Upload
others
View
1
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
ANLAGEN-/APPARATEBAU
18 PROCESS 11/12-2017
MAMAMAMANANANANAGEGEGEMEMEMENTNTNTNT BEBEBEBETRTRTRTRIEIEIEBB ININININSTSTSTSTANANANSTANSTSTANSTANSTANSTSTANST DHDHHALDHHALDHALHALALT.T.T.T.PLPLPLPLANANNUNANNUNANUNNUNUNGG
ÖL/GAS WASSER/ABWASSER
CHEMIE LEBENS-MITTEL
PHARMA/BIOTECH
Die Digitalisierung durch-
dringt die Chemie immer
tiefer, das zeigt sich auch
bei den einschlägigen Veranstal-
tungen: Was PROCESS im Jahr
2011 als Digital Plant Kongress
startete, entwickelte sich 2017
zum Smart Process Manufacturing
Kongress – der logische Schritt von
der Fokussierung auf die Anlage
zur Analyse aller in der Chemie/
Pharmazie ablaufenden Prozesse
inklusive Geschäftsmodellen.
Aber hat tatsächlich, wie man-
che Auguren (Lobbyisten?) prog-
nostizieren, mit ernsthaften Wett-
bewerbsnachteilen zu rechnen,
wer nicht bis längstens 2025 die
digitale Transformation schafft?
Die 180 Kongress-Teilnehmer am
11. und 12. Oktober in Würzburg
wissen nun: Die Zeit drängt tat-
sächlich. Was sie auch wissen: Bei
der Digitalisierung geht es keines-
falls allein um Technologie und/
oder Software. Digitalisierung ist
vor allemMindset, auf die geistige
Haltung dazu kommt es an.
Bestandsaufnahme: Über wassprechen wir eigentlich?
„Ermöglicht Industrie 4.0 die
nächste Stufe in der Evolution der
Prozessindustrie?“ Mit dieser Fra-
ge lockte Dr. Thomas Steckenreiter
(Samson) um Aufmerksamkeit.
Und er gab zunächst einmal Orien-
tierungshilfe mit einer Abgren-
zung. Folgt man Steckenreiter,
geht es beim Thema Industrie 4.0
keinesfalls vordergründig darum,
Prozesse zu automatisieren oder IT
in die Produktion zu bringen. Die
chemische Industrie arbeitet
schließlich seit Jahr und Tag be-
reits mit hoch automatisierten kon-
tinuierlichen Prozessen. Für Ste-
ckenreiter geht es bei der digitalen
Transformation in der Prozessin-
Das Smart Phone istdas sichtbare Zei-chen von Digitali-sierung und Vernet-zung. CHEMIE 4.0:
1. Smart Process Manufacturing-Kon-
gress gibt eine Standortbestimmung zu
Chemie 4.0 – Chemie 4.0 verspricht viel:
Die Vernetzung des technischen
Equipments optimiert die Prozesse – sie
werden wirtschaftlicher, effizienter,
flexibler. Darüber hinaus eröffnen platt-
formbasierteWertschöpfungsnetzwerke
interessante Geschäftsmodelle. Alles nur
Theorie? Mitnichten, wie der 1. Smart
Process Manufacturing Kongress von
PROCESS im Oktober gezeigt hat.
D I P L - I N G . H A N S - J Ü R G E N B I T T E R M A N N *
Hans-Jürgen Bittermannfreier Mitarbeiter
document6741071455511967541.indd 18 11.11.2017 11:32:00
11/12-2017 PROCESS 19
dustrie dezidiert um diese Punkte:
Vernetzung, Intelligenz und Auto-
nomie.
Vernetzung bedeute die Verzah-
nung der Produktion mit moderns-
ter Informations- und Kommunika-
tionstechnik. Intelligenz sei erfor-
derlich, damit sich die Produktions-
mittel untereinander verstehen
und durch Feedback-Loops in der
Lage seien, selbständig optimale
Lösungen zu erlernen. Zusammen-
genommen resultiere Industrie 4.0
in der Fähigkeit zur Autonomie:
Cyber-Physical Systems steuern
dann nahezu in Echtzeit digitale
Wertschöpfungsnetzwerke.
Steckenreiter: „Industrie 4.0 hat
zum Ziel, individuelle Produkte
bzw. immer kleiner werdende Los-
größen oder Mengen zu den Bedin-
gungen der Massenfertigung her-
zustellen.“ Dazu müsse die Pro-
duktion hochflexibel, hochproduk-
tiv (bis zu einem Plus von 50 Pro-
zent) und darüber hinaus ressour-
censchonend (bis zu einem Minus
von 50 Prozent) werden – das ge-
linge am besten in kleineren und
flexibleren Produktionsanlagen.
Der wichtigste Vorteil laut Ste-
ckenreiter: „Der optimierte Res-
sourceneinsatz und die effizientere
Produktionslogistik reduzieren
deutlich dasWorking Capital.“ Soll
heißen: Die Kapitaleffizienz ist
besser.
