmen ausfindig gemacht werden. Davon binich überzeugt.

W enn möglich, möchte ich die Mitglieder des ZK, die dieses Schreibenlesen, bitten, mir zu antworten, sei es auch nur durch einen kurzen Anrufbei einer der Sekretärinnen des Rats der Volkskommissare.

26 . III. 1922 £enin

Zuerst veröftentlidht Jelefonisdi diktiert.im Dezember i925. Jiado einer masdbine'

geschriebenen Xopie.

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REDE BEI DER ERÖFFNUNG DES PARTEITAGS27 . MÄRZ

Genossen! Im Auftrag des Zentralkomitees der Partei erkläre ich denXI. Parteitag der KPR für eröffnet.

Genossen! Zu diesem Parteitag haben Sie sich das erstemal nach einemganzen Jahr versammelt, in dessen Verlauf uns die Intervention undInvasion der kapitalistischen Staaten, zumindest in ihrer direkten Form,nicht gestört haben. Das ist das erste Jahr, in dem wir die Möglichkeithaben, unsere Kräfte den wirklichen, wichtigsten, grundlegenden Auf-gaben des sozialistischen Aufbaus zu widmen.

In dieser Hinsicht haben wir zweifellos erst die ersten Schritte gemacht.Aber ich bin überzeugt, wenn wir das von uns Vollbrachte mit der ge-botenen Nüchternheit einschätzen und uns nicht fürchten, der Wirklich-keit, die nicht immer angenehm, sondern manchmal auch recht unangenehmist, offen ins Auge zu sehen, dann werden wir alle Schwierigkeiten, diesich erst jetzt in ihrem ganzen Ausmaß vor uns abzeichnen, ohne Zweifelüberwinden.

Die Katastrophen, die in diesem Jahr über uns hereingebrochen sind,dürften fast noch schwerer gewesen sein als in den vorangegangenenJahren.

Alle Folgen des imperialistischen Krieges und des Krieges, den uns dieKapitalisten aufgezwungen haben, alle diese Folgen haben sich gleichsamzusammengetan und uns mit Hungersnot und fürchterlichster Zerrüttungüberfallen. Diese Schwierigkeiten sind jetzt bei weitem nodi nicht über-wunden. Und niemand von uns rechnet damit, daß sie schnell überwundenwerden können.

Aber wenn wir die Einheit unserer Partei bewahren und festigen, wenn

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248 "W. 3. Lenin

wir aus den internationalen Schwierigkeiten ebenso erfolgreich hervor-

gehen wie bisher, wenn wir alle Kräfte auf die Lösung der Aufgaben aus-richten, die sich jetzt mit zwingender Notwendigkeit aus den gegen-wärtigen Verhältnissen ergeben, dann besteht kein Zweifel, daß wir allediese Schwierigkeiten überwinden werden.

In der ganzen W elt wächst die kommunistische Bewegung, obzwar beiweitem nicht so rasch, wie es diejenigen von uns erwartet hatten, die dasTempo der Z eit des Krieges und seiner Beendigung als Maßstab nahmen,so doch auf jeden Fall solide und dauerhaft, in die Breite und Tiefe. Undwenn wir es in Zusammenarbeit mit den kommunistischen Parteien, die es

jetzt bereits in allen Ländern der Welt gibt, von verschwindenden Aus-nahmen abgesehen, verstehen, unsere Lage nüchtern zu beurteilen, unduns nicht scheuen, unsere Fehler einzusehen, dann werden wir aus allendiesen Schwierigkeiten als Sieger hervorgehen.

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erKPR£B) 249

P O L I T I S C H E R B E R I C H T

D E S Z E N T R A L K O M I T E E S D E R K P R ( B j

2 7 . M Ä R Z

(B e i f a 1 L) G eno ssen! G estatten Sie mir, den politischen Bericht desZentralkomitees nicht mit dem Jahresanfang, sondern m it dem Jahresendezu beginnen. Die brennendste Tagesfrage der Politik ist augenblicklichGenua. Da aber in unserer Presse darüber schon sehr viel gesagt wordenist und da ich in meiner Rede vom 6. M ärz, die veröffentlicht w urde, Ge-legenheit hatte, das Wesentliche zu dieser Frage zu sagen, so mochte ich,falls von Ihrer Seite kein besonderes Verlangen geäußert werden sollte,irgendwelche Einzelheiten darzulegen, um die Erlaubnis bitten, auf dieDe tails dieser Frage nicht einzugehen.

ü b e r Genua wissen Sie im allgemeinen alles, denn die Presse hat dieserFrage viel Pla tz eingeräumt — meines Eracfatens sogar übermäßig viel,zum Naditeil der wirklichen, praktischen und dringlichen Erfordernisseunseres Aufba ns im allgemeinen und unseres wirtschaftlichen A ufbau s imbesonderen. In Europa w ie in allen bürgerlichen Ländern liebt m an es be-greiflicherweise sehr, die K öpfe m it allem m öglichen W ortgeprassel fiberGenua z u beschäftigen oder vollzustopfen. U n d wir ahmen ihnen diesmal(allerdings nicht nur diesmal) nach und tun e s viel z u sehr.

Ich m uß sagen, daß wir im ZK die sorgfältigsten Maßnahm en getroffenhaben, um eine Delegation aus unseren besten Diplomaten zusammen-zustellen (und w ir haben jetzt eine stattliche Zah l von Sowjetdiplomaten,es ist nicht mehr so w ie zu Beginn des Bestehens der Sowjetrepublik). W irhaben im Z K genügend detaillierte Direktiven für un sere Diplomaten inGenua ausgearbeitet, haben sehr viel Zeit darauf verwandt, haben siemehrere Ma le besprochen und wieder von neuem besprochen. U n d es ver-steht sich vo n selbst, d aß hier die F rage, ich möchte nicht sagen d es Krie-

1 7*

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25 0 TV.1 Lenin

ges, weil dieses Wort eine Mißdeutung hervorrufen könnte, aber jeden-

falls des Wettkampfes steht. Im bürgerlichen Lager gibt es eine außer-ordentlich starke Strömung, die viel mächtiger als die anderen Strömun-gen ist und dazu neigt, die Genueser Konferenz zu vereiteln. Es gibtandere Strömungen, die sie um jeden Preis durchsetzen wollen, die er-reichen wollen, daß sie zusammentritt. Diese letztgenannten Strömungenhaben jetzt die Oberhand gewonnen. Es gibt schließlich im Lager allerbürgerlichen Länder eine Strömung, die man als pazifistisch bezeichnenkönnte und zu der auch die ganze II. und die zweieinhalbte Internationalegerechnet werden müssen. Das ist dasjenige Lager der Bourgeoisie, das

eine Reihe pazifistischer Vorschläge durchzusetzen und so etwas wie einepazifistische Politik zu umreißen versucht. Wir haben als Kommunistenüber diesen Pazifismus bestimmte Anschauungen, deren Darlegung hiervöllig überflüssig ist. Es ist k lar, daß w ir nicht als Kommunisten, sondernals Kaufleute nach Genua gehen. Wir müssen Handel treiben, und siemüssen Handel treiben. Wir möchten, daß dieser Handel zu unseremVorteil ausschlage, und sie möchten, daß er ihnen Vorteil bringe. W ie sichder Kampf entwickeln wird, das wird, wenigstens zu einem kleinen Teil,von der Kunst unserer Diplomaten abhängen.

Wenn wir als Kaufleute nach Genua gehen, so ist es uns begreiflicher-weise nicht gleichgültig, ob wir es mit jenen Vertretern des bürgerlichenLagers zu tun haben, die zur kriegerischen Lösung der Frage neigen, odermit jenen Vertretern des bürgerlichen Lagers, die zum Pazifismus neigen,mag er auch noch so unzulänglich seih und — vom Standpunkt des Kom-munismus — keinerlei Kritik standhalten. D as w äre w ahrhaftig einschlechter Kaufmann, der es nicht verstünde, diesen Unterschied zu erfas-sen und ihm zur Erreichung praktischer Ziele seine Taktik anzupassen.

Wir gehen nach Genua mit dem praktischen Ziel, den Handel auszu-

dehnen und Bedingungen zu schaffen, unter denen er sich am weitestenund erfolgreichsten entwickeln könnte. Aber wir bürgen keineswegs füreinen Erfolg der Genueser Konferenz. Dafür bürgen zu wollen wärelächerlich und sinnlos. Ich muß sagen, daß bei einer ganz nüchternen undvorsichtigen Einschätzung der Möglichkeiten, die Genua zur Zeit bietet,es dennoch, glaube ich, nicht übertrieben sein dürfte zu sagen, daß wirdieses unser Ziel erreichen werden.

Auf dem Wege über Genua, wenn unsere dortigen Verhandlungs-

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XL Parteitag der KPRCB) 251

partner genügend verständig und nicht allzu starrköpfig sein werden;

ohne Genua, falls es ihnen einfallen sollte, sich auf die Hinterbeine zustellen. Ab er unser Ziel we rden w ir erreichen!

Es ist doch so, daß die unaufschiebbarsten, dringlichsten, in den letztenJahren klar in Erscheinung getretenen praktischen Interessen aller kapita-listischen M ächte die Entwicklung, Regelung und A usdeh nung des Hand elsmit Rußland erheischen. Sind derartige Interessen aber einmal vorhanden,so ka nn ma n zw ar streiten, kan n sich zank en, kann in verschiedenen Kom -binationen auseinandergehen — es ist sogar durchaus wahrscheinlich, daßes daz u kom me n wird —, ab er zu guter L etzt wird sich doch diese g rund-

legende wirtschaftliche Notwendigkeit selbst ihren Weg bahnen. Und ichglaube, da ß wir diesbezüglich ruhig sein kön nen . Ich verbürg e mich nichtfür d en Ze itpu nkt , ich verbü rge mich nicht für den Erfolg, abe r gerade indieser Versamm lung hier ka nn ziemlich zuversichtlich gesagt werde n, da ßdie Entwicklung normaler Handelsbeziehungen zwischen der Sowjet-republik und der ganzen üb rigen, der kapitalistischen W elt unausbleiblichweitergehen wird. W elche Unterbrechungen dabei eintreten können , dar-auf w erde ich an ge gebener Stelle in meinem Bericht zu sprechen kom me n,jetzt aber, denke ich, kann ich mich, was Genua betrifft, auf das Gesagte

beschränken.Selbstverständlich können Genossen, die den Wunsch haben, die Frage

eingehender kennenzulernen, und die sich mit der in den Zeitungen ver-öffentlichen Liste der Delegationsmitglieder nicht zufriedengeben, eineKommission oder Sektion wählen und in das gesamte Material des ZK, inden Schriftwechsel u nd die Direktiven E insicht nehm en. D ie Einzelheitenhaben wir natürlich nur bedingt festgelegt, weil bisher noch nicht genaubekannt ist, wer sich in diesem Genua an den Tisch setzen wird und wasfür Bedingungen oder Vorbedingungen oder Vorbehalte man dabei vor-

bringen w ird. Sie allesamt hier zu an alysieren wä re höchst unzw eckmäßig,ich glaube, sogar praktisch unmöglich. Ich wiederhole, der Parteitag hatdurch eine Sektion oder Kommission die volle Möglichkeit, alle Doku-men te zu dieser Frage , die veröffentlichten wie die dem Z K vorliegenden,zu sammeln.

Ich will mich auf das Gesagte beschränken , da ich der Üb erze ugu ng bin,daß es nicht diese Frage ist, die uns die größten Schwierigkeiten bereitet.Nicht das ist es, worauf die gesamte Partei ihr Hauptaugenmerk richten

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252 W.3. Lenin

muß. Die europäische bürgerliche Presse vergrößert und übertreibt die

Bedeutung dieser Konferenz künstlich a nd mit Vorbedacht, um die werk-tätigen Massen zu betrügen (so machen es stets nenn Zehntel de r gesamtenbürgerlichen Presse in allen diesen freien demokratischen Ländern andRepubliken). Wir haben uns von dieser Presse ein wenig beeinflussenlassen. Wie immer lassen sich unsere Zeitungen noch von den alten bürger-lichen Gewohnheiten beeinflussen, wollen nicht auf das neue sozialistischeGeleise übergehen, and wir haben mehr Lärm geschlagen, als es derGegenstand verdien t K r Komm anisten, besonders wenn sie so ernsteJahre durchgemacht haben wie wir seit 1917 an d so ernste Kombinationen

der Politik erlebt haben wie wir seither, bietet Genua im G nm de genom-men keine großen Schwierigkeiten. Ich entsinne mich nicht, daß es inner-halb des ZK oder überhaupt in unserer Parte i in dieser Frage zu irgend-welchen Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten gekommen w äre .Das ist natürlich, denn vom Standpunkt der Kommanisten, selbst wennman die verschiedenen Schattierungen unter ihnen im Auge hat, gibt eshier nichts Strittiges. Wir gehen, ich wiederhole es, als Kanflente nachGenua, um möglichst vorteilhafte Formen für die Entwicklung des Hande lszu erzielen, der eingesetzt hat, der vonstatten geht und der, selbst wenn

es jemandem gelänge, ihn für diese oder jene Zeitspanne gewaltsam zuunterbrechen, sich dennoch nach dieser Unterbrechung unweigerlich ent-wickeln wird.

Ich beschränke mich daher auf diese kurzen Ausführungen über Genuaund gehe nun zu den Fragen über , d ie meines Eracfatens die Hauptfragender Politik im vergangenen Jah r und die Hauptfragen der Politik im kom -menden Jahr sind. Mir scheint (oder zumindest bin ich es so gewohnt),daß wir im politischen Bericht des ZK nicht einfach darüber sprechen sol-len, was im Berichtsjahr geschehen ist, sondern darüber, welche politischen

Lehren sich im Berichtsjahr ergeben haben — die wichtigsten, die grund-legenden Lehren, um unsere Politik für das kommende Jahr richtig zu be-stimmen, um aa s dem abgelaufenen Jah r etwas zu lernen.

Die Hauptfrage ist natürlich die Ne ue ökonom ische Politik. Das ganzeBerichtsjahr verlief im Zeichen der Neuen ökonomischen Politik. Wennwir in diesem Jahr irgendeine große, ernsthafte und unverrückbare Er-rungenschaft erzielt haben (das steht für mich noch nicht so ohne weiteresfest), so lediglich die, daß wir etwas von den Anfangsgründen dieser Neuen

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XL Parteitag der XPW) 253

ökonomischen Politik gelernt haben. W ir haben in der Tat in diesem Jah r

auf dem Gebiet der Neuen ökonomischen Politik außerordentlich vielgelernt. Die P robe aufs Exempel abe r, ob wir wirklich und inwieweit wirgelernt haben, wird wahrscheinlich erst durch die weiteren Ereignisse ge-macht werden, durch Geschehnisse, die von unserem Wollen sehr wenigabhängen, wie beispielsweise die bevorstehende Finanzkrise. Mir scheint,das Wichtigste, was man hinsichtlich unserer Neuen ökonom ischen Poli-tik als Grundlage für alle Erörterungen im Auge behalten muß, sowohlum das Fazit aus den Erfahrungen des abgelaufenen Jahres als auch umdie praktischen Lehren für das kommende Jahr zu ziehen — das sind die

folgenden drei Punkte.Erstens ist uns die Neue ökonomische Politik vor allem wichtig als

eine Prob e darauf, ob wir wirklich den Zusammenschluß mit der bäuer-lichen Wirtschaft erreichen. In der vorhergegangenen Entwicklungsperiodeunserer Revolution, als die ganze Aufmerksamkeit und alle Kräfte haupt-sächlich von der Aufgabe beansprucht, ja fast ganz absorbiert waren, dieInvasion abzuwehren, konnten wir über diesen Zusammenschluß nichtgenügend nachdenken — wir hatten anderes zu tun . Man konnte undmußte ihn bis zu einem gewissen Grade vernachlässigen, als wir vor der

absolut unaufschiebbaren u nd direkten, alles überragenden Aufgabe stan-den, die Gefahr abzuwehren, von den gigantischen Kräften des Welt-imperialismus sofort erdrückt zu werden.

Die W endung zur N euen ökonomischen Politik wurde auf dem letztenParteitag mit außergewöhnlicher Einmütigkeit beschlossen, sogar mitgrößerer Einmütigkeit, als andere Fragen in unserer Partei (die sich, dasmuß man sagen, überhaupt durch große Einmütigkeit auszeichnet) ent-schieden wurden. Diese Einmütigkeit zeigte, daß die Notwendigkeit voll-auf herangereift war, auf neue Art an die sozialistische Wirtschaft heran-

zugehen. Menschen, die in vielen Fragen auseinandergingen, die die Lagevon verschiedenen Standpunkten aus einschätzten, kamen einmütig undsehr rasch, ohne alle Schwankungen, zu dem Schluß, daß wir nicht richtigan die sozialistische Wirtschaft, an die Errichtung ihres Fundaments her-angehen und daß es nu r ein einziges Mittel gibt, richtig heranzugehen —das ist die Neue ökonomische Politik. Wir mußten infolge der Entwick-lung der Kriegsereignisse, infolge der Entwicklung der politischen Ereig-nisse, infolge der Entwicklung des Kapitalismus im alten zivilisierten

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Westen und der Entwicklung der sozialen arid politischen Verhältnisse in

den Kolonien als erste in die alte bürgerliche Welt eine Bresche schlagenzu einem Zeitpunkt, als unser Land ökonomisch wenn nicht das rück-ständigste, so doch eines der rückständigsten Länder war. Die gewaltigeMehrheit der Bauernschaft unseres Landes betreibt eine individuelle Klein-wirtschaft. Der Aufbau dessen, was wir von unserem in Aussicht genom-menen Programm des kommunistischen Gemeinwesens sofort verwirk-lichen zu können glaubten, vollzog sich bis zu einem gewissen Grade ab-seits von dem, was in der breitesten Bauernmasse vor sich ging, der wirsehr schwere Pflichten auferlegten, was wir damit rechtfertigten, daß der

Krieg keinerlei Schwankungen in dieser Beziehung zulasse. Und dieseRechtfertigung wurde von der Bauernschaft im großen und ganzen akzep-tiert, trotz der Fehler, die wir nicht vermeiden konnten. Die Bauernmassesah und begriff im allgemeinen, daß diese ungeheuren Lasten, die ihr auf-erlegt wurden, notwendig waren, um die Arbeiter- und Bauernmachtgegen die Gutsbesitzer zu behaupten, um nicht von der kapitalistischenInvasion, die uns alle Errungenschaften der Revolution zu entreißendrohte, erwürgt zu werden. Aber einen Zusammenschluß zwischen derWirtschaft, die in den nationalisierten, sozialisierten Fabriken, Werken

und Sowjetwirtschaften aufgebaut wurde, und der bäuerlichen Wirtschaftgab es nicht.

Das haben wir auf dem letzten Parteitag klar gesehen. Das haben wirso klar gesehen, daß es in der Partei keinerlei Schwankungen in bezugdarauf gab, daß die Neue ökonomische Politik unvermeidlich ist.

Es ist erheiternd zu beobachten, wie dieser unser Beschluß in den außer-ordentlich zahlreichen Presseorganen aller möglichen russischen Parteienim Ausland eingeschätzt wird. Der Unterschied zwischen diesen Ein-schätzungen ist nur ganz geringfügig: In der Vergangenheit lebend, be-

haupten sie auch jetzt noch, die linken Kommunisten w ären bis heute nochgegen die Neue ökonomische Politik. Diese Leute haben sich imJahre 1921 an das erinnert, was im Jahre 1918 war und was die linkenKommunisten bei uns selbst vergessen haben, und sie käuen und wieder-käuen das endlos, wobei sie versichern, diese Bolschewiki, bekanntlich

. arglistige und .verlogene Leute, täten alles, um vor Europa zu verheim-lichen, daß es hier bei ihnen selber Meinungsverschiedenheiten gebe. Liestman das, so denkt man: Laßt sie in ihrem Irrtum verharren. Wenn sie

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XI. Parteitag der XPR(B) 255

von dem, was bei uns vor sich geht, solche Vorstellungen haben, dann

kann man danach beurte ilen, wie es in den Köpfen dieser angeblich höchstgebildeten Menschen einer vergangenen Zeit aussieht, die sich jetzt insAusland davongemacht haben. Wir wissen, daß es bei uns keinerlei Mei-nungsverschiedenheiten gegeben hat, und zwar deshalb nicht, weil diepraktische Notwendigkeit, an die Errichtung des Fundaments der sozia-listischen Wirtschaft anders heranzugehen, für alle klar war.

Einen Zusammenschluß zwischen der bäuerlichen Wirtschaft und derneuen Wirtschaft, die wir zu schaffen versuchten, gab es bei uns nicht.Gibt es ihn jetzt ? Noch nicht. W ir nähern uns ihm erst. Die ganze Bedeu-

tung der Neuen ökonomischen Politik, die man in unserer Presse nochhäufig überall sonstwo sucht, nur nicht da, wo sie zu suchen ist — dieseganze Bedeutung liegt darin und nur darin: den Zusammenschluß zwi-schen der bäuerlichen Wirtschaft und der neuen Wirtschaft herzustellen,die wir mit ungeheurer Anstrengung schaffen, und darin besteht unserVerdienst, sonst wären wir keine Kommunisten, keine Revolutionäre.

. Die neue Wirtschaft begannen wir auf völlig neue A rt aufzubauen,ohne Rücksicht auf irgend etwas A ltes. U nd hätte n wir mit ihrem Aufbaunicht begonnen, so wären wir gleich in den ersten Monaten, gleich in den

ersten Jahren aufs Haupt geschlagen worden. Aber das bedeutet nicht,daß wir uns darauf versteifen, die neue Ökonomik, die wir mit so gren-zenloser Kühnheit begonnen haben, nun auch unabänderlich in dergleichen W eise fortzuführen. W orau s folgt denn d as? Aus rein gar nichts.

Wir haben von allem Anfang an gesagt, daß wir ein völlig neuartigesWerk zu vollbringen haben und daß unser Werk, wenn uns die GenossenArbeiter der kapitalistisch höher entwickelten Länder nicht rasch zu Hilfekommen, unglaublich schwierig sein und es dabei zweifellos eine Reihevon Fehlern geben wird. Die Hauptsache ist: M an m uß nüchtern zu sehen

verstehen, wo solche Fehler unterlaufen sind, und alles von Anfang anumgestalten. Wenn man nicht zweimal, sondern sogar viele Male alles vonAnfang an umgestalten muß, so wird das zeigen, daß wir an unsere Auf-gabe, die größte, die es je in der Welt gegeben hat, ohne Vorurteile, mitnüchternem Blick herangehen.

Das G rundlegende in der Neu en ökonom ischen Politik ist jetzt, sich dieErfahrungen des verflossenen Jahres richtig zu eigen zu machen. Das mußman tun, und wir wollen das tun. Und wenn wir das um jeden Preis

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erreichen wollen (und wir wollen nnd werden es erreichen!), so müssen

wir wissen: Die grundlegende, entscheidende, allem anderen übergeord-nete Aufgabe der NÖP ist die Herstellung des Zusammenschlusses zwi-schen der neuen Ökonomik, die wir aufzubauen begonnen haben (sehrschlecht, sehr ungeschickt, aber immerhin aufzubauen begonnen haben,auf der Grundlage einer völlig neuen sozialistischen Wirtschaft, einerneuen Produktion, einer neuen Verteilung), und der bäuerlichen Ö kono-mik, die die Wirtschaft von Millionen und aber Millionen Bauern is t

Diesen Zusammenschluß gab es nicht, und diesen Zusammenschlußmüssen wir vor allem herstellen. Dieser Erwägung m uß alles un tergeord-

net werden. Wir müssen noch klären, wie weit es der Neuen ökono-mischen Politik gelungen ist, diesen Zusammenschluß herbeizuführen,ohne das zu zerstören, was wir, wenn auch ungeschickt, aufzubauen be-gonnen haben .

W ir bauen unsere Wirtschaft in Verbindung mit der Bauernschaft auf.Wir müssen sie wiederholt umgestalten und sie so einrichten, daß einZusammenschluß bestehe zwischen unserer Arbeit an der sozialistischenGroßindustrie und Landwirtschaft und der Arbeit, mit der jeder Bauerbeschäftigt ist und die er leistet, so gut er kann, um aus der Not heraus-

zukommen, ohne zu klügeln (denn wie sollte er klügeln, wo es gilt, derdirekten Gefahr eines qualvollen Hungertodes zu entgehen, ihr zu ent-rinnen?).

Man muß diesen Zusammenschluß zeigen, damit wir ihn klar sehen,damit das ganze Volk ihn sehe, damit die gesamte Bauernmasse sehe , daßzwischen ihrem heutigen schweren, unerhört zerrütteten, unerhört arm-seligen, qualvollen Leben und der Arbeit, die im Namen fernliegendersozialistischer Ideale geleistet wird, ein Zusammenhang besteht. Man mußes verstehen, dem einfachen werktätigen Durchschnittsmenschen begreif-

lich zu machen, daß er eine gewisse Verbesserung erhalten hat, und zwarnicht so, wie sie manche Bauern in der Epoche der Gutsbesitzerherrschaftund des Kapitalismus erhielten, als jeder Schritt zu Verbesserungen (esgab zweifellos Verbesserungen, und sehr große) mit Verhöhnung, Be-schimpfung, Verspottung der Bauern, mit Gewaltanwendung gegen dieMasse verknüpft war, die in Rußland kein Bauer vergessen hat und aufJahrzehnte hinaus nicht vergessen wird. Unser Ziel ist, den neuen Zu-sammenschluß herzustellen, dem Bauern durch Taten zu beweisen, daß

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XLParteitagderKPJiCB) 257

wir mit dem beginnen, was ihm verständlich, vertraut und heute bei all

seiner Armut erreichbar ist, nicht aber mit etwas, was vom Standpunktdes Bauern fern und phantastisch is t U nser Ziel ist, zu beweisen, daß wirihm zu helfen verstehen, daß die Kommunisten dem verarmten, verelen-deten, qualvoll hungernden Kleinbauern, der sich jetzt in einer schwerenLage befindet, sofort praktisch helfen. Entweder werden wir das beweisen,oder er wird uns zum Teufel jagen. Das ist völlig unausbleiblich.

Darin eben liegt die Bedeutung der Neuen ökonomischen Politik, daseben ist die Grundlage unserer ganzen Politik. Hier haben w ir die Haupt-lehre aus dem ganzen abgelaufenen Jahr der Anwendung der Neuen

ökonomischen Politik und sozusagen unsere politische Hauptregel fürdas kommende Jahr. Der Bauer gewährt uns Kredit, und er kann natür-lich nach dem Erlebten nicht umhin, um zu gewähren. Die Bauern in ihre rMasse willigen ein: „Nun, wenn ihr's nicht besser könnt, werden wirwarten, vielleicht werdet ihr 's noch lernen." Doch dieser Kredit kann nichtunerschöpflich sein.

Das m uß m an wissen und sich, nachdem man den Kredit erhalten hat,immerhin etwas beeilen. Man muß wissen, daß der Zeitpunkt naht, woans das Bauemland keinen weiteren Kredit gewähren wird, wo es, um

einen kom merzielen Ausdruck zu gebrauchen, Barzahlung fordern wird.„Jetzt, sehr verehrte M achthaber, nach soviel Monaten und soviel JahrenAufschub hab t ihr doch sicher das  richtigste, zuverlässigste M ittel gefan-den, durch das ihr uns helft, ans der N ot, dem Elend, dem Hunger, dem.Ruin herauszukommen. Ihr könn t das, ihr habt es bewiesen." Das ist dasExamen, das unweigerlich auf uns zukommt, und dieses Examen wird inletzter Instanz alles entscheiden: sowohl das Schicksal der N Ö P als auchdas Schicksal der kommunistischen M acht in Rußland.

Werden wir imstande sein, unser unmittelbares Werk zu Ende zu

fähren oder nicht? Taugt diese Neue ökonom ische Politik nun zu etwasoder nicht? W ird sich der Rückzug als richtig herausstellen, so gu t es , sichnach dem Rückzug mit der Bauernmasse zusammenzuschließen und ge-meinsam mit ihr, zwar hundertmal langsamer, dafür aber fest und un-beirrt vorwärtszuschreiten, damit sie stets sehe, daß wir trotz allem vor-wärtsschreiten. Dann wird unsere Sache absolut unbesiegbar sein, undkeine Kraft der W elt wird uns besiegen. Bis jetzt, im ersten Ja hr, habenwir das noch nicht erreicht. Das muß unumwunden ausgesprochen w erden.

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258 'W.J.Lenin

Aber ich bin fest davon überzeugt (und unsere N eue ökonom ische Poli-

tik gibt die Möglichkeit, diesen Schluß mit voller Klarheit und Sicherheitzu ziehen), daß wir diese Aufgabe lösen werden, wenn wir die ganze un-geheure Gefahr erkennen, die in der NÖP steckt, und alle unsere Kräfteauf die schwachen Punkte richten.

Es gilt, sich eng mit der Bauemmasse, mit der einfachen, werktätigenBauernschaft zusammenzuschließen und zu beginnen, sich vorwärtszu-bewegen, zwar unvergleichlich, unendlich langsamer, als wir uns erträumthaben, dafür aber so, daß wirklich die ganze Masse mit uns vorwärts-schreiten wird. Dann wird auch zu gegebener Zeit eine solche Beschleu-

nigung dieser Bewegung einsetzen, von der w ir augenblicklich nicht einmalzu träumen wagen. Das ist meiner Meinung nach die erste grundlegendepolitische Lehre aus der Neuen ökonomischen Politik.

Die zweite, speziellere Lehre ist die Überprüfung der staatlichen undder kapitalistischen Betriebe durch den W ettbew erb. Bei uns werden jetztgemischte Gesellschaften gegründet — ich werde später noch ein paarW orte darüber sagen —, die ebenso wie unser gesamter staatlicher Handelund unsere gesamte Neue ökonomische Politik eine Anwendung vonHandelsmethoden, von kapitalistischen Methoden durch uns Kommunisten

darstellen. Sie haben auch die Bedeutung, daß hier ein praktischer Wett-bewerb zwischen den kapitalistischen Methoden und unseren Methodenzustande komm t. Man vergleiche praktisch! W ir haben bisher Programmegeschrieben und Versprechungen gemacht. Seinerzeit war das absolut not-wendig. Ohne ein Programm und ohne Versprechungen kann man nichtmit der Weltrevolution kommen. Wenn uns die Weißgardisten, darunterauch die Menschewiki, deshalb beschimpfen, so zeigt das nur, daßdie Menschewiki und die Sozialisten der II. und der zweieinhalbtenInternationale keine Ahnung davon haben, wie die Entwicklung einer

Revolution überhaupt vor sich geht. Anders als so konnten wir nichtanfangen.

Doch jetzt stehen die Dinge so, daß wir schon eine ernste Überprüfungunserer A rbeit vornehmen müssen, nicht eine Überprüfung, wie sie durchdie Kontrollinstanzen erfolgt, die von den Kommunisten selbst geschaffenwerden, mögen diese Kontrollinstanzen auch noch so vortrefflich sein undmögen sie im System der Sowjetinstitutionen wie der Parteiinstitutionenauch fast ideale Kontröllinstanzen sein. Nicht diese Überprüfung brauchen

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260 W.I.Lenin

Das ist die erste Lehre, der erste Hauptteil des politischen Berichts des

ZK. Wir verstehen nicht zu wirtschaften. Das ist im Laufe eines Jahresbewiesen worden. Ich würde sehr gern einige Gostrasts* (am mich indieser schönen rassischen Sprache auszudrücken, die Turgenjew so ge-lobt hat**) als Beispiel anfahren and zeigen, wie wir za wirtschaften ver-stehen.

Leider habe ich ans einer Reihe von Gründen, hauptsächlich infolgeKrankheit, diesen Teil des Berichts rächt aasarbeiten können and maßmich darauf beschränken, meiner nberzeugung Ausdruck za geben, dieauf der Beobachtung dessen beruht, was vor sich geht. In diesem Jahr

haben w ir völlig klar bewiesen, daß w ir nicht za wirtschaften verstehen.D as ist d ie grundlegende Lehre. Entweder werden wir im nächsten Jahrdas Gegenteil bew eisen , oder die Sowjetmacht kann nicht weiterexistieren.Und die größte Gefahr ist die, daß nicht alle das einsehen. Wenn alleKommanisten, die verantwortlichen Funktionäre, klar einsähen: wir ver-stehen es nicht, wir w ollen d ie Anfangsgrunde erlernen, dann hätten w irgewonnenes Spiel — das wäre nach meiner Meinung die fundamentale,grandlegende Schlußfolgerung. A ber man sieht das nicht ein and glaubt,wenn jemand so denkt, dann sind das ungebildete Leute, die haben den

Kommunismus nicht studiert — vielleicht werden sie ihn noch studierenund b egreifen. N ein , entschuldigen S ie, nicht darum handelt es sich, daßder Bauer oder der parteilose Arbeiter den Kommanismas nicht studierthaben, sondern darum, daß die Zeiten vorbei sind, wo man d as Programmentwickeln and das Volk zur Verwirklichung dieses großen Programmsaufrufen maßte. Diese Zeit ist vorbei, heute gut es za beweisen, daß wires in der gegenwärtigen schwierigen Lage verstehen, der Wirtschaft desArbeiters und des Bauern praktisch za helfen, damit sie sehen, daß wirden W ettkampf bestanden haben.

Die gemischten Gesellschaften, die wir za gründen begonnen haben,an den en sowo hl Privatkapitalisten—rassische a nd ausländische— als auchKommunisten beteiligt sind, diese Gesellschaften sind eine der Formen,in denen man den Wettbewerb richtig organisieren kann, in denen man

* Staatliche Trusts. Der Tibers.

** TCTWI verspottet hier die Unsitte, ICurznamen durch Zusammenziehungvon Silben mehrerer Wörter z a bilden. VgL auch Werke, Bd. "31, S. 357, andden vorliegenden Band, S. 262. Der Tibers.

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XI. Parteitag der KPJiCB) 261

zeigen and lernen kann, daß wir es nicht schlechter als die Kapitalisten

verstehen, den Zusammenschluß mit der bäuerlichen Wirtschaft zu be-werkstelligen, daß wir ihre Bedürfnisse befriedigen nnd der Bauernschaft,so wie sie jetzt ist, bei all ihrer Unwissenheit — denn sie in kurzer Zeitumzumodeln ist nicht möglich —, helfen können, vorwärtszuschreiten.

Das also ist der Wettkampf, vor dem wir als vor einer absolut unauf-schiebbaren Aufgabe stehen. Das ist der Kern der Neuen ÖkonomischenPolitik und meiner Überzeugung nach der springende Punkt der Partei-politik. Rein politische Probleme und Schwierigkeiten haben w ir mehr alsgenug. Und Sie kennen sie: Genua und die Interventionsgefahr. Die

Schwierigkeiten sind groß, aber sie alle sind ein Nichts im Vergleich zudieser Schwierigkeit. Dort haben wir schon gesehen, wie es gemacht wird,dort haben wir viel gelernt, haben die bürgerliche Diplomatie erprobt. Dasist etwas, was uns die Menschewiki fünfzehn Jahre lang beigebracht undwobei sie uns manches Nützliche beigebracht haben . Das ist nichts Neues.

Hier aber geht es um eine Sache, die wir in der Wirtschaft fertigbringenmüssen: Es gilt, den Wettkampf mit dem simplen Kommis, mit dem ein-fachen Kapitalisten, mit dem Kaufmann zu bestehen, der zum Bauernkommen und nicht über den Kommunismus diskutieren wird — stellen Sie

sich vor, er wird gar nicht über den Kommunismus diskutieren —, sondernargumentieren wird: Wenn etwas zu beschaffen, etwas richtig einzuhan-deln, etwas zu bauen ist, bitte schön, ich werde zwar teuer bauen, aber dieKommunisten werden vielleicht noch teurer bauen, wenn nicht gar zehn-mal so teuer. Das ist die Agitation, auf die es jetzt ankomm t, das ist dieGrundfrage der Wirtschaft

Ich wiederhole, Aufschub und Kredit haben wir vom Volk dank unsererrichtigen Politik erhalten, und das sind, um mich in der Sprache der N Ö Pauszudrücken, Wechsel, aber Termine sind auf diesen Wechseln nicht an-

gegeben, nnd wann sie zur Einlösung vorgelegt werden, darüber gibt derText des Wechsels keine Auskunft. Darin liegt die Gefahr, das ist das Be-sondere, das diese politischen Wechsel von gewöhnlichen Handelswechselnunterscheidet Darauf müssen wir alle Aufmerksamkeit richten und dür-fen uns nicht damit zufriedengeben, daß überall in den staatlichen Trustsund gemischten Gesellschaften verantwortliche und sehr gute Kommu-nisten sitzen — das nützt gar nichts, weil sie nicht zu wirtschaften ver-stehen und in dieser Hinsicht schlechter sind als ein gewöhnlicher kapita-

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listisdier Kommis, der die Schule einer großen Fabrik und einer großen

Firma durchgemacht ha t. W ir begreifen das nicht, weil es hier noch kom-munistischen Hochmut gibt — Komtschwanstwo, um mich wieder derschönen russischen Sprache zu bedienen. Die Sache ist die, daß der ver-antwortliche Kommunist — auch der beste, anerkannt ehrliche und ergebeneKommunist, der das Zuchthaus ertragen und den Tod nicht gefürchtet hat— es nicht versteht, Handel zu treiben, weil er nicht vom Fach ist, weil erdas nicht gelernt hat und nicht lernen will und nicht begreift, daß er mitdem Abc anfangen muß. Der Kommunist, der Revolutionär, der diegrößte Revolution der Welt vollbracht hat, auf den, wenn nicht vierzig

Jahrhunderte von den Pyram iden, so doch vierzig europäische Länder mitder Hoffnung auf Erlösung vom Kapitalismus blicken—er m uß von einemsimplen Handlungsgehilfen lernen, der zehn Jahre in einer Mehlhandlungherumgelaufen ist, der das Geschäft versteht, während er, der verantwort-liche Kommunist und ergebene Revolutionär, weit davon entfernt, es zuverstehen, nicht einmal versteht, daß er es nicht versteht.

Wenn wir daher, Genossen, auch nur diese erste Unkenntnis korri-gieren, so wird das ein ganz gewaltiger Sieg sein. W ir müssen von diesemParteitag mit der Überzeugung heimkehren, daß wir das nicht gewußt

haben, und werden beim Abc zu lernen anfangen. Wir haben immerhinnoch nicht aufgehört, Revolutionäre zu sein (obwohl viele, und nicht ein-mal ganz grundlos, behaupten, wir wären verbü rokratisiert), und könnendie einfache Wahrheit begreifen, daß man es bei einem neuen, un-gewöhnlich schwierigen Werk verstehen muß, mehrmals von vorn anzu-fangen: Man hat angefangen, ist in eine Sackgasse geraten — beginne vonneuem, packe die Sache anders an, stelle dich zehnmal um, aber setze dichdurch, spiele dich nicht auf, brüste dich nicht damit, daß du Kommunistbist, wo doch irgendein parteiloser, vielleicht weißgardistischer, sogar

sicher weißgardistischer Kommis sich auf die Sache versteht, die ökono-misch um jeden Preis gemacht werden muß, während du dich nicht daraufverstehst. Wenn du als verantwortlicher Kommunist, der hundert Würdenund Titel hat, der „Ritter" kommunistischer und sowjetischer Orden ist —wenn du das begreifst, dann wirst du dein Ziel erreichen, denn das läßtsich erlernen.

Einige, wenn auch winzige Erfolge haben wir in diesem Jahr zu ver-zeichnen, doch sie sind ganz minimal. Die Hauptsache, es fehlt an der

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XL Parteitag der XPRCB) 263

Einsicht und an der weitverbreiteten, von allen Kommunisten geteilten

Überzeugung, daß wir, die verantwortlichen und ergebensten russischenKommunisten, gegenwärtig weniger davon verstehen als der erstbestealte Handlungsgehilfe. Man muß, ich wiederhole es, von vorn anfangenzu lernen. Wenn wir uns darüber klar sind, dann werden wir das Examen .bestehen, und es ist ein ernstes Examen, das die herannahende Finanz-krise veranstalten wird, ein Examen, das der russische und internationaleMarkt veranstalten wird, dem wir unterworfen sind, mit dem wir ver-bunden sind, von dem wir uns nicht losreißen können. Dieses Examen isternst, denn hier kann man uns ökonomisch und politisch schlagen.

So und nur so steht die Frage, weil es sich hier um einen ernsten Wett-kampf handelt, weil dieser Wettkampf entscheidend ist. Wir haben allemöglichen Mittel und Wege angewandt, um aus unseren politischen undökonomischen Schwierigkeiten herauszukommen. Wir können uns vollerStolz rühmen , daß w ir bisher alle diese Mittel un d W ege in verschiedenenKombinationen, entsprechend den verschiedenen Umständen, anzuwen-den verstanden haben, aber jetzt haben wir keinen anderen Ausweg mehr.Gestatten Sie mir, Ihnen das ohne Ü bertreib ung zu sagen, denn in diesemSinne ist es wirklich das entscheidende „letzte Gefecht", nicht gegen den

interna tionale n K apitalismus — do rt wird es noch viele entscheidende„letzte Gefechte" geben —, nein, aber gegen den russischen Kapitalismus,gegen den Kapitalismus, der aus dem bäuerlichen Kleinbetrieb hervor-wächst, der von ihm gestützt w ird. Hier steht uns in nächster Zukun ft einKampf bevor, dessen Zeitpunkt man nicht genau bestimmen kann. Hiersteht das entscheidende „letzte Gefecht" bevor, hier sind keine Um-gehungsmanöver mehr möglich, weder politische noch irgendwelche an-dere, denn das ist das Examen des Wettkampfes mit dem Privatkapital.Entweder werden wir dieses Examen des Wettkampfes mit dem Privat-kapital bestehen, oder es gibt ein volles Fiasko. Um dieses Examen zu be-stehen, dazu haben wir die politische Macht u nd eine ganze Me nge ökono-mischer und an de rer H ilfsquellen, alles, was Sie wollen — au ßer derSachkenntnis. Die Sachkenntnis fehlt uns. Wenn wir jedoch diese einfacheLehre aus den Erfahrungen des abgelaufenen Jahres ziehen und sie unszur Richtschnur für das ganze Jahr 1922 machen, dann werden wir auchdiese Schwierigkeit überwinden, obwohl sie weit größer ist als die vorher-gegangene Schwierigkeit, weil sie in uns selbst liegt. Das ist etwas ganz

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264 W J.Lenin

anderes als irgendein äußerer Feind. Diese Schwierigkeit besteht darin,

daß wir selbst die peinliche Wahrheit, die uns aufgezwungen ist, nichterkennen wollen und daß wir nicht in die peinliche Lage kommen wollen,um die wir doch nicht herumkommen werden: von vorn anfangen zulernen. Das ist die zweite Lehre, die sich meiner Ansicht nach aus derNeue n ökonom ischen Poli tik ergibt.

Die dritte, ergänzende Lehre betrifft den Staatskapitalismus. Schade,daß Gen. Bucharin nicht auf dem Parteitag anwesend ist, ich hätte gernmit ihm ein wenig gestritten, aber ich werde das lieber bis zum nächstenParteitag aufschieben. In der Frage des Staatskapitalismus machen, wie

mir scheint, unsere Presse und unsere Partei überhaupt den Fehler, daßwir in intelligenzlerische Denkweise, in Liberalismus verfallen, darüberklügeln, wie man den Staatskapitalismus zu verstehen habe, und in altenBüchern nachschlagen. Aber dort ist von etwas ganz anderem die Rede:dort ist über den Staatskapitalismus geschrieben, der unter dem Kapitalis-mus vorkommt, aber es gibt kein einziges Buch, wo über den Staats-kapitalismus geschrieben wäre, der unter dem Kominunismus vorkommt.Nicht einmal Marx kam auf den Gedanken, auch nur ein einziges Wortdarüber zu schreiben, und starb, ohne ein einziges genaues Zitat und un-

widerlegliche Hinweise hinterlassen zu haben. Deshalb müssen wir unsjetzt selber aus der Klemme ziehen. Aber wenn man im Geiste all dasüberblickt, was unsere Presse zur Frage des Staatskapitalismus zu sagenha t, wie ich es zu tun versuch te, als ich mich auf diesen Bericht vorb ereite te,dann gewinnt man die Oberzeugung, daß man-dort weit am Ziel vorbei-schießt, in eine ganz falsche Richtung schaut.

Staatskapitalismus — das ist nach der gesamten ökonomischen Literaturjener Kapitalismus, der im kapitalistischen System vorkommt, wenn sichdie Staatsmacht diese oder jene kapitalistischen Betriebe direkt unterord-

net. Aber unser Staat ist ein proletarischer Staat, er stützt sich auf dasProletariat, er gibt dem Proletariat alle politischen Vorrechte und ziehtdurch das Proletariat die Bauernschaft in ihrer Masse zu sich heran (Sieerinnern sich, daß wir diese Arbeit mit den Komitees der Dorfarmut be-gonnen haben). Deshalb stiftet der Staatskapitalismus bei vielen, sehrvielen Verwirrung. Um dem zu entgehen, muß man den Grundgedankenfesthalten, daß der Staatskapitalismus in der Form, wie wir ihn bei unshaben, in keiner Theorie, in keiner Literatur analysiert wird, und zwar

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ZI. Parteitag der XPJKB) 265

ans dem einfachen G runde, weil alle mit diesem W or t verknüpften land-

läufigen Begriffe der bürgerlichen Staatsmacht in der kapitalistischen Ge-sellschaft angepaßt si nd W ir haben jedoch ein Gemeinwesen, das ans demkapitalistischen Geleise heransgesprongen, in das neue Geleise aber nochnicht gekommen ist, geführt aber wird dieser Staat nicht von der Bour-geoisie, sondern vom Proletariat Wir wollen nicht begreifen, daß, wennwir „Staat" sagen, dieser Staat wir sind, das Proletariat, die Vorhut derArbeiterklasse. Staatskapitalismus — das ist jener Kapitalismus, den wireinzuschränken, dessen Grenzen wir festzulegen wissen; dieser Staats-kapitalismus ist mit dem Staat verbunden, der Staat aber — das sind die

Arbe iter, das ist der fortgeschrittene Teil der A rbeiter, das ist die Vorhut,das sind wir.

Staatskapitalismus — das ist jener Kapitalismus, den wir in bestimmtenGrenzen organisieren müssen und den wir bisher noch nicht zu organi-sieren verstehen. Das ist der springende Punkt. Un d es hängt nur von un sab, wie dieser Staatskapitalismus aussehen wird. Politische Macht habenwir genug, vollkommen genug; ökonomische Mittel stehen uns ebenfallsgenug zur Verfügung, ungenügend aber ist die Sachkenntnis der Vorhutder Arbeiterklasse, die an d ie Spitze gestellt ist, um die Sache unm ittelbar

zu leiten, um die Gren zen festzulegen, um sich abzugrenzen , um sich dieanderen unterzuordnen, nicht aber sich unterordnen zu lassen. Dazu be-darf es nu r der Sachkenntnis, an d die haben w ir nicht.

Das ist doch eine Lage, wie sie in der Geschichte überhaupt noch niedagewesen ist: Das Proletariat, die revolutionäre Vorhut, besitzt durchausgenug politische Macht, zugleich abe r gibt es Staatskapitalismus. Der Kern-punkt der Frage besteht darin, zu begreifen, daß das jener Kapitalismusist, den wir zulassen können un d müssen, den wir in bestimm ten Grenzenorganisieren können und müssen, denn dieser Kapitalismus ist notwendig

für die breite Bauernschaft und das Privatkapital, das so Handel treibensoll, daß die Bedürfnisse der Bauernschaft befriedigt werden. Das ganzemuß so organisiert werden, daß der gew ohnte Ablauf der kapitalistischenWirtschaft und des kapitalistischen Umsatzes möglich ist, denn dasbraucht das Volk, sonst kann es nicht leben. Alles übrige ist für sie, fürdieses Lager, nicht absolut notwendig, mit allem übrigen können sie sichabfinden. Versteht es, ihr Kommunisten, ihr Arbeiter, ihr, der klassen-bewußte Teil des Proletariats, der es übernomm en hat, den Staat zu

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266 TV.,! Lenin

regieren — versteht es, die Sache so zu machen, daß der Staat, den ihr in

die Hände genommen habt, nach eurem Willen funktioniert! Wir habennun ein Jahr hinter uns, der Staat ist in unseren Händen — aber hat erunter den Verhältnissen der Neuen ökonomischen Politik in diesem Jahrnach unserem W illen funktioniert? Nein. Das wollen wir nicht zugeben:Er hat nicht nach unserem Willen funktioniert. W ie hat er denn funktio-niert? Das Steuer entgleitet den Händen: Scheinbar sitzt ein Mensch da,der den Wagen lenkt, aber der Wagen fährt nicht dorthin, wohin er ihnlenkt, sondern dorthin, wohin ein anderer ihn lenkt — jemand, der illegalist, der gesetzwidrig handelt, der von Gott weiß woher kommt, Speku-

lanten oder Privatkapitalisten, oder die einen und die andern zugleich —,jedenfalls fährt der Wagen nicht ganz so und sehr häufig ganz und garnicht so, wie derjenige, der am Steuer dieses Wagens sitzt, sich einbildet.Das ist das Grundlegende, was man in der Frage des Staatskapitalismusim Auge behalten m uß. Auf diesem grundlegenden Gebiet muß man vonvorn zu lernen anfangen, und nur dann, wenn wir uns das restlos an-eignen und bewußt machen, können wir dafür bürgen, daß w ir es erlernenwerden.

Ich komme nun zur Frage der Einstellung des Rückzugs, worüber ich

schon in meiner Rede auf dem Verbandstag der Metallarbeiter zu spre-chen Gelegenheit hatte. Ich bin seitdem auf keine Einwände gestoßen —weder in der Parteipresse noch in Privatbriefen von Genossen noch imZentralkomitee. Das Zentralkomitee hat meinen Plan gutgeheißen, unddieser Plan bestand darin, auch im Bericht des Zentralkomitees auf demgegenwärtigen Parteitag nachdrücklich zu betonen, daß der Rückzug ein-gestellt wird, und den Parteitag zu ersuchen, die entsprechende Direktiveschon im Namen der Gesamtpartei, schon als bindend zu geben. Ein Jahrlang befanden wir uns auf dem Rückzug. W ir müssen jetzt im N amen der

Partei sagen: G enug! D as Z iel, das mit dem Rückzug verfolgt w urde, isterreicht. Diese Periode geht zu Ende oder ist zu Ende. Nun setzen wiruns ein anderes Z iel: die Kräfte umzugruppieren. W ir sind an einem neuenPunkt angelangt, den Rückzug haben wir im großen und ganzen dochverhältnismäßig geordnet durchgeführt. Allerdings hat es von verschie-denen Seiten her nicht an Stimmen gefehlt, die diesen Rückzug in einenpanikartigen verwandeln wollten. Die einen von der Seite her, daß siesagten, ihr habt den Rückzug in diesem oder jenem Teil nicht richtig durch-

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XI. Parteitag de r XPJZ.CB) 267

geführt — so zum Beispiel einige Vertreter der Gruppe, die die Bezeich-

nung „Arbeiteropposition" trug. (Ich meine, daß sie diese Bezeichnungzu Unrecht trugen.) Vor lauter Übereifer sind sie nicht in das Zimmergeraten, in das sie wollten, und haben das jetzt anschaulich enthüllt. Da-mals sahen sie nicht, daß ihre Tätigkeit nicht darauf gerichtet war, unserManöver zu korrigieren, sondern daß ihre Tätigkeit in Wirklichkeit nureinen Sinn hatte — sie verbreitete Panik, sie hinderte uns, den Rückzugdiszipliniert durchzuführen.

Ein Rückzug ist eine schwierige Sache, beso nders für Rev olution äre, dieanzugreifen gewohnt sind, besonders dann, wenn sie mehrere Jahre lang

mit größtem Erfolg anzugreifen gewohnt waren, besonders wenn sie vonRevolutionären an derer Länd er um ringt sind, die nu r davon träum en, zumAngriff überzugehen. Angesichts unseres Rückzugs brachen manche vonihnen sogar in unstattha fter, kindischer Weise in Trän en a us, wie das aufder letzten Tagung des erweiterten Exekutivkomitees der Kommunisti-schen Internationale geschah. Aus den allerbesten kommunistischen Ge-fühlen und kommunistischen Bestrebungen heraus brachen einige Ge-nossen in Tränen aus, weil die guten russischen Kommunisten, man stellesich das nur vor, den Rückzug antraten. Vielleicht fällt es mir heute schon

schwer, mich in diese westeuropäische Mentalität zu versetzen, obwohlich doch eine stattliche Anzahl von Jahren als Emigrant in diesen schönendemokratischen Ländern gelebt habe. Aber vielleicht ist das von ihremStandpunkt aus so schwer zu begreifen, daß man darüber in Tränen aus-brechen kann. Wir jedenfalls haben keine Zeit, uns mit Sentimentalitätenabzug eben. U ns wa r klar, daß es für un s, gerade w eil wir viele Jahre langso erfolgreich angegriffen und so viele ungewöhnliche Siege errungenhatten (und das alles in einem unglaublich verwüsteten Land, dem diemateriellen Voraussetzungen fehlten!), absolut notwendig war, den An-

griff zu sichern, absolut notw endig w ar, nachdem w ir soviel erob ert ha tten ,den Rückzug anzutre ten. W ir k onnten nicht alle Stellungen halten, die wirim Sturm erobert hatten, anderseits aber hatten wir nur dank dem Um-stand, d aß wir, getragen von der W og e des Enthusiasmus der Arbeiter undBauern, im Sturm unermeßlich viel erobe rt hatten , so viel Raum, d aß wiruns sehr weit zurückziehen konnten und uns auch gegenwärtig noch weitzurückziehen könn en, ohne das Wichtigste und Grund legende auch nur imgeringsten aufzugeben. Der Rückzug verlief im großen und ganzen ziem-

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268 "W . % Lenin

lieh geordnet, obwohl Panikstimmen, zu denen auch die „Arbeiteroppo-

sit ion' gehörte (nnd darum war sie so ungeheuer schädlich!), in einzelnenFällen dazu fährten, daß der oder jener abgeschnitten, die Disziplin ver-letzt und der geordnete Rückzog zerstört wurde. Das gefährlichste beieinem Rückzug ist die Panik. Wenn sich eine ganze Armee (ich sprechehier in übertragenem Sinne) zurückzieht, dann kann die Stimmung nichtso gut sein, wie wenn alle auf dem Vormarsch sind. Hier w ird man schonauf Schritt und Tritt auf eine bis zu einem gewissen Grade gedrückteStimmung stoßen. Es gab bei uns sogar Dichter, die schrieben, daß inMoskau Hunger und Kälte herrschen, „während es früher schön und sau-

ber war, blühen jetzt Handel und Schwarzmarkt". Es gibt bei uns eineganze Reihe derartiger poetischer Erzeugnisse.

Es ist begreiflich, daß das durch den Rückzug erzeugt wird. Un d darinliegt die ungeheure G efahr: Nach einem siegreichen, großartigen Angriffist der Rückzog schrecklich schwer; die Verhältnisse liegen hier ganzanders. Dort drängen und stürmen alle von selber vorw ärts, selbst wennman für die Aufrechterhaltung der Disziplin nicht sorgt Hier dagegenmuß die Disziplin bewußter sein, und sie ist hundertmal nötiger, dennwenn eine ganze Armee auf dem Rückzug ist, dann weiß sie nicht, dann

sieht sie nicht, wo sie zum Stehen kommen w ird, sie sieht nu r den Rück-zug — da genügen manchmal schon ein paar Panikstimmen, damit alle dieFlucht ergreifen. Die Gefahr ist hier ungeheuer. Wenn eine wirklicheArmee so einen Rückzug macht, stellt man Maschinengewehre auf, undwenn der geordnete Rückzug in eine regellose Flucht aasartet, komman-diert man: „Feuer!" Un d mit Recht

Wenn jemand, sei es auch von der besten Absicht geleitet, in einemAugenblick Pan ik verbreitet, wo w ir einen unerhört schwierigen Rückzugdurchführen und wo alles darauf ankommt, daß volle Ordnung gew ahrt

bleibt — in solch einem Augenblick muß die geringste Verletzung derDisziplin streng, hart, erbarmungslos bestraft w erden, und das gilt nichtnur hinsichtlich mancher unserer innerparteilichen Angelegenheiten, son-dern noch mehr trifft das auf solche Herrschaften zu wie die Menschewikioder alle die Herren aus der zweieinhalbten Internationale.

Dieser Tage las ich in Heft 20 der „Kommunistischen Internationale"einen Artikel des Gen. Räkosi über eine neue Broschüre Otto Bauers, beidem wir alle einmal gelernt haben , der aber nach dem Kriege ebenso wie

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XI. Parteitag der XPR(B) 269

Kautsky ein jämmerlicher Spießbürger geworden ist. Er schreibt jetzt:

„Sie ziehen sich also zum Kapitalismus zurück; wir haben immer gesagt:es ist eine bürgerliche Rev olution."

Sowohl die Menschewiki als auch die Sozialrevolutionäre, die allesamtsolche Dinge predigen, wundern sich, wenn wir erklären, daß wir Leute,die so etwas sagen, erschießen werden. Sie sind erstaunt, aber die Frage istdoch klar: Wenn sich eine Armee zurückzieht, so bedarf es dabei einerhundertmal stärkeren Disziplin als beim Angriff, weil beim Angriff allevorwärts stürmen. Wenn aber jetzt alle anfangen wollten, rückwärts zustürmen , so wä re das der unvermeidliche und sofortige U nterga ng.

Ge rad e in solch einem Augenblick ist es das allerwichtigste, den Rückzuggeordnet durchzuführen, die äußerste Grenze des Rückzugs genau fest-zulegen und nicht in Panik zu verfallen. U nd wen n ein Menschewik sag t:„Ihr zieht euch jetzt zurück, ich aber bin immer für den Rückzug gewesen,ich bin m it euch einverstanden, ich bin euer M an n, laß t uns den Rückzuggemeinsam machen", dann antworten wir ihm: „Wer den Menschewismusöffentlich manifestiert, den müssen unsere Revolutionsgerichte erschie-ßen lassen, sonst sind das nicht unsere, sondern wer weiß was für Ge-richte."

Sie können das durchaus nicht begreifen und sagen: „Was für Dikta-torenallüren diese Leute doch haben!" Sie glauben bis heute, daß wir dieMenschewiki verfolgen, weil sie in Genf mit uns gestritten habe n. W är enwir aber diesen Weg gegangen, so hätten wir uns wahrscheinlich nicht ein-mal zwei Mon ate an de r Macht gehalten. W ahrh aftig, die A rt von Predigt,wie sie Otto Bauer, die Führer der II. und der zweieinhalbten Internatio-nale, die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre vom Stapel lassen,spiegelt ihre eigene Natur wider: „Die Revolution ist zu weit gegangen.W as d u heute sagst, habe n wir immer gesagt. Gestattet uns , das noch ein-

mal zu wiederholen." Wir aber antworten darauf: „Gestattet uns, euchdafür an die Wand zu stellen. Entweder unterlaßt es gefälligst, eure An-sichten auszusprechen, oder aber, wenn ihr in der gegenwärtigen Lage, wowir uns in weit schwierigeren Verhältnissen befinden als bei der direktenInvasion der Weißen, eure politischen Ansichten auszusprechen wünscht,dann werden wir, entschuldigt schon, mit euch verfahren wie mit denschlimmsten und schädlichsten weißgardistischen Elementen." Das dürfenwir nicht vergessen.

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270 W.3. Lenin

Wenn ich von der Einstellung des Rückzugs spreche, so will ich damit

keineswegs sagen, daß wir schon gelernt hätten, Handel zu treiben. Um-gekehrt, ich bin der gegenteiligen Meinung, und ich wäre falsch verstan-den worden, und es' wä re bewiesen, daß ich meine G edan ken nicht richtigdarzulegen w eiß, wenn meine Rede einen solchen Eindruck hinterließe.

Aber die Sache ist die, daß mit der Nervosität und der geschäftigenH ast, die infolge der N Ö P bei uns aufgekommen sind, mit dem Bestreben,alles neuzuschafifen und anzupassen — daß damit Schluß gemacht werdenm u ß . W ir habe n heute eine An zah l von gemischten Gesellschaften. A ller-dings sind es sehr wenige. Es sind bei uns mit Beteiligung ausländischer

Kapitalisten neun vom Auße nhandelskom missariat bestätigte Gesellschaf-ten gegründet worden, die Sokolnikow-Kommission hat sechs bestätigt,und die Forstwirtschaftsverwaltung des Nordgebiets hat Verträge überzwei abgeschlossen. Augenblicklich g ibt es also siebzeh n Gesellschaften miteinem Kapital von vielen Millionen, die von verschiedenen Instanzen be-stätigt worden sind. (Natürlich herrscht bei uns auch in den Instanzenziemlich viel Wirrwarr, so daß möglicherweise etwas übersehen wordenist.) Jedenfalls aber gibt es augenblicklich bei uns Gesellschaften mit Be-teiligung russischer und ausländischer Kapitalisten. Es sind ihrer nicht

viele. Dieser kleine, aber praktische Anfang zeigt, daß die Kommunistenfür voll genommen werden, und zwar auf Grund ihrer Praxis und nichtihrer Einschätzung durch so hohe Körperschaften wie die ZKK und dasGesamtrussische ZEK. Natürlich ist die ZKK eine sehr gute Einrichtung,und wir werden ihr jetzt mehr Macht geben. Und dennoch, wenn dieseKörperschaften Kommunisten überprüfen, so — m an stelle sich das vor ! —wird ihre Autorität auf dem internationalen Markt nicht anerkannt.( H e i t e r k e i t . ) Gehen aber gewöhnliche Kapi ta li st en , ru ss is che undausländische, zusammen mit Kommunisten in eine gemischte Gesellschaft,

so sagen w ir: „W ie man 's auch nimmt, etwas bringen wir immerhin fertig,mag es noch so schlecht, mag es noch so dürftig sein, aber für den Anfanghaben wir doch schon etwas erreicht." Es ist freilich nicht allzuviel; manbedenke, schon vor einem Jahr haben wir verkündet, daß wir alle Energie(und man sagt, wir hätten viel Energie) auf diese Sache verwenden, undnach einem Jahr sind es erst siebzehn Gesellschaften!

Das zeigt, wie höllisch unbeholfen und schwerfällig wir sind, wievielOblomowtum noch in uns steckt, für das man uns noch unweigerlich

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XL Parteitag der XPRCB) 271

prügeln w ird. Aber imm erhin, ich wiederhole, der Anfang ist gemacht, das

Gelände erkundet. D ie Kapitalisten wären nicht zu uns gekommen, wennnicht die elementaren Bedingungen für ihre Tätigkeit vorhanden wären.Wenn aber auch nur ein geringfügiger Teil von ihnen gekommen ist, sozeigt das doch, daß wir einen Teilsieg errungen haben.

Gewiß, sie werden uns innerhalb dieser Gesellschaften noch übers Ohrhauen, so übers O hr hauen, daß man dann Jahre brauchen wird, um insklare zu kommen. Aber das macht nichts. Ich sage nicht, daß das ein Siegist — es ist eine Erkundung, die zeigt, daß wir schon ein Tätigkeitsfeldhaben, ein Stück Gelände haben und daß wir den Rückzug schon ein-

stellen können.Die Erkundung h at eine minimale Zahl von V erträgen m it Kapitalisten

gebracht, aber immerhin, sie sind abgeschlossen. Daraus muß man lernenund in dieser Richtung weiter tätig sein. In diesem Sinne ist es Zeit, Schlußzu machen mit der Nervosität, dem Geschrei, der geschäftigen Hast. EinSchriftstück jagt das andere, ein Fernspruch den anderen: „Kann man unsnicht auch reorganisieren, da wir nun doch die NÖ P haben?" A lle rennengeschäftig durcheinander, es geht drunter und drüber; praktische Arbeitleistet keiner, aber alle diskutieren, wie man sich der NÖP anpassen

könn e, und es kommt nichts dabei heraus .Die Geschäftsleute aber lachen über die Kommunisten und sagen wahr-

scheinlich: „Früher hat es Oberstimmungsmacher56 gegeben, jetzt gibt esObergeredemacher." Daß die Kapitalisten sich über uns lustig gemachthaben, weil wir uns ve rspätet, weil wir die Zeit verschlafen haben — dar-über besteht nicht der geringste Zweifel, und in diesem Sinne sage ich,daß man diese Direktive auch im Namen des Parteitags bestätigen muß.

Der Rückzug ist beendet. Die wichtigsten Methoden, nach denen manmit den Kapitalisten zu arbeiten hat, sind festgelegt. Muster sind vorhan-

den, wenn auch in verschwindend geringer Anzahl.Hört auf zu klugem, über die NÖP zu reden; Verse sollen die Dichter

machen, dazu sind sie ja Dichter. Ihr Wirtschaftler aber sollt über dieN Ö P nicht reden, sondern die Zahl dieser Gesellschaften vergrößern , dieZah l der Kommunisten überprüfen, die es verstehen, den W ettbew erb mitden Kapitalisten in Gang zu bringen.

Der Rückzug ist beendet, jetzt geht es um die Umgruppierung derKräfte. Das ist die Direktive, die der Parteitag ausgeben muß, die dem

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272 TV.1. Centn

Durcheinander, dem Wirrwarr ein Ende setzen maß. Beruhigt euch,

ldügelt nicht, das wird man euch als Minus ankreiden. Du mußt praktischbeweisen, daß du nicht schlechter arbeitest als die Kapitalisten. Die Kapi-talisten stellen den ökonomischen Zusammenschluß mit der Bauernschafther, um sich zu bereichern; du aber m ußt den Zusammenschluß m it derbäuerlichen Wirtschaft herstellen, um die ökonomische Macht unseresproletarischen Staates zu stärken. Du hast das Obergewicht gegenüber denKapitalisten, weil die Staatsmacht in deinen Händen ist, weil du über eineganze Reihe ökonomischer Mittel verfügst, du verstehst sie nur nicht zunutzen,- betrachte die Dinge nüchterner, lege den Flitter, das kommu-

nistische Festgewand ab, lerne ganz einfach eine einfache Sache, und dannwerden wir den Privatkapitalisten schlagen. Wir haben die Staatsmacht,wir verfügen über eine Menge ökonomischer Mitte l; wenn wir den Kapi-talismus schlagen und den Zusammenschluß mit der bäuerlichen Wirt-schaft herstellen, dann werden wir eine absolut unbesiegbare Kraft sein.Und dann wird der Aufbau des Sozialismus nicht Sache des Tropfens imMeere sein, der sich Kommunistische Partei nennt, sondern Sache derganzen werktätigen Masse,- dann wird der einfache Bauer sehen, daßwir ihm helfen, und dann wird er uns folgen, so daß dieser Vormarsch

zwar hundertmal langsamer, dafür aber millionenmal fester und sichererwird.

In diesem Sinne also muß man von der Einstellung des Rückzugssprechen, und es wäre richtig, diese Losung — in der einen oder anderenForm — in einen Parteitagsbeschluß zu verwandeln.

Ich möchte im Zusammenhang damit die Frage berüh ren, wie die Neueökonomische Politik der Bolsdiewiki zu bew erten ist—als Evolution oderTaktik? So ist die Frage von den „Smena-Wech"-Leuten gestellt worden,die, wie Sie wissen, eine Strömung vertreten, die unter den russischen

Emigranten Fuß gefaßt hat, eine gesellschaftlich-politische Strömung, anderen Spitze angesehene kadettische Politiker, einige Minister der ehe-maligen Koltschakregierung, stehen — Leute, die zu der dberzeugung ge-kommen sind, daß die Sowjetmacht den russischen Staat aufbaut und daßman deshalb für sie sein müsse. „Was für einen Staat aber baut dieseSowjetmacht auf? Die Kommunisten sagen, einen kommunistischen Staat,und versichern, die NÖP sei Taktik: Die Bolschewiki würden in dergegenwärtigen schwierigen Lage die Privatkapitalisten schonen, sich dann

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XI.?arteHagderJa>JtCB)

aber durchsetzen. Die Bolsdhewild können sagen, was ihnen beliebt, abe r

in Wirklichkeit ist das keine Taktik, sondern eine Evolution, eine innereW andlung, sie werden zum gewöhnlichen bürgerlichen Staat kommen, undwir müssen sie unterstützen. Die Geschichte geht verschiedene Wege" —so nrteilen die „Smena-Wech"-Leute.

Manche von ihnen spielen sich als Kommunisten auf, es gibt aber auchoffenherzigere Leute, unter ihnen Ustrjalow. Ich glaube, er war Ministerun ter Koltschak. Er ist mit seinen Freunden nicht einverstanden und sagt:„Ihr mögt es mit dem Kommunismus halten, wie ihr wollt, ich aber be-haupte, das ist bei ihnen keine Taktik, sondern eine Evolution." Ich glaube,

dieser Ustrjalow bringt uns mit seiner offenherzigen Erklärung großenNutzen. Wir bekommen — besonders ich von Amts wegen — sehr vielsüßliches kommunistisches Geflunker zu hören , Tag für Tag, und manch-mal wird einem ganz fürchterlich übel davon. Und da kommt nun an Stelledieses kommunistischen Geflunkers eine Nummer der „Smena Wech" undsagt geradeheraus: „Das ist bei euch gar nicht so, das bildet ihr euch nurein, in Wirklichkeit aber werdet ihr in dem gewöhnlichen bürgerlichenSumpf landen, und dort werden kommunistische Fähnchen mit allen mög-lichen Schlagworten darauf hängen." Das ist sehr nützlich, weil wir darin

schon kein bloßes Nachbeten dessen sehen, was w ir ständig rings um unshören, sondern einfach die Klassenwahrheit des Klassenfeindes. Es ist sehrnützlich, sich solche Dinge anzusehen, die nicht geschrieben werden, weiles im kommunistischen Staat üblich ist, so zu schreiben, oder verboten ist,anders zu schreiben, sondern weil das wirklich eine Klassenwahrheit ist,grob und offen ausgesprochen vom Klassenfeind. „Ich bin für Unter-stützung der Sowjetmacht in Rußland", sagt Ustrjalow, obwohl er Kadett,Bourgeois war und die Intervention unterstützt hat, „ich bin für dieUnterstützung der Sowjetmacht, weil sie den Weg beschritten hat, anf

dem sie bei der gewöhnlichen bürgerlichen Staatsmacht la ndet"Das ist eine sehr nützliche Sache, die man, wie mir scheint, im Auge

behalten muß; und es ist viel besser für uns, wenn die „Smena-Wedi"-Leute so schreiben, als wenn sich einige von ihnen fast als Kommunistenaufspielen, so daß man von weitem kaum noch unterscheiden kann, ob siean Gott glauben oder an die kommunistische Revolution. Solche offen-herzigen Feinde sind nützlich, das muß man frei heraus sagen. DerleiDinge, von denen Ustrjalow spricht, sind möglich, das muß man offen

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274 W.3. Lenin

aussprechen. Die Geschichte kennt alle möglichen Sorten von Metamor-

phosen; sich auf Oberzeugungstreue, Ergebenheit und sonstige prächtigeseelische Eigenschaften verlassen — das sollte man in der Politik ganz undgar nicht ernst nehmen. Prächtige seelische Eigenschaften besitzt einekleine Zahl von Menschen, den historischen Ausgang dagegen entscheidengigantische Massen, die mit dieser kleinen Zahl von Menschen, wenn sieihnen nicht passen,, manchmal nicht allzu höf lieh um springen.

Dafür hat es viele Beispiele gegeben, und darum muß man diese offen-herzige Erklärung der „Smena-Wech"-Leute begrüßen. Der Feind sprichtdie Klassenwahrheit aus und weist damit auf die Gefahr hin, vor der wir

stehen. Der Feind strebt danach, daß das unvermeidlich werde. Die„Smena-Wech" -Leute bringen die Stimmung von Tausenden und Zehn-tausenden aller möglichen Bourgeois oder Sowjetangestellten, die unsereNeue ökonomische Politik mitmachen, zum Ausdruck. Das ist die grund-legende und wirkliche Gefahr. Und darum muß man dieser Frage dasHauptaugenmerk zuwenden: In der Tat, wer wird die Oberhand gewin-nen ? Ich sprach vom Wettkampf. Ein direkter Ansturm gegen uns findetnicht statt, man packt uns nicht an der Gurgel. Was morgen sein wird, daswerden w ir noch sehen, aber heute greift man uns nicht mit der Waffe in

der Hand an, und nichtsdestoweniger ist der Kampf gegen die kapita-listische Gesellschaft hundertmal erbitterter und gefährlicher geworden,weil wir nicht immer klar sehen, wo wir einem Feind gegenüberstehen undwer unser Freund ist.

Ich sprach vom kommunistischen Wettbewerb nicht vom Standpunktder komm unistischen Sym pathien, sondern vom Standpunkt der Entwick-lung der Formen der Wirtschaft und der Formen der Gesellschaftsstruk-tur. Das ist kein Wettbewerb, das ist ein erbitterter, wütender Kampf,wenn nicht das letzte, so doch fast das letzte Gefecht auf Leben und Tod

zwischen Kapitalismus und Kommunismus.Und da muß klar die Frage gestellt werden — worin besteht unsere

Stärke und woran mangelt es uns? Politische Macht haben wir vollaufzur Genüge. Es dürfte sich hier schwerlich jemand finden, der behauptenwollte, daß die Kommunisten, die Kommunistische Partei, nicht genugMacht besäßen, um eine bestimmte praktische Frage zu lösen, sich ineinem bestimmten Geschäftsbereich durchzusetzen. Die entscheidendeökonomische Macht ist in unseren Händen. Alle ausschlaggebenden Groß-

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XL Parteitag der 3<PR(B) 275

betriebe, die Eisenbahnen u sw. — sie alle sind in unseren H änd en. Die

Pacht, so stark sie stellenweise auch entwickelt sein mag, spielt im allge-meinen eine höchst untergeord nete Rolle, das ist im allgemeinen ein ga nzverschwindend kleiner Bruchteil. Die ökonomische Macht, die der prole-tarische Staat Rußlands in Händen hat, genügt vollauf, um den Übergangzum Kommunismus zu sichern. Woran also mangelt es? Es liegt klar aufder Hand, woran es mangelt: Es mangelt der Schicht von Kommunisten,die leitende Funktionen in der Verwaltung ausüben, an Kultur. Mannehme doch Moskau — die 4700 verantwortlichen Kommunisten — unddazu dieses bürokratische Ungetüm, diesen Haufen, wer leitet da und

wer wird geleitet? Ich bezweifle sehr, ob man sagen könnte, daß dieKommunisten diesen Haufen leiten. Um die Wahrheit zu sagen, nichtsie leiten, sondern sie werden geleitet. Hier ist etwas geschehen, das demgleicht, wovon man uns als Kindern in der Geschichtsstunde erzählt hat.M an ha t uns gelehrt: Es kom mt vor, daß ein Volk ein anderes unterw irft,und dann ist dieses Volk, das ein anderes unterworfen hat, das Eroberer-volk, das andere aber, das unterworfen wurde, ist das besiegte Volk. Dasist sehr einfach und jedem verständlich. Wie steht es aber mit der Kulturdieser Völker? Da ist es nicht so einfach. Wenn das Eroberervolk eine

höh ere Ku ltur hat als das besiegte Volk, dan n zwingt es ihm seine Kultu rauf, ist es aber umgekehrt, dann kommt es vor, daß das besiegte Volkseine Kultur dem Eroberer aufzwingt. Ist nicht etwas Ähnliches in derHauptstadt der RSFSR geschehen, ist hier nicht der Fall eingetreten, daß4700 Kommunisten (fast eine ganze Division, und allesamt die besten)einer fremden Kultur unterlegen sind? Allerdings könnte hier der falscheEindruck entstehen, daß die Besiegten eine hohe Kultur besitzen. Nichtsdergleichen. Ihre Kultur ist armselig, ist sehr niedrig, aber dennoch stehtsie hö her als die unsrig e. So jämmerlich, so arm selig sie sein ma g, sie steht

dennoch höh er als die unserer verantwortlichen kom munistischen Funktio-näre , weil diese die Kunst der Verwaltung nicht genügend beherrschen.Die K omm unisten, die an die Spitze von Institutionen treten — un dmanchmal werden sie absichtlich von Saboteuren, die sich ein Aushänge-schild verschaffen wollen, geschickt vorgeschoben —, erweisen sich häufigals die übertölpelten. Dieses Eingeständnis ist sehr unangenehm. Oderzumindest nicht sehr angenehm, aber mir scheint, daß man es machenm u ß , denn das ist jetzt der Kern der Frage. Darauf läuft meines Erad itens

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276 1V.J. Lenin

die politische Lehre dieses Jahres hinaus, und in diesem Zeichen wird der

Kampf im Jahr 1922 verlaufen.W erden die verantwortlichen Kommunisten der RSFSR und der KPR

begreifen können, daß sie die Kunst der Verwaltung nicht beherrschen?Daß sie sich einbilden zu leiten, während sie in W irklichkeit geleitet wer-den? Wenn sie das begreifen können, werden sie die Sache natürlicherlernen, weil man das erlernen kamt, aber dazu muß m an lernen, und beiuns will man nicht lernen. Bei uns wirft man nach rechts und links mitBefehlen und D ekreten herum, und dabei kommt ganz und gar nicht dasheraus, was man will.

Der Wettbewerb und der Wettkampf, den wir auf die Tagesordnunggesetzt haben, als wir die N Ö P proklamierten, das ist ein ernster W ett-bewerb. Es scheint, daß er in allen staatlichen Institutionen veranstaltetwird , aber in W irklichkeit ist das eine weitere Form des Kampfes zweierKlassen, die einander unversöhnlich feindlich gegenüberstehen. Das isteine weitere Form des Kampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat, dasist ein Kampf, der noch nicht ausgetragen ist und der selbst in den zen-tralen Institutionen Moskaus in kultureller Hinsicht noch nicht überholtist Denn oft verstehen die bürgerlichen Fachleute die Sache besser als

unsere besten Kommunisten, die alle Macht, alle Möglichkeiten haben unddie mit ihren Rechten und ihrer Macht keinen einzigen Schritt zu machenverstehen.

Ich möchte aus einem Buch von Alexander Todorski ein Zitat anfuhren.Das Buch ist in der Stadt Wesjegonsk erschienen (es gibt eine Kreisstadtdieses Namens im Gouvernement Twer), und zwar zum ersten Jahrestagder Sowjetrevolution in Rußland, am 7. November 1918, also in längstentschwundenen Zeiten. Dieser Wesjegonsker Genosse ist offenbar Par-teimitglied. Ich habe dieses Buch vor langem gelesen und bürge nicht da-

für, daß mir diesbezüglich kein Irrtum unterläuft Er spricht davon, wieer die Einrichtung zweier Sowjetbetriebe in Angriff genommen, wie erzwei Bourgeois herangezogen und das auf die damalige Art und Weisegetan hat: unter Androhung des Freiheitsentzugs und der Konfiskationdes gesamten Vermögens. Sie wurden herangezogen, um den Betrieb wie-der in Gang zu bringen. W ir wissen, wie man 1918 die Bourgeoisie heran-zuziehen pflegte ( H e i t e r k e i t ) , so daß es nicht lohnt, darauf nähereinzugehen; jetzt ziehen wir sie mit anderen M ethoden heran. Aber nun

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XI. Parteitag der XPR(B) 277

seine Schlußfolgerung: „Damit ist die Sache erst halb getan — es genfigt

nicht, die Bourgeoisie zu besiegen, ihr den Rest zu geben, man muß siezwingen, für uns zu arbeiten."

Da s sind ausgezeichnete W ort e. A usgezeichnete W or te , die zeigen, d aßsogar in der Stadt Wesjegonsk, sogar im Jahre 1918 eine richtige Auf-fassung von den Beziehungen zwischen dem siegreichen Proletariat undder besiegten Bourgeoisie vorhanden war.

Damit ist die Sache erst halb getan, wenn wir dem Ausbeuter auf dieFinger klopfen, ihn unschädlich machen und ihm den Rest geben. Aber inMoskau bilden sich 90 von 100 unserer verantwortlichen Funktionäre ein,

daß damit alles getan sei, d. h. damit, daß man ihnen den Rest gibt, sieunschädlich macht, ihnen auf die Finger klopft. W as ich üb er die Me nsche-wiki, die Sozialrevolutionäre, die Weißgardisten gesagt habe, all diesführt häufig dazu, sie unschädlich zu machen, ihnen auf die Finger zuklopfen (vielleicht nicht nur auf die Finger, vielleicht auch auf eine andereStelle) und den Rest zu geben. Aber damit ist die Sache doch erst halbgetan. Sogar im Jahre 1918, als das von dem Wesjegonsker Genossengesagt wurde, war damit die Sache nur halb getan, heute aber ist damitsogar weniger als ein Viertel getan. Wir müssen sie zwingen und so vor-gehen, daß sie mit ihren Händen für uns arbeiten, nicht aber so, daß dieverantwortlichen Kommunisten an der Spitze stehen, Amter und Würdenhaben und im Fahrwasser der Bourgeoisie segeln. Das ist der springendePunkt.

