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Mein Informationspraktikum in der Jagiellonischen Bibliothek Krakau vom 30.08 bis 03.09.2010 (Bericht von Petra Schwartges) Vorbemerkung: Vor mir haben bereits vier Kolleginnen die Gelegenheit bekommen, die Jagiellonische Bibliothek (JB) im Rahmen eines Informationspraktikums kennenzulernen. Ihre ausführlichen und informativen Berichte, u.a. zur Geschichte der JB, zu ihren einzigartigen Beständen, ihren unterschiedlichen Katalogen, ihrer Papierklinik etc. sind hier im Intranet nachzulesen. Über diese Aspekte der Bibliothek kann ich nichts schreiben, was nicht schon in einem Bericht meiner Vorgängerinnen zu lesen gewesen wäre. Ich möchte hier deshalb also weniger über „facts & figures“ berichten, sondern mehr über aktuelle Projekte, an denen die KollegInnen der JB z. Zt. arbeiten. Außerdem werde ich, ermutigt durch die positiven Rückmeldungen auf meinen Kurzbericht im Bibo, versuchen, einfach über Eindrücke und Erfahrungen zu berichten, die ich in dieser Zeit zum einen durch Gespräche mit KollegInnen, zum anderen aber auch durch bloßes Beobachten des dortigen Bibliotheksalltags sammeln durfte. 1. Tag: Abteilung für digitale Medien und die „Jagiellonian Digital Library (JDL)“ Dieser Abteilung, in der audiovisuelle Medien katalogisiert und verschlagwortet werden, ist das Projekt „Jagiellonian Digital Library“ angeschlossen, über das ich hier berichten möchte. Im Juli 2010 begannen zwei speziell für dieses Projekt eingestellte junge Kollegen, die neben ihrem Bibliotheks- auch ein technisches Studium abgeschlossen haben, damit, eine Datenbank mit digitalisiertem Schrifttum der JB aufzubauen. Sie greifen dabei z. Zt. noch auf Scans zurück, die bereits 2002 bis 2003 auf CDs gebrannt wurden. Das Schrifttum wurde nicht systematisch gescannt, sondern aufgrund seines besonders schlechten Erhaltungszustandes ausgewählt oder weil ein Benutzer ein bestimmtes Werk einsehen wollte, dessen Zustand eine Lesesaalbenutzung aber nicht mehr zuließ. Demnächst soll ein leistungsfähigerer Scanner angeschafft werden, um die Qualität der Scans und damit der Datenbank noch weiter zu verbessern. Als ich in Krakau war, waren ca. 400 Werke konvertiert. Besuche ich heute die Internetseite der „Jagiellonian Digital Library“ (http://jbc.bj.uj.edu.pl/dlibra/dlibra ), finde ich, Stand 5.11.10, bereits 1222 digitalisierte Werk vor. Mehrere Tausend warten noch auf ihre Bearbeitung. Ein Großteil dieses Schrifttums sind Karten, es finden sich aber z.B. auch Stiche von Rembrandt oder polnische Zeitungen aus dem 18. Jahrhundert. Wobei Periodika generell aufgrund ihres oft besonders schlechten Erhaltungszustandes beim Konvertieren besondere Priorität besitzen. Absoluter Spitzenreiter in der Gunst der Benutzer ist die „Mappa szczegulna Woiewodztwa Płockiego i Ziemi“ von 1784, die bereits über 1700mal aufgerufen wurde! Die Bearbeitungszeit für ein Schriftstück ist sehr unterschiedlich, abhängig z.B. von der Qualität des Scans und der Anzahl der Abbildungen. 100 Seiten Text können in ca. 3 Std. konvertiert werden, Scans von Abbildungen sind wesentlich zeitaufwändiger bei der Bearbeitung. Das z. Zt. noch kleine Team, das sukzessive auf 8 Mitarbeiter vergrößert werden und bald aus seinem winzigen Büro in größere Räume umziehen soll, stellt höchste Ansprüche an die Qualität der Konvertierung. Nicht nur, um den Benutzern eine möglichst gute Qualität der

