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Chora Sfakion Meine Kretareise auf Lebenszeit

Meine Kretareise auf Lebenszeit

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Mein Start in ein neues Leben an der Südküste Kretas.... Von Bettina Trüper

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Page 1: Meine Kretareise auf Lebenszeit

Chora Sfakion

Meine Kretareise auf Lebenszeit

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Die Ankunft und das erste "Erwachen"

Ich werde nie vergessen, wie ich damals im Dezember 2000 bepackt mit einem großen Rucksack und einer Sporttasche in Iraklion am Flughafen ankam. Busse fuhren nicht mehr, es war schon recht spät. Kostas konnte mich nicht abholen … mir blieb nur das Taxi. Um diese Zeit ein Taxi nach Chora Sfakion zu bekommen, stellte sich als echtes Abenteuer heraus. Ich hatte mehrere Taxifahrer gefragt. "Sfakia? Ochi Sfakia!" - Nein, mein Mädel, in die Sfakia fahre ich dich nicht. Für mich war es ein echtes Rätsel, ich verzweifelte allmählich … ich dachte daran, Kostas anzurufen, aber wie? Noch keine 2 Stunden auf der Insel und schon hatte ich Probleme? Ne ne, ich wollte wenigsten alleine in die Sfakia finden....und siehe da, ich fand dann auch einen sehr netten Herrn mit Taxi, der bereit war, mich ins abgelegene Chora Sfakion zu bringen.Ich war natürlich schon neugierig, was denn nun los sei mit der Sfakia ... warum so viele die Fahrt verweigerten. Der gute Mann erklärte mir dann, es hätte mehrere Gründe: zum einen fuhren sie ungern in der Nacht in der Einsamkeit über die Berge (na toll, dachte ich mir so), zum anderen sei die Wahrscheinlichkeit, dass von Sfakia jemand zurück wolle, gleich null. Also lohne es sich geschäftlich nicht. Na, und dann sei da noch die schlechte Straße wegen des Unwetters … Unwetter??? Ja, es hatte wohl unmittelbar vor meiner Ankunft ein sehr sehr heftiges Unwetter gegeben und unter anderen die Straße sehr stark beschädigt … und das stellte sich dann auch nicht als Lüge heraus Hinter Imbros war die Straße an mehreren Stellen komplett weggerissen. Der Taxifahrer war schon so um Sorge um seinen tollen Mercedes … man konnte ihm ansehen, dass er am liebsten umgekehrt wäre, aber er tat es nicht: er brachte mich tatsächlich heil nach Chora Sfakion.

Es war furchtbar: das Dorf war total in Matsch und Schlamm versunken! Mit viel Mühe fuhren wir bis in den Ort, bis zur Taverne Levka Ori. Kostas wartete mit seinem Cousin in der letzten Cafeteria. Mein Gott, ich war so nervös … in mir drehte sich alles … ich zitterte und bebte. Ich vergaß beinahe den Taxifahrer zu bezahlen, dazu musste er mich erst auffordern. Dann stand ich da, bis zu den Knöcheln im Schlamm und schlurfte in Richtung Cafeteria … und zur Begrüßung wurde erst mal ein Raki getrunken!!!!

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Kostas und ich gingen spät und überaus heiter nach hause. Wir wohnten in einem der Apartments der Familie. Kostas hatte vorher nur in einem kleinen Zimmer gewohnt, im alten Teil des Gebäudes … na ja, Zimmer wäre fast schon zu viel gesagt, ich hätte es wohl eher Rumpelkammer genannt … aber was soll's, wir waren ja im schönen Apartment.Aber es war so bitter kalt....was heißt eigentlich ich friere auf griechisch...das war das was mich in diesem Moment am meisten beschäftigte....keine Heizung....kein Öfchen...kein warm Wasser...nichts......aber geschlafen habe ich die erste Nacht in meinem neuen Leben trotzdem wie ein Murmeltier....

Am nächsten Morgen … und zwar schon recht früh … weckte mich Kostas: "Ella … pame … Chania …" Eigentlich sagte er mehr als nur diese drei Worte, aber das war eigentlich alles, was ich verstanden hatte. Und wie sich noch herausstellen sollte, hatte ich entschieden zu wenig verstanden!!! Ich packte kurz meine Handtasche: Telefon, Geldbeutel, einen zweiten Pulli, weil ich echt fror wie blöd, und meinen Kittel. Kostas murmelte noch mal irgendwas … aber wieder nichts verstanden.

Mit seinem Bruder ging es dann in einem echt alten "abgefahrenen" und damit meine ich abgefahren im Sinne von verbrauchten Golf nach Chania. Die Straße war natürlich immer noch kaputt. Da, wo ich am Vorabend mit dem Taxi eine Stunde brauchte, brauchten wir jetzt nur knapp eine Viertelstunde … mir hat es ein zwei Male beinahe die Innereien zerschlagen … aber irgendwo ging es mir dennoch einfach nur gut: Ich saß da im Auto mit Kostas und seinem Bruder, die die ganze Zeit redeten, ich kein Wort verstand … und einfach nur glücklich und zufrieden war.

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Wir fuhren nach Chania zu Kostas' Kaiki, das er gerade dort baute, in einer uralten Schiffswerft bei Fodoras (eigentlich Theodoros). Ich war sprachlos, als ich da in die Kuppelhalle ging … so viele Eindrücke … es roch nach Feuer, nach gerösteten Kastanien und „Ellinikos Kafes“. Es gibt dort zwei Hallen. In der einen Halle, es war die, in die wir zuerst reinkamen, saß ein eher zierlich aussehender älterer Mann … "KOSTI" rief er, und naja, mehr verstand ich dann mal wieder nicht. Es war Fodoras.....er saß vor einem alten Ölfass, das er zu einem Kachelofen umgebaut hatte, genoss seinen Kaffee und aß geröstete Kastanien.