Die kommunistische Gesellschaft mit den Händen der Kommunistenaufbauen zu wollen ist eine kindische, eine ganz kindische Idee. DieKommunisten sind ein Tropfen im Meer, ein Tropfen im Volksmeer. Siewerden nu r dann imstande sein, das Volk auf ihren W eg zu führen, wennsie den Weg nicht nur im Sinne der weltgeschichtlichen Richtung richtigbestimmen. In diesem Sinne haben wir unseren Weg absolut richtig be-stimmt, und jeder Staat bringt die Bestätigung dafür, daß wir ihn richtigbestimmt haben, aber auch in unserer Heimat, in unserem Lande müssenwir diesen Weg richtig bestimmen. Er wird nicht nur dadurch bestimmt,sondern auch dadurch, daß es keine Intervention geben wird, und da-durch, daß wir es verstehen, dem Bauern für Getreide Ware zu liefern.Der Bauer wird sagen: „Du bist ein prachtvoller Mensch, du hast unsereHeimat verteidigt; wir haben dafür auf dich gehört, aber wenn du nicht

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278 rW. 1 . Lenin

zu wirtschaften verstehst, dann scher dich davon!" Jawohl, das wird der

Bauer sagen.Die Wirtschaft w erden wir dann leiten können, wenn die Kommanisten

es verstehen werden, diese Wirtschaft mit fremden Händen aufzubauen,selber aber von dieser Bourgeoisie lernen und sie auf den Weg lenkenwerden, den die Kommunisten wollen. Wenn sich der Kommunist abereinbildet, er wisse alles, denn er sei ja ein verantwortlicher Kommunist,und sich sagt: Ich habe schon ganz andere Leute besiegt als einen her-gelaufenen Handlungsgehilfen, wir haben die Gegner an den Fronten ge-schlagen, und was für Gegner — wenn eine solche Stimmung vorherrscht,

so ist das unser V erderb.Es ist der unwichtigste Teil dessen, was wir zu tun haben, wenn wir

den Ausbeuter unschädlich machen, ihm auf die Finger klopfen und ihnzurechtstutzen. Das muß m an tun . U nd unsere Staatliche Politische Ver-waltung und unsere Gerichte sollen das nicht so schlapp machen wie bis-her, sondern daran denken, daß sie proletarische Gerichte sind, von einerWelt von Feinden umringt. Das ist nicht schwierig, das haben wir imwesentlichen gelernt. Hier muß ein gewisser Druck ausgeübt werden, dochdas ist leicht.

Der zweite Teil des Sieges aber besteht darin, mit nichtkommunistischenHänden den Kommunismus aufzubauen, es zu verstehen, praktisch das zutun, was ökonomisch getan werden muß, nämlich den Zusammenschlußmit der bäuerlichen Wirtschaft zu finden, die Bauern zufriedenzustellen,damit der Bauer sagt: „Mag der Hunger noch so schwer, noch so drük-kend, noch so qualvoll sein, aber ich sehe, daß die Staatsmacht, obwohlsie ungewohnt, obwohl sie ungewöhnlich ist, doch einen praktischen, realspürbaren Nutzen bringt." Man muß erreichen, daß die zahlreichen, unsum ein vielfaches übertreffenden Elemente, mit denen wir zusammen-

arbeiten, so arbeiten, daß wir ihre Arbeit beobachten können, daß wirdiese Arbeit begreifen, daß mit ihren Händen etwas für den Kommunis-mus Nützliches getan wird. Das ist der Angelpunkt der gegenwärtigenLage, denn wenn einzelne Kommunisten das auch verstanden und ge-sehen haben, so ist doch in der breiten M asse unserer Partei diese Einsichtin die Notwendigkeit, die Parteilosen zur Arbeit heranzuziehen, nicht vor-handen. Wieviel Rundschreiben wurden darüber verfaßt, wieviel wurdegeredet, aber ist im Laufe eines Jahres etwas geleistet worden? Nichts.

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XI. Parteitag der XPJiCB) 279

Von hundert Komitees unserer Partei werden nicht einmal fünf ihre prak-

tischen Ergebnisse vorweisen können. So weit sind w ir hinter dem Erfor-dernis zurückgeblieben, das jetzt auf der Tagesordnung steht, so sehrleben wir in den Traditionen der Jahre 1918 und 1919. Das w aren großeJahre, und es wurde ein gewaltiges weltgeschichtliches Werk vollbracht.Richtete man aber den Blick nur zurück auf diese Jahre und sähe nicht,welche Aufgabe jetzt auf der Tagesordnung steht, so wäre das der Un ter-gang, der sichere, absolute Untergang, und der springende Punkt ist eben,daß wir das nicht erkennen wollen.

Ich möchte nun zwei praktische Beispiele anführen, um zu zeigen, was

bei unserer Verwaltungstätigkeit herauskommt. Ich habe schon gesagt,daß es richtiger wäre, dafür einen unserer Staatstrusts zu nehmen. Ichmuß um Entschuldigung bitten, daß ich diesen richtigen Weg nicht ein-schlagen kann , weil dazu erforderlich gewesen wäre , die Unterlagen überwenigstens einen Staatstrust ganz konkret zu studieren, aber ich hatteleider keine Möglichkeit, dieses Studium vorzunehmen, und darum nehmeich zwei kleinere Beispiele. Das eine Beispiel: Die Moskauer Konsum-genossenschaft hat das Volkskommissariat für Außenhandel des Büro-kratismus bezichtigt; das zweite Beispiel betrifft das Donezbecken.

Das erste Beispiel ist wenig geeignet, aber ich habe keine M öglichkeit,ein besseres zu wählen. Den Grundgedanken kann ich auch an diesemBeispiel illustrieren. In den letzten Monaten war es mir, wie Sie aus denZeitungen wissen, nicht möglich, mich mit den Dingen unm ittelbar zu be-schäftigen, ich arbeitete nicht im R at der Volkskommissare und war auchnicht im Z K. Bei den ku rzen und seltenen Besuchen in Moskau  fielen mirdie verzweifelten und schrecklichen Klagen über das Außenhandelskom-missariat auf. Daß das Außenhandelskommissariat schlecht arbeitet, daßdo rt Bürokratismus herrscht, habe ich niemals auch nur einen Augenblick

bezweifelt. Als aber die Klagen besonders heftig wurden, versuchte ichdahinterzukomm en — ich wollte einen konkreten Fall herausgreifen,wenigstens einmal der Sache auf den Grund gehen und klären, wie esdort zugeht, warum diese Maschine nicht läuft.

Die Moskauer Konsumgenossenschaft mußte Konserven Kamen. Zudiesem Zweck tauchte ein französischer Staatsbürger auf. Ich weiß nicht,ob er das im Interesse der internationalen Politik und mit Wissen derführenden Männer der Entente oder mit Billigung Poincares und anderer

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280 IV. 1 Lenin

Feinde der Sowjetmacht tat (ich denke, unsere Historiker werden darüber

nach der Konferenz von Genua Klarheit schaffen), aber Tatsache ist, daßdie französische Bourgeoisie nicht nur theoretisch, sondern auch praktischdaran mitwirkte, da ein Vertreter der französischen Bourgeoisie in Mos-kau auftauchte und Konserven verkaufte. Moskau hungert, im Sommerwird es noch mehr hungern, Fleisch hat man nicht herangeschafft undwird auch — dank all den bekann ten E igenschaften unseres Volkskom-missariats für Verkehrswesen — sicherlich keiaes heranschaffen.

Die Fleischkonserven (natürlich wenn sie nicht ganz verdorben sind —das wird erst eine künftige Untersuchung zeigen) werden gegen Sowjet-

geld verkauft. Was kann einfacher sein? Indes stellt sich heraus, wennma n es sich auf Sowjetart un d gründlich üb erlegt, so ist das d urcha us nichteinfach. Ich hatte nicht die Möglichkeit, die Angelegenheit unmittelbar zuverfolgen, ließ aber eine Untersuchung vornehmen und besitze jetzt einHeft, in dem dargelegt ist, wie sich diese berühmte Geschichte abgespielthat. Sie begann damit, daß am 11. Februar auf Grund eines Berichts desGen. Kamenew ein Beschluß des Politbüros des ZK der KPR zustandekam, der es als erwünscht bezeichnete, Lebensmittel im Ausland ein-zukaufen; natürlich, wie könnten denn russische Staatsbürger ohne das

Politbüro des ZK der KPR eine solche Frage entscheiden! Man stelle sichvor: Wie hätten denn 4700 verantwortliche Funktionäre (das sind nur dieregistrierten) ohne das Politbüro des ZK über den Einkauf von Lebens-mitteln im Ausland entscheiden kön nen ? Diese Vorstellung gehört selbst-verständlich ins Reich des Übernatürlichen. Gen. Kamenew kennt offen-sichtlich unsere Politik und die W irklichkeit ausgezeichnet un d verließ sichdeshalb nicht allzusehr auf die große Zahl verantwortlicher Funktionäre,sondern packte sogleich den Stier bei den Hörnern, und wenn nicht denStier, so jedenfalls das Politb üro , das o hne weiteres (ich ha be nicht geh ört,

daß es darüber eine Debatte gegeben hätte) eine Resolution faßte: „DasVolkskommissariat für Außenhandel wird darauf aufmerksam gemacht,da ß die Einfuhr von L ebensmitteln aus dem Ausland erwünscht ist, wobeidie Zölle" usw. Das Volkskommissariat für Außenhandel ist also auf-merksam gemacht. Die Sache beginnt in Gang zu kommen. Das war am11. Februar. Ich erinnere mich, daß ich in den letzten Februartagen oderungefähr um diese Zeit in Moskau war, und worauf ich als erstes stieß,das waren Klagerufe, geradezu verzweifelte Klagerufe der Moskauer Ge-

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XI.PartätagderXPRCB) 281

nossen. W as ist los? W ir k önnen nnd können keine Lebensmittel kaufen.

Warum nicht? Bürokrat ismus im Anßenhandelskommissar iat . Ich hat telange nicht mehr an der laufenden Arbeit te i lgenommen und wußte da-mals nicht, da ß es darübe r einen Beschluß des Po litbüros gibt, daher sagteich nur zum Leiter der Geschäftsstelle: Nachprüfen, Unterlagen beschaf-

fen und mir zeigen. Und die Sache endete damit, daß Kamenew mitKrassin nach dessen Ankunft darüber sprach, die Sache wurde geregelt,un d wir kauften d ie Konse rven. Ende gut, alles gut.

D aß K amenew u nd Krassin sich miteinander verständigen und die vomPolitbüro des ZK der KPR geforderte politische Linie richtig festlegen

können , daran habe ich nicht den ger ingsten Zw eifel . W ürd en Kamenewun d Krassin übe r die politische Linie auch in Hande lsfragen entscheiden,so hätten w ir die beste aller Sowjetrepubliken der W el t, aber es geht dochnicht an, daß man bei jedem Geschäftsabschluß das Mitglied des Polit-büros Kamenew und Krassin herbeizerr t — letzterer war mit den diplo-matischen Angelegenheiten vor Genua beschäftigt, mit Angelegenheiten,die eine ungeheure, kräftezehrende Arbeit erheischten —, daß man dieseGenossen herbeizerrt, um bei einem französischen Staatsbürger Konser-ven zu kaufen. So kann man nicht arbeiten. Das ist keine neue, keine

ökonomische und überhaupt keine Politik, sondern einfach ein Hohn.Jetzt liegen m ir die Untersuchung sergebnisse in dieser Sache vor. Es liegenmir sogar die Ergebnisse zweier Untersuchungen vor: Die eine wurdevom Leiter der Geschäftsstelle des Rats der Volkskommissare Gorbunowun d seinem Stellvertreter Miroschnikow durchgeführt, die and ere von derStaatlichen Politischen Verwaltung. Weshalb sich eigentlich die StaatlichePolitische Verw altung für diese Sache interessiert ha t, weiß ich nicht, un dich bin nicht fest d avon ü berz eugt, d aß das richtig ist, doch will ich d araufnicht weher eingehen, weil ich befürchte, es könnte eine neue Unter-

suchung nötig we rden. Wichtig ist nu r , daß das M ater ial zusammengetra-gen wor den ist und sich, jetzt in meinen H än de n befindet.

Wie kam es, daß mir , a ls ich Ende Februar nach Moskau kam, einwahres Wehgeschrei entgegentönte: „Wir können die Konserven nichtkaufen" — wo doch der Dampfer in I ibau l iegt und die Konserven dortlagern und man sogar Sowjetgeld für wirkliche Konserven annehmenwi l l! ( H e i t e r k e i t . ) W en n sich d ie se Ko n se rv en n icht a ls v öllig v e r-dorben erweisen (und ich betone jetzt „wenn", weil ich nicht ganz sicher

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282 IV.I.Lenin

bin, ob ich dann nicht eine zweite Untersuchung anordnen werde über

deren Ergebnisse freilich schon auf einem anderen Parteitag zu berichtensein wird), wenn sich also die Konserven nicht als verdorben erweisen— gekauft sind sie —, so frage ich: W ora n liegt es, daß eine solche Sacheohne Kamenew und Krassin nicht vom Fleck kommen konnte? Aus demUntersuchungsmaterial, das mir vorliegt, ersehe ich, daß der eine verant-wortliche Kommunist den anderen verantwortlichen Kommunisten zumTeufel geschickt hat. Aus demselben Untersuchungsmaterial ersehe ich,daß der eine verantwortliche Kommunist zu dem anderen verantwort-lichen Kommunisten gesagt hat: „Künftig werde ich mit Ihnen ohne einen

Notar überhaupt nicht sprechen." Als ich diese Geschichte durchgelesenhatte , erinnerte ich mich, wie ich vor 25 Jahren, als ich in der Verbannungin Sibirien war, als Rechtsberater fungieren mußte. Ich war ein illegalerRechtsanwalt, weil ich administrativ verschickt war, und so etwas warverboten; da es aber andere nicht gab, so kamen die Leute zu mir und er-zählten von manchen Dingen. Aber das schwierigste dabei war, heraus-zufinden, worum es sich handelte. Kommt da eine Frau und beginnt natür-lich von der Verwandtschaft zu erzählen, und es kostete ungeheure Mühe,herauszukriegen, um was es sich handelte. Ich sage: „Bring eine Ab-

schrift." Sie erzählt von einer weißen Kuh. Sagst du ihr: „Bring eine Ab-schrift" , so geht sie fort und sagt: „Ohne Abschrift will er von der weißenKuh nichts hören." Wir haben in unserer Kolonie über diese Abschriftherzlich gelacht. Aber einen kleinen Fortschritt habe ich doch durchsetzenkönnen: Wenn sie zu mir kamen, brachten sie eine Abschrift mit, undman konnte feststellen, worum es sich handelte, worüber sie sich be-schwerten und wo sie der Schuh drückte. Das war vor 25 Jahren inSibirien (an einem Ort, von wo es viele hundert Werst bis zur nächstenBahnstation waren).

Aber warum brauchte man nach drei Jahren Revolution in der Haupt-stadt der Sowjetrepublik zwei Untersuchungen, das Eingreifen Kamenewsund Krassins und Direktiven des Politbüros, um Konserven zu kaufen?Woran mangelte es? An politischer Macht? Nein. Auch Geld fand sich,so daß sowohl die ökonomische als auch die politische Macht vorhandenwaren. Alle Institutionen w aren zur Stelle. W oran mangelte es? A n Kulturbei 99 Prozent der Mitarbeiter der Moskauer Konsumgenossenschaft,gegen die ich nichts habe und die ich für ausgezeichnete Kommunisten

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Xl.Parleitag der XJ>R(B) 283

halte, und der M itarbeiter des Außenhandelskommissariats — sie konnten

nicht kultiviert an die Sache herangehen.Als ich zum erstenmal davon hörte, machte ich dem ZK schriftlich denVorschlag: Meiner Meinung nach soll man alle — außer den Mitgliederndes Gesamtrussischen ZEK, die bekanntlich Immunität genießen —, alleaus den Moskauer Institutionen außer den Mitgliedern des Gesamtrussi-schen ZEK auf 6 Stunden, und aus dem Außenhandelskommissariat auf36 Stunden in das schlechteste Moskauer Gefängnis stecken. Und nunhat sich herausgestellt, daß der Schuldige nicht gefunden worden ist.( H e i t e r k e i t . ) In der Tat, aus dem, was ich erzählt habe, ist ganz

offensichtlich, daß der Schuldige nicht gefunden werden kann. Es ist ein-fach die gewöhnliche Unfähigkeit des russischen Intellektuellen, eine Sachepraktisch anzufassen — Begriffsstutzigkeit und Schlamperei. Erst mischtman sich ein und tut etwas, dann überlegt man, und wenn bei den Leutennichts herauskommt, rennen sie zu Kamenew, um sich zu beklagen, undbringen die Sache vors Politbüro. Gewiß, vors Politbüro müssen alleschwierigen Staatsfragen gebracht werden — darauf werde ich noch zusprechen komm en —, aber man soll zuerst überlegen und dann erst han-deln. Trittst du auf, dann bemühe dich gefälligst, mit Dokumenten auf-

zutreten. Zuerst schicke ein Telegramm, es gibt auch noch Telefone inMoskau, rufe die entsprechenden Institutionen an, übergib Zjurupa eineKopie, sage: Ich halte das Geschäft für eilig und werde die Leute wegenVerschleppung belangen, über diese elementare Kultur muß man nach-denken und an die Sache mit Überlegung herangehen; läßt sich die Sachenicht sofort, in zwei M inuten, durch einen Anruf erledigen, so nimm dieDokumente, rüste dich mit ihnen aus und sage: „Wenn du den Amts-schimmel reitest, bringe ich dich ins Gefängnis." Aber nein, keine Spurvon Überlegung, keine Vorbereitung; die übliche Geschäftigkeit, mehrere

Kommissionen, alle sind müde, abgehetzt, krank, und die Sache kommterst dann vom Fleck, wenn man Kamenew mit Krassin zusammenbringenkann . Das ist typisch. Und nicht etwa nur in der H auptstadt Moskau be-obachten wir das, sondern auch in anderen H auptstädten, in den Haupt-städten aller unabhängigen Republiken und einzelnen Gebiete, und inkleineren Städten kommen solche Dinge ständig vor und sogar noch hun-dertmal schlimmere.

In unserem Kampf darf man nicht vergessen, daß den Kommunisten

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284 'W.I.Lenin

Überlegung not tot. Sie werden Ihnen ausgezeichnet vom revolutionären

Kampf, vom Stand des revolutionären Kampfes in der ganzen Welterzählen. Um aber aus der verzweifelten Not und Armut herauszukom-men, dazu braucht man Überlegung, Kultur und Ordnungssinn — daranfehlt es ihnen. Wollte man den verantwortlichen Kommunisten vorwerfen,daß sie an die Sache nicht gewissenhaft herangehen, so w äre das falsch. Inihrer gewaltigen Mehrheit — zu 99 Prozent — sind sie nicht nu r gewissen-haft, sondern haben auch ihre Ergebenheit für die Revolution unter denschwierigsten Verhältnissen sowohl vor dem Sturz des Zarismus als auchnach der Revolution unter Beweis gestellt und buchstäblich ihr Leben ein-

gesetzt. Die Ursachen darin suchen zu wollen wäre grundfalsch. Was nottut, ist ein kultiviertes Herangehen an die einfachste Staatsangelegenheil:,ist die Einsicht, daß das eine staatliche, eine geschäftliche Angelegenheitist; wenn es Hindernisse gibt, so muß man es verstehen, sie zu beseitigen,und die Schuldigen wegen Bürokratismus vor Gericht stellen. Wir habenin Moskau ein proletarisches Gericht, und es muß diejenigen belangen, dieschuld daran sind, wenn einige zehntausend Pud Konserven nicht gekauftwerden. Ich denke, das proletarische Gericht weiß zu strafen, um aberstrafen zu können, muß man die Schuldigen finden, ich garantiere Ihnen

aber, daß man die Schuldigen nicht finden kann. Jeder von Ihnen kannEinblick nehmen in diese Sache — es gibt keine Schuldigen, dafür aberW irrwarr, Durcheinander und Unverstand. Keiner versteht die Sache an-zupacken, keiner begreift, daß man an eine Staatsangelegenheit nicht so,sondern anders herangehen m uß. Und das ganze W eißgardistengesindel,die Saboteure machen sich das zunutze. Es hat bei uns eine Zeit deswütenden Kampfes gegen die Saboteure gegeben, und dieser Kampf stehtauch heute auf der Tagesordnung; es stimmt natürlich, daß es Saboteuregibt, und man muß sie bekämpfen. Aber kann man gegen sie kämpfen,

wenn die Lage so ist, wie ich geschildert habe? Das ist schädlicher als jedeSabotage, der Saboteur braucht ja nichts anderes, als zu sehen, daß zweiKommunisten miteinander darüber streiten, in welchem Augenblick m ansich um eine prinzipielle Direktive zum Ankauf von Lebensmitteln an dasPolitbüro wenden soll — und in diesen Spalt hineinzukriechen. Wenn sichein halbwegs gescheiter Saboteur neben den einen oder den anderen Kom-munisten oder neben beide der Reihe nach stellt und sie unte rstützt, dannist es aus. Die Sache ist für immer verloren. Und wer ist schuld? N iemand.

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XL Parteitag de r KPJtCB) ' 285

Weil zwei Kommunisten, verantwortliche, ergebene Revolutionäre, um

des Kaisers Bart streiten, um die Frage streiten, in welchem Augenblickman die Frage vor das P olitbüro bringe n soll, um eine prinzipielle D irek-tive zum An kauf von Lebensmitteln zu e rhalten.

So also steht die Frage, darin liegt die Schwierigkeit. Jeder beliebigeKommis, der die Schule eines kapitalistischen Großunternehmens durch-gemacht hat, versteht so etwas zu machen, aber 99 von 100 verantwort-lichen Kommunisten verstehen es nicht und wollen nicht einsehen, daß siees nicht verstehen, daß sie ganz von vorn anfangen müssen zu lernen.W en n wir das nicht begreifen un d uns nicht von neuem hinsetzen, um von

der Vo rbereitungsklasse an z u lernen , so we rden w ir auf keinen Fall die öko-nomische Auf gäbe lösen, die jetz t die Grund lage der gesamten Politik bildet.

Das andere Beispiel, das ich anführen möchte, ist das Donezbecken. Siewissen, daß es das Zentrum, die eigentliche Grundlage unserer ganzenWirtschaft ist. Von irgendeiner Wiederherstellung der Großindustrie inRußland, von irgendeinem wirklichen Aufbau des Sozialismus kann garkeine Rede sein — denn man kann den Sozialismus nicht anders als aufdem We ge über die Großindustr ie aufbauen —, wenn wir das Donezbek-ken nicht wiederherstellen, es nicht auf die gebührende Höhe bringen. Im

ZK haben wir unsere Aufmerksamkeit darauf gerichtet.In bezug auf dieses Gebiet ging es nicht darum , daß eine unbedeu tendekleine Frage unberechtigter-, lächerlicher-, unsinnigerweise vor das Polit-büro gebracht wurde, sondern es ging um eine wichtige, absolut unauf-

schiebbare A ngelegenheit.

Das ZK hat darauf zu achten, daß in solchen wichtigen Zentren, derGrundlage und dem Fundament unserer gesamten Wirtschaft, wirklichvernünftig gearbeitet wird, und dort standen an der Spitze der Zentral-verwaltung der Steinkohlenindustrie nicht nur unzweifelhaft treu er-

gebene, sondern wirklich gebildete und außerordentlich fähige Leute, ja,ich dürfte mich wohl kaum täuschen, wenn ich sage: begabte Leute, unddeshalb war die Aufmerksamkeit des ZK dorthin gerichtet. Die Ukraineist eine unabhängige Republik, das ist sehr schön, aber in bezug auf diePa rtei schlägt sie manchm al — wie soll ich mich recht höflich aus drük -k en ? — eine Umgehungstaktik ein, und wir werden ihnen gelegentlich aufden Leib rücken müssen, denn dort sitzen schlaue Kerle, und das dortigeZK — ich will nicht sagen, daß es uns hintergeht, aber irgendwie hält es

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286 W. 3. Lenin

sidi ein wenig abseits von ans . Um das Ganze zu überblicken, haben wir

die Sache im hiesigen ZK untersucht und Reibungen und Meinungsver-schiedenheiten festgestellt. D ort gibt es eine Kommission für die Ausbeu-tung der kleinen Gruben. Natürlich gibt es zwischen dieser Kommissionund der Zentralverwaltung der Steinkohlenindustrie starke Reibnngen.Aber wir, das ZK , haben immerhin eine gewisse Erfahrung, und wir be-schlossen einstimmig, die führenden Kreise nicht zu entfernen,- trätenReibnngen auf, so sollten sie uns gemeldet werden, gegebenenfalls sogarmit allen Einzelheiten, denn wenn wir im dortigen Gebiet nicht nur er-gebene, sondern auch fähige Leute haben, so muß man bestrebt sein, sie

zu unterstützen, damit sie bis zu Ende lernen, sofern man annimm t, daßsie noch nicht ausgelernt haben. Das Ende vom Lied war, daß in derUkraine ein Parteitag stattfand — ich weiß nicht, was dort herausgekom-men ist, es ging ziemlich drunter und drüber. Ich erkundigte mich beiukrainischen Genossen und bat Gen. Ordshonikidse speziell, auch dasZK beauftragte ihn, hinzufahren und festzustellen, w as dort los war. An-scheinend gab es dort Intrigen und ein heilloses Durcheinander, und dieKommission für die Parteigeschichte wird sich selbst nach 10 Jahren nichtdarin zurechtfinden, w enn sie sich damit befaßt. Faktisch kam es aber so,

daß diese Gruppe, entgegen den einstimmigen Direktiven des ZK, durcheine andere Gruppe ersetzt wurde. W orum ging es hier? Im Grunde dar-um, daß ein Teil dieser Gruppe, ungeachtet all ihrer hohen Qualitäten,einen gewissen Fehler begangen hatte. Sie waren in die Lage von Leutengeraten, die zuviel administrierten. Wir haben es dort m it Arbeitern zutun. Wenn man von „Arbeitern" spricht, so meint man sehr häufig, dasbedeute Fabrikproletariat. Das bedeutet es durchaus nicht. Seit dem Kriegsind bei uns Leute in die Fabriken und Werke gegangen, die gar keineProletarier sind, die vielmehr hineingingen, um sich vor dem Krieg zu

drücken,- und sind heute die gesellschaftlichen und ökonomischen Verhält-nisse bei uns etwa derart, daß echte Proletarier in die Fabriken undW erke gehen? Das trifft nicht zu. Das ist richtig nach Marx , aber Marxhat nicht über Rußland geschrieben, sondern über den gesamten Kapita-lismus als Ganzes, angefangen mit dem 15 . Jahrhundert. Für den Zeit-raum von sechshundert Jahren ist das richtig, aber für das Rußland vonheute trifft es nicht zu. Sehr häufig sind diejenigen, die in die Fabrikengehen, nicht Proletarier, sondern allerlei zufällige Elemente.

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XI. Parteitag der XPRCB) 287

Es verstehen, die Arbeit richtig zu organisieren, so zu organisieren, daß

man nidit zurückbleibt, daß man vorkommende Reibungen rechtzeitig be-seitigt und das Administrieren nicht von der Politik trennt — darin besteht

die Aufgabe. Denn unsere Politik und unser Administrieren beruhen dar-

auf, daß die ganze Vorhut mit der gesamten proletarischen Masse, mit der

gesamten Bauernmasse verbunden ist. Wenn irgend jemand diese Rädchen

vergißt, wenn er sich zum bloßen Administrieren hinreißen läßt, so wird

die Sache schiefgehen. Der Fehler, den die Funktionäre des Donezbeckens

begangen haben, ist im Vergleich zu anderen unserer Fehler verschwin-

dend klein, doch ist das ein typisches Beispiel. Denn im ZK wurde ein-

mütig die Forderung gestellt: „Laßt diese Gruppe auf ihrem Posten; bringtselbst kleine Konflikte vor das ZK, weil das Donezbecken nicht ein zu-

fälliger Bezirk ist, sondern ein Bezirk, ohne den der sozialistische Aufbau

nur ein frommer Wunsch bleibt" — aber unsere ganze politische Macht,

die ganze Autorität des ZK erwiesen sich als unzureichend.

Diesmal lag der Fehler natürlich daran, daß zuviel administriert wor-

den war; außerdem gab es noch eine Menge anderer Fehler.

Das diene Ihnen als Beispiel dafür, daß es bei dem ganzen Problem

nicht um die politische Macht geht, sondern darum, daß man es verstehen

muß zu verwalten, daß man es verstehen muß, die Menschen an ihrenrichtigen Platz zu stellen, daß man es verstehen muß, kleine Zusammen-

stöße zu vermeiden, damit die Wirtschaftsarbeit des Staates keine Unter-

brechung erfährt. Daran fehlt es bei uns — und hier steckt der Fehler.

Ich glaube, wenn wir von unserer Revolution sprechen und die Ge-

schicke der Revolution abwägen, müssen wir dieAufgaben der Revolution

streng abtrennen, die restlos gelöst sind und die als etwas völlig Unver-

rückbares in die Geschichte der welthistorischen Abkehr vom Kapitalismus

eingegangen sind. Unsere Revolution hat solche Leistungen aufzuweisen.

Die Menschewiki und Otto Bauer — der Vertreter der zweieinhalbtenInternationale — mögen zwar schreien: „Bei denen dort handelt es sich

um eine bürgerliche Revolution", wir aber sagen, daß es unsere Aufgabe

ist, die bürgerliche Revolution zu Ende zu führen. Wie sich eine weiß-

gardistische Publikation ausgedrückt hat: 400 Jahre lang hat man in unse-

ren staatlichen Institutionen Mist angesammelt. Wir aber haben diesen

Mist in vier Jahren weggeräumt — das ist unser großes Verdienst. Was

aber haben die Menschewiki und Sozialrevolutionäre getan? Nichts. Nicht

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288 TV. 1. Lenin

bei uns und nicht einmal in dem fortgeschrittenen, aufgeklärten Deutsch-

land, nicht einmal dort können sie den mittelalterlichen Mist wegräumen.Und unser großes Verdienst machen sie ans zum Vorwurf. Daß wir dieSache der Revolution zu Ende geführt haben — das ist unser unvergäng-liches Verdienst.

Jetz t riecht es nach Krieg. Die Arbeiterverbände, wie zum Beispiel diereformistischen Gewerkschaften, nehmen Resolutionen gegen den Krieg anund drohen mit dem Streik gegen den Krieg. Vor kurzem, wenn ich nichtirre, las ich ein Zeitungstelegramm, daß in der französischen Deputierten-kammer ein prachtvoller Kommunist eine Rede gegen den Krieg gehalten

und erklärt hat, die Arbeiterschaft werde den Aufstand dem Krieg vor-ziehen. Man kann die Frage nicht so stellen, wie wir sie 1912 gestellthaben, als das Basler Manifest veröffentlicht wurde. Erst die russischeRevolution hat gezeigt, wie man aus dem Krieg ausscheiden kann undwelche Mühe das kostet, was es bedeutet, aus einem reaktionären Kriegauf revolutionärem Wege auszuscheiden. Reaktionäre imperialistischeKriege sind an allen Ecken und Enden der Welt unausbleiblich. Und daßdamals Mulionen und aber Millionen niedergemetzelt worden sind undjetzt abermals niedergemetzelt werden sollen, das kann die Menschheit

bei der Entscheidung aller derartigen Fragen nicht vergessen und wird sienicht vergessen. Wir leben ja im 20. Jahrhundert, und das einzige Volk,das aus dem reaktionären Krieg auf revolutionärem W ege ausgeschiedenist, nicht zum Nutzen dieser oder jener Regierung, sondern im Kampfgegen sie — das ist das russische Volk, und es war die russische Revolu-tion, die es aus dem Krieg herausgeführt hat. Und was die russische Revo-lution errungen hat, ist unzerstörbar. Das kann keine Macht der Weltrückgängig machen, ebenso wie keine Macht rückgängig machen kann,was mit dem Sowjetstaat geschaffen worden ist. Das ist ein welthistori-

scher Sieg. Jahrhundertelang w aren die Staaten nach bürgerlichem Typusaufgebaut, und zum erstenmal ist nun die Form eines nichtbürgerlichenStaates gefanden worden. Vielleicht ist unser Apparat schlecht, aber mansagt, die erste Dampfmaschine, die erfunden wurde, sei auch schlecht ge-wesen, und es ist sogar fraglich, ob sie funktioniert ha t. Doch nicht dar-auf kommt es an, sondern darauf, daß die Erfindung gemacht worden ist.Mag die erste Dampfmaschine ihrer Form nach auch nichts getaugt haben,so haben wir doch heute die Lokomotive. Mag unser Staatsapparat noch

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XI. Parteitag der XPKCB) 289

so miserabel sein, so ist er doch geschaffen, die große geschichtliche Erfin-

dung ist gemacht, ein Staat von proletarischem Typus ist geschaffen — unddarum mag ganz Europa, mögen Tausende von bürgerlichen Zeitungenerzählen, was für Mißstände und welches Elend bei uns herrschen, daßdas werktätige Volk nichts als Qualen durchzumachen hat — dennochfühlen sich in der ganzen W elt alle Arbeiter zum Sowjetstaat hingezogen.Das sind die großen Errungenschaften, die wir erzielt haben und die un-verrückbar sind- Doch für uns, die Vertreter der Kommunistischen Partei,bedeutet das nur, daß die Tür aufgemacht ist Wir stehen jetzt vor derAufgabe, das Fundament der sozialistischen Wirtschaft zu errichten. Ist

das vollbracht? Nein, es ist nicht vollbracht Wir haben noch kein sozia-listisches Fundament Die Kommunisten, die sich einbilden, das Funda-ment sei schon vorhanden, machen einen ganz großen Fehler. Die H aup t-sache ist jetzt, daß wir das, was bei ans das welthistorische Verdienst derrussischen Revolution ausmacht, sicher, klar und nüchtern von dem tren-nen, was wir im höchsten Grade schlecht ausführen, was noch nicht ge-schaffen ist und was wir noch viele Male um arbeiten m üssen.

Die politischen Ereignisse sind stets sehr verworren und kompliziertMan kann sie mit einer Kette vergleichen. Will man die ganze Kette fest-

halten, so muß man das Hauptkettenglied packen. Man kann sich nichtkünstlich das Kettenglied auswählen, das man packen wiü. Was war imJahre 1917 der Angelpunkt? Das Ausscheiden aus dem Krieg, wonachdas ganze Volk verlangte, und dahinter trat alles andere zurück. Dasrevolutionäre Rußland brachte ts fertig, aus dem Krieg auszuscheiden.Es kostete große Anstrengungen, doch dafür wurde dem Hauptbedürfnisdes Volkes Rechnung getragen, und das brachte uns den Sieg für vieleJahre. Das Volk spürte, der Bauer sah, jeder von der Front heimkeh-rende Soldat begriff ausgezeichnet, daß er in der Sowjetmacht eine demo-

kratischere, eine den Werktätigen näherstehende Staatsmacht erhält Soviele Dummheiten und Ungereimtheiten wir uns auch auf anderen Ge-bieten leisten mochten, da w ir diese Hauptaufgabe gelöst hatten, war allesim L ot

Was war in den Jahren 1919 und 1920 der Angelpunkt? Der militä-rische Widerstand. Gegen uns marschierte, uns würgte die Weltmacht derEntente — und es bedurfte keiner Propaganda, jeder parteilose Bauermerkte, was los ist. Der Gutsbesitzer kommt Die Kommunisten ver-

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290 W.l Lenin

stehen, gegen ihn zu kämpfen. Deshalb waren die Bauern in ihrer Masse

für die Kommunisten, und deshalb siegten wir.Im Jahre 1921 war der Angelpunkt der geordnete Rüdezug. Und dazu

bedurfte es strengster Disziplin. Die „Arbeiteropposition" sagte: „Ihrunterschätzt die Arbeiter, die Arbeiter müssen mehr Initiative an den Taglegen." Die Initiative, sagten wir, muß darin bestehen, den Rückzug ge-ordnet durchzuführen und strengste Disziplin zu halten. Wer die ge-ringste Panikstimmung hineinträgt oder die Disziplin bricht, würde dieRevolution zugrunde richten, weil es nichts Schwierigeres gibt als einenRüdezug mit Menschen, die gewohnt sind, Eroberungen zu machen, die

von revolutionären Anschauungen und Idealen durchdrungen sind undim Grunde ihrer Seele jeden Rückzug für etwas Schändliches halten. DieHauptgefahr besteht darin, daß die Ordnung gestört werden könn te, unddie Hauptaufgabe darin, die Ordnung zu wahren.

Un d was ist heute der Angelpunkt? Dieser Angelpunkt liegt — daraufwollte ich eben in meinem Referat hinführen und dahingehend möchte iches zusammenfassen — nicht in der Politik, im Sinne eines Richtungswech-sels. Darüber w ird im Zusammenhang mit der NÖ P m aßlos viel geredet.Das alles wird ins Blaue hineingeredet. Das ist höchst schädliches Ge-

schwätz. Im Zusammenhang m it der NU P beginnt man bei uns geschäftigzu werden, Institutionen um zustellen, neue Institutionen zu gründen. Dasist höchst schädliches Geschwätz. W ir sind an einem P unk t angelangt, woes hauptsächlich auf die Mensdien, auf die Auswahl der Menschen an-kommt. Das zu begreifen fällt einem Revolutionär schwer, der gewohntist, gegen Kleinigkeitskrämerei, gegen Kulturgedcentum anzukämpfen, derstatt der Umgestaltung der Institutionen die Rolle der Persönlichkeit inden Vordergrund gerückt hat. Aber wir sind jetzt in einer Lage, die manpolitisch nüditern beurteilen muß — wir sind so weit vorgerückt, daß wir

nicht alle Stellungen halten können und halten dürfen.In internationaler Hinsicht ist die Besserung unserer Lage in diesen

letzten Jahren gigantisch. Den Sowjettypus des Staates haben wir er-kämpft, das ist ein Fortschritt der ganzen Menschheit, und die Kommu-nistische Internationale liefert uns durch Meldungen aus jedem beliebigenLand täglich die Bestätigung dafür. Darüber besteht bei niemand auch nurder geringste Zweifel. Aber im Sinne der praktischen Arbeit steht dieSache so, daß die Bauernschaft die Kommunisten nicht unterstützen wird,

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XL Parteitag der XPXCB) 291

wenn diese nicht imstande sein sollten, ihr praktische Hilfe zu erweisen.

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht nicht, daß man Gesetze macht,bessere Dekrete erläßt usw. Es gab bei uns eine Zeit, da Dekrete als eineForm der Propaganda dienten. Man spottete über uns, man sagte, dieBolschewiki verstünden nicht, daß ihre Dekrete nicht durchgeführt wer-de n; die ganze weißgardistische Presse w ar voll von Spötteleien darü ber,aber diese Periode war berechtigt, als die Bolschewiki die Macht ergriffenund dem einfachen Bauern, dem einfachen Arbeiter erklärten-. So möchtenwir den Staat verwaltet haben, hier habt ihr ein Dekret , probier t es aus.Wir übermittelten dem einfachen Arbeiter und Bauern unsere Vorstellun-

gen von der Politik sogleich in Form von Dekreten. Dadurch gewannenwir das gewaltige Vertrauen, das wir unter den Volksmassen besaßen undbesitzen. Das war eine Zeit, eine Periode, die am Anfang der Revolutionnotwendig w ar, sonst hätten w ir uns nicht an die Spitze der revolutionärenWelle stellen können, sondern wären ins Hintertreffen geraten. Sonsthätten wir nicht das Vertrauen aller Arbeiter und Bauern gewonnen, dieein Leben auf neuen Grundlagen aufbauen wollten. Doch diese Periodeist vorbei, wir aber wollen das nicht begreifen. Heute werden die Bauernund Arbeiter lachen, wenn man vorschreiben wollte, die und die Institu-

tion zu errichten bzw . umzugestalten. Heu te wird sich der einfache Arbe i-ter und Bauer dafür nicht interessieren, und sie haben recht, denn hierliegt der Schwerpunkt nicht. Du, Kommunist, darfst jetzt dem Volk nichtdamit kommen. Obwohl wir, die wir in den staatlichen Institutionen sit-zen, stets mit solchem Kleinkram überhäuft sind, ist es nicht dieses Ket-tenglied, das es zu ergreifen gilt, nicht das ist der Angelpunkt, der Angel-punkt ist vielmehr, daß die Menschen nicht an den richtigen Platz gestelltsind, daß ein verantwortlicher Kom munist, der d ie gan ze Revolution glän-zend durchlaufen ha t, mit einem Ha ndels - und Industrieposten be trau t ist,von dem er nichts versteht und wo er uns hindert, die Wahrheit zu sehen,weil sich hinter seinem Rücken Geschäftemacher und Gauner ausgezeich-net zu verstecken wissen. Es handelt sich darum, daß es bei uns keinepraktische Kontrolle darüber gibt, was durchgeführt worden ist. Das isteine prosaische, eine kleine Aufgabe, das ist Kleinarbeit, aber wir lebennach der größten politischen Umwälzung unter solchen Verhältnissen,daß wir eine Zeitlang inmitten der kapitalistischen Wirtschaftsform exi-stieren müssen, und der Angelpunkt der ganzen Lage liegt nicht in der

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292 19.1. Lenin

Politik im engeren Sinne des Wortes (was in den Zeitungen geredet wird,

ist politisches Wortgeprassel, und daran ist nichts Sozialistisches), derAngelpunkt der ganzen Lage liegt nicht in Resolutionen, nicht in Institu-tionen, nicht in Um organisierung. Soweit diese Dinge für uns notwendigsind, werden wir das machen, aber kommt dem Volk nicht damit, suchtlieber die nötigen Leute aus und kontrolliert die praktische Durchfüh-rung — das wird das Volk zu schätzen wissen.

In der Volksmasse sind wir immerhin nur ein Tropfen im Meer, undwir können nur dann regieren, wenn wir richtig zum Ausdruck bringen,was das Volk erkennt. Andernfalls wird die Kommunistische Partei nicht

das Proletariat führen und das Proletariat nicht die Massen führen, unddie ganze Maschinerie wird zerfallen. Heute sehen das Volk und die ge-samten werktätigen M assen das Wesentliche für sich nur darin, daß mander verzweifelten Notlage und dem Hunger praktisch abhilft und zeigt,daß wirklich eine Besserung e intritt, die der Bauer nötig hat, die dem ent-spricht, was er gewöhnt ist. Der Bauer kennt den Markt, er kennt denHandel. Die direkte kommunistische Verteilung haben wir nicht einfüh-ren können. Dazu mangelte es an Fabriken und an deren Ausrüstungen.Wir müssen also durch den Handel liefern, aber nicht schlechter liefern,

als es der Kapitalist getan ba t, sonst kann das Volk eine solche Regierungnicht ertragen. Das ist der Angelpunkt in der jetzigen Lage. Und wennnichts Oberraschendes eintritt, dann muß das zum Angelpunkt unsererganzen Arbeit für 1922 werden — unter drei Bedingungen.

Erstens unter der Bedingung, daß es keine Intervention geben wird.W ir tun durch unsere Diplomatie alles, um sie zu vermeiden, nichtsdesto-weniger ist sie jeden Tag möglich. Wir müssen wirklich auf der Hut seinund müssen zugunsten der Roten Armee gewisse schwere Opfer bringen,wobei wir natürlich das Ausmaß dieser Opfer streng festlegen. Uns steht

die ganze W elt der Bourgeoisie gegenüber, die nur nach einer Form sucht,uns zu erwürgen. Unsere Menschewiki und Sozialrevolutionäre sind nichtsanderes als Agenten dieser Bourgeoisie. Das ist ihre politische Stellung.

Die zweite Bedingung: wenn die Finanzkrise nicht allzu heftig seinwird. Sie ist im Anzug. Sie werden darüber beim Punkt über die Finanz-politik hören. Wenn sie allzu heftig und schwer wird, so werden wir vieleswieder umstellen und alle Kräfte auf diese eine Aufgabe werfen müssen.Wenn die Krise nicht allzu schwer wird, so kann sie sogar nützlich sein:

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XI. Parteitag der KPXCB) 293

sie wird unter den Kommunisten in allen möglichen staatlichen Trusts

etwas aufräumen. Man darf nur nicht vergessen, das zu tun. D ie Finanz-krise rüttelt Institutionen und Betriebe durch, und in erster Linie platzendie untauglichen un ter ihnen. M an m uß nur darauf achten, daß nicht alleSchuld auf die Spezialisten abgew älzt wird, während man von den veran t-wortlichen Kommunisten sagt, sie seien sehr gut, hätten an den Frontengekämpft und immer gut gearbeitet. Wenn also die Finanzkrise nichtübermäßig schwer sein sollte, wird man aus ihr Nutzen ziehen und einwenig säubern können , nicht so , wie es die Zentrale Kontrollkommissionoder die Zentrale nberprüfungskomm ission57 tun, sondern man wird alle

verantwortlichen Kommunisten in den Wirtschaftsinstitutionen gründlichdurchkämmen.

Und die dritte Bedingung ist, daß w ährend dieser Z eit keine politischenFehler gemacht werden. Wenn wir politische Fehler machen, dann wirdnatürlich der ganze wirtschaftliche Aufbau untergraben werden, dannwerden wir uns mit Diskussionen über Berichtigung und Ausrichtung zubeschäftigen haben. Wenn aber solche leidigen Fehler nicht vorkommen,dann w erden in der nächsten Zukunft nicht Dekrete und nicht die Politikim engeren Sinne des W ortes, nicht Institutionen und nicht deren O rgani-

sation den Angelpunkt bilden — damit wird man sich, soweit das not-wendig ist, in den Kreisen der verantwortlichen Kommunisten und in denSowjetinstitutionen befassen —, sondern der Angelpunkt der gesamtenArbeit wird in der Auswahl der Menschen und in der Kontrolle derDurchführung liegen. W enn w ir in dieser Hinsicht praktisch lernen, prak-tischen Nutzen bringen, dann w erden wir wieder alle Schwierigkeitenüberwinden.

Zum Schluß muß ich noch die praktische Seite der Frage unserer Sowjet-organe, der höchsten Institutionen, und des Verhältnisses der Partei zu

ihnen berühren. Es hat sich bei uns ein unrichtiges Verhältnis zwischender Partei und den Sowjetinstitutionen herausgebildet, und diesbezüglichherrscht bei uns volle Einmütigkeit. Ich habe an einem Beispiel gezeigt, wieman eine konkrete kleine Angelegenheit schon vor das Politbüro bringt.Formal ist es sehr schwer, sich davon frei zu machen, weil bei uns eine ein-zige Regierungspartei am Ruder ist und man einem Parteimitglied nichtverbieten kann, Beschwerde zu fuhren. Deshalb wird aus dem Rat derVolkskommissare alles vor das Politbüro geschleppt. Ein Großteil der

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29 4 l/V. J. Lenin

Schuld trifft hier auch mich, weil die Verbindung zwischen dem Rat der

Volkskommissare und dem Po litbüro weitgehend von mir persönlich auf-rechterhalten wurde. Und als ich ausscheiden mußte, stellte sich heraus,daß die zwei Räder nicht sofort ineinandergreifen, und Kamenew hatteeine dreifache Arbeitslast zu tragen, um diese Verbindungen aufrecht-zuerhalten.

W as die grundlegenden Direktiven betrifft, so besteht hierüber im ZKvolle Enmütigkeit, und ich hoffe, daß der Parteitag dieser Frage großeAufmerksamkeit zuwenden und die Direktiven in dem Sinne bestätigenwird, daß man das Politbüro und das ZK von Kleinkram befreien und

die Arbeit der verantwortlichen Funktionäre auf eine höhere Stufe hebenmuß. Die Volkskommissare müssen für ihre Arbeit die Verantwortungtragen, anstatt daß sie zuerst in den Rat der Volkskommissare und dannins Politbüro laufen. Formal können wir das Recht der Beschwerde beimZK nicht aufheben, weil unsere Partei die einzige Regierungspartei ist.Hier muß man jedwede Anrufung wegen Kleinigkeiten unterbinden, da-für aber muß man die Auto rität des Rats der Volkskommissare dergestaltheben, daß mehr die Volkskommissare mitarbeiten und nicht ihre Stell-vertreter; man muß den Charakter der Arbeit des Rats der Volkskom-

missare in der Richtung ändern, in der ich es im letzten Jahr nicht zu tunvermocht habe: weitaus mehr Aufmerksamkeit darauf richten, daß aufdie Kontrolle der Durchführung geachtet wird.

Im Zusammenhang damit muß man darauf achten, daß die Kommis-sionen des Rats der Volkskommissare und des Rats für Arbeit und Ver-teidigung eingeschränkt werden, damit sie ihre eigenen Angelegenheitenkennen und entscheiden und ihre Kräfte nicht auf eine endlose Zahl vonKommissionen verzetteln. Dieser Tage wurde eine Überprüfung der Kom-missionen vorgenommen. Man zählte 120 Kommissionen. Und wie viele

erwiesen sich als nötig? 16 Kommissionen. Und das ist nicht die ersteÜberprüfung. Statt sich für seine Arbeit verantwortlich zu fühlen, im Ratder Volkskommissare einen Beschluß zu fassen und zu wissen, daß mandafür Rede und A ntwort stehen wird, versteckt man sich hinter Kommis-sionen. In den Kommissionen findet sich selbst der Teufel nicht zurecht,niemand kennt sich aus, wer verantwortlich ist; alles ist durcheinander-gewürfelt, und schließlich wird ein Beschluß gefaßt, für den alle verant-wortlidi sind.

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XI. Parteitag der XPH[B) 295

In diesem Zusammenhang m uß darauf hingewiesen werden, daß es not-

wendig ist, die Autonomie und die Tä tigkd t der Gebietswirtsdiaftsräte zuerweitern und zu entfalten. Die Einteilung Rußlands in Gebiete ist jetztbei uns nach wissensdbafdidien Grundsätzen vorgenommen worden , unterBerüdcsiditigung der wirtschaftlichen und klimatischen Bedingungen, derLebensweise der Bevölkerung, der Bedingungen für die Brennstoffver-sorgung, für die örtliche Industrie usw. Auf Grund dieser Einteilung sindWirtsdiäftsräte der Bezirke und Gebiete gesdiaffen worden. Natürlidiwird es teilweise Korrekturen geben, aber man muß die Autorität dieserWirtsdiäftsräte heben.

Ferner muß er rd di t werden, da ß das Gesamtrassische ZEK energisdierarbeitet und regelmäßig zu Tagungen zusammentritt, die von längererDauer sein müssen. Die Tagungen sollen die Gesetzentwürfe beraten, diemanchmal in aller Eile im Rat der Volkskommissare eingebracht werden,ohne daß es unbedingt notwendig wäre. Es ist besser, damit zu wartenund den örtlichen Funktionären Zeit zu sorgfältiger Überlegung zu gebenund strengere Anforderungen an die Verfasser der Gesetze zu stellen,was bei uns nicht geschieht

Wenn die Tagungen des Gesamtrussisdien ZEK erst länger dauern,

' dann werden sie sich in Sektionen und Unterkomm issionen aufteilen unddie Arbeit strenger kontrollieren können, um das durchzusetzen, wasmeines Eracfatens den Angelpunkt, den Kernpunkt der gegenwärtigenpolitischen Lage bildet: das Schwergewicht auf die Auswahl der Men-sdhen, auf die Kontrolle der tatsächlichen Durchfährung verlegen.

M an muß einsehen und darf sich dieser Einsicht nicht verschließen, daßdie verantwortlichen Kommunisten in 99 von 100 Fällen nicht an denPlatz gestellt sind, für den sie sich jetzt eignen, daß sie ihre Arbeit nichtleisten können und jetzt lernen müssen. W enn das als richtig erkannt wird

und da wir dazu vollauf die Möglichkeit haben — und nach der allge-meinen internationalen Lage zu urteilen, reicht uns die Zdt, um erfolg-reich zu lernen —, dann muß das getan werden, koste es, was es wolle.(Stürmischer Beifall.)

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296 'W.I.Lenin

S C H L U S S W O R T Z U M P O L I T I S C H E N B E R I C H TDES ZK DER KPR(B)

28. M Ä R Z

( B e i f a l l . ) Vor allem werde ich etwas Zeit aufwenden m üssen, uman den hier von den Genossen Preobrashenski und Ossinsld gemachtenBemerkungen Kritik zu üben. Ich denke, daß die Genossen Preobrashenskiund Ossinski im Wesentlichsten und Grundlegenden völlig am Ziel vor-bei geschossen haben, und gerade durch ihre Reden haben sie gezeigt, wiefalsch ihre Linie, ihre Vorstellung von der Politik ist.

Gen. Preobrashenski sprach über den Kapitalismus und darüber, daßwir über das Programm eine allgemeine Diskussion entfachen müßten.

Meiner Meinung nach wäre das eine höchst unproduktive und unan-gebrachte Zeitvergeudung.

Zunächst zur Frage des Staatskapitalismus.„Staatskapitalismus ist Kapitalismus", sagte Preobrashenski, „und nur

so kann und muß man ihn verstehen." Ich behaupte, daß das Scholastikist. Bisher konnte noch niemand ein solches Buch über den Kapitalismusin der Geschichte der Menschheit schreiben, weil wir das erst jetzt zumerstenmal erleben. Bisher wurden halbwegs angängige Bücher über denStaatskapitalismus unter der Voraussetzung und in der Annahme ge-

schrieben, daß Staatskapitalismus Kapitalismus ist. Jetzt ist es andersgekommen, und kein Marx und kein Marxist konnten das voraussehen.Man darf nicht rückwärts schauen. Werden Sie Geschichte schreiben, sowerden Sie das ausgezeichnet tun, werden Sie aber ein Lehrbuch schrei-ben, so werden Sie schreiben: Staatskapitalismus — das ist ein im höch-sten Grade unerw arteter und von absolut niemand vorausgesehener Kapi-talismus, denn es konnte ja niemand voraussehen, daß das Prole-tariat in einem der am wenigsten entwickelten Länder die Macht er-

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XI. Parteitag der KPRCB) 297

greifen und sich zunächst bemühen wird, die Großproduktion und die

Verteilung für die Bauern zu organisieren, daß es aber dann, weil es inAnbetracht des Kulturstandes diese Aufgabe nicht bewältigen kann, denKapitalismus heranziehen wird. Das alles hat man niemals vorausgesehen,aber es ist eine ganz unbestreitbare Tatsache.

Die Rede Larins zeigt eine völlig unklare Vorstellung darüber, w as dieNeue ökonom ische Politik ist und wie man sich zu ihr stellen muß.

Es wurde kein einziger ernsthafter Einwand dagegen vorgebracht, daßes notwendig war, zur Neuen ökonomischen Politik überzugehen. DasProletariat scheut sich nicht zuzugeben, daß in der Revolution manches

hervorragend gelungen ist, daß ihm aber auch manches mißlungen ist.Alle revolutionären Parteien, die bisher zugrunde gegangen sind, gingendaran zugrunde, daß sie überheblich wurden und nicht zu sehen vermoch-ten, worin ih re Kraft lag, daß sie sich scheuten, von ihren Schwächen zusprechen. Wir aber werden nicht zugrunde gehen, weil wir uns nichtscheuen, von unseren Schwächen zu sprechen, und es lernen werden, d ieSchwächen zu überwinden. ( B e i f a l l . ) Der Kapitalismus, den wir zu-gelassen haben, mußte zugelassen werden. W enn er häßlich und schlechtist, können wir das korrigieren, denn die Macht ist in unserer Hand, und

wir brauchen nichts zu fürchten. Das erkennen alle an, und es ist lächerlich,das mit Panikmacherei zu verwechseln. Würden wir uns scheuen, das an-zuerkennen, so würden wir unweigerlich zugrunde gehen. Aber daß wirdas erlernen werden und es lernen wollen, zeigen die drei — vier — fünfJah re, in denen wir kompliziertere Dinge in kürzeren Zeitspannen erlernthaben. Allerdings hat uns damals die Notwendigkeit angetrieben. ImKrieg wurden wir außerordentlich energisch angetrieben, und wohl ankeiner einzigen Front, in keinem einzigen Feldzug kam es vor, daß wirnicht angetrieben w urden: Zuerst kam der Feind bis auf hundert W erst

an Moskau heran, dann näherte er sich Orjol, dann stand er fünf W erstvor Petrograd. Da besannen wir uns erst richtig, begannen sowohl zulernen als auch das Erlernte anzuwenden, und vertrieben den Feind.

Tausendmal schwieriger ist die Lage, wenn man es mit einem Feind zutun hat, der hier im ökonomisdien Alltag steht. Die Streitigkeiten, die inder Literatur bisher über den Staatskapitalismus laut wurden, diese Strei-tigkeiten können bestenfalls in ein Geschichtslehrbuch eingehen. Ichleugne keineswegs den Nutzen von Lehrbüchern und habe unlängst

20 *

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298 W.3. Lenin

geschrieben, daß es besser wäre, wenn unsere Publizisten den Zeitungen,

dem politischen Wortgeprassel weniger Aufmerksamkeit zuwenden undstatt dessen Lehrbücher schreiben würden. Das brächten viele, darunterauch Gen. Larin, wunderbar fertig. Dort wären seine Qualitäten außer-ordentlich nutzbringend,,und dann wäre bei uns die Aufgabe gelöst, dieGen. Trotzki richtig hervorhob, als er erklärte, die Hauptsache sei jetztdie Erziehung der jungen Generation, dazu fehle es uns aber an Lehr-mitteln. In der Tat, woraus lernt sie die Gesellschaftswissenschaften? Ausaltem bürgerlichem Plunder. Das ist eine Schmach! Und das, obwohl wirHunderte marxistischer Publizisten haben, die Lehrbücher über alle ge-

sellschaftlichen Fragen liefern könnten, sie aber nicht liefern, weil sie sichnicht mit dem befassen und ihre Aufmerksamkeit nicht darauf richten,was nötig ist.

Hinsichtlich des Staatskapitalismus muß man das wissen, was zur Agita-tions- und Propagandalosung gemacht werden, was erläutert werden muß,damit es praktisch verstanden wird. Das ist, daß der Staatskapitalismusbei uns jetzt nicht dasselbe ist, worüber die Deutschen geschrieben haben.Das ist ein von uns zugelassener Kapitalismus. Stimmt das oder stimmtes nicht? Alle wissen, daß das stimmt!

Wir haben auf einem Parteitag der Kommunisten den Beschluß gefaßt,daß der Staatskapitalismus von unserem proletarischen Staat zugelassenwird, und der Staat sind wir. Haben wir ihn schlecht zugelassen, so istdas unsere eigene Schuld, und wir dürfen sie auf niemand anderen ab-wälzen! Man m uß lernen, man muß zu erreichen suchen, daß der Staats-kapitalismus im proletarischen Staat nicht imstande ist und es nicht wagt,die ihm vom Proletariat gesetzten Grenzen und Bedingungen, die für dasProletariat vorteilhaften Bedingungen, zu überschreiten. Und hier wurderichtig bemerkt, daß wir mit der Bauernmacht als Masse rechnen und ihr

freien Handel zugestehen mußten. Jeder vernünftige Arbeiter begreift,daß das für die proletarische Diktatur notwendig ist, und nur Gen.Schljapnikow bringt es fertig, darüber zu spotten und zu höhnen. Dashaben sich alle zu eigen gemacht, das ist tausendmal wiedergekäut worden,und Sie wollen es einfach nicht begreifen. Wenn der Bauer unter dengegenwärtigen Bedingungen und in bestimmtem Umfang den freien Han-del braucht, dann müssen wir ihn gewähren, aber das heißt nicht, daß wirerlauben, mit Fusel zu handeln. Das werden wir bestrafen. Das heißt

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XI. Parteitag der KPRCB) 299

nicht, daß wir erlauben, mit politischer Literatur zu handeln, die sich

mensdiewistische und Sozialrevolutionäre Literatur nennt und die durch-weg von den Kapitalisten d er ganzen W elt ausgehalten wird.

Das ist es, was idi meinte, als ich die Maschinengewehre erwähnte,un d Ge n. Schljapnikow hät te das verstehen m üssen. W as er sagt, istglatter Unsinn!

Damit werden Sie niemand Angst einjagen und bei niemand Mitleiderregen! ( B e i f a l l . H e i t e r k e i t . )

Armer Schljapnikow! Lenin schickt sidi an, Maschinengewehre auf ihnzu richten.

Es handelt sich um Einwirkungsmaßnahmen der Partei und keineswegsum irgendwelche Maschinengewehre. Maschinengewehre kommen inFrage bei denjenigen, die sich jetzt bei uns Menschewiki und Sozialrevo-lutionäre nennen u nd die so schlußfolgern: I hr sprecht vom Rückzug zu mKapitalismus, und wir sagen dasselbe: Wir sind mit euch einer Meinung!Wir bekommen das ständig zu hören, und im Ausland wird eine riesigeAgitation getrieben, daß die Bolschewiki die Menschewiki und Sozial-revolutionäre in Gefängnissen halten wollen, aber selbst den Kapitalismuszulassen. Ge wiß , wir lassen den K apitalismus zu , aber nu r insoweit, als es

für die Bauernschaft notwendig ist. Das muß sein! Sonst kann der Bauernicht leben und wirtschaften. Aber ohne die Sozialrevolutionäre und men-schewistische Propaganda, behaupten wir, kann der russische Bauer leben.Und wer das Gegenteil behauptet, dem sagen wir, daß wir lieber bis aufden letzten M an n untergehen wollen, aber zurückweichen werden wir vorihm nicht! U nd unsere Gerichte-müssen das alles verstehen. W en n wir vonder Gesamtrussischen Tscheka zu staatlichen politischen Gerichten über-gehen, so muß man auf dem Parteitag sagen, daß wir über den Klassenstehende Gerichte nicht anerkennen. W ir brauchen gewählte, proletarischeGerichte, und die Gerichte müssen wissen, was wir zulassen. Die Mitglie-der des Gerichts müssen ganz genau wissen, was Staatskapitalismus ist.

D as ist die politische Losung des Tage s un d nicht ein Streit darü ber , wasdie deutschen Professoren u nter Staatskapitalismus verstande n habe n undwas wir unter Staatskapitalismus verstehen. Seitdem haben wir sehr vieldurchgema cht, un d es ziemt sich ganz u nd gar nicht, rückw ärts zu schauen.

Wie weit Preobrashenskis politische Blindheit geht, zeigt seine Über-legung über das Wirtschaftsbüro oder über das Programm. Dieses Pro-

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300 W.l Lenin

gramm ist eine so wanderbare Sache, and wir entstellen es so! Un d w ie

kann das geschehen? Das kommt daher, daß man Bachstabe für Bachstabe,Zeile für Zeile liest and das, was darüber hinausgeht, nicht sehen will.Man  fischt ein Zitat he raas und sagt: Hier gab es Streit. Man sagt, richtigwar die Linie der Ärbeiterfakaltäten and der kommunistischen Zellen,nicht aber derjenigen, die sagten: „Geht mit diesen Spezialisten etwasbehutsamer, etwas maßvoller am." Daß die kommunistischen Zellen vor-treffliche Zellen und die Arbeiterfakultäten vortreffliche Fakultäten sind,das stimmt, aber sie sind nicht gegen Fehler gefeit, sie sind keine Heiligen.

Ja, die kommunistischen Zellen sind Vertreter unserer Partei, und die

Arbeiterfakultäten sind Vertreter unserer Klasse, aber daß sie Fehlermachen and daß wir sie korrigieren müssen, das ist eine Binsenwahrheit.W ie hier zu korrigieren ist, weiß ich nicht, weil ich an den Sitzungen desZK, in denen diese Frage erörtert wurde, nicht teilgenommen habe. Aberich weiß, daß es bei uns, was die Haltung der Arbeiterfakultäten and derkommunistischen Zellen gegenüber den Professoren betrifft, Überspit-zungen gibt. Als jedoch das ZK, nachdem es die Sache von allen Seitenbeleuchtet hatte , feststellte, daß es hier Überspitzungen gab und daß manden Professoren gegenüber, die uns fremd, die nicht Vertreter unserer

Klasse sind, einen behutsameren Kurs einschlagen muß— da trit t Preobra-shenski auf den Plan, zieht das Programm aus der Tasche und sagt: DieserSchicht darf man keine politischen Zugeständnisse machen, sonst ver-letzen w ir das Program m.»

Wenn wir anfangen, die Partei so zu lenken, dann führt das sicherlichza unserem Untergang. Nicht deshalb, weil Gen. Preobrashenski d ie Poli-tik im allgemeinen nicht richtig versteht, sondern weil er an alles von derSeite herangeht, die seine Stärke ausmacht: Er ist ein Theoretiker, dersich in einem bestimmten Rahmen hält, in den gewohnten und üblichen

Begriffen denkt, ein Propagandist, der sich mit verschiedenen Maßnahmenbefaßt, die propagandistische Ziele verfolgen. Alle kennen und schätzendiese starke Seite, aber wenn er vom politischen und administrativen Stand-punkt aus herangeht, dann kommt etwas Monströses heraas. Ein Wirt-schaftsbüro schaffen?! Eben erst haben doch alle gesagt und zugestimm t,und es wurde volle Einmütigkeit erzielt (das aber ist sehr wichtig, dennvon dieser Einigkeit hängt auch das Handeln ab), daß der Parteiapparatund der Sowjetapparat voneinander abgegrenzt werden müssen.

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XI. Parteitag der XPJi(B) 301

Es ist schrecklich schwer, das zu tun — wir haben keine L eute! Preobra-shenski hat hier leichthin eingeworfen, daß Stalin in zwei Volkskommis-sariaten sitzt.5 9 Aber wer von uns ist ohne Sünde? Wer hat nicht gleich-zeitig mehrere Verpflichtungen übernommen? Und wie soll man es auchanders machen? Was können wir jetzt tun, um die gegenwärtige Lage imVolkskommissariat für Angelegenheiten der Nationalitäten zu gewähr-leisten, um mit allen turkestanischen, kaukasischen und sonstigen Fragenzurechtzukommen? Das sind doch alles politische Fragen! Und dieseFragen müssen gelöst werden, denn das sind Fragen, die die europäischenStaaten jahrhundertelang beschäftigt haben und die in den demokra-tischen Republiken nur zu einem verschwindend kleinen Teil gelöst sind.Wir sind dabei, sie zu lösen, und wir brauchen einen Menschen, zu demjeder beliebige Vertreter einer Nation kommen kann, um ihm ausführlichzu erzä hlen, was er auf dem He rze n hat. W o ist ein solcher Mensch zufinden? Ich glaube, auch Preobrashenski könnte keine andere Kandidaturnennen als die des Genossen Stalin.

Dasselbe gilt für die Arbeiter- und Bauerninspektion. Eine großartigeSache. U m abe r die Kontrolle richtig han dha ben zu können , ist es notwen-dig, daß an der Spitze ein Mann steht, der Autorität genießt, sonst wer-den wir in kleinlichen Intrigen steckenbleiben und versinken.

Gen. Preobrashenski schlägt ein Wirtschaftsbüro vor, dann wäre aberalles, was wir über Trennung von Parteiarbeit und Sowjetarbeit gesagthaben, in den Wind geredet. Gen. Preobrashenski schlägt ein scheinbarschönes Schema vo r: einerseits Politbüro, anderseits W irtschaftsbüro undOrga nisation sbüro. Ab er glatt nimmt sich das nur auf dem Papier au s, imLeben ist es lächerlich! Ich verstehe absolut nicht, wie ein Mensch, derSinn für lebendige Politik ha t, nach fünfjährigem Bestehen der Sowjet-macht einen solchen Vorschlag machen und darauf bestehen kann!

Wodurch unterscheidet sich bei uns das Orgbüro vom Politbüro? Mankann doch unmöglich genau abgrenzen, welche Frage politischer undwelche organisatorischer Natur ist. Jede politische Frage kann eine organi-satorische sein und umgekehrt. Und nur die eingebürgerte Praxis, daßman jede beliebige Frage aus dem Orgbüro in das Politbüro überweisenkann, hat eine richtige Arbeitsweise des ZK ermöglicht.

Hat irgendwann jemand etwas anderes vorgeschlagen? Niemals hat je-mand etwas anderes vorgeschlagen, denn vom Standpunkt der Vernunft

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302 'W.J.Lenin

kann man keinen anderen Aasweg vorschlagen. Man kann das Politisdie

und das Organisatorische nicht mechanisch voneinander trennen. Politikwird von Menschen gemacht, und wenn andere Leute Papierchen schrei-ben, dann kommt dabei nichts hera as.

Sie wissen doch, es gab Revolutionen, da worden in Parlaments-versammlungen Papierchen geschrieben, durchgeführt aber wurden sievon Menschen einer anderen Klasse. Dan n gab man ihnen einen Faßtrittund warf sie hinaus. Die organisatorischen Fragen kann m an nicht von derPolitik trennen . Politik ist konzentrierte Ökonomik.

Gen . Kossior beklagt sich ab er das ZK , er hat Namen genannt (ich

habe sie alle aufgeschrieben) — ich bin nicht im Bilde und kann daraufnicht antworten, aber wenn sich der Parteitag dafür interessiert, dann istes Ihre Pflicht, eine Kommission zu wählen, die sich jeden Namen vor-nimmt and Kossior und die entsprechenden Personen einem hochnotpein-lichen Verhör unte rzieht Hier geht es darum, daß das ZK, wenn man ihmdas Recht nimmt, die Menschen nach seinem Ermessen einzusetzen, diePolitik nicht lenken kann. Obzwar uns auch Fehler unterlaufen, wenn wirden einen oder andern hier abziehen and dort einsetzen, erlaube ich mirdennoch die Meinung, daß das Politbüro des ZK während der ganzenZeit seiner Tätigkeit ein Minimum von Fehlern gemacht hat. Das ist keinEigenlob. Die Arbeit des Politbüros wird nicht von Kommissionen ge-prüft, nicht von den Leuten, die von unserer Partei selbst eingesetzt wor-den sind, sie wird vielmehr von den Weißgardisten geprüft, sie wird vonunseren Feinden geprüft — und ein Beweis dafür sind die Ergebnisse derPolitik, in der es keine groben Fehler gab .

Ossinskis starke Seite ist die Energie, die Tatkraft, mit der er sich ineine Sache hineinkn iet, die er in Angriff nimmt. Ma n m aß es so einrichten,daß diese starke Seite derart eingespannt wird, daß seine schwache Seitedahinter zurücktritt (obwohl Ossinski schreien wird, denn er ist ein ener-gischer Mann — trotzdem muß man das tun, sonst ist er als Funktionärgeliefert). Ich denke, wir haben im ZK Maßnahmen getroffen, am seineschwachen und seine starken Seiten auszugleichen.

Das beste Anklagematerial gegen Ossinski — wenn ich gegen ihn pole-misieren wollte, aber ich will das nicht — das beste Material wäre, Os-sinskis heutige Rede abzudrucken und an der Wandtafel anzuschlagenDer M ann wäre erledigt

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XI. Parteitag der KPX(B) 303

Er, dieser Mann, stellvertretender Volkskommissar und leitender Mit-

arbeiter in einem der wichtigsten Volkskommissariate, er, der in den vor-dersten Reihen jener Leute steht, die zu jeder Frage eine Plattform liefern— er schlug vor, zum Kabinettsystem überzugehen. Ich behaupte, daßdieser Mann für immer völlig erledigt ist. Ich beabsichtige nicht, das zuanalysieren und weitschweifig zu polemisieren, wir sind einzig daraninteressiert, daß eine so hervorragende Kraft wie Ossinski richtig ausge-nutzt w ird. Wenn sich Gen. Ossinski nicht kameradschaftlich zu den Rat-schlägen verhält, die man ihm mehrfach im ZK gegeben hat und an denenich nicht unbeteiligt bin, und wenn er sich diesbezüglich nicht mäßigt,

dann fällt e r unweigerlich und endgültig in den Sumpf, wie das heute ge-schehen ist.Das pflegt den Leuten sehr unangenehm zu sein, die gern ihre Natur

herauskehren; dieses Streben ist berechtigt, wenn jemand von der N aturreich ausgestattet ist, und er möchte das zeigen. Das ist nur recht undbillig. Aber das ZK muß darauf achten, daß es Nutzen bringt, wenn dieNatur herausgekehrt wird. Das ZK muß es so einrichten, daß die Über-legung über das Kabinett beschnitten w ird, sogar dann , wenn der M ann,der sozusagen der Beschneidung unterzogen wird, sich beklagen sollte.

Das wird nützlich sein. Man muß maßhalten mit seinen Fähigkeiten, umnicht in diesem Sumpf zu landen, muß sich mit den Genossen in denVolkskommissariaten beraten und eine gemeinsame Linie verfolgen. Istdenn bei uns auch nur in einem einzigen Volkskommissariat je etwasohne Auseinandersetzungen zustande gekommen? Das gab es nicht.

„Verbesserung des Systems der Leitung und psychologische Mobilisie-rung der Massen." Das ist glatter Mord! Würde sich der Parteitag aufeinen solchen Standpunkt der politischen Reaktion stellen, so wäre das diesicherste und beste Methode des Selbstmords.

„Verbesserung des Systems der Leitung." Gebe Gott, daß wir einenWeg finden, um aus dem jetzt bestehenden Durcheinander herauszu-kommen.

Wir haben kein System?! Fünf Jahre lang sind die besten Kräfte dar-auf verwandt worden, dieses System zu schaffen! Dieses System ist eingewaltiger Schritt vorwärts.

Der praktische Apparat ist schlecht! Wissen wir, wie die Sache steht?Wir wissen es nicht! Aber Ossinski spricht, als wüßte er es. Er ist im-

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XL Parteitag der XPJiCB) 305

revolutionär Kamkow bereits 1918 gehört. Und wenn Kamkow, der diese

Argumente m it Kanonendonner begleitete, keinen Eindruck m achte, dannwird Larin um so weniger Eindruck machen. Jetzt muß man diese Auf-gaben auf die Hauptmomente unserer Neuen Ökonomischen Politik an-wenden. Hier versuchte Gen. Larin, die Partei in einer falschen Richtungzu fuhren; wäre er aber mit etwas beschäftigt, wofür er eine MengeFähigkeiten mitbringen und wom it er der Jugend großen Nutzen bringenwürde und wo er uns keinen solchen Streich spielen könnte, wie er ihnsich in der Staatlichen Plankommission geleistet hat, dann wäre das etwasganz anderes. Dort hinterließe Gen. Larin Spuren für die junge Genera-

tion. Ich denke, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt. Und es gäbenicht die Verwirrung, die Larin hier hineingetragen hat.

Ich habe gesagt, da ß Kamenew im Politbüro eine Direktive bean tragte,die Einfuhr von Lebensmitteln für nützlich zu erachten und Konservenfür sowjetisches Geld zu kaufen. Larin hat hier gesessen und alles aus-gezeichnet gehört, er erinnert sich sehr wohl an alles, tritt dann auf dieTribüne und sagt: „Lenin hat wegen seiner Krankheit — wir wollen ihmdiesmal verzeihen — vergessen, daß man sich wegen Ausgaben aus demGoldfonds an das Politbüro wenden m aß ." H ätte Gen. Kamenew vor-

geschlagen, daß wir für den Ankauf von Konserven französischen Speku-lanten etwas aus dem Goldfonds geben sollen, so hätten wir ihn gar nichterst angehört. Nicht eine einzige Goldkopeke haben wir für die Konservenausgegeben, wir haben dafür sowjetisches Papiergeld gegeben und sie— stellen Sie sich vor — gekauft. Wulfson hat mir gestern sogar ver-sichert, diese Konserven seien von guter Qualität (obwohl sie noch nichtangekommen sind). Aber ich glaube ihm nicht, wir wollen sie erst probie-ren, denn hier kann noch Betrog im Spiele sein. Es geht jedoch darum,daß Larin sich hier selber geirrt hat: nicht eine einzige Kopeke in Goldhaben wir ausgegeben, sondern 160 Milliarden sowjetisches Papiergeld.

Natürlich w äre es lächerlich und unsinnig zu glauben, L arin spräche ausböser Absicht so; nein, nicht das ist es, vielmehr geht seine PhantasieBillionen Kilometer mit ihm durch, und daher kommt die ganze Konfusion.

Ferner sagte er, dieStaatüche Plankommission hätte vorgeschlagen, dreiViertel des Eisenbahntransports zu verpachten. Gut, daß er das auf demParteitag sagte, wo ihn Krshishanowski sofort widerlegte. Das klapptnicht immer so. Aber glauben Sie, daß m an nur auf dem Parteitag so zu

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306 IV.1. Lenin

sprechen versucht? Man braucht sich bloß in der ZKK zu erkundigen, wie

sie den Fall des Moskauer Debattierklubs60

untersuchten, warum es über-haupt zum Fall des Moskauer Debattierklubs kam, wo die Genossen Larinund Rjasanow ( Z w i s c h e n r u f R j a s a n o w s : „O ber denGoldfonds habe ich dort nicht gesprochen, es wurden schlimmere Dingegesagt.") Ich war nicht in Moskau und habe an der Untersuchung nichtteilgenommen, sondern erhielt nur eine kurze Information. ( R j a s a n o w :„Man darf nicht jedem Gerücht glauben.") Ich weiß das aus einem Ge-spräch mit Gen. Solz, das ist kein Gerücht, sondern ein Gespräch mitjemand, der vom Parteitag, der höchsten Instanz, in die ZKK delegiert

wurde, und er hat mir das gesagt, und was er mir gesagt hat, kann keiner-lei Zweifel hervorrufen. Man m uß sehr leichtsinnig sein, um das als Ge-rücht zu bezeichnen. Die ZKK hat das Treiben des Debattierklubs unter-sucht und mußte einstimmig feststellen, daß die Sache nicht in Ordnungwar. Mir ist klar, worin der Fehler besteht. Larin hat sich heute so ganznebenbei, denn er ha t sich hinreißen lassen, seine eigene Rede hat ihn an-gefeuert, zu der Behauptung verstiegen, man hätte drei Viertel des Eisen-bahntransports verpachten wollen, und das ZK hätte das korrigiert.Krshishanowski sagt, daß nichts dergleichen geschehen ist — das ZK hat

nichts korrigiert, aber Larin ha t Verwirrung gestiftet. So geht es ständig.Wir haben in vier Jahren nicht lernen können, den nützlichen Mit-arbeiter Larin an eine wirklich nützliche Arbeit zu setzen und ihn vonsolcher Arbeit wegzunehmen, bei der er gegen seinen Willen Schadenbringt.

Es klingt geradezu widernatürlich: Diktatur des Proletariats, terro-ristische Macht, Sieg über alle Armeen der Welt, nur kein Sieg über dieArmee eines Larin. Eine vollständige N iederlage! Er küm mert sich immerum das, worum er sich nicht kümmern sollte. Sein umfangreiches Wissen

und seine Fähigkeit, die Menschen zu begeistern, könnten der jungen Ge-neration, die im dunkeln tapp t, wirklichen Nutzen bringen. W ir verstehensein Wissen nicht auszunutzen, daher kommt es zu Reibungen und zuW iderstand; das Politbüro, das O rgbüro des ZK, die Plenartagungen desZK, denen m an vorwirft, sie besäßen übermäßig viel Macht, haben, wiesich zeigt, zuwenig Macht oder A utorität, um alle Genossen an den rich-tigen Platz zu stellen.

Darüber muß man nachdenken und dieses Problem ernsthaft erörtern.

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XL Parteitag derXPR(B) 307

Darin liegt der Schwerpunkt der Arbeit, das muß man korrigieren. W enn

wir das korrigieren, werden wir aus den Schwierigkeiten herauskommen.W ir werden das durch eine Korrektur erreichen, nicht aber dadurch, daß w irüber die neuen Aufgaben des Agrarprogramms sprechen, wie das Ossinskiund Larin getan haben. Ich habe d arübe r eine Beurteilung an das ZK ge-schrieben.61 Jetzt werde ich nicht darüber sprechen — jedes Parteimitglied,das sich dafür interessiert, hat das Recht, sie im Sekretariat einzusehenund durchzulesen. Bitte schön! W enn wir die Kräfte Larins und Ossinskisriditig einsetzen und ihren falschen Bestrebungen einen Riegel, vorschieben,werden wir aus der Verwendung ihrer Kräfte gewaltigen Nutzen ziehen.

Ich schließe mit ein paar Worten über Schljapnikow. Ich wollte mehrüber ihn sagen. Tro tzki, der im Auftrag des ZK zusammen mit Sinowjewin der Komintern eine An twort auf die Erklärung der 226a gab, hat diesesThema zu 99 Prozent erschöpft.

Gen. Schljapnikow hat erstens so getan, als ob er nicht verstanden hätte,was ich über Maschinengewehre und Panikmacher sagte; er scherzte d ar-über, daß man über ihn so oft zu Gericht gesessen hätte. Genossen, einScherz ist gewiß eine gute Sache. Ohne Scherze kommt man natürlich ineiner großen Versammlung nicht aus, denn die Leute sind ermüdet; man

muß das menschlich verstehen. Aber es gibt Dinge, über die man nichtscherzen darf; es gibt solche Dinge wie die Einheit der Partei.In einer Situation, wo wir von allen Seiten von Feinden umgeben sind,

wo die internationale Bourgeoisie klug genug ist, Miljukow eine Links-schwenkung machen zu lassen, die Sozialrevolutionäre mit Geld für dieHerausgabe beliebiger Zeitungen zu versehen, Vandervelde und OttoBauer vorzuschieben, damit sie wegen des Gerichtsverfahrens gegen dieSozialrevolutionäre eine Kampagne organisieren und schreien, die Bol-schewiki seien Bestien; wo diese Leute, die jahrhundertelang gelernt

haben, Politik zu machen, über Milliarden von Goldrubeln, Francs usw.verfügen, wo wir all dies gegen uns haben — in einer solchen Situation zuscherzen, wie Gen. Schljapnikow scherzt, daß m an „über mich im Z K zuGericht gesessen hat" usw., das ist traurig, Genossen. De r Parteitag mußbestimm te Schlußfolgerungen ziehen. W ir halten im ZK nicht ohne GrundGerichtssitzungen ab! Das Gericht über Schljapnikow hat stattgefunden,und es fehlten im ZK nur drei Stimmen, um ihn aus der Partei auszu-schließen.63 Die auf dem Parteitag versammelten Mitglieder der Partei

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308 W.l Lenin

sollten sich dafür interessieren und das Protokoll dieser Sitzung des ZK

einsehen. Darüber scherzt man nicht!Sie haben das legitime Recht, sich an die Komintern zu wenden. Aber

schon lange vorher war die große Mehrheit des ZK für den Ausschlußdes Gen. Schljapnikow — nnr die vorgeschriebenen zwei Drittel der Stim-men worden nicht erreicht. Darüber darf man nicht scherzen! Sie solltensich wirklich darüber informieren, daß Gen . Schljapnikow in der Frak-tionssitzung der Teilnehmer am Verbandstag der Metallarbeiter direktfür die Spaltung agitiert hat.

Über die Rolle der Broschüre von Genossin K ollontai« hat Gen. Trotzki

gesprochen.W enn wir m it solchen Dingen scherzen, dann kann keine Rede davon

sein, daß wir die schwierige Lage, in der wir uns befinden, meistern w er-den. Dafür, daß wir sie meistern, habe ich drei Bedingungen genannt:erstens — wenn es keine Intervention geben wird, zweitens — wenn dieFinanzkrise nicht zn schwer sein wird, drittens — daß wir keine poli-tischen Fehler machen.