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Mein Informationspraktikum in der Jagiellonischen Bibliothek Krakau vom 30.08 bis 03.09.2010

(Bericht von Petra Schwartges)

Vorbemerkung: Vor mir haben bereits vier Kolleginnen die Gelegenheit bekommen, die Jagiellonische Bibliothek (JB) im Rahmen eines Informationspraktikums kennenzulernen. Ihre ausführlichen und informativen Berichte, u.a. zur Geschichte der JB, zu ihren einzigartigen Beständen, ihren unterschiedlichen Katalogen, ihrer Papierklinik etc. sind hier im Intranet nachzulesen. Über diese Aspekte der Bibliothek kann ich nichts schreiben, was nicht schon

in einem Bericht meiner Vorgängerinnen zu lesen gewesen wäre. Ich möchte hier deshalb also weniger über „facts & figures“ berichten, sondern mehr über aktuelle Projekte, an denen die KollegInnen der JB z. Zt. arbeiten. Außerdem werde ich, ermutigt durch die positiven Rückmeldungen auf meinen Kurzbericht im Bibo, versuchen, einfach über Eindrücke und Erfahrungen zu berichten, die ich in dieser Zeit zum einen durch Gespräche mit KollegInnen, zum anderen aber auch durch bloßes Beobachten des dortigen Bibliotheksalltags sammeln durfte.

1. Tag: Abteilung für digitale Medien und die „Jagiellonian Digital Library (JDL)“ Dieser Abteilung, in der audiovisuelle Medien katalogisiert und verschlagwortet werden, ist das Projekt „Jagiellonian Digital Library“ angeschlossen, über das ich hier berichten möchte. Im Juli 2010 begannen zwei speziell für dieses Projekt eingestellte junge Kollegen, die neben ihrem Bibliotheks- auch ein technisches Studium abgeschlossen haben, damit, eine Datenbank mit digitalisiertem Schrifttum der JB aufzubauen. Sie greifen dabei z. Zt. noch auf Scans zurück, die bereits 2002 bis 2003 auf CDs gebrannt wurden. Das Schrifttum wurde nicht systematisch gescannt, sondern aufgrund seines besonders schlechten Erhaltungszustandes ausgewählt oder weil ein Benutzer ein bestimmtes Werk einsehen wollte, dessen Zustand eine Lesesaalbenutzung aber nicht mehr zuließ. Demnächst soll ein leistungsfähigerer Scanner angeschafft werden, um die Qualität der Scans und damit der Datenbank noch weiter zu verbessern. Als ich in Krakau war, waren ca. 400 Werke konvertiert. Besuche ich heute die Internetseite der „Jagiellonian Digital Library“ (http://jbc.bj.uj.edu.pl/dlibra/dlibra), finde ich, Stand 5.11.10, bereits 1222 digitalisierte Werk vor. Mehrere Tausend warten noch auf ihre Bearbeitung. Ein Großteil dieses Schrifttums sind Karten, es finden sich aber z.B. auch Stiche von Rembrandt oder polnische Zeitungen aus dem 18. Jahrhundert. Wobei Periodika generell aufgrund ihres oft besonders schlechten Erhaltungszustandes beim Konvertieren besondere Priorität besitzen. Absoluter Spitzenreiter in der Gunst der Benutzer ist die „Mappa szczegulna Woiewodztwa Płockiego i Ziemi“ von 1784, die bereits über 1700mal aufgerufen wurde! Die Bearbeitungszeit für ein Schriftstück ist sehr unterschiedlich, abhängig z.B. von der Qualität des Scans und der Anzahl der Abbildungen. 100 Seiten Text können in ca. 3 Std. konvertiert werden, Scans von Abbildungen sind wesentlich zeitaufwändiger bei der Bearbeitung. Das z. Zt. noch kleine Team, das sukzessive auf 8 Mitarbeiter vergrößert werden und bald aus seinem winzigen Büro in größere Räume umziehen soll, stellt höchste Ansprüche an die Qualität der Konvertierung. Nicht nur, um den Benutzern eine möglichst gute Qualität der