Fodoras schaute Kosta an, zwinkerte ihm zu und machte eine nickende Kopfbewegung zu mir … "Jineka mou!" sagte Kosta … und das Wort kannte ich, das hieß "meine Frau". "Alles klarrr?" fragte mich Fodoras. Ganz stolz antwortete ich sogar auf griechisch … "kala!".Die Männer machten sich recht bald an die Arbeit. Als ich zum ersten mal das Kaiki, bzw. das Skelett des Kaikis sah, erschien es mir riesengroß! Es stand in der zweiten Halle, vorne oben waren ein großes hölzernes Kreuz und eine Knoblauchknolle angebracht … ich war ganz hin und weg. Es war so beeindruckend! Ich kam aber schnell wieder zu mir, durch einen recht robusten Schlag auf den Rücken. "Fodoras … kaikia ee?" Dann ging das Geklopfe, Gesäge und Gewerke los … ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Ich war echt überfordert damit, plötzlich mitten im griechischen Alltagsleben zu sein, in dieser Schiffswerft, all die Gerüche und Geräusche … die fremde Sprache, die so schön anzuhören war, Gefühle, die ich jederzeit wieder aufrufen und wieder spüren, aber nicht beschreiben kann.Mittags wurde auf dem umgebauten Ölfass Hühnchen gegrillt, ich brauche wohl nicht zu betonen, wie lecker es war!!!Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu, draußen war es schon dunkel … und bald sollte ich erfahren, was ich besser schon in der Sfakia erfahren hätte sollen: Von der Werft gingen wir nicht etwa zum Auto, das war nämlich gar nicht mehr da, Kostas' Bruder war schon vormittags weggefahren. Nein, es ging nicht weit von der Werft in einer hinteren Gasse zu einem "Rooms to Rent". Klasse, wir fuhren gar nicht mehr in die Sfakia, wir blieben in Chania … und nicht nur diese eine Nacht! Wir blieben 4 Tage in Chania.

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Die erste Nacht war mir egal … ich war von den ganzen neuen Eindrücken eh so fix und alle. Wir gingen abends nur noch zu Stelios in eine kleine Taverne am Hafen und dann fiel ich auch schon in den Tiefschlaf. Kostas weckte mich am nächsten Morgen auf und wir gingen wieder in die Werft … Ellinikos Kafes gab es bei Fodoras. Als ich dann so meinen Kaffe schlürfte, wachte ich wohl erst so richtig auf. Innerlich lachte ich mir schier den Ast ab … was war eigentlich in den ersten beiden Tagen geschehen? Ich war wohl wie in Trance, dass ich einfach alles über mich ergehen ließ, ohne mich zu informieren, wohin, wann, wo, wie lange … das musste sich ändern! Ich nahm mir Kostas bei Seite und stotterte mir einen auf Griechisch ab. Aber immerhin, ich bekam dann doch raus, dass wir ein paar Tage in Chania bleiben und dann erst in die Sfakia fahren würden … für mich hieß das nur eins … ab zum Einkauf … was man halt so alles Notwendige braucht … zweite, dritte Garnitur Klamotten, Waschzeug … Das war gar nicht so leicht, wenn man Chania nur vom Sommer und den Touristenläden kennt, aber ich hab's geschafft. Die 4 Tage vergingen wie im Fluge und es war einfach nur schön … und jeden Tag lernte ich ein paar Worte griechisch dazu …

Rückblickend kann ich gar nicht mehr nachvollziehen, wie wir uns verständigt haben. Ich hatte mir in Deutschland ein Handy gekauft und Kostas täglich griechische SMS geschickt. Aber irgendwie war das bloße Schreiben mit dem Reden und Hören absolut nicht zu vergleichen. Kostas sprach (und spricht auch heute) kein Wort Englisch, es ging alles nur übers Griechische … naja und dann kam noch hinzu, dass er auch eigentlich eher Sfakiotisch als Griechisch spricht. Und es war zeitweise wirklich sehr schwer, aber dafür war ich bei jedem Erfolg um so stolzer auf mich selber und das spornte mich an und machte unwahrscheinlich viel Spaß. Man hatte lernte immer das, was man gerade brauchte, und alles konnte mit bestimmten Gefühlen und Erlebnissen "gespeichert" werden und blieb so auch in der Erinnerung.

Das waren meine ersten Tage meines aufregend neuen Lebens auf Kreta. Es gibt noch viel zu erzählen, von meinem Leben auf Kreta, viele Geschehnisse des Alltags, inmitten einer kretisch-sfakiotischen Familie und Gesellschaft …

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Μίλα! Αντε μίλα! - Míla!, Áde míla! - Sprich! Los sprich!

Die ersten Monate meines neuen Lebens verbrachte ich in Chania. In der Sfakiá waren wir immer nur für ein zwei Tage … immer nur kurz zur Erholung … und wohl auch, damit Kostas die letzten Neuigkeiten vor Ort erfuhr.