Einer der Redner hier sagte, ich hätte von politischen Komplikationengesprochen. Nein, ich habe von politischen Fehlern gesprochen. Wenn wirkeinen politischen Fehler machen, dann kann ich sagen, daß 99 Prozentder Partei mit ans gehen werden ebenso wie die parteilosen Arbeiter undBauern, die begreifen werden, daß jetzt eine Zeit des Lernens ist.

Ich erinnere daran, daß Gen. Trotzk i in seinem Artikel zum Jahrestagder Roten Armee schrieb: „Ein Jahr des Lernens." Sowohl für die Parteials auch für die Arbeiterklasse ist diese Losung gleichermaßen zutreffend.Wir haben während dieser Zeit viele heroische Menschen um uns ge-schart, die den Umschwung in der Weltgeschichte unbedingt gefestigthaben . Das ist keine Rechtfertigung dafür, daß wir die Aufgabe, vor der

wir jetzt stehen — „ein Jahr des Lernens" — nicht verstanden haben.Wir stehen jetzt viel stärker da, als wir vor einem Jahr dagestanden

haben. Natürlich wird die Bourgeoisie auch jetzt versuchen, eine neueIntervention zu unternehmen, aber es wird ihr schwerer fallen als früher,heu te ist das schwerer als gestern.

Um wirklich lernen zu können, dürfen wir keinen politischen Fehlerzulassen. W ir dürfen nicht die Zeit damit vergeuden, m it der Einheit derPartei zu spielen, wie dies Gen. Schljapnikow tut. Damit darf man nicht

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XI. Parteitag der KPJICB) 309

spielen! Wir wissen, daß wir durch den Kampf innerhalb der Partei nicht

wenig verlieren. Genossen, diese Lehre dürfen wir nicht vergessen! Undhinsichtlich dieses Jahres kann das ZK mit vollem Recht sagen, daß diePartei zu diesem Parteitag weniger fraktionell gespalten undmehr geeintgekommen ist als imvergangenen Jahr. Ich möchte nicht prahlen, daß allesFraktionelle aus unserer Partei verschwunden ist. Aber daß dieser Frak-tionsgeist geringer geworden ist, das ist eine ganz unbestreitbare, bereitsbewiesene Tatsache.

Sie wissen, daß die „Arbeiteropposition" nur noch ein Bruchstück dereinstigen Gruppe ist. Vergleichen Sie die Unterschriften der E rklärung der

22 mit den Unterschriften der Plattform, die vor dem X. Parteitag erschie-nen war. Es sind nicht mehr alle Unterschriften. Den Leuten, die vonihrem legitimen Recht, sich an die Komintern zu wenden, Gebrauch ge-macht haben, muß man sagen, daß es nicht legitim war, für Mjasnikoweinzutreten. Die Geschichte mit Mjasnikow hat sich im Sommer des ver-gangenen Jahres zugetragen. Ich war damals nicht in Moskau und schriebihm einen langen Brief65, den er in seiner Broschüre veröffentlichte. Ichsah, daß er ein fähiger Mensch ist, daß es sich lohn t, mit ihm zu sprechen,aber man m uß diesem Menschen sagen, daß es unzulässig ist, wenn ermit

einer solchen Kritik auftritt.Er schreibt einen Brief: Nehmt in dem betreffenden Bezirk alle Un-

zufriedenen zusammen. Ja, es ist sehr leicht, in dembetreffenden Bezirkalle Unzufriedenen zusammenzunehmen. Das sind dieReden, die

Schljapnikow hier gehalten hat und die Gen. Medwedew anderswo hält.( Z w i s c h e n r u f M e d w e d e w s : „ Wer inform iert Sie?") Michinformieren die Instanzen, die vom Parteitag der KPR eingesetzt sind: dasOrgbüro des ZK, das Sekretariat des ZK, die ZKK. Wenden Sie sich andiese Instanzen, wenn Sie wollen, und Sie werden sehen, was für Reden

Gen. Medwedew hält. W enn das nicht aufhört, dann werden wir die Ein-heit nicht bewahren, das aber ist wohl die größte Errungenschaft: unsereFehler schonungslos aufdecken und über sie sprechen. Wenn wir das klarerkennen — und auf diesem Parteitag wird das erreicht —, dann bestehtnicht der geringste Zweifel, daß wir sie zu überwinden vermögen.(Stürmischer Beifall.)

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310 TV.I.Lenin

REDE BEI DER SCHLIESSUNG DES PARTEITAGS2. APRIL

Genossen! Wir sind am Schluß der Arbeit unseres Parteitags angelangtDer erste Unterschied, der bei einem Vergleich dieses Parteitags mit

dem vorigen ins Auge fallt, ist die größere Geschlossenheit, die größereEinmütigkeit, die größere organisatorische Einheit

N ur ein kleiner Teil eines Teils de r Opposition auf dem vorigen Parte i-tag hat sich außerhalb der Partei gestellt

In der Frage der Gewerkschaften und in der Frage der Neuen ökono-mischen Politik haben sich in unserer Partei keine Meinungsverschieden-

heiten gezeigt oder jedenfalls nicht in irgendwie bemerkbarem Ausmaßgezeigt

Das Grundlegende und Hauptsächliche, was uns dieser Parteitag an„Neuem" gegeben hat, das ist der lebendige Beweis, daß unsere Feindeunrecht haben, die unermüdlich behaupteten und behaupten, unsere Par-tei werde altersschwach, verliere die Elastizität des Geistes und die Elasti-zität ihres ganzen Organismus.

Nein, diese Elastizität haben wir nicht verloren.Als es nötig war — nach der gesamten objektiven Lage der Dinge so-

wohl in Rußland als auch in der ganzen Welt — vorzustoßen, den Feindmit grenzenloser Kühnheit, Schnelligkeit und Entschlossenheit anzugrei-fen, da griffen wir auch an. Und wenn es nötig sein sollte, werden wirdasselbe noch einmal und noch mehr als einmal zu tun wissen.

Wir haben damit unsere Revolution auf eine in der Welt noch niegesehene Höhe gehoben. Keine Macht der Welt, wieviel Unheil, Elendund Qualen sie auch noch über Millionen und aber Millionen von Men-schen bringen mag, wird die Haupterrungenschaften unserer Revolution

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XI.  "Parteitag der XPKCB) 311

rückgängig machen können, denn das sind jetzt schon nicht mehr „unsere"

sondern weltgeschichtliche Errungenschaften.Und als sich zum Frühjahr 1921 herausstellte, daß unserem Vortrupp

der Revolution d ie Gefahr drohte , sich von der Masse des Volkes, von de rMasse der Bauernschaft, die er mit Geschick vorwärtsführen soll, zulösen, da beschlossen wir einmütig und felsenfest, den Rückzug anzutre-ten. U nd im abgelaufenen Jah r zogen wir uns, im großen u nd ganzen, inrevolutionärer Ordnung zurück.

Die Revolutionen des Proletariats, die in allen fortgeschrittenen Län-dern der W elt heranreifen, werden ihre Aufgabe nicht lösen können, wenn

sie die Fähigkeit, hingebungsvoll zu kämpfen und anzugreifen, nicht mitder Fähigkeit vereinen, sich in revolutionärer Ordnung zurückzuziehen.Die Erfahrung der zweiten Etappe unseres Kampfes, d. h. die Erfahrungdes Rückzugs, wird vermutlich in Zukunft den Arbeitern zumindest ineinigen Ländern ebenfalls zugute kommen, wie unsere Erfahrung derersten Etappe der R evolution, die Erfahrung des grenzenlos kühnen An-griffs, zweifellos den Arbeitern aller Länder zugute kommen wird.

Nunmehr haben wir beschlossen, den Rückzug für beendet zu erklären.Das bedeutet, daß unsere ganze politische Aufgabe ein neues Gesicht

annimmt.

Der Angelpunkt liegt jetzt darin, daß die Avantgarde nicht davorzurückscheut, an sich selbst zu arbeiten, sich selbst umzumodeln, ihre un-zulängliche Vorbildung, ihr unzulängliches Können offen einzugestehen.Der Angelpunkt liegt darin, daß man sich jetzt in ungleich größerer undgewaltigerer Masse vorwärtsbewegt, nicht anders als gemeinsam mit derBauernschaft, indem man ihr durch die Tat, durch die Praxis, durch dieErfahrung beweist, daß wir lernen und erlernen werden, wie man ihrhelfen, wie man sie vorwärtsführen soll. Diese Aufgabe kan n bei der ge-

gebenen internationalen Lage, bei dem gegebenen Stand der Produktiv-kräfte Rußlands nur dann gelöst werden, wenn ihre Lösung sehr lang-sam, behutsam, sachkundig erfolgt und jeder unserer Schritte tausendfachpraktisch überprüft wird.

Sollten sich in unserer Partei Stimmen gegen dieses äußerst langsameund äußerst behutsame Vorgehen erheben, so werden das vereinzelteStimmen sein.

Die Partei ha t als Ganzes begriffen, u nd sie wird das jetzt durch Taten

21 Lenin, Werke, Bd. 33

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312 W. 3. Lenin

beweisen, daß es notwendig ist, ihre Arbeit im gegenwärtigen Augenblick

gerade so und nu r so einzurichten. Und da wir das begriffen haben, wer-den wir auch imstande sein, unser Ziel zu erreichen!

Ich erkläre den XI. Parteitag der Kommunistischen Partei Rußlands fürgeschlossen.

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313

ZUM RESOLUTIONSENTWURF DES XI . PARTEITAGSÜBER DIE ARBEIT AUF DEM LANDES"

Brief an N. Ossinski

1. IV. 1922

Gen. O ssinski!Ich habe mir das Gespräch, das wir über die Arbeit der landwirtschaft-

lichen Sektion des Parteitags hatten, durch den Kopf gehen lassen und binzu dem Schluß gekommen, daß jetzt folgende Aufgabe am wichtigstenist:

sich nicht die Hände binden (weder der Partei noch derSowjetmacht) durch irgendwelche Vorschriften, Direktiven

oder Anordnungen, solange wir nicht genügend Tatsachenaus dem Wirtschaftsleben im Lande draußen gesammelt* haben, solange wir nicht genügend die tatsächlichen Bedin-

gungen und Bedürfnisse der heutigen bäuerlichen Wirtschaftuntersucht haben;

auf keinen Fall zulassen, was gegenwärtig äußerst gefähr-lich und schändlich wäre und worauf die örtlichen Organeleicht verfallen könnten, nämlich: eine unnütze und erfolg-lose, übereilte und durch die Praxis nicht überprüfte Re-

glementierung.Der letzte Sowjetkongreß hat die Linie gegeben. Die Aufgabe desParteitags besteht meiner Ansicht nach darin, in der landwirtschaftlichenSektion ihre Anwendung vom Standpunkt der örtlichen Praxis und Er-fahrung zu beraten; sowohl das Zentralkomitee der KPR als auch dasVolkskommissariat für Landwirtschaft (die Sowjetmacht überhaupt) an-zuweisen, die der Überprüfung dienenden Fakten sorgfältiger und voll-ständiger zu sammeln; der kommunistischen Fraktion der nächsten Tagung

21 *

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314 "W J.Lenin

des Gesamtrussischen ZEK die Anweisung oder, richtiger gesagt, die

Direktive zu geben, bei der Detaillisierung des Beschlusses des Sowjet-kongress es, d. h. bei de r Um w and lun g dieses Beschlusses in neue u ndmehr ins einzelne gehende Gesetze, so vorsichtig wie möglich zu sein,dam it die erfolgreiche Entwicklung der landwirtschaftlichen Pro duk tionnicht durch eine ungeschickte Einmischung erschwert wird.

Am meisten auf der Welt muß man sich meiner Meinung nach jetzteben vor einer ungeschickten Einmischung hüten, solange wir die wirk-lichen Bedürfnisse des örüidien landwirtschaftlichen Lebens und die wirk-lichen Fähigkeiten unseres örtlichen Machtapparats (die Fähigkeiten, nicht

Böses zu tun in der redlichen Absicht, Gutes zu tun) nicht gründlichstudier t haben.

Deshalb würde ich mir die erwünschte Resolution des Parteitags aufGrund der Arbeit der landwirtschaftlichen Sektion ung ef äbr in fol-gender Form vorstellen:

1. D er Parteitag nim mt die Mitteilung über die Arbeit derlandwirtschaftlichen Sektion zur Kenntnis; er konstatiert dieUnzulänglichkeit des gesammelten Materials über die Er-fahrungen in der örtlichen Arbeit und stellt sowohl der Par-

tei als auch de n komm unistischen Frak tionen in allen Sowjet-institutionen die vordringliche Aufgabe, die örtlichen prak-tischen Erfahrungen sorgfältig zu sammeln und höchstaufmerksam zu studieren.

2. Der Par tei tag häl t d ie Maßnahmen zur Auseinander-jagung (oder überstürzten Ummodelung?) von Einrichtun-gen der landwirtschaftlichen Genossenschaften für falschund empfiehlt, in dieser Hinsicht die größte Vorsicht waltenzu lassen.

3. Was die Bedingungen für die Verwendung von Lohn-arbeit in der Landwirtschaft und die Pacht von Grund undBoden betrifft, so empfiehlt der Parteitag allen auf diesemGebiet tätigen Funktionären, weder das eine noch das anderedurch überflüssige Formalitäten zu erschweren und sich dar-auf z u besch ränken, den Beschluß des letzten Sow jetkongres-ses durchzuführen sowie zu untersuchen, durch welche prak -tischen M aßna hm en Extreme und schädliche Übertreibu ngen

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Zum Resolutionsentwurf des XI. Parteitags über die Arbeit auf dem Lande 315

in der erwähnten Hinsicht zweckmäßig eingeschränkt wer-

den können.4. Das vordringlichste und wichtigste Ziel der gesamtenParteiarbeit unter der Bauernschaft sieht der Parteitag in derpraktischen Hilfe bei der sofortigen Erweiterung der Saat-fläche, der Vergrößerung der Anbaufläche, der Vermehrungder landwirtschaftlichen Produkte und bei der Linderung derschweren Not der Bauernschaft; dabei ist die Hilfe für denärmsten Teil der Bauernschaft mit allen Kräften und Mittelnzu unterstützen und zu fördern und durch beharrliche Ar-

beit die Ausarbeitung von Maßnahmen anzustreben, diesich hierfür sogar unter den gegenwärtigen schwierigen Be-dingungen in der Praxis als geeignet erweisen.

Mit kommunistischem GrußCentn

Zuerst veröftentUdit 1925. flach dem Manuskript

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W I R H A B E N Z U T E U E R B E Z A H L T « 7

Man stelle sich vor, daß ein Vertreter der Kommunisten in einen Raumeindringen muß, in dem die Beauftragten der Bourgeoisie vor einer ziem-lich zahlreichen Versammlung von Arbeitern ihre Propaganda treiben.Man stelle sich ferner vor, daß die Bourgeoisie von uns für den E intritt indiesen Raum eine hohe Bezahlung verlangt. Wenn die Bezahlung nichtvorher vereinbart war, so müssen wir selbstverständlich feilschen, um dasBudget unserer Partei nicht zu stark zu belasten. Wenn wir für den Ein-tritt in diesen Raum zu teuer bezahlt haben, so haben wir zweifellos einen

Fehler begangen. Aber lieber teuer bezahlen — wenigstens solange wirdas Feilschen nicht gehörig gelernt haben —, als auf die Möglichkeit ver-zichten, unser Wort an Arbeiter zu richten, die bisher sozusagen unterder ausschließlichen „Botmäßigkeit" der Reformisten, d. h. der treuestenFreunde der Bourgeoisie, gestanden haben.

Dieser Vergleich fiel mir ein, als ich in der heutigen „Prawda" dentelegrafischen Bericht aus Berlin über die Bedingungen las, unter denenzwischen den Vertretern der drei Internationalen eine Vereinbarung er-zielt worden ist.

Unsere Vertreter haben nach meiner Überzeugung falsch gehandelt, alssie zu den folgenden zwei Bedingungen ihre Zustimmung gaben: erste Be-dingung, daß die Sowjetmacht in der Strafsache gegen die 47 Sozialrevo-lutionäre nicht die Todesstrafe verhängen wird; zweite Bedingung, daßdie Sowjetmacht den Vertretern aller drei Internationalen die Anwesen-heit bei der Gerichtsverhandlung erlauben wird.

Diese beiden Bedingungen sind nichts anderes als ein politisches Zu-geständnis, das das revolutionäre Proletariat der reaktionären Bourgeoisie

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Wir haben zu teuer bezahlt 317

gemacht hat. Sollte irgend jemand an der Richtigkeit dieser Definition

zweifeln, so braucht man einem solchen Menschen zur Aufdeckung seinerpolitischen Naivität nur die Frage zu stellen: Würde die englische odereine andere zeitgenössische Regierung ihre Zustimmung dazu geben, daßVertreter aller drei Internationalen beim Proz eß gegen die des Aufstandsangeklagten irischen Arbeiter anwesend sind? Oder beim Prozeß gegendie wegen des kürzlichen A ufstands in Südafrika68 angeklagten Arbeiter?Wäre die englische oder eine andere Regierung in diesen und ähnlichenFällen bereit, das Versprechen zu geben, daß sie über ihre politischenGegner nicht die Todesstrafe verhängt? Man braucht über diese Frage

nur kurz nachzudenken, um die folgende einfache W ahrheit zu begreifen:Wir haben es in der ganzen Welt mit dem Kampf der reaktionären Bour-geoisie gegen das revolutionäre Proletariat zu tun. Im gegebenen Fallmacht die Kommunistische Internationale, die in diesem Kampf die eineSeite vertritt, der anderen Seite, der reaktionären Bourgeoisie, ein poli-tisches Zugeständnis. Denn alle Welt weiß (mit Ausnahme derer, die dieoffenkundige Wahrheit verhehlen wollen), daß die Sozialrevolutionäreauf die Kommunisten geschossen und Aufstände gegen sie angezettelthaben, wobei sie faktisch, und manchmal auch formell, mit der ganzen

internationalen reaktionären Bourgeoisie in Einheitsfront vorgegangensind.

Es fragt sich, was für ein Zugeständnis hat uns dafür die internationaleBourgeoisie gemacht? Darauf kann es nur eine einzige An twort geben: Sieha t uns keinerlei Zugeständnis gemacht.

N ur Betrachtungen, die diese einfache und klare W ahrh eit des Klassen-kampfes verschleiern, nur Betrachtungen, die den Arbeitern und werk-tätigen Massen Sand in die Augen streuen, können diese offenkundigeWahrheit zu verschleiern suchen. Mit der in Berlin von den Vertretern

der III. Internationale unterzeichneten Vereinbarung haben wir der inter-nationalen Bourgeoisie bereits zwei politische Zugeständnisse gemacht.Von ihr haben wir dafür keinerlei Zugeständnis erhalten.

Die Vertreter der II. und der zweieinhalbten Internationale haben dieRolle von Erpressern eines politischen Zugeständnisses gespielt, das dasProletaria t der Bourgeoisie gemacht hat, wobei sie sich entschieden weiger-ten , irgendein politisches Zugeständnis der internationalen Bourgeoisie zu-gunsten des revolutionären Proletariats durchzusetzen oder auch nur den

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318 TV.3.£enin

Versuch dazu zu machen. Natürlich wurde diese unbestreitbare politische

Tatsache von den geschickten Vertretern der bürgerlichen Dip lomatie ver̂schieiert (die Bourgeoisie ha t die Ver treter ihrer Klasse viele Jahrhunder tehindurch zu guten Diplomaten ausgebildet), aber der Versuch, diese Tat-sache zu verschleiern, ändert nicht das geringste an der Tatsache selbst.Ob diese oder jene Vertreter der II. und der zweieinhalbten Internatio-nale direkt oder indirekt mit der Bourgeoisie in Verbindung gestandenhaben, das ist im gegebenen Fall eine völlig untergeordnete Frage. Wirbeschuldigen sie nicht der d irekten Verbindung. Es tut ganz und gar nichtszur Sache, ob hier eine direkte oder eine ziemlich verworrene indirekte

Verbindung bestanden hat. Zur Sache gehört nur, daß die Kominternunter dem Druck der Bevollmächtigten der II. und der zweieinhalbtenInternationale der internationalen Bourgeoisie ein politisches Zugeständnisgemacht hat und daß wir im Austausch dafür keinerlei Zugeständniserhalten haben.

W as für eine Schlußfolgerung ergibt sich daraus?Vor allem die, daß Radek, Budiarin und die anderen Genossen, die die

Kommunistische Internationale vertraten, falsch gehandelt haben.W eiter. Folgt daraus, daß wir das von ihnen unterzeichnete Abkommen

zerreißen sollen? Nein. Ich denke, daß eine derartige Schlußfolgerungunrichtig wäre und daß w ir das unterzeichnete Abkommen nicht zu zer-reißen brauchen. W ir haben bloß die Schlußfolgerung zu ziehen, daß sichdie bürgerlichen Diplomaten diesmal geschickter gezeigt haben als dieunseren und d aß w ir das nächste Mal — wenn die Bezahlung für den Ein-laß in den Raum nicht im voraus vereinbart w ird — geschickter feilschenund manövrieren müssen. Wir werden es uns zur Regel machen müs-sen, der internationalen Bourgeoisie keine politischen Zugeständnisse zumachen (so geschickt auch diese Zugeständnisse durch beliebige Vermitt-

ler verschleiert sein mögen), wenn wir dafür nicht mehr oder mindergleichwertige Zugeständnisse von der internationalen Bourgeoisie zu-gunsten Sowjetrußlands oder zugunsten anderer Kampftrupps des mitdem Kapitalismus ringenden internationalen Proletariats erhalten.

Es ist möglich, daß die italienischen Kommunisten und ein Teil derfranzösischen Komm unisten und Syndikalisten, die gegen- die Takt ik derEinheitsfront w aren, aus den oben angeführten Betrachtangen die Schluß-folgerung ziehen werden, daß die Einheitsfronttaktik verfehlt sei. Diese

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"Wir haben zu teuer bezahlt 319

Schlußfolgerung wäre offenkundig falsch. Wenn die Bevollmächtigten der

Kommunisten für den Eintritt in einen Raum, in dem sie eine gewisse,wenn auch nicht große Möglichkeit haben, sich an die bisher unter aus-schließlicher „Botmäßigkeit" der Reformisten stehenden Arbeiter zu wen-den, zu teuer bezah lt haben, so muß man danach trachten, diesen Fehlerbeim nächsten Mal zu vermeiden. Doch wäre es ein unvergleichlichgrößerer Fehler, alle Bedingungen und jede Bezahlung für das Eindringenin diesen, ziemlich stark bewachten, verschlossenen Raum abzulehnen.Der Fehler Radeks, Bucharins und der anderen Genossen ist nicht groß;er ist dies um so weniger, als wir uns höchstens dem Risiko aussetzen, daß

die Gegner Sowjetrußlands, durch das Ergebnis der Berliner Beratungangespornt, zwei oder drei vielleicht erfolgreiche Attentate auf einzelnePersonen unternehmen werden. Denn sie wissen jetzt im voraus, daß sieauf Komm unisten schießen können und dabei Aussichten haben, daß eineBeratung wie die Berliner die Kommunisten hindern wird, auf sie zuschießen.

Auf jeden Fall haben wir jedoch in den verschlossenen Raum eine ge-wisse Bresche geschlagen. Auf jeden Fall ist es dem Gen. Radek gelungen,wenigstens vor einem Teil der Arbeiter die Tatsache zu enthüllen, daß

sich die II. Internationale geweigert hat, die Losung der Annullierung desVersailler Vertrages un ter die Demonstrationslosungen aufzunehmen. Dergroße Fehler der italienischen Kommunisten und eines Teils der franzö-sischen Kommunisten und Syndikalisten besteht darin, daß sie sich mitdem W issen begnügen, das sie haben . Sie geben sich damit zufrieden, daßsie genau wissen, daß die Vertreter der II. und der zweieinhalbten Inter-nationale, ebenso wie die H erren Paul Levi, Se rrati usw. höchst geschickteBeauftragte der Bourgeoisie und Wegbereiter ihres Einflusses sind. Aberdie Leute und die Arbeiter, die das wirklich mit Sicherheit wissen und die

Bedeutung dieser Tatsache wirklich begreifen, sind in Italien wie in Eng-land, in Amerika wie in Frankreich zweifellos eine Minderheit. Die Kom-munisten dürfen nicht im eigenen Saft schmoren, sondern müssen lernen,so zu Handeln, daß sie, ohne vor gewissen Opfern haltzumachen, ohne diebeim Beginn eines jeden neuen und schwierigen Werkes unvermeidlichenFehler zu scheuen, in den verschlossenen Raum eindringen, in dem dieVertreter der Bourgeoisie auf die Arbeiter einwirken. Kommunisten, diedas nicht verstehen wollen und das nicht lernen wollen, können nicht da r-

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320 IV.I.Lenin

auf hoffen, unter der Arbeiterschaft die Mehrheit zu erlangen, jedenfalls

aber erschweren und verzögern sie die Erlangung dieser Mehrheit. Dasaber ist für Komm unisten und für alle wirklichen Anhänger der Arbeiter-revolution schon eine völlig unverzeihliche Sache.

Die Bourgeoisie hat sich in Person ihrer Diplomaten noch einmal ge-schickter gezeigt als die Vertreter der Kommunistischen Internationale.Das ist die Lehre der Berliner Beratung. Diese Lehre werden wir nichtvergessen. Wir werden aus dieser Lehre alle notwendigen Schlußfolge-rungen ziehen. Die Vertreter der II. und der zweieinhalbten Internatio-nale brauchen die Einheitsfront, denn sie hoffen, uns durch übermäßige

Zugeständnisse von unserer Seite zu schwächen; sie hoffen, in unseren,den kommunistischen Raum ohne jede Bezahlung einzudringen; sie hof-fen, die Arbeiter mittels der Einheitsfronttaktik von der Richtigkeit derreformistischen und von der Unrichtigkeit der revolutionären Taktik zuüberzeugen. Wir brauchen die Einheitsfront, weil wir die Arbeiter vomGegenteil zu überzeugen hoffen. Die Fehler unserer kommunistischenVertreter aber werden wir ihnen selbst und denjenigen Parteien zur Lastlegen, die diese Fehler begehen, und wir werden bestrebt sein, am Beispieldieser Fehler zu lernen und zu erreichen, daß sie sich in Zukunft nicht

wiederholen. Keinesfalls jedoch werden wir Fehler unserer Kommunistenden Massen des Proletariats zur Last legen, das in der ganzen Welt demAnsturm des angreifenden Kapitals gegenübersteht. Um diesen Massenim Kampf gegen das Kapital zu helfen, um ihnen zu helfen, die „kniff-lige Mechanik" der zwei Fronten in der ganzen internationalen Wirt-schaft und in der ganzen internationalen Politik zu begreifen — um des-sentwillen haben wir die Taktik der Einheitsfront aufgegriffen und wer-den sie zu Ende führen.

9. April 1922

J>rawda" 'Nr. 81, JeUfonisdi diktiert.i i. April 1922. "Nado dem 7ext der „"Prawda'.

Unterschrift: Lenin.

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321

V E R O R D N U N G Ü B E R D I E A R B E I T

D E R S T E L L V E R T R E T E R

( D E R S T E L L V E R T R E T E R D E S V O R S I T Z E N D E N

D E S R AT S D E R V O L K S K O M M I S S A R E

U N D D E S R A T S

F Ü R A R B E I T U N D V E R T E I D I G U N G ) « »

I. D IE A L L G E M E I N E N U N D G R U N D L E G E N D E NAUFGABEN DER STELLVERTRETER

1. Die H auptarbeit der Stellvertreter, für die sie speziell verantwortlichsind und der alles übrige untergeordnet sein muß, besteht darin, die tat-sächliche Durchführung der Dekrete, Gesetze und V erordnungen zu kon-trollieren; die Stellenpläne der Sowjetinstitutionen zu kürzen,- die Ver-

besserung und Vereinfachung der Arbeitsweise dieser Institutionen zuüberwachen; Bürokratismus und Schlendrian zu bekämpfen.Alles weitere läuft auf eine Detaillisierung dieser Hauptaufgabe oder

auf einzelne Ergänzungen dazu hinaus.

Den Stellvertretern obliegt:1. Darauf zn achten, daß Sowjetangelegenheiten in anderen Institu-

tionen, und zwar sowohl in den Sowjet- als auch in den Parteiinstitutionen(Präsidium des Gesamtrussischen ZEK, Polit- und Orgbüro des Zentral-

komitees der KPR — usw. ohne jede Ausnahme), nur mit Wissen undunter Teilnahme der Stellvertreter behandelt werden.3. Den Rat der Volkskommissare und den Rat für Arbeit und Ver-

teidigung maximal von kleinen Fragen zu endasten, die teils (und vor-wiegend) von den zuständigen Verwaltungsbehörden gelöst werden müs-sen, teils (nämlich in unaufschiebbaren und außerordentlich wichtigenFällen) durch unmittelbare Verfügung der Stellvertreter zu lösen sind.

4. Sorgfältig darüber zu wachen, daß die disponierenden Sitzungen des

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322 W.I.Lenin

Rats für Arbeit und Verteidigung und insbesondere der Kleine Rat der

Volkskommissare'") ihre Arbe it nicht über das unbedingt Notwendige hin-aus ausdehnen, ihre Tätigkeit und die ihnen obliegenden Aufgaben nichtkomplizieren und keine bürokratische Aufblähung und Hypertrophieihrer Funktionen zulassen, sondern von jedem Volkskommissar und vonjeder einzelnen Institution größere Selbständigkeit in ihrer Arbeit undgrößere Verantwortlichkeit fordern.

5. Die Volkskommissare und die unabhängigen Institutionen zur selb-ständigen und verantwortlichen Leitung im Rahmen der ihnen zustehen-den Rechte und der ihnen auferlegten Pflichten anzuhalten.

6. Darauf zu achten, daß die Verantwortlichkeit vor allem der Kolle-giumsmitglieder und der wichtigsten Sowjetfunktionäre, aber auch alleranderen Mitarbeiter des Staatsapparats, ganz genau und individuell fest-gelegt wird, und einen erbarmungslosen Kampf zu führen gegen die herr-schende Verschwommenheit »und Unklarheit in der Frage, was jeder imeinzelnen zu tun hat, und gegen die sich daraus ergebende völlige Ver-antwortungslosigkeit.

7. Eine bestimmte Anzahl nicht nur der höheren, sondern unbedingtauch der mittleren und unteren Sowjetfunktionäre persönlich kennen-

zulernen, indem man sie zu sich bestellt und nach Möglichkeit in einzelneInstitutionen Moskaus und in die Provinz fährt, um die Menschen zuprüfen und auszuwählen sowie den Sowjetapparat tatsächlich zu ver-bessern.

8. Diejenigen Volkskommissariate, ihre Abteilungen und Institutionen,die eine gewisse Zeit lang außerordentlich vorrangige Bedeutung erlangen,sind in Kampfzustand zu versetzen und durch Arbeitskräfte, M ittel, per-sönliche Ratschläge der Stellvertreter u. ä. maximal zu unterstützen.

II . S P E Z I E L L E F R A G E N B E T R E F F E N D D I E A R B E I TDER STELLVERTRETER

9. Ungefähr 9/io ih r e r Arbeit müssen die Stellvertreter den Volkskom-missariaten für Wirtschaft widmen, Vio den übrigen.

10. Für die nächste Zeit sind Finanzfragen an die erste Stelle gerückt,ihnen müssen die Stellvertreter größte Aufmerksamkeit schenken.

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Verordnung über die Arbeit der Stellvertreter 323

11. Besonders dringlich ist die Einführung eines Prämiensystems, die

Entlohnung der Sowjetangestellten nach der Höhe des Umsatzes undnach der Höhe des Gewinns im Volkskommissariat für Außenhandel,in den Genossenschaften und in den anderen Institutionen, die Handeltreiben.

Es ist notwendig, eine systematische Erforschung und Vorbereitung vonMaßnahmen vorzunehmen, um das Prämiensystem auf die gesamte Ent-lohnung aller Sowjetangestellten überhaupt auszudehnen.

12. Alle Vorarbeiten zur Schaffung eines besonderen Volkskommis-sariats für Binnenhandel oder zur Angliederung dieses Ressorts an das

Volkskommissariat für Außenhandel oder an den Obersten Volkswirt-schaftsrat sind einzustellen. Beim  "Rat ür Arbeit und Verteidigung ist einebesondere „"Kommission für "Binnenhandel" mit einem minimalen Sekre-tariat und den Gouvernements-Wirtschaftsberatungen als einzigen ört-lichen Organen zu g ründen.

13. Äußerst wichtig ist es, die Arbeit der staatlichen Trusts zu verfol-gen, um die leidlich funktionierenden von der M ehrzahl der schauderhaftfunktionierenden zu trennen und die letzteren unnachgiebig zu schließen,die (tatsächliche) Rolle der Kommunisten in den Leitungen der staatlichen

Trusts zu überprüfen und Personen zu bestimmen, die für die Leitung,und zwar eine erfolgreiche Leitung, wirklich verantwortlich sind.14. Jeder Stellvertreter soll die Verantwortung für die Schaffung von

ein oder zwei mustergültigen Abteilungen oder Institutionen in einem derVolkskommissariate übernehmen, um Normen für den Stellenplan zuerarbeiten, diese Norm en zu überprüfen, die besten Arbeitsmethoden undKontrollmaßnahmen festzulegen.

Die Arbeitsmethoden, die Verfahren zur Steigerung der Arbeitsproduk-tivität und die Kontrollmaßnahmen, die in diesen wenigen, aber wirklich

mustergültigen Institutionen erarbeitet werden, müssen dann allmählichin allen Sowjetinstitutionen eingeführt werden.In Anbetracht der außerordentlichen Wichtigkeit dieser Frage und in

Anbetracht des hartnäckigen Widerstands der Sowjetbürokratie, die sichan den bürokratischen Zopf klammert, ist ein zäher Kampf für dieSchaffung einiger mustergültiger Institutionen notwendig, die als Vorbildund Maßstab für die übrigen dienen sollen. Im Einvernehmen mit denzuständigen Institutionen (ZK des Verbandes der Sowjetangestellten,

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324 W.3. Lenin

Gesamtrussischer Zentralrat der Gewerkschaften, Institut für Arbeit usw.

usf.) und unter der Kontrolle der Stellvertreter soll die beste neuesteLiteratur, insbesondere die amerikanische und die deutsche, über Arbeits-und Verwaltungsorganisation übersetzt und herausgegeben werden.

15 . Es muß darauf geachtet werden — wenn auch anfangs nur in ganzwenigen Institutionen —, daß die Kommunisten innerhalb der Sowjet-institutionen neu verteilt werden , wobei danach, zu streben ist, daß dieKommunisten ausschließlich solche Stellen einnehmen (sowohl an derobersten Spitze als auch auf der untersten Sprosse der hierarchischenStufen leiter), wo es ihnen möglich ist, tatsächlich den Arbeitsablauf zu

kontrollieren, tatsächlich gegen Bürokratismus und Schlendrian zu kämp-fen, tatsächlich eine sofortige Verbesserung der Lage durchzusetzen unddas Schicksal jener unglücklichen Bürger zu.erleichtern, die gezwungensind, unseren miserablen Sowjetapparat in Anspruch zu nehmen.

Auf die Kommunisten, die auf der hierarchischen Stufenleiter die un-teren Stellen einnehmen, ist besonderes Augenmerk zu richten, denn siesind in de r Praxis oft wichtiger als die O benstehenden.

16 . Die Berichte der Gouvernements-Wirtschaftsberatungen müssenregelmäßig gelesen werden: erstens von den Mitgliedern der Staatlichen

Plankommission und den Mitarbeitern der Statistischen Zentralverwal-tung sowie der „Ekonomitscheskaja Shisn", und zwar so, daß jeder, dersie liest, ganz kurze Auswertungen für die Presse oder für seine Institu-tion macht und für rechtzeitige Hinweise und Schlußfolgerungen, die not-wendig sind, haftet; zweitens von einer Gruppe von (mindestens) einigenDutzend Kommunisten, die möglichst nicht zu den Angestellten gehörensollen und imstande sind, die Berichte nicht vom behördlichen, sondernnur vom kommunistischen Standpunkt aus zu lesen.

Die von G en. Miljutin geleitete Gruppe in Pe trograd m uß die Berichte

der Gouvernements-Wirtschaftsberatungen so verteilen lassen, daß siegelesen und in Zeitungen, Zeitschriften, zusammenfassenden Broschürenusw. ausgenutzt werden.

Es muß unbe irrt darum gekämpft werden, daß der Kreis der unbedingtzu druckenden Berichte aller möglichen Wirtschaftsinstitutionen (sowohlder Kreis-Wirtschaftsberatungen als auch der staatlichen Trusts, der „ge-mischten Gesellschaften" usw. usf.) allmählich erweitert wird, denn wennnicht ein immer größerer Teil der Bevölkerung es lernt, in den Bibliothe-

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Verordnung über die Arbeit der Steilvertreter 325

ken derartige Berichte zu benutzen , kann von einer wirklichen Um wand-

lung eines halbasiatischen Landes in ein kulturell hochstehendes Land undin ein sozialistisches L and nicht die Rede sein.17. Die „Ekonomitscheskaja Shisn" muß zu einem tatsächlichen Org>n

des Huts für Arbeit und Verteidigung werden, zu einem Organ der wirt-

sdbaftlidhen Zeitung. Beide Stellvertreter müssen die Zeitung regelmäßiglesen und erbarmungslos die bei allen Publizisten und Sowjetfunktionärenherrschende Tendenz bekämpfen, diese Zeitung auf das N iveau eines ge-wöhnlichen „halb unabhängigen", bürgerlich-intelligenzlerischen Organshinabzudrücken, das „Meinungen", Ansichten und Gezänk wiedergibt,

ohne die Berichte zusammenzufassen, ohne ihr regelmäßiges Eintreffenzu kontrollieren, ohne die wirtschafdiche Arbeit der einzelnen Institu-tionen ernsthaft zu analysieren, ohne die tauglichen und die untauglichenInstitutionen, Personen, Arbeitsmethoden usw. ernsthaft zu kritisieren.

Um die „Ekonomitscheskaja Shisn" zu einem tatsächlichen Organ derwirtsdhaftlidien Zeitung, zu einem tatsächlichen Organ des sozialistischenAufbaus zu machen, muß man einen jahrelangen Kampf führen, aber umso notwendiger ist es, ihn unbeirrt un d systematisch zu führen.

18. Dasselbe gilt für die Statistische Zentralverwaltung. Sie darf kein

„akademisches" und kein „unabhängiges" Organ sein, wie sie das jetztnach altem bürgerlichem Brauch zu 9/io ist, sie muß vielmehr ein Organdes sozialistischen Aufbaus sein, der Prüfung, Kontrolle und Erfassungalles dessen, was ein sozialistischer Staat jetzt, sofort, in erster Liniewissen muß. Der Widerstand der alten Gewohnheiten wird auch hierunweigerlich sehr hartnäckig sein, aber um so hartnäckiger m uß auch derKampf sein. (Ich bitte die Stellvertreter, meinen Briefwechsel über diesesThema mit dem Redakteur der „Ekonomitscheskaja Shisn" und mit derStatistischen Zentralverwaltung vom Sommer 1921 durchzusehen.*)

II I . DIE ARBEITSWEISE DER STELLVERTRETER,-IHR APPARAT

19. Die Stellvertreter machen sich so weit wie möglich frei von Kleinig-keiten und von überflüssigen Zusammenkünften mit den Volkskommis-

*~Siehe den vorliegenden Band, S. 16-18 und 10-15. Die Red.

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326 "W.ü. Lenin

saren und Kollegiumsmitgliedern, die ihnen gewöhnlich eine Masse Zeit

rauben und ihnen dadurch die Möglichkeit nehm en, sich mit der Kontrolleder faktischen A rbeit zu befassen.

20 . Die Stellvertreter machen sich so weit wie möglich frei von derTeilnahme a n Kommissionen verschiedener A rt.

21. Die S tellvertreter bemühen sich mit allen M itteln um die Auflösungvon bestehenden Kommissionen (die zu 9/io überflüssig sind und die Eigen-schaft haben, sehr bald nach ihrer Auflösung in etwas anderem Gewändewieder aufzuerstehen) und wirken der Bildung neuer Komm issionen ent-gegen.

22. Wenn Kommissionsarbeit unumgänglich ist, vermeiden die Stellver-treter auf jede Weise, persönlich daran teilzunehmen, und beschränkensich nach Möglichkeit darauf, die Beschlüsse der Kommissionen endgültigzu bestätigen bzw. ihre Arbeit zu beschleunigen und ihre Beschlüsseordnungsgemäß zur Bestätigung weiterzuleiten.

23. Zum Apparat der Stellvertreter gehören erstens die Leiter der Ge-schäftsstellen des Rats der Volkskommissare und des Rats für Arbeit undVerteidigung, ihre Mitarbeiter und Sekretäre, über das unbedingt not-wendige M indestmaß hinaus — und zwar nur eines solchen, das die per-

sönliche Aufsicht der Stellvertreter vollauf zuläßt (nicht zu groß) — darfdieser Apparat keinesfalls ausgedehnt werden. Zweitens erteilen dieStellvertreter einzelnen Mitgliedern des Kleinen Rats der Volkskom-missare Sonderaufträge. Drittens hat der Hauptapparat der Stell-vertreter das Volkskommissariat der Arbeiter- und Bauerninspektion zu'sein.

Die Stellvertreter suchen sich aus diesem Volkskommissariat persönlichMitarbeiter und ausführende Personen aus, leiten sie an und kontrollierenihre Arbeit, wobei sie sich insbesondere um eine verstärkte Beteiligung

von parteilosen Arbeitern und Bauern an dieser Arbeit bemühen (das isteine außerordentlich schwierige, aber zugleich eine solche Sache, ohnederen allmähliche Entwicklung die Sowjetmacht zum sicheren Untergangverurteilt wäre).

24. Die Stellvertreter müssen bestrebt sein, öfter als bisher für Büro-kratismus, Schlendrian, Nachlässigkeit, Unpünktlichkeit usw. kraft ihrerpersönlichen Machtbefugnisse administrative Strafen zu verhängen (dervon Gen. Zjurupa hierzu vorbereitete Gesetzentwurf ist zu beschleuni-

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Verordnung über die Arbeit der Stellvertreter 327

gen). In schwerwiegenderen Fällen ist es notwendig, die Sdraldigen ihres

Amtes zn entheben, sie vor Gericht za stellen and durch das Volkskom-m issariat für Justiz eindrucksvolle öffentliche Prozesse z a veranstalten.

IV . Ü B E R D I E E I N H E L L I G K E I T I N D E R A R B E ITD E R B E I D E N S T E L L V E R T R E T E R

25 . U m völlige Einhelligkeit in der Arb eit der beiden Stellvertreter her-beizuführen, teilen sie einander in Kopien die wichtigsten Anordnungenmit und machen es sich zur G ewohn heit, die Anordnu ngen, Anw eisungenu. ä., die sie mündlich bei persönlichen Besprechungen treffen, systema-tisch stenografisch au fnehmen zu lassen (natürlich in kürzester Form undnur das Wichtigste). Die Anzahl der Stenografinnen in der Geschäfts-stelle des Rats der Volkskommissare ist za diesem Zweck so weit zuerhöhen, daß während der ganzen Arbeitszeit der Stellvertreter je zweiStenografinnen D ienst tan. N otfalls soll man einige der besten Diktaphoneim Aasland bestellen.

26 . Dasselbe gut für die wichtigsten Berichte, sowohl die schrifdicfaenals auch die münd lichen.

27 . In notwen digen und w ichtigen Fällen beraten die Stellvertreter mit-einander, um eine einhellige Au ffassung über die Aufgaben und das Vor-gehen zu erzielen und am öbersdmeidungen und Widersprüche in derArbeit nach Möglichkeit auszuschaben.

Bei M einungsverschiedenheiten zwischen den Stellvertretern entscheidetder Vorsitzende des Rats der Volkskommissare nnd in dessen Abwesen-heit das Politbüro des ZK oder ein von ihm speziell benannter Genosse.

V . D I E A R B E I T S T E I L U N G Z W I S C H E N D E NS T E L L V E R T R E T E R N

28 . Für die nächsten Monate, bis za einer besonderen Verordnung,wird folgende Arbeitsteilung zwischen den Stellvertretern festgelegt.

29 . Gen . Zjurupa führt den Vorsitz im Großen Rat der Volkskomm is-sare (nach zwei Stunden wird der Vorsitz Gen. Rykow übergeben). Der

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328 'W.J.Lenin

Stellvertreter, der nicht den Vorsitz führt, hat im Großen Rat der Volks-

kommissare und im Rat für Arbeit nnd Verteidigung (in der Plenar-sitzung) unbedingt anwesend zu sein.

Gen. Zjurupa unterschreibt die zu veröffentlichenden Verordnungendes Großen Rats de r Volkskommissare und die telegrafischen Verfü-gungen in seinem Namen, er überwacht ferner die Kommissionen desGroßen und Kleinen Rats der Volkskommissare und die Arbeit desKleinen Rats der Volkskommissare. Er führt auch die unm ittelbare Auf-sicht über die Geschäftsstelle und das Sekretariat des Großen Rats derVolkskommissare und ist zugleich verantwortlich dafür, daß dieser Appa-

rat und der Apparat des Rats für Arbeit und Verteidigung eine absoluteEinheit sind, daß es keinerlei Zwiespältigkeit, keinerlei Unstimmigkeitgibt.

30 . Gen. Rykow führt den Vorsitz in den Plenarsitzungen des "Rats ürArbeit und Verteidigung, unterschreibt dessen zu veröffentlichende Ver-ordnungen und seine telegrafischen Verfügungen und beaufsichtigt un-mittelbar die Geschäftsstelle und das Sekretariat des Rats für Arbeit undVerteidigung (unter der obengenannten Bedingung, daß dieser Apparatund der Apparat des Großen Rats der Volkskommissare ein unteilbares

Ganzes bilden).31. Was die Kontrolle der Durchführung, die Überwachung der Kür-

zung der Stellenpläne und der Verbesserung des Apparats sowie einzelnekleine laufende Fragen betrifft, die keine Entscheidung des Großen Ratsder Volkskommissare und des Rats für Arbeit und Verteidigung erhei-schen, so werden die Volkskommissariate unter die beiden Stellvertreterwie folgt aufgeteilt:

dem Gen. Zjurupa unterstehen:

das Volkskommissariat für Landwirtschaftdas Volkskommissariat für Verkehrswesender Oberste Volkswirtschaftsratdas Volkskommissariat für Post- und Fernmeldewesendas Volkskommissariat für Justizdas Volkskommissariat für Innere Angelegenheitendas Volkskommissariat für Angelegenheiten der Nationalitätendas Volkskommissariat für Bildungswesen

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Verordnung über die Arbeit der Stellvertreter 329

dem Gen. Rykow unters tehen:

das Volkskomm issariat für F inanzendas Volkskommissariat für Außenhandeldie Kommission für Binnenhandelder Zentralverband der Konsumgenossenschaftendas Volkskommissariat für Arbeit (und teilweise der Gesamt-

russische Zentralrat der Gewerkschaften)das Volkskommissariat für soziale Fürsorgedas Volkskommissariat für Ernähningswesendas Volkskommissariat für Heereswesen

das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheitendas Volkskommissariat für Gesundheitswesendie Statistische Z entralve rwaltu ngdie Gebiets-Wirtschaftsberatungendas Konzessionskomiteedie Staatliche Plankommission

11. IV. 1922 D er Vorsitzend e des Rats der VolkskommissareTV. Vljanow [Lenin)

Zuerst veröftentli&t 1928. Jiaöh dem Manuskript.

22 *

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BRIEF AN DAS POLITBÜRO

15 . IV .

Soeben erhielt ich das Buch „Materialien zur Geschichte der franzö-sisch-russischen Beziehungen von 1910 bis 1914" 7 1 .

Der Wälzer; der 733 Seiten umfaßt, ist mit so schamloser echt sowje-tischer Schlampigkeit herausgegeben, daß man die Leute dafür ins Ge-fängnis sperren müßte. Kein Preis. Keine Unterschrift des oder der Ver-antwortlichen. Kein Register!! Eine einfache Liste von Namen, iiederUdizusammengeste ll t. U s w .

Ich schlage vor:

1. Hanecki und Karachan zu verpflichten, binnen zwei Tagen allefür die Ausgabe verantwortlichen Personen festzustellen;

2 . dieselben — den Verkauf des Buches aufzuhalten;.3. ein Blatt als Einlage mit einem Hinweis auf die Unzulänglich-

keiten vorzu berei ten;

4. ein vernünftiges Register vorzubereiten; mit einem Wort, bisDonnerstag dem ZK einen kurzen Bericht zu geben überalle Schlampereien, alle Mängel der Ausgabe und die Mittelund W eg e, sie zu beseitigen.

Lenin

PS. I m — nicht unterschriebenen!'. — „Vorwort" wirdM. N. Pokrowski genannt, aber es ist klar, daß für die Ausgabe, für dietechnische Seite nicht er, der an der Zusammenstellung des Materials ge-arbeitet ha t, verantwortlich ist.

Zum erstenmal veröffentlicht. Tiaä) dem Manuskript.

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331

V O R W O R T Z U D E R B R O S C H Ü R E

„A LT E A R T I K E L Ü B E R Z E I T N A H E T H E M E N '

Vorwort zur Ausgabe von 1922™

Die Anregung zur Herausgabe der vorliegenden Broschüre stammt nichtvon mir, sondern von den Moskauer Kommunisten. Ich war ursprünglichdagegen, das Alte neu herauszugeben, da ich dieses Alte für veraltethielt.

Nachdem ich den von den Moskauer Genossen vorbereiteten Text derBroschüre durchgelesen hatte, überzeugte ich mich davon, daß in diesemFall das Alte weniger veraltet ist, als zu erwarten war. Zum größten Teilist das Alte in diesem Fall überhaupt nicht veraltet, obwohl seither vier

Jahre ungewöhnlich stürmischer und rascher revolutionärer Entwicklungvergangen sind.Im großen gesehen wiederholen sich gegenwärtig, im Frühjahr 1922,

die grundlegenden Besonderheiten der Lage vom Frühjahr 1918. Damalsgab es eine „A tempause" zwischen zwei Kriegen: zwischen dem imperia-listischen Krieg, den wir im Februar 1918 beendeten (richtiger wäre es zusagen: fast beendeten), und dem Bürgerkrieg, der durch den ersten Siegüber die Konterrevolutionäre vom Schlage eines Bogajewski nicht beendetwar, sondern von den Tschechoslowaken, von Kornilow, Denikin und Co.

erst noch vorbereitet wurde.Jetzt bedeutet Genua wiederum eine „Atempause" in einem unver-gleichlich größeren, weltweiten Maßstab, eine Atempause zwischen demKrieg gegen Sowjetrußland, den die Bourgeoisie der ganzen W elt geführtund verloren hat, und einem neuen Krieg, den diese Bourgeoisie vorbe-reitet, den sie aber bis jetzt noch nicht ganz vorbereitet ha t. (Ich schreibediese Zeilen am 28. April 1922, da neueste Nachrichten von der drohen-den Gefahr eines Bruchs berichten.)

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332 W. 3. Lenin

Heute wie damals läuft die ganze Sowjetpolitik in ihrem „Kern" auf

Organisation, auf Rechnungsführung und Kontrolle, auf langsames, vor-sichtiges, sachliches Herangehen an die praktische Aufgabe, an die Ü ber-prüfung der tatsächlich geleisteten Arbeit, an das Studium unserer prak-tischen Erfahrungen hinaus. Darüber hatte ich vor wenigen Wochen aufdem XI. Parteitag der KPR zu sprechen. Diese „Linie" wurde vom Partei-tag bezogen, wie aus seiner Resolution zum Bericht des ZK und ausanderen Resolutionen zu ersehen ist. Diese Linie versuchte ich in derSchlußrede auf dem XL Parteitag zusammenzufassen.

Der Nachdruck der alten Broschüre von 1918 ist jetzt nicht ohne Nut-

zen, denn die damaligen Streitigkeiten tragen dazu bei, vieles hinsichtlichder gegenwärtigen Aufgaben unserer Partei zu klären. Solche Reden wiedie Reden der Genossen Preobrashenski, Ossinski und Larin auf demXI. Parteitag, in der Diskussion zum Bericht des ZK, haben anschaulichgezeigt, daß die Aufmerksamkeit sehr vieler und sehr angesehener führen-der Funktionäre der Partei nicht auf das gerichtet ist, worauf sie gerichtetsein sollte. Der „Kern" der Aufgaben unserer Politik ist in diesen Redennicht richtig bestimmt. Ich hoffe, in nicht zu ferner Zukunft werde ich michmit den Lesern ausführlicher darüber aussprechen können. Einstweilen

aber muß ich mich auf die Bemerkung beschränken, daß es sich in derneuaufgelegten Broschüre gerade darum handelt, zu klären, warum da-mals (wie audh heute) die Aufgabe in den Vordergrund getreten ist:„arbeiten lernen", die Menschen richtiger verteilen, die persönliche Ver-antwortlichkeit eines jeden für eine genau bestimmte A rbeit durchsetzen,die praktischen Arbeitserfahrungen aufmerksamer studieren und kontrol-lieren, nicht aber „neuen" Plänen nachjagen für neue Institutionen oderstrukturellen N euaufbau, Reorganisation u. dgl. m.

Zum Schluß noch eine unbedingt notwendige Bemerkung. Aus der

vorliegenden Broschüre habe ich mein Schlußwort im GesamtrussischenZentralexekutivkomitee vom Frühjahr 1918™ herausgenommen. DieseRede ist so aufgezeichnet, daß sie zu nichts taugt. Ich muß aus diesemAnlaß wiederholen, was ich einmal, 1919 oder 1920, in einem Brief an diePetrograder Genossen gesagt habe, in einem Brief gesagt habe, der zurVeröffentlichung bestimmt war, der von ihnen aber leider nicht veröffent-licht worden ist.* Und zwar: Ich hafte nicht für den Wortlaut meiner

*~Siehe den vorliegenden Band, S. 104-106. Die Red.

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Vorwort zu der ürosdbüre „Alte Artikel über zeitnahe Themen" 333

Reden, wie sie gewöhnlidi in den Zeitungen wiedergegeben werden, und

bitte dringend, diese Reden nidit nachzudrucken, wenigstens nidit ohnezwingende und besondere Notwendigkeit, und keinesfalls ohne Bezug-nahme auf diese meine exakte Erklärung. Sei es nun, daß ich oft zu schnellspred ie, sei es, daß id i oft stilistisch sehr inkorrekt spred ie, sei es, daß dieReden bei uns gewöhnlidi flüditig und sehr unbefriedigend aufgezeichnetwerden, ob aus diesen Gründen und noch irgendwelchen anderen oderallen zusammengenommen — fest steht jedenfalls, daß ich für den Wort-laut meiner aufgezeichneten Reden die Verantwortung nicht übernehmeund bitte, sie nidit nachzudrucken. Sollen diejenigen die Verantwortung

tragen, die die Rede aufzeichnen. Für den Nachdruck aber, wenn ein Be-dürfnis dafür vorhanden ist, genügen vollauf die Broschüren und Artikel,für deren Text ich unbedingt und restlos einstehe.

28. IV. 1922 W. Centn

Veröffentlidbt i922 in der Brosdbüre-. "Nadb dem Manuskript.7i. Lenin (W . 7. Wjanow), .AlteArtikel über zeitnahe Themen",Moskau.

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T E L E G R A M M A N D I E A R B EIT ER U N D I N G E N I E U R E

D E S E R D Ö L T R U S T S V O N A S E R B A I D S H A N

Baku

In der Nadrt vom 9. znm 10. April versuchten Feinde der Arbeiter-klasse, durch eine Reihe von Brandstiftungen die Surachany-Erdölfeldervon Baku zu zerstören. Nachdem ich erfahren habe, welch ungewöhn-lichen Heldenmut nnd welche Selbstaufopferung die Arbeiter nnd In-genieure der Erdölfelder an den Tag legten, die das Fener nnter größterLebensgefahr lokalisierten, halte ich es für meine Pflicht, den Arbeiternund Ingenieuren der Surachany-Erdölfelder im Namen Sowjetrußlandsden D ank auszusprechen. Beispiele solchen Heldenmuts zeigen am besten,

daß die Sowjetrepublik trotz aller Schwierigkeiten, trotz der unaufhör-lichen Verschwörungen der sozialrevolntionären nnd weißgardistischenFeinde der Arbeiterrepablik ans allen diesen Schwierigkeiten als Siegerhervorgehen w ird.

Der Vorsitzende des Rats der VolkskommissareTV. Wjanow (Lenin)

Qesdmeben am 28. April 1922.Zuerst oeröflentiidbt i942. Tladb dem von IN. 3. Lenin

unterzeidmeten Original.

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Z U M Z E H N J Ä H R I G E N J U B I L Ä U M D E R „P R A W D A "

Zehn Jahre sind vergangen seit der Gründung der legalen „Prawda",der — nach den zaristischen Gesetzen — legalen bolschewistischen Tages-zeitung. Und vor diesem Jahrzehnt liegt ungefähr noch ein Jahrzehnt:

nenn Jahre (1903—1912), von der Entstehung des Bolschewismus an ge-redm et, nnd wenn m an von der Gründung der ihrer R ichtung nach völlig„bolschewistischen" alten „Iskra" (1900) an rechnet, dreizehn Jahre(1900-1912).

Zehnjähriges Jubiläum einer in Rußland erscheinenden bolschewisti-schen Tageszeitung Erst zehn Jahre sind seitdem vergangen! Dem In-halt des Kampfes und der Bewegung nach aber kom mt diese Zeit hundertJahren gleich. Das Tem po der gesellschaftlichen Entwicklung in den letztenfünf Jahren ist geradezu übernatürlich, wenn man mit dem alten Maß

mißt, dem M aß der europäischen Philister vom Schlage der Helden der I I.und der zwdeinhalbten Internationale, dieser zivilisierten Philister, diegewöhnt sind, es für „na türlich' zu halten, daß Hunderte Millionen Men-schen (über eine Milliarde, um genau zu sein) in den Kolonien, in denhalbabhängigen und in den ganz armen Ländern ÜTJ\Aenj daß man mitihnen wie mit den Indern oder mit den Chinesen verfährt, daß sieunerhörte Ausbeutung und direkte Ausplünderung, Hunger und Gewaltund Hohn dulden, alles deshalb, damit die „Zivilisierten" „frei", „demo-kratisch" und „parlamentarisch" die Frage entscheiden können, ob die

Beute friedlich geteilt werden soll oder ob man zehn, zwanzig Mutionenniedermetzeln soll, um die imperialistische Beute aufzuteilen — gesternzwischen Deutschland und England, morgen zwischen Japan und Amerika(bei einer so oder anders gearteten Beteiligung Frankreichs und Englands).

Die Hauptnrsache für diese enorme Beschleunigung der internationalenEntwicklung liegt darin, daß neue Hunderte und aber H underte MulionenMenschen in diese Entwicklung einbezogen wurden. D as alte bürgerlicheund imperialistische Europa, das daran gewöhnt ist, sich für den Nabel der

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336 IV . 1. Lenin

W elt zu halten, ist verfault und im ersten imperialistischen Gemetzel wie

ein stinkendes Geschwür geplatzt Wie sehr auch die Spengler und allegebildeten Spießer, die imstande sind, über ihn in Begeisterung zu geraten(oder sich wenigstens mit ihm zu beschäftigen), aus diesem Grunde auchjammern mögen, so ist dieser Niedergang des alten Europas doch nur eineEpisode in der Geschichte des Untergangs der Weltbourgeoisie, die sichbei der imperialistischen Ausplünderung und Unterdrückung der Mehr-heit der Erdbevölkerung überfressen hat.

Diese Mehrheit ist jetzt erwacht und in eine solche Bewegung geraten,daß auch die stärksten und „gewaltigsten" Mächte nicht imstande sind,

sie aufzuhalten. Wie könnten sie auch! Die gegenwärtigen „Sieger" desersten imperialistischen Gemetzels sind nicht einmal imstande, das kleine,winzig kleine Irland zu besiegen, sind nicht einmal imstande, den Wirr-warr, der unter ihnen selbst in Finanz- und Währungsfragen entstandenist, zu überwinden. Und in Indien und China brodelt es. Das sind mehrals 700 Millionen Menschen. Das ist, wenn wir die an sie grenzenden undihnen ganz ähnlichen asiatischen Länder hinzuzählen, die größere Hälfteder Erdbevölkerung. Dort rückt, unaufhaltsam und immer rascher, dasJahr 1905 heran — mit dem wesentlichen und riesengroßen Unterschied,

daß 1905 die Revolution in Rußland (wenigstens anfangs) noch isoliertverlaufen konnte, d. h. ohne sofort andere Länder in die Revolution hin-einzuziehen. Die in Indien und China heranreifende Revolution aber wirdund ist schon jetzt in den revolutionären Kampf, in die revolutionäre Be-wegung, in die internationale Revolution hineingezogen.

Das zehnjährige Jubiläum der legalen bolschewistischen Tageszeitung„Prawda" führt uns anschaulich einen Markstein in der enormen Beschleu-nigung der großen W eltrevolution vor Augen. In den Jahren 1906/1907hatte der Zarismus die Revolution, wie es schien, aufs H aupt geschlagen.

Der bolschewistischen Partei gelang es wenige Jahre später — in andererTorrn, auf eine andere Weise —, in die Zitadelle des Feindes vorzudringenund mit der täglichen, „legalen" Arbeit der Unterminierung der verfluch-ten zaristischen und gutsherrlichen Selbstherrschaft von innen her zu b e-ginnen. Es vergingen noch einige Jahre, und die vom Bolschewismusorganisierte proletarische Revolution siegte.

Als die alte „Iskra" im Jahre 1900 gegründet wurde, war daran knappein Dutzend Revolutionäre beteiligt. Als der Bolschewismus entstand,

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Zum zehnjährigen Jubiläum der .Prawda" 337

waren daran, auf dem illegalen Parteitag in Brüssel und London 1903,

ungefähr vierzig Revolutionäre be teiligtIn den Jahren 1912/1913, als die legale bolschewistische „Prawda" ent-

stand, hatte sie Zehntausende und Hunderttausende Arbeiter hinter sich,die mit ihren Kopeke für Kopeke gesammelten Beiträgen sowohl denTerror des Zarismus als auch die Konkurrenz der kleinbürgerlichen Ver-räter am Sozialismus, der Menschewild, überwanden.

Im November 1917 stimmten bei den Wahlen zur Konstituante von36 Millionen 9 Millionen für die Bolschewiki. In Wirklichkeit aber, nichtbei der Abstimmung, sondern im Kampf, war Ende Oktober und im No -

vember 1917 die Mehrheit des Proletariats und der politisch bewußtenBauernschaft für die Bolschewiki — in Gestalt der Mehrheit der Delegier-ten des II. Gesamtrussischen Sowjetkongresses, in Gestalt der Mehrheitdes aktivsten und bewußtesten Teils des werktätigen Volkes, nämlich derdamaligen Zwölfmillionenarmee.

Diese Zahlen illustrieren ein klein wenig die „Beschleunigung" derinternationalen revolutionären Bewegung während der letzten zwanzigJahre. Es ist eine sehr kleine, sehr unvollständige Illustration, in der ingroben Umrissen die Geschichte lediglich eines Hundertfünfzigmillionen-

volkes dargestellt ist, während in diesen zwanzig Jahren die Revolution inLändern mit einer Bevölkerung bis zu einer Milliarde und mehr (ganzAsien, und auch Südafrika nicht zu vergessen, das unlängst seinen An-spruch, Mensdo und nicht Sklave zu sein, geltend machte, und zwar aufnicht ganz „parlamentarische" Art) begann und zu einer unbesiegbarenKraft wurde.

Und wenn irgendwelche, man entschuldige den Ausdruck, „Spengler-jünger" daraus schließen sollten (bei den „superklugen" Führern der II.und der zweieinhalbten Internationale muß man auf jede Dummheit ge-

faßt sein), bei dieser Rechnung sei das Proletariat Europas und Amerikasin die revolutionären Kräfte nicht einbezogen, so geben wir zur Antw ort:Die eben erwähnten „superklugen" Führer argumentieren immer so, alsob sich aus dem Umstand, daß neun Monate nach der Empfängnis dieGeburt des Kindes zu erwarten ist, die Möglichkeit ergäbe, sowohl Stundeund Minute der Geburt als auch die Lage des Kindes bei der Geburt so-wie den Zustand der Gebärenden während der Geburt und den genauenGrad der Schmerzen und Gefahren, die Kind und Mutter durchzumachen

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338 TV.!. Lenin

haben, zn bestimmen. „Superkluge" Leute! Sie können durchaus nicht

begreifen, daß vom Standpunkt der Entwicklung der internationalenRevolution der Übergang vom Qtartismas zn den vor der Bourgeoisieliebedienernden Henderson oder von Varlin zu Renaudel oder von Wil-helm Liebknecht und Bebel zu Südekum, Scheidemann und N oske nichtsanderes ist als der „Übergang" eines Au tos von einer glatten und ebenen,Hu nderte Kilometer langen Chaussee in eine kleine schmutzige, stinkendePfütze auf derselben Chaussee, in eine kleine, wenige Meter lange Pfütze.

Die Menschen machen ihre Geschichte selbst. Die Chartisten, dieVarlin und Liebknecht machen sie jedoch mit ihrem Hirn und ihrem

He rzen . Die Führer de r II. und der zweieinhalbten Internationale dagegen„machen" sie mit ganz andern Körperteilen: sie düngen den Boden fürneue Chartisten, für neue Varlins und neue Liebknechts.

In der gegenwärtigen äußerst schwierigen Situation wäre Selbstbetrugfür die Revolutionäre von größtem Schaden. Obwohl der Bolschewismuszu einer internationalen Kraft geworden ist, obwohl es in allen zivili-sierten und fortgeschrittenen Ländern schon wieder neue C hartisten, neueVarlins, neue Liebknechts gibt, die sich als legale (so legal, wie es vor zehnJahren unter dem Zarismus unsere „Prawda" war) kommunistische Par-

teien entwickeln, so bleibt dennoch die internationale Bourgeoisie vor-läufig immer noch unvergleichlich stärker als ihr Klassengegner. DieseBourgeoisie, die ihr möglichstes getan hat, um die Geburt zu erschweren,um die Gefahren und Qualen der Geburt der proletarischen Macht inRußland zu verzehnfachen, ist noch in der Lage, Millionen und aberMillionen Menschen durch weißgardistische und imperialistische Kriegeusw. zu Qualen und Tod zu verdammen. Das dürfen wir nicht vergessen.Mit dieser Besonderheit der gegenwärtigen Sachlage müssen wir unsereTaktik geschickt in Einklang bringen. Quälen, foltern und morden kann

die Bourgeoisie einstweilen noch ungehindert. Aber den unvermeidlichenund — unter dem welthistorischen Gesichtspunkt betrachtet — gar nichtfernen endgültigen Sieg des revolutionären Proletariats kann sie nichtaufhalten.

2. V. 1922

.Trawda' Nr. 98,5. Mai 192.2. Nach dem 7ext der .Prawda'."Untersdbrijt: "N. Lenin.

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B R I E F

F Ü R D I E M I T G L I E D E R D E S P O L I T B Ü R O S

Antwort anf die Bemerkungen betreffend die Arbeit der Stellvertreter(der S tellvertreter des Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare)

Ich bitte um Entschuldigung wegen der Verspätung meiner Antwort,die durch die Scherereien mit der Entfernung der Kugel verursacht i s t7 4

Die Bemerkungen des Gen. Rykow sind „kritisch", aber nicht konkret,und bedürfen keiner Antwort.

Die Bemerkung des Gen. Tomski über das Prinzip der Prämierunghalte ich für falsch. Das Fiasko des gewerkschaftlichen Prämiensystems,das nach den Worten des Gen. Tomski in eine „Ausplünderung desStaates" ausgeartet ist, muß uns veranlassen, beharrlicher an der Un ter-suchung und Verbesserung der Methoden für die Anwendung des Prä-miensystems zu arbeiten, und darf keineswegs dazu führen, daß wir unsdavon lossagen.

Die Bemerkungen des Gen. Trotzki sind zum Teil auch nicht konkret(z . B. die „Befürchtungen" in Punkt 4) und bedürfen keiner Antwort;zum Teil tauchen darin unsere alten Meinungsverschiedenheiten m it Gen.Trotzk i wieder auf, die des öfteren im Politbüro beobachtet werden konn-ten. Darauf werde ich kurz antworten, und zwar zu den zwei Haupt-punkten: a) die Arbeiter- und Bauerninspektion und b) die StaatlichePlankommission.

a) Hinsichtlich der Arbeiter- und Bauerninspektion ha t G en. Tro tzkizutiefst unrecht. Bei unserem schrecklichen „Ressortgeist", der sogar unterden besten Kommunisten gang und gäbe ist, bei dem niedrigen Niveau derAngestellten, bei dem innerbehördlichen Intrigantentum (das schlimmerist als jedes Intrigantentum innerhalb der Arbeiter- und Bauenrinspektion)kann man jetzt ohne die Arbeiter- und Bauerninspektion nicht auskom-men. An ihr kann und m uß man systematisch und beharrlich arbeiten, um

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340 W.J. Lenin

sie zu einem Apparat der Kontrolle und Verbesserung der gesamten staat-

lichen Arbeit zu machen. Ein anderes praktisches Mittel der Kontrolle,Verbesserung und Anleitung zur Arbeit gibt es nicht. Wenn es gegen-wärtig in der Arbeiter- und Bauerninspektion einen Apparat von unge-fähr 12000 Menschen gibt, einen schlechten und schlecht bezahlten Appa-rat , so muß m an ihn einschränken und verbessern; beispielsweise bei derHälfte der bisherigen Cehaltssumme Vs lassen, d. h. das Gehalt verdrei-fachen; zuerst Dutzende, dann Hunderte der besten, unbedingt ehrlichenund fähigen Mitarbeiter auswählen, die es auch jetzt gibt, die aber nichtregistriert, nicht erfaßt, nicht gruppiert, nicht organisiert sind. Das kann

und muß man tun. Sonst ist es unmöglich, gegen Ressortgeist und Büro-kratismus zu kämpfen. Sonst kann man den parteilosen Arbeitern undBauern das Regieren nicht beibringen,- von dieser Aufgabe darf man sichjetzt aber weder prinzipiell noch praktisch lossagen.

b) Hinsichtlich der Staatlichen Plankommission hat Gen. Trotzki nichtnur zutiefst unrecht, er ist auch erstaunlich schlecht über das unterrichtet,worüber er urteilt. Die Staatliche Plankommission leidet keineswegs anAkademismus, ganz im Gegenteil, sie leidet an Überlastung mit einemWust von kleinlichem, alltäglichem „Krimskrams". Gen. Krshishanowski*

gibt aus Weichherzigkeit zu sehr den Bitten derer nach, die ihm zusetzen,sofort zu „helfen".Obzwar ich die wirklichen M ängel der Staatlichen Plankommission gut

kenne, habe ich, um die M itglieder des Politbüros an Ha nd von M aterialzu informieren, das auf objektiven Tatsachen und nicht auf Phantasienfuß t, Gen. Krshishanowski gefragt, ob seine Arbeit an „Abstraktheit"leide und welche genauen Angaben es darüber gebe. Gen. Krshishanowskischickte mir eine Liste von Fragen, mit denen sich das Präsidium derStaatlichen Plankommission während zwei Monaten — Februar und

März 1922 — zu befassen hatte. Ergebnis: aa) Planfragen — 17% ; bb)wichtige Wirtschaftsfragen — 37%; cc) „Krimskrams" — 46%. Diese Ma-terialien kann ich jedem Mitglied des Politbüros zu r Durchsicht schicken.

Das zweite Schreiben des Gen. Trotzki, datiert vom 23. IV. 1922 undadressiert an die Stellvertreter, mit einer Kopie für das Sekretariat desPolitbüros (die Kopie für mich ist wohl zufällig vergessen worden), ent-hält erstens eine außerordentlich erregte, aber grundfalsche „Kritik" amBeschluß des Politbüros über die Schaffung des Finanzdreigespanns

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Brief für die Mitglieder des Politbüros 341

(Sokolnikow und d ie beiden Ste llvertreter), das als Hem msch ah zwischen

dem Kleinen und dem Großen Rat der Volkskommissare bezeichnet wird.D aß eine solche Kritik den Stellvertretern zugeleitet wird , entspricht we dereiner planmäßigen noch überhaupt irgendeiner organisierten staatlichenArbeit .

Zweitens enthält dieses Schreiben die schon erwähnten grundfalschenun d de r W ah rhe it diametral entgegengesetzten Beschuldigungen der Staat-lichen Plankommission wegen Ak adem ismns, Beschuldigungen, die in de rfolgenden, von geradezu unglaublicher Uninformiertheit zeugenden Er-klärung des Gen. Trotzki gipfeln: „Außer einer Festlegung des Umfangs

der Emission", schreibt er, „und außer einer Verteilung der Geldmittelun ter die Behörden gibt es zur Z eit keinerlei W irtschaftsplan u nd k ann esauch keinen geben. Dabei hat, soweit ich urteilen kann, dieStaatliche Plankommission zu diesen Grundfragen keinerlei Be-

zieh u n g."

Die hervorgehobenen W or te veranlassen mich, nu r die Frage zu s tel len:W oz u denn ohne Information „urteilen" ? Jedes Mitglied des ZK u nd jedesJMitglied des Rats für Arbeit und Verteidigung kann sich leicht informie-ren. Sich informieren würde bedeuten zu erfahren, daß es in der Staat-

lichen Plankommission eine Sektion Finanzwirtschaft gibt, die eben anden genannten Fragen arb eite t Natürl ich gibt es in dieser Arbeit M ängel,abe r ma n soll sie nicht in der R ichtung des Akadem ismus suchen, sonde rngenau in der entgegengesetzten R ichtung.

5 . V . Centn

Zuerst teilweise veröftenttidjt i928. TJad) dem Manuskript.

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E N T W U R F E I N E R E N T S C H L I E S S U N G

D E S G E S A M T R U S S I S C H E N Z E N T R A L E X E K U T I V -

K O M I T E E S Z U M B E R I C H T D E R D E L E G A T I O N

A U F D E R G E N U A K O N F E R E N Z

Es ist der Entwarf einer Resolution des Gesamtrussischen Zentral-exekutivkomitees zum Bericht Joffes inungefähr folgender Weise aus-zuarbeiten:

1 . D ie Delegation des Gesamtrussischen ZEK hat ihre Au fgaben richtigerfüllt, indem sie die volle Souveränität der RSFSR verteidigte, die Ver-suche einer Unterjochung und einer Wiederherstellung des Privateigen-tums bekämpfte un d einen Vertrag mit Deutschland schloß.

2. D ie internationale politische un d wirtschaftliche L age weist folgende

charakteristische Zö ge auf:— politisch: kein Frieden und Gefahr neuer imperialistischer Kriege

[Irland; Indien; China u. a.; Zuspitzung der Beziehungen zwischen Eng-land un d Frankreich, zwischen Japan und den V ereinigten Staaten usw.

usf. ((ausführlicher))]

3.— wirtschaftlich: die „Sieger"länder, diese W eltmächte, d ie sich durchden Krieg (= R au b ) bereichert haben, können 3Y 2 Jahre nach K riegsendenicht einmal ihre früheren kapitalistischen Beziehungen wiederherstellen[Währungschaos; Nichteinhaltung und Nidrteinhaltbarkeit des VersaÜIer

Vertrags; keine Bezahlung der Schulden an die Vereinigten Staatenusw. usf. —(ausführlicher)].

4 . Daher muß Punkt 1 der Beschlüsse von Cannes die Qleidbberedj-

tigung der beiden Eigentumssysteme (des kapitalistischen oder privatenEigentums und des kommunistischen, das vorläufig nu r in der RSFSRgültig ist) anerkennen und somit, wen n auch n ur indirekt, den Zusamm en-bruch, den Bankrott des ersten Eigentumssystems und die Unvermeidlich'

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Entunirf einer Entschließung zur Qenuäkonferenz 343

keit eines Übereinkommens mit dem zw eiten als einem gleichberechtigten

Partner zugeben.5 . Die anderen Pu nkte der Bedingungen von Cannes wie auch die Me-moranden u. a. der Großmächte in Genua widersprechen dem und ver-dammen sich damit selbst zur Leblosigkeit.

6. Eine wirkliche Gleichberechtigung der beiden Eigentumssysteme,wenigstens als vorläufiger Zustand, solange nicht die ganze Welt vomPrivateigentum und dem ökonomischen Chaos und den Kriegen, die eserzeugt, zur höheren Form des Eigentums übergegangen ist, findet sichnur im Vertrag von Rapallo's. Deshalb

begrüßt das Gesamtrussische ZEK den Rapallovertrag als den einzigenrichtigen Ausweg aus den Schwierigkeiten, dem Chaos und der Kriegs-gefahr (solange zwei Eigentumssysteme, darunter ein so veraltetes wiedas kapitalistische Eigentum, bestehen) ;

erkennt es als normal für die Beziehungen der RSFSR zu kapitalistischenStaaten nur einen solchen Typus von Verträgen an ;

— beauftragt es den Rat der Volkskommissare und das Volkskommis-sariat für Auswärtige Angelegenheiten, die Politik in diesem Geiste durch-zuführen;

— beauftragt es das Präsidium des Gesamtrussischen ZEK, dies durchein Abkommen mit allen Republiken zu bestätigen, die mit der RSFSReine Föderation bilden;

— weist es das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten undden R at der Volkskommissare an , nur in äußersten Fällen, die den werk-tätigen Massen der RSFSR ganz besondere Vorteile bringen u. dgl. m.,davon eine Ausnahme zu machen, d. h. vom Typus des Rapallovertragsabzugehen.

geschrieben am 15. oder 16. TAai 1922. Tiach dem Manuskript.Zum erstenmal veröffentlicht.

23 Lenin, Werke, Bd. 33

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BRIEF AN D.I. KURSKI

17. V. 1922Gen. Kurski! Als Ergänzung zu unserem Gespräch schicke ich Ihnen

den Entwurf eines zusätzlichen Paragraphen zum Strafgesetzbuch.™ Dasist ein Rohentwurf, der natürlich noch gründlich ausgearbeitet und über-arbeitet werden m uß. Der Grundgedanke ist hoffentlich trotz aller Män-gel des Rohentwurfs klar: offen eine prinzipielle und politisch wahrheits-getreue (nicht nur eine eng juristische) These aufstellen, die das "Wesenund die Heditfertigung des Te rrors , seine Notwendigkeit und seine Gren-zen motiviert.

Das Gericht soll den Terror nicht beseitigen — das zu versprechenwäre Selbstbetrug oder Betrug —, sondern ihn prinzipiell, klar, ohneFalsch und ohne Schminke begründen und gesetzlich verankern. Die For-mulierung muß so weitgefaßt wie möglich sein, denn nur das revolutionäreRechtsbewußtsein und das revolutionäre Gewissen legen die Bedingungenfest für die mehr oder minder breite Anwendung in der Praxis.

Mit kommunistischem GrußCentn

Var iante 1 :Die Propaganda oder Agitation oder die Beteiligung an einer Organisa-tion oder die Förderung von Organisationen, die (Propaganda und A gita-tion) darauf hinwirken, den Teil der internationalen Bourgeoisie zu unter-stützen, der die Gleichberechtigung des den Kapitalismus ablösendenkommunistischen Eigentumssystems nicht anerkennt und, sei es durchIntervention oder Blockade oder Spionage oder Finanzierung der Presseund ähnliche Mittel, seinen gewaltsamen Sturz anstrebt,

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Brie/ an D. J. Xurski 345

wird m it dem höchsten Strafmaß geahnd et, das bei mildernd en Um stän-

den in Freiheitsentzug oder in Ausweisung umgewandelt werden kann.

V a r i a n t e 2 :a) Die Pro paga nda oder Agitation, die objektiv dem Teil der internatio-

nalen Bourgeoisie dient, der usw. bis zum Schluß.b) Dieselbe Strafe haben diejenigen zu gewärtigen, die sich der Be-

teiligung an Organisationen oder der Förderung von Organisationen oderPersonen schuldig machen, die eine Tätig keit a usübe n, die ob engenan ntenCharakter trägt (deren Tätigkeit obengenannten Charakter trägt) .

Varian te 2 b : Die Propaga nda oder Agitation, die objektiv dem Teilder internationalen Bourgeoisie dient bzw. zu dienen geeignet ist, derusw. bis zum Schluß.

Zuerst veröffentlicht 1924. 2Vad> dem Manuskript.

23 *

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BRIEFE OBER DIE ENTWICKLUNGDER RADIOTECHNIK

1

An Genossen Stalin mit der Bitte, den Brief bei allen Mitgliedern desPolitbüros zirkulieren zu lassen

Genosse Stalin!

Beiliegend zwei Berichte: der erste stammt von Professor Ossadtschi,einem Spezialisten für Elektrizität, für telegrafische und telefonische Radio-

verbindung, der zweite von Bontsch-Brujewitscb. (kein Verwandter derbekannten Brüder Bontsch-Brujewitsch, von denen der eine Leiter der G e-schäftsstelle des Rats der Volkskommissare, der andere ein bedeutenderzaristischer General w ar) . Dieser Bontsch-Brujewitsdi, dessen Bericht ichbeilege, ist ein hervorragender Fachmann und Erfinder auf dem Gebietder Radiotechnik, ein führender Mitarbeiter des Radiolaboratoriums inNishni-Nowgorod.

Aus diesen Berichten ist ersichtlich, daß mit unserer Technik die Mög-lichkeit drahtloser Übertragung der lebendigen menschlichen Rede aufeine ziemlich große Entfernung durchaus zu verwirklichen ist; durchauszu verwirklichen ist auch d ie Inbetriebnahme vieler hundert Empfänger,die imstande wären, in Moskau gehaltene Reden, Referate und Lektionenin Hunderte von Orten der Republik zu übertragen, die von MoskauHunderte, ja unter gewissen Umständen Tausende Werst entfernt sind.