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Digitalisate bieten zu können, sondern auch, um z.B. Wissenschaftler der Jagiellonischen Universität davon zu überzeugen, in Zukunft auch ihre Publikationen der JDL zur Verfügung zu stellen! In diesem Zusammenhang habe ich den Kollegen von unserer Hochschulbibliographie berichtet, die ja ähnliche Ziele verfolgt. Neben der Qualität des Scans hat eine schnelle Antwortzeit der Datenbank für das Team höchste Priorität, um sie für die Benutzer attraktiv zu machen. Die Datenmengen sollen also so groß wie nötig, aber so klein wie möglich sein. Die Datenbank verfügt neben verschiedenen Such- auch über Zoomfunktionen. Von allen Digitalisaten werden zusätzlich Mikrofilme angefertigt, da diese z. Zt. ja mit als langlebigstes Archivmedium gelten. Das konvertierte Schrifttum ist sowohl über die JBL-eigene Suchmaske als auch über den Opac der JB und das nationale Projekt der „Federacja Bibliotek Cyfrowych“ (http://fbc.pionier.net.pl/owoc), einem Netzwerk mit digitalen Volltexten, recherchierbar und wird auch an das europäische Projekt „Europeana“ gemeldet. Der Benutzer kann auf der Internetseite der JDL auch einsehen, welches Schrifttum ganz aktuell oder in den letzten ein, zwei oder vier Wochen neu hinzugekommen ist oder welche Werke in naher Zukunft konvertiert werden. Die Software, die der Datenbank zugrunde liegt, heißt dLibra und wurde vom „Poznan Supercomputing and Networking Center“ entwickelt. Das Projekt JDL, das zunächst auf drei Jahre befristet ist, aber erst den Anfang einer großangelegten Digitalisierung der Bestände der JB darstellen soll, wird durch den „European Regional Development Fund“ der EU zu 85% finanziert. Die Kosten betragen während der Projektzeit ca. 6 Mill. Słoty, d.h. ca. 1,5 Mill. €. Zum Schluß möchte ich anmerken, dass das Benutzerinteresse an der JDL von Anfang an sehr hoch war, z. T. sind bis zu 100 Benutzer gleichzeitig online. Mein besonderer Dank gilt dem Team von Lukasz Mesek, das mir begeistert und hoch motiviert von „seinem“ Projekt berichtet hat, auf das es zu Recht stolz sein kann!

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2. und 3. Tag: Abteilung für wissenschaftliche Information und Kataloge Bei dem Bericht über diese Abteilung möchte ich schwerpunktmäßig über ehemalige, aktuelle und zukünftige Schulungskonzepte der JB informieren, die mich als Mitglied des Schulungsteams der UB natürlich besonders interessierten. Abteilungsleiterin Barbara „Bascha“ Bulat gab mir dazu gerne ausführlich und manchmal auch augenzwinkernd Auskunft...