In Chania war der Tagesablauf eigentlich immer der gleiche: früh aufstehen, den ganzen Tag beim Kaiki, abends etwas essen und dann halbtot ins Bett fallen, aber trotzdem war jeder Tag wie kein anderer. Jeden Tag erlebte ich etwas Neues, sah etwas Neues, lernte etwas Neues …

Langsam hatte ich mich sogar daran gewöhnt, dass ich eigentlich so gut wie nichts verstand, und wenn ich was zu sagen hatte, das kurz und knapp mit den mir zur Verfügung stehenden Worten sagte … ach, ab und zu mal ein Telefonat mit der Familie in Deutschland, da konnte ich dann wieder so richtig loslegen, nicht, dass meine Zunge noch lahm wurde.

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In Sachen Kommunikation war um mich herum eine gewisse Stille eingetreten … aber durchaus eine angenehme Stille, es war überhaupt nicht beklemmend und einsam fühlte ich mich auch nicht. Kostas und ich verstanden uns auch irgendwie so, mit wenig Worten … man achtet einfach mehr auf andere Dinge, wie Tonfall, Körpersprache. Ja, ich weiß, da kann man auch ins Fettnäpfchen treten. Wenn man zu einem Hund mit liebkosender entzückter Stimme sagt: "Na, du kleiner stinkender Straßenstromer, hau ab!", dann wendet er sich nicht etwa ab, sondern freut sich wie ein König, wedelt mit dem Schwanz und schaut einen ganz lieb an (so einen Hund gab es da übrigens, es war wohl der hässlichste Hund, den ich jemals gesehen habe, er hieß Mourgo).Na ja, voll Vertrauen verließ ich mich also auf die Tonlage und Körpersprache und konzentrierte mich stets auf das, was ich sah und vor allem auf mein Gehör … so bekam ich schnell bestimmte Ausdrücke mit, zusammenhängende Sätze, die sich immer wieder und immer wieder wiederholten, bis ich dann auch verstand, was es bedeutet.Einzelne Worte lernte ich am schnellsten, wenn Kostas etwas von mir wollte: "Fere mou to sfiri!“ Fere mou, das war mir klar, das hieß soviel wie "hol mir, oder bring mir" … aber dann!? Dann steht man da und überlegt Sfirí, Sfirí, was konnte nur Sfiri bedeuten … und wenn man dann im Hintergrund hört …"to Sfiri!" Na klar, akustisch hatte ich das schon verstanden, nur da lag ja viel rum. Mit dem Finger zeigte er mir dann auf eine Werkbank, das machte es aber auch nicht wirklich leichter, die Werkbank, war so was von chaotisch. Auch wenn ich gewusst hätte, was Sfiri bedeutet, hätte ich mich wohl eher schwer getan … "akoma?" … er wurde also auch noch ungeduldig, aber dann kam seine Rettung: "Sfiri, taka tuka taka tuka!!!"Klar, nun hatte ich's auch verstanden - Sfiri ist der Hammer. Und so vergisst man eben einfach nie mehr, was Sfiri heißt!!!So lernt man ein Wort nach dem anderen, Stück für Stück, jeden Tag ein paar Worte mehr.

In der Werft herrschte immer ein reges Kommen und Gehen: Fischer aus Chania ... Freunde ... Bekannte ... Neugierige ... es war immer etwas los. Und für ein kleines Schwätzchen sind Griechen bekanntlich auch sehr gerne zu haben. Zwei Männer, schon älter ... Spyros und Stratis, waren jeden Tag stundenlang da.

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Spyros war wohl ein Onkel von Kostas, der in Chania wohnte, und Stratis ein Bekannter. Spyros war ein echt lustiger, ein Schelm, das merkte ich nicht an dem was er sagte, ich verstand ja nur die Hälfte, aber an seinen Augen und besonders an seinem verschmitzten Lachen. Stratis war eher ruhiger, er war es auch, der sich immer am meisten bemühte, langsam und deutlich zu sprechen.Mein Problem war inzwischen gar nicht mehr so sehr das Verstehen, das klappte schon recht gut. Meistens verstand ich, über was sie sich unterhielten, zwar nicht immer Wort für Wort, aber den Sinn wohl schon. Mein Problem war nun viel mehr, selber zu sprechen, irgendwie gab es da eine riesengroße Hemmschwelle. Innerlich wusste ich das, was ich sagen wollte, schon, aber irgendwie brachte ich es einfach nicht über die Lippen. Eines Abends saßen wir in einer kleinen Taverne, na ja, eine Taverne war es wohl gar nicht wirklich. Es gab dort das tollste gegrillte Hühnchen, sie hatten sogar einen Lieferservice … (der wurde dann auch ab und zu genutzt) Da saßen wir ... Kosta, Stratis und ich … und ich erinnere mich noch, Stratis hielt wohl einen Vortrag über die Liebe zweier Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. Ich musste immer nur grinsen, ich weiß gar nicht mehr warum, vielleicht aus Verlegenheit.

Irgendwann schaute er mich an und sagte mit doch ziemlich ernster und beinahe schroffer Stimme: "Katalaves ti leo?“ Das hieß so viel wie - verstehst du was ich sage - viel antwortete ich nicht, ich fasste es in einem Wort zusammen, wahrscheinlich sagte ich "ligo" ... ein wenig … Da klopfte er mit der Hand auf den Tisch, schaute mich an und sagte "Mila! Ade mila!" Er hatte wohl verstanden, dass mein Hauptproblem darin bestand, dass ich nicht wirklich anfing auch Griechisch zu sprechen, sondern immer nur in möglichst kurzen Sätzen antwortete. Er erklärte mir dann, dass ich nie Griechisch lernen würde, wenn ich nicht endlich anfing zu sprechen. Die ganze Situation war für mich dann aber doch kurz etwas erdrückend - ich wusste ja, dass er Recht hatte - aber auf Knopfdruck ging das nun auch wieder nicht, den Abend musste ich dann auch wirklich erst einmal verdauen.