Ich bin der Meinung, daß die Verwirklichung dieses Plans für uns eineunbedingte Notwendigkeit darstellt sowohl vom Standpunkt der Propa-ganda und Agitation besonders für die des Lesens und Schreibens unkun-

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Briefe über die Entwicklung der Radiotedbnik 347

digen Massen der Bevölkerung als auch zur Übertragung von Lektionen.

Angesichts der absolute n Untaug lichkeit, ja sogar Schädlichkeit der me istenvon uns zugelassenen bürgerlichen Professo ren für Gesellschaftswissen-schaften bleibt uns kein anderer Ausweg als zu erreichen, daß unserewenigen kommunistischen Professoren, die in der Lage sind, Lektionenüb er Gesellschaftswissenschaften zu halte n, diese Lektion en für H un de rtevon Orten in allen Gegenden der Föderation lesen.

Deshalb meine ich, man sollte auf keinen Fall die Mittel scheuen, umdie Organisierung der drahtlosen Telefonie zu Ende zu führen und wirk-lich brauchbare Lautsprediergeräte herzustellen.

Ich schlage vor, den Beschluß zu fassen, für die Organisierung derArbeiten des Radiolaboratoriums in Nishni-Nowgorod über das Budgethinaus bis zu 100000 Goldrubel aus dem Goldfonds als Sonderaufwen-dung bereitzustellen, mit dem Ziel, die Vollendung der von diesem Labo-ratorium begonnenen Arbeiten zur Aufstellung von wirklich brauchbarenLautsprechergeräten und vielen hundert Empfängern in der ganzen Repu-blik, die geeignet sind, in Moskau oder einem anderen Ze ntru m gehalteneReden, Referate und Lektionen für breite Massen wiederzugeben, maxi-mal zu beschleunigen.

Der Rat für Arbeit und Verteidigung ist zu beauftragen, eine besondereKontrolle über die Verwendung dieses Fonds einzurichten und vielleicht,falls sich das als zweckmäßig erweist, aus dem erwähnten Fonds Prämienfür einen besonders raschen und erfolgreichen Verlauf der Arbeit aus-zusetzen.1 '' '

Hin zufü gen möchte ich, da ß die heutig en „Iswestija" übe r eine englischeErfindung auf dem Gebiet der drahtlosen Telegrafie berichten, die es ge-stattet, Funktelegramme geheim zu übermitteln. Wenn es gelänge, dieseErfindung zu ka ufen, dann bekä me die drahtlose Telefonie undT elegrafie

eine noch größe re Bedeutung im M ilitärwesen.

19. V. 1922 Cenin

Zuerst veröftentlidht Jelefonisdb diktiert,am 2i. "Januar 1949 Nadt einer mas&ine-m der „THaw da'Tlr. 21. ges&riebenen Kopie.

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348 W. J. Lenin

2

An Genossen Stalin

Was das heutige Schreiben von Bontsch-Brujewitsch betrifft, so glaubeich, daß wir das- Radiolaboratorium nicht aus dem Goldfonds finanzierendürfen, ohne ihm spezielle Aufgaben zu stellen.

Deshalb schlage ich vor, daß der Rat für Arbeit und Verteidigung be-auftragt wird zu klären, welche Summen benötigt werden, damit dasRadiolaboratorium die Arbeiten zur Vervollkommnung und Produktionvon Lautsprechergeräten und Empfängern maximal beschleunigen kann.Nur dafür dürfen wir meines Erachtens über das Budget hinaus einen

bestimmten Betrag in Gold bereitstellen.

19. V. 1922 £enin

Zuerst veröflentlidit 1945 7e\efonisä> diktiert,im £enin-Sammelbund XXXV. "Naäi einer mas&ine-

gesdiriebenen Xopie.

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O B ER „ D O P P E L T E " U N T E R O R D N U N GU N D G E S E T Z L I C H K E I T ^

Für das Politbüro

Die Frage der Staatsanwaltschaft hat in der Kommission des Zentral-exekutivkomitees, die bestimmt wurde, um die Arbeiten der Tagung desGesamtrussischen ZEK zu leiten, Meinungsverschiedenheiten hervor-gerufen. Wenn diese Meinungsverschiedenheiten nicht die automatischeWeiterleitung der Frage an das Politbüro zur Folge haben, so halte ichmeinerseits die Frage für so wichtig, daß ich vorschlage, sie zur Entschei-dung an das Po litbüro zu überweisen.

Das Wesen der Meinungsverschiedenheiten besteht in folgendem: Die

Mehrheit der vom Gesamtrussischen ZEK gewählten Kommission hat sichin der Frage der S taatsanwaltschaft dagegen ausgesprochen, daß die ört-lichen Vertreter der Staatsanwaltschaft nur vom Zentrum ernannt werdenund nur dem Zentrum unterstellt sein sollen. Die Mehrheit fordert diesogenannte „doppelte" Unterordnung, die im allgemeinen für alle ört-lichen Funktionäre festgesetzt ist, d. h. ihre Un terordnung einerseits unterdas Zentrum in Gestalt des entsprechenden Volkskommissariats undanderseits un ter das örtliche Gouvernements-Exekutivkomitee.

Dieselbe M ehrheit der Kommission des Gesamtrussischen ZEK spricht

den örtlichen Vertretern der Staatsanwaltschaft das Recht ab, beliebigeBeschlüsse der örtlichen Gouvernements-Exekutivkomitees und überhauptder örtlichen Behörden vom Standpunkt der Gesetzlichkeit anzufechten.

Ich kann mir schwer vorstellen, mit welchem Argument ein so offen-sichtlich falscher Beschluß der Mehrheit der Kommission des Gesamt-russischen ZEK verteidigt werden kann. Ich habe nur Argumente von derArt gehört, daß die Verteidigung der „doppelten" Unterordnung im ge-gebenen Fall ein rechtmäßiger Kampf gegen den bürokratischen Zentralis-

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350 W.ü. Lenin

mus, für die notwendige Selbständigkeit der örtlichen Machtorgane und

gegen das dünkelhafte Verhalten des Zentrums zu den Mitgliedern derGouvernements-Exekotivkomitees sei. Ist denn die Auffassung dünkelhaft,daß es nicht eine Kalngaer und Kasaner Gesetzlichkeit geben kann, son-dern daß die Gesetzlichkeit für ganz Rußland und sogar für die gesamteFöderation der Sowjetrepubliken einheitlich sein muß? Der grundlegendeFehler der Auffassung, die in der Mehrheit der Kommission des Gesamt-russischen ZEK gesiegt hat, besteht darin, daß sie das Prinzip der „dop-pelten" Unterordnung falsch anwenden. Die „doppelte" Unterordnungist dort notwendig, wo man es verstehen muß, den wirklich vorhandenen

unvermeidlichen Unterschieden Rechnung zu tragen. Im GouvernementKaluga ist die Landwirtschaft eine andere als im Gouvernement Kasan.Dasselbe gilt auch für die gesamte Industrie. Dasselbe gut auch für diegesamte administrative oder Verwaltungstätigkeit. Die örtlichen Unter-schiede in allen diesen Fragen nicht zu berücksichtigen würde bedeuten, inbürokratischen Zentralismus usw. zn verfallen, wü rde bedeuten, die ö rt-lichen Funktionäre an der Berücksichtigung der örtlichen Unterschiede zuhindern, welche die Grundlage einer vernünftigen Arbeit bildet. Bei alle-dem muß jedoch die Gesetzlichkeit einheitlich sein. Ein Gnmdübel un-

seres ganzen Lebens und unserer ganzen Kultarlosigkeit ist die Duldungder althergebrachten russischen Auffassung und Gewohnheit von Halb-wilden, die eine Kalugaer Gesetzlichkeit zum Unterschied von einerKasaner Gesetzlichkeit beibehalten wollen. Man muß bedenken, daß zumUnterschied von jedweder Verwaltungsbehörde die Staatsanwaltschaftkeine administrativen Machtbefugnisse hat und in keiner administrativenFrage beschließende Stimme besitzt. Der Staatsanwalt hat das Recht unddie Pflicht, nur eines zu tun: darüber zu wachen, daß sich eine wirklicheinheitliche Auffassung von der Gesetzlichkeit in der gesamten Republik

durchsetzt, ungeachtet aller örtlichen Unterschiede und entgegen allen wieauch immer gear teten örtlichen Einflüssen. Das einzige Recht und die ein-zige Pflicht des Staatsanwalts ist es, eine Sache vor das Gericht zu brin-gen, das sein Urteil zu fällen hat Was sind das nun für Gerichte? DieGerichte sind bei uns örtliche Gerichte. Die Richter werden von den ört-lichen Sowjets gewählt. Da s Machtorgan, dem de r Staatsanwalt das U rtei lin einem von iVitn eingeleiteten Verfahren wegen einer Gesetzesverletzunganheimstellt, ist also ein örtliches Machtorgan, das verpflichtet ist, einer-

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Tiber .doppelte' Unterordnung und Q esetzUdikeit 351

sdts die einheitlichen, für die ganze Föderation festgelegten Gesetze un-

bedingt zu beachten nnd anderseits bei der Bestimmung des Strafmaßesalle örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Es besitzt dabei das Recht,zu erkären, daß zwar das Gesetz in dem und dem Fall zweifellos verletztworden is t , daß s ich das Gericht aber auf Grund der und der Umstände,die den Einheimischen wo hlbek annt u nd in d er örtlichen Gerichtsverhand-lung zutage getreten sind, vera nlaß t sieht, die Strafe in bezo g auf die un ddie Personen zu mildem oder sogar die und die Personen freizusprechen.Wenn wir diese elementare Voraussetzung für die Herstellung einer ein-heitlichen Gesetzlichkeit in de r gesamten Föderation nicht um jed en Preis

erfüllen, dann kann von keinerlei Rechtsschutz und keinerlei Schaffungkultureller Zustände auch nur die Rede sein.

Genau so ist es prinzipiell falsch z u sagen, der Staatsanw alt dürfe nichtdas Recht haben, die Beschlüsse der Gouvernements-Exekutivkomiteesund der anderen örtlichen Machtorgane anzufechten,- vom Standpunktder Gesetzlichkeit sei die Arbeiter- und Bauerninspektion verpflichtet,über diese Beschlüsse zu urteilen.

Die Arbeiter- und Bauerninspektion urteilt nicht nur vom Standpunktder Gesetzlichkeit, sondern auch vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit.

Der Staatsanwalt ist verantwortlich dafür, daß kein einziger Beschlußirgendeiner Lokalbehörde dem Gesetz widerspricht, und nur von diesemStandpunkt aus ist der Staatsanwalt verpflichtet, gegen jeden ungesetz-lichen Beschluß Einspruch zu erheben, wobei der Staatsanwalt nicht dasRecht ha t, den Beschluß a uße r Kraft zu setzen, sonde rn n ur verpflichtet ist,Maßnahmen zu ergreifen, damit die Auffassung von der Gesetzlichkeit inder gesamten Republik zu einer absolut gleichen wird. Deshalb ist derBeschluß der Mehrheit der Kommission des Gesamtrussischen ZEK nichtnur prinzipiell im höchsten Grade falsch, wendet er nicht nur das Prinzip

der „doppelten" Unterordnung grundfalsch an, sondern untergräbt auchjede Arbeit zur Herstellung von Gesetzlichkeit und eines Mindestmaßesan Kultur .

Ferner muß bei der Entscheidung dieser Frage die Bedeutung der ört-lichen Einflüsse berücksichtigt werden. Es besteht kein Zweifel, daß unsein Meer von Ungesetzlichkeit umgibt und daß der örtliche Einfluß einerder größten, wenn nicht der größte Gegner der Herstellung gesetzlicherund kultureller Zustände ist. Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht

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352 TV.I.Lenin

davon gehört hat, daß sich während der Parteireinigung überwiegend die

Tatsache zeigte, daß in den meisten örtlichen überpräfungskomm issionendie Durchführung der Parteireinigung dazu benutzt wurde, persönlicheund lokale Rechnungen zu begleichen. Diese Tatsache ist unbestreitbarund ziemlich schwerwiegend. Es wird wohl kaum jemand zu bestreitenwagen, daß es unserer Partei leichter fällt, ein Dutzend zuverlässigerKomm unisten zu finden, die juristisch genügend gebildet und fähig sind,allen rein örtlichen Einflüssen zu widerstehen, als Hunderte ebensolcherGenossen zu finden. Aber gerade darauf läuft die Frage hinaus, wennman von „doppelter" Unterordnung der Staatsanwaltschaft und von der

Notwendigkeit spricht, sie nur dem Zentrum unterzuordnen. Im Zentrumallerdings müssen wir etwa zehn Menschen finden, die in Gestalt desGeneralstaatsanwalts, des Obersten Gerichtshof es und des Kollegiums desVolkskommissariats für Justiz die zentrale Macht der Staatsanwaltschaftverkörpern werden. (Ich lasse die Frage beiseite, ob der Generalstaats-anwalt die Macht einzelverantwortlich ausübt oder ob er diese Macht mitdem Obersten Gerichtshof und dem Kollegium des Volkskommissariatsfür Justiz teilt, denn diese Frage ist absolut zweitrangig und kann so oderanders gelöst werden, je nachdem, ob die Partei die ganze Machtfülle

einem einzelnen anvertraut oder sie unter die genannten drei Instanzenaufteilt.) Diese zehn Menschen, die sich im Zentrum befinden, arbeitenunter strengster Beobachtung und in unmittelbarstem Kontakt mit dendrei Parteikörperschaften, die eine maximale G arantie gegen örtliche undpersönliche Einflüsse bieten, nämlich: das O rgbüro des ZK, das Politbürodes ZK und die Zentrale Kontrollkommission, wobei diese letzte Körper-schaft, d. h. die ZKK, nur dem Parteitag verantwortlich und so aufgebautist, daß für die Mitglieder der ZKK keinerlei Möglichkeit besteht, gleich-zeitig in irgendeinem Volkskommissariat, in irgendeiner selbständigen Be-

hörde und in irgendeinem O rgan der Sowjetmacht tätig zu sein. Es ist klar,daß wir unter diesen Bedingungen von allen Garantien, die man sich bis-her ausgedacht hat, die höchstmögliche Garantie haben, daß die Partei einkleines zentrales Kollegium schaffen wird, das tatsächlich imstande ist, denörtlichen Einflüssen, dem örtlichen und jedwedem Bürokratismus zu wider-stehen und eine wirklich einheitliche Anwendung der Gesetzlichkeit in dergesamten Republik und in der gesamten Föderation durchzusetzen. Daherwerden etwaige Fehler dieses zentralen juristischen Kollegiums sofort an

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Tiber „doppelte" Unterordnung und Qesetzlidikeit 353

Ort und Stelle durch jene Parteiorgane korrigiert, die überhaupt alle

Grundbegriffe und alle Grundregeln für unsere gesamte Parteiarbeit undSowjetarbeit in der Republik allgemein festsetzen.

Wenn wir davon abgingen, so hieße das, daß wir insgeheim der Auf-fassung huldigen, die niemand direkt und offen verteidigt, nämlich derAuffassung, als seien bei uns die Kultur und die untrennbar mit ihr ver-bundene Gesetzlichkeit schon so hoch entwickelt, daß wir uns dafür ver-bürgen können, bei uns hu ndert Staatsanwälte zu finden, die absolut tadel-frei sind in dem Sinne, daß sie niemals irgendwelchen örtlichen Einflüssenunterliegen und ganz von selbst eine einheitliche Gesetzlichkeit in der

ganzen Republik durchsetzen werden.Zusammenfassend ziehe ich den Schluß, daß die Verteidigung der

„doppelten" Unterordnung in bezug auf die Staatsanwaltschaft und derEntzug ihres Rechtes, beliebige Beschlüsse der Lokalbehörden anzufech-ten, nicht nur prinzipiell falsch ist, nicht nur unsere Hauptaufgabe derunentwegten Einführung der Gesetzlichkeit behindert, sondern auch dieInteressen und Vorurteile der örtlichen Bürokratie und der örtlichen Ein-flüsse zum Ausdruck bringt, d. h. der schlimmsten Scheidewand zwischenden Werktätigen und der örtlichen und zentralen Sowjetmacht wie auch

der zentralen Macht der KPR.Deshalb empfehle ich dem ZK, in diesem Fall die „doppelte" Unter-

ordnung abzulehnen, die Unterordnung der örtlichen Staatsanwaltschaftnur unter das Zentrum festzulegen und für die Staatsanwaltschaft dasRecht und die Pflicht beizubehalten, alle und jegliche Beschlüsse derLokalbehörden vom Standpunkt der Gesetzlichkeit dieser Beschlüsse oderAnordnungen anzufechten, ohne das Recht, diese außer Kraft zu setzen,sondern ausschließlich mit dem Recht, die Angelegenheit dem Gericht zurEntscheidung zu übergeben.

20. V. 1922 £enin

Zuerst veröftentlidht 7elefonisdb diktiert,am 23. April i925 Tiaäs einer masdiine-in der .Trawda" "Nr. 91 . gesdiriebenen Xopie.

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E I N L Ö F F E L T E E R

I N E I N E M F A S S V O L L H O N I G

Herr O. A. Jermanski hat ein sehr nützliches und sehr gutes Buch ge-schrieben: „Wissenschaftliche Betriebsorganisation und Taylorsystem".(Staatsverlag, 1922.) Das ist eine Neubearbeitung seines 1918 erschie-nenen Buches „Das Taylorsystem". Das Buch ist beträchtlich erweitertworden; hinzugefügt wurden sehr wichtige Anlagen: I. „ProduktiveArbeit und Kultur"; II. „Das Problem der Ermüdung". Einer der wich-tigsten Teile, der früher „Arbeit und Erholung" hieß und insgesamt nur16 Seiten um faßte, ist jetzt auf 70 Seiten angewachsen (Kapitel III : „D ieArbeit des Menschen").

Das Buch gibt eine ausführliche Darstellung des Taylorsystems, undzwar, was besonders wichtig ist, sowohl seiner positiven als auch seinernegativen Seite, und bringt die hauptsächlichen wissenschaftlichen An-gaben über das physiologische Soll und Haben in der menschlichenMaschine. Im großen ganzen ist das Bach meines Erachtens durchaus ge-eignet, als obligatorisches Lehrbuch für alle Gewerkschaftsschulen undüberhaupt alle Mittelschulen anerkannt zu werden. Arbeiten lernen, dasist gegenwärtig die Hauptaufgabe wirklich des ganzen Volkes in derSowjetrepublik. Erreichen, daß alle lesen und schreiben können; auf

keinen Fall dabei stehenbleiben, sondern um jeden Preis weitergehen undalles wirklich Wertvolle aus der europäischen und amerikanischen Wissen-schaft übernehmen — das ist unsere vorrangige und wichtigste Aufgabe.

Einen ernsten Mangel ha t Jermanskis Buch, einen M angel, der womög-lich seiner Anerkennung als Lehrbuch im Wege stehen wird. Das ist dieRedseligkeit des Verfassers. O hne jede Notwendigkeit wiederholt er vieleMale ein und dasselbe. Vielleicht kann dem Verfasser in diesem Fall biszu einem gewissen Grade der U mstand als Entschuldigung dienen, daß er

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Ein Löffel leer in einem, faß voll "Honig 355

beim Schreiben seines Buches nicht die Absicht hatte, ein Lehrbuch daraus

zu machen. Indes spricht der Verfasser auf S. VIII des Vorworts davon, daßer den W ert seines Buches in der populären Darlegung wissenschaftlicherProbleme sieht. Damit hat er recht. Aber zu einer populären Darlegunggehört auch, daß Wiederholungen beseitigt werden. D as „Volk" hat keineZeit, dicke Bücher zu lesen. Jermanskis Buch ist zu umfangreich, und zwarohne jede Notwendigkeit. Das steht seiner Popularität im Wege *

Qesdhrieben im September 1922,nadh dem 10.

Zuerst veröfientU&t 1928. Nadj dem Manuskript

* Damit bricht das Manu skript ab. Die "Red.

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BRIEF AN DEN V. GESAMTRUSSISCHENGEWERKSCHAFTSKONGRESSE

17. IX. 1922Werte Genossen!

Zum erstenmal nach langer Krankheit komme ich dazu, mich — wennauch nur schriftlich — an einen Kongreß zu wenden. Gestatten Sie mirdeshalb, mich auf herzliche Grüße und einige kurze W orte über die Lageund die Aufgaben unserer Industrie und unserer Republik zu beschrän-ken. Unsere Lage ist besonders schwierig, weil es an Mitteln zur Wieder-herstellung des Grundkapitals, der Maschinen, Werkzeuge, Gebäudeusw. fehlt; aber gerade diese Industrie, die sogenannte „Schwerindustrie",

ist doch die Hauptbasis des Sozialismus. In den kapitalistischen Staatenwird dieses Grundkapital in der Regel mit Hilfe von Anleihen wiederher-gestellt. Uns will man keine Anleihen geben, bevor wir nicht das Eigen-tum der Kapitalisten und der Gutsbesitzer wiederherstellen, aber daskönnen wir nicht und werden wir nicht tun. So bleibt der außerordentlichschwierige und lange Weg : nach und nach Ersparnisse anzusammeln, dieSteuern zu erhöhen, um allmählich die zerstörten Eisenbahnen, Maschi-nen, Gebäude usw. wiederherzustellen. Wir stehen einstweilen in derganzen W elt allein, als der einzige Staat, in dem die werktätigen Bauern

unter Führung der Arbeiter den Sozialismus aufbauen und die Führungdurch die Kapitalisten entschieden ablehnen, die unter dem Deckmantelaller möglichen hochtrabenden Redensarten über Demokratie, Freiheitusw. in W irklichkeit das Privateigentum der Kapitalisten und Gutsbesitzerfestigen, die Herrschaft einiger weniger Geldsäcke errichten, den ganzenErdball untereinander aufteilen und um dessen Neuaufteilung, um dieVersklavung der nach Hunderten von Millionen zählenden schwächerenund rückständigeren Völker gegeneinander Krieg führen.

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"Brief an den V. Qesamtrussisdnen Q ewerksdhaftskongreß 357

Solange wir allein bleiben, lastet die Aufgabe der Wiederherstellung

unserer Volkswirtschaft ungemein schwer auf unseren Schultern. Es istnotwendig, daß alle Bauern und alle Arbeiter ihre Kräfte aufs äußersteanspannen, es ist notwendig, unseren Staatsapparat, der noch sehr schlechtist, zu vervollkommnen und zu verbilligen, um die Lage der Werktätigenzu verbessern und unsere durch den imperialistischen Krieg und denBürgerkrieg zerstörte Wirtschaft wenigstens allmählich wiederherzu-stellen.

Möge jeder bewu ßte Bauer und Arbeiter, der unter der Einwirkung derschweren Lebensbedingungen oder der außerordentlichen Langsamkeit

unseres staatlichen Aufbaus kleinmütig werden sollte, sich der jüngstenVergangenheit mit ihrer Herrschaft der Kapitalisten und Gutsbesitzererinnern. Diese Erinnerung wird ihm die Kraft zur Arbeit wiedergeben.Mit allen Kräften, von allen Seiten die Arbeit verstärken und verbes-sern — darin liegt die einzige Rettung der Arbeiter- und Bauernmacht.

Mit kameradschaftlichem GrußW. Wjanow (Centn)

,7rud" (Die Arbeit), Nadh dem Manuskript.18. September 1922,und JPravoda" 7Jr. 210,19. September 1922.

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NOTIZ FÜR DAS POLITBÜRO ÜBER DEN KAMPFG E G E N D E N G R O S S M A C H T C H A U V I N IS M U S f »

Dem großrussischen Chanvinismas erkläre idi den Kampf auf Lebenund To d. Sobald id i erst den verfluchten Zahn los bin , werde idi m idi mitallen gesunden Zähnen auf ihn stürzen.

Man maß unbedingt darauf bestehen, daß im Zentralexekutivkomiteeder Unio n der Reihe nach

ein Rosseein Ukrainerein Georgier usw.

den Vorsitz führt.

"Unbedingt'.

Ihr Centn

Qesdmeben am 6. Oktober 1922.

Zuerst veröffentlicht Manuskript,am 21 . Januar 1937

in der JPrawda" 7ir. 21 .

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AN DIE ARBEITER DER STADT BAKU

Moskau, 6.X. 1922

Liebe Genossen! Soeben habe ich einen kurzen Bericht des Gen. Sere-browski über die Lage in der Erdölindustrie Aserbaidshans gehört. DieseLage ist in vieler Hinsicht sehr schwierig. Ich sende Euch herzliche Grüßeund bitte Euch, die nächste Zeit auf jeden Fall durchzuhalten. In derersten Zeit ist es für uns besonders schwer. Später wird es leichter sein.Den Sieg müssen und werden wir erringen , koste es, was es wolle.

Nochmals sende ich Euch die besten kommunistischen Grüße.

W. Wjanow (Lenin)

.Bdkinski Jiabotsdbi' Tiaäa dem Manuskript.(Der Arbeiter von Baku)5Vr. 251, 7. November i922.

24 Lenin, Werke, Bd. 33

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360

AN DEN KONGRESS DES KJVR«i

Liebe Freunde! Ich bedaure sehr, daß ich Euch nicht persönlich be-grüß en k an n. Ich wünsche Eu rem V . Kon greß viel Erfolg. Ich bin über-zeugt, die Jugend wird sich so erfolgreich zu entwickeln wissen, daß sie,wenn die nächste Etappe der Weltrevolution heranreift, durchaus auf derHöhe ihrer Aufgaben stehen wird.

Mit heißem kommunistischem GrußW. Wjanow (Lenin)

11.X. 1922

.Prawda" Nr. 230, Nadb dem Manuskript.t2. Oktober 1922.

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BRIEF OBER DAS AUßENHANDELSMONOPOL

13. X. 1922

Der Beschluß der P lenartagu ng des ZK vom 6. X. (P rot. N r. 7, P. 3)legt eine scheinbar unwichtige Teilreform fest: „eine Reihe einzelner Be-stimmungen des Rats für Arbeit und Verteidigung betreffend die vorüber-gehende Erlaubnis zur Ein- und Ausfuhr einzelner Warenkategorien oderhinsichtlich einzelner Grenzübergänge durchzuführen".8 2

In Wirklichkeit ist das jedoch eine Durchbrechung des Außenhandels-monopols. Es ist nicht verwunderlich, daß Gen. Sokolnikow das angestrebt

und durchgesetzt hat. Er hat das seit jeher angestrebt, er ist ein Freundvon Paradoxen und hat immer zu beweisen versucht, daß das Monopolfür uns gar nicht vorteilhaft sei. Aber es ist verwunderlich, daß Leute, diegrundsätzlich für das Monopol sind, dafür stimmten, ohne sich bei einemWirtschaftler eingehend erkundigt zu haben.

Was bedeutet der angenommene Beschluß?Für die Ein- und Ausfuhr werden Einkaufskontore eröffnet. Der Be-

sitzer des Kontors darf \edig\ich speziell genannte Waren kaufenund verkaufen.

Wo bleibt aber die Kontrolle? Wo sind die Mittel der Kontrolle?Flachs kostet in Rußland 4i/ 2 Rubel, in England 14 Rubel. Wir alle

haben im „Kapital" gelesen, daß sich das Kapital bei raschem Anwachsender Zinsen und Profite innerlich verwandelt und kühner wird. Alle er-innern sich, daß das Kapital fähig ist, sich Hals über Kopf in Risiken zustürzen, und das hat Marx bereits lange vor dem Krieg und vor den„Sprüngen" des Krieges festgestellt.

Und jetzt? Welche Kraft wird die Bauern und die Händler von einem

24*

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362 "W.1.£enin

höchst vorteilhaften Geschäft zurückhalten? Soll man Rußland mit einemneuen Netz von Aufpassern bedecken? Sol l man den Nachbarn des Ein-kauf skontors einfangen un d ihm z u beweisen suchen, daß der Flachs, dener verkauft, für heimliche Ausfuhr bestimmt ist?

Die Paradoxe des Gen. Sokolnikow sind stets geistreich, aber man mußdoch einen Unterschied machen zwischen Paradoxen und bitterer Wahr-heit .

Irgendeine „Gesetzlichkeit" ist in einer derartigen Frage im bäuerlichenRußland absolut unmöglich. Irgendein Vergleich mit Schmuggel schlecht-hin (das sei Jacke wie H os e, auch geschmuggelt werde ja gegen das M ono -

pol, wa s das Ze ug ha lte) ist absolut falsch: ein Schm ugglerspezialist an derGr enze ist etwas and eres, als wenn es sich um die g a n z e Bauernschafthandelt, die sich insgesamt verteidigen und gegen die Staatsmachtkämpfen wird, die sie ihres „eigenen" Vorteils zu berauben versucht.

Noch bevor wir das Regime des M onopols erprob t haben, das eben erstanfängt , uns Mil l ionen e inzubringen (und uns Dutzende und mehr Mil-lionen einbringen wird), richten wir ein völliges Chaos an, rütteln wir anden Stützpfei lern, die wir kaum zu errichten begonnen ha be n.-

Wir haben begonnen, e in System zu errichten, sowohl das Außen-

handelsmonopol als auch das Genossenschaftswesen aufzubauen. In etwazwei Jahren werden einige Ergebnisse vorliegen. Der Gewinn aus demAußenhandel bemißt s ich nach Hunderten von Prozenten, wir fangen an,Millionen und Du tzende M ill ionen e inzunehmen. W ir haben angefangen,gemischte Gesellschaften zu gründen; wir haben angefangen zu lernen,die Hälfte ihres (sagenhaften) Gewinns zu erhalten. Wir sehen bereitseine bestimmte Perspektive für eine höchst solide Staatseinnahme. Wirgeben das alles auf in der Hoffnung auf Zollgebühren, die nicht im ent-ferntesten einen derartigen Gewinn abwerfen können, wir geben das

alles auf und jagen einem Phantom nach!Die Frage wurde übereilt vor die Plenartagung gebracht. Irgendeine

ernsthafte Aussprache gab es nicht. Wir haben keine Ursache, uns zu be-eilen. Jetzt erst beginnen die Wirtschaftler, in die Sache einzudringe n. D iewichtigsten Fragen der Handelspolitik von heute auf morgen zu entschei-den, ohne Material gesammelt, ohne das 7 ü r und IV i der a n Ha ndvon Dokumenten und Zahlen erwogen zu haben — wo ist da auch nu r einSchimmer von richtigem Verhalten zur Sache? Müde Menschen stimmen

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"Brief über das Außenhandelsmonopol 363

in wenigen Minu ten a b und ba sta. Wen iger ko mplizierte politische Fragen

haben wir immer wieder erwogen und nicht selten Monate gebraucht, umsie zu entscheiden.Ich bedaure sehr, daß ich an diesem Tag durch meine Krankheit ver-

hindert war, an der Sitzung teilzunehmen, und daß ich jetzt gezwungenbin, um eine Ausnahm e von der Regel zu bitten.

Aber ich denke, daß man diese Frage abwägen und studieren muß, daßEile schädlich ist.

Ich schlage vor: die Entscheidung dieser Frage um zwei Monate zu ver-tagen, d.h. bis zur nächsten Plenartagung; und bis dahin zusammen-gefaßte und geprüfte 11 nt erlag en über die Erfahrungen unsererHandelspolitik zu sammeln.

W. Wjanow (Lenin)

P S. Im gestrigen Gespräc h mit Gen ossen Stalin — (ich wa r auf de rPlenartagung nicht anwesend und habe versucht, mich bei Genossen zuinformieren, die daran teilgenommen haben) — kamen wir unter anderemauch auf die eventuelle zeitweilige Öffnung der Hä fen von Petrog rad undNoworossisk zu sprechen. Mir scheint, beide Beispiele zeigen die große

Gefahr derartiger Experimente, beträfen sie auch nur eine sehr kleineListe von Waren. Durch die Öffnung des Petrograder Hafens wird derFlachsschmuggel über die finnische Grenze in erschreckendem Ausmaß zu-nehmen. An Stelle des Kampfes gegen berufsmäßige Schmuggler werdenwir den Kampf gegen die gesamte Bauernschaft des Flachsbaugebiets zuführen habe n. Fast sicher werden wir in diesem Kampf geschlagen we rden,und zw ar in nicht wiedergutzum achender W eise. Die Öffnung des Hafen svon Noworossisk wird zu einem raschen Auspumpen der Getreideüber-schüsse führen: Ist das umsichtig, wo wir nur kleine Vorräte für denKriegsfall haben? wo eine Reihe systematischer Maßnahmen, um sie zuvergröße rn, noch keine Resultate zeitigen k on nte n?

Ferner muß man folgendes bedenken. Durch das Außenhandelsmonopolwurde die Quelle erschlossen für den Zustrom von Gold nach Rußland.Jetzt erst wird es möglich, zu kalkulieren: Die erste Reise eines bestimm-ten Kaufmanns auf ein halbes Jahr nach Rußland hat ihm, sagen wir,hundert Prozent Gewinn eingebracht; er erhöht uns den Preis für denKauf eines solchen Rechts von 25 auf 50% zugunsten des Außenhandels.

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364 "W. 1 Lenin

Wir haben erstmalig die Möglichkeit erhalten, sowohl zu lernen als auch

den Umfang dieses Gewinns zu vergrößern. M it einem Ma l geht das allesverloren, die ganze A rbeit stockt, denn w enn teilweise und zeitweilig ver-schiedene Häfen geöffnet werden, dann wird kein einziger Kaufm annaudb nur einen Qrosdb en für ein derartiges „M onopol" zahlen. Das istklar. Man muß die Sache mehrmals überlegen und berechnen, ehe manein solches Risiko eingeht. Dazu kommt noch das politische Risiko, daßwir nicht diejenigen ausländischen Kaufleute hereinlassen, deren Namenw ir kenne n und die wir kontrollieren, sondern überh aup t die ganze Klein-bourgeoisie.

Mit dem Außenhandel haben wir begonnen, auf einen Goldzustromzu rechnen. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht, außer etwa dasBranntweinmonopol, aber dem stehen sowohl ernsthafte moralische Er-wägungen als auch eine Reihe sachlicher Einwände Sokolnikows entgegen.

Lenin

P P S . Soeben teilt man mir mit (y 2 2 Uhr) , daß eine Reihe von Wirt-schaftlern um Aufschub bittet. Ich habe dieses Gesuch noch nicht gelesen,

unterstütze es aber energisch. Es handelt sich nur um etwa zwei Monate.

Lenin

Zum erstenmal veröffentlicht. Tüadj dem Manuskript.

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A N D E N G E S A M T R U S S I S C H E N K O N G R E S SD E R F I N A N Z A N G E S T E L L T E N 8 3

Werte Genossen!

Die Festigung der sowjetischen Finanzen ist eine der schwierigsten Auf-gaben, aber diese Aufgabe steht jetzt im Vordergrund, und ohne ihreLösung ist es unmöglich, erhebliche Fortschritte zu erzielen, sowohl in derSicherung der U nabhängigkeit Sowjetrußlands vom internationalen Kapi-tal als auch in der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Lan-des. Unser Finanzapparat muß alle seine Kräfte anspannen, um binnenkürzester Frist imstande zu sein, dem Arbeiter- und Bauernstaat durch

die Aufbringung von Steuern die Mittel zu sichern, die für eine ordnungs-gemäße Arbeit aller Staatsorgane erforderlich sind.Ich begrüße den Gesamtrussischen Kongreß der Finanzangestellten und

gebe der festen Überzeugung Ausdruck, daß die Finanzangestellten dievon den werktätigen Massen Sowjetrußlands in sie gesetzten Erwartun-gen beim Aufbau der Finanzwirtschaft rechtfertigen werden.

20. Oktober 1922 W. Uljanow (Lenin)

.Vrawda" 7!r. 240, Tlaän dem 7ext der .Vrawda".24. Oktober 1922.

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A N D I E G E S E L L S C H A F T

D E R F R E U N D E S O W J E T R U S S L A N D S( I N A M E R I K A ) * «

20. X. 1922

Werte Genossen!

Idi habe soeben durch eine spezielle Anfrage beim Permer Gouverne-

ments-Exekutivkomitee die in unseren Zeitungen erschienenen außer-ordentlich erfreulichen Mitteilungen über die Arbeit nachgeprüft, die dieMitglieder Ihrer Gesellschaft unter Leitung von Harold Ware mit derTraktorenabteilung des Penner Gouvernements in der Sowjetwirtschaft„Toikrno" geleistet haben.

Ungeachtet der ungeheuren Schwierigkeiten, insbesondere angesichtsder äußerst großen Entfernung der genannten Arbeitsstelle vom Zentrumund auch angesichts der Verwüstungen durch Koltschak während desBürgerkriegs, haben Sie Erfolge erzielt, die man als einzig dastehend be-

zeichnen muß.Ich möchte Ihnen meine tiefe Anerkennung aussprechen und bitte, das

in dem Organ Ihrer Gesellschaft und, wenn möglich, auch in der allgemei-nen Presse der Vereinigten Staaten von Nordamerika zu veröffentlichen.

Ich werde beim Präsidium des Gesamtrussischen ZEK beantragen, dieseSowjetwirtschaft als Musterwirtschaft anzuerkennen und ihr sowohl beiden Bauarbeiten als auch bei der Versorgung mit Benzin, Metall und an-deren für d ie Einrichtung einer Reparaturwerkstatt notwendigen M ateria-lien besondere und außerordentliche Unterstützung zu gewähren.

Nochmals drücke ich Ihnen im Namen unserer Republik meine tiefeDankbarkeit aus und bitte Sie, dessen eingedenk zu sein, daß keineandere Art der Unterstützung für uns so aktuell und so wichtig ist wiedie, die Sie uns erweisen.

Der Vorsitzende des Rats der VolkskommissareLenin

JPrawda" SVr. 240, 24. Oktober « 2 2 . JVacfc dem 7ext der .Vrawda'.

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A N D I E G E S E L L S C H A F TF Ö R T E C H N I S C H E U N T E R S T Ü T Z U N G

S O W J E T R U S S L A N D S 8 5

20. X. 1922

W erte Genossen!

In unseren Zeitungen erschienen außerordentlich erfreuliche Mittei-

lungen über die Arbeit der Mitglieder Ihrer Gesellschaft in Sowjetwirt-schaften des Kreises Kirsanow im Gouvernement Tambow und bei derStation Mitino im Gouvernement Odessa sowie über die Arbeit einerGruppe von Bergleuten des Donezbeckens.

Ungeachtet der ungeheuren Schwierigkeiten, und insbesondere ange-sichts der Verwüstungen während des Bürgerkriegs, haben Sie Erfolgeerzielt, die man als außerordentlich bezeichnen muß.

Ich möchte Ihnen meine tiefe Anerkennung aussprechen und bitte,das in dem Organ Ihrer Gesellschaft und, wenn möglich, auch in der all-

gemeinen Presse der Vereinigten Staaten von N ordamerika zu veröffent-lichen.Ich werde beim Präsidium des Gesamtrussischen ZEK bean tragen, die

hervorragendsten W irtschaften als Musterwirtschaften anzuerkennen undihnen die für eine günstige Entwicklung ihrer Arbeit notwendige beson-dere und außerordentliche Unterstützung zu gewähren.

Nochmals drücke ich Ihnen im Namen unserer Republik meine tiefeDankbarkeit aus und bitte Sie, dessen eingedenk zu sein, daß Ihre Unter-stützung bei der Bodenbestellung mit Trak toren für uns besonders aktuell

und wichtig ist.Es ist mir ein besonderes Vergnügen, Ihnen anläßlich der von Ihnengeplanten Organisierung von 200 landwirtschaftlichen Kommunen gratu-lieren zu können.

Der V orsitzende des Rats der VolkskommissareCentn

.Vraioda" Nr. 240, 24. Oktober 1922. TIadb dem Jext der .Prawda'.

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D E M B E F R E I T E N P R I M O R J E Z U M G R U S S « !

Tschita. An den Vorsitzenden des M inisterratsder Fernöstlichen Republik

Die Rote Armee hat zum fünften Jahrestag der siegreichen Oktober-revolution einen weiteren entscheidenden Schritt getan, um das Territo-rium der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik und dermit ihr verbündeten Republiken vollständig von den Truppen der aus-ländischen Okkupanten zu säubern. Die Einnahme Wladiwostoks durchdie revolutionäre Volksarmee der Fernöstlichen Republik vereinigt dierussischen Staatsbürger, die das schwere Joch des japanischen Imperialis-mus getragen haben, m it den werktätigen Massen Rußlands. Ich beglück-wünsche alle Werktätigen Rußlands und die heldenhafte Rote Armee zudiesem neuen Sieg und bitte die Regierung der Fernöstlichen Republik,allen Arbeitern und Bauern der befreiten Gebiete sowie der Stadt Wladi-wostok den Gruß des Rats der Volkskommissare der RSFSR zu über-mitteln.

Der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare der RSFSRW. Wjanow (Lenin)

Moskau, 26 . X. 1922

.Prawda" 3Vr. 243, SVad? de m Text der „Vrawda".27. Oktober i922.

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I N T E R V I E W F Ü R D E N K O R R E S P O N D E N T E N

D E S „ O B S E R V E R " U N D D E S

„ M A N C H E S T E R G U A R D I A N " , F A R B M A N 8 7

i. 7raQe. Die antirussische Presse stellt den Empfang Herriots in Moskauund die französisch-russischen Verhandlungen als einen entscheidenden Um-schwung in der Außenpolitik Sowjetrußlands dar.

Stimmt das? Stimmt es, daß Rußland die englische Politik im Nahen Ostenals eine Herausforderung betrachtet und bereit ist, mit Frankreich ein gegenEngland gerichtetes Abkommen zu treffen?

Antwort. Ich halte es für absolut falsch, den Empfang Herriots in Mos-kau und die französisch-russischen Verhandlungen als irgendeinen und

sei es auch noch so kleinen Umschwung in der Politik Sowjetrußlands imallgemeinen und als eine Wendung gegen England im besonderen dar-zustellen. Zweifellos schätzen wir sowohl den Empfang Herriots in Mos-kau als auch jenen Schritt zur Annäherung an Frankreich oder zu Ver-handlungen mit Frankreich, die jetzt möglich, wahrscheinlich und, mansollte meinen, auch notwendig geworden sind, außerordentlich hoch ein.Jede Annäherung an Frankreich ist für uns außerordentlich wünschens-wert, besonders deshalb, weil die Handelsinteressen Rußlands eine An-näherung an diese stärkste Kontinentahnacht dringend erfordern. Aber

wir sind davon überzeugt, daß diese Annäherung es nicht im geringstenerforderlich macht, unsere Politik gegenüber England in irgendeiner Weisezu ändern. Wir sind der Ansicht, daß vollauf freundschaftliche Beziehun-gen zu beiden Mächten durchaus möglich sind und unser Ziel darstellen.W ir sind der Ansicht, daß gerade die Entwicklung der Handelsbeziehun-gen unbedingt außerordentlich stark in der Richtung wirken wird, diesesZiel zu erreichen. Wir sind der Ansicht, daß die richtig verstandenenInteressen Englands und Frankreichs gleichermaßen in dieser Richtung

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370 W.3. Lenin

wirken werden. Wir sind der Ansicht, daß die gegenseitigen Interessen

Englands und Frankreichs, insofern sie Rußland betreffen, in keinem FallElemente einer unvermeidlichen Feindschaft zwischen England und Frank-reich enthalten. Im Gegenteil, wir meinen sogar, daß in friedlichen undfreundschaftlichen Beziehungen dieser Mächte zu Rußland eine derGarantien (ich möchte beinahe sagen: die stärkste Garantie) dafür liegt,daß Frieden und Freundschaft zwischen England und Frankreich rechtlange währen und daß alle unter den gegenwärtigen Verhältnissen mög-lichen und wahrscheinlichen Differenzen zwischen Frankreich und Eng-land am raschesten und sichersten eine glückliche Lösung finden werden.

2.7rage. Ist die faktische Beendigung des griechisch-türkischen Krieges, dervon England unterstützt wurde, nicht der günstigste Zeitpunkt für den Ab-schloß eines englisch-nissischen Abkommens?

Antwort. Natürlich werden durch die Beendigung des griechisch-türki-schen Krieges, der von England unterstützt wurde, die Chancen für denAbschluß eines englisch-russischen Abkommens in gewisser Hinsicht ver-größert. Ein solches Abkommen haben wir schon vor Beendigung diesesKrieges angestrebt und werden es jetzt mit noch größerer Energie an-streben. Allerdings sind einige Fragen, die mit der Beendigung dieses

Krieges zusammenhängen, Gegenstand unserer Meinungsverschiedenhei-ten mit England. Aber erstens ist der Frieden, der den griechisch-türki-schen Krieg abgelöst hat, unserer Meinung nach ein solcher Gewinn fürdie internationale Politik überhaupt, daß wir dank dem griechisch-türki-schen Frieden eine Verbesserung der allgemeinen Bedingungen dieserPolitik erhoffen. Z we itens halten w ir die Differenzen, die wir m it Englandhab en, keineswegs für unüberwindlich. Im G egenteil, wir hoffen, daß unsdie nächste Zukunft in Verbindung mit den verschiedenen Stadien desNahostproblems zeigen wird, inwieweit sich unsere Hoffnung bestätigt,

daß gerade das Ende des griechisch-türkischen Krieges auch das Endejener Konflikte u nd Differenzen sein wird, die diesen nunm ehr beendetenKrieg in den Vordergrund der internationalen Politik gerückt haben. Wirtun alles, damit die Beendigung dieses Krieges auch die Reibungen undMeinungsverschiedenheiten mit England beende, und wir hoffen, daß dieInteressen der englischen Regierung auch in diesem Falle über alle Ein-flüsterungen und oft unaufrichtigen Redereien der antirussischen Presse ,d ie Ob erhan d gewinnen werden.

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Interview für d en Korrespondenten des. Observer" 371

3. frage. Halten Sie die Beteiligung Rußlands am Ostproblem nur für eine

Prestigefrage, oder gehen Sie ausschließlich von den realen Interessen Ruß-lands a us? Ist die russische Regierung mit dem französischen Vorschlag einver-standen, Rußland nur zu dem Teil der Konferenz88 zuzulassen, der über dieFrage der M eerengen entscheiden w ird?

Antwort. Die Beteiligung Rußlan ds an der Lösung des Naho stproblemshalte ich keineswegs für eine Prestigefrage. Ich hoffe, wir haben durchunsere ganze internationale Politik während fünf Jahren zur Genfige be-wiesen, daß wir uns Prestigefragen gegenüber völlig gleichgültig verhaltenund daß wir niemals dazu fähig sind, nur des Prestiges wegen irgendeine

Forderung zu stellen oder wirkliche Chancen auf einen Frieden zwischenden Großmächten zu verschlechtern. Ich bin davon überzeugt, daß in denVolksmassen keines einzigen anderen Staates ein solcher Gleichmut undsogar eine solche Bereitschaft vorhanden ist, der Frage des Prestiges alssolchem mit heiterstem Spott zu begegnen. Wir glauben, daß die Diplo-matie in der gegenwärtigen Epoche immer schneller dazu kommt, sich zuPrestigefragen ähnlich zu verhalten.

Unsere Nahostpolitik ist für uns eine Sache von überaus realem undunmittelbarem Lebensinteresse Rußlands und einer ganzen Reihe mit ihm

föderierter Staaten. Könnten alle diese Staaten ihre Forderung, an derNahostkonferenz teilzunehmen, nicht durchsetzen, so würde das einesolche Masse von Elementen der Feindseligkeit, der Konflikte und derUnzufriedenheit bedeuten, so würde das solche Erschwernisse in reinenHandelsfragen zwischen dem Osten Europas einerseits und allen anderenStaaten anderseits bedeuten, daß für ein friedliches Zusammenleben ent-wed er keinerlei Boden bliebe oder dieses Zusam men leben außerordentlicherschwert würde.

Daher mißfällt der russischen Regierung der Pariser Vorschlag, Ruß-

land nur zu dem Teil der Konferenz zuzulassen, der über die Frage derMeerengen entscheiden wird. Wir glauben, daß eine solche Einschrän-kung unweigerlich zu einer Reihe von höchst praktischen und unmittel-bar en, insbesonde re von ökonomischen, Unbeq uemlichkeiten führen wird ,unter denen aller Wahrscheinlichkeit nach Frankreich und England selbstin allernächster Zu kun ft zu leiden haben w erden.

4.7rage. W ie sieht das russische Programm zur Lösung der Frage der M eer-engen aus?

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372 . 'W.J.Lenin

Antwort. Un ser Programm hinsichtlich der Meerengen (vorläufig natür-

lich erst ein ungefähres) enthält unter anderem:Erstens Befriedigung der nationalen Bestrebungen der Türkei. Wir sind

der Ansicht, daß d as nicht nur die Interessen de r nationalen Un abhängig-keit erford ern. U nse re fünfjährigen Erfahrungen bei der Lösung dernationalen Frage in einem Staat, der solch eine Fülle von Nationa litäten insich vereint, wie sie schwerlich in anderen Ländern zu finden ist, gebenuns die feste Überzeugung, daß die einzig richtige Stellung zu den Inter-essen der Natione n in dera rtigen Fällen die maximale Befriedigung dieserInteressen und die Schaffung von Verhältnissen ist, die jede Möglichkeit

eines Konflikts auf diesem Boden ausschließen. Auf Grund unserer Er-fahrungen haben wir die unerschütterliche Überzeugung gewonnen, daßnur größte Beachtung der Interessen der verschiedenen Nationen Kon-flikten den Boden entzieht, das gegenseitige Mißtrauen beseitigt, dieFurcht vor irgendwelchen Intrigen beseitigt und — besonders bei Arbei-tern und Bauern, die verschiedene Sprachen sprechen — das Vertrauenschafft, ohne das weder friedliche Beziehungen zwischen den Völkern nocheine halbwegs erfolgreiche Entwicklung alles dessen, was es an Wert-vollem in der modernen Zivilisation gibt, überhaupt möglich sind.

Zweitens enthält unser Programm die Schließung der Meerengen füralle Kriegsschiffe in Friedens- und in Kriegszeiten. Das ist im unmittel-baren nächstliegenden Interesse des Handels aller Mächte, nicht nur der-jenigen, deren Territorium unmittelbar an diese Meerengen grenzt, son-dern auch aller übrigen. Man muß bedenken, daß pazifistische Phrasen,Redensarten und Beteuerungen, manchmal sogar Schwüre gegen den Kriegund für den Frieden in der ganzen Welt außergewöhnlich oft zu hörensind, während wir der Bereitschaft, wirkliche Schritte, seien es auch nurdie allereinfachsten, zur Sicherung des Friedens zu tun, in den meisten

Staaten , besonders in den mo dernen zivilisierten Staa ten, außergewöhnlichselten begegnen. Abe r wir möchten sowohl in dieser wie auch in ähnlichenFragen möglichst wenig allgemeine Erklärun gen, feierliche V ersprechungenund pompöse Formeln hören und dafür möglichst viele ganz einfache, ganzklare Beschlüsse und Maßnahm en sehen, die tatsächlich zum Frieden füh-ren , von der völligen Beseitigung der Kriegsgefahr gar nicht zu sprechen.

Drittens enthält unser Programm hinsichtlich der Meerengen die volleFreiheit der Handelsschiffahrt. U nd nach dem, was ich soeben gesagt habe ,

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Interview für den "Korrespondenten des „ Observer" 373

halte ich es für völlig überflüssig, diesen Punkt zu erläutern und zu kon-

kretisieren.5 .7rage. Ist die rassische Regierung mit einer Kontrolle der Meerengen

durch den Völkerbund einverstanden, vorausgesetzt, daß ihm auch Rußland,die Türk ei, Deutschland und die Vereinigten Staaten angehören würden ?

Oder fordert Rußland die Bildung einer besonderen Kommission zur Kon-trolle der Meerengen?

Antwort: Wir sind natürlich Gegner des Völkerbundes, und ich denke,daß nicht nur unsere ökonomische und politische Ordnung mit ihren Be-sonderheiten unsere ablehnende Haltung zum Völkerbund hervorruft ,

sondern daß auch die Interessen des Friedens, betrachtet vom Standpunktder konkreten Bedingungen der gesamten gegenwärtigen internationalenPolitik überhaupt, unsere ablehnende Haltung vollauf rechtfertigen. DerVölkerbund trägt so offenkundig alle Zü ge seiner He rkun ft aus dem W elt-krieg, ist so untre nn bar mit dem Versailler ̂ Vertrag verbun den, ermangeltso ganz und gar dessen, was auch nur entfernt einer realen Herstellungder Gleichberechtigung der Nationen ähnelt, was reale Aussichten für einfriedliches Zusammenleben zwischen ihnen eröffnet, daß mir scheint,unsere ablehnende Haltung gegenüber dem Völkerbund ist verständlich

und bedarf keiner weiteren Kom mentare.

6. Trage. Bedeutet die Weigerung, das Abkommen mit Urquhart zu ratifi-zieren, einen Sieg der „linken Kommunisten"? Welches sind die objektivenBedingungen, die es ermöglichen würden, die Verhandlungen wiederaufzu-nehmen und den Vertrag mit Urquhart zu ratifizieren?

Antwort. Die Frage des Abschlusses eines Vertrags mit Urquhart 8 9

wu rde von unserer Regierung schon aufgeworfen, als ich kra nk und nichtin der Lage war, an den Regierungsgeschäften teilzunehmen. Daher bin

ich zur Zeit über alle Details dieser Frage noch nicht vollständig infor-miert. Aber ich kann trotzdem mit aller Bestimmtheit sagen, daß voneinem Sieg der linken Kommunisten gegenwärtig gar keine Rede ist undsein kann . Das w eiß ich aus eigener unmittelba rer B eobachtung des Gangsder Regierungsgeschäfte.

Die Sache ist die, daß das ungerechtfertigte Auftreten Englands, das indem Wunsch zum Ausdruck kam, uns nicht zur Konferenz zuzulassen, sounerwartet war, eine solche Empörung in Rußland auslöste und nicht nur

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374 19. J.Lenin

die rechten und die linken Kommunisten, sondern auch die große Masse

der parteilosen russischen Bevölkerung, die Arbeiter und Bauern der-maßen zusammenschweißte, daß es zu keinerlei Meinungsverschieden-heiten zwischen den linken und den rechten Kommunisten kam und auchnicht kommen konnte.

Die Motivierung für unsere Ablehnung des Vertrags mit Urquhart hat,kann man sagen, nicht nur die Stimmung der gesamten Partei, sonderngerade des ganzen Volkes, d. h. die Stimmung der ganzen Arbeiter- undder ganzen Bauernmasse unmittelbar zum Ausdruck gebracht.

Die Wiederaufnahme von Verhandlungen und die künftige Ratifizie-

rung des Vertrags mit Urq uhart hängen vor allem davon a b, daß Englanddie himmelschreienden Ungerechtigkeiten gegenüber Rußland aus derWelt schafft, die mit jeder Art Schmälerung seiner Rechte auf die Teil-nahme an der Konferenz über die Nahostprobleme zusammenhängen.Was hingegen die uns von Urquhart vorgelegten konkreten Bedingungenbetrifft, so hatte ich noch keine Zeit, mich mit ihnen eingehend genugzu befassen, und kann nur sagen, daß die Regierung beschlossen hat, denBefürwortern und Gegnern dieses Abkommens so bald wie möglich Ge-legenheit zu geben, sich in unserer Presse zu äußern, um aus einer mög-

lichst objektiven und motivierten Diskussion M aterial zu erhalten für eineernsthafte Prüfung aller „Für" und „Wider" und für eine Lösung dieserFrage in einem Geiste, der den Interessen Rußlands weitestgehend ent-spricht.

7. Trage. Inwieweit sind die Beschuldigungen der antirassischen Presse inEngland berechtigt, in denen behauptet wird, daß die kürzlichen Verhaftungenvon Industriellen in Moskau das Ende der Neuen ökonomischen Politik unddie Rückkehr zur Politik der Nationalisierung und der Koniiskation bedeuten?

Antwort. Zu Ihrer Frage betreffend die Beschuldigung der antirussi-

schen Presse in England, wonach wir „Industrielle in Moskau" verhaftethaben, muß ich sagen, daß ich gerade heute in unserer Zeitung („Iswe-stija") eine Notiz mit der Überschrift „Verhaftung von Spekulanten derschwarzen Börse" gelesen habe. Kein geringerer als der Leiter de r ökono-mischen Verwaltung bei der Staatlichen Politischen Verwaltung, Gen.S. B. Kaznelson, schreibt in dieser Notiz, daß von irgendeiner Verhaftungvon Industriellen überhaupt nicht die Rede war und daß „die von Feindender Sowjetmacht sowohl im Innern der RSFSR als auch im Ausland ver-

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Interview für den Korrespondenten des .Observer' 375

breiteten Gerächte, wonach diese Verhaftungen eine Verfolgung des

freien Handels darstellen, in Wirklichkeit absolut unsinnigeHirngespinste sind, denen die bestimmte konterrevolutionäre Absicht zu-grun de liegt, die sich anbah nend en w irtschaftlichen Beziehungen z u W est-europa zu stören".

In Wirklichkeit sind ausschließlich Spekulanten der sogenanntenschwarzen Börse verhaftet worden, und im Besitz unserer Behörden be-finden sich Unterlagen, aus denen die Verbindung dieser Börsen- undValntaschieber zu einigen Mitarbeitern ausländischer Missionen in Mos-kau hervorgeht , wobei ans diesen Angaben nicht nur der Verkauf von

Platin, Gold (Barren) hervorgeht, sondern auch die Organisie-r u n g e i n e s S c b m u g g e l s d i e s e r " W e r t e i n s A u s l a n d .

Daraus können Sie sehen, daß die Gerüchte, wir machten mit der„Neuen Ökonomischen Politik" Schluß, absolut gegenstandslos sind unddaß die Beschuldigungen der antirnssischen Presse in England, die durchunerhört dreiste Entstellung der Dinge und durch Betrug unsere Politik infalschem Licht darzustellen versucht, im höchsten Grade verlogen sind. InWirklichkeit war in irgendwelchen Regierungskreisen absolut gar keineRede davon, mit der „Neuen ökonom ischen Politik" Schluß zu machen

und zur alten zurückzukehren. Die ganze Regienmgstätigkeit ist, unteranderem auf der zur Zeit stattfindenden Tagung des GesamtrussischenZentralexekutivkomitees, darauf gerichtet, das, was man als Neue ö k o -nomische Politik bezeichnet, möglichst fest gesetzlich, zu verankern, umjede Möglichkeit einer Abweichung davon auszuschalten.

2 7 . X. 1922

.Vrawda' 7tr. 254, TiaiSo einer von W. J. Cenin1 0 . November 1922. - korrigierten masdainegesdnie-

benen "Kopie.

25 Lenin, Werke, Bd. 33

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R E D E A U F D E R IV. T A G U N G D E S G E S A M T -

R U S S I S C H E N Z E N T R A L E X E K U T I V K O M I T E E S

D E R I X . W A H L P E R I O D E

31. O K T O B E R 1 9 2 2 »

( S t ü r m i s c h e r , l a n g a n h a l t e n d e r B e i f a l l . A l l ee r h e b e n s i c h . ) Genossen! Gestatten Sie, daß ich mich nur auf einigeBegrüßungsworte beschränke. Vor allem ist es natürlich angebracht, unsereGrüße der Roten Armee zu senden, die dieser Tage wieder einmal ihrenHeldenmut bewies, als sie Wladiwostok einnahm und das ganze Terri-torium der letzten unter den mit Sowjetrußland verbundenen Republikensäuberte. Ich bin überzeugt, daß ich die allgemeine Meinung ausspreche,

wenn ich sage, daß wir alle hier diese neue Heldentat der Roten Armeebegrüßen und auch begrüßen, daß zur Beendigung des Krieges offensicht-lich ein ziemlich entscheidender Schritt getan worden ist: Die letztenKräfte der Weißgardisten sind ins Meer geworfen worden. ( B e i f a l l . )Ich denke, unsere Rote Armee hat uns für lange Zeit von jeder möglichenWiederholung eines Ansturms der Weißgardisten gegen Rußland oderirgendeine der Republiken befreit, die direkt oder indirekt, eng oder mehroder weniger entfernt mit uns verbunden sind.

Um aber nicht unversehens in den Ton übertriebenen Eigenlobs zu ver-

fallen, müssen wir zugleich auch sagen, daß dabei nicht nur der Helden-mut und die Stärke der Roten Armee eine Rolle gespielt haben, sondernauch die internationale Lage und unsere Diplomatie.

Es gab eine Zeit, in der Japan und die Vereinigten Staaten von AmerikaVerträge über die Unterstützung Koltschaks unterzeichnet haben. DieseZeit liegt so weit zurück, daß viele von uns sie wohl ganz vergessen habendürften. Aber es hat eine solche Zeit gegeben. Und wenn wir erreichthaben, daß derartige Verträge bereits unmöglich sind, daß die Japaner

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Rede auf der IV. 7agu ng de s gesamtrussischen Z£X 377

ungeachtet ihrer ganzen militärischen Stärke ihren Abzug erklärten und

dieses Versprechen erfüllten, so liegt hier natürlich auch ein Verdienstunserer Diplomatie vor. In allernächster Zeit werden sich unsere Diploma-ten noch einmal in einer Frage von erstrangiger Bedeutung zu bewährenhaben, in einer Frage, an der wir zutiefst interessiert sind — ich meine dieNahostkonferenz, die England am 13. November in Lausanne einberuft.Ich bin überzeugt, daß unsere Diplomaten auch dort ihren Mann stehenwerden und daß wir die Interessen aller föderativen Republiken gemein-sam mit der RSFSR auch dort zu behaupten wissen werden,- jedenfallswerden wir zu erreichen verstehen, daß wir den Massen klar zeigen, wo

das Hindernis ist, worin es besteht und in welchem Grade es unserenhöchst berechtigten Wünschen und Bestrebungen zuwiderläuft, und nichtnur den unseren, sondern auch denen aller Staaten, die an der Frage derMeerengen interessiert sind.

Auf diese kurzen Bemerkungen über die Außenpolitik möchte ichmich beschränken und gehe jetzt zu der von Ihnen geleisteten Arbeitüber.

Ich glaube, wir haben hier gar nicht geringe Erfolge erzielt, obwohl diegeleistete Arbeit vielleicht manchem auf den ersten Blick nicht so wichtig

erschien oder erscheint. Nehmen wir das erste Gesetzbuch, das Sie schonin Kraft gesetzt haben — das Arbeitsgesetzbuch. Es ist eine große Er-rungenschaft der Sowjetmacht, daß wir zu einer Zeit, wo alle Ländergegen die Arbeiterklasse zu Felde ziehen, mit einem Gesetzbuch hervor-treten, das die Grundlagen der Arbeitergesetzgebung, wie zum Beispielden Achtstundentag, fest verankert. Zwar könnte man vielleicht betreffsdieses Gesetzbuches diesen oder jenen weitergehenden Wunsch äußern.Ich meine jedoch, daß ein solches Verlangen nicht richtig wäre .

Wir müssen berücksichtigen, daß wir im Vergleich zu all den Staaten,

in denen jetzt ein toller kapitalistischer Konkurrenzkampf vor sich geht,in denen es Millionen und aber Millionen Arbeitslose gibt, in denen dieKapitalisten sich selbst zu mächtigen kapitalistischen Vereinigungen zu-sammenschließen und einen Feldzug gegen die Arbeiterklasse organisie-ren — daß wir im Vergleich zu ihnen kulturell weniger entwickelt sind,daß der Stand der Produktivkräfte bei uns niedriger ist als bei ihnenallen, daß wir schlechter zu arbeiten verstehen als sie alle. Es ist vielleichtsehr unangenehm, daß wir das zugeben müssen. Aber ich denke, gerade

25*

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378 'WJ. Centn

deshalb, weil wir solche Dinge nicht mit schönfärberischen Phrasen und

amtlichen Verlautbarungen zudecken, sondern sie offen eingestehen, ge-rad e deshalb, weil wir uns all dessen bew ußt sind und uns nicht scheuen,es von de r Tribüne he rab zu sagen, weil zur Abstellung dieser Dinge mehrKräfte eingesetzt sind als in jedem beliebigen anderen Staat, werden wirauch erreichen, daß wir die anderen Staaten mit einer Schnelligkeit ein-holen, die sie sich nicht träumen ließen.

Natürlich ist das keine phantastische Schnelligkeit, natürlich bedarf eseiniger Jahre beharrlichster Arbeit, um das zu erreichen. Von heute aufmorgen bringt man selbstverständlich nichts zustande. Wir haben schon

fünf Jah re hin ter uns und haben gesehen, mit welcher Schnelligkeit sichgesellschaftliche Verhältnisse ändern. Wir haben verstehen gelernt, wasZeit bedeutet. U nd wir müssen das auch weiterhin lernen. An eine phan-tastische Schnelligkeit irgendwelcher Veränderungen wird bei uns nie-mand glauben, aber dafür an eine wirkliche Schnelligkeit, an eine Schnel-ligkeit im Vergleich zu jeder beliebigen Periode der bisherigen geschicht-lichen Entwicklung — an eine solche Schnelligkeit, wenn die Bewegungvon einer wahrhaft revolutionären Partei geleitet wird, an eine solcheSchnelligkeit glauben wir, und eine solche Schnelligkeit werden wir um

jeden Preis erreichen.Nun komme ich zum Bodengesetzbuch, das von Ihnen beschlossen wor-

den ist. Sie wissen, in dieser Beziehung haben unsere Gesetze nach demberühmten 2 5. Ok tober 1917, zum U nterschied von allen anderen G e-setzen, vom ersten Tage an sofort eine Regelung der Bodenfrage getroffen,die technisch und vielleicht auch juristisch sehr unvollkommen war, dieaber alles Wesentliche enthielt, was für den Bauern absolut notwendig istund was sein Bündnis mit dem Arbeiter gewährleistet hat. Und seitdemhaben wir, so schwer es uns auch fiel, die verflossenen fünf Jahre in un-

unterbrochenen Kriegen durchzustehen, unsere Bemühungen nicht auf-gegeben, das Bedürfnis des Bauern nach Land maximal zu befriedigen.Und wenn sich das jetzt von Ihnen angenommene Gesetz auch in dieseroder jener Beziehung als verbesserungsbedürftig erweisen sollte, so wer-den wir diese weiteren Korrekturen, die weiteren Verbesserungen eben-so ohne jede Schwierigkeit annehmen, wie Sie eben jetzt die Korrekturenund Verbesserungen zu unserem Strafgesetzbuch angenommen haben.Die Frage des Bodens, die Frage der Lebenshaltung der übergroßen M ehr-

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Hede au f der IV. Jagung des gesamtrussischen Z£X 379

heit der Bevölkerung — der bäuerlichen Bevölkerung — ist für uns eine

grundlegende Frage. In dieser Hinsicht haben wir bereits erreicht, daß derrussische Bauer weiß , daß jeder Vorschlag, die alten Gesetze abzuändern ,bei uns niemals auf Widerstand stößt, sondern stets Unterstützung undwohlwollendstes Verständnis in unserer höchsten gesetzgebenden Körper-schaft findet.

Dann hatten Sie noch solche Fragen zu behandeln wie das Zivilgesetz-buch und das allgemeine Gerichtswesen. Bei der Politik, die wir striktdurchführen und in bezug auf die es bei uns keine Schwankungen gebenkann, ist das für die breite Masse d er Bevölkerung eine äußerst wichtige

Frage. Wir haben uns auch hier bemüht, den Trennungsstrich zu ziehenzwischen dem, was eine berechtigte Befriedigung der Bedürfnisse einesjeden Bürgers im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen wirtschaft-lichen Umschwung ist, und dem, was Mißbräuche der NÖP sind, die inallen Staaten als legal gelten, die wir aber nicht legalisieren wollen. In-wieweit diese Korrekturen, die Sie speziell mit diesem Ziel vorgenommenund die Sie gutgeheißen haben, erfolgreich sein werden, wird die Zuku nftzeigen. Wir werden uns in dieser Hinsicht keinesfalls die Hände binden.Wenn die Praxis des Lebens Mißbräuche zutage fördert, die wir früher

nicht wahrgenomm en haben , werden wir sofort die notwendigen Korrek-turen vornehmen. Was das betriift, so wissen Sie alle natürlich sehr wohl,daß die anderen Staaten eine solche Schnelligkeit in der Gesetzgebung, wiesie bei uns üblich ist, leider nicht kennen. Wir wollen sehen, ob die naheZukunft sie nicht zwingen wird, sich auch darum zu kümmern, Sowjet-rußland in dieser Hinsicht ein wenig einzuholen.

Von anderen nicht weniger wichtigen Fragen sei eine Frage heraus-gegriffen, die Sie hier ebenfalls endgültig entschieden haben. Das ist dieFrage der örtlichen Sowjetkongresse und der Gouvernements-Exekutiv-

komitees. Das ist eine Frage, mit deren Lösung man bisher bei allenfrüheren Systemen der Gesetzgebung und bei allen früheren Verfassun-gen sehr gezögert hat. D as w urde für unwichtig gehalten. Man glaubte, inder Provinz könne man alles beim alten lassen. Wir denken entgegen-gesetzt. W en n unsere Revolution wirkliche Erfolge erzielte, dann unsererÜberzeugung nach deshalb, weil wir gerade den örtlichen M achtorganen,den örtlichen Erfahrungen immer die größte Aufmerksamkeit ges'chenkthaben. Wenn die Revolution im Oktober 1917 mit einem Schlage solche

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380 W.1.£enin

Erfolge erzielte, daß uns gegen das Frühjahr 1918 der Krieg schon be-

endet zu sein schien — in Wirklichkeit hatte er erst angefangen, und zwarin der schlimmsten Form des Bürgerkriegs angefangen; in Wirklichkeitbede utete de r Frieden mit den Deutschen eine Un terstü tzun g der schlimm-sten Elemente des Bürgerkriegs durch diese Deutschen; in Wirklichkeitbedeutete der damalige Frieden mit den Deutschen, der im Herbst zu-sammenbrach, durchweg eine Unterstützung dieser Elemente auch durchdie alliierten Mächte, die uns dazu noch des Friedensschlusses mit denDeutschen beschuldigten. Und wenn sich, sage ich, die Revolution mitsolcher Schnelligkeit in wenigen Mo nate n, ja wenigen Wo chen , ausbreitete

und durchsetzte, so deshalb, weil wir uns voll und ganz auf die örtlichenKräfte stützten, weil wir ihnen die Möglichkeit voller Handlungsfreiheitließen, weil wir eben von der Peripherie jenen Enthusiasmus erwarteten,der unsere Revolution unüberwindlich machte und sie zu raschem Han-deln befähigte. Ich weiß, daß die Peripherie seitdem viele höchst unter-schiedliche, nun, sagen wir, Perturbationen durchzumachen hatte. DieStellung der Peripherie zum Z ent rum wa r für uns eine nicht geringe Auf-gabe, und ich möchte durchaus nicht behaupten, daß wir diese Aufgabeimmer ideal gelöst hätten. Bei dem allgemeinen Kulturniveau, das wir

habe n, ist an solch eine ideale Lösung auch gar nicht zu denk en. Ab er da ßsie aufrichtiger, lebenswahrer und dauerhafter als in jedem beliebigenanderen Staat gelöst worden ist, das können wir kühn behaupten.

Zu m Schluß berühr e ich nur noch eine Frage, die mich besonders inter-essiert und die, meine ich, auch Sie alle interessieren muß, obwohl sieformal gesehen weder auf Ihrer Tagesordnung noch in der Fragenlistesteht. Das ist die Frage unseres Staatsapparats — eine alte und ewig neueFrage.

Im August 1918 haben wir eine Zählung unseres Apparats in Moskau

vorgenomm en. W ir erhielten eine Zah l von 231 000 Sta ats- und Sowjet-angestellten in Moskau. Diese Zahl umfaßte die Angestellten sowohl derzentralen als auch der städtischen Moskauer Institutionen. Unlängst, imOktober 1922, haben wir diese Zählung noch einmal vorgenommen, inder Überzeugung, daß wir unseren aufgeblasenen Apparat eingeschränkthätten und daß er sicher schon kleiner sein müsse. Er kam auf rund243 000 Personen. Da haben Sie das Fazit aller Einschränkungen. DiesesBeispiel erheischt, daß noch eine große Arbeit geleistet wird, um es zu

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Hede auf der IV. Jagung des Qesam trussisdien Z£X 381

untersuchen und Vergleiche anzustellen. Damals, als wir 1918 sozusagen

im ersten Eifer der Reform eine solche Zählung vornahm en, konnten wir,offen gesagt, fast nichts Brauchbares aus ihren Ergebnissen ableiten. Wirhatten anderes zu tun. D er Bürgerkrieg ließ uns keine freie M inute. Jetzthoffen wir, daß das getan wird. Wir sind davon überzeugt, daß unserApparat, der an sehr vielen Mängeln leidet, der um weit mehr als dasDoppelte zu groß ist, der sehr oft nicht für uns, sondern gegen unsarbeitet — diese Wahrheit auszusprechen, braucht man sich nicht zuscheuen, auch wenn es von der Tribüne der höchsten gesetzgebendenKörperschaft unserer Republik aus geschieht —, verbessert werden wird.

Um ihn zu verbessern ist viel Arbeit und Geschick erforderlich. Es sindbei uns Anfänge zu sehr ernsthafter Arbeit an der Frage vorhanden,worin diese Verbesserung konkret bestehen muß, aber bisher sind das nurAnfänge — einzelne Artikel und einzelne örtliche Untersuchungen. W ennwir alle von hier mit dem Entschluß weggehen, dieser Frage weit mehrAufmerksamkeit zu schenken, als es bisher gewöhnlich geschehen ist, mitdem Entschluß, weniger Zeit durch Hast und Durcheinander zu ver-lieren — und wir alle verlieren dadurch unverhältnismäßig viel Zeit —,und wenn wir unseren Apparat wirklich untersuchen und Jahr für Jahrdaran arbeiten werden , dann w ird das eine gewaltige Errungenschaft sein,und das wird auch unseren Erfolg gewährleisten. Wir müssen den Muthaben zu sagen, daß wir unseren Apparat spontan schaffen. Die bestenArbeiter nahmen die schwersten Pflichten auf sich, sowohl auf militä-rischem als auch auf zivilem Gebiet, sie machten dabei auf Schritt undTritt Fehler, aber sie verstanden es, sich zu korrigieren und zu arbeiten.Da s Mißverhältn is zwischen diesen mutigen Menschen, die vielleicht nachDutzenden zählen, und jenen Hunderten, die dasitzen und die Arbeitsabotieren oder halb sabotieren, sich in Berge von Papier vergraben, die-ses Mißverhältnis hat unsere lebendige Sache sehr oft in einem unermeß-lichen Papiermeer fast untergehen lassen. Wir werden diese Frage, diewir bisher nicht studieren konnten, aufs gründlichste studieren müssen.Jahre werden vergehen müssen, Jahre werden wir lernen müssen, weildas Kulturniveau unserer Arbeiter niedrig ist und es den Arbeiternschwerfällt, die völlig neue Sache der Produktion in die Hand zu nehmen,aber nur auf die Arbeiter allein, auf ihre Aufrichtigkeit und ihren Enthu-siasmus können wir uns verlassen. Jahre werden vergehen müssen, bis wir

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382 TV. J. Lenin

erreichen, daß unser Staatsapparat verbessert wird, daß er die hödisten

Stufen der Kultur erklimmt — nicht im Sinne einzelner Personen, son-dern in seinem ganzen Umfang. Ich bin überzeugt, wenn wir künftigansere Kräfte einer solchen Arbeit widmen, dann werden wir unbedingtund unumgänglich zu den besten Ergebnissen gelangen. ( A n h a l t e n -d e r B e i f a l l . )

.Vrawda" "Nr. 247, Tiadb dem Jext der .Prawda',t. November 1922. verglidoen mit dem Stenogramm .

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AN DIE „PETROGRADSKAJA PRAWDA"«*

1. XI. 1922liebe Genossen! Von ganzem Herzen beglödcwänsdie idi Sie zam

fünften Jahrestag der O ktoberrevolution und wünsche, daß w ir im kom -menden Jahrfünft an der friedlidien Front m it dem gleichen Erfolg kämp-fen werden wie bisher an der m ilitärischen Front.

Mit den besten Grüßen und WünsdienIh r W. Vljanow (£enin)

.Vetrotfradskaja Vrawäa" Tlr. 251, Tiadt dem Manuskript.5 . November 1922.

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AN DIE „PRAWDA"

Liebe Genossen! Ich beglückwünsche Sie herzlich zum fünften Jahres-tag der Oktoberrevolution. Es ist mein Wunsch, daß wir im kommendenJahrfünft, und zwar in friedlicher A rbeit, nicht weniger erreichen, als wirbisher mit der Waffe in der Hand erreicht haben.

2. XI. 1922 I h r £ e n { n

„T>rawda" Nr. 252, "Nad) dem Manuskript.7. November i922.

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A N D I E E R ST E I N T E R N A T I O N A L E K O N F E R E N Z

D ER K O M M U N I S T I S C H E N G E N O S S E N S C H A F T L E R N

Ich begrüße die völlig zeitgemäße Einberufung der InternationalenKonferenz der kommunistischen Genossenschaftler und wünsche ihr vol-len Erfolg.

Gemeinsam mit den Konferenzteilnehmern lege ich mir Rechenschaftab über die Kompliziertheit und Schwierigkeit der gestellten Aufgabe —der Eroberung des genossenschaftlichen Apparats zum Nutzen der Welt-revolution.

Ich werde mich sehr freuen, wenn es uns gelingen wird, durch die Er-fahrung der in Rußland durchgeführten Arbeit auch der allgemeinen

Sache Nutzen zu bringen.

Qesdhrieben am 2. November 1922.

VeröftentUdht am 3. November 1922 Nadb dem 7ext der „Prawda".in der „Vrawda" "Nr. 249.

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A N D E N G E S A M T R U S S I S C H E N K O N G R E S SDER STATISTIKER93 .

4. November 1922

Ich danke Ihnen von Herzen für die Grüße und bitte, meinen Dankund die besten Wünsche für eine erfolgreiche Arbeit entgegenzunehmen.

Der Vorsitzende des Rats der VolkskommissareW. Vljanow (Lenin)

.Vrawda"Nr.25l, Naöb dem von W.3. Lenin

5. "November i922. unterzeichneten Origin al.

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I N T E R V I E W FÜ R D E N K O R R E S P O N D E N T E N D E S

„ M A N C H E S T E R G U A R D I A N " , A . R A N S O M E

ERSTE VARIANTE

i. Trage . Ich habe eine große ökonomische Belebung vorgefunden, allekaufen und verkaufen, und offensichtlich entsteht eine neue Handelsklasse.Ich frage: Wieso sind die 7iUP -£ewte kein e politisdje Kraft, und wieso gibt esbei ihnen keine Anzeigen des "Bestrebe ns, eine politische "Kraft zu sein?

Antwort. Ihre erste Frage erinnert mich an ein Gespräch, das ich vorlanger, langer Zeit in London hatte. Es war an einem Samstagabend. Ich

ging mit einem Freund spazieren, vor etwa zwanzig Jahren. Die Straßenwaren ungewöhnlich belebt. Oberall hatten sich auf den Straßen Händlerniedergelassen, die ihre Waren mittels kleiner Metallröhrchen mit ö l oderetwas Ähnlichem beleuchteten. Die Lichtchen waren sehr schön. Der Ver-kehr auf den Straßen war geradezu außergewöhnlich. Alle kauften oderverkauften.

In Rußland gab es damals eine Richtung, deren Anhänger wir als„Ökonomisten" bezeichneten. Unter dieser etwas burschikosen Bezeich-nung verstanden wir die naive Vereinfachung der M arxschen Auffassun-

gen des historischen Materialismus. Mein Freund war ein „Ökonomist"und fing sogleich an, seine Weisheit auszukramen. Dieser ungewöhnlichenökonomischen Betriebsamkeit, meinte er, müßte das Bestreben folgen, einepolitische Kraft zu sein. Ich habe über eine solche Mißdeutung von M arxnur gelacht. Eine Vielzahl von Kleinhändlern und ihre äußerst lebhafteTätigkeit zeugen noch keineswegs von großer ökonomischer Kraft einerKlasse, von der man auf apolitische Kraft" schließen kann und muß.London ist sicher auf einem etwas komplizierteren Wege zu einer weit-

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388 TV.1. Lenin

weiten, und zwar sowohl ökonomischen als auch politischen Kraft des

Handels geworden, als es sich mein Gesprächspartner vorstellte, und dieStraßenhändler in London waren ungeachtet ihrer bemerkenswerten Leb-haftigkeit von „politischer" Kraft oder auch nur von dem Streben danachziemlich weit entfernt.

Ich fürchte, daß Ihre Frage, warum es denn bei unserem „NÖP-Mann"(d. h. dem Stra ßenh änd ler? dem K leinhändler?) keine „A nzeichen desBestrebens, eine politische Kraft zu sein", gibt, bei uns ein Lächeln her-vorrufen w ird und wir darauf antworten werden : aus demselben G runde ,aus dem es bei der Menschenmenge auf den Straßen Londons, die an den

Samstagen auf den Straßen kaufte und verkaufte, in England keine „An-zeichen des Bestrebens, eine politische Kraft zu sein ", gab .

2. Trage. Ich gewinne den Eindruck, daß in Rußland gegenwärtig der Kaufund Verkauf und der Tausch äußerst gewinnbringend sind, während eine Pro-duktion nur in den seltensten Fällen möglich ist. Der Kauf und Verkauf undder Tausch befinden sich in den Händen der NÖP-Leute. Die gewinnbringendeProduktion erfolgt größtenteils im kleinen Maßstab und befindet sich in denHänden von Privatpersonen. Die verlustbringende Produktion befindet sich inden Händen des Staates. Ich frage: "Bedeutet das nicht eine ständige ökono-mische Erstarkung der 7<!ÖP-£eute un d eine ständige Schwächung des Staates?

Antwort. Ich fürchte, daß Ihre zweite Frage ebenfalls von einem fast„ökonomistischen" Stand punk t in dem obenerw ähnten Sinne gestellt wird.Bastiat wa r, sdieint es, ernstlich de r M einu ng, da ß „die alten Griechen undRömer vom Raub lebten". Er hat sich nicht sehr um die „ökonomische"Frage gekümmert, woher denn das kam, was diese'vom Raub lebendenPersonen raubten.