ehemals: Bis zum Wintersemester 1993/94 wurden alle Erstsemester im Okt./Nov. in Gruppen durch die Bibliothek „geschleust“ und die Erfahrungen waren dieselben wie bei uns: für die Studierenden einiger, insbesondere der MINT-Fächer, war eine Bibliothekseinführung direkt zu Beginn ihres Studiums einfach nicht sinnvoll und die Motivation entsprechend gering. Außerdem waren solche Einführungsveranstaltungen mit relativ großen Gruppen und (bis heute) ohne Schulungsraum für beide Seiten recht anstrengend, und nicht selten wirkten nach diesen Veranstaltungen die Zettelkataloge, an denen Aufgaben gelöst werden sollten, ein wenig „unaufgeräumt“...Um einen Eindruck vom Umfang der Zettelkataloge vermitteln zu können, hier ein kurzes Filmchen. Es handelt sich hierbei zwar um den größten Katalogsaal, aber nicht um den einzigen! Über den Umfang unseres alten ZKM würden die KollegInnen der JB wahrscheinlich nur müde lächeln ;-) aktuell: Jetzt werden Bibliotheksführungen auf Nachfrage von Dozenten durchgeführt, so daß man den großen Vorteil hat, eine homogene Gruppe vor sich zu haben. Die Führung führt entweder der Dozent selber durch, was für mich auch ein Zeichen dafür ist, welch hohen Stellenwert die JB auch bei Wissenschaftlern genießt, oder ein Bibliothekar der JB. Zum Schulungsteam, das die Führungen veranstaltet, gehören ca. 10-15 KollegInnen. Zusätzlich zu diesen Führungen bietet die JB seit 2005 die „Ars Quaerendi“ an. Das sind acht unterschiedliche Vorträge, die von Okt. bis Mai im Konferenzraum der JB stattfinden und ohne Anmeldung besucht werden können. Die jeweils ca. 90minütigen Vorträge behandeln pro Veranstaltung ein Thema: -Suche im Opac -thematische Suche im Opac -Datenbanken der Nationalbibliothek Warschau -Internet für Anfänger -freizugängliche bibliographische Datenbanken -Internet für Fortgeschrittene -ausländische Datenbanken -Suchstrategien Es werden 2 verschiedene Vorträge pro Woche angeboten. Das Interesse ist allerdings sehr unterschiedlich: zum Teil verlieren sich nur zwei bis drei Personen in dem 100 Personen fassenden Konferenzraum, z.T., etwa wenn ein Dozent mit seinen Studierenden kommt, können es auch schon mal dreißig sein. Diese sehr unterschiedliche Resonanz erinnert mich natürlich stark an unsere wöchentlichen Mittwochsführungen: auch da wissen wir nie, wie viele Interessenten kommen und welche Erwartungen und Wünsche sie mitbringen. Am Ende der Veranstaltung werden Teilnahmebescheinigungen ausgestellt. Da es sich beim Konferenzraum um einen reinen Vortragsraum ohne Schulungs-PCs handelt, ist eine aktive Teilnahme der Studierenden z. Zt. noch nicht möglich. Bascha Bulat bedauert das sehr und auf ihrer Wunschliste steht ein echter Schulungsraum natürlich ganz oben!

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Um trotzdem eine zeitgemäße Form von Schulungen für Studierende und externe Benutzer anbieten zu können, hat sie einen ausführlichen, interaktiven Onlinekurs erarbeitet, eine Art „JB für Anfänger“. Es handelt sich dabei um ein E-learning Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für E-learning der Jagiellonischen Universität entstanden ist. Dieses E-learning-Projekt ist im Februar 2010 gestartet und umfasst eine Version für Studierende der JB auf der E-learning-Platform „Pegaz“ (http://pegaz.uj.edu.pl/) und eine Version für externe Benutzer auf der E-learning-Platform „smok“(=“Drache“) (http://www.czn.uj.edu.pl/moodle/). Diese Onlinekurse umfassen acht Kapitel und zu Beginn kann der Teilnehmer angeben, welche Kenntnisse er in Bezug auf Bibliotheken schon besitzt. Diese Angaben sind natürlich freiwillig, genauso wie die Evaluation am Ende des Kurses. Die acht Kapitel befassen sich z.B. mit dem Thema Opac, wo finde ich was in der JB, Einführung in Datenbanken etc. Am Ende eines jeden Kapitels gibt es ein Quiz, mit dem der Teilnehmer sein Wissen überprüfen kann und auch am Ende des gesamten Moduls gibt es ein Quiz mit Fragen zu allen acht Kapiteln. Konzept und Inhalt stammen von Bascha Bulat, die technische Umsetzung erfolgte durch das Zentrum für E-learning. Mit seinen vielen Fotos, Scans, Screencasts und vor allen den interaktiven Elementen ist es meiner Ansicht nach sehr ansprechend gestaltet. Ein kurzes Beispiel findet man unter: http://pegaz.uj.edu.pl/file.php/1/pegaz_logowanie/pegaz_logowanie.html Um diese E-learning-Projekt bekannt zu machen, wurde kräftig die Werbetrommel gerührt: Bascha Bulat gab ein Interview im Uniradio, es wurden Plakate gedruckt und aufgehängt, eine Ankündigung in der Studentenzeitschrift veröffentlicht, Rektor, Prorektoren und alle Institutsbibliotheken der JB wurden zur Präsentation im Konferenzraum eingeladen. Leider ist das Feedback durch die Studierenden noch ausbaufähig; die Teilnehmer jedoch, die an der Evaluation teilgenommen haben, sind begeistert und zeigen, dass Bascha mit diesem Projekt auf dem richtigen Weg ist und eine große Informationslücke schließt! zukünftig: In Zukunft sollen die Schulungen dann idealerweise aus drei Teilen bestehen:

1. selbständiges Durcharbeiten des E-learning-Moduls 2. Vortrag im Konferenzraum zu den elementarsten Informationen, z.B. dem Opac

(max. 100 Teilnehmer) 3. kurze Führung durch das Haus (max. 10 Teilnehmer pro Gruppe)

Trotz dieses neuen, guten Konzepts bleibt ein Schulungsraum mit Trainingsmöglichkeiten für die Teilnehmer das größte Desiderat! Denn es ist inzwischen eine Binsenweisheit, dass die aktive Mitarbeit der Teilnehmer durch nichts zu ersetzen ist!

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4. Tag: Benutzungsabteilung Die Benutzungsabteilung gliedert sich in drei Teile: Lesesäle, Ausleihe und Fernleihe. Lesesäle Es gibt vier Lesesäle, wobei der prächtige Hauptlesesaal mit Originalmobiliar aus den dreißiger Jahren, der unter Denkmalschutz steht, mit 200 Plätzen mit Abstand der größte ist. Geöffnet ist er Mo-Fr von 8 – 20.20 Uhr und Sa von 8 bis 15 Uhr. Es gibt Pläne für eine Öffnung auch am Sonntag, da es aber, anders als bei uns, generell keine studentischen Hilfskräfte an der JB gibt, scheitert der Plan z. Zt. noch an der Finanzierung. Der Lesesaal ist nicht mit PCs ausgestattet, die Benutzer können jedoch ihren eigenen Laptop mitbringen und das WLAN dort nutzen. Die alten, ungepolsterten Holzstühle, die nach und nach restauriert werden sollen, sind tatsächlich so bequem, dass man dort stundenlang ermüdungsfrei arbeiten kann. Der Lesesaal, in dem 28.000 Bände stehen und in dem die Benutzer die zuvor bestellten Magazinbestände einsehen können, ist mit Sicherheit der eindrucksvollste Raum der JB. Hier ein kleiner Rundumblick. Dieser Raum gebietet es quasi von selbst, dass dort, wenn überhaupt, nur sehr leise gesprochen und natürlich nicht telefoniert wird. Essen und Trinken wären hier ein absolutes Sakrileg! Es herrscht dort wirklich noch die Ruhe und Konzentriertheit, die man sich für einen Lesesaal wünscht – wenn nicht gerade eine deutsche Austauschbibliothekarin Aufnahmen machen möchte... Überhaupt wäre eine Geräuschkulisse, wie sie oft bei uns in der UB herrscht, in der JB gar

nicht vorstellbar! So eindrucksvoll und geschichtsträchtig der Hauptlesesaal auch sein mag, die Statistik belegt, das alle vier Lesesäle Jahr für Jahr weniger frequentiert werden. Die Leiterin der Benutzung, Frau Anna Bilyk-Mydlarz, führt das auf die neuen, liberaleren Ausleihkonditionen und die inzwischen selbstverständliche Nutzung des Internets zurück. Die anderen drei Lesesäle wurden u.a. von Frau Hennig ausführlich beschrieben, deshalb gehe ich hier nicht weiter auf sie ein. Erwähnen möchte ich

aber, das sich die Benutzer für die Nutzung der in einem kleineren Lesesaal stehenden PCs über den Opac vormerken können, ähnlich wie das bei uns mit den Schließfächern auf 3/3 ist.