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An den folgenden Tagen geschah immer das gleiche. Stratis sah mich und fragte nur "milises?" – hast du gesprochen? Natürlich hatte sich bei mir noch nicht viel geändert, wie auch, die Hemmschwelle war einfach zu groß, aber eingesehen hatte ich das schon. Also musste ich was unternehmen, denn ich wollte ja unbedingt die Sprache lernen. Wie sollte ich denn sonst mit Kostas und allem zurechtkommen! Dann kam mir eine Idee: ich musste ja nicht wirklich viel da machen … habe zwar geholfen, wenn es für mich etwas zu helfen gab, aber wirklich wichtig war das auch nicht. So beschloss ich, mich immer wieder zurückzuziehen. Ich wollte irgendwo sein, wo ich alleine war und mich keiner hörte. Und ein toller Platz dazu war direkt am Meer, hinter der Schiffswerft, da ging ich dann immer hin und sprach lauthals mit mir selber, alle griechischen Wörter die mir in den Sinn kamen … ob es einen Sinn ergab oder nicht … egal … ich dachte daran, wie ich es von den Griechen hörte und sprach einfach drauf los. Das ging ein paar Tage so und es war echt lustig … irgendwie prägte sich das nun auch bei mir ein, es ging auf einmal und ich versuchte nun, auch aus allen Vokabeln, die ich hatte, richtige Sätze zu bilden. Das klappte auch … wunderbar ... und so kam es dann ganz langsam auch dazu, dass ich anfing, in Gesellschaft zu sprechen. Das geschah von ganz alleine. Vorher hatte ich mir das ja auch schon immer im Kopf zurecht gelegt, aber eben nie ausgesprochen. Auf einmal sprach ich es auch aus, ohne darüber nachzudenken, einfach so … und von Tag zu Tag wurde es mehr. Ich wurde immer mutiger und alles wurde immer einfacher! Es dauerte wohl drei bis vier Monate, bis ich von mir behaupten konnte, ich könne mich gut auf Griechisch verständigen. Und es dauerte auch nicht wirklich viel länger, bis ich das erste Mal merkte, dass ich griechisch nachgedacht hatte, so ganz einfach und normal: auf Griechisch nachgedacht. Deutsch sprach ich ja nun wirklich nur noch sehr wenig, ab und zu am Telefon mit der Familie, ansonsten gar nicht. So machte sich das Griechische immer mehr in meinem Kopf breit.

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Kosta die Fischerei und ich

Zuerst möchte ich noch ein paar allgemeine Dinge rund um die Fischerei schreiben.

Wir, bzw. Kostas Familie hat 2 Kaikia.( Kaiki nennt man in Griechenland die Boote, Psaradika Kaikia die Fischerboote und z.B. touristika Kaikia die Boote zur Berförderung von Menschen, wie z.B. ein Wassertaxi)Das eine Kaiki, hölzern, 9m gehört zu meinem Schwager, ist ausgerichtet für Netzfang. Das zweite Kaiki auch hölzern,13m von meinem Kosta inzwischen ausgerichtet für Paragadia.

Paragadi wird in den meisten Lexika als Schleppnetz übersetzt, stimmt aber so nicht. In diesem Fall ist das Paragadi eine sehr lange, oft bis zu einem Kilometer lange Nylonschnur. An dieser Schnur hängen alle 3m wiederum eine Nylonschnur ( etwas dünner wie die Hauptschnur), sie wird Tricha genannt. Diese Tricha ist ca. 1/1.5m lang und an ihr hängt der Angelhaken.Ihr habt dies bestimmt schon mal gesehen, die Körbe oder Plastikwannen in denen die Paragadia aufbewahrt werden.

An die Angelhaken kommen je nach Jahreszeit, Tageszeit (Tag-oder Nachtfang) Mondstand,größe der Paragadia...... die verschiedensten Köder. Von Krabben über Ochtapodi, Kalamari, Sardellen, Makrelen und vieles mehr.An beide Enden des Paragadi kommt ein Seil mit einem schweren Stein der das Paragadi zum Grund bringt und einer Boje für die Wasseroberfläche...

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Beim Auslegen der Paragadia wird also zuerst das Seil ins Wasser gelassen und dann ein Haken nach dem anderen. Um das ganze nicht zu einem einzigen Chaos enden zu lassen muß man dabei höllisch aufpassen......Am Ende des Paragadis kommt wie zu Beginn das Seil.Die Fischer kennen den Meeresgrund wie ihre Westentasche, wo die Felsen, Sandflächen etc. sind.....Gefischt wird nicht überall auf gut Glück!!

Eingezogen werden die Paragadia natürlich von einer der zwei Bojen aus. Bei welcher man anfängt ist oft von Wetter (aus welcher Richtung kommen die Wellen) oder von eventuell vorhandenen Strömungen abhängig....

Das Einziehen der Paragadia ist eine sehr Mühsame Angelegenheit.Oft lassen sie sich nur mit viel Kraft einziehen, wobei man ein extremes Gefühl dafür braucht, einmal zu ruckartig zu schnell gezogen und das Paragadi kann reißen..... oft verhängen sich die Triches an irgendwelchen Felsen, dann muß mit dem Kaiki um diese Stelle geschickt manövriert werden, denn um das komplette Paragadi einzuziehen hat man nur zwei Möglichkeiten....sollte es reißen, was oft passiert, kann man es ja noch von der zweiten Boje einziehen, sollte es dann wieder reißen....das sind dann die Momente an denen man die schlimmsten griechischen Flüche zu hören bekommt.....Damit gehen zum einen die Ausgaben des Materials "schwimmen", der ganze Zeitaufwand der Vorbereitung war umsonst und immer die Frage, "wie viele Fische hat man wohl verloren...".Schwer zu ziehen sind die Paragadia natürlich auch, wenn ein Fisch am Haken hängt. (Ein schöner Fisch von ein paar Kg kann sich ganz schön wehren...)