Sie „gewinnen den Eindruck, daß in Ruß land gegenwärtig der Kauf undVerkauf und der Tausch sehr gewinnbringend sind", „während eine

Produktion nur in den seltensten Fällen möglich ist".Ich war sehr erstaunt, eine solche Schlußfolgerung auf Grund von Be-

obachtungen in den Mosk auer Stra ßen zu lesen. W o bleiben den n, dachteich, die Millionen und aber Millionen russischer Bauern? Daß sie dasLand bebauen, ist doch wohl nicht selten und nicht sehr selten, sondernüberwiegend der Fall in Rußland? „Sogar" ein häufigerer Fall als der„Kauf und Verkauf" i rgendwelcher Dinge durch die „NÖP-Leute"? Undanscheinend ist die bäuerliche Produktion in Rußland nicht nur „möglich",

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Interview für d en Korrespondenten des „Man diesler Quardian" 389

sondern auch äußerst „gewinnbringend". Woher kämen sonst die Hun-

derte Millionen Pud Naturalsteuer, die unsere Bauern dem Staat bereitsso ungewöhnlich schnell und leicht entrichtet haben? Woher käme derallgemeine Aufschwung der Bautätigkeit sowohl in den Dörfern des un-ermeßlichen Rußlands als auch in den Städten, der jetzt von jedermannbeobachtet wird?

Versteht der Fragesteller etwa unter „äußerst gewinnbringendem Ver-kauf und Tausch" den Kleinhandel, wo ein Kleinhändler manchmal Mil-lionen und aber Millionen Gewinne in russischer Währung einstreicht,deren Kurs fällt, wo eine Million auf dem freien Markt weniger wert ist,

als früher ein Rubel wert war? Ein solcher Irrtum ist doch kaum möglich,denn unser Staat streicht jetzt — bereits seit einigen Monaten — die „über-flüssigen" Nullen auf unserem Papiergeld. Gestern war es eine Billion,aber heute werden vier Nullen gestrichen, und es bleiben zehn Millionen.Der Staat wird davon nicht reicher, aber anzunehmen, daß er „geschwächtwird", ist sehr seltsam, denn ein Schritt vorwärts zur Verbesserung desGeldes ist hier offensichtlich. Der NÖP-Mann fängt an zu sehen, wie dieStabilisierung des Rubels begin nt; z. B. wa r das in diesem S omm er z usehen; der NÖP-Mann fängt an zu begreifen, daß das „Streichen" der

Nullen auch weitergehen wird, und ich bezweifle, daß es durch sein „Be-streben, eine politische Kraft zu sein", aufgehalten wird.

Ich wende mich wieder der Produktion zu. Der Boden ist bei uns in denHänden des Staates. Die Kleinbauern, die ihn besitzen, entrichten dieSteuer vorbildlich. Die Industrieproduktion lebt sichtlich auf, was diesogenannte Leichtindustrie betrifft, und sie ist o'ft entweder Eigentum desStaates unter der Verwaltung seiner Angestellten oder im Besitz vonPächtern.

Deshalb besteht kein Grund, „eine ständige Schwächung des Staates"

zu befürchten.Man muß nicht zwischen Produktion und Handel unterscheiden, son-dern zwischen der Produktion in der Leichtindustrie und der Produktionin der Schw erindustrie. Diese letzte re ist wirklich unvorteilhaft, un d dah errührt die wirklich schwierige Lage unseres Staates. Darüber weiter unten.

3. Trage. Es gibt Andeutungen, daß der Versuch gemacht wird, den NÖP-Mann (durch Besteuerung) zu zwingen, die Produktion finanziell zu unter-stützen. Ich frage: Wird das nidbt lediglidh zur Erhöhung der "Preise, zur

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390 IV. 1 Lenin

Erhöhung de s Qetoinns der TiöP-Leute und indirekt zu der "Notwendigkeit

führen, den A rbeitslohn zu erhöhen - und somit eine Jiüdkkebr zu r früherenLage bedeuten"?

Antwort. In den Hän den des Staates befinden sich Hunderte M illionenPud Getreide. Unter solchen Umständen ist keinesfalls zu erwarten, daßdie Steuern .lediglich" die Preise erhöhen werden. Die Steuern werdenuns auch eine Einnahme von den NÖP-Lenten nnd den Produzenten zurUnterstützung der Industrie bringen, insbesondere zur Unterstützungder Schwerindustrie.

4. Trage. Nach den üblichen kapitalistischen Maßstäben zu urteilen, müßte

die ökonomische Lage schlechter sein. Nach den kommunistischen Maßstäbenzu urteilen, müßte die Lage auch schlechter sein (Niedergang der Schwer-industrie). Dennoch gibt jeder, den ich treffe, zu , daß seine Lage besser ist alsvor einem Jahr. Offenbar geht etwas vor sich, was sich weder mit der kapita-listischen noch mit der kommunistischen Ideologie verträgt Sowohl diese alsauch jene setzen einen Fortschritt voraus. Aber wenn wir nun zurückgehen,anstatt vorwärtszugehen? Ich frage: 3st es denn unmöglich, daß wir nicht zu

neuem Wohlstand vorwärtsschreiten, sondern zur alten Lage zurückkehren?

Ist es denn unmöglich, daß sich Rußland rückwärts bewegt, zur Periode derlandwirtschaftlichen Produktion, die seinen Bedürfnissen ungefähr entspricht,

und zum belebten Binnenhandel, der von ausländischer Einfuhr nur unbedeu-tend berührt wird? Ist denn nicht eine ähnliche Periode unter der proletarischenDiktatur denkbar, wie sie früher unter der feudalen Diktatur bestanden hat?

Antwort. Zuerst wollen wir nach den „üblichen kapitalistischen Maß-stäben urteilen". Den ganzen Sommer über war unser Rubel stabil. Dasist ein siebtbarer Beginn der Verbesserung. Die Belebung der bäuerlichenProduktion und der Leichtindustrie ist ebenfalls unzweifelhaft. Audi eineVerbesserung. Schließlich hat unsere Staatsbank einen Reingewinn vonnicht weniger als 2 0 Millionen Goldrubel erzielt (dies zum indest; in W irk-

lichkeit mehr). Da s ist wenig, aber zweifellos eine Verbesserung. D as istwen ig, aber zweifellos ein Anfan g, um den Fonds für die Schwerindustriezu vergrößern.

Weiter. Gehen wir nun zur Beurteilung nach den kommunistischenMaßstäben über. Alle drei aufgezählten Umstände sind auch vom kom-munistischen G esichtspunkt aus Pluspu nkte, denn b ei uns liegt die Staats-gewalt in den Hän den der Arbeiter. Sow ohl der Schritt zur Stabilisierungdes Rubels als auch die Belebung der bäuerlichen Produktion und der

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Interview für den Korrespondenten des „Mandbester Quardian" 391

Leichtindustrie und auch der Beginn der Gewinne der Staatsbank (das

heißt des Staates) — all dies ist auch vom kommunistischen Gesichtspunktaus ein Plus.

Wie ist so etwas möglich, daß Kapitalismus und Kommunismus einander

entgegengesetzt sind, aber verschiedene Umstände von den beiden ein-

ander entgegengesetzten Qesi&tspunkten aus Pluspunkte darstellen? Das

ist möglich, denn der Übergang zum Kommunismus ist auch über den

Staatskapitalismus möglich, wenn die Macht im Staat in den Händen der

Arbeiterklasse liegt. Genau das ist „gegenwärtig bei uns der Fall".

Der Niedergang der Schwerindustrie ist unser Minus. Der Beginn von

Einnahmen aus der Staatsbank und aus dem Außenhandel ist die Vor-bereitung zu einer Verbesserung der Lage auch auf diesem Gebiet. Die

Schwierigkeiten dabei sind groß, aber die Sache ist keineswegs hoffnungs-

los.

Weiter. Ist es nicht möglich, daß wir zu einer Art „feudaler Diktatur"

zurückkehren? Das ist keineswegs möglich/ denn langsam, mit Unter-

brechungen, mit zeitweiligen Schritten nach rückwärts steigen wir auf der

Linie des Staatskapitalismus empor. Und das ist eine Linie, die uns vor-

wärtsführt, zum Sozialismus und zum Kommunismus (als der höchsten

Stufe des Sozialismus), keineswegs aber zurück zum Feudalismus.Es wächst der Außenhandel; es verstärkt sich, wenn auch mit Unter-

brechungen, die Stabilisierung des Rubels,- ein Aufschwung in der In-

dustrie sowohl in Petrograd als auch in Moskau ist offensichtlich; ein

kleiner, sehr kleiner Anfang ist gemacht in der Bereitstellung von staat-

lichen Mitteln zur Unterstützung der Schwerindustrie usw. Das alles be-

weist, daß Rußland vorwärtsgeht und nicht rückwärts, obzwar, ich wie-

derhole, sehr langsam und mit Unterbrechungen.

5. Trage. Oder sind wir Zeugen eines traurigen Schauspiels der Vergeudung

vo n "Kapital, das in der Produ ktion verwen det werden sollte?

Antwort. Diese Frage ist bereits durch das vorher Dargelegte beant-

wortet.

6. Trage. Außer diesen Fragen hätte der „Manchester Guardian" gern ausIhrem Munde ein Dementi der zur Zeit in Moskau lebhaft zirkulierendenGerüchte gehört, wonach diesen Winter erneut das Kartensystem eingeführtwird und die Warenlager der NÖP-Leute vollständig requiriert werden.

26 Lenin, Werke, Bd. 33

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392 TV.I.Lenin

Antwort. Gern bestätige ich die völlige Haltlosigkeit der Gerüchte, daß

wir vorhätten, zum Kartensystem zurückzukehren oder die „Warenlagerder NÖ P-L eute vol ls tändig zu req uirieren" .

Das sind Ammenmärchen. Wir denken nicht im entferntesten an etwasDerart iges.

Man kann sich im gegenwärtigen Rußland auch nichts Derartiges vor-stellen. Das sind böswillig in die Welt gesetzte Gerüchte von Leuten, dieauf uns sehr böse, aber nicht sehr klug sind.

7. frage. Habe ich recht mit der Annahme, daß der Vertrag mit Urquhartnicht endgültig abgelehnt, sondern nur bis zur Wiederherstellung normalerfreundschaftlicher Beziehungen zur englischen Regierung aufgeschoben ist?

Antwort. In bezug auf Urquhart haben Sie absolut recht. Ich wieder-hole, was ich kürzlich Farbman gesagt habe.* Die Konzession Urquhartshaben wir nicht endgültig abgelehnt. Wir haben sie nur aus dem von unsöffentlich genannten politischen Grund abgelehnt. Wir haben in unsererPresse eine offene Erörterung aller 7ür und Wider begonnen. Und wirhoffen, daß wir uns nach dieser Erörterung sowohl in politischer als auchin ökonomischer Hinsicht eine endgültige Meinung bilden werden.

5. XI. 1922

Jn englischer Sprache veröffentlichtam 22. November 4922 in der Zeitung„7he Manchester Quardian" 7Jr. 23 797.

In russischer Spra&e zuerst "Nach dem Manuskriptveröffentlicht 1930.

* Siehe den vorliegenden Band, S. 369-375 . Die Red.

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Interview für den Korrespondenten des „ Man chester Quardian" 393

ZWEITE (UNVOLLENDETE) VARIANTE

Auf Ihre Fragen antworte ich:1. Ich denke, daß der „NÖP-Mann", d. h. der Vertreter des wachsen-

den Handels bei der „Neuen ökonomischen Politik", eine politische Kraftzu sein wünscht, aber keinerlei Anzeichen dafür erkennen läßt bzw. sichso verhält, daß seine Wünsche verborgen bleiben. Er muß bestrebt sein,seine Wünsche zu verheimlichen, denn sonst riskiert e r, auf eine ernst-hafte Opposition seitens unserer Staatsmacht zu stoßen, ja manchmal aufetwas Schlimmeres als auf Opposition, d. h. auf direkte Feindseligkeit.

Ich bin der Meinung, daß angesichts der Konzentration der überwiegen-den Mehrzahl der Produktionsmittel in den Händen unserer Staatsmachtdas wirkliche ökonomische Bedürfnis der Kleinbourgeoisie die Freiheit desKaufs und Verkaufs von Gebrauchsgegenständen ist. Unsere Gesetz-gebung garantiert der Kleinbourgeoisie diese Freiheit.

Das Wort NÖP-Mann, das Sie verwenden, führt zu gewissen Mißver-ständnissen. Das Wort ist gebildet aus der Abkürzung „NÖP", was„Neue ökonomische Politik" bedeutet, und dem Zusatz „Mann", was„Mensch oder Vertreter dieser Neuen ökonomischen Politik" bedeutet.

In der Zeitungssprache kam das Wort anfangs als scherzhafte Bezeich-nung für den Kleinhändler oder für jemanden auf, der die Freiheit desHandels für jederlei Art von Mißbrauch ausnutzt.

Äußerlich gesehen, fällt an der Neuen ökonomischen Politik vor allemauf, daß ein „NÖP-Mann" dieses Schlages oder jeder, der „verkauft undkau ft", wie Sie schreiben, in Erscheinung tr itt.

Aber die wirkliche ökonomische Tätigkeit der tatsächlichen Mehrheitder Bevölkerung besteht keineswegs darin. Es genügt zum Beispiel, auf

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394 IV J.Lenin

die Tätigkeit der großen Masse der Bauernschaft hinzuweisen, die gerade

jetzt mit äußerster Energie und mit größter Selbstaufopferung wieder ihreFelder besteEt und an der Wiederherstellung ihrer landwirtschaftlichenProduktionswerkzeuge, ihrer Wo hnungen , Gebäude usw. arbeitet. Ander-seits arbeiten gerade jetzt die Industriearbeiter mit ebensolcher rühmens-werter Energie an der Verbesserung der Arbeitsinstrumente, an der Er-setzung der abgenutzten Arbeitsinstrumente durch neue, an der Erneue-rung der zerstörten, baufälligen oder beschädigten Gebäude usw.

Der „N ÖP -M ann ", w enn man schon diesen Ausdruck gebrauchen will,der weit mehr zur scherzhaften Zeitungssprache als in das Gebiet ernst-

hafter Termini der politischen Ökonomie gehört, macht viel mehr Lärm,als es seiner ökonomischen Kraft zukommt. Ich befürchte daher, daßjemand, der auf unseren „N ÖP -M ann " jene vereinfachte These des histo-rischen Materialismus anwendet, daß der ökonomischen die politischeKraft folgen müsse, Gefahr läuft, sich sehr gründlich zu irren und sogardas Opfer einer ganzen Reihe lächerlicher Mißverständnisse zu werden.

Das wirkliche Wesen der Neu en öko nomischen Politik besteht erstensdarin, daß der proletarische Staat den "Kleinproduzenten die Jreibeit des"Handels zugestand, und zweitens darin, daß der proletarische Staat au}

die Produktionsmittel für das Qroßkapitäl eine ganze Reibe von Prin-zipien anwendet, die man in der kapitalistischen Ökonomik als „Staats-kapitalismus" bezeidmete.

Ich glaube, daß der „N ÖP -M an n", der daraus den Schluß zieht, daß esfür ihn wünschenswert sei, eine politische Kraft zu werden, Gefahr läuft,sich nicht nur zu irren, sondern auch wegen seiner vulgären Auffassungfes Marxismus Objekt von Zeitungswitzen zu werden.

2. Ihr Eindruck, daß gegenwärtig in Rußland Kauf und Verkauf einenungewöhnlich hohen Gewinn abwerfen, „während eine Produktion nur

in den seltensten Fällen möglich ist", scheint mir geeignet, ziemlich ge-rechtfertigte Spöttereien über die politische Ökonomie des „Herrn ,NÖP-Mann'" hervorzurufen.

Wenn ich nicht irre, zählt in Rußland die überwiegende Mehrheit zurkleinbäuerlichen Bevölkerung, die sich jetzt mit ungewöhnlichem Eifer aufdie Produktion geworfen und (teils durch staatliche Unterstützung mitSaatgut usw.) gewaltige, fast unglaubliche Erfolge erzielt hat, besonderswenn man die unerhörten Zerstörungen infolge des Bürgerkriegs, der

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Interview für den Korrespondenten des „!Mandhester Quardian" 395

Hungersnot usw. in Betracht zieht. Die Kleinbauern erzielten dabei solche

Erfolge, .daß sie mit ungew öhnlicher Leichtigkeit un d fast oh ne jedenZwang die staatliche Steuer entrichtet haben, die sich auf Hunderte Mil-lionen Pud Getreide beläuft.

Daher meine ich, es wird richtiger sein zu sagen: Die überwiegendeM ehrh eit der Bevölkerung hat eine dem Um fang nach sehr kleine Produ k-tion, die sich in den H än de n von Privatpe rsonen befindet, und diese bringtden größten Gewinn. Das bezieht sich auf die gesamte landwirtschaftlicheProd uktio n der Bauernschaft. Einen ebensolchen oder etwas kleineren Ge-winn bringt die Industrieproduktion, die sich teils in den Händen von

Privatpersonen befindet, teils in den Händen staatlicher Pächter oderjener staatlichen Betriebe, die Gebrauchsgegenstände für die ländliche Be-völkerung erzeugen.

Die wirklich nicht gewinnbringend e Pro duk tion, die in den Hä nd en desStaates verbleibt, ist nur das, was ma n, um die wissenschaftliche Term ino-logie der politischen Ök ono mie zu verwen den, als Prod uktion der Pro duk -tionsmittel (Erze, Metalle usw.) oder als Produktion des fixen Kapitalsbezeichnen müßte. In der kapitalistischen Ökonomik bedarf diese ArtKapital für seine Reproduktion gewöhnlich staatlicher Kredite, durch die

mit einem Schlage außerordentlich hohe Summen (Hunderte MillionenRubel oder sogar Dollar) für die Reorganisation einer Reihe von Betrie-ben bereitgestellt werde n, die so die zerstörten Produktionsm ittel w ieder-herstellen können.

Uns verspricht die Wiederherstellung der zerstörten Produktionsmittelfür lan ge Z eit keinerlei G ew inn, sie ist, wie Sie sich ausdrücken , „verlust-bringend". Wir müssen eine ziemlich lange Zeit für die Reproduktion desfixen Kapitals die Einkünfte aus Konzessionen oder staatliche Subsidienverwenden.

Das ist die ökonomische Wirklichkeit von heute. Wie Sie sehen, be-trachte ich diese Wirklichkeit wesentlich anders als Sie. Ich fürchte, daßIhre Ansicht, bei uns gehe .eine „ständige ökonomische Erstarkung derNÖP-Leute"' und eine „ständige ökonomische Schwächung des Staates"vor sich, wohl den Spott verdient, den Marx über die vulgäre politischeÖkonomie ausgegossen hat.

Ich allerdings erlaube mir die altmodische Meinung, daß man nachMarx von irgendeiner anderen, nichtmarxistischen politischen Ökonomie

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396 TV. 1 Lenin

nur sprechen kann, um Spießbürger, seien es auch „hochzivilisierte"

Spießbürger, zu verdummen.Abschließend zur Frage der „politischen Kraft": Die Arbeiter und dieBauern — das ist die Grundlage der politischen Kraft in Rußland. In allenkapitalistischen Ländern werden die Bauern von den Gutsbesitzern wievon den Kapitalisten ausgeplündert. Je bewußter die Bauern werden, umso besser verstehen sie das. Daher wird die Masse der Bevölkerung den„kaufenden und verkaufenden" NÖP-Leuten nicht folgen.

3. Wird die Besteuerung der „NÖP -Leute" nicht lediglich zur Erhöhungdes Arbeitslohns und der Preise führen, anstatt Mittel für d ie Produktion

zu liefern?— Nein, denn die Grundlage für die Preise wird das Getreide bilden.Ein gewisser Teil davon befindet sich in den Händen des Staates, gesam-melt in Form der Steuer. Selbständigen Einfluß auf die Preise wird derNÖ P-M ann nicht haben können, denn er ist kein Produzent. Das Außen-handelsmonopol, möchte ich nebenbei bemerken, wird uns helfen, denNÖP-Mann in Schach zu halten, denn die Preise werden ohne ihn fest-gesetzt werden, abhängig vom Produktionspreis im A usland plus unserenstaatlichen Aufschlag, der als Subsidium der Produktion dient.

Ich fürchte, Sie fassen manchmal den steigenden Nominalwert unseresPapiergeldes infolge der steigenden Emission als eine Erhöhung der Preisedurch die NÖP-Leute auf. Das wäre ein Fehler.

Qesdbrieben zwischen dem27. Oktober undS.Tiovember i922.

Zuerst veröffentlicht Nadb einer von W. 7. Leninam 21. Januar 1926 korrigierten masdbinegesdhrie-in der „Prawda" ?ir. 17. benen Xopie.

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397

A N D I E K O N F E R E N Z

P A R T E I L O S E R A R B E I T E R I N N E N

U N D B Ä U E R I N N E N M O S K A U S

U N D D F S M O S K A U E R G O U V E R N E M E N T S" «

Liebe Genossinnen! Herzlichen Dank für die freundlichen Wünscheund Grüße. Ich bedaure außerordentlich, daß ich nicht persönlich an-wesend sein kann. Ich beglückwünsche Sie zum fünften Jahrestag derRevolution und wünsche der Tagung vollen Erfolg.

6. XI. 1922 I h r £ m ' n

Veröftentlidht m 'November 1922. Naö] einer Jotokopiedes ^Ma nuskripts.

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A N D I E A R B E I T E R

D E S E H E M A L I G E N M I C H E L S O N - W E R K S ! »

Liebe Genossen! Ich bedaure sehr, daß mich eine Unpäßlichkeit geradeheute zwang, zu Hause zu bleiben. Ich sende Ihnen die herzlichsten Grüßeund Wünsche zum fünfjährigen Jubiläum. Für das kommende Jahrfünftwünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Arbeit.

7 X I 1 9 2 2 Ihr W. Wjanow (Lenin)

Zuerst veröffentlicht 1942. Tiadb dem Manuskript.

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399

AN DIE ARBEITER UND ANGESTELLTEN

DES STAATLICHEN KRAFTWERKS

„ELEKTROPEREDATSCHA"96

Liebe Genossen!Heute, am fünften Jahrestag der Revolution, begrüße ich mit besonderer

Freude die Eröffnung Ihres Klubs und spreche die Hoffnung aus, daß Sie,die Arbeiter und Angestellten des staatlichen Kraftwerks „Hektro-peredatscha", es verstehen werden, diesen Klub mit vereinten Kräften zueiner Schlüsselstellung für die Aufklärung der Arbeiter zu machen.

7. XI. 1922 w Wjanow (Lenin)

Zuerst veröfientlidit i945 Jiad] dem von TV. J. Leninim Lenin-Sammelband XXXV. korrigierten und unter-

zeichneten Origitiäl.

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400

A N D I E A R B E I T E R

D E R S T O D O L E R T U C H F A B R I K I N K L I N Z Y » ?

8. XI. 1922

Liebe Genossen!Herzlichen Dank für die Grüße und das Geschenk. Im Vertrauen ge-

sagt, soll man mir keine Geschenke schicken. Ich bitte sehr, diese vertrau-liche Bitte möglichst allen A rbeitern weiterzuerzählen.

Besten Dank und die besten G rüße und W ünsche.

Ih r W. Wjanow (Lenin)

Zuerst veröftentlidbt 1924. Tiadh dem Manuskript.

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IV. KONGRESS

DER KO M M UN ISTISC HE N INTERNATIONALE98

5. November-5. Dezember 1922

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403

1

A N D E N IV . W E L T K O N G R E S S D E R K O M I N T E R N ,A N D E N P E T R O G R A D E R S O W J E T D E R A R B E I T E R -

U N D R O T A R M I S T E N D E P U T I E R T E N

Ich bedaure außerordentlich, daß ich in der ersten Sitzung des Kon-

gresses nicht anwesend sein kann und mich auf eine schriftliche Begrüßungbeschränken m uß.Trotz der ungeheuren Schwierigkeiten, denen die kommunistischen Par-

teien begegnen, wächst und erstarkt die Komintern. Die Hauptaufgabebesteht nach wie vor in der Gewinnung der Mehrheit der Arbeiter. Unddiese Aufgabe werden w ir trotz allem lösen.

Die Vereinigung der II. und der zweieinhalbten Internationale wird derrevolutionären Bewegung des Proletariats von Nutzen sein: weniger Fik-tionen, weniger Betrug — das ist für die Arbeiterklasse immer von Nutzen.

Den Petrograder A rbeitern und ihrem neuen Sowjet, die den IV. Kon-greß der Komintern in ihrer Stadt empfangen, die besten Wünsche undherzliche Grüße.

Die Petrograder Arbeiter müssen auch an der wirtschaftlichen Front zuden ersten gehören. Mit Freude hören wir vom Beginn der wirtschaft-lichen Wiedergeburt Petrograds. Auf Ihre Einladung, Petrograd zu be-suchen, hoffe ich in nächster Zeit mit meiner Ankunft antworten zu können.

Die Sowjetmacht in Rußland feiert das erste Jahrfünft ihres Bestehens.Sie ist stabiler denn je . Der Bürgerkrieg ist beendet. Die ersten wirtschaft-

lichen Erfolge sind zu verzeichnen. Es ist der größte Stolz Sowjetrußlands,den Arbeitern der ganzen W elt in ihrem schweren Kampf um die Nieder-werfung des Kapitalismus zu helfen. Der Sieg wird unser sein.

Es lebe die Kommunistische Internationale!. . , ,., i. „„„ W.Wjanow (Lenin)

Moskau, 4. November 1922 ' v J

.Prawda" ?ir. 253, "Nach dem 7ext der .Vrawda".9. November i922.

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404 W.3. Lenin

F Ü N F J A H R E R U S S I S C H E R E V O L U T I O N

U N D D I E P E R S P E K T I V E N D ER W E L T R E V O L U T I O N

Referat auf dem IV. Kongreß der Komintern13. November 1922

( L e n i n s E r s c h e i n e n w i r d m i t l a n g a n h a l t e n d e nB e i f a l l s s t ü r m e n u n d O v a t i o n e n d e s g a n z e n S a a l e sb e g r ü ß t . A l l e e r h e b e n s i c h u n d s i n g e n d i e „ I n t e r -n a t i o n a l e " . ) Genossen! Ich b in in de r Redner li st e a ls Haup tre fe ren tangegeben, ab er Sie werde n v erstehen, daß ich nach m einer langen Kran k-heit nicht in der Lage bin, ein größeres Referat zu halten. Ich kann nureine Einführung zu den wichtigsten Fragen geben. Mein Thema kann nurganz beschränkt sein. Das Thema „Fünf Jahre russische Revolution und

die Perspektiven der Weltrevolution" ist zu umfangreich und groß, alsdaß es ein einzelner Redner in einer Rede überhaupt erschöpfen könnte.Darum greife ich für mich nur einen kleinen Teil aus dieser Materie her-aus, nämlich die Frage der Neuen ökonomischen Politik. Ich wähle ab-sichtlich nu r diesen kleinen T eil, um Sie in diese Ma terie e inzufü hren, diejetz t das w ichtigste ist — ode r wenigstens für mich das wichtigste ist, weilich jetzt gerade da ran arbeite.

Ich werde also über das Thema sprechen: Wie haben wir die Neueökonomische Politik begonnen, und welche Resultate haben wir mit die-

ser Politik erzielt? Wenn ich mich auf diese Frage beschränke, werde ichvielleicht imstande sein, Ihnen einen allgemeinen Überblick und eine all-gemeine Vorstellung davon zu geb en.

Wenn ich damit beginne, wie wir zu dieser Neuen ökonomischen Poli-tik gekommen sind, so muß ich auf einen Artikel zurückgreifen, den ichim Jahre 1918 geschrieben habe.99 Anfan g 1918 hab e ich nämlich in einerkurze n Polemik die Frage berüh rt, wie wir uns zum Staatskapitalismus zustellen haben. Ich schrieb damals:

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IV . "Kongreß der Xommunistisdhen.Jnternationaie 405

„Der Staatskapitalismus wäre ein Sdhritt vorwärts gegenüber der

jetzigen" (d. h. gegenüber d er damaligen) „Lage der D inge in un sererSowjetrepublik. Hätten wir in etwa einem halben Jahr den Staatskapita-lismus errichtet, so wäre das ein gewaltiger Erfolg und die sicherste Ga-rantie dafür, daß sich in einem Jahr der Sozialismus bei uns endgültigfestigt und unbesiegbar wird."

Das wurde natürlich zu einer Zeit gesagt, als wir noch dümmer warenals heute, aber doch nicht so dumm, um solche Themen nicht behandelnzu können.

Ich war also damals im Jahre 1918 der Meinung, daß gegenüber der

damaligen wirtschaftlichen Lage der Sowjetrepublik der Staatskapitalis-mus ein Schritt vorwärts wäre. Das klingt sehr seltsam und vielleicht sogarwidersinnig, denn auch damals war unsere Republik eine sozialistischeRepublik; damals trafen wir täglich so schnell wie möglich — wahrschein-lich allzu schnell — verschiedene ne ue wirtschaftliche M aß na hm en , d ienicht anders als sozialistische genannt werden konnten. Und trotzdemmeinte ich damals, daß der Staatskapitalismus gegenüber der damaligenWirtschaftslage der Sowjetrepublik einen Schritt vorwärts bedeutet, undich erläuterte diesen Gedanken weiter, indem ich einfach die Elemente der

wirtschaftlichen Struk tur R ußlands aufzä hlte. Diese Elemente wa ren nachmeiner M einu ng: „ 1 . eine patriarchalische, d. h. im höchsten G rade primi-tive Landwirtschaft; 2. die kleine Warenproduktion (hierher gehört dieMehrzahl der Bauern, die mit Getreide handeln); 3. Privatkapitalismus;4. Staatskapitalismus un d 5. Sozialismus." Alle diese ökonomischen Ele-mente waren im damaligen Rußland vertreten. Damals machte ich mir zurAufgab e, klarzustellen, in welchem V erhältnis diese Elemente zueina nderstehen und ob wir vielleicht ein nichtsozialistisches Element, nämlich denStaatskapitalismus, höher einzuschätzen haben als den Sozialismus. Ich

wiederhole: Es wird allen recht seltsam erscheinen, daß in einer Republik,die sich für sozialistisch e rklä rt ha t, ein nichtsozialistisches E lement höh erbewertet erscheint, als höherstehend anerkannt wird als der Sozialismus.Doch die Sache wird verständlich, wenn Sie sich erinnern, d aß w ir d amalsdie ökonomische Struktur Rußlands keineswegs als einheitlich und hoch-stehend betrachteten, sondern uns vollständig bewußt waren, daß wir inRußland sowohl eine patriarchalische Landwirtschaft, d. h. die primitivsteForm der Landwirtschaft, als auch eine sozialistische Form haben. Welche

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406 TV.1}. Lenin

Rolle könnte nun der Staatskapitalismus unter solchen Umständen spie-

len?Ich fragte mich weiter, welches dieser Elemente überwiegt? Es ist k lar,

daß in einem kleinbürgerlichen Milieu das kleinbürgerliche Element vor-herrscht. Damals war ich mir klar darüber, daß das kleinbürgerliche Ele-ment überwiegt; anders zu denken war unmöglich. Die Frage, die ich mirdamals stellte — es geschah in einer speziellen Polemik, die nicht zurheutigen Frage gehört —, war: Wie stellen wir uns zum Staatskapitalis-mus? Und da sagte ich mir: Der Staatskapitalismus, obwohl seine Formkeine sozialistische ist, wäre für uns und für Rußland günstiger als die

jetzige Form. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß wir die W urzeln undden Aufbau der sozialistischen Wirtschaft, obwohl wir schon die sozialeRevolution vollzogen hatten, nicht überschätzten, sondern daß wir schondamals bis zu einem gewissen Grade begriffen ha tten : Ja, es wäre besser,wenn wir erst zum Staatskapitalismus und darauf zum Sozialismus ge-langten.

Ich muß diesen Teil ganz besonders betonen, weil ich glaube, daß sichnur daraus erklären läßt, erstens, was die heutige ökonomische Politikdarstellt, und zweitens, daß sich daraus auch für die Kommunistische

Internationale sehr wichtige und auch praktische Schlußfolgerungen er-geben. Ich will nicht sagen, daß wir damit schon im voraus einen fertigenRückzugsplan gehabt hätten. So war es nich t Einen Rückzugsplan stelltendamals diese kurzen polemischen Zeilen keineswegs dar. Von der Freiheitdes Handels z. B. — ein sehr wichtiger Punkt und für den Staatskapitalis-mus von grundlegender Bedeutung — steht hier kein W ort. Immerhin w areine allgemeine, eine vage Idee des Rückzugs doch darin gegeben. Und ichglaube, daß wir das nicht nur als ein Land, das in seiner wirtschaftlichenStruktur weit zurückgeblieben war und bis heute geblieben ist, sondern

auch- als Kommunistische Internationale, auch in den westeuropäischenfortgeschrittenen Ländern beachten müssen. Gegenwärtig sind wir bei-spielsweise mit der Ausarbeitung eines Programms beschäftigt Ich fürmeinen Teil glaube, daß wir am besten daran tun würden, wenn w ir jetztalle Programme nur im allgemeinen erörtern, gewissermaßen die ersteLesung vornehmen und sie alle drucken lassen, aber nicht, um sofort, schonin diesem Jahre darüber zu beschließen. Warum? Zunächst natürlich dar-um, glaube ich, weil wir sie schwerlich alle gut durchdacht haben. W eiter

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IV . Kongreß der Xommunistisdben Internationale 407

aber auch noch darum, weil wir den Gedanken des Rüdezugs und seiner

Sicherung noch fast gar nicht durchdacht haben. Das aber ist eine Frage,die wir bei einer so weitgehenden V eränderung der W elt, wie dem Sturzdes Kapitalismus und dem Aufbau des Sozialismus mit seinen gewaltigenSchwierigkeiten, unbedingt beachten müssen. W ir müssen nicht nu r wis-sen, wie wir zu handeln haben, wenn w ir direkt zum Angriff übergehenund dabei siegen. Das ist in revolutionären Zeiten gar nicht so schwer,aber das ist auch gar nicht so wichtig, zum mindesten nicht ausschlag-gebend. Während der Revolution gibt es immer Momente, in denen derGegner den Kopf verliert, und wenn wir ihn in einem solchen Moment

angreifen, können wir sehr leicht siegen. Aber das besagt noch nichts, weilunser Gegner, wenn er ruhig überlegt, vorher seine Kräfte sammelt usw.Er kann uns dann sehr leicht zum Angriff provozieren und uns auf Jahrehinaus zurückwerfen. Ich meine also, die Idee, daß w ir den Rückzug vor-bereiten müssen, ist sehr wichtig, und zwar nicht nur vom theoretischenStandpunkt aus. Auch vom praktischen Standpunkt aus müssen jetzt alleParteien, die sich anschicken, in nächster Zeit zum direkten Angriff gegenden Kapitalismus überzugehen, auch daran denken, wie der Rückzug zusichern is t Ich glaube, wenn w ir diese Lehre nebst allen anderen Lehren

aus der Geschichte unserer Revolution ziehen, so wird uns das sicher nichtzum Schaden gereichen, ja uns höchstwahrscheinlich in einer großen An-zahl von Fällen nützlich sein.

Nachdem ich nun betont habe, daß wir den Staatskapitalismus schon1918 als mögliche Rückzugsstellung bezeichnet haben, gehe ich zu denResultaten unserer Neuen Ökonomischen Politik über. Ich wiederhole:Damals war das noch eine ganz vage Idee, im Jah re 1921 aber, nachdemwir die wichtigste Etappe des B ürgerkriegs schon zurückgelegt, un d zwarsiegreich zurückgelegt hatten, kam es zu einer großen — ich glaube, der

größten — inneren politischen Krise Sowjetrußlands, die dazu führte, daßnicht nu r ein sehr großer Teil der Bauern unzufrieden wa r, sondern auchein großer Teil der Arbeiter. Das war das erste und, ich hoffe, auch dasletzte Mal in der Geschichte Sowjetrußlands, daß w ir die großen Massender Bauern gegen uns hatten, zw ar nicht bew ußt, so doch instinktiv, stim-mungsmäßig. Was war die Ursache dieser eigentümlichen und für unsnatürlich sehr unangenehmen Lage? Die Ursache war, daß wir bei unse-rem ökonomischen Vordringen zu weit gegangen waren, daß wir unsere

37 Lenin, Werke, Bd. 33

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408 TV.! Lenin

Basis nicht genügend gesichert hatten, daß die Massen schon fühlten, was

wir damals noch nicht bewußt zu formulieren vermochten, was aber auchwir nach ganz kurzer Zeit, nach einigen Woch en, erk annten, nämlich daßder direkte Ü be rga ng zu einer rein sozialistischen W irtschaftsform , zurrein sozialistischen Verteilung der Güter unsere Kräfte übersteigt unddaß wir, wenn wir es nicht fertigbrächten, den Rückzug derart vorzuneh-men, daß wir uns auf leichtere Aufgaben beschränken, zugrunde gehenwe rden . Die Krise setzte , glaube ich, im Feb ruar 1921 ein. Schon im Früh-ling desselben Jah res beschlossen w ir einstimm ig — gro ße Differenzenhab e ich diesbezüglich bei uns nicht gesehen —, zur Neuen ökonomischen

Politik überzugehen. Heute, nach anderthalb Jahren, Ende 1922, sind wirnun imstande, einige Vergleiche anzustellen. Was hat sich ereignet? Wiehaben wir diese mehr als anderthalb Jahre überstanden? Was ist dasErgebnis? Hat uns dieser Rückzug Nutzen gebracht und uns wirklich ge-rettet, oder ist das nicht der Fall und das Ergebnis noch unbestimmt? Dasist die Haup tfrag e, die ich mir stelle, un d ich glaub e, diese Hau ptfrag e istauch von größter Wichtigkeit für alle kommunistischen Parteien, dennwenn die Antwort negativ ausfiele, so würden wir alle zugrunde gehen.Ich glaube, wir können diese Frage mit ruhigem Gewissen bejahend be-

antworten, und zwar in dem Sinne, daß die anderthalb Jahre, die seitdemverflossen sind, positiv und absolut beweisen, daß wir dieses Examen be-standen haben.

Ich werde das jetzt zu beweisen versuchen. Ich muß dazu ganz kurzalle Bestandteile unse rer W irtschaft aufzäh len.

Zunächst will ich auf unser Finanzsystem und auf den berühmtenrussischen Rubel eingehen. Ich denke, man kann den russischen Rubel alsberü hm t bezeichnen, schon desha lb, weil die M enge dieser Rubel je tzt eineQu adr il li on ü b er st eigt . ( H e i t e r k e i t . ) Das is t sch on e twas . E in e

ast ro no misch e Z iffe r. ( H e i t e r k e i t . ) Ich b in s iche r, d aß h ie r n ichteinmal alle wissen, was diese Ziffer bedeutet. Doch wir halten diese Zah-len, und zwar vom Standpunkt der ökonomischen Wissenschaft, nicht fürso wichtig , d enn man k an n j a die Nu ll en str eichen. ( H e i t e r k e i t . ) W i rhaben in dieser Kunst, die vom ökonomischen Standpunkt aus völlig be-langlos ist, schon etwas geleistet, und ich bin überze ugt, daß wir im weite-ren Verlauf der Dinge noch viel Größeres in dieser Kunst leisten werden.W irklich wichtig dagegen ist die Frage der Stabilisierung des R ubelkurses .

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IV . Xongreß der Xommunistisdben Internationale 409

Daran arbeiten wir, arbeiten unsere besten Kräfte, und dieser Aufgabe

messen wir entscheidende Bedeutung bei. Gelingt es uns, den Rubel fürlängere Zeit und später für immer zu stabilisieren, so haben wir gewonnen.Dann sind alle diese astronomischen Ziffern, diese Trillionen und Quadril-lionen ein Nichts. Dann werden wir unsere Wirtschaft auf festen Bodenstellen und auf festem Boden weiterentwickeln können. Zu dieser Frageglaube ich Ihnen ziemlich wichtige und entscheidende Tatsachen vorbrin-gen zu können. Im Jahre 1921 dauerte die Periode der Stabilität desPapierrubellcurses weniger als drei Monate. Im Jahre 1922, also in diesemJahr, das freilich noch nicht zu Ende ist, dauerte diese Periode schon mehr

als fünf Monate. Ich glaube, das genügt schon. Das genügt natürlich nicht,wenn Sie wissenschaftlich bewiesen haben wollen, daß wir diese Aufgabein Zukunft voll und ganz lösen werden. Doch das vollständig und restloszu beweisen ist meiner Meinung nach überhaupt unmöglich. Die mit-geteilten Tatsachen beweisen, daß wir seit dem vorigen Jahr, als wirunsere Neue ökonomische Politik begannen, bis heute schon gelernt habenvorwärtszuschreiten. W enn w ir das gelernt haben, dann bin ich sicher, daßwir, wenn wir nicht eine besondere Dummheit machen, auch fernerhinlernen werden, auf diesem Wege weitere Fortschritte zu machen. Das

wichtigste ist jedoch der Handel, nämlich der Warenumsatz, der uns nottut. Und wenn wir damit im Verlauf zweier Jahre fertig geworden sind,obwohl wir im Krieg gestanden haben (Sie wissen, daß Wladiwostok erstvor einigen Wochen genommen worden ist), obwohl wir unsere ökono-mische Tätigkeit erst jetzt systematisch und überlegt beginnen können —wenn wir trotzdem erreicht haben, daß die Stabilitätsperiode des Papier-rubels von drei auf fünf Monate gestiegen ist, so glaube ich sagen zudürfen, daß wir damit zufrieden sein können. Denn wir stehen allein. W irbekamen und bekommen keine Anleihen. Kein einziger von den mächtigenkapitalistischen Staaten, die ihre kapitalistische Wirtschaft so „glänzend"organisieren, daß sie auch heute noch nicht wissen, wohin sie gehen, hatuns geholfen. Mit dem Versailler Frieden haben sie ein Finanzsystem ge-schaffen, in dem sie sich selber nicht zurechtfinden. Wenn diese großenkapitalistischen Staaten so wirtschaften, so nehme ich an, daß wir, dieZurückgebliebenen, die Ungebildeten, schon damit zufrieden sein können,daß wir das Wichtigste, die Bedingungen für die Stabilisierung des Rubels,begriffen haben. Das wird nicht durch irgendeine theoretische Analyse,

27»

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410 IV. 1 Lenin

sondern durch die Praxis bewiesen, und das ist, glaube ich, wichtiger als

alle theoretischen Diskussionen der Welt. Die Praxis aber zeigt, daß wirhier Entscheidendes geleistet, nämlich angefangen haben, die Wirtschaftin die Richtung auf die Stabilisierung des Rubels zu bringen, was für denHandel, für den freien Warenumsatz, für die Bauern und für die enormeMasse der Kleinproduzenten von allergrößter Bedeutung ist.

Nun wende ich mich unseren sozialen Zielen zu. Das wichtigste istnatürlich die Bauernschaft. Im Jahre 1921 standen wir zweifellos der Un-zufriedenheit der großen Masse der Bauern gegenüber. Dann hatten wirdie Hungersnot, und das bedeutete für die Bauernschaft die schwerste

Prüfung. Es ist ganz natürlich, daß damals das ganze Ausland schrie:„Seht, da habt ihr das Resultat der sozialistischen Wirtschaft." Selbstver-ständlich verschwiegen sie, daß die Hungersnot das ungeheuerliche Resul-tat des Bürgerkriegs war. Alle die Gutsbesitzer und Kapitalisten, die 1918die Offensive gegen uns ergriffen hatten, stellten die Sache so dar, als obdie Hungersnot das Resultat der sozialistischen Wirtschaft sei. Die Hun-gersnot war wirklich ein großes und ernstes Unglück, ein Unglück, dasunsere ganze organisatorische und revolutionäre Arbeit zunichte zumachen drohte.

Also frage ich jetzt: Wie stehen nach diesem ungewöhnlichen und un-erwarteten Unglück die Dinge heute, nachdem wir die Neue ökonomischePolitik eingeführt, nachdem wir den Bauern die Freiheit des Handels ge-währt haben? Die Antwort ist klar und steht allen deutlich vor Augen,nämlich: Die Bauernschaft ist in einem Ja hr nicht nu r mit der Hu ngers notfertig geworden, sondern hat auch die Naturalsteuer in solchem Umfangentrichtet, daß wir schon jetzt mehrere Hunderte von Millionen Pud be-kommen hab en, und z war fast ohne Anwe ndung von Zw angsmaß nahm en.Die Bauernaufstände, die früher, bis 1921, sozusagen das allgemeine Bild

Rußlands bestimmt haben, sind fast vollständig verschwunden. DieBauern sind mit ihrer gegenwärtigen Lage zufrieden. Das können wirgetrost behaupten. Wir glauben, solche Beweise sind viel wichtiger alsirgendwelche statistischen Beweise. Daß die Bauernschaft bei uns der ent-scheidende Fakto r ist, das bezweifelt niem and. Diese Bauernschaft befindetsich jetzt in einem solchen Zustand, daß wir von ihrer Seite keinerlei Be-wegung gegen uns zu befürchten haben. Das sagen wir mit vollem Be-wußtsein, ohne zu übertreiben. Das ist schon erreicht. Die Bauernschaft

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IV. Kongreß der Kommunistisdhen Internationale 411

mag mit unserer Macht in der einen oder anderen Hinsicht unzufrieden

sein, sie mag klagen, das ist natürlich und unvermeidlich, weil unserApparat und unsere staatliche Wirtschaft noch zu schlecht sind, als daßdem vorgebeugt werden könnte, eine ernsthafte Unzufriedenheit der ge-samten Bauernschaft mit uns ist aber auf alle Fälle ausgeschlossen. Dashaben wir in einem Jahr erreicht. Ich glaube, daß das schon sehr viel ist.

Ich komme nun zur Leichtindustrie. Wir müssen nämlich bei der Indu-strie unterscheiden zwischen der Schwer- und der Leichtindustrie, weilsich diese beiden Arten von Industrie in verschiedener Lage befinden. Wasdie Leichtind ustrie betrifft, so ka nn ich getrost sag en: H ier sehen wir einen

allgemeinen Aufschwung. Ich werde nicht auf Einzelheiten eingehen. Esgehört nicht zu meiner Aufgabe, statistische Belege zu erbringen. Dochdieser allgemeine Eindruck gründet sich auf Tatsachen, und ich kann dafürgarantieren, daß ihm nichts Unrichtiges oder Ungenaues zugrunde liegt.W ir h aben einen allgemeinen Aufschwung der Leichtindustrie zu verzeich-nen und im Zusammenhang damit eine deutliche Besserung der Lage derArb eiter sowohl in Petrograd als auch in Moska u. In anderen Bezirken istdas in geringerem Grade der Fall, weil dort die Schwerindustrie vor-herrscht, so daß man das nicht verallgemeinern darf. Doch ich wiede rhole:

Di e Leichtindustrie ist unb edin gt im Aufstieg begriffen, un d die Besserungder Lage der Petrograder und Moskauer Arbeiter steht außer Zweifel. Inbeiden Städten waren die Arbeiter im Frühjahr 1921 unzufrieden. Jetztist das nicht mehr der Fall. Wir, die wir die Lage und die Stimmung derArbeiter täglich verfolgen, irren uns darin nicht.

Die dritte Frage betrifft die Schwerindustrie. Hier muß ich sagen, daßdie Lage immer noch schwer ist. Eine gewisse Wendung ist jedoch in derZeit von 1921 bis 1922 eingetreten. Wir können also hoffen, daß sich dieLage in nächster Zukunft bessern wird. Die notwendigen Mittel dazu

haben wir teilweise schon aufgebracht. In einem kapitalistischen Landwäre zur Besserung der Lage der Schwerindustrie unbedingt eine Anleihein Höhe von Hunderten von Millionen erforderlich, ohne die eine Besse-rung unmöglich wäre. Die Wirtschaftsgeschichte der kapitalistischen Län-der beweist, daß zur Hebung der Schwerindustrie in zurückgebliebenenLän dern nur langfristige Hund ertmillionenanleihen in Dollars oder G old-rubel geeignete Mittel wären. Wir hatten keine derartigen Anleihen undhabe n bisher nichts bekom men. W as man bis jetzt über Konzessionen und

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412 TV. 1. Lenin

anderes geschrieben hat, ist fast alles auf dem Papier geblieben. Geschrie-

ben haben wir darüb er in der letzten Zeit viel, insbesondere auch über dieUrquhart-Konzession. Unsere Konzessionspolitik scheint mir indes aus-gezeichnet zu sein. Trotzdem aber haben wir noch keine einträgliche Kon-zession. Das bitte ich nicht zu vergessen. Die Lage der Schwerindustriestellt somit für unser zurückgebliebenes Land wirklich ein sehr schweresProblem dar, da wir auf Anleihen bei reichen Staaten nicht rechnen konn-ten. Dennoch sehen wir bereits eine merkliche Besserung, und wir sehenferner, daß unsere Handelstätigkeit uns schon ein gewisses Kapital ein-gebracht hat. Allerdings zunächst ein Kapital von sehr bescheidenem Um-

fang, nicht viel mehr als zwanzig Millionen Goldrubel, aber ein Anfang istgemacht. Un ser Han del liefert u ns Mittel, die wir zur He bun g der Schwer-industrie verwenden können. Zur Zeit befindet sich unsere Schwerindu-strie jedenfalls immer noch in einer sehr schweren Lage. Doch ich glaube,daß wir schon imstande sind, etwas zu sparen. Das werden wir audiweiter tun, wenn es auch oft auf Kosten der Bevölkerung geschieht. Wirmüssen jetzt trotzdem sparen. Wir arbeiten jetzt daran, unseren Staats-haushalt zu verringern, unseren Staatsapparat einzuschränken. Ü be r unse-ren Staatsapparat werde ich später noch einige Worte sagen. Wir müssen

den Staatsapparat auf jeden Fall verkleinern, wir müssen soviel wie mög-lich sparen. Wir sparen an allem, sogar an den Schulen. Das muß sein,denn wir wissen, daß wir ohne Rettung der Schwerindustrie, ohne ihreWiederherstellung keine Industrie aufbauen können, ohne diese aber sindwir als selbständiges L and üb erha upt verloren. Das wissen wir sehr w ohl.

Die Rettung Rußlands liegt nicht nur in einer guten Ernte der Bauern— das ist zuwenig — und nicht nu r in dem guten Z ustan d der Leicht-indu strie, die de r Bauernschaft Geb rauchsg egenstä nde liefert — das istebenfalls zuw enig —, wir bedü rfen noch der S chwe rindustrie. Sie auf

einen guten Stand zu bringen, erfordert aber eine Arbeit von mehrerenJahren.

Die Schwerindustrie braucht staatliche Subsidien. Treiben wir die nichtauf, so sind wir als zivilisierter Staat — als sozialistischer ganz zu schwei-gen — zugrunde gerichtet. In dieser Hinsicht also haben wir den entschei-denden Schritt gemacht. W ir h aben die M ittel aufgebracht, die nötig sind,um die Schwerindustrie auf eigene Beine zu stellen. Die Summe, die wirbisher aufgebracht haben, übersteigt zwar nur wenig zwanzig Millionen

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IV. Kongreß der Xommunistisdhen Internationale 413

Goldrubel, aber sie ist jedenfalls da und einzig dazu bestimmt, für die

Hebung unserer Schwerindustrie verwendet zu werden.Ich glaube, Ihnen im allgemeinen und in Kürze, wie ich es angekündigthab e, die wichtigsten Elemente un serer Volkswirtschaft vor Auge n geführtzu haben, und ich glaube, aus alledem den Schluß ziehen zu dürfen, daßdie Neue ökonomische Politik jetzt schon ein Plus ergeben hat. Es liegtjetzt schon der Beweis vor, daß wir imstande sind, als Staat Handel zutreiben, unsere festen Positionen in Landwirtschaft und Industrie zusichern und vorwärtszuschreiten. Das hat die praktische Tätigkeit bewie-sen. Ich denke, daß das vorläufig genügt. Wir werden noch viel lernenmüssen, und wir haben begriffen, daß wir noch lernen müssen. Seit fünfJah ren halte n wir die M acht, und d abei haben w ir uns alle diese fünf Jah rehindurch im Kriegszustand befunden. Wir haben also Erfolg gehabt.

D as ist verständlich, weil die Bauernschaft für uns w ar. Schwerlich ist esmöglich, mehr für uns zu sein, als es die Bauern waren. Sie verstanden,daß hinter den Weißen der Gutsbesitzer steht, den sie mehr als alles aufder Welt hassen. Deshalb hielt die Bauernschaft mit größtem Enthusias-mus, mit fester Treue zu uns. Es war nicht schwer zu erreichen, daß dieBauernschaft uns gegen die W eiß en verteidigte. Die B auern, die den Kriegvorde m ge haß t hatten , tate n nu n alles Erdenkliche für de n Krieg gegen dieWeißen, für den Bürgerkrieg gegen die Gutsbesitzer. Trotzdem war dasnoch nicht alles, denn es betraf ja eigentlich nur die Frage, ob die Machtin den Händen der Gutsbesitzer oder der Bauern bleiben sollte. Uns ge-nügte das nicht. Die Bauern verstehen, daß wir die Macht für die Arbeiterergriffen haben und daß wir das Ziel verfolgen, die sozialistische, Ord-nung mit Hilfe dieser Macht aufzubaue n. Da her w ar die wichtigste Fragefür uns die ökonomische Vorbereitung der sozialistischen Wirtschaft. Wirkonnten sie nicht auf direktem Wege vorbereiten. Wir mußten es aufindirektem Wege tun. Der Staatskapitalismus, den wir bei uns geschaffen

haben, ist ein eigenartiger Staatskapitalismus. Er entspricht nicht demgewöhnlichen Begriff des Staatskapitalismus. Wir halten alle Kommando-höhen in unseren Händen, wir haben den Grund und Boden, der demStaat gehört. Das ist sehr wichtig, wenn auch unsere Gegner die Sache s.odarstellen, als ob das nichts bedeute. Das ist falsch. Daß der Grund undBoden dem Staat gehört, ist außerordentlich wichtig und hat große prak-tische Bedeutung in wirtschaftlicher Hinsicht. Das haben wir erreicht, und

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41 4 Tf. 3. Lenin

ich mnß sagen, daß sich auch unsere ganze weitere Tätigkeit nur in diesem

Rahmen entwickeln darf. Wir haben schon erreicht, daß unsere Bauern-schaft zufrieden ist, daß sich die Industrie hebt un d daß der H andel auf-lebt. Ich habe schon gesagt, unser Staatskapitalismus unterscheidet sich voneinem buchstäblich aufgefaßten Staatskapitalismus dadurch, daß der p role-tarische Staat nicht nur den Grund und Boden, sondern auch alle wichtig-sten Teile der Industrie in seinen Hän den h ä lt W ir haben vor allem einengewissen Teil der kleinen und m ittleren Industrie in Pacht gegeben, allesandere dagegen bleibt in unseren Händen. Was den Handel betrifft, somöchte ich noch betonen, daß wir danach trachten, gemischte Gesellschaf-ten zu gründen, und daß w ir sie bereits gründen, d. h. Gesellschaften, indenen ein Teil des Kapitals Privatkapitalisten, und zwar ausländischen,gehört, der andere Teil aber uns. Erstens lernen w ir dadurch, Handel zutreiben, und das haben wir nötig, und zweitens haben wir, wenn wir esfür nötig befinden, ja immer die Möglichkeit, eine solche Gesellschaft wie-der aufzulösen, so daß w ir sozusagen nichts riskieren. Beim Privatkapila-listen gehen wir in die Lehre und suchen herauszufinden, wie wir vor-wärtskommen können und was für Fehler wir machen. Mir scheint, daßich mich auf diese Ausführungen beschränken kann.

Ich möchte noch einige geringfügige Punkte berühren. Es ist zweifellos,daß wir eine enorme Zahl von Dummheiten gemacht haben und nochmachen w erden. Niemand kann das besser beurteilen und deutlicher sehenals ich. ( H e i t e r k e i t . ) Warum machen wir denn Dummheiten? Dasist klar : Erstens sind wir ein rüdeständiges Land, zweitens ist unsere Bil-dung m inimal, drittens erhalten wir keine Hilfe. Kein einziges zivilisiertesLand hilft uns. Im Gegenteil, sie arbeiten alle gegen uns. Viertens ist unserStaatsapparat schuld. Wir haben den alten Staatsapparat übernommen,und das war unser Unglück. Der Staatsapparat arbeitet sehr oft gegenuns. Die Sache war die, daß uns de r Staatsapparat 1917, nachdem wir dieMacht ergriffen hatten , sabotierte. Wir erschraken damals sehr und ba ten:„Bitte schön, kommen Sie zu uns zurück." Und alle kamen zurück. Daswar unser Unglück. Wir haben jetzt eine enorme Masse von Angestellten,aber wir haben noch nicht genügend gebildete Kräfte, um wirklich übersie zu verfügen. Tatsächlich geschieht es sehr oft, daß der Apparat hieroben, wo wir die Staatsmacht haben, einigermaßen funktioniert, währendsie unten eigenmächtig schalten und walten, und zwar so, daß sie oft gegen

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IV. Xongreß der Kom munistischen Internationale 415

unsere Maßnahm en arbeiten. Oben haben w ir, ich weiß nicht wieviel, aber

ich glaube sicher, nur einige tausend, Maximum einige zehntausend derUnsrigen, unten dagegen haben wir Hunderttausende alter, vom Zaren,aber auch von der bürgerlichen Gesellschaft übernommener Beamter, dieteils bewußt, teils unbewußt gegen uns arbeiten. Hier läßt sich in kurzerZeit nichts machen, das ist ganz sicher. Hier müssen wir mehrere Jahrearbeiten, um den App arat zu ände rn, zu vervollkommnen und neue Kräfteheranzu ziehen. W ir machen das in ziemlich schnellem T empo, vielleicht inzu schnellem Tempo. Es sind Sowjetschulen, A rbeiterfakultäten gegründetworden, mehrere hunderttausend junger Leute lernen, lernen vielleicht zn

schnell, aber jedenfalls ist die Arbeit begonnen, und ich denke, diese Arbeitwird auch ihre Früchte tragen. Wenn wir nicht zu hastig arbeiten, dannwerden wir in einigen Jahren eine Masse von jungen Menschen bekom-men, die imstande sein werden, den App arat von Grund aus zu verändern.

Ich habe gesagt, daß wir eine enorme Zahl von Dummheiten gemachthaben, aber ich muß in dieser Hinsicht auch etwas über unsere Gegnersagen. Wenn unsere Gegner uns einen Spiegel vorhalten und sagen, Leninselbst gebe zu, daß die Bolschewik! eine enorme Zahl von Dummheitengemacht haben, so möchte ich darauf antworten: Ja, aber wissen Sie,unsere Dum mheiten sind doch von wesentlich ande rer Ar t als die Ihrigen.Wir haben erst begonnen zu lernen, und wir lernen so systematisch, daßwir überzeugt sind, gute Ergebnisse zu erzielen. Doch wenn unsere Geg-ner, also die Kapitalisten und die Helden der II. Internationale, die vonuns gemachten Dummheiten hervorheben, so möchte ich mir hier einenVergleich erlauben, indem ich die Worte eines berühmten russischenSchriftstellers anfahre, die ich ein wenig abändere, so daß sie folgendesGesicht erhalten: Wenn die Bolschewifci Dummheiten machen, so heißtdas, daß der Bolschewik sagt: 2 X 2 = 5 ; wenn aber seine Gegner, d. h. dieKapitalisten und die Helden der II . Internationale, Dummheiten machen,

so heißt das, daß sie sagen: 2X2=Stearinkerze. Das ist nicht schwer zubeweisen. Nehmen Sie zum Beispiel den von Amerika, England, Frank-reich und Japan m it Koltschak geschlossenen Vertrag. Ich frage S ie: G ibtes gebildetere und mächtigere Staaten in der W elt? U nd was kam heraus?Sie versprachen Koltschak Hilfe, ohne zu rechnen, ohne zu denken, ohnezu beobachten. Das wa r ein Fiasko, das ich nicht einmal menschlich ver-ständlich finden, kann.

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416 IV. 1 Lenin

O de r ein anderes, noch näherliegendes und bedeu tsameres Beispiel: der

Versailler Frieden. Ich frage Sie: Was haben da die „großen", die „glor-reichen" Mächte geschaffen? Wie können sie jetzt aus diesem Wirrwarr,aus diesem W idersin n einen Ausw eg finden? Ich glaube, es ist keine Ü ber -treibung, wenn ich wiederhole, daß unsere Dummheiten noch nichts sindim Vergleich zu den Dummheiten, die die kapitalistischen Staaten, diekapitalistische W el t u nd die II . Internationale alle miteinander machen.Des halb meine ich, daß die Perspektiven der W eltrevolution — das ist einThema, das ich kurz berühren muß — günstig sind. Und unter einer be-stimmten Bedingung, glaube ich, werden sie noch besser werden. Ober

diese Bedingung möchte ich noch einige W or te sagen.Auf dem III. Ko ngreß 1921 haben wir eine Resolution angenomm en

über den organisatorischen Aufbau der kommunistischen Parteien undüber die Methoden und den Inhalt ihrer Arbeit. Diese Resolution ist aus-gezeichnet, aber sie ist fast ausgesprochen russisch, d. h., es ist alles denrussischen Verhältnissen entnommen. Das ist das Gute an der Resolution,aber das ist auch das Schlechte. Das Schlechte deshalb, weil ich überzeugtbin, daß fast kein Ausländer sie lesen kann - ich habe diese Resolutionnoch einmal durchgelesen, bevor ich das sage. Erstens ist sie zu lang, sie

hat 50 oder mehr Paragraphen. So etwas können Ausländer gewöhnlichnicht lesen. Zweitens, wenn sie doch gelesen wird, so kann kein Ausländersie verstehen, eben weil sie zu russisch ist. Nicht als ob sie russisdi ge-schrieben wäre — sie ist ausgezeichnet in alle Sprachen übersetzt —, son-dern weil sie durch und durch von russischem Geist durchdrungen ist. Unddrittens, we nn ein Aus länder sie auch ausnahmsweise versteht, so kann ersie nicht durchführe n. Da s ist der dritt e M ange l. Ich hab e mit einigen De le-gierten, die hierher gekommen sind, ein wenig gesprochen, und ich hoffe,im weiteren Verlauf des Kongresses w erde ich die Möglichkeit finden — zwar

nicht selbst am Kong reß teilzunehmen, denn das kan n ich leider nicht —, miteiner größe ren Zah l von Delegierten aus verschiedenen Län dern ausführ-lich zu sprechen. Mein Eindruck ist, daß wir mit dieser Resolution einengroßen Fehler gemacht haben, nämlich daß wir uns selbst den Weg zueinem weiteren Fortschritt versperrt haben. Wie gesagt, die Resolution istausgezeichnet, ich unterschreibe alle ihre 5 0 ode r meh r Paragraph en. A berwir haben nicht verstanden, wie wir mit unserer russischen Erfahrung andie Ausländer heranzugehen haben. Alles, was in der Resolution gesagt

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IV. K ongreß der Komm unistisdien Internationale 417

wird, ist toter Buchstabe geblieben. Und wenn wir das nicht begreifen,

werden wir nicht vorwärtskommen. Ich glaube, für uns alle, sowohl fürdie russischen als auch für die ausländischen Genossen, ist das wichtigste,daß wir jetzt, nach fünf Jahren russischer Revolution, lernen müssen. Erstjetzt haben wir die Möglichkeit zu lernen. Ich weiß nicht, wie lange dieseMöglichkeit bestehen wird. Ich weiß nicht, wie lange uns die kapitalisti-schen Mächte die Möglichkeit geben werden, in Ruhe zu lernen. Aberjeden Augenblick, den wir frei sind von militärischer Tätig keit, vom Krieg,müssen wir ausnutzen, um zu lernen, und zwar von Anfang an.

Die ganze Partei und alle Schichten in Rußland beweisen das durch

ihren Bildungshunger. Das Streben nach Bildung beweist, daß für unsjetzt die wichtigste Aufgabe darin besteht, zu lernen und zu lernen. Aberauch die ausländischen Genossen müssen lernen, nicht in dem Sinne, wiewir lernen müssen —lesen, schreiben und das Gelesene verstehen, was unsnoch not tut. Man streitet sich darüber, ob das zur proletarischen oderzur bürgerlichen Kultur gehört. Ich lasse diese Frage offen. Fest stehtjedenfalls: Wir müssen zunächst lesen, schreiben und das Gelesene ver-stehen lernen. Die Ausländer haben das nicht mehr nötig. Was sie nötighaben, ist schon etwas Höheres. Dazu gehört vor allem, daß sie das, was

wir über den organisatorischen A ufbau der komm unistischen Parteien ge-schrieben und was die Ausländer unterzeichnet haben, ohne es gelesenund ohne es verstanden zu haben, nun auch verstehen. Das müssen siesich als erste Aufg abe stellen. Ma n m uß diese Resolution zu r Durc hfüh-rung bringen. Man kann das nicht über Nacht tun, das ist absolut unmög-lich. Die Resolution ist zu russisch, sie widerspiegelt die russische Er fahru ng,deshalb ist sie von den Au sländern nicht verstanden word en, deshalb kön-nen die Ausländer sich nicht damit begnügen, sie wie ein Heiligenbild andie Wand zu hängen und davor zu beten. Damit ist nichts erreicht. Sie

müssen ein Stück der russischen Erfahrung in sich aufnehmen. Wie wirddas ge schehen? Da s we iß ich nicht. Vielleicht we rden uns zum Beispiel dieFaschisten in Italien gute Dienste leisten, indem sie den Italienern klar-machen, daß sie noch nicht genügend aufgeklärt sind und daß ihr Landnoch nicht gegen Schwarzhunderterbanden gefeit ist. Vielleicht wird dassehr nützlich sein. Wir Russen müssen auch nach Mitteln und Wegensuchen, den Ausländern die Grundlagen dieser Resolution klarzumachen.Sonst sind sie absolu t nicht imstand e, diese Resolution durch zufüh ren. Ich

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418 W. 1. Lenin

bin davon überzeugt, daß wir in diesem Sinne nicht nur den russischen,

sondern auch den ausländischen Genossen sagen müssen, daß das wich-tigste in der jetzt anbrechenden Periode das Lernen ist. W ir lernen im all-gemeinen Sinne, sie dagegen müssen im speziellen Sinne lernen, um dieOrganisation, den Aufbau, die Methode und den Inhalt der revolutio-nären Arbeit wirklich zu verstehen. Wenn das geschieht, dann werden,davon bin ich überzeugt, die Perspektiven der Weltrevolution nicht nurgut, sondern ausgezeichnet sein. ( S t ü r m i s c h e r , l a n g a n h a l -t e n d e r B e i f a l l . Z u r u f e : „Es lebe unser G enosse L enin!", d i en e u e O v a t i o n e n a u s l ö s e n . )

.Vrawda" Nr. 258, Nadb dem von W. 1. Lenin korrigierten15. November 1922. deutsdbspradaigen Stenogramm, verglidben

mit dem russisdoen 7ext des „Bulletinsdes IV. Kongresses der XommunistisdhenInternationale" Nr. 8 vom 16. November1922.

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B E G R Ü S S U N G D ER G E S A M T R U S S I S C H E N

L A N D W I R T S C H A F T S A U S S T E L L U N G 1 « »

Ich messe der Ausstellung sehr große Bedeutung bei und bin überzeugt,daß alle Organisationen sie voll unterstützen w erden. Von Herzen wünscheich ihr größten Erfolg.

W. Vljanow (Lenin)14. XI. 1922

Veröftentlidbt 1923. Wacfc dem Manuskript.

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A N D I E G R U P P E „ C L A R T £ " i o i

15 . November 1922

Liebe Freunde!

Ich benutze die Gelegenheit, Ihnen meine besten Grüße zu senden. Ichwar sehr krank und bekam über ein Jahr lang kein einziges Werk IhrerGruppe zu Gesicht. Ich hoffe, daß Ihre Organisation „des anciens com-battants"* noch besteht und daß sie nicht nur zahlenmäßig wächst understarkt, sondern auch ideell, im Sinne der Vertiefung und Verbreiterungdes Kampfes gegen den imperialistischen Krieg. Es lohn t sich, dem Kam pf

gegen einen solchen Krieg sein Leben zu weihen. In diesem Kampf mußman unbeugsam sein und alle Sophismen zur Verteidigung des Krieges bisin die letzten Schlupfwinkel verfolgen.

Die besten Grüße

Ih r LeninIn französischer Sprachezuerst veröffentlicht 1925in der Zeitschrift „Garte" Jir. 71.

In russischer Sprache zuerst 'Nach dem Manuskript,

veröffentlicht i930.

* ehemaliger Kriegsteilnehmer. Die Red.

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R E D E I N D E R P L E N A R S I T Z U N G

D E S M O S K A U E R S O W J E T S

20. N O V E M B E R 1 9 2 2 i o a

( S t ü r m i s c h e r B e i f a l l , „ D i e I n t e r n a t i o n a l e " . ) Ge-nossen! Ich bedaure sehr und entschuldige mich sehr, daß ich nicht früherzu Ihrer Sitzung kommen konnte. Soviel ich weiß, wollten Sie mir schonvor einigen Wochen die Möglichkeit geben, den Moskauer Sowjet zu be-suchen. Das konnte ich nicht tun, weil ich durch meine Krankheit, seitDezember, die Arbeitsfähigkeit, um einen Fachausdruck zu gebrauchen,für ziemlich lange Zeit einbüßte und infolge verringerter Arbeitsfähigkeitdas jetzige Auftreten von Woche zu Woche verschieben mußte. Ichmußte auch einen sehr erheblichen Teil der Arbeit, die ich, wie Sie sich

erinnern werden, zuerst auf Gen. Zjurupa und dann auf Gen. Rykowabgewälzt hatte, zusätzlich noch Gen. Kamenew aufhalsen. Und man mußsagen, daß er, um einen Vergleich anzuwenden, den ich bereits gebrauchthabe, plötzlich zwei Fuhren zu ziehen hatte. Allerdings muß man, um imBild zu bleiben, sagen, daß sich das Pferd als ausnehmend fähig undwacker erwiesen hat. Aber dennoch geht es nicht an, daß einer zwei Fuh-ren zieht, und ich warte jetzt mit Ungeduld auf die Zeit, wo die GenossenZjurupa und Rykow zurückkommen und wir die Arbeit wenigstens etwasgerecht verteilen werden. Ich allerdings muß infolge meiner verringerten

Arbeitsfähigkeit den Dingen viel längere Zeit zusehen, als mir lieb ist.Als ich im Dezember 1921 die Arbeit vollständig unterbrechen mußte,

näherte sich das Jahr dem Ende. Damals vollzogen wir den Übergang zurNeuen ök onom ischen Politik, und es zeigte sich gleich damals, daß dieserÜbergan g, obwohl wir ihn seit Anfang 1921 in Angriff genommen h atten,ziemlich schwierig, ja, ich möchte sagen, sehr schwierig war. Es sind mehrals anderthalb Jahre vergangen, seitdem wir diesen Übergang vollziehen,

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42 2 IV . 7. Lenin

so daß es, sollte man meinen, schon an de r Zeit w äre, daß die Mehrzahl

die nenen Plätze eingenommen nnd sidi entsprechend den neuen Verhält-nissen, insbesondere den Verhältnissen der Neuen Ökonomischen Politik,eingerichtet hätte.

In der Außenpolitik hatten wir am allerwenigsten Veränderungen zuverzeichnen. Hier setzten wir den Kars fort, der früher eingeschlagenworden war, und ich glaube, ich kann Ihnen mit reinem Gewissen sagen,daß wir ihn durchaus folgerichtig und mit größtem Erfolg fortgesetzthaben. Es ist übrigens nicht nötig, Ihnen ausführlich darüber zu berichten:die Einnahme von Wladiwostok, d ie darauffolgende Dem onstration und

das Bekenntnis zum föderativen Staat, das Sie dieser Tage in den Zeitun-gen gelesen haben11», bewiesen und zeigten sonnenklar, daß wir in dieserHinsicht nichts zu ändern brauchen. Wir befinden uns auf einem Wege,der vollkommen klar und genau vorgezeichnet ist, und wir haben uns,sichtbar für die Staaten der ganzen Welt, den Erfolg gesichert, obwohlmanche von ihnen vorziehen, bis auf den heutigen Tag zu erklären, daßsie sich mit uns nicht an einen Tisch setzen wollen. Nichtsdestowenigerkommen die ökonomischen Beziehungen und in ihrem Gefolge die diplo-matischen Beziehungen in Gang, sie müssen in Gang kommen und werden

ganz bestimmt in Gang kommen. Jeder Staat, der dem entgegenwirkt,läuft Gefahr, za spät zu kommen und vielleicht in bezog auf manchen,ziemlich wesentlichen, Punkt in eine nachteilige Lage zu geraten. Dasalles sehen wir jetzt, und zwar nicht nur aus den Zeitungen. Ich glaube,daß sich die Genossen auch auf ihren Auslandsreisen davon überzeugen,wie groß die eingetretenen Veränderungen sind. In dieser Hinsicht brauch-ten wir sozusagen, um einen alten Vergleich heranzuziehen, nicht um-zusteigen, weder in andere Z üge noch in andere Postkutschen.

W as dagegen unsere Innenpolitik betrifft, so bere itet uns hier das Um-

steigen, das wir im Frühjahr 1921 vorgenommen haben und das uns durchUm stände von außerordentlicher Stärke und Überzeugungskraft diktiertworden ist, so daß es darüber keine Diskussionen und keine Differenzenunter uns gab — so bereitet uns dieses Umsteigen nach wie vor einigeSchwierigkeiten, bereitet es uns nach wie vor, möchte ich sagen, großeSchwierigkeiten. Nicht etwa deshalb, weil wir über die Notwendigkeit derSchwenkung Zweifel hä tten — diesbezüglich gibt es keine Zweifel —, undnicht deshalb, weil wir Zweifel hätten, ob die Probe auf diese unsere

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Rede in der "Plenarsitzung des Moskauer Sowjets 423

Neue ökonomische Politik jene Erfolge brachte, die wir erwartet hatten.

Auch in dieser Hinsicht gibt es, das kann ich mit völliger Bestimmtheitsagen, weder in den Reihen unserer P artei noch in den Reihen der gewal-tigen Masse der parteilosen A rbeiter und Bauern irgendwelche Zweifel.

In diesem Sinne bereitet die Frage keine Schwierigkeiten. Die Schwierig-keiten kommen daher, daß wir uns vor eine Aufgabe gestellt sahen, derenBewältigung sehr oft die Heranziehung neuer Leute, die Anwendungaußerordentlicher Maßnahmen und außerordentlicher Methoden erfor-der t. Wir haben noch Zweifel an der Richtigkeit des einen oder anderen,es kommen Änderungen nach der einen oder anderen Richtung vor, und

man m uß sagen, daß das eine wie das andere noch ziemlich lange Zeit sobleiben wird. „Neue Ökonomische Politik"! Eine seltsame Bezeichnung.Diese Politik wird als Neue Ökonomische Politik bezeichnet, weil sie eineSchwenkung zurück vornimmt. W ir gehen jetzt zurück, treten gleichsamden Rückzug an , wir tun das jedoch, um zuerst zurückzugehen, dann abereinen Anlauf zu nehmen und einen um so größeren Sprung vorwärts zumachen. Nu r un ter dieser einen Bedingung sind wir bei der Durchführungunserer Neuen Ökonomischen Politik zurückgegangen. Wo und wie wiruns jetzt umgruppieren, anpassen, reorganisieren müssen, um nach dem

Rückzug den hartnäckigsten Vormarsch anzu treten , wissen wir noch nicht.Um alle diese Aktionen in normaler Ordnung durchzuführen, muß man,wie das Sprichwort sagt, nicht zehnmal, sondern hundertmal abmessen,bevor man sich entscheidet. Das muß man, um jener ungeheuren Schwierig-keiten Herr zu werden, die sich uns bei der Lösung aller unserer Aufgabenund Probleme entgegenstellen. Sie wissen sehr wohl, wieviel Opfer ge-bracht werden mußten, um das zu erreichen, was erreicht worden ist. Siewissen, wie lange der Bürgerkrieg gedauert und wieviel Kräfte er ver-schlungen hat. Und nun hat die Einnahme von Wladiwostok (Wladi-

wostok liegt zwar weit von hier, aber es ist doch unsere Stadt) ( a n h a l -t e n d e r B e i f a l l ) uns allen den allgemeinen Drang zu uns, zu unse-ren Errungenschaften gezeigt. Hier wie dort — die Russische SozialistischeFöderative Sowjetrepublik. Dieser Drang h at uns sowohl von den innerenals auch von den äußeren Feinden befreit, die uns angegriffen haben. Ichmeine Japan .

W ir haben eine ganz bestimmte diplomatische Konstellation erkämpft,und sie ist nichts anderes als eine diplomatische Konstellation, die von der

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424 W.J.Cenin

ganzen W elt anerkannt wird. Sie alle sehen das. Sie sehen die Ergebnisse,

aber wieviel Zeit war dazu erforderlich! Wir haben jetzt die Anerkennungunserer Rechte durch unsere Feinde sowohl in der Wirtschafts- als auch inder Handelspolitik erreicht. Das beweist der Abschluß der Handelsver-träge.

Wir können sehen, warum es uns, die wir vor anderthalb Jahren denWeg der sogenannten Neuen ökonom ischen Politik beschritten haben, sounglaublich schwerfällt, auf diesem Wege vorwärtszukommen. Wir lebenin den Verhältnissen eines Staates, der durch den Krieg so sehr zerstört,so sehr aus jedem einigermaßen normalen Geleise geworfen worden ist,

so viel gelitten und erduldet hat, daß wir jetzt notgedrungen alle unsereBerechnungen mit einem kleinen, ganz kleinen Prozentsatz beginnen —dem Prozentsatz der Vorkriegszeit. Diesen Maßstab legen wir an unsereLebensverhältnisse an, legen ihn mitunter sehr ungeduldig und hitzig an,und immer wieder müssen wir uns überzeugen, daß wir es hier mit un-ermeßlichen Schwierigkeiten zu tun haben. Die Aufgabe, die wir uns hiergestellt haben, erscheint um so unermeßlicher, als wir sie mit den Verhält-nissen eines gewöhnlichen bürgerlichen Staates vergleichen. Wir haben unsdiese Aufgabe deshalb gestellt, weil wir begriffen haben, daß wir Hilfe

von den reichsten Mächten, wie sie unter solchen Umständen üblich ist,nicht zu erwarten haben. Nach dem Bürgerkrieg wurde über uns fast einBoykott verhängt, d. h., uns wurde gesagt: Jene ökonomische Verbindung,die wir zu unterhalten gewohnt sind und die in der kapitalistischen W eltals normal gilt, werden wir euch nicht gewähren.