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Ausleihe Auch wenn die Ausleihkonditionen inzwischen liberaler sind als in der Vergangenheit, auf mich wirken sie immer noch sehr strikt. Aber auf die Problematik Nationalbibliothek mit Archivfunktion einerseits und Universitäts- und Öffentliche Bibliothek andererseits bin ich schon in meinem Bibo-Bericht eingegangen. Da ich über die Ausleihkonditionen ebenfalls schon im Bibo berichtet habe, hier lediglich noch ein paar zusätzliche Informationen und Eindrücke: Der Bibliotheksausweis ist nur für Studierende der Jagiellonischen Bibliothek kostenlos, für alle anderen kostet er 10 Słoti (ca, 2,50 €) für das erste Jahr, die Verlängerung kostet 5 Słoti, auch für Studierende der Jagiellonischen Universität. Eine Tageskarte wird gratis ausgestellt. Die Mahngebühren sind moderat (1 Słoti pro Buch bei bis zu 5 Tagen Überziehung), verliert man allerdings ein Buch, wird es zeitaufwändig: man muß nämlich nachweisen, das man, sollte das Buch nicht mehr lieferbar sein, in drei Antiquariaten nach einem Ersatzexemplar gesucht hat. Sollte das Buch trotzdem nicht mehr erhältlich sein, muß, wie bei uns, ein vorgegebenes Ersatzexemplar beschafft werden. Allerdings bleibt den Benutzern der JB die bei uns vorgeschriebenen 25 € Verwaltungsgebühr für eine Ersatzbeschaffung erspart.

Eine Bibliothek, deren Bestände zu 99% in geschlossenen Magazinen bzw. Sondersammlungsmagazinen untergebracht sind, braucht natürlich neben einer großen Anzahl Magazinern eine leistungsstarke Buchbeförderungsanlage. Die JB arbeitet seit 2000 mit einem System der Firma Telelift. An der Ausleihtheke, an den Ausgabestellen der Lesesäle, im Magazin, überall fahren, meistens an der Decke, kleine blaue „Wagen“ auf einem Schienensystem herum. Sie können bis zu 10 kg belastet werden, allerdings passen natürlich

keine Großformate hinein und auch besonders wertvolles Schrifttum wird mit ihnen nicht befördert. Hier ein kleiner Eindruck. Insbesondere an der Ausleihtheke, wo permanent Wagen ankommen, entleert und wieder auf die Reise zurück ins Magazin geschickt werden, herrscht dadurch zusätzlich ein ziemlicher Lärm und große Unruhe. Da der Platz für die Mitarbeiter hinter der Ausleihtheke sowieso von vorneherein viel zu knapp bemessen wurde und es dort unglaublich eng

ist,

haben die KollegInnen dort einen echten Stressjob. Einige, die früher dort gearbeitet haben, inzwischen aber in anderen Abteilungen sind, haben mir meinen Eindruck bestätigt. Ein Teil der sowieso schon engen Ausleihtheke fungiert außerdem noch als „Fotostudio“, da die Benutzerausweise der JB ein Bild des Benutzers vorsehen. Es hat sich am praktikabelsten erwiesen, wenn das Foto direkt vor Ort gemacht

wird – auch das für mich eine interessante neue Erfahrung! Als Magaziner in der JB sollte man übrigens schwindelfrei sein (Filmchen).