Es ist bei wahrem keine leichte Arbeit. Die Arbeitszeiten sind oft mitten in der Nacht... Auslegen, etwas schlafen dann Einziehen, was oft an die 4-5 Stunden dauert. Am Tage dann die Arbeit mit der Vorbereitung der Paragadia für die nächste Nacht.Mein Kosta sagt immer, es macht ihm nichts aus sich Tag und Nacht um die Ohren zu schlagen, wenn der Fang stimmt. Besteht der Fang allerdings am Ende nur aus ein/zwei lausigen Smineras (ekeliger schlangenartiger Fisch) ist es schon sehr übel....

Der Fischbestand ist hier schon stark zurückgegangen, aber es gibt noch und ich denke es wird auch weiterhin geben.Zum Fischen fahren sie hier entweder hier die Küste entlang oder nach Gavdos,

Den Fisch den wir hier fangen wird entweder an hiesige Tavernen verkauft, ansonsten kommt unser Fischhändler aus Chania an den wir ihn verkaufen. Er hat seinen Sitz in Chania in der Markthalle (mit seinem Verkauf haben wir dann nichts mehr zu tun....

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Zur Netzfischerei gibt es nicht ganz so viel zu erklären. Die Netze sind meist hunderte von Metern lang, haben an der Unterseite kleine Bleistücke und an der oberen Seite kleine Schwimmer, dadurch wird erreicht, daß die Netze „aufrecht“ am Meeresgrund sind. Wie bei den Paragadia auch, sind an beiden Enden der Netze lange Seile mit einer Boje befestigt. Die Netzte werden meist am Nachmittag ausgelegt und am nächsten Morgen ganz in der Früh wieder eingesammelt. Dann beginnt auch die schwierigste Arbeit. Oft in praller Sonne müssen die Fischer ihre Netze säubern....den gefangenen Fisch aus den Netzten puhlen was nicht immer sehr leicht ist...oder aber die Netze von Algen und Felsstückchen befreien....dann werden sie wieder ordentlich zusammengelegt, so daß sie für das nächste Auslegen bereit sind.

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An dieser Stelle ein kleiner Rückblick...Kurz bevor ich damals im Dezember in die Sfakia gezogen bin, machte ich im September noch mal einen kleinen Besuch dort…..Kosta hatte damals noch das kleinere Kaiki, nahm mich das erste mal mit zum Fischen, unter sehr sehr skeptischen Blicken seines Vaters!!!!!Es war gigantisch, wie fuhren in Richtung Loutro……dann beobachtete ich Kosta, wie er immerzu gen Küste blicke (wohl zur genauen Ortung) auf einmal hielt er das Kaiki an und es hieß, „ade pame“…..Zusammen mit seinem Vater ließ er dann die Netze ins Meer….es war irre zu sehen wie das Netz in der Tiefe versinkt…..(das Prinzip ist wie auch bei den Paragadia, an jedem Ende ein Seil mit einem Stein und einer Boje…..) während sie die Netze auslegten machte er immer wieder kleine Schlenker mit dem Kaik, die wissen genau, wo sie das Netz auf Grund wollen……..es dauerte ca. eine Stunde und die arbeit war getan.In diesem Fall waren es alte Netze, für Astakous/Karavides (Hummer und Langusten) sie werden nicht am nächsten Morgen eingehohlt sondern erst am übernächsten Tag.Als wir im Hafen ankamen ging jeder so seine Wege ( ich natürlich erstmal an den Strand……)Am übernächsten Tag fragte mich Kosta ob ich wieder mit möchte… welch Frage! Ich scheute zwar etwas die Blicke seines Vaters aber nun ja….Morgens um 5.30 Uhr ging es los. EINE RUHE im Ort, alles schlief noch, dann ging es los. Das so typische knattern des Kaikimotors, die Morgendämmerung und dann noch Spiegelglatte See. Wenn das Wasser am Bug rauscht und man trotz nicht zu geringer Tiefe den Meeresgrund sieht…..man kann das gar nicht in Worte fassen (ich hätte damals vor Begeisterung heulen können, beherrschte mich aber…)Dann ging es los.. zuesrst wird die Boje eingehohlt, dann das übrige Seil mit dem Stein bis das Netz kommt… Das Netz wird mit einer „Vinzi“ gezogen, das sind die großen Rollen die man am Bug einiger Kaikis Sieht, es sind entweder zwei oder drei Rollen (es entspricht wohl irgendwie dem Flaschenzugprinzip)Die Netze werden eingezogen und dabei entsteht ein unbeschreiblich schönes klak klak klak klak klackern, hervorgerufen durch die kleinen Bleistücke an der Unterseite der Netze, damit es am Grund ist und dann den kleinen „Felisolen“ (Schwimmern) an der oberseite der Netze, damit es im Wasser steht (also unten schwer oben auftrieb). Wenn die Bleie und Felisole also gegen die eiserne Vinzi schlägt entsteht mein geliebtes Klackern…..Ich saß ganz vorne am Bug und sah wie das Netz aus der Tiefe hervorkam, irre, und dann die Spannung was sich alles im Netz verfangen hat….Das Einhohlen der Netze dauerte gut über zwei Stunden, für mich vergingen sie wie im Flug….Irgendeiner der Meeresgötter meinte es wohl sehr gut mit mir, der Fang war hervorragend. Es waren über 30 Kg Astako und dazu noch guter Fisch…Kostas Vater schlug mir auf die Schulter und nickte mit dem Kopf…