Mehr als anderthalb Jahre sind verstrichen, seitdem wir den Weg derNeuen ökonomischen Politik beschritten haben, noch beträchtlich längereZeit ist vergangen, seitdem wir den ersten internationalen Vertrag abge-schlossen haben, und nichtsdestoweniger wirkt sich bis heute dieser Boy-

kott durch die ganze Bourgeoisie und alle Regierungen immer noch aus.Als wir die neuen ökonomischen Verhältnisse herbeiführten, konnten wirauf nichts anderes rechnen, und trotzdem hegten wir keinen Zweifel dar-an, daß wir den Übergang vollziehen müssen und den Erfolg ganz alleinerreichen müssen. Je weiter, desto klarer zeigt sich, daß jede Hilfe, dieuns gewährt werden könnte, die uns die kapitalistischen Mächte gewährenwerden, diesen Umstand nicht nur nicht beseitigen, sondern ihn allerWahrscheinlichkeit nach in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle noch

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Hede in der Plenarsitzung des Moskauer Sowjets ' 425

verstärken, noch verschärfen wird. „Ganz allein" — sagten wir uns. „Ganz

allein" — sagte uns fast jeder kapitalistische Staat, mit dem wir irgend-welche Geschäfte machten, mit dem wir irgendwelche Vereinbarungentrafen, mit dem wir in irgendwelche Verhandlungen traten. Und darineben liegt die besondere Schw ierigkeit. Wir müssen uns dieser Schwierig-keit bewußt werden. Wir haben in mehr als dreijähriger Arbeit, einerunglaublich schweren, von unglaublichem Heroismus erfüllten Arbeit,unsere eigene Staatsordnung geschaffen. Unter den Verhältnissen, indenen wir uns bisher befanden, hatten wir keine Zeit, zu untersuchen, obwir nicht etwas zerbrechen, was man nicht zu zerbrechen braucht, hatten

wir keine Zeit, zu untersuchen, ob es nicht zu viele Opfer geben wird,denn Opfer gab es ziemlich viel, weil der Kampf, den wir damals auf-nahmen (das wissen Sie sehr wohl, ich brauche mich darüber nicht zu ver-breiten), ein Kampf auf Leben und Tod gegen die alte Gesellschaftsord-nung war, gegen die wir kämpften, um uns das Recht auf die Existenz,auf die friedliche Entwicklung zu schmieden. Dieses Recht haben wir er-kämpft. Das sind nicht unsere Worte, nicht die Aussagen von Zeugen,denen Voreingenommenheit zu unseren Gunsten vorgeworfen werdenkönnte. Das ist das Zeugnis von Leuten, die im Lager unserer Feinde ste-

hen und die natürlich voreingenommen sind, aber ganz und gar nicht zuunseren G unsten, sondern genau um gekehrt. Diese Zeugen befanden sichim Lager Denikins, sie standen an der Spitze der Okkupation. Und wirwissen, daß uns ihre Voreingenommenheit teuer zu stehen kam, uns vieleZerstörungen kostete. Ihretwegen erlitten wir alle möglichen Verluste,büßten wir Werte aller Art ein und in unerhört großem Ausmaß denhöchsten Wert — das menschliche Leben. Jetz t müssen wir m it aller Auf-merksamkeit unsere Aufgaben ins Auge fassen und begreifen, daß dieHauptaufgabe jetzt darin bestehen wird, die alten Errungenschaften nicht

preiszugeben. Keine einzige der alten Errungenschaften werden wir preis-geben. ( B e i f a l l . ) Zugleich stehen wir vor einer völlig neuen Auf-gabe; das Alte kann zum direkten Hemmnis werden. Diese Aufgabe istam schwersten zu begreifen. M an m uß sie aber begreifen, um nun arbei-ten zu lernen, wo es gilt, sich sozusagen ganz umzukrempeln. Ich glaube,Genossen, diese Worte und Losungen sind verständlich, denn im Laufefast eines Jahres, da ich nicht anwesend sein konnte, haben Sie, die Siemit der Arbeit unmittelbar zu tun haben, in den verschiedensten Tonarten ,

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Rede in der Plenarsitzung des Moskauer Sowjets 427

munisten vor einer völlig anderen Aufgabe. Wir müssen jetzt alles be-

rechnen, und jeder von Ihnen muß lernen, berechnend zu sein. Wir müs-sen in einer kapitalistischen Umgebung berechnen, wie wir unsere Existenzsichern, wie wir Vorteile von unseren Gegnern erlangen, die natürlichmit uns feilschen werden, die das Feilschen ja niemals verlernt haben unddie auf unsere Kosten feilschen werden. Das vergessen wir ebenfalls nichtund stellen uns keineswegs vor, daß sich irgendwo Vertreter des Handelsin Lämmer verwandelt haben und, zu Lämmern geworden, uns alle mög-lichen Güter umsonst überlassen. Das gibt es nicht, und darauf hoffenwir nicht, wir rechnen vielmehr darauf, daß wir, die wir gewohnt sind,

uns zur Wehr zu setzen, uns auch hier, nachdem wir uns umgekrempelthaben, als fähig erweisen werden, sowohl Handel zu treiben als auch G e-winn zu machen und aus schwierigen ökonomischen Situationen heraus-zukommen. Gerade diese Aufgabe ist sehr schwierig. Und an dieser Auf-gabe arbeiten wir. Ich möchte, daß wir uns klar Rechenschaft geben unddarüber ablegen, wie tief die Kluft zwischen der alten und der neuenAufgabe ist. Aber so tief diese Kluft auch sein mag, wir haben im Kriegzu manövrieren gelernt und müssen verstehen, daß das Manöver, das unsjetzt bevorsteht, in dem wir uns jetzt befinden, das allerschwierigste ist.Dafür ist aber dieses Manöver offenbar das letzte. W ir müssen hier unsereKraft erproben und beweisen, daß wir nicht nur unsere gestrigen Weis-heiten auswendig gelernt haben und längst Bekanntes wiederholen. Ent-schuldigen Sie bitte, wir haben angefangen umzulernen und werden soumlernen, daß wir einen bestimmten und für alle offenkundigen Erfolgerzielen werden. Und im Namen dieses Umlernens, glaube ich, müssenwir einander jetzt noch einmal das feste Versprechen geben, daß wir alsNeue ökonomische Politik die von uns vorgenommene Kehrtwendungbezeichnen, und zwar eine solche Kehrtwendung, daß wir von dem N euennichts abgeben, zugleich aber den Kapitalisten solche Vorteile bieten,die jeden Staat, so feindlich er uns auch gegenüberstehen mag, veranlas-sen werden, sich auf Abmachungen und Beziehungen mit uns einzulas-sen. Gen. Krassin, der viele Unterredungen mit Urquhart hatte, diesemHaupt und dieser Stütze der ganzen Intervention, sagte, daß Urquhartnach all den Versuchen, uns das alte Regime um jeden Preis in ganzRußland wiederaufzuzwingen, sich zusammen mit ihm, Krassin, an einenTisch setzt und zu reden anfängt: „Wie teuer? Wieviel? Auf wieviel

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428 W J.Lenin

Jahre ?" ( B e i f a l l . ) Von h ier i st es noch z iemlich wei t b is zum Ab-

schluß einer Reihe von Konzessionsgeschäften, um auf diese Weise inganz präzise und — vom Stan dpun kt der bürgerlichen Gesellschaft —unerschütterliche Vertragsbeziehungen zu treten, aber wir sehen jetztschon, da ß wir dahin kom men w erden , ja fast gekomm en sind, wenn auchnoch nicht ganz. Das, Genossen, muß man erkennen und darf nicht über-heblich werden. Es ist noch lange nicht in vollem Maße das erreicht, wasuns stark und selbständig machen und uns die ruhige G ewißheit verschaf-

fen wird, daß wir keinerlei kapitalistische Geschäfte zu fürchten brauchen,die ruhige Gewißheit, daß wir jedes Geschäft abschließen können, so

schwierig es auch sei, daß wir in sein Wesen eindringen und es bewälti-gen werden. Deshalb muß die Arbeit auf diesem Gebiet — die politischesowohl wie die Parteiarbeit —, die wir begonnen habe n, fortgesetzt wer-den, deshalb ist es notwendig, daß wir von den alten Methoden zu völligneuen übergehen.

Un ser A ppara t ist der al te geblieben, und unsere Aufgabe besteht je tztdarin, ihn auf neue Art umzugestalten. Wir können ihn nicht mit einemSchlage umgestalten, aber wir müssen die Sache so anpacken, daß dieKommunisten, über die wir verfügen, richtig verteilt werden. Es muß so

sein, daß sie, diese Kommunisten, den Apparat beherrschen, an dessenSpitze sie gestellt w orde n sind, und nicht so, wie es bei uns häufig der Fallist, daß dieser Apparat sie beherrscht. Hier darf man nichts verheimlichen,man muß offen darüber sprechen. Vor solchen Aufgaben also stehen wir,und solche Schwierigkeiten erwarten uns, und zwar zu einer Zeit, wo wirunseren Weg sachlicher Arbeit beschriften haben, wo wir an den Sozia-lismus nicht wie an ein farbenprächtiges Heiligenbild herantreten dürfen.Wir müssen den richtigen Kurs einschlagen, es ist notwendig, alles zuüberprüfen, damit die Massen und die ganze Bevölkerung unseren Weg

überprüfen und sagen: „Ja, das ist besser als das alte System." Das ist dieAufgabe, die wir uns gestellt haben. Unsere Partei, eine kleine Gruppevon Menschen im Vergleich zur ganzen Bevölkerung des Landes, hat die-ses Werk in Angriff genommen. Dieses Körnchen hat sich die Aufgabegestellt, alles umzugestalten, und es wird alles umgestalten. Daß das keineUtopie ist, sondern etwas, wofür die Menschen leben, haben wir bewie-sen. Das haben wir alle gesehen, das ist bereits getan. Man muß so um-gestalten, daß die ganze Mehrheit der werktätigen Massen, der Bauern-

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Rede in der Plenarsitzung des Moskauer Sowjets 429

und der. Arbeitermassen, sagt: „Nicht ihr lobt euch, sondern wir loben

euch, wir sagen, daß ihr bessere Ergebnisse erzielt habt, nach deren Er-reichung es keinem vernünftigen Menschen jemals einfallen wird, zumalten zurückkehren zu wollen." Aber so weit sind wir noch nicht. Des-halb ist die INÖP nach wie vor die widrigste, die nädoste, die alles er-

sdhöpfende Cosung des heutigen Tages. Wir werden keine einzige Losungvergessen, die wir gestern gelernt haben. Das können wir völlig gelassen,ohne im geringsten zu schwanken, jedermann sagen, und jeder unsererSchritte bezeugt das. Aber wir müssen uns der Neuen ökonomischenPolitik erst noch anpassen. Alle ihre negativen Seiten, die man nicht auf-zuzählen braucht, die Sie ausgezeichnet kennen, muß man umzubiegenund auf ein bestimmtes Mindestmaß zu reduzieren verstehen, alles mußman wohlberechnet einzurichten verstehen. Unsere Gesetzgebung gibt dievolle Möglichkeit dazu. Werden wir damit zurechtkommen? Das stehtnoch bei weitem nicht fest. Wir studieren die Sache. Jede Num mer unsererParteizeitung bringt ein Dutzend Artikel, die Ihnen berichten: In der undder Fabrik, bei dem und dem Fabrikanten sind die Pachtbedingungen dieund die, dort dagegen; wo der Direktor ein Genosse von uns, ein Kom-munist ist, sind die Verhältnisse so und so. Wirft das einen Ertrag ab odernicht/ bewährt es sich oder nicht? Wir sind bis zum innersten Kern derAlltagsfragen vorgedrungen, und das ist eine gewaltige Errungenschaft.Der Sozialismus ist jetzt bereits keine Frage der fernen Zukunft oderirgendeines abstrakten Schemas oder irgendeines Heiligenbildes. Hinsicht-lich der Heiligenbilder sind wir bei der alten, sehr schlechten Meinunggeblieben. Wir haben den Sozialismus in das Alltagsleben einbezogen,und hier müssen wir uns zurechtfinden. Das eben ist die Aufgabe unsererTage, das eben ist die Aufgabe unserer Epoche. Gestatten Sie mir, mitdem Ausdruck der Überzeugung zu schließen, daß wir, so schwer dieseAufg abe auch sein m ag, so neu sie im Vergleich zu unsere r frühe ren Auf-

gabe auch ist und so viele Schwierigkeiten sie uns auch bereitet — daß wiralle zusammen, obzwar nicht morgen, aber in einigen Jahren diese Auf-gabe um jeden Preis lösen werden, so daß aus dem Rußland der NÖPd as sozialistische R uß la nd w e rd en w ir d. ( S t ü r m i s c h e r u n d a n -h a l t e n d e r B e i f a l l . )

„Trawda" 9Jr. 263, "Nach dem 7ext der „Vrawda",21. November i922. verglichen mit dem Stenogramm.

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430

A N D A S P R Ä S I D I U M D E S V . G E S A M T R U S S I S C H E N

V E R B A N D S T A G E S D E R S O W J E T A N G E S T E L L T E N « «

22. XI. 1922

Liebe Genossen!

Die gegenwärtig aktuellste und für die nächsten Jahre wichtigste Auf-gabe ist die systematische Verminderung und Verbilligung des Sowjet-apparats durch Reduzierung des Apparats, bessere Organisation, Beseiti-gung des Amtsschimmels, des Bürokratismus und Verringerung der un-produktiven Ausgaben. Ihrem Verband steht in dieser Hinsicht eine großeArbeit bevor.

Ich wünsche dem V. Gesamtrussischen V erbandstag der Sowjetange-stellten Erfolg und eine fruchtbringende Arbeit und gebe der HoffnungAusdruck, daß er speziell die Frage des Sowjetapparats behandeln wird.

Der V orsitzende des Rats der VolkskommissareW. Wjanotv (Lenin)

.iswestijalVZJJCNr.267, Nad) dem von W.l Centn25. TJovember 1922. korrigierten und unter-

zeidbneten Original.

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431

A N D E N V E R B A N D S T A G

D E R M I TA R B E IT E R D E S B I L D U N G S W E S E N S « «

14 danke Ihnen für Ihr Großschreiben, Genossen, und wünsche Ihnen,daß Sie der Ihnen übertragenen großen und verantwortungsvollen Auf-gabe gerecht werden, die ränge Generation für den Aufbau des neuenLebens vorzubereiten.

Cenin

Qesdbrieben am 26. November 1922.

VeröftentÜdrt im Dezember iS22 Nadh dem Hext der Zeitsdmjt.in der Zeüsdnift .Jlabotnik

Proswesdbtsdbenija" (Der Mitarbeiterde s Bildungswesens) 'Nr. to .

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AN DEN III. WELTKONGRESS

DER KOMMUNISTISCHEN

JUGENDINTERNATIONALE IN MOSKAU«»

4. XII. 1922

Liebe Genossen!

Ich bedaure, daß ich Sie nicht persönlidi begrüßen kann. Ich sendeIhnen die besten W ünsche für den Erfolg Ihrer Arbeit. Ich hoffe, daß Sie

t rotz der hohen Stellung nicht die Hauptsache vergessen werden — die

Notwendigkeit, durch sachliche Arbeit die Vorbereitung der Jugend und

das Lernen voranzubringen.

Mit bestem kommunistischem GrußW. Vljanow (Lenin)

„Trawda" TJr. 275, Nadj dem von W. 7. Lenin5. Dezember 1922. korrigierten und unter-

zeidmeten Original.

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433

B E M E R K U N G E N Z U D E N A U F G A B EN

U N S E R E R D E L E G A T I O N I M H A A G » '

In der Frage des Kampfes gegen die Kriegsgefahr im Zusammenhangmit der Konferenz im Haag glaube ich, daß die größte Schwierigkeit darinbesteht, das Vorurteil zu überwinden, daß diese Frage einfach, klar undverhältnismäßig leicht sei.

„Antworten wir auf den Krieg mit dem Streik oder mit der Revolu-tion!", so sagen gewöhnlich alle angesehenen Führer der Reformisten zurArbeiterklasse. Und sehr häufig befriedigt und beruhigt der Scheinradi-kalismus dieser Antworten die Arbeiter, Genossenschaftler und Bauern.

Vielleicht bestünde das richtigste Verfahren darin, mit der schärfstenWiderlegung einer derartigen Meinung den Anfang zu machen. Man er-kläre, daß besonders jetzt, nach dem kürzlich beendeten Krieg, nur diedümmsten oder hoffnungslos verlogene Leute behaupten können, einesolche Antwort auf die Frage nach dem Kampf gegen den Krieg taugeetwas. Man erkläre, daß es unmöglich ist, auf den Krieg mit dem Streikzu „antworten", genauso wie es unmöglich ist, auf den Krieg mit derRevolution, im einfachsten und buchstäblichen Sinne dieser Ausdrücke,zu „antworten".

Man muß den Leuten die reale Situation erklären: wie groß das Ge-heimnis ist, in dem der Krieg geboren wird, und wie hilflos die gewöhn-liche Organisation der Arbeiter, auch wenn sie sich als revolutionäreOrganisation bezeichnet, angesichts eines tatsächlich heraufziehendenKrieges ist.

Man muß den Leuten immer und immer wieder ganz konkret erklären,wie die Dinge während des letzten Krieges lagen und warum sie nichtanders liegen konnten.

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434 'W.J.L.enin

M an m uß insbesondere die Bedeutung des Umstands erklären, daß die

„Vaterlandsverteidigung" zu einer unvermeidlichen Frage wird, die diegewaltige Mehrheit der Werktätigen unvermeidlich zugunsten ihrer Bour-geoisie entscheiden wird.

Deshalb erstens Aufklärung über die „Vaterlandsverteidigung"; zwei-tens, im Zusammenhang damit , Aufklärung über den „Defätismus" undschließlich Aufklärung übe r d ie einzig mögliche A rt u nd W eise, gegen denKrieg zu käm pfen, näm lich Aufrechterhaltung un d Bildung einer illegalenOrganisation zur 1 ang währenden Arbeit aller am Krieg teilneh-menden Revolutionäre gegen den Krieg — das alles muß in den Vorder-

grund gerückt werden.Boykott des Krieges ist eine dumme Phrase. Die Kommunisten müssen

in jeden beliebigen reaktion ären K rieg gehen.

Wünschenswert ist, an Beispielen etwa aus der deutschen Vorkriegs-literatur und insbesondere an Beispielen des Basler Kongresses von 1912ganz besonders konkret zu zeigen, daß die theoretische Anerkennungdessen, daß der Krieg ein Verbrechen, daß der Krieg für einen Sozialistenunzulässig ist usw., sich als leeres Gerede erweist, weil in einer solchenFragestellung nichts Konkretes enthalten ist. Wir geben den Massen

keinerlei wirklich lebendige Vorstellung davon, wie der Krieg herein-brechen kann und hereinbrechen wird. Die herrschende Presse aber, dietäglich in einer unermeßlichen Zahl von Exemplaren erscheint, vertuschtdiese Frage, verbreitet darüber solche Lügen, daß die schwache sozia-listische Presse dagegen völlig machtlos ist, um so mehr, als sie auch inFriedenszeiten in diesem P un kt grundfalsche A nsichten vertritt. Die kom -munistische Presse wird sich in der Mehrzahl der Länder wahrscheinlichebenfalls blamieren.

Ich denke, unsere Delegierten auf dem internationalen Kongreß der

Genossenschaftler und Trade-Unionisten sollen die Aufgaben unter sichteilen und alle die Sophismen, mit denen man den Krieg in der gegen-wärtigen Zeit zu rechtfertigen pflegt, in allen Details gründlich zer-pflücken.

Das Hauptmittel, die Massen in den Krieg hineinzuziehen, sind viel-leicht gerade die Sophismen, mit denen die bürgerliche Presse operiert,und der wichtigste Umstand, der unsere Machtlosigkeit gegenüber demKrieg erklärt, ist der, daß wir entweder diese Sophismen nicht von vorn-

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Bemerkungen zu den Aufgaben unserer Delegation im "Haag 435

herein zerpflücken oder, mehr noch, daß wir sie mit der billigen, prahle-

rischen und gänzlich hohlen Phrase abtun, wir würden den Krieg nichtzulassen, wir verstünden vollkommen den verbrecherischen Charakter desKrieges usw. im Geiste des Basler Manifests von 1912.

Mir scheint, wenn wir auf der Haager Konferenz einige Leute habenwerden, die fähig sind, in dieser oder jener Sprache eine Rede gegen denKrieg zu halten, so wird das allerwichtigste die Widerlegung der Meinungsein, als seien die Anwesenden Gegner des Krieges, als verstünden sie, wieder Krieg im allerunerwartetsten Augenblick über sie hereinbrechen kannund muß, als begriffen sie irgend etwas von der Art und Weise des

Kampfes gegen den Krieg, als wären sie irgendwie imstande, einen ver-nünftigen und zum Ziel führenden Weg im Kampf gegen den Krieg ein-zuschlagen.

Angesichts der unlängst mit dem Krieg gemachten Erfahrung müssenwir klarmachen, welch eine M asse sowohl von theoretischen als auch vonpraktischen Fragen am Tage nach der Kriegserklärung auftauchen wird,wobei der übergroßen Mehrzahl der zum Heeresdienst Einberufenen jedeMöglichkeit genommen sein wird, zu diesen Fragen mit halbwegs klaremKopf und mit halbwegs gewissenhafter Unvoreingenommenheit Stellung

zu nehmen.Ich glaube, daß man diese Frage mit ungewöhnlicher Ausführlichkeit

klarstellen muß, und zwar in doppelter Weise:Erstens in der Weise, daß man schildert und analysiert, was während

des vorigen Krieges gewesen ist, und allen Anwesenden erklärt, daß siedas nicht wissen oder daß sie so tun, als ob sie es wüßten, während sie inWirklichkeit die Augen vor dem verschließen, was den eigentlichen Kern-punkt der Frage bildet, ohne dessen Kenntnis von einem Kampf gegen denKrieg gar keine Rede sein kann. Zu diesem Punkt, glaube ich, ist eine

Untersuchung aller Schattierungen, aller Meinungen nötig, die damalsanläßlich des Krieges unter den russischen Sozialisten aufgetreten sind.Man muß beweisen, daß diese Schattierungen nicht zufällig aufgetreten,sondern durch die innerste Natur der modernen Kriege überhaupt insLeben gerufen worden sind. Man muß beweisen, daß ohne eine Analysedieser Meinungen und ohne eine Klarstellung der Art und Weise, wie sieunvermeidlich entstehen und wie sie für die Frage des Kampfes gegen denKrieg entscheidende Bedeutung haben — daß ohne eine solche Analyse

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436 Tf.J. Centn

von einer Vorbereitung auf den Krieg und sogar von einer bewußten

Stellungnahme zu ihm gar keine Rede sein k ann.Zw eitens m uß m an die gegenwärtigen Konflikte, un d seien es die aller -

geringfügigsten, als Beispiele nehmen und an Hand dieser Beispiele klar-machen, wie der Krieg jeden Tag ausbrechen kann wegen eines Streiteszwischen England und Frankreich um irgendeine Einzelheit des Vertragesmit der Türk ei oder zwischen Am erika und Japan wegen einer bedeutungs-losen Meinungsverschiedenheit über eine beliebige Frage im PazifischenRaum oder zwischen beliebigen Großmächten wegen kolonialer Streitig-keiten oder wegen Streitigkeiten über ihre ZoUpontik oder überhaupt

über ihre Handelspolitik usw. usf. Sollte sich der geringste Zweifel daranergeben, daß wir die Möglichkeit haben werden, im Haag unsere Redegegen den Krieg völlig frei und vollständig vorzutragen, so soll man sich,meine ich, eine Reihe von Kniffen ausdenken, um wenigstens die Haupt-sache zu sagen, und dann das, was man nicht bis zu Ende hat aussprechenkönnen, in einer Broschüre veröffentlichen. Man muß es darauf ankom-men lassen, daß der Vorsitzende die Rede unterbricht.

Ich denke, daß zu demselben Zweck zur Teilnahme an der Delegationaußer Rednern, die fähig und verpflichtet sind, eine Rede gegen den Krieg

im ganzen, d. h. mit Entwicklung aller Hau ptarg um ente und aller Be-dingungen für den Kampf gegen den Krieg, zu halten, noch Leute ein-geladen werden sollen, die alle drei wichtigen Fremdsprachen beherrschenund sich der Aufgabe widmen m üßten , mit den Delegierten G espräche zuführen und zu erfahren, inwieweit sie die Hauptargumente begriffenhaben und inwieweit die Notwendigkeit besteht, diese oder jene Argu-mente vorzubringen oder Beispiele heranzuziehen.

Vielleicht wird bei einer Reihe von Fragen nur die Heranziehung vonfaktischen Beispielen aus dem Gebiet des letzten Krieges geeignet sein,

eine ernstliche Wirkung zu erzielen. Vielleicht läßt sich bei einer Reihevon anderen Fragen nur durch Erläuterung der modernen Konfliktezwischen den Staaten und ihres Zusammenhangs mit einem möglichenbewaffneten Zusam me nstoß eine ernstliche W irku ng erzielen.

In der Frage des Kampfes gegen den Krieg gibt es, soweit ich micherinnere, eine ganze Anzahl von Erklärungen, die unsere kommu-nistischen Abg eordneten in den Parlamenten wie auch in Reden auße rhalbder Parlamente abgegeben haben und die ungeheuerlich falsche und

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Bemerkungen zu den Aufgaben unserer Delegation im Haag 43 7

ungeheuerlich leichtfertige Dinge über den Kampf gegen den Krieg ent-

halten. Idi denke, daß man gegen derartige Erklärungen, besonders wennsie bereits nach dem Kriege abgegeb en w orde n sind , mit aller Entschieden-heit auftreten und dabei rücksichtslos, den Namen eines jeden derartigenRedners nennen m uß. M an k ann sein Urteil über solch einen Redner nachBelieben mildern, besonders wenn das nötig ist, aber man darf keineneinzigen Fall dieser Art mit Stillschweigen übergehen, denn leichtfertigesVerhalten zu dieser Frage ist ein Übel, das schwerer wiegt als alles andereund dem gegenüber absolut keine Nachsicht geübt werden darf.

Es gibt eine Anzahl Beschlüsse von Arbeiterkongressen, die unverzeih-

lich dumm un d leichtfertig sind.M an m uß unverzüglich alle zugänglichen M aterialien sammeln und so-

wohl alle einzelnen Teile und Teilchen des Themas als auch die ganze„Strategie" auf dem Kongreß eingehend erörtern.

Unserseits darf bei einer solchen Frage nicht nur ein Fehler, sondernauch eine wesentliche Unvollständigkeit nicht geduldet werden.

4. XII. 1922

Zuerst veröftentlidht , 7<!aä> einem von "W. 1 Leninam 26. April 1924 korrigierten und unterzeidb-in der „Pratvda" 5Vr. 96. neten masdbinegesdhriebenenUnterschrift: Lenin. Exem plar.

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E IN IG E W ORT E OBER N. J. FEDOSSEJEW 1«*

Meine Erinnerungen an Nikolai Jewgrafowitsch Fedossejew beziehensidi auf den Beginn der neunziger Jahre. Für ihre Genauigkeit kann ichmich nicht verbürgen.

Damals lebte ich in der Provinz, nämlich in Kasan und Samara. Ichhörte von Fedossejew während meines Aufenthalts in Kasan, bin ihmaber nicht persönlich begegnet. Im Frühjahr 1889 siedelte ich in das G ou-vernement Samara übe r, wo ich gegen Ende des Sommers 1889 von derVerhaftung Fedossejews und anderer Mitglieder Kasaner Zirkel hörte —

unter anderem auch des Zirkels, an dem ich teilgenommen hatte. Ichglaube, auch ich hätte leicht verhaftet werden können, wenn ich diesenSommer in Kasan geblieben wäre. Bald danach begann sich der Marxis-mus als Richtung auszubreiten und in die sozialdemokratische Richtungeinzumünden, die von der Gruppe „Befreiung der Arbeit" in Westeuropaschon bedeutend früher verkündet worden war.

N . J. Fedossejew war einer der ersten, die ihre Zugehörigkeit zur mar-xistischen Richtung erklärten. Ich erinnere mich, daß aus diesem Grundeseine Polemik gegen N . K. Michailowski begann, der ihm auf einen seiner

illegalen Briefe im „Russkoje Bogatstwo" [Russischer Reichtum] antwor-tete. Aus diesem Anlaß begann mein Briefwechsel mit N . J. Fedossejew.Ich erinnere mich, daß als Vermittlerin Hopfenhaus zwischen uns tätigwar, mit der ich einmal zusammenkam, als ich erfolglos versuchte, michin Wladimir mit Fedossejew zu treffen. Ich fuhr dorthin in der Hoffnung,daß es ihm gelingen werde, aus dem Gefängnis herauszukommen, aberdiese Hoffnung erfüllte sich nicht109

Später wurde Fedossejew gleichzeitig mit mir nach Ostsibirien verbannt

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Einige Worte über JV. J. Jedossejew 439

und m achte in Sibirien seinem L eben durch Selbstmo rd ein Ende, verm ut-

lich infolge schwerer persönlicher Erlebnisse, die mit besonders ungün-stigen Lebensverhältnissen zusammenhingen.

Soweit ich mich erinnere, betraf mein Briefwechsel mit FedossejewFragen der m arxistischen oder sozialdemokratischen W eltanschauung, diedamals aufgetaucht waren. Besonders ist mir im Gedächtnis geblieben,daß sich Fedossejew bei allen, die ihn kannten, ungewöhnlicher Sympathieerfreute als der Typus eines Revolutionärs der alten Zeit , der seinerSache ganz ergeben war und vielleicht seine Lage durch diese oder jeneErklärungen oder durch unvorsichtige Schritte gegenüber den Gendarmen

verschlechterte.Es ist möglich, daß ich irgendwo etwas von den Briefen oder Manu-

skripten Fedossejews aufbewahrt habe, aber ob sie erhalten gebliebensind und ob man sie auffinden kann — darüber kann ich nichts Bestimm-tes sagen.

Jedenfalls hat Fedossejew zu jener Zeit im Wolgagebiet und in einigenGegenden Zentralrußlands eine außerordentlich große Rolle gespielt , undviele haben damals bei ihrer Wendung zum Marxismus zweifellos untereinem sehr, sehr starken Einfluß dieses ungewöhnlich begabten und sei-

ner Sache ungewöhnlich ergebenen Revolutionärs g estanden.

6. XII. 1922

Veröffentlicht i923 in dem "Buch Nad) dem Jext des."Nikolai Jeiografowüsdb 7edossejeu>. Sammelbandes.Ein Pionier des revolutionärenMarxismus in R ußland (Sammelband vonErinnerungen)", Moskau-Petrograd.Ilntersdirift: Cent n.

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AN DEN GESAMTUKRAINISCHENS O W JE T K O N G R E S S " «

10. XII. 1922

Ich begrüße die Eröffnung des Gesamtukrainischen Sowjetkongresses.Eine der wichtigsten Fragen, die der Kongreß zu erörtern hat, ist der

Zusammenschluß der Republiken. Von der richtigen Lösung dieser Fragehängt die weitere Organ isation unseres Staatsapparats ab , dessen himm el-schreiende Mängel durch die letzte in Moskau, Petrograd und Charkowdurchgeführte Zählung der Sowjetangestellten so drastisch und anschau-lich aufgedeckt wurden.

Die zweite Frage, welcher der Kongreß seine besondere Aufmerksam-keit schenken muß, ist die Frage unserer Schwerindustrie. Die Produk-tivität des Donezbeckens, der Erdölindustrie und des Hüttenwesens aufdas Vorkriegsniveau zu hebe n — das ist die grundlegende Au fgabeunserer gesamten Wirtschaft, auf deren Lösung alle unsere Bemühungengerichtet werden müssen.

Ich gebe meiner festen Zuversicht Ausdruck, daß der Kongreß den rich-tigen Weg zur Lösung dieser Aufgaben finden wird, und wünsche ihmvon ganzem H erz en vollen Erfolg.

Lenin

.Komm unist" (Charkow) 7ir. 285, Nadj dem Text des „Kommunist",12. Dezember 1922. verglidben mit einer masdbine-

gesdhriebenen Kopie.

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Ü B E R D A S A U S S E N H A N D E L S M O N O P O L " !

An Genossen Stalin für die Plenartagung des ZK

Ich halte es für das wichtigste, den Brief des Gen. Budiarin zu zerglie-dern. Im ersten Punkt sagt er, daß „weder bei Lenin noch bei Krassin auchnur eine Silbe über die zahllosen Verluste gesagt wird, die der Wirtschaftdes Landes dadurch entstehen, daß das Volkskommissariat für Außen-handel arbeitsunfähig ist, was sich aus seiner prinzipiellen' Strukturergibt, auch nur ein Wort über die Verluste, die dadurch entstehen,daß wir selbst nicht imstande sind (und aus durchaus verständlichenGründen lange Zeit nicht imstande sein w erden), den bäuerlichen W aren-fonds zu mobilisieren und ihn dem internationalen Warenverkehr zuzu-führen".

Diese Behauptung ist direkt falsch, denn bei Krassin wird imParagraph II klar und deutlich von der Gründung gemischter Gesellschaf-ten gesprochen, die ein Mittel darstellen, um erstens den bäuerlichenWarenfonds zu mobilisieren und zweitens von dem durch diese Mobili-sierung erzielten Gewinn nicht weniger als die Hälfte in unsere Staats-kasse fließen zu lassen. Somit umgeht das Wesen der Frage also geradeBudiarin, der nicht sehen will, daß „die Mobilisierung des bäuerlichen

Warenfonds" die Einnahmen vollständig und ausschließlich den NÖP-Leuten in die Hände spielen wird. Die Frage ist die, ob unser Volks-kommissariat für Außenhandel zum Nutzen der NÖP-Leute arbeitenwird oder ob es zum Nutzen des proletarischen Staates arbeiten wird.Das ist eine so grundlegende Frage, daß man sich darüber unbedingt aufdem Parteitag auseinandersetzen kann und muß.

Die Arbeitsunfähigkeit des Volkskommissariats für Außenhandel ist im

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442 W.l Lenin

Vergleich zu dieser ersten, grundlegenden, prinzipiellen Frage eine völlig

untergeordnete Frage, denn diese Arbeitsunfähigkeit ist weder größernoch kleiner als die Arbeitsunfähigkeit aller unserer Volkskommissariate,die von deren allgemeiner sozialer Struktur abhängt und von uns langeJahre hartnäckiger Arbeit zur Hebung der Bildung und des Niveaus über-haupt erfordert.

Im zweiten Punkt seiner Thesen erklärt Bucharin, daß „solche Punkte,wie zum Beispiel Paragraph 5 der Thesen Krassins, voll und ganz auch aufdie Konzessionen schlechthin anwendbar sind". Das ist wiederum einehimmelschreiende U nw ahrheit, denn die 5. These K rassins besagt, daß

„im Dorf der übelste Ausbeuter, Aufkäufer, Spekulant, Agent des Aus-landskapitals, der mit dem Dollar, dem Pfund, der schwedischen Kronemanipuliert, künstlich eingeführt wird" . Nichts dergleichen ergibt sich beiden Konzessionsverträgen, in denen wir nicht nur ein bestimmtes Terri-torium vorsehen, sondern auch eine besondere Erlaubnis für den H andelmit gewissen G ütern , und überdies, was das wichtigste ist, den Handel mitdiesen oder jenen Gütern, die in Konzession gegeben w erden, in unsererHand behalten. Ohne auch nur mit einem Wo rt auf die Argumente Kras-sins zu antworten, daß wir den freien H andel nicht in dem Rahmen halten

können, den der Beschluß der Plenartagung vom 6. X. vorsieht, daß m anuns den H andel kraft des Drucks nicht nu r der Schmuggler, sondern dergesamten Bauernschaft aus der Hand reißen wird, ohne auf dieses grund-legende ökonomische und klassenmäßige Argument auch nur mit einerSilbe einzugehen, bringt Bucharin gegen Krassin Beschuldigungen vor, diedurch ihre Haltlosigkeit in Erstaunen versetzen.

Im dritten Punkt seines Briefes schreibt Bucharin: „Paragraph 3 vonKrassin". (Aus Versehen nennt er Paragraph 3 statt 4.) „Unsere Grenzeist intakt", und er fragt: „Was heißt das? Das heißt real, daß nichts getan

wird. Das ist genauso wie ein Warenhaus mit einem schönen Aushänge-schild, in dem es nichts gibt (Hauptsperrsystem)." Krassin sagt völligeindeutig, daß unsere Grenze nicht so sehr dank dem Zoll- oder Grenz-schutz intakt ist als vielmehr dank dem Bestehen des Außenhandels-monopols. Auf diese klare, direkte und unbestreitbare Tatsache kannBucharin nicht ein einziges W ort erwidern und tu t es auch nicht. Der Aus-druck „Hauptsperrsystem" gehört zu jener Kategorie von Ausdrücken,auf die Marx seinerzeit mit dem Ausdruck „Freihändler vulgaris" geant-

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'über das Außenhandelsmonopol 443

wortet hat, denn hier gibt es nichts außer einer ganz vulgären freihänd-

lerischen Phrase.Weiterhin beschuldigt Bucharin im vierten Punkt Krassin, er sehe nicht,

daß wir unsere Zollpolitik vervollkommnen müßten, und im gleichenAtemzug beschuldigt er mich, ich sei im Irrtum, wenn ich von Aufsehernim ganzen Land spreche, während es sich in Wirklichkeit lediglich um dieGrenzstellen für die Einfuhr und Ausfuhr handle. Auch hier verblüffendie Einwände Bucharins durch ihre Leichtfertigkeit und gehen am Zielvorbei, denn Krassin sieht nicht nur, daß unsere Zollpolitik vervollkomm-net werden m uß , er erkennt das nicht nur voll und ganz an, sondern w eist

auch mit einer Genauigkeit darauf hin, die nicht die Spur eines Zweifelsläßt. Diese Vervollkommnung besteht nämlich darin, daß wir erstens dasSystem des Außenhandelsmonopols und zweitens das System der Grün-dung gemischter Gesellschaften eingeführt haben.

Bucharin sieht nicht — das ist sein verblüffendster un d dabei rein theore -tischer Fehler —, daß in der Epoche des Imperialismus und des ungeheuer-lichen Unterschieds zwischen den armen und den unglaublich reichen Län-dern keinerlei Zollpolitik wirksam sein kann. Bucharin beruft sich einigeMale auf den Zollschutz, ohne zu sehen, daß ein beliebiges reiches

Industrieland unter den erwähnten Bedingungen diesen Schutz völlig zu-nichte machen kann. Es braucht dazu nur eine Ausfuhrprämie für die Ein-fuhr solcher W ar en nach Ruß land festzusetzen, die bei uns mit einer Zoll-prämie belegt sind. Dafür steht jedem beliebigen Industrieland mehr alsgenug Geld zur Verfügung, und durch eine solche Maßnahme wird jedesbeliebige Industrieland unsere einheimische Industrie ganz bestimmt zu-grunde richten.

Darum bedeuten alle Erörterungen Bucharins über die Zollpolitik inder Praxis nichts anderes als die völlige Schutzlosigkeit der russischen

Industrie und den nur ganz leicht verschleierten Übergang zum Systemdes Freihandels. Dagegen müssen wir mit allen Kräften kämpfen, undzwar bis zum Parteitag kämpfen, denn es kann jetzt, in der Epoche desImperialismus, von keiner anderen ernsthaften Zollpolitik auch nur dieRede sein als vom System des Außen handelsmo nopols.

Die von Bucharin (im fünften Punkt) erhobene Beschuldigung, daßKrassin die große Wichtigkeit einer verstärkten Zirkulation nicht verstehe,wird völlig durch das entkräftet, was Krassin über die gemischten Gesell-

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Tiber das Außenhandelsmonopol ' 445

bringt, was das Eindringen von kleinbürgerlichen Elementen und allen

möglichen Agenten des Emigranten-Rußlands betrifft, ohne daß wir diekleinste Möglichkeit der Kontrolle haben.Sich der gemischten Gesellschaften bedienen, um ernsthaft und aus-

dauernd zu lernen — das ist der einzige Weg zur Wiederherstellungunserer Industrie.

13. XII. 1922 £enin

Zuerst vollständig veröffentlidht 1930 7elefonisd> diktiert,in der Zeitschrift „Proletarskaja ^adj einer mas<^ in e.

Kewoluzija JVr. 2-3 (97-98). geschriebenen Xopie.

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446

BRIEF AN DIE MITGLIEDERDES ZK BETREFFS DER MÖGLICHKEIT,

AUF DEM X. GESAMTRUSSISCHENS O W J ETK O N G R ES S ZU S P R EC H EN » *

Idi habe jetzt meine Angelegenheiten endgültig erledigt und kann ruhigwegfahren. Es ist nur ein Umstand geblieben, der midi außerordentlidistark beunruh igt — die Unmöglidikeit, auf dem Sowjetkongreß zuspredien. Am Dienstag werden m idi die Ärzte besudien, und w ir werdenberaten, ob wenigstens eine kleine Chance dafür besteht. Auf die Redeverziditen zu müssen empfände idi als sehr unangenehm, um kein stär-keres Wort zu gebraudien. Das Konzept der Rede habe idi bereits voreinigen Tagen gesdirieben. Idi sdilage daher vor, ohne die Vorbereitungendafür einzustellen, daß ein anderer an meiner Stelle spridit, bis Mittwodi

die Möglidikeit offenzulassen, daß idi selber auftreten werde, vielleiditmit einer Rede, die wesentlidi kürzer ist als sonst, beispielsweise von etwadreiviertel Stunde Dauer. Eine soldie Rede wird die Rede meines Stell-vertreters keineswegs stören (ganz gleidi, wen Sie damit beauftragen),aber sie wird, denke idi, sowohl politisdi als audi im persönlidien Sinnenützlich sein, denn sie wird einen Anlaß zu großer Beunruhigung be-seitigen. Idi bitte, das zu beaditen und midi, wenn sidi die Eröffnung desKongresses nodi hinziehen sollte, über meinen Sekretär red itzeitig zu be-nadiriditigen.

t5 . XII. 1922 Cenin

Zuerst veröftentlidbt i930. Jelefonisdh diktiert.

Tiadb einer masdbine-gesdbriebenen Xopie.

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448 W. 1 Lenin

Zeiten (1897) ein allzu langsamer ist. Das ist eine strenge W arnung und

ein ernster Vorwurf an die Adresse derjenigen, die in Träumereien vonder „proletarischen Kultur" geschwelgt haben und bis jetzt schwelgen. Daszeigt, wieviel dringende Kleinarbeit wir noch zu leisten haben, um dasNiveau eines gewöhnlichen zivilisierten westeuropäischen Staates zuerreichen. Das zeigt ferner, welche Unmenge von Arbeit uns jetzt bevor-steht, damit wir auf dem Boden unserer proletarischen Errungenschaftentatsächlich ein einigermaßen hohes Kulturniveau erreichen.

W ir dürfen uns auf diese unbestreitbare, aber allzu theoretische Thesenicht beschränken. Wir müssen bei der nächsten Überprüfung unseres

Vierteljahrbudgets die Arbeit auch praktisch in Angriff nehmen. Natür-lich müssen in erster Linie die Ausgaben nicht etwa des Volkskommissa-riats für Bildungswesen, sondern anderer Ressorts gekürzt werden, damitdie frei werdenden Summen für die Bedürfnisse des Volkskommissariatsfür Bildungswesen verwendet werden können. Wir sollten in einem Jahrwie dem jetzigen, wo wir mit Getreide verhältnismäßig leidlich versorgtsind, bei der Erhöhung der Brotzuteilung an die Lehrerschaft nicht knau-sern.

Die Arbeit, die jetzt auf dem Gebiet der Volksbildung geleistet wird,

kann, allgemein gesprochen, nicht als allzu engbegrenzt bezeichnet wer-den. Es wird gar nicht so wenig getan, um die alte Lehrerschaft auf-zurütteln, sie an die neuen Aufgaben heranzuführen, sie für die neuenGesichtspunkte der Pädagogik zu interessieren, ihr Interesse an solchenFragen wie der Frage der Religion zu w ecken.

Das Wichtigste aber tun wir nicht. Wir sorgen nicht oder sorgen beiweitem nicht genug dafür, daß der Volksschullehrer auf die Höhe ge-hoben wird, ohne die von irgendwelcher Kultur gar keine Rede seinkann: weder von proletarischer noch sogar von bürgerlicher Kultur. Es

muß die Rede sein von der halbasiatischen Kulturlosigkeit, aus der wirbisher nicht herausgekommen sind und aus der w ir ohne ernste Anstren-gungen nicht herauskommen können, obwohl wir die Möglichkeit dazuhaben, denn die Volksmassen sind nirgends so an wahrer Kultur inter-essiert wie bei uns; nirgends werden die Fragen dieser Kultur so tief-schürfend und so folgerichtig gestellt wie bei uns; nirgends, in keinemanderen Lande, liegt die Staatsmacht in den Händen der Arbeiterklasse,die in ihrer Masse die Unzulänglichkeiten ihrer , ich will nicht sagen, Kul-

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Jagebud/blätter 449

tur, aber ihrer Elementarbildung ausgezeichnet begreift; nirgends ist sie

bereit, zur Verbesserung ihrer Lage in dieser Hinsicht solche Opfer zubringen und bringt sie solche Opfer wie bei uns.

Bei uns wird noch viel zuwenig, unermeßlich wenig getan, um unserenganzen Staatshaushalt in der Richtung umzustellen, daß vor allem denBedürfnissen der elementaren Volksbildung Rechnung getragen wird.Selbst im Volkskommissariat für Bildungswesen kann man auf Schritt undTritt übermäßig aufgeblähte Stellenpläne irgendeines Staatsverlages fin-den, ohne jede Rücksicht darauf, daß der Staat sich in erster Linie nichtum das Verlagswesen kümmern soll, sondern darum, daß es des Lesens

Kundige gibt und daß die Zahl der Menschen, die lesen können, stetiggrößer wird, damit das Verlagswesen im künftigen Rußland zu größererpolitischer Wirksamkeit gelange. Wir widmen, nach alter (schlechter) Ge-wohnheit, technischen Fragen wie dem Verlagswesen immer noch vielmehr Zeit und Kraft als der allgemein-politischen Frage der Volksbil-dung.

Nimmt man die Hauptverwaltung für Berufsausbildung, so kann manauch hier, davon sind wir überzeugt, sehr viel überflüssiges finden, dasdurch Ressortinteressen aufgebauscht ist und den Anforderungen einer

umfassenden Volksbildung nicht entspricht. Bei weitem nicht alles läßtsich in der Hauptverwaltung für Berufsausbildung durch den berechtigtenWunsch rechtfertigen, zunächst die Ausbildung unserer Jugend in denFabriken und Werken zu heben und sie in eine praktische Richtung zulenken. Wollte man die Stellenpläne der Hauptverwaltung für Berufs-ausbildung aufmerksam durchsehen, so würde sich herausstellen, daß vondiesem Standpunkt aus vieles, sehr vieles aufgebauscht und fiktiv ist undabgeschafft werden muß. Im proletarisch-bäuerlichen Staat kann und mußman noch sehr, sehr viel einsparen, um die elementare Volksbildung aus-

zubauen, indem man alle möglichen Institutionen schließt, die entwederzur Hälfte vornehme Spielereien sind oder Einrichtungen darstellen, ohnedie wir bei dem Stand der elementaren Volksbildung, den uns die Statistikanzeigt, noch auskommen können, noch lange auskommen können undauskommen müssen.

Der Volksschullehrer muß bei uns so hoch gestellt werden, wie er inder bürgerlichen Gesellschaft nie gestanden hat, nicht steht und nichtstehen kann. D as ist eine Wahrheit, die keiner Beweise bedarf. Zu diesem

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450 W.l Lenin

Stand der Dinge müssen wir kommen durch systematische, unablässige,

zähe Arbeit, um sowohl sein geistiges Niveau zu heben als auch ihn all-seitig auf seine wahrhaft hohe Berufung vorzubereiten und — vor allemund hauptsächlich — seine materielle Lage zu verbessern.

Es gilt, die Arbeit zur Organisierung der Volksschullehrer systematischzu verstärken, um sie aus einer Stütze der bürgerlichen Ordnung, die siebis jetzt in ausnahmslos allen kapitalistischen Ländern sind, zu einerStütze der Sowjetordnung zu machen, um durch sie die Bauernschaft vomBündnis mit der Bourgeoisie abzubringen und sie für das Bündnis mit demProletariat zu gewinnen.

In Kürze sei hervorgehoben, daß hierbei systematische Fahrten insDorf, die übrigens bei uns schon durchgeführt werden und die man p lan-mäßig weiterentwickeln soll, eine besondere Rolle spielen müssen. Fürsolche Maßnahmen wie diese Fahrten ist es nicht schade, Geld zu geben,das wir oft genug für einen noch fast gänzlich der alten Geschichtsepocheangehörenden Staatsapparat zum Fenster hinauswerfen.

Ich hatte zu einer Rede auf dem Sowjetkongreß im Dezember 1922,die ich dann nicht halten konnte, M aterial über die Patenschaft von städ-tischen A rbeitern über die Landbevölkerung gesammelt. Einiges M aterial

hierzu hat mir Gen. Chodorowski verschafft, und ich stelle jetzt den Ge-nossen anheim, dieses Them a auszuarbeiten, da ich selbst nicht dazu kam,es auszuarbeiten und durch den Sowjetkongreß der Öffentlichkeit zuunterbreiten.

Die grundlegende politische Frage ist hier das Verhältnis zwischenStadt und Land, eine Frage, die für unsere ganze Revolution entscheidendeBedeutung hat. W ährend der bürgerliche Staat systematisch alle A nstren-gungen darauf richtet, die städtischen Arbeiter zu verdummen, und die-sem Zweck die gesamte auf Kosten des Staates, auf Kosten der zaristi-

schen und der bürgerlichen Parteien erscheinende Literatur anpaßt, kön-nen und müssen wir unsere Macht dazu benutzen, aus dem städtischenArbeiter wirklich einen Vermittler der kommunistischen Ideen unter demLandproletariat zu machen.

Ich sagte „kommunistische" und beeile mich, einen Vorbehalt zumachen, da ich fürchte, ein Mißverständnis hervorzurufen oder allzubuchstäblich verstanden zu werden. Das darf auf keinen Fall so aufgefaßtwerden, als sollten wir sofort rein kommunistische Ideen im engsten Sinne

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Jagebuäiblätter 451

des Wortes ins Dorf tragen. Solange bei uns auf dem flachen Lande die

materielle Grundlage für den Komm unismus nidrt gegeben ist, wü rde dasfür den Kommunismus, man kann sagen, schädlich sein, würde das, mankann sagen, verhängnisvoll sein.

Nein. Man muß damit anfangen, den Verkehr zwischen Stadt undLand herzustellen, un d darf sich nicht von vornhe rein das Z iel setzen, denKommunismus ins Dorf zu verpflanzen. Ein solches Ziel kann gegenwär-tig nicht erreicht werden. Ein solches Ziel ist nicht zeitgemäß. Sich diesesZiel setzen hieße der Sache Schaden statt N utz en bringen.

Aber den Verkehr zwischen den Arbeitern der Stadt und den Werk-

tätigen des flachen Land es herz ustelle n, jene Form der Kam eradschaft-lichkeit zwischen ihnen zu schaffen, die sich leicht erreichen läßt — das istunsere Pflicht, das ist eine der Hauptaufgaben der Arbeiterklasse, die ander Macht steht. Zu diesem Zweck ist es notwendig, eine Reihe von Ver-einigungen (der Partei, der Gewerkschaften oder spezieller Art) der Be-triebsarbeiter zu grün den, die sich systematisch das Ziel setzen, dem Dorfbei seiner kulturellen Entwicklung zu helfen.

W ird es gelingen, alle Stadtzellen auf alle Dorfzellen „aufzuteilen ",dam it jede Arbe iterzelle, die einer entsprechenden Ze lle im Dorf „zu-

geteilt" ist, bei jeder Gelegenheit, in jedem Fall systematisch dafür sorgt,da ß dieses oder jenes kulturelle Bedürfnis ih rer Patenzelle befriedigt wi rd?Oder wird es gelingen, andere Formen der Verbindung ausfindig zumachen? Ich beschränke mich hier darauf, die Frage lediglich aufzuwer-fen, um die Aufmerksamkeit der Genossen darauf zu lenken, um auf dieErfahrung Westsibiriens hinzuweisen (auf diese Erfahrung hat midi Gen.Chodorowski aufmerksam gemacht) und um diese gigantische kulturelleAufgabe von welthistorischer Bedeutung in ihrem ganzen Umfang deut-lich zu machen.

Abgesehen von unserem offiziellen Staatshaushalt oder unseren offi-ziellen Beziehungen tun wir für das Dorf so gut wie nichts. Allerdingsnehm en die kulturellen Beziehungen zwischen Stadt und Land bei uns vonselbst, und zwar unvermeidlich, einen anderen Charakter an. Unter demKapitalismus gab die Stadt dem Dorf das, was das Dorf politisch, wirt-schaftlich, moralisch, physisch usw. demoralisierte. Bei uns beginnt dieStadt von selbst, dem Dorf das gerade Gegenteil davon zu geben. Ab er dasalles geht eben von selbst, spontan vor sich, und das alles kann verstärkt

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452 'W.J.Lenin

(und sodann hundertfach vermehrt) werden, wenn man in diese Arbeit

Bewußtheit, Planmäßigkeit und Systematik h ineinträgt.Wir werden erst dann vorwärtszuschreiten beginnen (und werden dann

bestimmt hundertmal schneller vorwärtskommen), wenn wir diese Fragestudieren und wenn wir alle möglichen Arbeitervereinigungen gründen— dabei aber mit allen Mitteln ihre Verbürokratisierung verhindern —,um diese Frage aufzurollen, zu behandeln und sie praktisch zu lösen.

2. Januar 1923

."Pravoda" 3Vr. 2, Nadb dem 7ext der „Prawda",4. Januar 1923. verglichen mit der stenogra-Vntersdhrift:N.Lenin. fischen Niederschrift.

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453

Ü BE R D A S G E N O S S E N S C H A F T S W E S E N

I

Dem Genossenschaftswesen wird bei uns, wie mir scheint, nicht ge-nügend Aufmerksamkeit geschenkt. Wohl kaum alle begreifen, daß dasGenossenschaftswesen jetzt, seit der Oktoberrevolution und unabhängigvon der NÖP (umgekehrt, in dieser Beziehung muß man sagen: geradedank der N Ö P) , bei uns eine ganz außerordentliche Bedeutung gewinnt.In den Träumereien der alten Genossenschaftler ist vieles phantastisch. Sie

wirken wegen ihrer Phantasterei oft lächerlich. Aber worin besteht ihrePhantasterei? Darin, daß diese Leute die wesentliche, grundlegende Be-deutung des politischen Kampfes der Arbeiterklasse zum Sturz der Aus-beuterherrschaft nicht verstehen. Dieser Sturz ist bei uns jetzt Tatsachegeworden, und nun wird vieles von dem, was an den Träumereien deralten Genossenschaftler phantastisch, sogar romantisch, ja abgeschmacktwar, zur ungeschminkten Wirklichkeit.

Bei uns ist wirklich, da die Staatsmacht in den Händen der Arbeiter-klasse liegt, da alle Produktionsmittel dieser Staatsmacht gehören — bei

uns ist wirklich nur die Aufgabe übriggeblieben, die Bevölkerung genos-senschaftlich zusammenzuschließen. Unter der Voraussetzung des maxi-malen genossenschaftlichen Zusammenschlusses der Bevölkerung erreichtjener Sozialismus, der früher berechtigten Spott, mitleidiges Lächeln, ge-ringschätziges Verhalten seitens derjenigen hervorrief, die mit Recht vonder Notwendigkeit des Klassenkampfes, des Kampfes um die politischeMacht usw. überzeugt waren, von selbst das Ziel. Nun geben sich abernicht alle Genossen Rechenschaft darüber, welche gigantische, unermeß-

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454 W.1 Lenin

liehe Bedeutung der genossenschaftliche Zusammenschluß Rußlands jetzt

für uns gewinnt. Mit der NÖP haben wir dem Bauern als Händler, demPrinzip des privaten Handels ein Zugeständnis gemacht; gerade darausfolgt (entgegen der landläufigen Meinung) die gigantische Bedeutung desGenossenschaftswesens. Unter der Herrschaft der NÖP ist ein genügendbreiter und tiefer genossenschaftlicher Zusammenschluß der russischenBevölkerung im Grunde genommen alles, was wir brauchen, weil wir jetztjenen Grad der Vereinigung der Privatinteressen, der privaten Handels-interessen, ihrer Überwachung und Kontrolle durch den Staat, den G radihrer Unterordnung unter die allgemeinen Interessen gefunden haben, der

früher für viele, viele Sozialisten einen Stein des Anstoßes bildete. In derTat, die Verfügungsgewalt des Staates über alle großen Produktions-mittel, die Staatsmacht in den Händen des Proletariats, das Bündnis diesesProletariats mit den vielen Millionen Klein- und Zw ergbauern, die Siche-rung der Führerstellung dieses Proletariats gegenüber der Bauernschaftusw. — ist das nicht alles, was notwendig ist, um aus den Genossenschaf-ten, allein aus den Genossenschaften, die wir früher geringschätzig alskrämerhaft behandelt haben und die wir in gewisser Hinsicht jetzt, unterder NÖP, ebenso zu behandeln berechtigt sind, ist das nicht alles, was

notwendig ist, um die vollendete sozialistische Gesellschaft zu errichten?Das ist noch nicht die Errichtung der sozialistischen Gesellschaft, aber esist alles, was zu dieser Errichtung notwendig und hinreichend ist.

Eben dieser Umstand wird von vielen unserer Praktiker unterschätzt.Man blickt bei uns auf die Genossenschaften von oben herab und begreiftnicht, welche außerordentliche Bedeutung diese Genossenschaften haben,erstens von der prinzipiellen Seite her gesehen (das Eigentum an denProduktionsmitteln in den H änden des Staates), zweitens un ter dem G e-sichtspunkt des Übergangs zu neuen Zuständen auf einem Wege, der

möglichst einfad), leidht und zugänglich für den Bauern ist.Und das ist ja doch wiederum die Hauptsache. Es ist eine Sache, über

alle möglichen Arbeitervereinigungen zum Aufbau des Sozialismus zuphantasieren, und eine andere Sache, diesen Sozialismus praktisch so auf-bauen zu lernen, daß jeder Kleinbauer an diesem Aufbau teilnehmen kann .Gerade diese Stufe haben wir jetzt erreicht Und es steht außer Zweifel,daß wir, nachdem wir diese Stufe erreicht haben, sie uns viel zuwenigzunutze machen.

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"Über das Qenossensdbaftswesen 455

Wir haben beim Obergang zur NÖ'P den Bogen überspannt, nicht in

der Beziehung, daß wir dem Prinzip der Gewerbe- und Handelsfreiheitzuviel Platz eingeräumt hätten, sondern wir haben beim Übergang zurNÖP den Bogen in der Beziehung überspannt, daß wir vergessen haben,an die Genossenschaften zu denken, daß wir jetzt die Genossenschaftenunterschätzen, daß wir schon begonnen haben , die riesige Bedeutung derGenossenschaften in dem oben angedeuteten zweifachen Sinn dieser Be-deutung zu vergessen.

Ich habe die Absicht, mich nun m it dem Leser darüber zu unterhalten,was man, von diesem „ Genossenschafts "prinz ip ausgehend, praktisch so-

fort tun kann und muß. Mit welchen Mitteln kann und muß man sofortbeginnen, dieses „Genossenschafts"prinzip so zu entwickeln, daß seinesozialistische Bedeutung allen und jedem einleuchtet?

Man muß für die Genossenschaften eine solche politische Lage schaffen,daß nicht nur die Genossenschaften überhaupt und immer eine gewisseVergünstigung genießen, sondern daß diese Vergünstigung rein materiel-ler Natur ist (Höhe der Bankzinsen usw.). Man muß den Genossenschaf-

ten aus staatlichen Mitteln Darlehen geben, die, wenn auch nur um eingeringes, die Mittel übersteigen, die wir den Privatbetrieben, selbst den

Betrieben der Schwerindustrie usw., als Darlehen gewähren.Jede G esellschaftsordnung entsteht nur, wenn sie durch eine bestimmte

Klasse finanziell unterstützt wird. Man braucht nicht an jene Hunderteund aber Hunderte Millionen Rubel zn erinnern, die die Geburt des„freien" Kapitalismus kostete. Jetzt müssen wir erkennen, daß gegen-wärtig diejenige Gesellschaftsordnung, die wir über das gewöhnliche Maßhinaus unterstützen müssen, die genossenschaftliche Ordnung ist, unddiese Erkenntnis in die Tat umsetzen. Aber unterstützen müssen wir sieim wahren Sinne dieses Wortes , d. h., es genügt nicht, unter dieser U nter-

stützung die Förderung eines beliebigen genossenschaftlichen Umsatzeszu verstehen, unter dieser Unterstützung muß man die Unterstützungeines solchen genossenschaftlichen Umsatzes verstehen, an dem wirklicheMassen der "Bevölkerung wirklich teilnehmen. Dem Bauern, der sich amGencssensdhaftsumsatz beteiligt, eine Prämie zu gewähren, das ist un-bedingt eine richtige Form, doch gilt es hierbei, diese Beteiligung zu kon-trollieren und zu prüfen, ob es eine bewußte und qualitativ einwandfreieBeteiligung ist — das ist der Kernpunkt der Frage. Wenn der Genossen-

30 Lenin, Werke, Bd. 33

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Tiber das Qenossensdjaftswesen 457

genügt. Das mögen sich die russischen M enschen oder einfach die Bauern

hinter die Ohren schreiben, die meinen: Wenn einer Handel treibt, dannversteht er auch Händler zu sein. Das ist ganz falsch. Wohl treibt er H an-del, aber von da bis zu der Fähigkeit, ein Händler zu sein, der Kultur-ansprüchen genügt, ist es noch sehr weit. Er treibt heute Handel aufasiatische Manier; um aber zu verstehen, ein Händler zu sein, muß manauf europäische Manier Handel treiben. Davon trennt ihn eine ganzeEpoche.

Ich komme zum Schluß. Eine Reihe von ökonomischen, finanziellen undBankprivilegien für die Genossenschaften — darin muß die U nterstützung

bestehen, die unser sozialistischer Staat dem neuen Prinzip der Organisie-rung der Bevölkerung erweist. Damit ist jedoch die Aufgabe erst in all-gemeinen Zügen umrissen, weil der ganze Inhalt der Aufgabe praktischnoch unbestimmt bleibt, noch nicht im Detail geschildert ist, d. h., manmuß verstehen, jene Form der „Prämien" (und jene Bedingungen für ihreGewährung) ausfindig zu machen, die wir für den genossenschaftlichenZusammenschluß geben, jene Form der Prämien, durch die wir die Ge-nossenschaften genügend fördern, jene Form der Prämien, durch die wirzu einem zivilisierten Genossenschaftler gelangen. Aber ein System zivili-

sierter Genossenschaftler bei gesellschaftlichem Eigentum an den Produk-tionsmitteln, beim Klassensieg des Proletariats über die Bourgeoisie — dasist das System des Sozialismus.

4. Januar 1923

30»

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458 . WJ. Centn

II

Immer, wenn ich über die Neue ökonomische Politik schrieb, zitierteich meinen Artikel über den Staatskapitalismus aus dem Jahre 1918.11 3

Das erregte des öfteren Zweifel bei manchen jungen Genossen. Aber ihreZweifel betra fen vorwiegend die abstrakt politische Seite.

Es schien ihnen, daß eine Gesellschaftsordnung, unter der die Pro-duktionsmittel der Arbeiterklasse gehören und dieser Arbeiterklasse dieStaatsmacht geh ört, nicht als Staatskapitalismus bezeichnet werden dürfe.Sie merkten jedoch nicht, daß die Bezeichnung „Staatskapitalismus" bei

mir gebraucht wurde: Erstens, um den historischen Zusammenhang un-serer gegenwärtigen Position mit der Position in meiner Polemik gegendie sogenannten linken Komm unisten herzustellen, un d auch damals schonsuchte ich zu beweisen, daß de r Staatskapitalismus hö her stehen würde alsunsere heutige Wirtschaftsweise; mir lag daran, den kontinuierlichen Zu-sammenhang des gewöhnlichen Staatskapitalismus mit jenem ungewöhn-lichen, sogar ganz u nd gar ungewöhnlichen Staatskapitalismus festzustel-len, von dem ich sprach, als ich den Leser in die Neue ökonomische Poli-tik einführte. Zweitens war für mich stets der praktische Zweck wichtig.

Un d der praktische Zweck unserer N euen ök onom ischen Politik bestanddarin, zu Konzessionen zu gelangen; Konzessionen aber wären unter un-seren Verhältnissen zweifellos schon ein Staatskapitalismus von reinemTypus gewesen. Aus dieser Sicht stellte ich meine Erwägungen über denStaatskapitalismus an.

Die Sache hat jedoch noch eine andere Seite, bei der uns der Staats-kapitalismus oder wenigstens ein Vergleich damit nötig sein kann. Das istdie Frage der Genossenschaften.

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Tiber das Qenossensdhaftswesen 45 9

Es ist unzw eifelhaft, da ß die Genossenschaften in einem kapitalistischen

Sta at eine kapitalistische Kollektiveinrichtung sind. Un zwe ifelhaft ist auch,daß in unserer jetzigen ökonomischen Wirklichkeit, wo wir privatkapita-listische Betriebe — jedoch nur auf gesellschaftlichem Grund und Bodenund nur unter der Kontrolle der Staatsmacht, die in den Händen derArbeiterklasse liegt— mit Betrieben von kon sequent sozialistischem T yp us(sowolü die Produktionsmittel als auch der Grund und Boden, auf demder Betrieb steht, wie der Betrieb als Ganzes ge hören dem S taat) vereini-gen, noch die Frage nach einer dritten Art von Betrieben auftaucht, denenfrüher vom Standpunkt der prinzipiellen Bedeutung aus keine Selbstän-

digkeit zukam, nämlich den genossenschaftlichen Betrieben. Unter demPrivatkapitalismus unterscheiden sich genossenschaftliche Betriebe vonkapitalistischen als kollektive Betriebe von privaten. Unter dem Staats-kapitalismus unterscheiden sich genossenschaftliche Betriebe von staats-kapitalistischen dadurch, daß sie erstens private, zweitens kollektive Be-triebe sind. In der bei uns bestehenden Gesellschaftsordnung unterscheidensich genossenschaftliche Betriebe von privatkapitalistischen als kollektiveBetriebe, aber sie unterscheiden sich nicht von sozialistischen Betrieben,wenn sie auf dem Grund und Boden errichtet und mit Produktionsmitteln

ausgerüstet sind, die dem Staa t, d. h. der Arbeiterklasse, ge hören.Eben dieser Um stan d w ird bei uns nicht genügend berücksichtigt, wenn

man von den Genossenschaften spricht. Man vergißt, daß die Genossen-schaften bei uns dank der Besonderheit unserer Staatsordnung eine ganzaußerordentliche Bedeutung gewinnen. Sondert man die Konzessionenaus, die bei uns, nebenbei be m erkt, keine irgendw ie beträchtliche Entwick-lung erfahren haben, so decken sich die Genossenschaften unter unserenVerhältnissen in der Regel völlig mit dem Sozialismus.

Ich will meinen Gedanken näher ausführen. Worin besteht das Phan-

tastische an den Plänen der alten Genossenschaftler, angefangen mitRobert Owen? Darin, daß sie von einer friedlichen Umgestaltung dermodernen Gesellschaft durch den Sozialismus träumten, ohne eine sogrundlegende Frage wie die des Klassenkampfes, der Erob erung der poli-tischen Macht durch die Arbeiterklasse, des Sturzes der Herrschaft derAusbeu terklasse zu beachten. Un d deshalb sind wir im Recht, wen n wir indiesem „Genossenschafts"sozialismus pure Phantasterei sehen, wenn wiretwas Romantisches, ja sogar Abgeschmacktes in den Träumereien er-

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IXber das (Genossenschaftswesen 461

vollständigen genossenschaftlichen Zusammenschluß stünden wir bereits

mit beiden Füßen auf sozialistischem Boden. Aber diese Voraussetzung,der vollständige genossenschaftliche Zusammenschluß, schließt ein der-artiges Kulturniveau der Bauernschaft (eben der Bauernschaft als derüb erg roß en M asse) in sich ein, da ß dieser vollständige genossenschaftlicheZusammenschluß ohne eine ganze Kulturrevolution unmöglich ist.

Unsere Gegner hielten uns oft entgegen, es sei ein sinnloses Beginnenvon uns, in einem Lande mit ungenügender Kultur den Sozialismus ein-führen zu wollen. Aber sie irrten sich, und zwar deshalb, weil wir nichtan dem E nde anfingen, an dem es nach der Th eorie (von allerlei Pedan ten)hätte geschehen sollen, und weil bei uns die politische und soziale Um-wälzung jener kulturellen Umwälzung, jener Kulturrevolution vorausging,der wir jetzt dennoch gegenüberstehen.

Uns genügt nun diese Kulturrevolution, um ein vollständig sozialisti-sches Land zu werden, aber für uns bietet diese Kulturrevolution un-geheure Schwierigkeiten sowohl rein kultureller (denn wir sind Analpha-beten) als auch materieller Natur (denn um Kultur zu haben, braucht maneine bestimmte Entwicklung der materiellen Produktionsmittel, brauchtm an eine bestimmte materielle Basis).

6. Januar 1923

Zuerst veröffentlicht Nach dem 7ext der J>rawda",am 26. und 27. Mai i923 verglichen mit der stenogra-in der „Vrawda" Nr. i 15 und i i6. fischen Niedersch rift."Unterschrift: N.Lenin.

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462

O B E R U N S E R E R E V O L U T I O N

(Aus Anlaß der Aufzeichnungen N . Suchanows)

I

Ich blätterte dieser Tage in Suchanows Aufzeichnungen über die Revo-lution. Besonders auffallend ist die Pedanterie aller unserer kleinbürger-lichen Dem okraten wie auch aller Helden der II. Internationale. Ganzabgesehen davon, daß sie außerordentlich feige sind, daß sogar die Bestenunter ihnen sich hinter Vorbehalten verschanzen, sobald es sich um diekleinste Abweichung vom deutschen Vorbild handelt — ganz abgesehen

von dieser Eigenschaft aller kleinbürgerlichen Demokraten, die sie wäh-rend der ganzen Revolution zur Genüge an den Tag gelegt haben, springtihre sklavische NachäfFung der Vergangenheit in die Augen.

Sie alle nennen sich Marxisten, fassen aber den M arxismus unglaublichpedantisch auf. Das Entscheidende im Marxismus haben sie absolut nichtbegriffen: nämlich seine revolutionäre Dialektik. Sogar die direkten Hin-weise von Marx, daß in Zeiten der Revolution größte Elastizität notwen-dig ist**4, haben sie absolut nicht begriffen und zum Beispiel nicht einmaldie Hinweise in Marx' Briefwechsel, soweit ich mich erinnere, aus dem

Jahr 1856 bem erkt, als M arx die Hoffnung aussprach, ein Bauernkrieg inDeutschland, der eine revolutionäre Situation herbeiführen könne, werdesich mit der Arbeiterbewegung vereinigen.1^ Ja, selbst diesen direktenHinweis meiden sie und gehen um ihn herum wie die Katze um den hei-ßen Brei.

In ihrem ganzen Verhalten zeigen sie sich als feige Reformisten, diesich fürchten, von der Bourgeoisie abzurücken oder gar mit ihr zu brechen,und die gleichzeitig ihre Feigheit durch zügellose Phrasendrescherei und

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Prahlerei bemänteln. Aber sogar in rein theoretischer Hinsicht springt

ihre völlige Unfähigkeit in die Augen, die folgenden Gedankengänge desMarxismus zu begreifen. Denn sie sahen bisher einen bestimmten Ent-wicklungsweg des Kapitalismus und der bürgerlichen Demo kratie in Wes t-europa. Und nun können sie sich nicht vorstellen, daß dieser Weg nurmutatis mutandis* als Muster betrachtet werden kann, nicht anders alsmit gewissen Korrekturen (die, vom Standpunkt der Weltgeschichte ausgesehen, ganz unerheblich sind).

Erstens: Eine Revolution, die mit dem ersten imperialistischen Weltkriegzusammenhängt. In einer solchen Revolution mußten neue oder eben

durch den Krieg modifizierte Züge in Erscheinung treten, denn noch nie-mals hat es auf der W elt e inen solchen Krieg, un ter solchen Verhältnissen,gegeben. Wir sehen bis heute, daß die Bourgeoisie der reichsten Landeraußerstande ist, nach diesem Krieg „normale" bürgerliche Verhältnisseherzustellen, un sere Reformisten abe r, kleine Bourgeois, die sich als Revo-lutionäre aufspielen, waren und sind des Glaubens, daß normale bürger-liche Verhältnisse die (nicht zu überschreitende) Gre nze bilden , wobei siediese „Norm" äußerst schablonenhaft und beschränkt auffassen.

Zweitens-. Ihnen ist jeder Gedanke daran völlig fremd, daß bei allge-

meiner Gesetzmäßigkeit der Entwicklung in der gesamten Weltgeschichteeinzelne Etappen der Entwicklung, die eine Eigentümlichkeit entweder derForm oder der Aufeinanderfolge der Entwicklung darstellen, keineswegsauszuschließen, sondern im Gegenteil anzunehmen sind. Es kommt ihnenzum Beispiel gar nicht in den Sinn, daß Rußland, das an der Gren ze stehtzwischen den zivilisierten Ländern und den erstmalig durch diesen Kriegendgültig in die Zivilisation einbezogenen Ländern, den Ländern des ge-samten Ostens, den außereuropäischen Ländern — daß Rußland infolge-dessen gewisse Eigentümlichkeiten aufweisen konnte und mußte, dienatürlich anf der allgemeinen Linie der Entwicklung der Welt liegen, dieaber die russische Revolution von allen vorangegangenen Revolutionender westeuropäischen Länder unterscheiden und beim Übergang zu denLändern des Ostens gewisse teilweise Neuerungen mit sich bringen.

Unendlich schablonenhaft ist zum Beispiel ihr Argument, das sie imVerlauf der Entwicklung der westeuropäischen Sozialdemokratie auswen-dig gelernt haben un d das darin besteht, daß w ir für den Sozialismus noch

* mit entsprechenden Änderungen. Die Red.

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nicht reif seien, daß uns, wie sich die versdiiedenen „gelehrten" Herren

unter ihnen ausdrücken, die objektiven ökonomischen Voraussetzungenfür den Sozialismus fehlen. Und keinem kommt es in den Sinn, sich zufragen: Könnte nicht ein Volk, das auf eine revolutionäre Situation ge-stoßen ist, eine Situation, wie sie sich im ersten imperialistischen Kriegeergeben hat, könnte nicht dieses Volk, infolge der Aussichtslosigkeit seinerLage, sich in einen Kampf stürzen, der ihm wenigstens irgendwelche Aus-sichten eröffnete, sich nicht ganz gewöhnliche Bedingungen für eine Wei-terentwicklung der Zivilisation zu erringen?

„Rußland hat in der Entwicklung der Produktivkräfte noch nicht die

Höhe erreicht, bei welcher der Sozialismus möglich wäre." Mit diesemLeitsatz tun sich alle Helden der II. Internationale, und unter ihnen natür-lich auch Suchanow, so wichtig, als wäre es der Stein der Weisen. Diesenunstrittigen Satz wiederkäuen sie auf tausenderlei Weise, und es scheintihnen, als sei er entscheidend für die Beurteilung unserer Revolution.

Wie aber, wenn die Eigentümlichkeit der Situation Rußland erstensin den imperialistischen Weltkrieg hineinstellte, in den alle einigermaßeneinflußreichen westeuropäischen Länder verwickelt waren, und zweitensseine Entwicklung an der Grenze der beginnenden und teilweise bereits

begonnenen Revolutionen des Ostens in Verhältnisse versetzte, unterdenen wir gerade jene Verbindung eines „Bauernkriegs" mit der Arbeiter-bewegung verwirklichen konnten, von der, als einer der möglichen Per-spektiven, ein solcher „Marxist" wie Marx im Jahre 1856 in bezug aufPreußen geschrieben hatte ?

Wie aber, wenn die völlige Ausweglosigkeit der Lage, wodurch dieKräfte der Arbeiter und Bauern verzehnfacht wurden, uns die Möglich-keit eines anderen Obergangs eröffnete, um die grundlegenden Vorausset-zungen der Zivilisation zu schaffen, als in allen übrigen westeuropäischen

Staaten? H at sich denn dadurch die allgemeine Linie der Entwicklung derWeltgeschichte geändert? Hat sich denn dadurch das grundlegende Wech-selverhältnis der Hauptklassen in jedem Staate geändert, der in den all-gemeinen Gang der Weltgeschichte einbezogen wird und schon einbe-zogen worden ist?

W enn zur Schaffung des Sozialismus ein bestimmtes Kulturniveau not-wendig ist (obwohl niemand sagen kann, wie dieses bestimmte „Kultur-niveau" aussieht, denn es ist in jedem westeuropäischen Staat verschie-

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den) , warum sollten wir also nicht damit anfangen, auf revolutionärem

Wege die Voraussetzungen für dieses bestimmte Niveau zu erringen, unddann schon, auf der Grundlage der Arbeiter- und Bauernmacht und derSowjetordnung, vorwärtsschreiten und die anderen Völker einholen.

16. Januar 1923

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II

Für die Schaffung des Sozialismus, sagt ihr, ist Zivilisiertheit erforder-lich. Ausgezeichnet. Nun, warum aber konnten wir nicht zuerst solcheVoraussetzungen der Zivilisiertheit bei uns schaffen, wie es die Vertrei-bung der G utsbesitzer und die Vertreibung der russischen Kapitalisten ist,um dann schon mit der Vorwärtsbewegung zum Sozialismus zu beginnen?In welchen Büchern habt ihr denn gelesen, daß derartige Modifikationender üblichen historischen Reihenfolge unzulässig oder unmöglich seien?

Wie ich mich erinnere, hat Napoleon geschrieben: „On s'engage et

puis . . . on voit." In freier Übersetzung bedeutet das etwa.- „Zuerst stürztman sich ins Gefecht, das weitere wird sich finden." Auch wir haben unsim Oktober 1917 zuerst ins Gefecht gestürzt und dann solche Einzelhei-ten der Entwicklung (vom Standpunkt der Weltgeschichte aus sind daszweifellos Einzelheiten) zu sehen bekommen wie den Brester Frieden oderdie NÖP usw. Gegenwärtig kann schon kein Zweifel mehr darüber be-stehen, daß wir im wesentlichen den Sieg davongetragen haben.

Unseren Suchanows, von den rechts von ihnen stehenden Sozialdemo-kraten ganz zu schweigen, fällt es im Traum nicht ein, daß Revolutionen

überhaupt nicht anders gemacht werden können. Unseren europäischenSpießbürgern fällt es im Traum nicht ein, daß die weiteren Revolutionenin den Ländern des Ostens, die unermeßlich reicher an Bevölkerung sindund. sich durch unermeßlich größere Mannigfaltigkeit der sozialen Ver-hältnisse auszeichnen, ihnen zweifellos noch mehr Eigentümlichkeiten alsdie russische Revolution auftischen werden.

Sicherlich, ein auf Kautskysche Manier geschriebenes Lehrbuch warseinerzeit ein sehr nützliches Ding. Aber es ist dennoch schon an der Zeit,

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den Gedanken fallenzulassen, als hätte dieses Lehrbuch alle Formen der

weiteren Entwicklung der Weltgeschichte vorausgesehen. Es wäre an derZeit, Leu te, die daran festhalten, einfach für Dummköpfe zu erklären.

17. Januar 1923

Zuerst veröffentlicht "Nach dem Text der „Vrawda"am 30. TAai 1923 mit den auf Weisung W. J. Leninsin der .Vrawd a" I^r. in. in die stenografische TJieder-Untersch rift: £ e n i n. sdhrift eingefügten ergänzend en

"Korrekturen.

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W I E W I R D I E A R B E IT E R- U N D B A U E R N I N S P E K T I O N

R E O R G A N I S I E R E N S O L L E N

(Vorschlag für den XII. Parteitag)"«

Es ist unzweifelhaft, daß die Arbeiter- und Bauerninspektion für unseine sehr große Schwierigkeit darstellt und daß diese Schwierigkeit bisjetzt nicht überwunden ist. Ich glaube, daß die Genossen, die diese Fragein dem Sinne entscheiden, daß sie die Nützlichkeit oder Notwendigkeitder Arbeiter- nnd Bauerninspektion verneinen, im Unrecht sind. Abergleichzeitig bestreite ich keineswegs, daß unser Staatsapparat und seineVerbesserung ein sehr schwieriges, bei weitem nicht gelöstes und zugleichaußerordentlich dringendes Problem darstellt.

Unser Staatsapparat ist, mit Ausnahme des Volkskommissariats fürAuswärtige Angelegenheiten, zum größeren Teil ein Überbleibsel desalten, an dem nur zum geringeren Teil einigermaßen ernsthafte Ver-änderungen vorgenommen worden sind. Er ist nur äußerlich leicht über-tüncht worden, im übrigen aber stellt er etwas ganz typisch Altes ausunserem alten Staatsapparat dar. Will man nun das Mittel ausfindigmachen, ihn wirklich zu erneuern, so muß man, wie mir scheint, die Er-fahrungen unseres Bürgerkriegs zu Rate ziehen.

Wie sind wir in den gefährlichen Situationen des Bürgerkriegs vor-

gegangen?W ir konzen trierten unsere besten Parteikräfte in der Roten Armee; wir

griffen zur Mobilisierung der besten unserer Arbeiter; wir wandten unsauf der Suche nach neuen Kräften dorthin, wo unsere Dik tatur am tiefstenverwurzelt ist.

In derselben Richtung sollten wir meiner Überzeugung nach auch dieQuelle für die Reorganisierung der Arbeiter- und Bauerninspektionsuchen. Ich schlage unserem XII. Parteitag vor, folgenden Plan einer

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Wie wir die Arbeiter- und 'Bauerninspektion reorganisieren soUen 469

solchen Reorganisation anzunehmen, der auf einer neuartigen Erweite-

rung unserer Zentralen Kontrollkommission beruht.Die Plenartagung des Zentralkomitees unserer Partei hat schon die

Tendenz gezeigt, sich zu einer Art höchster Parteikonferenz zu entwik-keln. Sie tritt durchschnittlich nicht öfter als einmal in zwei Monaten zu-sammen, während die laufende Arbeit im Namen des ZK bekanntlichvon unserem Politbüro, unserem Orgbüro, unserem Sekretariat usw.geleistet wird. Ich glaube, daß wir den Weg, den wir damit beschriftenhaben, zu Ende gehen und die Plenartagungen des ZK endgültig in höchsteParteikonferenzen umwandeln sollen, die einmal in zwei Monaten unter

Teilnahme der ZKK zusammentreten. Diese ZKK aber soll unter dennachstehenden Bedingungen mit dem Grundstock der reorganisierten Ar-beiter- und Bauerninspektion vereinigt werden.

Ich schlage dem Parteitag vor, 75—100 neue Mitglieder der ZKK ausArbeitern und Bauern zu wählen. Die zu W ählenden müssen der gleichenÜberprüfung auf Parteilinie unterzogen werden wie die ordentlichen Mit-glieder des ZK, denn die zu Wählenden sollen alle Rechte von Mitglie-dern des ZK genießen.

Anderseits muß die Arbeiter- und Bauerninspektion auf 300—400 An-

gestellte reduziert werden, die besonders erprobt sind, was ihre Gewissen-haftigkeit und ihre Kenntnis unseres Staatsapparats betrifft, und einebesondere Prüfung darin bestanden haben, ob und inwieweit sie mit denGrundlagen der wissenschaftlichen Organisation der Arbeit im all-gemeinen und der Verwaltungs-, der Büroarbeit usw. im besonderen ver-traut sind.

Meiner Meinung nach wird eine derartige Vereinigung der Arbeiter-und Bauerninspektion mit der ZKK diesen beiden Institutionen Nutzenbringen. Einerseits wird die Arbeiter- und Bauerninspektion dadurch eine

so hohe Autorität erlangen, daß sie zum mindesten nicht schlechter da-stehen wird als unser Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten.Anderseits wird unser ZK gemeinsam mit der ZKK endgültig jenen Wegzur Um wandlung in eine höchste Parteikonferenz einschlagen, den es imGrunde genommen schon beschritten hat und den es zu Ende gehen muß,wenn es seine Aufgaben in doppelter Hinsicht richtig erfüllen will: sowohlin Hinsicht auf die Planmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Systematikseiner Organisation und Tätigkeit als auch in Hinsicht auf die Verbindung

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mit den wirklich breiten Massen durch Vermittlung der besten unserer

Arbeiter und Bauern.Ich sehe einen Einwand voraus, der d irekt oder indirekt aus denjenigen

Kreisen kommt, die unseren Apparat zu dem alten machen, d. h. von denAnhängern einer Konservierung unseres Apparats in derselben geradezuunmöglichen, geradezu unanständigen vorrevolutionären Gestalt, in derer auch heute noch besteht (nebenbei bemerkt, haben wir jetzt die in derGeschichte ziemlich seltene Gelegenheit erhalten, d ie Fristen festzustellen,die notwendig sind, um radikale soziale Änderungen durchzuführen, undwir sehen jetzt klar, was man in fünf Jahren machen kann und was viel

längere Fristen erfordert).Dieser Einwand besteht in der Behauptung, daß bei der von mir vor-

geschlagenen Umgestaltung nichts als ein einziges Chaos herauskommenwerde. Die Mitglieder der ZKK w ürden sich in allen Institutionen herum-treiben, ohne zu wissen, wohin, wozu und an wen sie sich zu wendenhaben, und würden dabei überall Desorganisation hineintragen, die An-gestellten von ihrer laufenden Arbeit ablenken usw. usf.