Professor Leon Urbas (TU Dres-
den) stellte die etwas ketzerische
Frage, ob denn die Chemieanlage
sich in Richtung ‚autonom fahren-
des Auto‘ entwickle? Werde es
eine sich selbst überwachende,
von künstlicher Intelligenz geführ-
te Chemieanlage geben? Seine
Das Kernteam des Industrie-4.0-Projektes bei der BASF beleuchtete auf dem Kongress
alle Facetten des Projektes.
HERAUSFORDERUNGENCHANCEN &
Bilder:J.Untch-VogelBusinessMedia
document6741071455511967541.indd 19 11.11.2017 11:32:10
ANLAGEN-/APPARATEBAU
20 PROCESS 11/12-2017
eigene Antwort: Dazu müsste sichdie Zahl der Sensoren in einer An-lage vervielfachen – dann gehe esnicht um zehn, sondern um gleich100 bis 1000 Sensoren, die aberdafür nicht 1000 Euro, sondern nurzehn Euro kosten dürften.Grundvoraussetzung ist natür-
lich, dass die erfassten Daten auchgenutzt werden. Nach Erfahrungder Feldgeräte-Anbieter werdenheute aber nur etwa drei Prozentder mit diesen Systemen generier-ten Daten auch genutzt: „Chemie-anlagen sind Datengräber!“, so dieetwas ernüchterte / ernüchterndeBemerkung eines Teilnehmers.Über autonome Produktionsanla-gen muss also derzeit nicht ernst-haft nachgedacht werden. In derDiskussionsrunde wurde allenfallsdie Erwartung formuliert, dass diegroßen Prozessleitsysteme ver-schwindenwerden. Der Aktor wer-de irgendwann sich die Daten, dieer braucht, selbst besorgen undmit den anderen Aktoren kommu-nizieren.
Leuchtturm-Projekte:Es funktioniert!
Über die erste herstellerüber-greifende Digitalisierungsplatt-form der Prozessindustrie berich-teten in einem gemeinsamen Vor-trag die Projektbeteiligten vonBASF, SAP, Pepperl+Fuchs, Sam-
son und Endress+Hauser. In dieserIndustrie-4.0-Lösung stehen so-wohl statische als auch dynami-sche Daten von prozesstechni-schen Feldgeräten zentral zur Ver-fügung und können zwischen Un-ternehmen oder Organisationenausgetauscht werden – beispiels-weise, um vorausschauende War-tungskonzepte zu realisieren.Aus den traditionellen Zuliefe-
rer-Hersteller-Ketten werden soleistungsfähige Wertschöpfungs-netzwerke, bei denen alle Partnerauf Augenhöhe agieren und ihrenMehrwert bestmöglich einbringenkönnen. Ende 2017 soll die gemein-sam entwickelte Lösung in zweiPilotanlagen bei der BASF gestar-tet werden.Dr. Andreas Heidbreder (Mün-
zing Chemie) und Franz XaverBraun (Bilfinger) berichteten überein erfolgreich realisiertes Platt-form-Projekt: Die Vernetzung allerAnlagendaten (neben demModell
des digitalen Zwillings sind auchErfahrungswerte abgelegt) aufdieser Plattform erschließe Poten-ziale, die zuvor nicht verfügbarwaren – beispielsweise in SachenInstandhaltung. Nicht allein dieVerfügbarkeit einer Anlage stehtim Vordergrund, es geht auch umdie Qualität der Produkte.Und wichtig: Bei diesem Platt-
form-Konzept kann auch das Wis-sen aus anderen Unternehmengenutzt werden. Motto: Die Kom-bination von Daten aus unter-schiedlichen Quellen generierenneue Erkenntnisse! Nicht zuletztermögliche die Fähigkeit zur Mus-tererkennung eine bessere Pro-phylaxe. Franz Xaver Braun: „Wirschauen von der Gegenwart in dieVergangenheit und erkennen be-stimmte Muster, die zum Ausfallführen.“ Die Plattform entwicklesich auf diese Weise zum ‚Reliabi-lity Advisor‘.
Innovative Werkzeuge fürden Planer & Betreiber
Was in Sachen Digitalisierungmöglich undwichtig sei, müsse vorallem der Kunde entscheiden, er-läuterte Dr. Christian Bartsch(Linde): Sage dieser Nein zu einerIdee, werde diese sofort begraben.Ansonsten gelte Speed, Speed,Speed: „Verspricht eine Idee nichtinnerhalb von drei Monaten Erfolg,dann stirbt sie“, so Bartsch. Bei-spielsweise wurde das Trainingvon Wartungspersonal per Aug-mented Reality als Idee rasch um-gesetzt. Auf diese Weise könnedas künftige Betriebspersonalnoch während der Installation ei-ner Anlage geschult werden.Bartsch betonte zudem die Predic-tive Analytics als Nutzen einer di-gitalisierten Anlage – die Muster-erkennung zur vorbeugenden In-standhaltung.Der Einsatz der Hololens ist momentan noch im Pilotstadium.
„In der Zusammenarbeit zwischen Ver-
fahrenstechnikern und IT-Spezialisten
müssen beide eine gemeinsame Sprache
finden.“
A N D R E A S K L I N G E R ,
B A S F
• Einen noch ausführliche-ren Beitrag und eineBildergalerie zum SmartProcess Manufactu-ring Kongress findenSie auf www.process.de.