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Im Hafen angekommen ging es dann an die recht mühsame Arbeit alles aus den Netzen zu puhlen und die Netze dann wieder für den Nachmittag vorzubereiten….Zur Mittagszeit war die Arbeit getan und man setzte sich zusammen in ein Cafe am Hafen. Dort saßen wir nun, Kosta, sein Vater, zwei andere Einheimische und ich……über was sie sich unterhielten kann ich nur raten, den gelungenen Tag….nebenbei gab es natürlich für die Männer Raki, nach einer Weile stand Kostas Vater auf, holte ein weiteres Rakiglas, stellte es vor mich, schenkte sich ein und mir (den übrigen nicht…) Jammas koritsi mou sagte er zu mir und nickte Kosta zu……..er nahm mich so wohl im Kreise seiner Familie auf!!Von da an waren wir dann auch so ganz offiziell „zusammen“……Das sind so ein paar erlebte Momente die mir wohl unvergesslich bleiben……

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Mein erstes mal Gavdos

Damals, von März bis Juni 2000 war ich fast immer dabei, wenn es mit dem Kaiki raus ging, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Kosta hatte sich damals noch nicht auf Paragadia spezialisiert, das kam erst später….Ich lernte die Netze zu richten und Paragadia zu richten, meine Spezialität war es den Haken an die Tricha zu knoten….Was es nur zum erlernen gab, versuchte ich in mich aufzunehmen.Manchmal ging es nur hier an die Küste aber eben auch nach Gavdos.Nach Gavdos fährt man nicht unbedingt nur für eine Nacht, das rentiert sich nicht, man bleibt schon 3/4/5 Nächte dort. Meist nur auf dem Kaiki, sehr selten fährt man in die Karave, den Hafen von Gavdos zum nächtigen.Morgens wurde noch das nötigste eingekauft. Reis, Kartoffeln, Tomaten,Eier, Zitronen, Fischbüchsen, Kekse, Brot……..Mittags wurde noch mal ausgiebig gegessen dann wurde das Kaiki startklar gemacht und es ging los….Das Wetter war hervorragend, Windstill, ruhige See, klare Sicht….Es war atemberaubend wie sich Kreta immer weiter entfernte, irgendwann war Chora Sfakion dann garnicht mehr richtig auszumachen, Gavdos schien einem aber auch nicht grad näher gekommen zu sein… man war wohl so grad in der Mitte.Die Überfahrt mit dem Kaiki dauert ca. 2 1/2 Stunden. Wir fuhren in die Bucht Birgo, im Westen der Insel, dort ist es meißt am geschütztesten.Wir gingen vor Anker und die Männer bereiteten die Paragadia für die Nacht vor (Kosta, sein Vater und ein Ägypter)Abends wurden Fischbüchsen aufgemacht (irgendwelche Makrelen in Tomatensoße), es gab Tomatensalat und Brot, einfach aber ausreichend.Alles war super, bis auf den Zustand meiner Blase!!!!!!!!!!!!!!!!!!!Das Kaiki hat keine Toilette, auf einem 13m Holzbot mit einer kleinen Kajüte schiffsmittig kann man sich nicht gut verstecken und vor einem Ägypter, seinem sfakiotischen Schwiegervater in spe einfach mal so die Hose runter zu lassen, NAJA!!! Ich verdängte meine Bedürfnisse auf die Nacht wenn alle schliefen……..Dazu kam es aber leider nicht, denn als ich aufwachte waren alle Männer schon munter bei der Arbeit, es war wohl so 3.00Uhr….nun gut, ich riß mich zusammen, mir würde schon was einfallen… inzwischen schaute ich den Männern zu, wie sie die Paragadia auslegten… mehrere Körbe, da kommen gut an die tausend Haken zusammen. Danach legt man sich wieder ein zwei Stündchen aufs Ohr…bei mir waren es wohl mehr, die unfaßbaren Eindrücke der Nacht, die Ruhe/Stille, Einsamkeit mitten auf hoher See haben mich wohl erschöpft…Morgens wachte ich auf, erstens, weil meine Blase sich nun wirklich unangenehm bemerkbar machte, zweitens weil die Männer schon wieder bei Arbeit waren….es war sooo spannend zu sehen wie ein Haken nach dem anderen hochgezogen wurde. Viele ohne Fisch ohne alles, manche Triches durchbissen, also Haken fehlt, aber