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Nebenbei sei noch erwähnt, dass die vorbeifahrenden Transportwagen eine ähnliche Wirkung haben wie unsere Bücherwagen auf Noppenboden: sie unterbrechen für kurze Zeit eine Bibliothekführung! Nicht weil, wie bei uns, aufgrund des Schepperns des Bücherwagens kein Gespräch mehr möglich ist, sondern weil die Teilnehmer völlig fasziniert den Weg des Teleliftwaggons verfolgen (Filmchen) Fernleihe Auch die Fernleihbestellmöglichkeiten sind im Vergleich zu unseren deutlich eingeschränkt: nur Wissenschaftler sowie Studierende, die Literatur für ihre Abschlussarbeit benötigen, dürfen die Fernleihe in Anspruch nehmen, und dann dürfen auch nur vier Werke auf einmal bestellt werden. Dafür ist die nationale Fernleihe dann aber auch kostenlos. Die internationale Fernleihe kostet innerhalb Europas pauschal 19 €, in die USA ca. 20 €. Sollten die tatsächlichen Kosten höher liegen, bezahlt, anders als bei uns, die Universität den Differenzbetrag und nicht der Benutzer. Das hat natürlich den Vorteil, dass der Benutzer vor der Bestellung genau weiß, welche Kosten auf ihn zukommen. Die Bearbeitung der Fernleihe erfolgt, ähnlich wie bei uns, z.T. online, z.T. konventionell mit Fernleihschein oder auch gelegentlich per Email. Der wichtigste Partner im internationalen Leihverkehr ist Deutschland. Die JB ist gebende Bibliothek für andere Universitätsbibliotheken; kleinere oder Öffentliche Bibliotheken können nur dann in der JB bestellen, wenn sie in der Woiwodschaft Kleinpolen beheimatet sind. Die Ausleihe erfolgt generell immer nur für den Lesesaal, die Leihfrist beträgt vier Wochen. Bemerkenswert finde ich, dass unselbständige Literatur innerhalb Polens nicht per Fernleihe bestellt werden kann. Sollte ein Benutzer also z.B. einen Zeitschriftenaufsatz benötigen, der in einer anderen polnischen Bibliothek vorhanden ist, muss er sich selber an die besitzende Bibliothek wenden. Bestellungen unselbständiger Literatur im Ausland sind jedoch möglich. 5. Tag: Sondersammlungen, Restaurierungswerkstatt u. Papierklinik, Universitätsmuseum Sondersammlungen Die Bestände der Sondersammlungen sind beeindruckend: mit ca. 20.000 neuzeitlichen Handschriften besitzt die JB die größte Sammlung in Polen, mit ca. 2000 mittelalterlichen Handschriften die zweitgrößte nach der Nationalbibliothek in Warschau. Die älteste Handschrift stammt aus dem 10. Jhd., das älteste Schriftstück überhaupt ist eine Papyrushandschrift aus dem 2. Jhd., gut geschützt in einem klimatisierten Safe und natürlich nicht einsehbar! Außerdem besitzt die JB ca. 120.000 Alte Drucke (15. bis Ende 18. Jhd.) und ca. 4500 Inkunabeln. Auf meine Frage, wie man das Alter von Handschriften in etwa bestimmen könne, erfuhr ich, dass man das Alter bei Papierhandschriften anhand des Wasserzeichens, bei Pergamenthandschriften aber nur anhand von bestimmten „Moden“ hinsichtlich Ornamentik, Farben, Seitenaufbau und Schriftarten erkennen kann. Spannend! Die Handschriftensammlung der JB wächst vor allem durch Schenkungen; jedes Jahr kommen zwischen 200 bis 400 Exemplare dazu. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die Handschriften Alexander von Humboldts, die extrem individuell und gut zu identifizieren sind, da seine Schrift in einer Zeile von links nach rechts ganz charakteristisch nach oben ansteigt. Aus konservatorischen Gründen durfte ich die Handschriften aber natürlich nicht fotografieren. Übrigens: weil die Bücher früher meist liegend aufbewahrt wurden, war der Titel des Werkes zusätzlich oft auch auf dem Schnitt des Buches zu lesen. In den Sondersammlungen arbeiten 10 Mitarbeiter, die eine Hälfte in der Abteilung für mittelalterliche Handschriften, die andere in der Abteilung für neuzeitliche Handschriften.