PROCESS-Tipp
document6741071455511967541.indd 20 11.11.2017 11:32:14
11/12-2017 PROCESS 21
Hans Bijl (Siemens) thematisier-
te u.a. den in der Chemie üblichen
langen Betrieb einer Produktions-
anlage – bei Anlagenlaufzeiten von
bis zu 30 Jahren sei das integrierte
Engineering ein ‚must have‘. Die
Simulations-Software Simit ermög-
liche eine Kombination der virtuel-
len Inbetriebnahme und dem Ope-
rator Training von Anlagen. An-
wender können so die Inbetrieb-
nahme in der Praxis um bis zu 60%
beschleunigen und gerade auch
bei Anlagenumbauten und Migra-
tionen ungewollte Stillstandzeiten
auf ein Minimum reduzieren.
Ulrich Hempen (Wago) präsen-
tierte erste Ergebnisse der DIMA/
MTP-Methodik. Im November 2014
hatte das Unternehmen DIMA
(‚Dezentrale Intelligenz für Modu-
lare Anlagen‘) erstmals vorgestellt.
Kern der Idee ist es, schnell zu ver-
ändernde Produktionsabläufe
durch intelligente Produktionsmo-
dule und einem selbstlernenden
Produktionsleitrechner zu ermög-
lichen. „Die Intelligenz wandert
vom zentralen Leitsystem ins
Feld“, fasst Ulrich Hempen zusam-
men.
Die Produktivität im Engineering
stand auch beim Vortrag von Merih
Aker (Spiratec) im Mittelpunkt:
Sein Unternehmen hat eine Erwei-
terung zum Aveva-Planungsum-
feld entwickelt, um effektiv und
effizient (modulare) Anlagen zu
planen. Zu jedem Zeitpunkt ist es
möglich, Abweichungen und
Kennzahlen wie Inkonsistenzen,
Planungsfortschritt und Planungs-
fehler festzustellen und die dazu
hinterlegten Informationen auszu-
werten. Damit optimiert Spiratec
den Engineering-Prozess und ver-
kürzt Projektlaufzeiten.
Bleibt als Fazit: Die großen Kon-
zerne in der Branche etablieren
adäquate Strukturen für die digita-
le Transformation (da gibt es den
Chief Digital Officer und ganze
Abteilungen allein für Industrie
4.0), stellen locker zehn, 20 oder 50
Spezialisten ab, zum Teil agieren
diese sogar in neu gegründeten
Start-ups.
Das können kleine und mittlere
Unternehmen (KMU) in aller Regel
nicht leisten – sie aber dominieren
in der mittelständisch geprägten
deutschen Chemieindustrie. Des-
halb sind Tagungen wie der Smart
Process Manufacturing Kongress
so wichtig: zum einen als Ideenlie-
ferant und zum andern als Kontakt-
börse zu Dienstleistern. Digitalisie-
rung, das lehrt der Kongress, ist
vor allem ein Change-Thema – und
da sind Erfahrungen (‚Lessons
Learned‘) äußerst wichtig.
Start-up Sessions
NEUES AUS DER GRÜNDERSZENEWer Smart Process Manufacturing thematisiert, darf nicht alleinauf Lösungen der etablierten Konzerne vertrauen. Einen an-deren Blick auf die Branche und unkonventionelle Lösungenlassen Start-ups vermuten. Auf dem Kongress kamen drei An-bieter zu Wort.· Lisann Rommerskirchen (Athion) präsentierte Lösungen zur
intelligenten Analyse und Optimierung von komplexen Ener-giesystemen. Digital Energy Services – das sind Dienstleis-tungenwie automatisierte Energiedatenanalysen, selbstler-nende Prognoseverfahren oder die Optimierung der Einsatz-planung von Erzeugung und Verbrauch. Dazu nutzt derAnbieter KI-Konzepte und Verfahren der mathematischenOptimierung.
· Heribert-Josef Lakemeyer (Pinpools) berichtete über denAufbau einer Plattform für die Chemie- und Kunststoffin-
dustrie: Pinpools ist eine B2B-Management-Plattform, aufder standardisierte und individuelle Güter der chemischenIndustrie automatisiert gematcht werden (Stichwort: digi-tales Marketing).
· Marius Mülder (Tagxter UG) erläuterte den Nutzen digitalerGuides auf bisweilen riesigen und unübersichtlichen Indus-triegeländen. Der Site Guide bietet Informationen, Orientie-rung und Navigation in Form einer mobilen App.
>> Kooperationen mit Start-up-Un-
ternehmen bringen frischen Wind in
die Chemiebranche.
„Verspricht eine Idee nicht innerhalb von
drei Monaten Erfolg, dann stirbt sie.“
D R . C H R I S T I A N B A R T S C H ,
L I N D E
„Wer richtig digitalisieren will, muss erst
richtig automatisieren.“
D R . T H O M A S S T E C K E N R E I T E R ,
S A M S O N
document6741071455511967541.indd 21 11.11.2017 11:32:18