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natürlich auch immer wieder mal ein schöner Fisch….dabei vergaß ich meine Blase schon faßt. Nach mehreren Stunden war die Arbeit getan. Man fuhr wieder in die Bucht zum Ankern. Ein paar der kleinen Fische wurde ausgenommen und Kostas Vater zauberte eine Kakavia (Fischsuppe) Ein Gedicht!!!!!Ach ja, nach dem Essen spülte ich die Teller usw. die Männer saßen schon wieder an der Arbeit, die Paragadia wurden erneuert, sortiert und für die nächste Nacht vorbereitet (das dauert dann bis Abends, Pausen gibt es keine, da ist das mit den Netzen schon einfacher,,,)Bei mir war nach über 24Std der Zeitpunkt erreicht, das ich kurz davor war zu platzen…. Kosta merkte das wohl (warum ich ihm bisher nichts gesagt habe? keine Ahnung)er ging ans Heck, holte ein 5l Ölkanister, leer, schnitt ihn in der Mitte durch, gab ihn mir und meinte ich sollte runter zur Maschine….. ich schaute zwar anfangs etwas komisch war dann aber sehr dankbar. Ich „füllte“ den Kanister auf, kam von der Maschine wieder hervor schüttete es ins Meer, und alles unter einem riesen Gelächter der 3 Männer. Anfangs schämte ich mich soooooo, aber dann war alles OK…. dieses Problem hatte sich nun für ewig gelöst und ich konnte alles noch mehr genießen….Vier Tage blieben wir, der Ablauf immer der gleiche,Arbeit Arbeit Arbeit, Schlaf bekamen die Männer nur wenig. Es waren aber keine schlechten Zeiten und der Fang war dementsprechend gut……….Die 4 Tage waren um und wir machten uns auf die Heimreise, Kreta kam immer näher und näher, Sfakia tauchte auf, wir waren wieder zu Hause….Ich hatte um einiges mehr Schlaf als die Männer,trotzdem war ich irgendwie am Ende.Im Hafen angekommen wurde der Fisch an den Fischhändler übergeben, das Kaiki wurde geschrubbt und geputzt, auf Vordermann gebracht für die nächste Reise, dann erst ging es nach Hause, Kostas Mutter wartete schon mit Essen auf uns und dann ab ins Bett……

Gavdos und alles ging schief….

Einmal sind wir nach Gavdos aufgebrochen, da ging so ziemlich alles schief.Ich weiß nicht welchen Teufel Kosta damals geritten hat, aber er wollte unbedingt sowohl Netze auslegen als auch Paragadia, alles zusammen auf einer Reise…..ich hatte diesmal nicht soo viel Lust, dachte mir auch, daß es bestimmt stressig für die Männer wird, sagte aber natürlich nichts!!!!Auf halber Strecke, ich war etwas müde und lag in der Kajüte, hörte ich ein Geräusch, das ich so nicht kannte, naja, kommt mal vor…..es hörte aber nicht auf und ich erwähnte es mal bei Kosta…..ich hör’ nichts sagte er nur, war mir schon klar, sein Gehör ist wirklich nicht das Beste.

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Es ließ mir aber keine Ruhe, weiblicher Instinkt, irgendetwas stimmt nicht.Ich stand auf und schaute mich einfach so mal überall ein wenig um….. mir viel aber nichts weiter auf…. das Geräusch war immer noch da, jetzt konnte ich es auch einordnen… es hatte irgendwas mit Wasser zu tun….draußen hörte man es nicht, da hörte man nur das Wasser rauschen wie gewöhnlich…. aber in der Kajüte war es was anderes!!! Ich sagte es wieder Kosta….ich sollte besser etwas schlafen…. weiblicher Instinkt: jetzt schlafen, ausgeschlossen!!! Aus dem „Maschinenraum“ unter der Kajüte kommt ein Schlauch der führt zur Aussenseite des Kaikis, wenn die Maschine läuft,kommt aus dem Schlauch Wasser… das andere Ende ist irgendwo an der Maschine befestigt, Meerwasser wird von der Maschine „angesaugt“ wozu keine Ahnung, das wissen die Männer, und über diesen Schlauch eben wieder abgegeben…. NUR, in diesem Fall kam aus dem Schlauch kein Wasser!!Ich schon wieder bei Kosta, so ganz neben bei, Duuu, aus dem Schlauch kommt kein Wasser….. BUMMMM es schlug bei Kosta ein wie ein Blitz!!!!! Er schaute nach, machte die Maschine sofort aus…Was war passiert??!! Der Schlauch der an der Maschine befestigt war hatte sich gelöst und alllllllllll das Wasser strömte ins Innere des Kaikis…..es hatte sich schon eine ganze Menge gesammelt….Jungs, hört manchmal auch auf eine Frau!!!!!!!!!!!!!!!Es ging nochmal alles gut, Kosta befestigte den Schlauch wieder und das Wasser wurde abgepumpt…..Meine Lust auf dieser Reise war nicht gerade gestiegen, aber sie wurde fortgesetzt……und diesmal eher weniger erfolgreich.(Jetzt muß ich noch kurz einwerfen, ich bin, wie so oft bei v.a. Frauen anfällig auf Delfine!! Also, wenn ich Delfine sehe, kann ich komplett durchdrehen, ich würde dann am liebste gleich ins Wasserhüpfen (hab auch einen tätowirten an meinem Knöchel…..)So, bevor wir dieses Mal in eine Bucht zum Ankern fuhren, legten die Männer noch die Netze aus….und dann geschah es…. ich war sooooo weg, Gänsehaut, heulen können vor Freude…..Kosta, ach wie schöön, schaaauu maaal, Delfiiine…..es kam wieder ein Schwall an übelsten griechischen Schimpfwörtern, NEIN, mein Kosta Verfluchte meine Delfine…. mich brummte er an ich sei eine „grousoussa“ / Unheilbringer, er meinte noch, ja selbst schuld zu sein Frauen aufs Kaiki zu nehmen……oh mann gings mir schlecht….!Am nächsten Tag wußte ich aber allerdings mehr…. es war wirklich nicht mehr feierlich, was die Delfine mit den Netzen angerichten hatten, sie waren so zerlöchert, ich konnte dann Kostas Reaktion auf die Delfine schon verstehen…….Ich habe seitdem nie wieder gesagt wenn ich welche gesehen habe, es war immer mein kleines Geheimnis.