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Restaurierungswerkstatt und Papierklinik Diese beiden Einrichtungen hat Frau Hennig in ihrem Bericht ausführlich beschrieben. Deshalb an dieser Stelle nur einige Zusatzinformationen und Fotos über die Paper Clinic. Restaurationswerkstatt So große Bestände der JB warten auf Restaurierung, Entsäuerung oder zumindest Reparatur, dass in der Restaurierungswerkstatt anstelle der 5 dort beschäftigten Restauratoren und Buchbinder auch locker 10 arbeiten könnten. Aus diesem Grund werden Exponate, die auf Ausstellungen zu sehen sein sollen oder besonders geschädigte Werke vorrangig zur Restauration ausgewählt. Für eine systematische Restaurierung des Bestandes fehlen Mittel und Personal. Krakau als wissenschaftlich-künstlerisches Zentrum Polens ist, was nicht verwundert, auch die polnische Stadt mit den meisten Restaurationswerkstätten, nämlich 6 insgesamt (z.B. noch eine im Wawel-Museum oder im Universitätsarchiv).

Papierklinik In der Papierklinik werden Schriftstücke entsäuert, um ihren Zerfall zu bremsen. Nach der Bearbeitung besitzt das Papier dann einen ph-Wert von 8,5. Im Jahr 2009 wurde ca. 30.000 Einheiten entsäuert, das entspricht umgerechnet ca. 30 Tonnen Material. Auch Privatleute können sich an die Papierklinik wenden: pro kg Material kostet die Entsäuerung 60 Słoti, also ca. 15 €. Die Nachfrage ist groß. Als ich die Papierklinik besuchte, wartete gerade die Privatbibliothek des verstorbenen Papsts Johannes

Paul II darauf, für die Nachwelt erhalten zu werden! In Polen gibt es neben der Papierklinik der JB, die seit 2005 mit dem amerikanischen System „Book Keeper“ arbeitet, noch eine zweite Papierklinik an der Nationalbibliothek Warschau. Mein Dank gilt dem Leiter der Papierklinik, Tomasz Zacharski, der so interessant und informativ erzählte

und vorführte, das ich prompt meine geplante Führung im Universitätsmuseum verpasste und auf einen Termin später am Tag ausweichen musste ;-) Aber wann hat man schon mal die Gelegenheit, sich eine Papierklinik ansehen zu können? Danke dafür!

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Universitätsmuseum „Collegium Maius“ Mein letzter „dienstlicher“ Termin war eine kurze deutschsprachige Führung durch das Universitätsmuseum, das im „Collegium Maius“, einem der ältesten Universitätsgebäude Polens, untergebracht ist. Es beherbergt eine wertvolle Sammlung von Gemälden und astronomischen Geräten, aber z.B. auch den

Goldenen Löwen, den Andrzej Wajda 1998 bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig gewann.

Fazit Ich bin sehr froh, im Rahmen eines Informationspraktikums Gelegenheit erhalten zu haben, eine so bedeutende Bibliothek wie die Jagiellonische Bibliothek kennenzulernen. Dafür danke ich Frau Dr.

Erdmute Lapp herzlich! Einiges war ganz anders als in der UB Bochum, vieles, vor allem der Platzmangel in den Magazinen und die beschränkten finanziellen Mittel, waren wohlbekannt. Aber abgesehen von allen fachlichen Informationen und Eindrücken, wird mir besonders die Freundlichkeit und Offenheit der KollegInnen dort in Erinnerung bleiben, denen ich hier am Ende des Berichts noch einmal recht herzlich danken möchte, insbesondere Halina Stachowska, Barbara Bulat und Ewa Amghar. Dziękuję!