Ich denke, der böswillige Ursprung dieses Einwands ist so offenkundig,daß darauf nicht einmal eine Antwort erforderlich ist. Es versteht sich

von selbst, daß vom Präsidium der ZKK sowie vom Volkskommissarder Arbeiter- und Bauerninspektion und seinem Kollegium (und inden entsprechenden Fällen auch vom Sekretariat unseres ZK) mehr alsein Jahr beharrlicher A rbeit erforderlich sein wird, um das Volkskommis-sariat und dessen Arbeit in Gemeinschaft mit der ZKK richtig zu orga-nisieren. Der Volkskommissar der Arbeiter- und Bauerninspektion kann(und soll) meiner Meinung nach Volkskommissar bleiben, wie auchdas ganze Kollegium bleiben und die Leitung der Tätigkeit der gesamtenArbeiter- und Bauerninspektion behalten soll, einschließlich sämtlicher

Mitglieder der ZKK, die als zu seiner Verfügung „abkom mandiert" geltenwerden. Die nach meinem Plan verbleibenden 300—400 Angestelltender Arbeiter- und Bauerninspektion werden einerseits reine Sekretärs-funktionen bei den anderen Mitgliedern der Arbeiter- und Bauern-inspektion und den neu hinzukommenden Mitgliedern der ZKK ausüben,anderseits aber müssen sie hochqualifiziert, besonders erprobt, beson-ders zuverlässig sein und ein hohes Gehalt beziehen, das sie aus derjetzigen wahrhaft unglückseligen Lage (um kein schlimmeres Wort zu

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"Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sotten 471

gebrandien) eines Beamten der Arbeiter- and Bauerninspektion völlig

befreit.Ich bin ü berzeugt, daß die Verringerung der Angestelltenzahl bis, zu der

von m ir angegebenen Anza hl sow ohl d ie Qualität der Mitarbeiter in derArbeiter- and Bauerninspektion als auch die Qualität der ganzen Arbeitam ein vielfaches verbessern and zugleich dem Volkskommissar and denMitgliedern des Kollegiums die Möglichkeit geben wird, sich voll andganz auf die Organisierung der Arbeit and auf die systematische, unent-weg te Verbesserang ihrer Qu alität zu konzentrieren, die für die Arb eiter-und Bauennnacht and für unsere Sowjetordnang eine so unbedingte N ot -

wendigkeit ist.Anderseits denke ich auch, daß der Volkskommissar der Arbeiter- andBaaerninspektion künftig daran arbeiten muß, die höheren Institute fürArbeitsorganisation (Zentralinstitnt für Arbeit, Institut für wissenschaft-liche Organisation der Arbeit usw.), von denen wir in unserer Republikgegenwärtig nicht weniger ab zwölf haben, miteinander teils zu ver-schmelzen, teils zu koordinieren, übermäßige Einförmigkeit and das dar-aus entspringende Bestreben zur Verschmelzung dürften schädlich sein.Hier m uß man im Gegenteil einen vernünftigen u nd zweckentsprechendenMittelweg finden zwischen der Verschmelzung aller dieser Institutionenzu einem Ganzen und ihrer richtigen Abgrenzung, unter Beibehaltungeiner gew issen Selbständigkeit jeder dieser Institutionen.

Es besteht kein Zweifel, daß durch eine derartige Reorganisation nichtminder als die Arbeiter- und B auerninspektion auch unser eigenes ZK ge-winnen wird, sowohl im Sinne der Verbindung mit den Massen als auchim Sinne der Regelmäßigkeit and Solidität seiner Arbeit. Man wirddann eine strengere, verantwortungsbewußtere Ordnung bei der Vor-bereitung der Sitzungen de s Politbüros einführen können (und m üssen),auf denen eine bestimmte Anzahl v on M itgliedern der ZKK , die entwederfür eine gewisse Zeitspanne oder nach einem bestimmten Organisations-plan bestimmt werden , anwesend sein maß .

D er Volkskomm issar der Arbeiter- und Bauerninspektion wird gem ein-sam mit dem Präsidium der ZKK festlegen, wie die Arbeit unter ihreMitglieder zu verteilen ist, und zwar unter dem Gesichtspunkt, daß sieverpflichtet sind, an den Sitzungen des Politbüros teilzunehmen und alleDokum ente zu prüfen, die ihm s o oder anders zugehen, am behandelt zu

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werden, oder unter dem Gesichtspunkt, daß sie verpflichtet sind, ihre

Arbeitszeit auf die theoretische Schulung, auf das Studium der wissen-schaftlichen Arbeitsorganisation zu verwenden, oder aber unter dem Ge-sichtspunkt, daß sie verpflichtet sind, an der Kontrolle und Verbesserungunseres Staatsapparats, angefangen von den höchsten Staatsinstitutionenbis hinab zu den untersten O rtsbehörden, praktisch teilzunehmen, usw.

Ich glaube auch, neben dem politischen Vorteil/ daß die Mitglieder desZK und der ZKK bei einer derartigen Reform um ein vielfaches besserunterrichtet und auf die Sitzungen des Politbüros besser vorbereitet seinwerden (alle für diese Sitzungen bestimmten Unterlagen müssen späte-

stens 24 Stunden vor der Sitzung des Politbüros im Besitz sämtlicherMitglieder des ZK und der ZKK sein, mit Ausnahme solcher Fälle, dieabsolut keinen Aufschub dulden und eine besondere Regelung zur U nter-richtung der Mitglieder des ZK und der ZKK sowie eine Regelung ihrerEntscheidung erfordern), wird man es auch noch als einen Gewinn be-trachten müssen, daß sich in unserem ZK der Einfluß rein persönlicherund zufälliger Umstände vermindern und sich dadurch die Gefahr einerSpaltung verringern w ird.

Unser ZK hat sich zu einer streng zentralisierten Gruppe herausgebil-

det, die hohe Autorität genießt, aber für die Arbeit dieser Gruppe sindnicht die Bedingungen geschaffen, die ihrer Autorität entsprächen. Demsoll die von mir vorgeschlagene Reform abhelfen; die Mitglieder der ZKK,von denen eine bestimmte Anzahl verpflichtet ist, in jeder Sitzung desPolitbüros anwesend zu sein, müssen eine geschlossene Gruppe bilden, die„ohne Ansehen der Person" darüber zu wachen haben wird, daß nie-mandes Autorität sie daran hindern könne, Anfragen einzubringen, Dor

"kumente zu überprüfen und überhaupt unbedingte Informiertheit undstrengste Korrektheit L. allen Angelegenheiten zu erreichen.

Natürlich beruht die soziale Ordnung in unserer Sowjetrepublik aufder Zusammenarbeit zweier Klassen, der Arbeiter und der Bauern, zu derjetzt noch die „NÖP-Leute", d. h. die Bourgeoisie, unter gewissen Be-dingungen zugelassen sind. Wenn zwischen diesen Klassen ernsthafteKlassendifferenzen auftauchen, dann wird eine Spaltung unvermeidlichsein, aber unsere soziale Ordnung bietet keine Handhabe zu Anlässen,die eine solche Spaltung als notwendig erscheinen ließen, und die Haupt-aufgabe unseres ZK und unserer ZKK sowie unserer Partei in ihrer

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Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen 473

Gesamtheit besteht darin, aufmerksam die Umstände zu verfolgen, aus

denen sich eine Spaltung ergeben könnte, und ihnen vorzubeugen, dennin letzter Instanz wird das Schicksal unserer Republik davon abhängen,ob die Bauernmasse der Arbeiterklasse folgen, also dem Bündnis mit ihrdie Treue wahren wird, oder ob sie es den „NÖP -Leuten" , d. h. der neuenBourgeoisie, gestatten wird, sie mit den Arbeitern zu entzweien, sie vonihnen abzuspalten. Je klarer wir diesen zweifachen Ausgang vor unssehen, je klarer ihn alle unsere Arbeiter und Bauern begreifen werden,desto größer sind die Aussichten, daß es uns gelingen wird, eine Spaltungzu vermeiden, die für die Sowjetrepublik verhängnisvoll wäre.

23 . Januar 1923

„Praivda" 3Vr. 16, Nach dem 7ext der „Prawda",25 . Januar i923. verglidhen mit der stenogra-TAntersdhrift: 9J. Lenin, fisdhen Niederschrift.

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LIEBER WENIGER, ABER BESSER

In der Frage der Verbesserung unseres Staatsapparats sollte die Ar-beiter- und Bauerninspektion meiner Meinung nach nicht auf Quantitätausgehen und sich nicht überstürzen. Wir sind bisher so wenig dazu ge-kommen, über die Qualität unseres Staatsapparats nachzudenken und unsum sie zu kümmern, daß es wohl berechtigt ist, sich besonders ernsthaftdamit zu befassen und in der Arbeiter- und Bauerninspektion ein Men-schenmaterial von wirklich moderner, d. h. den besten westeuropäischenVorbildern nicht nachstehender Qualität zu konzentrieren. Gewiß, füreine sozialistische Republik ist das eine allzu bescheidene Voraussetzung.

Doch hat uns das erste Jahrfünft gehörig mit Mißtrauen und Skeptizismuserfüllt. Wir sind unwillkürlich geneigt, uns mit dieser Eigenschaft gegen-über denen zu wappnen, die sich allzuviel und allzuleicht in Reden bei-spielsweise über „proletarische Kultur" ergehen: Für den Anfang sollteuns eine wirkliche bürgerliche Kultur genügen, für den Anfang sollte esuns genügen, wenn wir ohne die besonders ausgeprägten Typen vorbür-gerlicher Kultur auskommen, d. h. der Beamten- oder der Leibeigenschafts-kultur usw. In Kulturfragen gibt es nichts Schädlicheres als übereile undLeichtfertigkeit. Das sollten sich viele unserer jungen Publizisten und

Kommunisten gut hinter die Ohren schreiben.Was nun die Frage des Staatsapparats betrifft, so müssen wir aus denbisherigen Erfahrungen den Schluß ziehen: Lieber etwas langsamer.

Mit dem Staatsapparat steht es bei uns derart traurig , um nicht zu sagenabscheulich, daß wir uns zunächst gründlich überlegen müssen, wie wirseine Mängel bekämpfen sollen, eingedenk dessen, daß diese Mängel ihreWurzeln in der Vergangenheit haben, die zwar über den Haufen gewor-fen, aber noch nicht überwunden, noch nicht in das Stadium einer in die

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Lieber weniger, aber besser 475

ferne Vergangenheit entrückten Kultur eingetreten ist. Ich schneide hier

gerade die Frage der Kultur an , weil in diesen Dingen nur das als erreichtgelten darf, was in die Kultur, in das Alltagsleben, in die Gewohnheiteneingegangen ist. Bei uns aber, das kann man wohl sagen, ist das G ute ander sozialen O rdnu ng äußerst schlecht durchdacht, nicht verstanden, nichtinnerlich empfunden, ist hastig aufgegriffen, nicht nachgeprüft, nicht er-probt, nicht durch Erfahrung bestätigt, nicht verankert usw. A nders konntees natürlich in der revolutionären Epoche und bei dieser schwindelerregen-den Schnelligkeit der Entwicklung, die uns in fünf Jahren vom Zarismuszum Sowjetsystem geführt ha t, auch gar nicht sein.

Man m uß sich rechtzeitig besinnen. M an muß sich mit einem heilsamenArgwohn gegen die unbedacht schnelle Vorwärtsbewegung, gegen jedePrahlsucht usw. wappnen, man muß an die Überprüfung jener Schrittenach vorn denken, die wir jede Stunde verkünden, jede Minute machen,um dann jede Sekunde ihre Unhaltbarkeit, ihre Unsolidität, ihre Un-verständlichkeit zu beweisen. Hier wäre es am allerschädlichsten, sich zuübereilen. Es wäre am allerschädlichsten, sich darauf zu verlassen, daß wirimmerhin einiges wissen, oder darauf, daß es bei uns eine einigermaßenbeträchtliche Menge Von Elementen für den Aufbau eines wirklich neuen

Apparats gibt, der wirklich den Namen eines sozialistischen, eines sowje-tischen usw. verdient.

Nein, von einem solchen Apparat u nd selbst von Elementen dazu habenwir lächerlich wenig, und wir sollten bedenken, daß man zur Schaffungdieses Apparats keine Zeit scheuen darf und viele, viele, viele Jahre dar-auf verwenden muß.

Welche Elemente sind bei uns zur Schaffung dieses Apparats vorhan-den? Nur zwei. Erstens die Arbeiter, die begeistert für den Sozialismuskämpfen. Diese Elemente sind ungenügend gebildet. Sie möchten uns den

besten A pparat geben. Aber sie wissen nicht, wie man das zustande bringt.Sie können das nicht zustande bringen. Sie haben bis jetzt noch nicht dieEntwicklung durchgemacht, sich noch nicht die Kultur angeeignet, die dazunötig ist. Un d dazu ist eben Kultur nötig. Da ist mit Drauf gängertum-oderTatendrang, mit Forschheit oder Energie oder mit sonst noch so gutenmenschlichen Eigenschaften im allgemeinen nichts auszurichten. Zweitensdie Elemente des Wissens, der Bildung, der Schulung, von denen wir imVergleich mit allen anderen Staaten lächerlich wenig haben.

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476 WJ. Centn

Und dabei darf man nicht vergessen, daß wir noch allzusehr geneigt

sind, dieses Wissen durch Eifer, ü be rei le usw. zu ersetzen (oder uns ein-zubilden, daß man es dadurch ersetzen kann).

W ir müssen uns, koste es, was es wolle, zur Erneuerung unseres Staats-apparats die Aufgabe stellen: erstens zu lernen, zweitens zu lernen unddrittens zu lernen un d dann zu kontrollieren, ob die Wissenschaft bei unsnicht toter Buchstabe oder modische Phrase geblieben ist (und das kommtbei uns, verhehlen wir es nicht, besonders häufig vor), ob die Wissenschaf twirklich in Fleisch und Blut übergegangen, ob sie vollständig und wirk-lich zu einem Bestandteil des Alltags geworden ist. Kurzum, wir müssen

nidit die Forderungen stellen, die die Bourgeoisie Westeuropas stellt,sondern Forderungen, wie sie einem Land anstehen und geziemen, dassich zur Aufgabe gemacht hat, sich zu einem sozialistischen Land zu ent-wickeln.

Schlußfolgerungen aus dem Gesagten: Wir müssen die Arbeiter- undBauerninspektion als Instrument zur Verbesserung unseres Apparats zueiner wirklich mustergültigen Einrichtung machen.

Damit sie die erforderliche Hö he erreichen könne , mu ß m an sich an dieRegel halten : Siebenmal abmessen , einmal abschneiden.

Dazu ist notwendig, daß wirklich das Beste, was es in unserer sozialenOrdnung gibt, mit der größten Vorsicht, Überlegung und Sachkenntnisbei der Sdiaifung des neuen Volkskommissariats angewandt wird.

Dazu ist notwendig, daß die besten Elemente, die es in unserer sozialenOrd nung gibt—nämlich: erstens die fortschrittlichsten Arbeiter und zwei-tens die wirklich aufgeklärten Elemente, für die man bürgen k ann , daß siekein Wort auf Treu und Glauben hinnehmen, kein Wort gegen ihr Ge-wissen sagen werden —, sich nicht scheuen, jede Schwierigkeit einzuge-stehen, und vor keinem Kampf zur Erreichung des Zieles zurückschrecken,

das sie sich ernsthaft gesteckt haben.Schon seit fünf Jahren sind wir geschäftig dabei, unseren Staatsappara t

zu verbessern , aber das ist eben n ur Geschäftigkeit, die in den fünf Jahrenlediglich ihre Untauglichkeit oder sogar ihre Nutzlosigkeit oder gar ihreSchädlichkeit bewiesen hat. Als Geschäftigkeit erweckte sie bei uns denAnschein von Arbeit, während sie in Wirklichkeit unsere Institutionenund unsere Gehirne verunreinigte.

Das m uß endlich anders werden.

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Lieber weniger, aber besser 477

Man muß sich zur Regel machen: Lieber der Zahl nach weniger, aber

höhere Qualität. Man muß sich zur Regel machen: Lieber in zwei Jahrenoder sogar in drei Jah ren als in aller Eile, ohn e jede Hoffnung, ein solidesMenschenmaterial zu bekommen.

Ich weiß, daß es schwierig sein wird, diese Regel einzuhalten und aufunsere Wirklichkeit anzuwenden. Ich weiß, daß sich bei uns die gegen-teilige Regel durch tausend Hintertürchen einen Weg bahnen wird. Ichweiß, daß es nötig sein wird, einen gigantischen Widerstand zu leisten,eine verteufelte Beharrlichkeit an den Tag zu legen, daß die Arbeit hierzumindest in den ersten Jahren verflucht undankbar sein wird; und

nichtsdestoweniger bin ich überzeugt, daß wir nur durch eine solche Ar-beit imstande sein werden, unser Ziel zu erreichen, und erst wenn wirdieses Ziel erreicht hab en , werd en w ir eine Republik schaffen, die wirklichwü rdig ist, eine sowjetische, sozialistische usw. usf. u. dgl. m. g ena nnt zuwerden.

Wahrscheinlich haben viele Leser die Zahlen, die ich als Beispiel inmeinem ersten Artikel angeführt habe*, zu geringfügig gefunden. Ich binüberzeugt, daß sich zum Beweis der Unzulänglichkeit dieser Zahlen vieleBerechnungen anstellen lassen. Aber ich glaube, daß wir höher als alle

diese und jegliche Berechnungen das eine stellen müssen: das Interesse anwirklich vorbildlicher Qualität.

Ich bin d er Ansicht, daß für unse ren S taatsapp arat g erade jetzt endlichder Zeitpun kt gekommen ist, wo wir an diesem Appara t gehörig, m it allemErnst arbeiten müssen und wo Übereilung so ziemlich der schädlichste Zugdieser Arbeit sein dürfte. Deshalb würde ich vor einer Erhöhung dieserZahlen sehr warnen. Meiner Meinung nach sollte man hier im Gegenteilmit den Zahlen besonders kargen. Sprechen wir offen. Das Volkskommis-sariat der Arbeiter- und Bauerninspektion genießt gegenwärtig nicht die

geringste Autorität. Jedermann weiß, daß es keine schlechter organisiertenInstitutionen als die unserer A rbeiter- un d B auerninspektion gibt und daßunter den gegenwärtigen Verhältnissen von diesem Volkskommissariatrein gar nichts zu erwarten ist. Das müssen wir uns fest einprägen, wennwir uns wirklich das Ziel setzen wollen, in einigen Jahren eine Institutionzustande zu bringen, die erstens mustergültig sein soll, zweitens allenunbedingtes Vertrauen einflößen und drittens jedermann beweisen soll.

* Siehe den vorliegenden Band, S. 468-4 73 . Die Red.

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47 8 TV. J. Centn

daß wir die Arbeit einer so hochgestellten Institution wie der ZKK w irk-

lich gerechtfertigt haben. Alle allgemeinen Nonnen für die Zahl der An-gestellten sollten meiner Meinung nach sofort and unwiderruflich ver-worfen werden. Die Angestellten der Arbeiter- and Bauerninspektionmüssen'«ir ganz besonders and nicht anders als auf Grand strengsterPrüfung aaswählen. In der Tat, wozu denn ein Volkskommissariat bilden,in dem die Arbeit schlecht an d recht gemacht würde , zu dem man wieder-um nicht das geringste Vertrauen hätte, dessen Wort eine unendlich ge-ringe Autorität genösse? D as zu vermeiden, denke ich, ist unsere Haupt-aufgabe bei einer derartigen Umgestaltung, wie wir sie jetzt im Auge

haben.Die Arbeiter, die wir als Mitglieder der ZKK heranziehen, müssen als

Kommunisten tadelfrei sein, und ich glaube, man wird sich noch längereZeit mit ihnen beschäftigen müssen, um ihnen die Medioden und Auf-gaben ihrer Arbeit beizubringen. Weiter, als Hilfspersonal für dieseArbeit m aß es eine bestimmte Anzahl von Sekretären geben, von denenvor ihrer Einstellung in den Dienst eine dreifache Prüfung zu verlangensein wird. Schließlich müssen diejenigen Personen, die wir uns entschlie-ßen werden, ausnahmsweise sofort als Mitarbeiter der Arbeiter- und

Bauerninspektion fest anzustellen, den folgenden Bedingungen genügen:erstens müssen sie von mehreren Kommunisten empfohlen sein;zweitens müssen sie daraufhin geprüft werden, ob sie mit unserem

Staatsapparat vertraut sind ;drittens müssen sie daraufhin geprüft w erden, ob sie die theoretischen

Grundlagen in der Frage unseres Staatsapparats, die Grundlagen der Ver-waltungswissenschaft, der Geschäftsführung usw. kennen;

viertens müssen sie sich mit den Mitgliedern der ZKK und mit ihremSekretariat so einarbeiten, daß w ir für die Arbeit dieses ganzen A pparats

in seiner Gesamtheit bürgen können.Ich weiß, daß diese Forderungen überaas weitgehende Vorbedingungen

voraussetzen, und ich neige sehr zu der Befürchtung, daß die meisten„Praktiker" in der Arbeiter- und Bauerninspektion diese Forderungenfür unerfüllbar erklären oder verächtlich darüber spotten werden. Aberich frage den erstbesten unter den gegenwärtigen Leitern der Arbeiter-and Bauerninspektion oder unter denjenigen, die mit ihr zu tun haben,ob er mir auf Ehre und Gewissen sagen kann, wozu man in der Praxis

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ein solches Volkskommissariat wie die Arbeiter- nnd Banerninspektion

braucht. Ich glaube, diese Frage wird ihm dazu verhelfen, das Gefühl fürdas richtige Maß zu finden. Entweder lohnt es gar nicht, sich bei einerso aussichtslosen Sache, wie es die Arbeiter- und Bauerninspektion ist,mit einer jener Reorganisationen zu beschäftigen, wie wir sie in Hülleund Fülle gehabt haben , oder man m uß sich wirklich d ie Aufgabe stellen,auf langsamem, schwierigem, ungewöhnlichem Wege, nicht ohne zahl-reiche Überprüfungen, etwas wirklich Vorbildliches zu schaffen, das dazuangetan ist, jedermann Achtung einzuflößen, und zwar nicht nur, weilTitel und Würden das erfordern.

Wenn man sich nicht mit Geduld wappnet, wenn man für diese Sachenicht mehrere Jahre daransetzen will, dann soll man lieber die Fingerganz davonlassen.

Meiner Meinung nach sollte man unter solchen Institutionen wie denvon uns neugebackenen höheren Instituten für Arbeit und ähnliches einMinimum auswählen, nachprüfen, ob die Arbeit vollauf ernst zu nehmenist, und sie nur so fortsetzen, daß sie wirklich auf der Höhe der modernenWissenschaft steht und uns alle ihre Leistungen zugute kommen läßt.Dann wird es nicht utopisch sein, zu hoffen, daß wir in einigen Jahren

eine Institution erhalten, die imstande sein wird, das Ihre zu leisten,nämlich systematisch und unbeirrt, gestützt auf das Vertrauen der Ar-beiterklasse, der Kommunistischen Partei Rußlands und der ganzen Masseder Bevölkerung unserer Republik, an der Verbesserung unseres Staats-apparats zu arbeiten.

Mit den Vorarbeiten dazu könnte schon jetzt begonnen werden. Gäbedas Volkskommissariat der Arbeiter- und Bauerninspektion seine Zu-stimmung zu dem Plan einer wirklichen Umgestaltung, so könnte es sofortvorbereitende Schritte unternehmen, um systematisch bis zu deren end-

gültiger Vollendung zu arbeiten, ohne Hast und ohne darauf zu verzich-ten, das einmal Gemachte zu ändern.

Jede halbe Entscheidung wäre hier im höchsten Grade schädlich. AlleNonnen hinsichtlich der Angestellten der Arbeiter- und Banerninspek-tion, die von irgendwelchen anderen Erwägungen ausgingen, würden imGrunde auf den alten bürokratischen Erwägungen, auf den alten Vor-urteilen beruhen, auf dem, was bereits verworfen ist, was allgemeinenSpott hervorruft usw.

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Genaugenommen steht hier die Frage so:

Entweder wir zeigen jetzt, daß wir auf dem Gebiet des Staatsaufbausernstlich etwas gelernt haben (es ist keine Sünde, in fünf Jahren etwasgelernt zu haben ), oder ab er, daß wir dazu noch nicht reif sind; und dannlohnt es nicht, ans W er k zu gehen.

Ich glaube, bei dem Menschenmaterial, über das wir verfügen, ist esnicht unbescheiden, wenn man annimmt, daß wir bereits genug gelernthaben, um wenigstens ein einziges Volkskommissariat systematisch undneu aufzubauen. Allerdings soll dieses eine Volkskommissariat für unse-ren gesamten Staatsapparat richtungweisend sein.

Es ist sofort ein Preisausschreiben für die Abfassung von zwei odermehr Lehrbüchern über Organisation der Arbeit im allgemeinen und derVerwaltungsarbeit im besonderen zu veranstalten. Als Grundlage könntedas bereits vorliegende Buch von Jermanski dienen, obwohl er sich, inParenthe se bemerk t, durch offenkundige Sym pathie für den M enschewis-mus auszeichnet und zur Abfassung eines für die Sowjetmacht brauch-baren Lehrbuches ungeeignet ist. Ferner könnte man das unlängst erschie-nene Buch von Kersh enzew als Gru ndlag e ne hm en ; schließlich mögen nochmanche der vorhandenen Lehrmittel über Teilfragen brauchbar sein.

Einige vorgebildete und gewissenhafte Personen sollen nach Deutsch-land oder England geschickt werden, um Literatur zu sammeln und dieseFrage zu studieren. England nenne ich für den Fall, daß eine Entsendungnach Amerika oder Kanada sich als unmöglich herausstellen sollte.

Es ist eine Kommission einzusetzen, die das anfängliche Programm derPrüfungen für die Bewerber um eine Anstellung in der Arbeiter- undBauerninspektion ausarbeitet; ebenso für die vorgesehenen Mitglieder derZKK.

Dies e und ähnliche Arb eiten w erden selbstverständlich wed er dem Volks-

kommissar noch den Kollegiumsmitgliedern der Arbeiter- und Bauern-inspektion, noch auch dem'Präsidium der ZKK Schwierigkeiten bereiten.

Parallel damit wird man eine vorbereitende Kommission einsetzenmüssen, um Kandidaten für die Funktion von Mitgliedern der ZKK aus-findig zu machen. Ich hoffe, daß sich für diese Funktion jetzt bei uns be-reits mehr als genug Kandidaten finden werden, sowohl aus den Reihender erfahrenen Mitarbeiter aller Behörden als auch aus den Reihen derStudierenden unserer Sowjetschulen. Es dürfte kaum richtig sein, diese

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Lieber weniger, aber besser 481

oder jene Kategorie von vornherein auszuschließen. Wahrscheinlich wird

für diese Institution, in de r wir eine Vereinigung vieler Eigenschaften, eineVereinigung ungleichartiger Vorzüge suchen müssen, eine mannigfaltigeZusammensetzung vorzuziehen sein, so daß man hier an der Aufstellungder Kandidatenliste eine Weile wird arbeiten müssen. Es wäre zum Bei-spiel ganz und gar unerwünscht, wenn das neue Volkskommissariat nacheiner Schablone zusammengesetzt würde, sagen wir, aus lauter typischenBeamtennaturen oder unter Ausschluß von Menschen mit agitatorischemEinschlag oder unter Ausschluß von Menschen, deren hervorstechendeEigenschaft Umgänglichkeit oder die Fähigkeit ist, in Kreise einzudringen,

die für Funktionäre dieser Art nicht allzu gewohnt sind, usw.

Ich glaube, ich werde meinen Gedanken am besten ausdrücken, wennich me inen Plan mit Institutionen v on akadem ischem Ty pu s vergleiche. DieMitglieder der ZKK werden unter Leitung ihres Präsidiums systematischan der Durchsicht aller Akten und Dokumente des Politbüros arbeitenmüssen. Zugleich werden sie ihre Z eit für die einzelnen Arbe iten z ur Kon-trolle der Geschäftsführung in unseren Institutionen, angefangen von den

kleinsten und speziellsten bis hinauf zu den obersten Staatsinstitutionen,richtig einteilen müssen. Schließlich werden zu ihrem Tätigkeitsbereichgehören die Beschäftigung mit der Theorie, d. h. mit der Theorie derOrganisation derjenigen Arbeit, der sie sich zu widmen gedenken, undpraktische Übungen unter der Leitung entweder von alten Genossen odervon Lehrern der höheren Lehranstalten für Arbeitsorganisation.

Ich glaube aber, sie werden sich keineswegs auf derartige akademischeArbeiten beschränken können. Sie werden sich gleichzeitig auf Arbeitenvorbereiten müssen, die ich nicht anstehen würde, als eine Ausbildung

zum Herausfischen, ich will nicht sagen: von Spitzbuben, aber doch vonLeuten dieses Schlages, zu bezeichnen, und zum Aushecken besondererKniffe, um die eigenen Vorhaben, Schachzüge usw. zu verschleiern.

Wenn in den westeuropäischen Institutionen derartige Vorschläge un-erhörte Empörung, das Gefühl sittlicher Entrüstung usw. hervorrufen wü r-den, so hoffe ich, daß wir uns noch nicht so weit verbürokratisiert haben,um dazu fähig zu sein. Noch hat die NÖP bei uns nicht eine solcheAchtung erworben, daß sich jemand bei dem Gedanken gekränkt fühlen

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würde, man könnte hier irgend jemand herausfischen wollen. Unsere

Sowjetrepublik wurde erst vor so kurzer Zeit errichtet, und es liegt einsolcher Haufen von allerhand Gerumpel herum, daß es kaum jemand inden Sinn kommen dürfte, sich bei dem Gedanken gekränkt zu fühlen, mankönnte unter diesem Gerumpel mit Hilfe gewisser Listen, mit Hilfe vonAnskundschaftungen, die mitunter auf ziemlich entlegene Quellen ge-richtet sind oder auf ziemlichen Umwegen verlaufen, Ausgrabungen vor-nehmen, sollte sich aber dennoch jemand gekränkt fühlen, so kann mansicher sein, daß wir einen solchen M enschen alle von ganzem Herzen aus-lachen werden.

Unsere neue Arbeiter- und Bauerninspektion wird hoffentlich die Eigen-schaft ablegen, die man auf französisch pruderie nennt, eine Eigenschaft,die wir als lächerliche Zimperlichkeit oder lächerliche Wichtigtuerei be-zeichnen können und die unserer ganzen Bürokratie, der Sowjet- wie derParteibürokratie, im höchsten Grade zupaß kommt. Nebenbei bemerkt,Bürokraten gibt es bei uns nicht nur in den Sowjet-, sondern auch in denParteiinstitutionen.

W enn ich oben geschrieben habe, daß wir in den Instituten für höhereArbeitsorganisation usw. lernen, unermüdlich lernen m üssen, so heißt das

keineswegs, daß ich dieses „Lernen" auch nur im geringsten schulmäßigverstehe oder daß ich mich auf den Gedanken an ein nur schulmäßigesLernen beschränken wollte. Ich hoffe, kein einziger wahrer Revolutionärwird mich im Verdacht haben, daß ich in diesem Falle von mir gewiesenhätte, unte r „Lernen" auch irgendeinen halb scherzhaften Streich, irgend-einen D reh, irgendeine Finte oder etwas von dieser Ar t zu verstehen. Ichweiß, in einem wohlanständigen und ernst zu nehmenden westeuro-päischen Staat riefe dieser Gedanke wahres Entsetzen hervor, und keineinziger ordentlicher Beamter wäre damit einverstanden, ihn auch nur zur

Debatte zu stellen. Doch hoffe ich, daß wir uns noch nicht so weit ver-bürokratisiert haben und daß bei uns die Erörterung dieses Gedankensnichts als Heiterkeit erregt.

In der Tat, warum sollte man nicht das Angenehme mit dem Nütz-lichen verbinden? Warum sollte man sich nicht irgendeines scherzhaftenoder halb scherzhaften Streichs bedienen, um etwas Lächerliches, etwasSchädliches, etwas halb Lächerliches oder halb Schädliches usw. auf-zudecken?

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Heber weniger, aber besser 483

Mir scheint, daß unsere Arbeiter- und Bauerninspektion nicht wenig

gewinnen wird, wenn sie diese Überlegungen in Erwägung zieht, und daßdie Liste der Fälle, vermittels deren unsere ZKK oder ihre Kollegen vonder Arbeiter- und Bauerninspektion einige ihrer glänzendsten Siege da-vongetragen haben, eine nicht geringe Bereicherung erfahren wird durchdie Abenteuer unserer künftigen „Rabkrinisten"* und „Zekakisten"**an Orten , die in wohlanständigen und prüden Lehrbüchern zu erwähnennicht ganz schicklich is t.

Wie kann man denn Parteiinstitutionen mit Sowjetinstitutionen ver-einigen? Liegt hier nicht etwas Unzulässiges vor?Ich stelle diese Frage nicht in meinem eigenen Namen, sondern im

Namen derer, auf die ich früher angespielt habe, als ich sagte, daß esBürokraten bei uns nicht nur in den Sowjet-, sondern auch in den Partei-institutionen gibt.

In der Tat, warum sollte man nicht die einen mit den anderen ver-einigen, wenn das Interesse der Sache es verlangt? Sollte es etwa jemandgeben, der niemals bemerkt ha t, daß in einem Volkskommissariat wie dem

für A uswärtige Angelegenheiten eine derartige Vereinigung außerordent-lichen Nutzen bringt und von allem A nfang an praktiziert wird? W erdendenn nicht im Politbüro vom Parteistandpunkt aus viele kleine und große

'Fragen beraten, bei denen es sich um „Gegenzüge" von unserer Seite alsAntwort auf die „Züge" ausländischer Mächte handelt, damit ihren, na,sagen wir: Listen, um nicht einen weniger anständigen Ausdruck zu be-nutzen, vorgebeugt werde? Ist denn diese elastische Vereinigung vonSowjetischem und Parteilichem nicht eine Quelle außerordentlicher Kraftin unserer Politik? Ich glaube, was sich in unserer Außenpolitik bewährt

und eingebürgert hat, was bereits so sehr zur Gewohnheit geworden ist,daß es auf diesem Gebiet keinerlei Bedenken hervorruft, das wird in bezogauf unseren gesamten Staatsapparat zum indest ebenso am Platze sein (ja,ich glaube, noch viel mehr am Platze sein). Und die Arbeiter- und Bauern-inspektion ist doch für unseren gesamten Staatsapparat bestimmt, ihreTätigkeit soll sich auf alle und jegliche staatlichen Institutionen ohne jede

* Mitarbeiter der Arbeiter- und Bauerninspektion. Der "Übers.** Mitglieder der Zentralen Kontrollkommission. Der Tibers.

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484 W.3. Lenin

Ausnahme erstrecken: auf die örtlichen wie auf die zentralen, auf die

kommerziellen wie auf die rein administrativen, auf die Lehranstalten,die Archive, die Thea ter u sw. — mit einem W o rt , auf alle ohne die ge-r ingste Ausnahme.

W ar um sollte nun für eine Institution m it solch breitem Spielraum, fürdie überdies noch außerordentlich geschmeidige Formen der Tätigkeiterforderlich sind — wa rum sollte für sie die eigenartige Verschm elzungeiner Parteikontrollinstitution mit einer Sowjetkontrollinstitution nichtzulässig sein?

Ich würde darin keinerlei Hindernis erblicken. Mehr noch, ich glaube,

eine solche Vereinigung bietet die einzige Gewähr für erfolgreiche Arbeit.Ich glaube, daß alle Zweifel, die diesbezüglich auftauchen, aus den alier-staubigsten Winkeln unseres Staatsapparats herrühren und daß sie nur dieeine Antwort verdienen, ausgelacht zu werden.

Ein anderes Bedenken: Ziemt es sich, die Lerntätigkeit mit der Amts-tätigkeit zu verbind en? M ir scheint, das ist nicht nu r angebracht, sondernauch erforderlich. Allgemein gesprochen, haben wir uns vom westeuro-

päischen Staatswesen, bei allem revolutionären Verhalten ihm gegenüber,bereits mit einer ganzer Reihe höchst schädlicher und lächerlicher Vor-urteile anstecken lassen, und zum Teil haben uns damit unsere liebenBürokraten absichtlich angesteckt, nicht ohne Vorbedacht, darauf speku-lierend, daß es ihnen immer wieder gelingen werde, unter Ausnutzungderartiger Vorurteile im trüben zu fischen; und sie haben bis zu einemsolchen Grade im trüben gefischt, daß nur ganz Blinde unter uns nichtgesehen haben, in welchem Umfang das praktiziert worden ist.

Auf dem gesamten Gebiet der gesellschaftlichen, ökonomischen und

politischen Beziehungen sind wir „schrecklich" revolutionär. Aber was denAmtsrespekt betrifft, die Wahrung der Formen und Zeremonien in derGeschäftsführung, so ist es gang und gäbe, daß an Stelle unseres „Revolu-tionism us" die muffigste R outine tritt. Hier kan n ma n oft genu g die höchstinteressante Erscheinung beobachten, daß sich im gesellschaftlichen Lebender größte Sprung nach vorn mit einer ungeheuren Zaghaftigkeit gegen-über den kleinsten Veränderungen verbindet.

D as ist auch begreiflich, weil die küh nste n Sc hritte nach vorn auf einem

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Heber weniger, aber besser 485

Gebiet lagen, das von jeher Domäne der Theorie war, auf einem Gebiet,

das hauptsächlich und sogar fast ausschließlich theoretisch kultiviert wurde .Angesichts der verhaßten bürokratischen Wirklichkeit pflegte sich derRusse innerhalb seiner vier Wände das Herz mit ungemein kühnen theo-retischen Konstruktionen zu erleichtern, und darum gewannen diese unge-mein kühnen theoretischen Konstruktionen bei uns einen ungewöhnlicheinseitigen Charakter. Bei uns vertrug sich sehr gut theoretische Kühnheitin den allgemeinen Konstruktionen mit erstaunlicher Zaghaftigkeit gegen-über irgendeiner ganz unbedeutenden Kanzleireform. Irgendeine gran-diose Agrarrevolution von W eltbedeutung w urde mit einer Kühnheit aus-

gearbeitet, wie sie in anderen Staaten unerh ört w ar, aber daneben versagtedie Phantasie bei irgendeiner Kanzleireform zehnten Grades; es gebrachan Phantasie, oder es gebrach an G eduld, um auf diese Reform dieselbenallgemeinen Grundsätze anzuwenden, die bei ihrer Anwendung auf all-gemeine Fragen so „glän zende" Resultate zeitigten.

Und deshalb vereinigen sich in unserem heutigen Alltagsleben in er-staunlichem Grade Züge von Tollkühnheit mit Zaghaftigkeit des Denkensgegenüber den geringfügigsten Veränderungen.

Ich glaube, daß es in keiner einzigen wirklich großen Revolution je

anders zugegangen ist, weil die wirklich großen Revolutionen geborenwerden aus den Widersprüchen zwischen dem Alten, zwischen dem, wasauf die Verarbeitung des Alten gerichtet ist, und dem ganz abstraktenStreben nach einem Neuen, das schon so neu sein muß, daß kein Quent-chen der alten Zeit mehr darin enthalten ist.

Und je schroffer diese Revolution, desto länger die Zeitspanne, wäh-rend der sich eine ganze Reihe solcher Widersprüche halten w ird.

Der allgemeine Zug unseres Alltagslebens ist jetzt folgender: Wirhaben die kapitalistische Industrie zerschlagen, haben alles getan, um diemittelalterlichen Einrichtungen, den gutsherrlichen Grundbesitz auszurot-ten, und haben auf diesem Boden eine Klein- und Zwergbauernschafthervorgebracht, die dem Proletariat folgt, weil sie Vertrauen zu den Er-gebnissen seiner revolutionären Arbeit hat. Mit diesem Vertrauen jedochbis zum Sieg der sozialistischen Revolution in den höherentwickelten Län-dern durchzuhalten, ist für uns nicht leicht, denn die Klein- und Zwerg-

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bauernschaft hält sich, insbesondere unter der NÖP, kraft ökonomischer

Notwendigkeit auf einem äußerst niedrigen Niveau der Arbeitsproduk-tivität. Anch die internationale Lage hat bewirkt, daß Rußland jetzt zu-rückgeworfen ist, daß die Arbeitsproduktivität des Volkes im großen undganzen jetzt bei uns beträchtlich geringer ist, als sie vor dem Krieg war.Die westeuropäischen kapitalistischen Mächte haben teils bewußt, teilsspontan alles mögliche getan, um uns zurückzuwerfen, um die Elementedes Bürgerkriegs in Rußland zu einer möglichst großen Verwüstung desLandes auszunutzen. Gerade ein solcher Abschluß des imperialistischenKrieges schien natürlich beträchtliche Vorteile zu bieten: Wenn wir das

revolutionäre Regime in Rußland nicht stürzen, so werden wir auf jedenFall seine Entwicklung zum Sozialismus erschweren — so ungefähr dach-ten diese Mächte, und von ihrem Standpunkt aus konnten sie gar nichtanders denken. Im Ergebnis erreichten sie eine halbe Lösung ihrer Auf-gabe. Sie haben das neue, von der Revolution geschaffene Regime nichtgestürzt, aber sie haben ihm auch die Möglichkeit genommen, sofort einensolchen Schritt vorwärts zu tun, der die Voraussagen der Sozialisten ge-rechtfertigt hä tte, der es den Sozialisten ermöglicht hätte , mit ungeheurerSchnelligkeit die Produktivkräfte zu entwickeln, alle jene Möglichkeiten

zu entfalten, die sich zum Sozialismus verdichtet hätten, und aller Weltanschaulich, augenfällig den Beweis zu liefern, daß der Sozialismus gigan-tische Kräfte in sich birgt und daß die Menschheit jetzt in ein neues Ent-wicklungsstadium eingetreten ist, das überaus glänzende Perspektiveneröffnet.

Es hat sich jetzt ein solches System internationaler Beziehungen heraus-gebildet, daß in Europa ein Staat von den Siegerstaaten geknechtet ist,nämlich Deutschland. Ferner befinden sich mehrere Staaten, und zw ar dieältesten Staaten des Westens, infolge ihres Sieges in einer Lage, in der

sie diesen Sieg dazu benutzen können, ihren unterdrückten Klassen eineReihe unwichtiger Zugeständnisse zu machen, die immerhin die revolu-tionäre Bewegung in diesen Ländern hinauszögern und eine Art „sozialenFriedens" schaffen.

Gleichzeitig wurde eine ganze Reihe von Ländern — der Orient, Indien,China usw. — gerade infolge des letzten imperialistischen Krieges endgül-tig aus dem gewohnten Geleise geworfen. Ihre Entwicklung ha t endgültigdie allgemein-europäische kapitalistische Richtimg genommen. In diesen

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Geber weniger, aber besser 487

Ländern hat die gleiche Gärung wie in ga nz Europa begonnen. U n d jetzt

ist es aller Welt klar, daß sie von einer Entwicklung erfaßt sind, diezwangsläufig zu einer Krise des gesamten Wettkapitalismus fähren muß.

Wir stehen somit gegenwärtig vor der Frage: Wird es uns gelingen,angesichts unserer klein- u nd zwergbänerlichen Produk tion, angesichts derZerrüttung unserer Wirtschaft so lange durchzuhalten, bis die westeuro-päischen kapitalistischen Länder ihre Entwicklung zum Sozialismus voll-enden werd en? Ab er sie vollenden diese Entwicklung nicht so, wie w ir e sfrüher erwartet haben. Sie vollenden sie nicht dadurch, daß der Sozialis-mus in diesen Ländern gleichmäßig „ausreift'', sondern auf dem Wege

der Ausbeutung der einen Staaten durch die anderen, auf dem W ege derAusbeutung des ersten während des imperialistischen Krieges besiegtenStaates, verbunden mit der Ausbeu tung des gesamten Ostens. D er Ostenanderseits wurde eb en infolge dieses ersten imperialistischen Krieges end -gültig von der revolutionären Bewegung erfaßt und endgültig in den all-gemeinen Strudel der revolutionären Weltbewegung hineingerissen.

Welche Taktik wird nun durch eine solche Lage der Dinge für unserLand vorgeschrieben? Offenbar die folgende: Wir müssen die größteVorsicht walten lassen, um unsere Arbeitermacht z u behaupten, um unsere

Klein- und Zwergbauernschaft unter der Autorität und Führung derArbeitermacht zu behalten. W ir haben auf unserer Seite das Plus, daß dieganze Welt jetzt bereits in eine Bewegung eintritt, die die sozialistischeW eltrevolution zu r Folge haben mu ß. Ab er wir haben auf unserer S ehedas Minu s, daß es de n Imperialisten gelungen ist, die ganze W e h in zw eiLager zu spalten, wobei diese Spaltung-noch dadurch kompliziert wird,daß es für Deu tschland, ein Land v on w irklich fortgeschrittener, kulturel-ler kapitalistischer Entwicklung, jetzt im höchsten Grade schwierig ist,sich wieder aufzurichten. Alle kapitalistischen Mächte des sogenannten\7estens hacken auf Deutschland ein und lassen es nicht auf die Beinekommen. Und anderseits ist der ganze Osten mit setner nach Hundertenvon Millionen zählenden ausgebeuteten werktätigen Bevölkerung, die andie äußerste Grenze menschlichen Elends getrieben ist, in Verhältnisseversetzt, wo seine physischen und materiellen Kräfte absolut keinen Ver-gleich mit den physischen, materiellen und militärischen Kräften irgend-eines der viel kleineren w esteuropäischen Staaten andiafapn

Können wir uns vor dem komm enden Zusamm enstoß mit diesen impe-

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rialistisdien Staaten retten? Besteht für uns die Hoffnung, daß die inneren

Widersprüche und Konflikte zwischen den erfolgreichen imperialistischenStaaten des Westens and den erfolgreichen imperialistischen Staaten desOstens uns ein zweites Mal eine Atempause gewähren w erden, wie sie esdas erstemal getan haben, als der Feldzug der westeuropäischen Konter-revolution, gerichtet auf die Unterstützung der russischen Konterrevo-lution, infolge der Gegensätze im Lager der Konterrevolutionäre desWestens un d des Ostens, im Lager der östlichen an d der westlichen Aus-bea ter, im Lager Japans und Amerikas scheiterte?

Diese Frage, scheint mir, wird dahin zu bean tworten sein, daß die Ent-

scheidung hier von allzu vielen Umständen abhängt un d der Ausgang desKampfes sich im großen und ganzen nur auf der Grund lage voraussehenläßt, daß die gigantische Mehrheit der Erdbevölkerung schließlich durchden Kapitalismus selbst für den Kampf geschalt und erzogen wird.

Der Aasgang des Kampfes hängt in letzter Instanz davon ab, daß R uß-land, Indien, China usw. die gigantische Mehrheit der Erdbevölkerungstellen. Gerade diese Mehrheit der Bevölkerung wird denn auch in denletzten Jahren mit ungewöhnlicher Schnelligkeit in den Kampf am ihreBefreiung hineingerissen, so daß es in diesem Sinne nicht den geringsten

Zweifel darüber geben kann, wie die endgültige Entscheidung des Kamp-fes im Weltmaßstab aasfallen wird. In diesem Sinne ist der endgültigeSieg des Sozialismus vollständig an d unbeding t gesichert.

Aber uns interessiert nicht diese Unausbleiblichkeit des Endsieges desSozialismas. Uns interessiert die Taktik, die wir, die KommanistischePartei Rußlands, wir, die Sowjetmacht Rußlands, befolgen müssen, umdie konterrevolutionären westeuropäischen Staaten zu hindern, ans zuerdrücken. Damit unsere Existenz gesichert ist bis zum nächsten kriege-rischen Zusammenstoß zwischen dem konterrevolutionären imperialisti-

schen Westen und dem revolutionären und nationalistischen Osten, zwi-schen den zivilisiertesten Staaten der Welt und den orientalisch zurück-gebliebenen Staaten, die jedoch die Mehrheit ausmachen — muß es dieserMehrheit gelingen, sich zu zivilisieren. Uns mangelt es ebenfalls anZivilisation, am unmittelbar zum Sozialismus überzugehen, obwohl wirdie politischen Voraussetzungen dafür haben. W ir müssen ans an die fol-gende Taktik halten bzw. zu unserer Rettung die folgende Politik an-nehmen.

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Heber weniger, aber besser 489

W ir müssen danach streben, einen Staat aufzubauen, in dem die Arbei-

ter die Führung über die Bauern behaupten, sich das Vertrauen derBauern bewahren und durch größte Sparsamkeit jede Spur jedwedenüberflüssigen Aufwands aus ihrer Gesellschaftsordnung ausmerzen.

Wir müssen unseren Staatsapparat auf die größte Sparsamkeit ein-stellen. Wir müssen jede Spur überflüssigen Aufwands aus ihm ausmer-zen, der sich in ihm vom zaristischen Rußland, von seinem bürokratisch-kapitalistischen Apparat noch in so großem Ausmaß erhalten hat.

W ird das nicht ein R«ich bäuerlicher Beschränktheit sein?Nein. Wenn wir die Führung der Arbeiterklasse über die Bauernschaft

behaupten, dann wird es uns um den Preis größter, allergrößter Sparsam-keit in der Wirtschaft unseres Staates möglich sein, zu erreichen, daßjede noch so kleine Einsparung der Entwicklung unserer maschinellenGroßindustrie, der Entwicklung der Elektrifizierung, der Hydrotorfge-winnung, der Fertigstellung des Baus des Wolchowkraftwerks usw. zu-gute kommt.

Darin, und nur darin, wird unsere Hoffnung liegen. Nur dann werdenwir imstande sein, um es bildlich auszudrücken, uns von.dem einen Pferdauf das andere zu setzen, nämlich von dem Bauernklepper, von dem her-

untergekommenen Gaul des Mushiks, dem Pferd der Sparmaßnahmen,die auf ein verarmtes Bauernland berechnet sind — auf ein Pferd, wie esdas Proletariat für sich sucht und suchen muß, auf das Pferd der maschi-nellen Großindustrie, der Elektrifizierung, des Wolchowkraftwerks usw.

So verbinde ich in meinen Gedanken den allgemeinen Plan unsererArbeit, unserer Politik, unserer Taktik, unserer Strategie mit den Auf-gaben der reorganisierten Arbeiter- und Bauerninspektion. Darin bestehteben für mich die Rechtfertigung der außerordentlichen Fürsorge, deraußerordentlichen Aufmerksamkeit, die wir der Arbeiter- und Bauern-

inspektion widmen müssen, indem w ir sie auf eine außerordentliche Höheheben, ihr eine Leitung mit den Rechten des ZK geben usw. usf.Diese Rechtfertigung besteht darin, daß wir nur vermittels einer maxi-

malen Reinigung unseres Apparats, vermittels eines maximalen Abbausalles dessen, was darin nicht absolut notwendig ist, imstande sein w erden,ans mit Sicherheit zu behaupten. Und zwar werden wir imstande sein, unszu behaupten—nicht auf dem Niveau eines kleinbäuerlichen Landes, nichtauf dem Niveau dieser allgemeinen Beschränktheit, sondern auf einem

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490 TV.1. Lenin

Niveau, das unablässig steigt, aufwärts und stetig vorwärts zur maschinel-

len Großindustrie.Das sind die hohen Aufgaben unserer Arbeiter- und Bauerninspektion,

von denen ich träume. Zu diesem Zweck entwerfe ich für sie den Planeiner Verschmelzung der maßgebendsten Parteispitze mit einem „gewöhn-lichen" Volkskommissariat.

2. März 1923

.Trawda' Tlr.,49, TJadb dem 7ext der .Vrawda',4.!Märzi923. vergMdoen mit der stenogra-Vntersdbrift: 71. Lenin. fisdben Weders&rift.

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ANMERKUNGEN

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49 3

1 Die Xomm unistisdie Arbeiterpartei Deutschlands (XAPT)) wurde im April

1920 von Vertretern des Linksradikalismus gebildet, die ans der K PD aa s-geschlossen worden waren. Die von ihren Führern vertretenen anarcho-syndikalistischen Auffassungen wurden vom II. und III. Kongreß der Kom-manistischen Internationale entschieden zurückgewiesen. Die ehrlichen pro-letarischen Kräfte dieser Partei brachen bald mit den linksradikalen Füh-rern und fanden zur KP D zurück, i

2 Lenin meint die Fehler, die die Verfechter linkssektiererischer Ansichtenwährend der M ärzkäm pfe des deutschen Proletariats 1921 begingen, indemsie bei der Abwehr der von der Monopolbourgeoisie und den Großgrund-besitzern mit Hilfe rechter sozialdemokratischer Führer organisierten kon-

terrevolutionären Provokation in Mitteldeutschland die Taktik der Offen-sive propagierten, obgleich die objektiven Bedingungen für eine erfolgreichebewaffnete Erhebung nicht gegeben waren. Diese Taktik hatte vor denMärzkämpfen auch in der VKPD Verbreitung gefunden. Sie beruhte aufder antileninistischen „Offensivtheorie", die ohne Berücksichtigung desrealen Kräfteverhältnisses der Klassen die Offensive um jeden Preis for-derte. M it Hilfe W . I. Lenins und des III. W eltkongresses der Kommu-nistischen Internationale gelang es der VK PD , die richtigen Lehren aus derM ärzaktion zu ziehen, in der die revolutionären A rbeiter trotz ihres helden-haften Widerstands eine blutige Niederlage erlitten hatten. Die VKPD

kehrte nach den Märzereignissen zu der mit ihrem „Offenen Brief" vomJanuar 1921 begonnenen Politik einer erfolgreichen Massenarbeit zurück.Zu r Einschätzung der M ärzkämpfe durch W . I. Lenin siehe We rke, Bd. 32,S. 491-500 und 537 -548. 5

3 .Ekonomitsdbeskaja Shisn" (Das Wirtschaftsleben) - Tageszeitung, dievon November 1918 bis November 1937 in Moskau erschien. Sie war an-fangs ein Organ des Obersten Volkswirtschaftsrats und der Volkskommis-sariate für Wirtschaft der RSFSR, dann des Rats für Arbeit und Verteidi-

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494 Anmerkungen

gong, der Staatlichen Plankommission, der Staatsbank und des Volkskom-

missariats für Finanzen der UdSSR . 1 0• D er Jiat für Arbeit und Verteidigung wurde im April 1 930 an Stelle des

Rats de r Arbeiter- und Banemverteidignng geschaffen. Vorsitzender warLenin. Auf Beschluß des VHI. Gesamtrussischen Sowjetkongresses vom29 . Dezember 1 920 begann der Rat für Arbeit und Verteidigung als Kom-mission des Rats der Volkskommissare zu fungieren; er bestand bis 1937.12

5 Lenin meint den Beschluß des VÜ I. Gesamtrassischen Sowjetkongresses(22. -29. Dezember 1920) „Ober den Sowjetaufbau". 15

• Die Parteireinigung von 1921 wurde laut Beschloß des X. Parteitags in der

zweiten Hälfte des Jahres 1921 durchgeführt. Im Ergebnis der Reinigungworden rund 1 70 00 0 Personen, d. h. etwa 25 Prozent der Gesamtmitglied-scfaaft, ans der Partei ausgeschlossen. 19

7 Der Brief .über die Aufgabe n der Arbeiter- und Bauenünsp ektion, wie

sie aufzufassen und durdrzufübren sind' wurde auf Grand eines „vorläu-figen" Berichts der Sektion Brennstoff der indusü ietedmischen Abteilungdes V olkskommissariats der Arbeiter- un d Banerninspektion o ber die Brenn-stofflage und ober die Arbeit der Organe für BrennstoflVersorgnng ge-schrieben. 22

8

D er Vm. Qesamtrussisdbe Elektrotedbnisdbe Kongreß wurde au f InitiativeLenins einberufen und tagte vom 1 . bis 9 . Oktober 1921 in Moskau. Etwa900 Personen — Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker and auch Arbeiterverschiedener Betriebe - nahmen daran teil.

Lenin wurde zum Ehrenvorsitzenden des Kongresses gewählt. Sein Be-grüßungsschreiben wurde am 9 . Oktober 1921 in der Vormittagssitzungverlesen. 29

• Lenin meint das Bach „Plan für die Elektrifizierung der RSFSR. Berichtder Staatlichen Kommission für- die Elektrifizierung Rußlands an denVm.Sowjetkongreß", Moskau 1920 . W.I.Lenins Einschätzung dieses

Buches siehe Werk e, Bd. 31 , S. 51 1 -51 5, sowie Bd. 32, S . 1 3 2 - 1 3 7 , 4 1 5 und481/482. 29u Basler Manifest vo n 191 2 - das Manifest über den Krieg, das auf dem

außerordentlichen Kongreß der EL Internationale, der am 24 . und 25 . N o -vember 1 91 2 in Basel stattfand, «HngHnimig angenommen wurde. D as Mani-fest verwies auf die räuberischen Ziele des drohenden imperialistischenKrieges und rief die Sozialisten aller I ande r auf, einen energischen Kampfgegen den Krieg z a fuhren. Es übernahm aas der Resolution des Stutt-garter Kongresses der II. Internationale von 1 907 den von W . I. Lenin and

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Anmerkungen 495

Rosa Luxemburg stammenden Hauptgedanken, daß die Sozialisten für den

Fall.des Ausbruchs eines imperialistischen Krieges die ökonomische undpolitische Krise, die durch den Krieg hervorgerufen werden würde, für denKampf um die sozialistische Revolution ausnützen müßten.

Die Führer der II. Internationale, K autsky, Vandervelde u. a., die für dasMa nifest gestimmt hatten, gaben das Basler Manifest, als 1914 der Welt-krieg ansbrach, der Vergessenheit preis and stellten sich auf die Seite ihrerimperialistischen Regierangen. 37

u Der JJ. Qesamtrussisdbe "Kongreß der Ausschüsse fü r poUtisA-kulturette

Aufklärung fand vom 1 7. bis 22. Oktober 1 921 in Moskau statt Es waren307 D elegierte anwesend. Lenin hielt sein Referat am 1 7. Oktober 1 921

gegen Ende d er Abendsitzung. 40a Der Beschluß des Gesamtnissischen Zentralexekutivkomitees vom 29 . April

1918 wurde auf Grund von Lenins Referat „ober die nächsten Aufgabender Sowjetmacht' gefaßt. Die in diesem Referat und in dem Artikel „Dienächsten Aufgaben der Sowjetmacht'' dargelegten Grundsätze faßte Leninin sechs Thesen zusammen, die das Zentralkomitee der Partei am 3. M ai1918 mit unbedeutenden Ergänzungen einstimmig annahm. (Siehe „SechsThesen ober die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht'', Werke, Bd. 27 ,S. 306-309.) 42

1 3 Qouoernements-'Wirtsdbaftsberatungen - örtliche Organe des Rats für

Arbeit und Verteidigung, die auf Grand eines Beschlusses des VEDL Ge-samtrussischen Sowjetkongresses im Dezember 1920 bei den Gouverne-ments-Exekutivkomitees der Sowjets geschaffen wurden. 57

1 4 Die VII. Moskauer Qouvernements-Parteikonferenz fand vom 29. bis31 . Oktober 1921 statt. Es waren 637 Delegierte anwesend. In der erstenSitzung am 29. O ktober nahm die Konferenz Lenins Referat über die Neu eÖkonomische Politik entgegen.

Auf der Tagesordnung der Konferenz standen außerdem ein Referatüber die Arbeit der Gouvernements-Wirtsdbaftsberatnng, der Rechen-schaftsbericht des Moskauer Komitees der KPR(B), der Bericht über die

Parteireinigung, der Bericht der Revisionskommission, der Bericht der Kon-trollkommission, organisatorische und andere Fragen. 61

1 5 Lenin meint u. a. seine Artikel „Die Hauptaufgabe unserer Tage", „Dienächsten Aufgaben der Sowjetmacht", „über Jinke' Kinderei und überKleinbürgerlichkeit". (Siehe Werke, Bd. 27, S. 146-151, 225-268 und 315bis 347.) 57

" Siehe W . I. Lenin, Werke, Bd. 27, S. 306-309. 69» .Moskowski Listok ObjauAeni' (Moskauer Anzeigenblatt) - wurde von

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496 Anmerkungen

einer Gruppe Privatunternehmer herausgegeben; erschien in Moskau von

Oktober 1921 bis Februar 1922. 70« Siehe Karl M arx/F riedr idi Engels, We rke, Bd. 34, S. 126 ; Bd. 36, S. 252 .

9119 Siehe Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 18, S. 534. 9 2

2» Siehe W. I. Lenin, Werke, Bd. 17, S. 265. 9421 Von den Arbeitern der Prochorowschen Manufaktur (heute mit dem Lenin-

orden und mit dem Orden des Roten Arbeitsbanners ausgezeichnetes Staat-l iches Unions-Baumwollkombina t „Tr jochgorn a ja -Manuf aktura" F .E . Dzie-rzynski) w a r Lenin z u m Mitg l i ed d e s Moskauer Sowje ts d e r Arbei te r- ,

Bauern- und Rotarmistend eput ie r ten gewähl t worden. An d er Versammlun g,auf der Lenin a m 6. Nov embe r sprach , nahm en meh r a l s 2000 Menschenteil . 99

22 Die hier erwähnte Broschüre m i t dem Tite l „Zur Frage d e r N e u e n ö k o -nomischen Polit ik (Zwei alte Artikel u n d e i n noch älteres Nachwor t ) "wurde nicht herausgegeben. Statt dessen erschien 1921 d ie Broschüre:N. Lenin, „Zur F rage d e r Neuen ökonomischen Po l i t ik" mit den Artikeln„Zum vier ten Jahres tag der Oktoberrevolut ion" u n d „ Ü b e r die Bedeutungdes Goldes jetzt u n d nach dem vollen Sieg des Sozialismus". (Siehe den vor-l iegenden Band, S. 31-39 und 9 0 - 9 8 . ) 10 4

23 Siehe W. I. Lenin, Werke, Bd. 29, S. 39-73. iO 424 Die Frage der Bildung einer'Föderation der transkaukasischen Republiken

wurde im Zentralkomitee der Partei auf Initiative der transkaukasischenPartei- und Sowjetorgane im November 1921 gestellt.

Der Entwurf w urde vom Politbüro des ZK am 29. Novem ber 1921 an-genommen. 110

25 Der I. Landwirtsdhaftskongreß des Moskauer Qouvernements fand vom28. bis 30. November 1921 statt. Es waren mehr als 300 Delegierte, Bauernund Mitarbeiter landwirtschaftlicher Verwaltungsstellen, anwesend. Lenin

sprach vor den Kongreßteilnehmern am 29. November 1921. 11126 „La Voix Paysanne" ( D i e Bauernst imme) - Wochenb la t t f ü r d i e werk-

tä t igen Bauern; wurde v o n d e r Kommunistischen Partei Frankreichs v o n1920 bis 1937 in Pari s herausg egeben . 11 3

27Xohnen (colons) - Siedler oder Kolonisten, die beim Grundbesitzer Landpachte ten u n d i h m dafür einen Teil ihrer Einkünfte oder d e r E r n t e a b -l iefern mußten. 113

28 E s handelt sich u m Friedrich Engels ' Artikel „Die Bauernfrage in Frank-

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Anmerkungen 497

reich und Deutschland". (Siehe Karl M arx/Friedrich Engels, Werke, B d . 22,

S. 483-505.) 11729 D e n „ B r i e f an die M i tg l ie d e r des P o l i t b ü r o s ü b e r die P a r t e i r e i n i g u n g und

ü b e r die B e d i n g u n g e n für die A u f n a h m e in die P a r t e i " s c h r i e b L e n i n , w e i ld i e s e F r a g e a u f d e r T a g e s o r d n u n g d e r X I . G e s a m t r u s s i s c h e n K o n f e r e n z d e rK P R ( B ) s t a n d , d i e v o m 1 9 . b i s 2 2 . D e z e m b e r 1 9 2 1 s t a t t f a n d . A n d e r K o n -f e r e n z s e l b s t k o n n t e L e n i n k r a n k h e i t s h a l b e r n i c h t t e i l n e h m e n .

N a c h d e m R e f e r a t ü b e r d i e P a r t e i r e i n i g u n g n a h m d i e K o n f e r e n z i m P r i n -z i p e i n e R e s o l u t i o n „ o b e r d i e F e s t i g u n g d e r P a r t e i , a u s g e h e n d v o n d e n E r -f a h r u n g e n b e i d e r Ü b e r p r ü f u n g i h r e s M i t g l i e d e r b e s t a n d e s " a n , d i e d a n na u f e i n e r B e r a t u n g d e r S e k r e t ä r e d e r G e b i e t s k o m i t e e s , d e r G e b i e t s b ü r o s

d e s Z K u n d d e r G o u v e r n e m e n t s k o m i t e e s d e r K P R ( B ) ( 2 7 . - 2 9 . D e z e m -b e r 1 9 2 1 ) e n d g ü l t i g a u s g e a r b e i t e t u n d v o m Z K u n d v o m X I . P a r t e i t a g d e rK P R ( B ) b e s t ä t i g t w u r d e . 1 2 1

30 D e r IX . Q e s a m t r u s s i s d b e S o w j e t k o n g r e ß t a g t e v o m 2 3 . b i s 2 8 . D e z e m -b e r 1 9 2 1 i n M o s k a u . E s w a r e n 1 9 9 3 D e l e g i e r t e a n w e s e n d . L e n i n e r s t a t t e t ed e n R e c h e n s c h a f t s b e r i c h t d e s G e s a m t r u s s i s c h e n Z e n t r a l e x e k u t i v k o m i t e e su n d d e s R a t s d e r V o l k s k o m m i s s a r e ü b e r d i e I n n e n - u n d A u ß e n p o l i t i k d e rR e p u b l i k a m A b e n d d e s 2 3 . D e z e m b e r , w o n a c h d e r K o n g r e ß e i n s t i m m i gd i e T ä t i g k e i t d e r S o w j e t r e g i e r u n g w ä h r e n d d e s B e r i c h t s j a h r e s b i l l i g t e . D e rK o n g r e ß n a h m e i n e D e k l a r a t i o n ü b e r d i e i n t e r n a t i o n a l e L a g e d e r R S F S R

a n , d i e a u f G r u n d d e r i m v o r l i e g e n d e n B r i e f e n t h a l t e n e n H i n w e i s e v o nL e n i n a b g e f a ß t w a r . F e r n e r n a h m e r d i e v o n L e n i n v e r f a ß t e „ D i r e k t i v e f ü rd i e A r b e i t a u f w i r t s c h a f t l i c h e m G e b i e t " a n ( s i e h e d e n v o r l i e g e n d e n B a n d ,S . 1 6 3 - 1 6 6 ) u n d f a ß t e B e s c h l ü s s e z u F r a g e n d e r I n d u s t r i e u n d L a n d w i r t -s c h a f t . 1 2 2

31 D i e W a s h i n g t o n e r " K o n f e r e n z f a n d v o m 1 2 . N o v e m b e r 1 9 2 1 b i s 6 . F e -b r u a r 1 9 2 2 s t a t t . D i e U S A , I n i t i a t o r d i e s e r K o n f e r e n z , e r r e i c h t e n e i n eS t ä r k u n g i h r e r p o l i t i s c h e n , w i r t s c h a f t l i c h e n u n d m a r i t i m e n P o s i t i o n e n i mF e r n e n O s t e n . S o w j e t r u ß l a n d w a r z u d e r K o n f e r e n z n i c h t e i n g e l a d e n w o r -d e n . D i e W a s h i n g t o n e r K o n f e r e n z t r u g d a z u b e i , d i e W i d e r s p r ü c h e z w i -

s c h e n d e n i m p e r i a l i s t i s c h e n M ä c h t e n n o c h m e h r z u v e r s c h ä r f e n . 13832 M i t d e m B a u d e s S t a a t l i c h e n B e z i r k s k r a f t w e r k s W . I . L e n i n i n S c h a t u r a

w u r d e 1 9 1 8 b e g o n n e n . D e r e r s t e T e i l d e r A n l a g e m i t e i n e r K a p a z i t ä t v o n5 0 0 0 K i l o w a t t w u r d e 1 9 2 0 i n B e t r i e b g e n o m m e n .

D e r B a u d e s K r a f t w e r k s i n K a s c h i r a s o l l t e p l a n m ä ß i g E n d e 1 9 2 1 a b g e -s c h l o s s e n s e i n . A m 4 . J u n i 1 9 2 2 w a r d e r e r s t e T e i l d e r A n l a g e ( 1 2 0 0 0 K i l o -w a t t ) f e r t i g g e s t e l l t , u n d d a s K r a f t w e r k w u r d e i n B e t r i e b g e n o m m e n . L e n i n ,d e r d e m K r a f t w e r k i n K a s c h i r a g r o ß e B e d e u t u n g b e i m a ß , u n t e r s t ü t z t e d e n

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498 Anmerkungen

Bau ständig durch Hinweise und half bei der Beschaffung von Arbeits-

kräften sowie bei der Versorgung mit der notwendigen Ausrüstung, mitBrennstoff und Industrieerzeugnissen. 153

38 Der Bau des Kraftwerks „Roter Oktober" (vormals Utkina Sawod) wurde1922 abgeschlossen und der erste Teil der Anlage mit einer Kapazität von10 000 Kilowatt am 8. Oktober 1922 in Betrieb genommen. 154

34 Lenin meint die Gerichtsverhandlung in Moskau vom 15. bis 18. Dezem-ber 1921 gegen 35 Privatunternehmer, die wegen Verletzung des geltendenArbeitsrechts, Ausbeutung von Minderjährigen, Jugendlichen und Frauen,Verlängerung des Arbeitstages und anderer Verletzungen der Sowjet-gesetze angeklagt waren. i55

35 Die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften unter den Verhältnissender Neuen Ökonomischen Politik wurden auf der Plenartagung des ZK derKPR(B) a m 28 . Dez emb er 1 921 erörtert, woraufhin Lenin einen The sen-entwurf über die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften schrieb.

A m 1 2. Januar 1 922 erörterte das Politbüro des Z K diesen Entwurf undbeauftragte eine Redaktionskommission, der Lenin angehörte, eine end-gülti ge Fassung herzustellen, die dem XI . Parteitag z ur Beschlußfassungvorgelegt werden konnte. Im vorliegenden Band handelt es sich um die demParteitag vorgelegte, überarbeitete Fassung. 169

36 D er .Entwurf einer D irektive des Politbüros des ZK der XPXCB) über die

Tieue ökonomisdbe "Politik" wurde in der Sitzung des Politbüros des ZKam 1 2. Januar 1 922 erörtert und im Prinzip angenom men. A m 1 6. Januar1922 wurde die Direktive endgültig bestätigt und am 21. Januar 1922 denVolkskommissaren übermittelt. i& 2

37 Mit der Grußadresse .An die Werktätigen D agestans" beantwortet Lenineinen Brief des Rats der Volkskommissare der Dagestanischen Sozialisti-schen Sowjetrepublik, worin mitgeteilt wurde, daß mit der Ausbeute derBodenschätze begonnen worden sei. Die gewonnenen ersten zwei PudQuecksilber wurden Lenin als Produktionsgeschenk überreicht. 184

38 Len in schrieb de n Brief im Hinblic k auf den I. Sowj etkong reß Geo rgie ns,der vom 25. Februar bis 3. Mä rz 1 922 tagte.

Der Vorschlag über die Verstärkung der Georgischen Roten Armee wardurch die aggressive Haltung der englischen Imperialisten und durch dieHetzkampagne hervorgerufen worden, die die reaktionäre imperialistischePresse zusammen mit den Führern der II. und der zweieinhalbten Inter-nationale und den georgischen Menschewiki gegen die Sowjetrepublik ent-feitet hatte. Mi t dem Ziel , Georgien von Sowjetrußland abzutrennen u nd

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Anmerkungen 4 9 9

es den ausländischen Imperialisten auszuliefern, forderten sie den Abzug

der Roten Armee ans Georgien.De r erste Sowjetkongreß G eorgiens nahm nach einem Referat G. K.

Ordshonikidses einen Appell „über die Rote Armee" an, in dem er dieVerstärkung des vorhandenen Kerns der Georgischen Roten Armee alsHauptaufgabe bezeichnete und die Regierung der Russischen Sowjetrepu-blik bat, die Trupp en der Roten Arm ee nicht aus Georgien abzu ziehen . 1 85

39 D as Zivilgesetzbuch wu rde au f Grund der von Lenin im Brief a n D . I. Kurskidargelegten Direk tiven überarbeitet und auf der III. und IV . Ta gu ng desGesamtrussischen ZEK d er IX. W ahlperiode ( im Mai u nd Oktober 1 922)behandelt . D ie IV. Tag ung faßte den Beschluß, das Zivi lgesetzbuch ab

1 . Januar 1 923 einzuführen. (Siehe Lenins Rede auf der IV. Tag ung desGesamtrussischen ZEK der IX. Wahlperiode im vorliegenden Band, S. 376bis 382.) i86

*° Lenin spricht von der Genuakonferenz.D i e Qenuakonferenz („Internationale Wirtschaftskonferenz") fand vom

1 0. April bis 1 9. M ai 1 922 in Genu a (Ital ien) unter Tei lnahme der Ver-treter Sowjetrußlands, Englands, Frankreichs, Italiens, Belgiens, Japans,Deutschlands und 21 anderer Staaten statt . Der Vertreter der USA nahmals „Beobachter" teil.

Die imperialistischen Mächte versuchten auf der Konferenz, die wirt-schaftlichen Schwierigkeiten Sowjetrußlands auszunutzen, um ihm ein Ab-kommen mit knechtenden Bedingungen aufzuzwingen. Sie forderten dieBezah lung aller Schulden der Zarenregierung, einschließlich der Vork riegs-schulden, Rückgabe der nationalisierten Betriebe an die ausländischen Be-sitzer u. a.

W . I . Lenin wurde auf der außerordentl ichen Tag ung des Gesamt-russischen ZEK am 27 . Januar 1 922 zum Leiter der sowjetischen Deleg ationbestimmt. Er konnte zwar nicht selbst nach Genua fahren, leitete aberfaktisch die gesamte Arbeit der sowjetischen Delegation, indem er den

Mitgliedern der Delegation Hinweise gab betreffend die Behandlung derverschiedenen Probleme und den Inhalt der Memoranden, die der Konfe-renz im Na me n der Söwjetregienmg vorgelegt wurden.

Die sowjetische Delegation lehnte die unverschämten Forderungen derImperialisten ab und machte Vorschläge für eine allgemeine Abrüstungund die Annullierung sämtlicher Kriegsschulden. Infolge der feindseligenHaltung Frankreichs und Englands gegenüber Sowjetrußland wurde dieKonferenz abgebrochen. Mit der Behandlung der offenen Fragen wurdeeine Sachverständigenkonferenz beauftragt, die im Juni und Juli 1922 im

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500 Anmerkungen

H aag zusamm entrat. Ebenso wie in G enua endeten die Verhandlungen auch

im H aa g ergebnislos.Die Hauptaufgaben der Sowjetregierung auf dem Gebiet der Außen-

politik im Zusammenhang mit den Konferenzen von Genua und dem Haaglegte1 Lenin in seinen Reden in der Sitzung der kommunistischen Fraktiondes Gesamtrussischen Verbandstages der Metallarbeiter und auf demXI. Parte itag da r. (Siehe den vorliegenden Band, S. 197-204 und 249-252 .)1 87

41 Der Artikel .Notizen eines Publizisten, 'über das Besteigen hoher Berge,über die Söiädlidhkeit der Verzagtheit, über den Nutzen des Han dels, überdas Verhältnis zu den IMensdhewiki u. dgl. m." blieb unvollendet. i8S

42 .Smena-TVedh"-Leute - e i ne in w e i ß g a r d i s t i s c h e n E m i g r a n t e n k r e i s e n d e r

I n t e l l i g e n z e n t s t a n d e n e G r u p p e . S i e e r h i e l t d i e s e Beze i chnung nach d e m

S a m m e l b a n d „ S m e n a W e c h " ( W e c h s e l d e r W e g z e i c h e n ) , d e r i m J u l i 1 9 2 1

i n P r ag e r s ch i en . N achdem s i ch d i e „ S m e n a - W e c h " - L e u t e d a v o n ü b e r z e u g t

h a t t e n , d a ß e s völ l ig auss i cht s los w a r , d i e Sow j e t m ach t du r ch e i ne a u s -

l änd i s che m i l i t ä r i s che I n t e r ven t i on s t ü r zen z u w ol l en , r echne t en s ie da r au f ,

d a ß d i e E i n f ü h r u n g d e r N e u e n ö k o n o m i s c h e n P o l i t i k z u e i ne r i nne r en E n t -

artung des Sowjetstaates führen werde. iS94 3 D e r V. Qesamtrussisdie Verbandstag de r Metallarbeiter f a n d v o m 3 . b i s

7 . M ä r z 1922 in M o s k a u s t a t t . E s w a r e n 3 1 8 D el eg i e r t e anw es end , d i em e h r a l s eine ha lbe Mi l l ion gewerkschaft l ich o rgani s i er t e r Me ta l l a rb e i t e r

ve r t r a t en . Len i n s p r ach a m 6 . M ä r z i n d e r V or m i t t ags s i t zung d e r k o m m u -

ni s t i s chen Frakt ion d e s V e r b a n d s t a g e s . 197

4 4 Lenin bezieht s i ch a u f d i e „ R e d e ü b e r d i e Ste l lung z u r Provi sor i schen

R e g i e r u n g " i n de r S i t z u n g des I . Gesamt russ i schen Kongresses d e r Sowjets

de r A r be i t e r - u n d So l da t endepu t i e r t en a m 4 . ( 1 7 . ) Juni 1917. (S iehe W er ke ,

Bd. 25 , S. 6 . ) 20 5

45 E s hande l t s i ch u m W . M a j a k o w s k i s G e d ic h t „ D i e a u f S i t z u n g e n V e r -

s e s s enen" . ( S i ehe W . W . M a j a k o w s k i , A u s g e w ä h l t e G e d i c h t e u n d P o e m e ,Ber l i n 1953 , S . 4 1 - 4 2 . ) 2 0 9

« Siehe Karl Ma rx/Friedrich Engels, W erke, Bd. 18, S. 534. 20947 Die Kommission für die Parteigeschichte - ."Kommission für die Sammlung

und das Studium von Materialien zur Qesdhidrte der Oktoberrevolutionund zur Qesdhidott der Kommunistischen Partei Rußlands" - wurde durchBeschluß des Rats der Volkskommissare vom 21. September 1920 beimVolkskommissariat für Bildungswesen geschaffen und auf Beschluß des ZK

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Anmerkungen 501

der KPR (B) am 1 . Dezem ber 1921 dem Apparat des Zentralkomitees als

Abteilung eingegliedert. 1928 wurde sie mit dem Lenin-Institut beim ZKder KPdSU(B) vereinigt . 210

" ,Poä Snamenem Marxisma" (Unter dem Banner des Marxismus) - Mo-natsschrift für Philosophie, Ökonomie und Politik; erschien in Moskau vonJanuar 1922 bis Juni 1944. 213

*» Siehe Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 18, S. 532. 215

*• Der Brief über die Thesen Preobrashenskis fällt in die Zeit der Vorberei-tung des XI . Parteitags. Da s Z K der KPR (B) erörterte am 20. März 1 922

Preobrashenskis Thesen, lehnte sie ab und nahm Lenins Vorschlag an. 224« Am 28. Februar 1 922 hatte die Staatliche Politische Verw altung den Be-

schluß veröffentlicht, die Mitglieder des ZK und andere aktive Funktionäreder Partei der Sozialrevolutionäre wege n ihres konterrevolutionären, terro-

. ristischen K ampfes gegen die Sowjetmacht dem Obersten Revolutions-, tribunal zu übergeben. Al s An two rt darauf veröffentlichte eine Grupp e

sozialrevolutionärer Emigranten einen Aufruf „An die sozialistischen Par-teien der ganzen Welt", in dem sie gegen das angeblich über die Ange-klagten im voraus gefällte Todesurteil protestierte. Diesen Aufruf unter-stützten die Parteien der II. und II 1 /». Internationale, die reformistischen

Gewerkschaften und bürgerliche Intellektuelle.D as vorliegende Dokum ent schrieb Lenin im Zusamm enhang mit den an

ihn un d G . W . Tschitscherin gerichteten Telegram men des Nat ionalrat sder Unabhängigen Arbeiterpartei Englands, des Vorsitzenden der Sozial-demokratischen Partei Dänemarks, Th. Stauning, des Führers der II . Inter-nationale, E. Van dervelde, und des Vorstands des Allgem einen Deutsch enGewerkschaftsbundes, die forderten, das Gerichtsverfahren gegen die So-zialrevolutionäre bis zur Konferenz der drei Internationalen in Berlin zuverschieben.

D er von Lenin vorgeschlagene Entwurf e iner Antwort wurde am 1 8. M ärz

1922 mit geringfügigen Abänderungen vom Politbüro des ZK der KPR(B)angenommen. 229

6 2 Lenin m eint die Resolution des VIII. Gesam tnissischen Sowjetkongresses(2 2. -2 9. Dezem ber 1 920) über die Elektrifiz ierung. (Siehe Werke , Bd. 31 ,S. 529.) 231

» .Bednota' (D ie Armut) - Tageszeitung, herausgegeben vom ZK_ derKP R(B ); erschien in Moskau ab 17. M ärz 1 918 . Am 1 . Februar 1931 würde

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502 Anmerkuntjen

die „Bednota" mit der Zeitung „Sozialistitsdieskoje Semledelije" (Die

sozialistische Landwirtschaft) verschmolzen. 23554 Der .Brief über den T>\an für den poltiisAen Beridrt auf dem XI. Parteitag'

wurde auf der Plenartagung des ZK der KPR(B) am 25 . M är z 1 922 er-örtert. Der von Lenin vorgeschlagene Plan des Berichts wurde best äti gt 237

55 D e r XI. P a r t e i t a g der K P J t C B ) f a n d v o m 2 7 . M ä r z bis 2 . A p r i l 1 9 2 2 i nM o s k a u s t a t t E s w a r d e r l e t z t e P a r t e i t a g , a n d e m L e n i n t e i l n a h m . A u f d e mP a r t e i t a g w a r e n 5 2 2 D e l e g i e r t e m i t b e s c h l i e ß e n d e r u n d 1 6 4 D e l e g i e r t e m itb e r a t e n d e r S t i m m e a n w e s e n d . D e r P a r t e i t a g b e h a n d e l t e f o l g e n d e F r a g e n :1 . P o l i t i s c h e r B e r i c h t d e s Z K ; 2 . O r g a n i s a t o r i s c h e r B e r i c h t d e s Z K ; 3 . B e -

r i c h t d e r R e v i s i o n s k o m m i s s i o n ; 4 . B e r i c h t d e r Z e n t r a l e n K o n t r o l l k o m m i s -s i o n ; 5 . B e r i c h t d e r D e l e g a t i o n der KPR im E x e k u t i v k o m i t e e d er K o m i n -t e r n ; 6 . G e w e r k s c h a f t e n ; 7 . ü b e r d ie R o t e A r m e e ; 8 . F i n a n z p o l i t i k ;9 . E r g e b n i s s e d e r P a r t e i r e i n i g u n g n n d F e s t i g u n g d e r P a r t e i r e i h e n ; K o r -r e f e r a t e : ü b e r d ie A r b e i t u n t e r d e r J u g e n d , ü b e r d ie P r e s s e n n d d i e P r o -p a g a n d a , - 1 0 . W a h l des Z K u n d d e r Z K K .

L e n i n h i e l t die E r ö f i n u n g s - und die S c h l u ß r e d e auf dem P a r t e i t a g , er-s t a t t e t e d en B e r i c h t ü b e r d ie p o l i t i s c h e T ä t i g k e i t des Z K der K P R ( B ) u n dh i e l t d a s S c h l u ß w o r t z u m B e r i c h t

D e r P a r t e i t a g zo g d ie B i l a n z d es e r s t e n J a h r e s der N e u e n Ö k o n o m i s c h e n

P o l i t i k . 24556

. O b e r s t i m m u n g s m a d b e r ' - S p i t z n a m e , den die S o l d a t e n 1 9 1 7 K e r e n s l dg a b e n , als ihn die b ü r g e r l i c h e P r o v i s o r i s c h e R e g i e r u n g z u m O b e r s t e n B e-f e h l s h a b e r e r n a n n t h a t t e . 2 7 1

57 D i e Z e n t r a l e " U b e r p r ü f u n g s k o m m i s s i o n - Z e n t r a l e K o m m i s s i o n z u r Ü b e r -p r ü f u n g de s M i t g l i e d e r b e s t a n d e s d e r P a r t e i - w u r d e a m 2 5 . J u n i 1 9 2 1 v o mZ K der K P R ( B ) g e b i l d e t , um d ie D u r c h f ü h r u n g der P a r t e i r e i n i g u n g ent-s p r e c h e n d d e m B e s c h l u ß des X . P a r t e i t a g s der K P R ( B ) z u l e i t e n . 2 9 3

58 L e n i n k r i t i s i e r t h i e r d ie f a l s c h e P o l i t i k , die der T r o t z l d s t P r e o b r a s h e n s l d ,

d a m a l s L e i t e r d er H a u p t v e r w a l t u n g für H o c h - u n d F a c h s c h u l e n i m V o l k s -k o m m i s s a r i a t für B i l d u n g s w e s e n , g e g e n ü b e r d e n P r o f e s s o r e n d e r M o s k a u e rU n i v e r s i t ä t u n d a n d e r e r H o c h s c h u l e n d u r c h f ü h r t e , d ie s i c h E n d e J a n u a r / A n -f a n g F e b r u a r 1 9 2 2 g e w e i g e r t h a t t e n , V o r l e s u n g e n z u h a l t e n . D a s Z e n t r a l -k o m i t e e d e r K P R ( B ) v e r l a n g t e v o m V o l k s k o m m i s s a r i a t für B i l d u n g s w e s e n ,e i n e R e i h e g e r e c h t f e r t i g t e r F o r d e r u n g e n d e r P r o f e s s o r e n z u e r f ü l l e n . E i n eK o m m i s s i o n d e s Z K b e s c h l o ß , P r e o b r a s h e n s l d a l s L e i t e r d e r H a u p t v e r w a l -t u n g für H o d ^ u n d F a c h s c h u l e n a b z u s e t z e n , u n d a r b e i t e t e R i c h t l i n i e n fü rd a s H o c h s c h u l w e s e n a u s . 3 0 0

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Anmerkungen 503

59 J. W . Stalin war Volkskommissar für Angelegenheiten der Natio nalitä ten

seit der Bildung des Volkskommissariats bis zu seiner Auflösung im Juli1923. Von Mä rz 1919 bis 25. April 1922 wa r er außer dem Volkskommissarder Arbeiter- und Bauerninspektion. 30i

«° Der T>ebattierk\ub beim Moskauer Komitee der XPUCB) wurde in derzweiten Hälfte des Jahres 1921 gegründet. Oppositionelle und parteifeind-liche Elemente versuchten, ihn für ihre fraktionellen Ziele auszun utzen . Da sPolitbüro des Z K der KPR(B) beriet am 20. Febr uar 1922 auf Gru nd einesBerichts der Zentralen Kontrollkommission über den Debattierklub undempfahl dem Moskauer Komitee, die Zusammensetzung des Klubvorstandszu überprüfen und seine Tätigkeit in Einklang mit den Aufgaben der Partei

zubr ingen . 306

81 Lenin meint seinen Brief „An die Mitglieder des Politbüros, über dieThesen des Gen. Preobrashenski". (Siehe den vorliegenden Band, S. 224 bis228.) 307

62 „Erklärung der 22" - parteifeindliche Erklärung, die vor dem XI.Parteitagder KPR(B), von 22 Mitgliedern der fraktionellen Gruppe der „Arbeiter-opposition" unterzeichnet, bei der Komintern eingereicht wurde. Die Mit-glieder der Gruppe erhoben in ihrer Erklärung verleumderische Beschul-digungen gegen die Partei und die Arbeiterklasse. Das erweiterte Plenum

des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) ver-urteilte scharf die Tätigk eit dieser Gr upp e. De r X I. Part eita g bildete einebesondere Kommission, um die Angelegenheit der 22 zu untersuchen. AufGrund des Berichts der Kommission nahm der Parteitag eine Resolution an,in der er das parteischädliche Verhalten der Mitglieder der Gruppe der„Arbeiteropposition", die die Partei spalten wollten, brandmarkte und dieFührer dieser Gruppe darauf aufmerksam machte, daß sie im Falle erneuterfraktioneller Tätigke it aus der Partei ausgeschlossen wü rden . 307

63 Es handelt sich u m eine gemeinsame Si tzung des ZK und de r ZKK am

9. August 1921 , in de r a uf Lenins Vorschlag d e r Ausschluß A . Schljapni-kows aus dem ZK und de r Partei wegen parteifeindlichen Auftretenserör ter t wurde. 3 07

64 Lenin kritisierte die parteifeindliche Broschüre von A. Kollontai in seinemSchlußwor t z u m Bericht des ZK de r KPR( B) auf dem X. Partei tag. (SieheW e r k e , Bd. 32, S. 196-206.) 308

es Siehe W. I . Lenin , Werke , Bd. 32, S. 5 2 8 - 5 3 3 . 309

33 Lenin, Werke, Bd. 33

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504 Anmerkungen

66 D ie in Lenins Brief dargelegten Vorschläge wurden d e r Resolution d e s

XI. Par te i t ags „übe r d ie Arbeit a u f d e m Lande" zugrunde gelegt . D e rPartei tag beauftragte ferner d a s Zentralkomitee, beim Z K eine ständigeKommission fü r die Arbeit a u f dem Lande z u bilden. (Siehe „Die KPdSUin Resolutionen u n d Beschlüssen d e r Partei tage, Parteikonferenzen u n dPlenar tagungen d es Z K " , 7. Auflage, Teil I , Mos kau 1954, S. 618/619,russ.) 3 1 3

67 D e n Artikel „Wir haben zu teuer bezahlt" schrieb Lenin anläßlich d e rKapitulation Bucharins und Radeks v o r den opportunistischen Führern d e rII . u n d zweieinhalbten Internationale a u f d e r Konferenz d e r drei Inter-nationalen die vom 2 . bis 5. April 1922 in Berlin stattfand. 3i6

68

Gemeint i s t de r Aufstand d e r europäischen Bergarbeiter Südafrikas, d e rim März 1922 in Johannesburg, Benoni und Brakpan ausbrach. Anlaß w a rdie verstärkte Ausbeutung durch die Bergwerksbesitzer, die im Zusammen-hang m i t dem Goldpreissturz a u f dem Wel tmarkt und z u r Aufrechterhal-tung ihrer Profite d ie Löhne z u senken begannen u n d Massenent lassun-gen vornahmen. Die junge Kommunistische Partei Südafrikas nahm aktivam Aufstand teil; viele Kommunisten fielen a ls Helden im bewaffnetenKampf . D i e reaktionäre Regierung des Generals Smuts rechnete grausammit d e n Aufständischen a b u n d setzte gegen sie Truppen, Geschütze u n dFlugzeuge ein. Am 14. März war der Aufstand niedergeschlagen. Mehr als

10 000 Menschen wurd en verhaftet ; Taus ende Arbeiter wurd en vor e inKriegsgericht gestellt. 3 1 7

69 D e n Entwurf d e r „Verordnung über die Arbeit der Stellvertreter (derStellvertreter des Vorsitzenden des "Rats der Volkskommissare und des Rats

für Arbeit und Verteidigung)" s a n d t e W . I . L e n i n z u r Stellungnahme a ndie Mitglieder des Politbüros d e s Z K u n d a n A. D. Zjurupa. Lenins Ant-wort auf die eingegangenen Bemerkungen zur Arbeit der Stellvertreter sieheim „Brief fü r die Mitglieder des Politbüros". (Siehe den vorliegenden Band,S. 339-341.) 321

70 D e r "Kleine Hat der Volkskommissare wurde . im Dezember 1917 mit Rech-

ten einer Kommiss ion des R ats der Vo lkskom missar e geschaffen, u m dies envon weniger wichtigen Fragen z u ent lasten . D i e Beschlüsse d e s KleinenRat s der Volkskommissare wur den vom Vorsi tzende n des Rats der Volks-kommissare bestätigt . 322

71 Dieses Buch g a b d a s Volkskommissar ia t f ü r Auswär t ige Angelegenhei ten1922 hera us. Auf G ru nd d er Vorschläge Lenins wurd en dar in Korr ektu renvorgenommen. 330

72 W.I.Lenins Broschüre „Alte Artikel über zeitnahe Jhemen. Zur 7rage

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Anmerkungen 5 0 5

der {Neuen Ökonomisälen Politik'. (Zwei Artikel und eine Rede aus dem

Jahre i9iS)" wurde 1922 von der Moskauer Zweigstel le des Staatsverlagsherausgegeben. S i e enthiel t d a s „Vorwor t z u r Ausgabe v o n 1922", d e nArtikel „Die nächsten Aufgaben d e r Sowjetmacht" , d a s Referat a u f d e rTagung des Gesamtruss i schen Zent ra lexekut ivkomitees a m 29. April 1918über die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht und den Art ikel „über , I inke'Kinderei und über Kleinbürgerl ichkeit" . (Siehe Werke, Bd. 27, S. 225-268,271-296 und 315-347 . ) 331

73 Siehe W . I. Lenin, W er ke , Bd. 27, S. 29 7- 30 5 . 3 3 274 A m 23 . Apr i l 1922 mu ßt e sich Leni n i m M o s k a u e r B o t k i n - K r a n k e n h a u s

einer Operation unterziehen, durch die eine der Kugeln entfernt wurde, von

denen er bei dem niederträchtigen Attentat auf ihn am 30. August 1918 ge-troffen worden war. 339

75 Der "Vertrag von Rapallo - Vertrag der Sowjetregierung mit Deutschland,der am 16. April 1922 während der K onferenz von Genua geschlossenwurde. Der Vertrag sah die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwi-schen den beiden Ländern und den gegenseitigen Verzicht auf Kriegsent-schädigungen vor. Die deutsche Regierung ließ dabei auch die Forderungauf Rückgabe der von der Sowjetregierung nationalisierten Betriebe an dieehemaligen deutschen Besitzer fallen. 343

76 Der überarbeitete Entwurf des Strafgesetzbuches, der in den Artikeln 57,58, 61 und 70 Lenins Vorschläge berücksichtigte, wurde auf der III. Tagungdes Gesamtrussischen ZEK der IX. W ahlperiode (12 .-26 . Mai 1922) er-örtert und bestätigt. 344

77 Das Politbüro des ZK faßte am 25. M ai 1922 nach Erörterung der in LeninsBriefen dargelegten Vorschläge den Beschluß, das Radiolaboratorium zufinanzieren, um die Produktion von Lautsprechergeräten und Radioemp-fängern zu beschleunigen. 347

78 Len in schrieb den Brief „Tiber ,doppelte' "Unterordnung und Qesetzlidbkeit.

3ür das "Politbüro" m Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Bestim-mungen für die Staatsanwaltschaft. Am 24. M ai 1922 erörterte das Polit-büro des ZK Lenins Brief und nahm seinen Vorschlag an. Am 26. Mai be-stätigte die III. Tagun g des Gesamtrussischen ZEK der IX. Wahlperiodenach Entgegennahme des Kommissionsberichts entsprechend Lenins Vor-schlägen die Bestimmungen für die Staatsanwaltschaft. 349

79 D e r V. gesamtrussische Qewerksdhaftskongreß fan d vo m 17. bis 2 2. Sep -

tember 1922 in Moskau statt. Es nahmen 970 Delegierte teil, die 5 100 000gewerkschaftlich organisierte Arbeiter vertr aten . D er Kongreß wählte Leninzum Ehrenmitglied des Präsidiums. Lenins Brief wurde in der ersten Sitzun g

33 *

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506 Anmerkungen

des Kongresses am 17. September 1922 verlesen. Als Antwort sandte der

Kongreß Lenin ein Grußschreiben. 35680 D ie „iATottz für das Politbüro über den Kampf gegen den Qroßmadbt-

dhauvinismus" wurde anläßlich d e r Beratung über die Bildung einer Unionder Sozialistischen Sowjetrepubliken au f dem Oktoberplenum d es Z K d e rKPR(B) geschrieben, an dem Lenin krankheitshalber nicht teilnehmenkonnte. In einem Brief an die Mitglieder des Politbüros vom 26. September1922 hatte Lenin betont, da ß d ie Vereinigung d e r Republiken von größterWichtigkeit se i un d daß dieser Bund au f den Prinzipien d e r Freiwilligkeitund d e r vollen Gleichberechtigung d e r Republiken fußen müsse. W . I.Lenins Hinweise wurden dem vom Plenum angenommenen Entwurf d e r

Resolution über die Vereinigung d e r Sowjetrepubliken zugrunde gelegt.Zur Leitung d e r Arbeit für den Zusammenschluß d e r Sowjetrepubliken z ueinem einheitlichen Bundesstaat bildete das Plenum d es Z K eine Kommis-sion. D a s a m 18. Dezember 1922 tagende Plenum des Z K erörterte den Ver-tragsentwurf über die Bildung d e r Union d e r Sozialistischen Sowjetrepu-bliken. In den Ver trag wurd e Lenins Vorschlag aufgenommen, entsprechendder Anzahl d e r Unionsrepubliken (Russische Sozialistische Föderative So -wjetrepublik, Ukrain ische Sozialistische Sowjetrepublik, Belorussische Sozia-listische Sowjetrepublik u n d Transkaukasische Sozialistische FöderativeSowjetrepublik - Georgien, Aserbaidshan u n d Armenien) vier Vorsitzende

de s Z E K d e r Union zu wählen, um d ie volle Gleichberechtigung d e r sichvereinigenden Völker bei der Errichtung des Bundesstaates z u sichern. 358

81 D e r V. Qesamtrussisdoe Kongreß des Kommunistischen 'JugendverbandesRußlands fand vom 1 1 . bis 17. Oktober 1922 in Moskau stat t . D er Kongreßwählte Lenin zu m Ehrenvorsitzenden. Lenins Grußadresse wurde in derersten (Fest-)Sitzung am 1 1 . Oktober verlesen. A ls Antwort sandten dieKomsomolzen Wladimir Iljitsch ein Grußschreiben, in dem sie versprachen,alle Schwierigkeiten, die sich d e r Arbeiterklasse u n d d e r Arbeiterjugendentgegenstellen, zu überwinden, u n d darum baten, sie bei d er kommunisti-schen Erziehung d e r Jugend zu unterstützen. 360

82 Auf dem Plenum d es ZK d e r KPR(B), das. vom 5. b is 6. Oktober 1922stattgefunden hatte, w ar in der Sitzung vom 6. Oktober , auf der W . I . Leninnicht anwesend war, auf Grund des Referats von G . J . Sokolnikow d e rBeschluß gefaßt worden, d as Außenhandelsmonopol einzuschränken. D ienächste Plenartagung des Z K im Dezember bekräftigte, gestützt auf LeninsHinweise, die Unantastbarkei t des Außenhandelsmonopols. (Siehe W . I .Lenins Brief „Über d as Außenhandelsmonopol. Fü r d ie Plenartagung desZ K " im vorliegenden Band, S. 441-445.) 36 1

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Anmerkungen 5 0 7

83 D e r Qesamtrussisdhe Xongreß de r Jinanzangestellten fand vom 22 . b i s

28. O k t o b e r 1922 in M o s k a u s t a t t . D e r K o n g r e ß w ä h l t e L e n i n z u m E h r e n -vors i t zenden . Len ins Br ie f wurde a m 2 2 . O k t o b e r v e r l e s e n . 3 6 5

84 Die» Qesellsdhaft der freunde Sowjetrußlands (in Amerika) e n t s t a n d 1 9 2 1 .Offizie l l wurde s ie auf der K o n f e r e n z v o n V e r t r e t e r n d e s Amer ikan ischen

A r b e i t e r b u n d e s , d e r Gesel lschaf t fü r t echn ische Unte rs tü tzung Sowje t ruß-

l a n d s u . a . O r g a n i s a t i o n e n v o m 7. bis 9 . Augus t geb i lde t . D i e Gesel lschaf t

stellte sich d a s Zie l , d e n A r b e i t e r n u n d Bauern Sowje t ruß lands Hi l fe zu er -weisen , i n d e n U S A wahrhe i t sge t reue In format ionen über Sowje t ruß land z uv e r b r e i t e n und f ü r d i e A u f h e b u n g d e s wirtschaf t l ichen Boykotts d e r R e g i e -

r u n g d e r U S A g e g e n ü b e r S o w j e t r u ß l a n d z u k ä m p f e n . I m M a i 1 9 2 2 schickte

d ie Gese l l schaf t e ine Trak torenab te i lung nach Rußland . Di e i m P e r m e rG o u v e r n e m e n t a r b e i t e n d e T r a k t o r e n a b t e i l u n g h a t t e g r o ß e B e d e u t u n g , d asi e d e n Bauern d ie Vor te i l e d e r mechanis ie r ten Bodenbearbe i tung v o r A u g e n

f ü h r t e . 3 6 68 5 D i e Qesellsdhaft für tedhnisdhe Unterstützung Sowjetrußlands w u r d e 1919

in d e n U S A u n d i n K a n a d a vo n e iner Gruppe russ i scher Emigran ten a u sd e r Z e i t v o r d e r Revolu t ion , Arbe i te rn u n d Technikern , gegründe t . 3 6 7

86 Die Tru ppen der Fernöstlichen Republik zogen am 2 5. Ok tober 1922 inWladiwostok ein, nachdem sie die Stadt gemeinsam m it den Pa rtisanen vonden Weißgardisten und japanischen O kkupanten befreit hatten. Die W erk-

tätigen des Primorje antworteten auf Lenins Telegramm mit einem Gruß-schreiben, in dem sie der Sowjetregierung für die erwiesene Hilfe dankten.36 8

87 „Ihe Observer" - konservative englische Sonntagszeitung; erscheint seit1791 in London.

„7be Mandtester Quardian" (seit 1959 „The Guardian") - bürgerlicheenglische Zeitung; wird seit 1821 in Manchester herausgegeben. 369

88 E s hande l t s i ch u m d i e K o n f e r e n z v o n L a u s a n n e , d i e v o m 2 0 . N o v e m b e r

1922 b i s 2 4 . Ju l i 1 9 2 3 t a g t e . 3 7 189 Gemeint sind die Verhandlungen mit dem englischen Großindustriellen

Urqu har t über den Abschluß eines Konzessionsvertrags zu r Erschließung derBodenschätze im Ural und in Sibirien. Der Vertragsentwurf mit Urquhartwurde am 6. Oktober 1922 vom Rat der Volkskommissare in Anbetrachtder feindseligen Politik der englischen Regierung gegenüber Sowjetrußlandund der knechtenden Bedingungen des Vertrags abgelehnt. 373

90 Die IV. Jagung des Qesam trussisdhen Zentralexekutivkomitees derIX. Wahlperiode fand vom 23. bis 31 . Oktober 1922 statt. Lenin hielt dieRede in der Schlußsitzung. 376

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508 Anmerkungen

91 „Petrogradskaja Trawda"-- Tag eszeitu ng; erschien ab 2. April 1918, zu-

nächst als Organ des Zentralkomitees und des Petrograder Komitees derKPR(B). Von Juni desselben Jahres an wurde sie das Organ des Zen-tralkomitees, des Komitees des Nordgebiets und des Stadtkomitees derKPR(B), später das Organ des Gouvernements- und des Stadtparteikomi-tees. Im Januar 1924 wurde sie in „Leningradskaja Prawda" umbenannt.3S 3

92 D i e erste Internationale Xonferenz de r kommunistisdben Qenossensdhaftler

fand vom 1. bis 6. Novem ber 1922 in Moskau sta tt. Auf der Ko'nferenziwaren Vertreter Sowjetrußlands, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, derSchweiz, Finnlands, Österreichs, B ulgariens, Schwedens, Norw egens, D äne -

marks, Polens, Estlands, Lettlands, Litauens, der Ukraine, Armeniens,Georgiens, Aserbaidshans, der Fernöstlkhen Republik und Australiens an-wesend. Die Konferenz nahm eine Resolution über die Taktik der Kommu-nisten in der Genossenschaftsbewegung an. Die Resolution stellte den Kom-munisten die Aufgabe, gegen die Neutralität der Genossenschaften zukämpfen, und wies auf die Rolle der Genossenschaften bei der Verwirk-lichung der allgemeinen politischen und ökonomischen Aufgaben des Prole-tariats hin. Die Konferenz wählte Lenin zum Ehrenvorsitzenden und sandteihm ein Grußschreiben. Lenin antwortete mit einer Begrüßung, die am2. November 1922 verlesen wurde. 3S5

93 Der vierte Qesamtrussisdhe Xongreß der Statistiker tagte vom 3. bis12. November 1922 in Moskau. Der Kongreß wählte Lenin zum Ehren-vorsitzenden und schickte ihm ein Grußtelegramm. Lenins Antworttele-gramm wurde in der zweiten Sitzung am 4. November verlesen. 386

91 Die Xonferenz parteiloser Arbeiterinnen u nd 'Bäuerinnen Moskaus und desMoskauer Qouvernements fand am 6. November 1922 sta tt. Es waren m ehrals 2000 Delegierte anwesend. Lenins Grußschreiben wurde einer Abord-nung der Konferenz übergeben, die an ihn mit der Bitte herantrat, eineRede zu halten. 397

95

Lenins Grußschreiben an die Arbeiter des Betriebs war die Antwort aufeine Einladung, auf einer Versammlung zum 5. Jahre stag der Sozialisti-schen Oktoberrevolution zu sprechen. Das ehemalige Michelson-Werkwurde später in Wladimir-Iljitsch-Werk umbenannt. 398

06 Lenins Grußschreiben an die Arbeiter und Angestellten des staatlichenKraftwerks „Elektroperedatscha" (Elektroübertragung) (heute nach demIngenieur R. E. Klasson benannt, der dieses Kraftwerk erbaute) war dieAntwort auf eine Einladung, bei der Eröffnung des Klubs anläßlich des5. Jahrestags der Sozialistischen Oktoberrevolution eine Rede zu halten. 399

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Anmerkungen 511

melband über die revolutionäre Tätigke it N . J. Fedossejews (1871 -189 8).

Fedossejew hatte eine Reihe marxistischer Schriften verfaßt, die gegen dieVolkstümler und in erster Linie gegen N. K. Michailowski gerichtet waren.(Siehe N . J. Fedossejews Briefe an N . K. Michailowski in d er Zeitschrift„Proletarskaja Rewoluzija" [Die proletarische Revolution], Jahrgang 1933,Heft 1, S. 178-23 3.) W . I. Lenins Briefwechsel mit N . J. Fedossejew, vondem in Lenins Artikel die Rede ist, wurde nicht aufgefunden. 438

i°9 Lenin w ar Anfang Oktober 1893 in Wladimir. 438

no D e r yu. gesamtukrainisdbe Sowjetkongreß tagte vom 10. bis H.Dezem-ber 1922 in Charkow. Von besonderer Wichtigkeit war der nach einemReferat von M. W. Frunse gefaßte Beschluß, die Sowjetrepubliken zu einer

Union zusammenzuschließen. Lenins Telegramm wurde am 10. Dezember,dem ersten Tag des Kongresses, verlesen. Der Kongreß wählte Lenin zumEhrenmitglied des Gesamtukrainischen Zentralexekutivkomitees und sandteihm als Antwort ein G rußtelegramm . 44 0

111 Lenins Brief „ o b e r d as Außenhandelsmonopol" war für die am 18. Dezem-ber 1922 bevorstehende Plenartagu ng des ZK derKPR (B) bestimmt, an derLenin krankheitshalber nicht teilnehmen konnte. Auf der Tagung wurdedie Notwen digkeit bestätigt, das Außenhandelsmonopol aufrechtzuerh alten,und darauf hingewiesen, daß die Ein- und Ausfuhr einzelner Warenkate-gorien ohne Wissen des Volkskommissariats für Außenhandel eine unzu-lässige Durchbrechung des Monopols sei. Damit wurde der betreffendeBeschluß des vorhergehenden Plenums aufgehoben.

De r X II. Parteitag, der vom 17. bis 25 . April 1923 stattfand und an demLenin infolge seiner Krankheit ebenfalls nicht teilnehmen konnte, wiesalle Versuche der Kapitulanten zurück, das Außenhandelsmonopol zudurchbrechen, und faßte folgenden Beschluß: „Der Parteitag erklärt kate-gorisch, daß das Außenhandelsmonopol unantastbar ist und daß es unzu-lässig ist, es irgendwie zu umgehen oder bei seiner Durchführung zuschwanken. Er beauftragt das neue ZK, systematisch Maßnahmen zurFestigung und zum Ausbau des Außenhandelsmonopols zu ergreifen."

(Siehe „Die KPdSU in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Par-teikonferenzen und Plenartagungen des ZK", 7. Auflage, Teil I, Moskau1954, S. 682, russ.) 441

"2 Der X. Qesamtrussisdie Sowjetkongreß, an dem Lenin infolge seinerKrankheit nicht teilnehmen konnte; tagte vom 23 . bis 27. Dezember 1922 inM oskau. Es waren 2215 Delegierte anwesend, da runter 488 Delegierte ausder Transkaukasischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik, derUkrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik und der Belorussischen Sozia-

34 Lenin, We rke, Ed. 33

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512 Anmerkungen

listischen S owjetrepublik. Der X. Sowjetkongreß sprach sich in einem Be-schluß für die Bildung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ausund bestätigte die Zusammensetzung der Delegation zum I. Sowjetkongreßder UdSSR.

De r I. Sowjetkongreß der UdSSR fand am 30. Dezember 1922 s tatt.Auch an diesem Kongreß konnte Lenin infolge seiner Krankheit nicht teil-nehmen. Der Kongreß wählte ihn zum Ehrenvorsitzenden und sandte ihmein Grußschreiben. Gemäß Lenins Vorschlag-wurde die Union der Sozia-listischen Sowjetrepubliken gegründet. Der Kongreß nahm einstimmig dieDeklaration und den Vertrag über die Bildung der UdSSR an, denen dieLeninsche Idee der Gleichberechtigung, der brüderlichen Zusammenarbeitun d des proletarischen Internationalismus zugrunde lagen, und beauftragtedie ordentliche Tagung des Zentralexekutivkomitees der UdSSR, den end-gültigen Text der Deklaration und des Unionsvertrags bis zum II. Sowjet-kongreß der UdSSR vorzubereiten. 446

11 3 Lenin bezieht sich auf seinen Artikel „Über ,linke' Kinderei und überKleinbürgerlichkeit". (Siehe Werke, Bd. 27, S. 315-347.) 458

114 Offensichtlich beruft sich Lenin hier auf das, was Marx in seiner Schrift„Der Bürgerkrieg in Frankreich" und im Brief an Kugelmann vom12. April 1871 gesagt hat. (Siehe Karl Marx/Friedrich Engels, Werke,

Bd. 17, S. 342; Bd. 33 , S. 205.) 46211 5 Siehe den Brief von Marx an Engels vom 16 . April 1856 (Karl Marx/

Friedrich E ngels, W erke, Bd. 29, S. 47). 46211 6 Den Artikel .TVie wir die Arbeiter- und 'Bauerninspektion reorganisieren

sollen" und den Artikel „Lieber weniger, aber besser", der die Gedankendes ersten A rtikels fortsetzt, schrieb Lenin zum XII. Parteitag .

Der XII. Parteitag der KPR(B), der vom 17. bis 25 . April 1923 tagte,berücksichtigte in seinen Beschlüssen alle Hinweise, die Lenin in seinenletzten Artikeln und Briefen gegeben hatte. Der Parteitag nahm einespezielle Resolution „Ober die Aufgaben der Arbeiter- und Bauerninspek-

tion und der Zentralen Kontrollkommission" sowie einen Beschluß überdie Vereinigung der Arbeit der Organe der Zentralen Kontrollkommissionund des Volkskommissariats der Arbeiter- und Baueminspektion an. (Siehe„Die KPdSU in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Parteikon-ferenzen und Plenartagungen des Z K ", 7. Auflage, Teil I, Moskau 1954,S. 719-72 3 un d 725/726, niss.) 468

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DATEN AUS DEM LEBEN UND WIRKENW. I. LE NIN S

(August 1921 -Januar 1924)

34»

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515

1921

16. August und Lenin gibt in Briefen an die Statistische Zentralverwaltungi. September Hinweise für die Aufstellung einer laufenden Industrie- undLandwirtschaftsstatistik.

20. August Lenin schreibt den Artikel „Neue Zeiten, alte Fehler in neuerGestalt".

3 i. August Lenin gibt der Kommission für Hydrotorfgewinnung An-weisung, die Erfindung zur maschinellen Entwässerung vonTorf zu überprüfen.

August bis Lenin leitet die Vorbereitung des V III. Gesamtrussischen

September Elektrotechnischen Kongresses.August bis Lenin weist den Obersten Volkswirtschaftsrat, das Volks-Dezem ber kommissariat für Verkehrswesen, das Volkskommissariat für

Finanzen, das Volkskommissariat für Ernährungswesen undandere Volkskommissariate an, den Bau der Kraftwerke vonKaschira und Wolchow durch die Bereitstellung von Arbeits-kräften und die Versorgung mit allen notwendigen Mate-rialien zu sichern.

i. September Lenin schreibt einen Brief an die Redaktion der „Ekonomi-tscheskaja Shisn", worin er die grundlegenden Aufgaben der

Zeitung bei der Beleuchtung volkswirtschaftlicher Fragendarlegt.

3. September Lenin g ibt in einem Brief an das Volkskommissariat für JustizHinweise für den Kampf gegen den Bürokratismus.

5. September Lenin gibt in einem Brief an die Statistische Abteilung desZK der KPR(B) Hinweise, wie die Kontrolle über die Ver-teilung der leitenden Parteikader, die im Sowjetapparat tätigsind, zu bewerkstelligen ist.

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516 Baten aus dem Leben und Wirken TV. 7. Lenins

15. September Lenin bringt im ZK der KPR(B) den Entwurf eines Rund-

schreibens über die Erteilung von Empfehlungen im Zu-sammenhang mit der P arteireinigung ein.

19. September Lenin unterhält sich mit Vertretern amerikanischer Arbeiter,die nach Rußland gekommen sind, um produktionstechnischeHilfe zu leisten. Er schreibt einen Brief an den Sekretär desZK der KPR (B), W . W . Kuibyschew, über die Organisierungeiner Produktionskolonie für diese Arbeiter im Kusnezk-becken.

20. September Lenin schreibt den Artikel „über die Parteireinigung".

27. September Lenin schreibt den Brief „über die Aufgaben der Arbeiter-und Bauerninspektion, wie sie aufzufassen und durchzu-führen sind".

30 . September Lenin führt den Vorsitz in einer Sitzung der vom Rat fürArbeit und Verteidigung gebildeten Kommission zur Versor-gung der Eisenbahn m it Brennstoff.

Lenin leitet eine Sitzung des Rats für Arbeit und Verteidi-gung, auf der zur Beratung stehen: Plan der Verteilung derGetreidevorräte für das Jahr 1921/1922; Maßnahmen zur

W iederherstellung und H ebung der Kohleindustrie im Donez-becken sowie der Erdölindustrie von Baku und Grosny,-Meliorationsarbe iten in den Sowjetwirtschaften des MoskauerGouvernements u. a. Fragen.

4. Oktober Lenin leitet eine Sitzung des Rats der Volkskommissare, aufder zur Beratung stehen: Ausarbeitung von Maßnahmen zurErhebung der Naturalsteuer,- Festlegung der Ordnung undder Zeit für die Einführung des neuen Rubels; Gründungder Staatsbank der RSFSR u. a. Fragen.

8. Oktober Lenin verfaßt das Grußschreiben „An das Präsidium desVIII. Gesamtrussischen Elektrotechnischen Kongresses".Lenin leitet die Plenartagung des ZK der KPR(B), auf derzur Beratung stehen: die Finanzpolitik; der Warenaustauschund die Genossenschaften; die Parteireinigung; die Erfassungder verantwortlichen Funktionäre und die Regeln für ihreVerteilung - hierzu bringt er den Entwurf eines Vorschlagsein; das Volkskommissariat für Bildungswesen; die Komin-tern,- die außenpolitische Lage .

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Daten aus dem Leben und Wirken W. 1. Lenins 517

Lenin verfaßt Direktiven des Politbüros des ZK der KPR(B)

über die Zuteilung von Land in der Ukrain e an B etriebe, da-mit diese es mit Zuckerrüben bestellen.

14. Oktober Lenin schreibt den Artikel „Zum vierten Jahrestag der Ok-toberrevolution".

il. Oktober Lenin hä lt auf dem II. Gesamtrussischen K ongreß der Aus-schüsse für politisch-kulturelle Aufklärung das Referat „DieNeue ökonomische Politik und die Aufgaben der Ausschüssefür politisch-kulturelle Aufklärung".

Lenin gibt dem Volkskommissariat für Finanzen Hinweiseüber die Vorbereitung und Durchführung der Währungs-reform.

21. Oktober Lenin leitet eine Sitzung des Rats für Arbeit und Verteidi-gung, auf der zu r Beratung stehen: das von ihm eingebrachteProjekt eines „Atlasses mit Diagrammen für den Rat fürArbeit und Verteidigung", der statistische Angaben über dieIndustrie, die Landwirtschaft, das Verkehrswesen usw. ent-halten soll; die Gewährung einer Anleihe an die Aserbaid-shanische Sowjetrepublik zur Durchführung von Meliora-tionsarbeiten in d erM ugan steppe; die Häfen Murmansk und

Petrograd u. a. Fragen.22. Oktober Lenin wohnt der Erprobung eines Elektropflugs auf dem

Lehr- und Versuchsgut Butyrski Chutor des Moskauer Zoo-technischen Instituts be i.

24. Oktober W.I.Lenin schreibt an den Volkskommissar für Gesundheits-wesen, N. A. Semaschko, einen Brief mit Richtlinien für dieDurchführung einer Woche der W ohnungssanierung und for-dert die Herstellung mustergültiger Sauberkeit in M oskau.

29 . Oktober Lenin hält auf der V II. Moskauer Gouvernements-Partei-

konferenz das Referat „ü be r die Neu e ökonom ische Politik"und das Schlußwort dazu.

3. November Lenin beauftragt den Kleinen Rat der Volkskommissare,außer der Reihe den Entwurf eines Abkommens mit derMongolischen Volksrepublik zu behandeln.

4. November Lenin leitet eine Sitzung des Rats für Arbeit und Verteidi-gung, auf der zu r Beratung stehen: die Arbeit der Sektion derStaatlichen Plankommission zur Aufteilung Rußlands in

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518 Baten aus dem Leben und Wirken TV. 7. Lenins

Bezirke; die Bestellung von Turbinen für den Bau des Wol-

chowkraftwerks; die Karsker Expedition u. a. Fragen.Lenin schreibt den Artikel „ober die Bedeutung des Goldesjetzt u nd nach dem vollen Sieg des Sozialismus".Lenin empfängt eine Delegation der Mongolischen Volks-republik.

Lenin hält eine Rede zum vierten Jahrestag der Sozialisti-schen Oktoberrevolution auf einer Festversammlung der Ar-beiter der Prochorowschen Manufaktur.

5. November

6. November

7.November

io . November

16. November

Nidht vor dem17. November

18. November

Lenin hält eine Rede zum vierten Jahrestag der Sozialisti-

schen Oktoberrevolution auf einer Festversammlung von Ar-beitern, Arbeiterinnen, Rotarmisten und Jugendlichen desMoskau er Stadtbezirks Chamowniki.Lenin hält eine Rede zum vierten Jahrestag der Sozialisti-schen Oktoberrevolution auf einer Festversammlung der Ar-beiter des Werkes „Elektrosila" N r. 3 (vormals „Dy nam o").Lenin leitet eine Sitzung des Rats der Volkskommissare, aufder die Verbesserung der Lebenslage der Wissenschaftler,die Tarifpolitik u. a. Fragen zur Beratung stehen.

Lenin empfängt Wilhelm Pieck und Fritz Heckert und spricht

mit ihnen über die Lage in der Kommunistischen ParteiDeutschlands.

Lenin schreibt das Vorwort zu der Broschüre „Zur Frageder Neuen Ökonomischen Politik".

Lenin schickt anläßlich der Eröffnung der Staatsbank vonAserbaidshan ein Begrüßungstelegramm an den Rat derVolkskommissare der Aserbaidshanischen Sowjetrepublik.

Lenin leitet eine Sitzung des Rats der Volkskommissare, aufder zur Beratung stehen: der Finanz- und der Emissionsplan

für das Jahr 1922 - er bringt eine Ergänzung zum Beschluß-entwurf ein,- die Zusammensetzung der Kommission für dieSystematisierung der Gesetzgebung auf dem Gebiet derNeue n Ökonomischen Politik u, a . Fragen.

Lenin leitet eine Sitzung des Rats für Arbeit und Verteidi-gung, auf der zur Beratung stehen: die Inbetriebnahme desKraftwerks Kaschira; der Lebensmittelreservefonds u. a.Fragen.

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Daten aus dem Leben und Wirken "W. 1. Lenins 519

23 . November Lenin gibt der Staatlichen Plankommission Anw eisung, einen

Vorschlag auszuarbeiten, wie der Bau und die Inbetrieb-nahme des Kraftwerks von Iwanowo-Wosnessensk beschleu-nigt werden kann.

25 . November Lenin leitet eine Sitzung des Rats für Arbeit und Verteidi-gung, auf der zu r Beratung steh en: der Bergbau und die Gold-und Platingewinnung; die Überführung der Erdölindustrieauf wirtschaftliche Rechnungsführung; die Intensivierung derArbeit in den Gruben des Urals und Sibiriens; die Versor-gung d er Bergarbeiter im M oskau er Kohlenbecken u. a.Fragen.

28. November Lenin schreibt den „Entwurf eines Vorschlags über dieBildung einer Föderation der transkaukasischen Republiken".Lenins Vorschlag wird am 29 . November vom ZK der KPR(B)bestätigt.

28. und 30. Lenin entwirft die Direktive über die Arbeit der Stellver-November treter des Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare und

des Rats für A rbeit und V erteidigung.

29. November Lenin spricht auf dem I. Landwirtschaftskongreß des M os-kauer Gouvernements.

30. November Lenin unterzeichnet einen Beschluß des Rats für Arbeit undVerteidigung üb er die Organisierung eines Fonds von W ald-sämereien, um die Waldanpflanzung, die Befestigung vonSandböden und Schluchten und die Schaffung von Wald-streifen zur Schneeanhäufung zu sichern.

5. Dezember Lenin schreibt an amerikanische Genossen einen Brief anläß-lich der Herausgabe seines Buches „Neue Daten über dieEntwicklungsgesetze des Kapitalismus in der Landwirtschaft.I. Folge. Kapitalismus un d Landw irtschaft in den VereinigtenStaaten von Amerika" in den USA und bittet darum, ihm die

offiziellen Veröffentlichungen über die Volkszählung von1920 zu schicken.

6. Dezember Lenin bittet A . M . Gorki brieflich, sich an Bernard Shawund H. G. Wells mit dem Appell zu wenden, bei der Orga-nisierung von Sammlungen zur Unterstützung der Hung ern-den in Sowjetrußland mitzuhelfen.Lenin schreibt Bemerkungen zu den Leitsätzen der Kom-intern über die Einheitsfront.

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520 Daten aus dem Leben und Wirken W. 3. Lenins

6. "Dezember bis Lenin wohnt in Gorki (bei Moskau).

13 . Januar 192211. Dezember Lenin schreibt den Artikel „über die Thesen der Kommu-

nistischen Partei Frankreichs zur Agrarfrage".

16. Dezember Lenin beauftragt das Volkskommissariat für Bildungswesen,eine Kommission zu bilden, die sich mit der Organisierungdes Filmwesens in Rußland befaßt.

17. Dezember Lenin beginnt den Rechenschaftsbericht über die Tätigkeitder Regierung an den IX . Gesamtrussischen Sowjetkongreßauszuarbeiten und fordert von den Volkskommissariaten die

notwendigen Unterlagen an .19. Dezember Lenin schreibt den „Brief an die Mitglieder des Politbürosüber die Parteireinigung und über die Bedingungen für dieAufnahme in die Partei".

22 Dezember Lenin macht im Politbüro des ZK der KPR (B) den Vorschlag,eine spezielle Resolution für den IX . Gesam trussischen So-wjetkongreß über die internationale Lage vorzubereiten.

23. Dezember Lenin ersta ttet auf dem IX. Gesamtrussischen Sowjetkongreßden Bericht des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomiteesund des Rats der Volkskommissare „über die Innen- und

Außenpolitik der Republik".25 . Dezember Lenin schreibt die „Direktive für die Arbeit auf wirtschaft-

lichem Gebiet", die am 28. Dezember 1921 vom IX. Gesamt-russischen Sowjetkongreß angenommen wird.

26. Dezember Lenin nimmt an einer Beratung parteiloser Delegierter zumIX. Gesamtrussischen Sowjetkongreß teil; er notiert sich dieReden und beantwortet Fragen der Delegierten.

27. Dezember Lenin schreibt an das ZK der KPR(B) den Brief „Ober diePolitik der englischen Arbeiterpartei".

28. Dezember Lenin nimmt an der Plenartagung des ZK der KPR(B) teil.30. Dezember bis Lenin schreibt den Entschließungsentwurf des ZK der4. Januar 1922 KPR(B) „ober die Rolle und die Aufgaben der Gewerk-

schaften unter den Verhältnissen der Neuen ÖkonomischenPolitik". Der Entwurf wird am 12. Januar 1922 vom Zen-tralkomitee gebilligt.

31. Dezember Lenin nimmt an einer Sitzung des Politbüros des ZK derKPR(B) teil.

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Baten aus dem Leben und W irken W. 3. Lenins 521

Das Politbüro des ZK beschließt, Lenin ab 1. Januar 1922

einen sechswöchigen U rlau b zu gew ähren.Dezember 1921 Lenin fährt einige M ale in das Dorf Kostino (heute Stad tbis "Januar 1922 Kostino) bei M oskau zur Erholung.

1922

3. Januar Lenin beauftragt den Leiter der Geschäftsstelle des Rats derVolkskommissare, die Rechnungslegung und Bilanzaufstel-lung der Betriebe und Institutionen zu regeln, die aus der

staatlichen Versorgung herausgenommen worden sind, unddie Rechnungslegung aller Handelsunternehmungen bei derStaatsbank einzuführen.

Zwisdhen dem Lenin schreibt den „Entwurf einer Direktive des Politbüros9. un d 12. des ZK der KPR(B) über die Neu e ökonomische Politik".Januar

12. Januar Lenin schickt ein Grußschreiben „An die Werktätigen Dage-stans".

17 .Januar W.I.Lenin schreibt an den Volkskommissar für Justiz,

D . I. Kufsk i, einen Brief über den Kampf gegen den Büro-kratismus.

20 . Januar Lenin beauftragt den Leiter der Geschäftsstelle des Rats derVolkskommissare, die Direktiven des Politbüros des ZK derKPR(B) über die Neue ökonomische Politik allen Volks-kommissaren unverzüglich zuzusenden.

24. Januar, 15., W . I. Lenin gibt A. D . Zjurupa brieflich Direktiven über die20., 21 . un d 27 . neue Arbeitsorganisation des Rats der Volkskommissare, des7ebruar Rats für Arbeit und Verteidigung und des Kleinen Rats der

Volkskommissare.

27. Januar W . I. Lenin schlägt in einem Brief an die Mitglieder desPolitbüros des ZK der K PR(B) vor, M . I. Kalinin nach derUkraine zu entsenden, damit er dort Lebensmittel für dieHungernden beschaffe.Lenin wird auf einer außerordentlichen Tagung des Gesamt-russischen ZEK der IX. Wahlperiode zum Vorsitzenden dersowjetischen Delegation auf der Konferenz von Genua er-nannt.

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522 Baten aus dem Ceben und "Wirken W. 1. Lenins

Januar-März Die grundlegenden D irektiven für die sowjetische Delegation

auf der Konferenz von G enua werden von Lenin vorbereitetund ausgearbeitet.

2. Februar Da s Politbüro des ZK der KPR(B) beschließt, Lenins Urlau bbis zum XI. Parteitag zu verlängern.

13 . lebruar Lenin schreibt den „Brief an Genossen Ordshonikidse überdie Verstärkung der Georgischen R oten A rmee".

15., 18., 22. un d W .I. L en in gi bt , in Briefen an den Volkskommissar für28. Jebruar Finanzen, an A. D . Zjurupa u nd an die Staatsbank Hinweise

über die Aufgaben der Staatsbank unter den Verhältnissen

der Neuen ökonomischen Politik.20. und 28. W . I. Lenin gibt in Briefen an D . I. Kurski Hinweise über dieJebruar Arbeit des Volkskommissariats für Justiz und über die Aus-

arbeitung eines Zivilgesetzbuches.

22 . Jebruar Lenin schreibt an die Mitglieder des Politbüros des ZK derKPR(B) einen Brief betreffs der Ausarbeitung eines Zivil-gesetzbuches.

28. Tebruar Lenin weist in einer Notiz auf die Notwendigkeit hin, imVolkskommissariat der Arbeiter- und Bauerninspektion den

Entwurf eines Beschlusses über die Kontrolle privater Ver-einigungen und Betriebe durch die Arbeiter- und Bauern-inspektion auszuarbeiten.

Ende 3-ebruar Lenin schreibt den Artikel „Notizen eines Publizisten. Überdas Besteigen hoher Berge, über die Schädlichkeit der Ver-zagtheit, über den Nutzen des Handels, über das Verhältniszu den Menschewiki u. dgl. m."

i. März Lenin gibt in einem Brief an den Zentralverband der Kon-sumgenossenschaften Direktiven über die Aufgaben der Ge-nossenschaften unter den Verhältnissen der Neuen ökono-mischen Politik.

3. März Lenin schlägt in einem Brief an die Mitglieder des Polit-büros des ZK der KPR(B) vor, einen Antrag Sokolnikowsbetreffend die freie Einfuhr von Lebensmitteln aus dem Aus-land abzulehnen, und fordert entschiedene Maßnahmen zurFestigung des Außenhandelsmonopols sowie eine Unter-suchung der bürokratischen Verschleppung beim Kauf vonausländischen Konserven.

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Daten aus dem Leben und Wirken W. 7. Lenins 523

Lenin schreibt an die Mitglieder des Politbüros des ZK

der KPR(B) Briefe, in denen er die von Sokolnikow für denXI. Parteitag ausgearbeiteten Thesen über die Grundliniedes Finanzprogramms kritisiert und vorschlägt, Thesen überdie Festigung des Außenhandelsmonopols anzunehmen.

6. März Lenin spricht in der Sitzung der kommunistischen Fraktiondes V. Gesamtrussischen Verbandstages der Metallarbeiter„Clber die internationale und die innere Lage der Sowjet-republik".

10. März Lenin beauftragt den Leiter der Geschäftsstelle des Rats der

Volkskommissare, Maßnahmen zu ergreifen, um für dieöffentliche Bibliothek in Moskau (heute mit dem Lenin-orden ausgezeichnete Staatliche Bibliothek der UdSSRW . I. Lenin) normale Arbeitsbedingungen zu schaffen.

12. März Lenin schreibt den Artikel „über die Bedeutung des streit-baren Materialismus" für die Zeitschrift „Pod SnamenemMarxisma".

16. März Lenin schreibt an die Mitglieder des Politbüros des ZK derKPR(B) einen Brief, in dem er die Thesen Preobrashenskis

über die Arbeit auf dem Lande kritisiert und empfiehlt, sieabzulehnen; er schlägt vor, eine Beratung von Delegiertendes XI. Parteitags einzuberufen, um die Erfahrungen bei derArbeit auf dem Lande zu studieren.

Lenin gibt dem L eiter der Geschäftsstelle des Rats der Volks-kommissare die Anweisung, von der Statistischen Zentral-verwaltnng die Einreichung der statistischen Berichtsdatenbeim Rat der Volkskommissare zu bestimmten Terminen zuverlangen.

17. März Lenin schreibt den Entwurf des Briefes an E. Vandervelde,worin er den Versuch der Führer der II. und der zweiein-halbten Internationale zurückweist, sich in das Gerichtsver-fahren gegen die rechten Sozialrevolutionäre einzumischen.

Lenin gibt dem Leiter der Geschäftsstelle des Rats der Volks-kommissare dieAnweisung, die Durchführung seiner Direk-tive über den Ausbau des Foto- und Kinowesens sowie derdrahtlosen Telefonie zu sichern.

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524 Baten aus dem Leben und W irken IV. 7. Lenins

18. März W. I. Lenin schreibt das Vorwort zu dem Buch 1.1. Stepa-

nows „Die Elektrifizierung der RSFSR im Zusammenhangmit der Übergangsphase der Weltwirtschaft".

21. März W. I. Lenin schreibt den Brief „Über die Arbeit der Stellver-treter (der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rats der Volks-kommissare und des Rats für Arbeit und Verteidigung)".

22.März Lenin bittet in einem Brief die Plenartagung des ZK derKPR(B), ihn wegen Krankheit von der Teilnahme an derPlenartagung zu befreien, und legt den Plan für den poli-tischen Bericht des ZK der KPROB) auf dem XL Parteitagdar.

Lenin verfaßt das Glückwunschschreiben zum vierjährigenJubiläum der Zeitung „Bednota".

24. März W. I. Lenin unterbreitet der Plenartagung des ZK derKPR(B) in einem Brief Vorschläge über die Bedingungen fürdie Aufnahme neuer Parteimitglieder.

26. März W. I. Lenin schickt einen zweiten Brief an die Mitglieder desZK der KPR(B) über die Bedingungen für die Aufnahme

neuer Parteimitglieder.

31 . März W. I. Lenin schreibt an den Volkskommissar für Justiz,D . I. Kurski, über den Bürokratismus im Komitee für Erfin-dungswesen.

27 . März bis Lenin leitet die Verhandlangen des XI. Parteitags der Kom-2. April munistischen Partei Rußlands (Bolschewiki).

27. März Lenin hält die Eröffnungsrede auf dem Parteitag und erstattetden politischen Bericht des Zentralkom itees der KPR(B).

28. März Lenin hält auf dem Parteitag das Schlußwort zum politischenBericht des ZK der KPR(B).

1. April Lenin schreibt Direktiven für die Landwirtschaftssektion desXL Parteitags betreffend den Entwurf einer Resolution desParteitags über dieArbeit auf dem Lande.

2. April Lenin wird wieder zum Mitglied des Zentralkomitees der

KPR(B) gew ählt Er hält die Schlußrede auf dem Parteitag.

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Daten aus dem Leben und Wirken IV. 1 Lenins 525

3. April Lenin nimmt an der Plenartagung des ZK der KPR(B) teil.

Er bringt einen Antrag zur Arbeit des Sekretariats des ZKein.

6. April Lenin weist in einem Brief an G. M. Krshishanowski daraufhin, daß es notwendig ist, die Ausbeutung der Kursker Eisen-erzlager energisch in Angriff zu nehmen.

6. und 10. W. I. Lenin gibt in Briefen an W . W . Adoratski Hinweise fürApril die Herausgabe der Ausgewählten Briefe von Karl Marx und

Friedrich Engels.

9. April Lenin schreibt den Artikel „Wir haben zu teuer bezahlt".

i i. April Lenin entwirft die „Verordnung über die Arbeit der Stellver-treter (der Stellvertreter des Vorsitzenden1 des Rats der Volks-kommissare und des Rats für Arbeit und Verteidigung)".

12. Aprü Lenin schreibt einen Brief an N. Ossinski, mit Kopien an die„Prawda", die „Iswestija" und den Rat der Volkskommissare,in dem er Hinweise gibt für das Studium örtlicher Erfahrun-gen und für die Popularisierung der Errungenschaften ein-zelner Orte sowie örtlicher Funktionäre.

15. Aprü Lenin schreibt an das Politbüro des ZK der KPR(B) einen

Brief anläßlich des Buches „Materialien zur Geschichte derfranzösisch-russischen Beziehungen von 1910 bis 1914".

23 . April Lenin läßt sich im Moskauer Botkin-Krankenhaus durchoperativen Eingriff eine der Kugeln entfernen, von denen erbei dem Attentat auf ihn am 30. August 1918 getroffen wor-den war.

28. April Lenin schreibt das Vorwort zu der Broschüre „Alte Artikelüber zeitnahe Themen". Vorwort zur Ausgabe von 1922.Lenin schickt an die Arbeiter und Ingenieure des Erdöltrustsvon Aserbaidshan ein Telegramm, in dem er ihnen für den

bei der Lokalisierung des Brandes auf den Surachany-Erdöl-feldern bewiesenen Heldenmut den Dank ausspricht.

2. 7/lcä Lenin schreibt den Artikel „Zum zehnjährigen Jubiläum derJPrawda'".

Lenin schreibt einen Brief an das Volkskommissariat fürFinanzen, Kopien an den Rat der Volkskommissare und dieMitglieder des Politbüros des ZK der KPR (B), über die No t-wendigkeit einer Stabilisierung der Finanzen.

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526 Daten aus dem Leben und W irken W. J. Lenins

5. Mai

15. Mai

Lenin schreibt den „Brief für die Mitglieder des Politbüros.

An twort auf die Bemerkungen betreffend die Arbe it der Stell-vertreter (der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rats derVolkskommissare)".

Lenin macht sich mit dem Entwurf des Strafgesetzbuches derRSFSR b ekannt und schlägt vor, die Anwendung der T odes-strafe auf konterrevolutionäre Tätigkeit der Menschewikiund Sozialrevolutionäre auszudehnen .

15. oder 16. Mai Lenin schreibt den „Entwurf einer Entschließung des Ge-samtrussischen Zentralexekutivkomitees zum Bericht derDelegation auf der Genuakonferenz".

16. Mai Lenin nimmt an der Plenartagung des ZK der KPR(B) teil.

17.Mai W.I.Lenin schreibt den Entwurf eines zusätzlichen Para-graphen zum Strafgesetzbuch über die Anwendung desTerrors gegen konterrevolutionäre Parteien und schickt ihnan den Volkskommissar für Justiz, D. I. Kurski.

Lenin schreibt an den Volkskommissar für Bildungsweseneinen Brief über die Notwendigkeit, die Preise für Bücher zusenken, um sie den breiten Massen zugänglich zu machen.

19. Mai Lenin schreibt Briefe übe r die Entwicklung der Radiotechnik.20. Mai Lenin schreibt für das Politbüro des ZK der KPR(B) den

Brief „über ,doppelte' Unterordnung und Gesetzlichkeit".

23. Mai Lenin fährt zur Erholung nach Gorki bei Moskau.

25.-27. Mai Erster Krankheitsanfall L enins.

Mitte Juni Lenins Gesundheitszustand bessert sich etwas.13. Juli Lenin unterrichtet das Sekretariat des Rats der Volks-

kommissare über seine Genesung und bittet um Zusendungvon Büchern.

September, Lenin schreibt den Artikel „Ein Löffel Teer in einem Faßnadh dem 10. voll Ho nig".

12 . und 19. Lenin spricht sich in Briefen an die Mitgliede r des PolitbürosSeptember des ZK der KPR(B) gegen die Bestätigung des Konzessions-

vertrags mit Urqu hart a us.

13 . September Lenin schickt an die Mitglieder des Politbüros den Entwurfseines Grußschreibens an den bevorstehenden V. Gesam t-russischen Gewerkschaftskongreß zur Begutachtung.

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Baten aus dem Leben und Wirken W. 1 Lenins 527

17. September Lenin schreibt an den Rat der Volkskommissare über die Ge-

währung einer Finanzhilfe für das Donezbecken und Baku.Lenin schickt den „Brief a n den V . Gesamtrussischen Gew erk-schaftskongreß" zu dessen Begrüßung.

25. September Lenin fragt im Volkskommissariat für Justiz an, wie es mitden Vorbereitungen zur Herausgabe eines Gesetzbuches derSowjetmacht steht.

2. Oktober Lenin kehrt nach Moskau zurück und nimmt die Arbeit wie-der auf.

3. Oktober Nach seiner G enesung leitet Lenin eine Sitzung des Rats derVolkskommissare, auf der zur Beratung stehen: der Lohn-fonds für Oktober; die an einem Tag durchzuführende Zäh-lung der Angestellten in Moskau; die Organisierung einerVerw altung für Fischwirtschaft u. a. Frag en.

5. Oktober Lenin nimmt an der Plenartagun g des ZK d er KPR(B) teil.

6. Oktober Lenin schreibt anläßlich der Beratung über die Bildung derUnion der Sozialistischen Sowjetrepubliken im ZK derKPR(B) die „Notiz für das Politbüro über den Kampf gegen

den Großmachtchauvinismus".Lenin unterzeichnet den Beschluß des Rats der Volkskom-missare über die Ablehnung des Konzessionsvertrags mitUrquhart .

Lenin schickt ein Grußschreiben „An die Arbeiter der StadtBaku".

Lenin schickt ein Grußschreiben an die Redaktion der Zei-tung „Put Molodjoshi" (Der W eg der Jugend) - des Organ sdes Moskauer Bauman-Stadtbezirkskomitees des Kommu-

nistischen Jugendverbandes Ruß lands.iO . Oktober Lenin leitet eine Sitzung des Rats der Volkskommissare, auf

der zur Beratung stehen: das Bodengesetzbuch; das Arbeits-gesetzbuch; die Ausarbeitung eines Gesetzes über die ört-lichen Budgets; das Zivilgesetzbuch; Bestimmungen über dieGerichtsbarkeit u. a. Frage n.

Lenin schickt ein Grußschreiben an den V. GesamtrussischenVerbandstag der Textilarbeiter und -arbeiterinnen.

35 Lenin, Werke, Bd. 33

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528 Daten aus dem Leben und Wirken "W. 1 Lenins

i i. Oktober Lenin schickt ein Grußschreiben an den V . Kongreß des Kom-munistischen Jugendverbandes Ruß lands.

i3 . Okiober Lenin schreibt den „Brief über das Außenhandelsmonopol".

17. Oktober Lenin leitet eine Sitzung des Rats der Volkskommissare, aufder zur Beratung stehen: der Entwurf einer Vorlage über dieGouvernements-Sowjetkongresse und die Gouvernements-Exekutivkomitees; der Etat des Volkskommissariats für Bil-dungswesen u. a. Frage n.

19. Oktober Lenin nimmt an einer Sitzung des Politbüros des ZK der

KPR(B) teil.

20. Oktober Lenin schickt ein Grußschreiben an den GesamtrussischenKongreß der Finanzangestellten.

Lenin schreibt die Briefe „An die Gesellschaft der FreundeSowjetrußlands (in Amerika)" und „An die Gesellschaft fürtechnische U nterstützu ng Sow jetrußlands".

24. Oktober Lenin leitet eine Sitzung des Rats der Volkskommissare, aufder zur Beratung stehen: der Handelsvertrag mit Finnland;das Zivilgesetzbuch u. a. Fragen.

26. Oktober Lenin nimmt an einer Sitzung des Politbüros des ZK derKPR(B) teil.

Lenin schreibt „Dem befreiten Primorje zum Gruß".

27. Oktober Lenin schreibt das „Interview für den Korrespondenten des,Observer' und des ,Manchester G uardian', F arbm an".

Ztvisdben dem Lenin entwirft die zweite (unvollendete) Variante des Inter-27 . Oktober views für den Korrespondenten des „Manchester Guardian",und 5. November A. Ransome.

28. Oktober Lenin schlägt brieflich Maßnahmen vor, um den wirtschaft-lichen Aufschwung Sowjetarmeniens z u fördern an d zu unter-stützen.

31. Oktober Lenin spricht auf der IV. Tagung des Gesamtrussischen ZEKder IX. Wahlperiode.

Lenin leitet eine Sitzung des Rats der Volkskommissare, aufder zur Beratung stehen: die Auflegung einer staatlichen Ge-

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Daten aus dem Leben und Wirken IV. 3. Lenins 529

winnanleihe,- die finanzielle Unterstützung der Arbeiten zur

Entwicklung des Baumwollanbaus in Armenien u. a. Fragen.1. November Lenin schickt anläßlich des fünften Jahrestages der Sozia-

listischen O ktoberrevolution ein Grußschreiben an die „Petro-gradskaja Prawda".

2. November Lenin nimmt an einer Sitzung des Politbüros des ZK derKPR(B) teil.

Lenin schickt anläßlich des fünften Jahrestages der Sozia-listischen Oktoberrevolution ein Grußschreiben an die„Prawda".

Lenin schickt ein Grußschreiben an die erste InternationaleKonferenz der kommunistischen Genossenschaftler.

3. November Lenin leitet eine Sitzung des Rats für Arbeit und Verteidi-gung, auf der zur Beratung stehen: die Einbringung derErnte,- die Finanzierung des Donezbeckens; die Versorgungder Petrograde r Indu strie mit Brot u. a. Fragen.

4. November Lenin schickt ein Grußschreiben an den IV. Weltkongreß derKommunistischen Internationale und an den Petrograder

Sowjet der Arbeiter- und Rotarmistendeputierten.Lenin schickt ein Grußschreiben an den GesamtrussischenKongreß der Statistiker.

5. November Lenin schreibt das „Interview für den Korrespondenten des,Manchester Guardian', A. Ransome".

6. November Lenin schickt ein Grußschreiben „An die Konferenz partei-loser Arbeiterinnen und Bäuerinnen Moskaus und des Mos-kauer Gouvernements".

6. und 8. Lenin fordert Materialien an über die Lage der Dinge imNovember Donezbecken und die Erfüllung des Beschlusses über diestaatliche Saatzucht.

7. November Lenin schickt anläßlich des fünften Jahrestages der Sozia-listischen Oktoberrevolution ein Grußschreiben „An dieArbeiter des ehemaligen Michelson-Werkes".

Lenin schickt „An die Arbeiter und Angestellten des staat-lichen Kraftwerks ,Elektroperedatscha'" ein Grußschreiben

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530 Daten aus dem Leben und W irken W. 7. Lenins

zur Eröffnung des Klubs am fünften Jah restag der Sozia-

listischen Oktoberrevolution.8.November Lenin schickt ein Grußschreiben „An die Arbeiter der

Stodoler Tuchfabrik in Klinzy".

9. November Lenin nimmt an einer Sitzung des Politbüros des ZK derKPR(B) teil.

13. November Lenin hält auf dem IV. Kongreß-der Komintern das Referat„Fünf Jahre russische Revolution und die Perspektiven derWeltrevolution".

14. November Lenin schreibt die „Begrüßung der Gesamtrussischen Land-wirtschaftsausstellung".

15. November Lenin grüßt in einem Brief die ausländischen Schriftsteller,ehemalige Kriegsteilnehmer, die in Frankreich die Gruppe„Clarte" gegründet haben.

W. I. Lenin schreibt an 1.1. Skworzow-Stepanow einen Briefüber die Politik der Partei gegenüber den bürgerlichen Spe-zialisten unter der Diktatur des Proletariats.

16. November Lenin nimmt an einer Sitzung des Politbüros des ZK der

KPR(B) teil.

17. November Lenin leitet eine Sitzung des Rats für Arbeit und Verteidi-gung, auf der zur Beratung stehen: die Vorbereitung derM aterialien zum X . Gesamtrussischen Sowjetkongreß; M aß -nahmen zur Einbringung der Ernte,- die Finanzierung derKohle- und Erdölindustrie u. a. Fragen.

IS . November W. I. Lenin informiert sich über die Arbeiten und VersucheI. W . Mitschurins,- er schlägt vor, im Rat für Arbeit und V er-teidigung die Frage des Bewässerungssystems in Turkestan

zu behandeln.

2O.November Lenin spricht in der Plenarsitzung des Moskauer Sowjetsüber die Außen- und Innenpolitik.

22. November Lenin schickt einen Brief „An das Präsidium des V. Gesamt-russischen Verbandstages der Sowjetangestellten".

23.November Lenin nimmt an einer Sitzung des Politbüros des ZK derKPR(B) teil.

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"Daten aus dem Leben und W irken "W. J. Lenins 531

26. November Lenin schickt ein Grußschreiben „An den Verbandstag der

M itarbeiter des Bildungswesens".November Lenin führt Gespräche mit den Delegierten zum IV. Kongreß

der Komintern über den organisatorischen Aufbau der kom-munistischen Parteien sowie über die Methoden und denInhalt ihrer Arbeit.

1. Dezember Lenin beauftragt den Leiter der Geschäftsstelle des Rats derVolkskommissare, zwecks Vorbereitung des X. Gesam trus-sischen Sowjetkongresses zusammenfassende Angaben überden Stand der Industrie im laufenden Jahr und über das In-dustriebudget anzufordern.

2. Dezember Lenin wendet sich in einem Brief an das Sekretariat desZentralkomitees der Internationalen Arbeiterhilfe mit einemAufruf an die Arbeiter und Werktätigen der ganzen Welt,eine Kampagne der wirtschaftlichen Hilfe für Sowjetrußlanddurchzuführen.

4. Dezember Lenin schickt ein Grußschreiben „An den III. W eltkon greßder Kommunistischen Jugendinternationale in Moskau".Lenin schreibt die „B'-nierkungen zu den Aufgaben unsererDelegation im Haag".

5. Dezember Lenin verfaßt Direktiven über die Arbeitsteilung zwischenden Stellvertretern des Vorsitzenden des Rats der Volkskom-missare und des Rats für Arbeit und Verteidigung.Lenin beauftragt den Leiter der Geschäftsstelle des Rats derVolkskommissare, beim Volkskommissariat für Landwirt-schaft anzufragen, welche Maßnahmen zur UnterstützungI. W . Mitschurins ergriffen worden sind .

6. Dezember Lenin schreibt den Artikel „Einige Worte über N. J. Fedos-sejew".

7. Dezember Lenin nimmt an einer Sitzung des Politbüros des ZK derKPR(B) teil.

7.-12. Lenin hä lt sich in Gorld auf; er bere itet sich vor, auf demDezember X. Gesamtrussischen Sowjetkongreß aufz utreten , und en t-

wirft seine Rede.

9. Dezember Lenin arbeitet Richtlinien aus über die Arbeitsordnung derStellvertreter und des Vorsitzenden des Rats der Volkskom-missare.

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532 Daten aus dem Leben und W irken IV. 3. Lenins

10. Dezember

12. Dezember

13 . Dezember

15. Dezember

inder'Nadhtvom 15. zum16. Dezember

23. Dezember

Lenin schickt ein Grußschreiben „An den Gesamtukraini-

schen Sowjetkongreß".Lenin arbeitet zum letztenmal in seinem Arbeitszimmer imKrcanl.

Lenin schreibt den Brief „Ober das Außenhandelsmonopol"für die Plenartagung des ZK der KPR (B).

Lenin schreibt den „Brief an die Mitglieder des ZK betreffsder Möglichkeit, auf dem X. Gesamtrussischen Sowjetkongreßzu sprechen".

Zweiter Krankheitsanfall Lenins.

Lenin ruft den Sekretär zu sich, diktiert ihm Briefe und ver-langt Bücher.

29. Dezember Die Ärzte gestatten Lenin das Lesen.

1923

1.-2. Januar Lenin diktiert den Artikel „Tagebuchblätter".

4. und 6. Lenin diktiert den Artikel „über das Genossenschafts-Januar wesen".

9. und 13 . Lenin diktiert die erste Variante des Artikels „Wie wir dieJanuar Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen".

10. Januar Lenin beauftragt den Leiter der Geschäftsstelle des Rats derVolkskommissare, bei der Statistischen ZentralverwaltungMaterialien über die Zählung der Sowjetangestellten an-

zufordern.

16. und 17. Lenin diktiert den Artikel „Ober unsere Revolution (AusJanuar Anlaß der Aufzeichnungen N . Suchanows)".

19., 20., 22. Lenin diktiert die zweite Variante des Artikels „Wie wir dieun d 23 . Januar Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen (Vor-

schlag für den XII. Par teitag )" und ordnet an, den Artikel inSatz zu geben.

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D aten aus dem Leben und W irken W. J. Lenins 533

Lenin diktiert den Artikel „Lieber weniger, aber besser".

Lenin sieht seinen Artikel „Lieber weniger, aber besser"durch und ordnet an, ihn in Satz zu geben.

Dritter Krankheitsanfall Lenins.

Lenin übersiedelt in das Dorf Gorki.

Zweite Julihälfte Lenins Gesundheitszustand bessert sich.

19. Oktober Lenin fährt auf einige Stunden nach Moskau und geht insein Arbeitszimmer; auf dem Rückweg nach Gorki besucht er

die Landwirtschaftsausstellung.

2. , 4. , 5., 6.,

7. und 9.

Tebruar

2. TAärz

1 0. März

15. "Mai

21 . Januar,

18.50 Uhr,

in Qorki

TJadbt vom 21.

zum 22. Januar

22. Januar

22.-23. Januar

23 . Januar,

10-11 Uhr

13V.hr

26. Januar

1924

Lenin stirbt.

Außerordentliche Plenarsitzung des Zentralkomitees derKPR(B) anläßlich des Todes Lenins.

M. I. Kalinin gibt Lenins Tod auf dem XI. GesamtrussischenSowjetkongreß bekannt.

Die Mitglieder des Zentralkomitees der KPR(B), die Mit-glieder der Regierung, Abordnungen des Sowjetkongressesund der Moskauer Organisationen sowie Bauern aus denumliegenden Dörfern kommen nach Gorki, um von LeninAbschied zu nehm en.

Der Sarg mit der sterblichen Hülle Lenins wird von Gorkizur Bahnstation^Gerassimowo (heute Leninskaja) getragen.

Der Trauerzug mit der sterblichen Hülle Lenins trifft inMoskau ein. Die nächsten Kampfgenossen tragen den Sarg'in den Säulensaal des Gewerkschaftshauses.

Trauersitzung des II. Sowjetkongresses der Union der Sozia-listischen Sowjetrepubliken. Es sprechen Führer der Parteiund der Komintern, Mitglieder der Regierung der UdSSR,

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534 Daten aus dem Leben und Wirken IV. 1. Lenins

Vertreter der Arbeiter un d Bauern, der Intelligenz, der RotenArmee und der Jugend. Der Kongreß beschließt, Lenins Ge-

denken für ewige Zeiten zu bewahren.

23.-27. Januar Hunderttausende Arbeiter, Bauern, Rotarmisten und An-gestellte Moskaus, Abordnungen der Werktätigen aus allenTeilen der Sowjetunion ziehen Tag und Nacht in einem un-unterbrochenen Strom durch den Säulensaal, um von LeninAbschied zu nehmen.

27. Januar, Der Sarg mit der sterblichen Hülle Lenins wird aus dem Ge-9.20 Ilbr werkschaftshaus auf den Roten Platz getragen.

ißilhr Der Sarg mit der sterblichen Hülle Lenins wird in das

Mausoleum übergeführt.

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5 35

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort VII-X

1921

Neue Zeiten, alte Fehler in neuer Gestalt 1-9

Briefe an die Statistische Zentralverwaltung 10-15

1. An den Leiter der Statistischen Zentralverwaltung . . . . 102. An den Leiter der Statistischen Zentralverwaltung oder sei-

nen Stellvertreter 13

Brief an die Redaktion der Zeitung „Ekonomitscheskaja Shisn" .. 16-18

Ober die Parteireinigung . . . . 19-21

über die Aufgaben der Arbeiter- und Bauerninspektion, wie sie auf-zufassen nnd durchzuführen sind 22 -28

An das Präsidium des VIII. Gesam trussischen ElektrotechnischenKongresses 29-30

Zum vierten Jah restag der Oktoberrevolution 31-39

Die Neu« ökonomische Politik und die Aufgaben der Ausschüssefür politisch-kulturelle Aufklärung. Referat auf dem II. Gesamt-

russischen Kongreß der Ausschüsse für politisch-kulturelle Auf-klärung, 17. Oktob er 1921 40- 60

Eine schroffe Wendung der Sowjetmacht und der KPR . . . . 40Das Gesamtrussische Zentralexekutivkomitee im Jahre 1918

über die Rolle der Bauernschaft 41

Unser Fehler 42

Ein strategischer Rückzug 43

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536 Inhaltsverzeichnis

Der Sinn der Neu en ökonom ischen Politik 44

W er wird siegen - der Kap italist oder die Sowjetmacht? . . . . 45D er Kampf wird noch härte r werden 47

Das letzte Gefecht? 49

Wir dürfen nicht auf einen unmittelbar kommunistischen Über-gang rechnen 49

Das Prinzip der persönlichen Interessiertheit 50

W erden wir es verstehen, für uns selbst zu arbeiten? . . . . 52

Veraltete Methoden . . . . 54

Das größte W under 55

Die Aufgaben der Funktionäre für politisch-kulturelle Auf-klärung 57

Drei Hauptfeinde 58De r erste Feind - der kommunistische Hochmut 59D er zweite Feind - das Analphabetentum 59D er dritte Feind - die Bestechlichkeit 59

Der Unterschied zwischen militärischen und kulturellen Auf-gaben 60

VII. Moskauer Gouvernements-Parteikonferenz, 29.-31. Oktober

1921 61-89ü b e r die Neue ökonomische Politik

1. Referat in der Sitzung am 29. Oktober 1921 632. Schlußwort 83

Ober die Bedeutung des Goldes jetzt und nach dem vollen Sieg desSozialismus 90-98

Rede zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution auf einer Fest-versammlung der Arbeiter der Prochorowschen Manufaktur,6. Novemb er 1921. Ku rzer Zeitungsbericht 99

Rede zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution auf einer Fest-versammlung von Arbeitern, Arbeiterinnen, Rotarmisten undJugendlichen des Mo skauer Stadtbezirks Chamowniki, 7. Novem-ber 1921 100-102

Rede zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution auf einer Fest-versammlung der Arbeiter des Werkes „Elektrosila" Nr. 3 (vor-mals „Dyn amo "), 7. November 1921. Ku rzer Zeitungsbericht . . 103

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Inhaltsverzeichnis 537

Vorwort zu der Broschüre „Zur Frage der Neuen ökonomischen

Politik (Zwei alte Artikel und ein noch älteres Nach wort)" .. . . 104-106Telegramm an den Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare von

Aserbaidshan, Narim anow . Baku 107

Ein talentiertes Büchlein 108-109

Entwurf eines Vorschlags über die Bildung einer Föderation dertranskaukasischen Republiken 110

Rede auf dem I. Landwirtschaftskongreß des Moskauer Gouverne-ments, 29. November 1921. Kurzer Zeitungsbericht . . . . . . 111-112

über die Thesen der Kommunistischen Partei Frankreichs zurAgrarfrage 113-120

Brief an die Mitglieder des Politbüros über die Parteireinigung undüber die Bedingungen für die Aufnahme in die Parte i 121

Brief an das Politbüro betreffend eine Resolution des IX. Gesam t-russischen Sowjetkongresses über die internation ale Lage . . . . 122

IX. Gesamtrussischer Sowjetkongreß, 23.-28. Dezember 1921 .. .. 123-166

1. Ober die Innen- und Außenpolitik der Republik. Bericht desGesamtrussischen Zentralexekutivkomitees und des Rats der

Volkskomm issare an den IX. Gesam trussischen Sowjetkon-greß, 23. Dezember 1921 125

2. Direktive für die Arbeit auf wirtschaftlichem Gebiet, an-genommen vom IX. Gesamtrussischen Sowjetkongreß,28. Dezem ber 1921 163

über die Politik der englischen Arbeiterpartei. Brief an das ZK derKPR(B) 167-168

1922

ü b e r die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften unter den Ver-hältnissen der Neuen ökonomischen Politik. Beschluß des ZKder KPR(B) vom 12. Jan uar 1922 169-181

1. Die Ne ue ökonomische Politik und die Gewerkschaften . . 169

2. Der Staatskapitalismus im proletarischen Staat und die Ge-werkschaften 170

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538 Inhaltsverzeichnis

3. Die staatlichen Betriebe, die auf die sogenannte wirtschaft-

liche Rechnungsführung übergeführt werden, und die Ge-werkschaften 170

4. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Klassenkampfdes Proletariats in einem Staat, der das Privateigentum amGrund und Boden, an den Fabriken usw. anerkennt und wosich die politische Macht in Händen der Kapitalistenklassebefindet, und dem ökonomischen Kampf des Proletariats ineinem Staat, der das Privateigentum am Grund und Bodenund an den meisten Großbetrieben nicht anerkennt, in einemStaat, wo sich die politische Macht in Händen des Prole-

tari ats befindet 1715. Die Rückkehr zur freiwilligen Mitgliedschaft in den Gewerk-

schaften 173

6. Gewerkschaften und Betriebsleitung 174

7. Die Rolle und die Teilnahme der Gewerkschaften an denW irtschafts- und Staatsorganen des proletarischen Staates . . 175

8. Die Verbindung mit den Massen als Grundbedingung jed-weder Arbe it der Gewerkschaften 177

9. Die Widersprüche in der Lage der Gewerkschaften bei der

Diktatur des Proletariats 17810. Die Gewerkschaften und die Spezialisten 179

11. Die Gewerkschaften und der kleinbürgerliche Einfluß aufdie Arbeiterklasse 181

Entwurf einer Direktive des Politbüros des ZK der KPR(B) über dieNe ue ökonom ische Politik . . 182-183

An die W erktätigen Dagestans 184

Brief an Genossen Ordshonikidse über die Verstärkung der Geor-gischen Roten Arm ee 185

Brief an D . I. Kurski 186-187

Notizen eines Publizisten, über das Besteigen hoher Berge, über dieSchädlichkeit der Verzagtheit, über den Nutzen des Handels, überdas Verhältnis zu den Menschewiki u. dgl. m 188-1%

I. Eine Art Beispiel . 188

II. Ohn e Metaphern 190

III. ü b e r die Fuchsjagd; über Levi; über Serrati 192

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540 Inhaltsverzeichnis

IV. über die Einhelligkeit in der Arbeit der beiden Stellver-

treter . . 327V. Die Arbeitsteilung zwischen den Stellvertretern 327

Brief an das Politbüro 330

Vorwort zu der Broschüre „Alte Artikel über zeitnahe Themen".Vorwort zur Ausgabe von 1922 . . . . 331-333

Telegramm an die Arbeiter und Ingenieure des Erdöltrusts vonAserbaidshan. Baku . . 334

Zum zehnjährigen Jubiläum der „Praw da" 335-338

Brief für die Mitglieder des Politbüros. Antwort auf die Bemerkun-gen betreffend die Arbeit der Stellvertreter (der Stellvertreter desVorsitzenden des Rats der Volkskommissare) 339-341

Entwurf einer Entschließung des Gesamtrussischen Zentralexekutiv-komitees zum Bericht der Delegation auf der Genuakonferenz . . 342-343

Brief an D . I. Kurski . . . . 344-345

Briefe über die Entwicklung der Radiotechnik 346 -348

1 3462 348

Ober „doppelte" Unterordnung und Gesetzlichkeit. Für das Polit-büro 349-353

Ein Löffel Teer in einem Faß voll Hon ig 354-355

Brief an den V. Gesamtrussischen Gewerkschaftskongreß . . . . 356-357

Notiz für das Politbüro über den Kampf gegen den Großmacht-chauvinismus 358

An die Arbeiter der Stadt Baku 359

An den V. Kongreß des KJVR 360Brief über das Auße nhandelsm onopo l.. 361-36 4

An den Gesamtrussischen Kongreß der Finanzangestellten . . . . 365

An die Gesellschaft der Freunde Sowjetrußlands (in Am erika) . . 366

An die Gesellschaft für technische Un terstü tzun g Sowjetrußlands . . 367

Dem befreiten Primorje zum Gruß. Tschita. An den Vorsitzendendes M inisterra ts der Fernöstlichen Republik . . . . 368

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7/30/2019 Lenin - Werke 33

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