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So vergingen zwei lausige Tage mit viel viel zu viel Arbeit, da sie wirklich mit Netzen und Paragadia fischten und dennoch nichts Großes dabei raus kam….Am dritten Tag wurde es dann noch so stürmisch, daß wir nach hause fuhren, bei riesigen Wellen die einem um die Ohren peitschten….man, diesmal war ich wirklich froh wieder in Sfakia zu sein…

Gavdopoula einmal anders

Einmal ging es nach Gavdopoula, nicht etwa zum Fischen, nein, ich sag mal wir hatten „Gäste“ an Bord…………Früh morgens ging ich mit Kosta in den Hafen……das Kaiki musste ja noch für unsere „Gäste“ vorbereitet werden.Wir sammelten was wir nur finden konnten an alten Teppichen, Decken, Planen und was es sonst noch so alles gab….das ganze Deck wurde damit zugedeckt….Wir waren gerade damit fertig, da kamen auch schon die Gäste….in zwei Kleintransportern wurden sie zum Kaiki gefahren und das gefiel ihnen wohl gar nicht, sie machten sich lauthals bemerkbar….Määääää – mä’ä’ä’ä’ – meeeeee – mööööö – määääää …..Ja unser Gast war eine ca. 80 köpfige Schafsherde…..Ein hiesiger Schäfer bringt seine Schafe jedes Jahr für ein paar Monate nach Gavdopoula…….es war ein Chaos…es war sooo laut….und mir taten die Schafe richtig leid…..Eine Stunde dauerte es etwa, bis alle Schafe an Bord waren, dann ging es endlich los….

Mit dabei waren: Kosta, sein Vater, meiner eine, der Schäfer und drei seiner Gehilfen…..irgendwie waren es ganz schön viele Schafe für das Kaiki, man könnte fasst schon sagen die stapelten sich da….und dann ihr unaufhörliches gemä+ä+ä+ä+cker….es war irre.

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Alle Mann an Bord waren wir damit beschäftigt, dafür zu sorgen, daß es den Schafen einigermaßen gut ging, also das keines von anderen zertreten wird, das ihre Köpfe immer schön frei sind etc. vor allem aber wichtig war aufzupassen, daß kein Schaf über Bord springt, denn dann sei die ganze Herde verloren….springt eins voraus hüpfen alle hinterher.Am Heck des Kaikis hatten wir ein kleines Separet (schreibt man das so??)…..dort wurden ein paar kleine Lämmer untergebracht….DA war ich natürlich!!! Sie waren noch so winzig, und so süß…manche konnten noch nicht mal richtig meckern……

Nach etwas mehr als zwei Stunden erreichten wir Gavdopoula. Auf der Südseite der Insel gibt es eine kleine Bucht, wo die Felsen einigermaßen dazu geeignet waren die Schafe aus dem Kaiki zu befördern… das Kaiki wurde so weit es möglich war an die Felsen gebracht mit ein paar Seilen befestigt.. diese Aktion dauerte schon ewig, Kosta konnte natürlich nicht riskieren, daß das Kaiki beschädigt wird…. Mit einem Holzbrett wurde dann noch vom Kaiki zum „Land“ eine Brücke gebildet… die Männer begaben sich dann an die nicht ganz einfache Arbeit die Schafe zu entladen.. die Schafe hatten es auf einmal recht eilig und man mußte wieder höllisch aufpassen, daß keines ins Wasser sprang…..

Nach einer Weile war auch das geschafft, nun noch die kleinen Lämmchen und gut!! Und gut, nein gar nicht, könnt ihr Euch vorstellen wie es auf dem Kaiki aussah und v.a. wie es, na, stank????Wir hatten ja nun versucht gut abzudecken, aber durch das Getrete von ca. 240 Schafshufen verrutschte natürlich alles. Es war also alles recht vollgeschissen, so machten wir uns alle an die Arbeit, schrubbten das Kaiki und machten uns wieder auf den Heimweg…..ich konnte wieder vorne am Bug an meinem „Stammplatz“ sitzen und genoss die Ruhe und das Rauschende Meer…

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Mit Kosta AUF Gavdos

Es ging mal wieder nach Gavdos…wie üblich…morgens noch einkaufen…mittags noch einmal gut essen und dann geht es los….das Wetter ist super, nur ein kleines Lüftchen und ich immer auf meinem Stammplatz….ganz vorne am Bug, damit ich sehe wie das Kaiki durch das Meer gleitet….Dieses mal ging es in die Sarakiniko-Bucht an der Nordseite der Insel…das Wetter hat umgeschlagen, es war nicht mehr ganz so Windstill…aber egal, Arbeit ist Arbeit….Kosta war es allerdings nicht ganz geheuer und wir sind in den Hafen..Karave…gefahren. Und zu unserem Erstaunen waren wir da nicht alleine….es waren insgesamt an die 10 Kaikis dort versammelt…einige davon waren aus Italien…ja, richtig gelesen, Italien! Einige Italiener machen sich auf den Weg in die griechischen Gewässer… diese an jenem Tag waren auf der Heimreise nach Italien und legten einen Zwischenstopp in Gavdos ein….Die Italienischen Kaikis waren leicht von unseren zu unterscheiden…sie waren viel viel tiefer…das Deck ist fast auf Wasserhöhe….der Hafen Karave ist nicht arg groß, so mußte man von einem Kaiki über das andere steigen um an Land zu kommen…ein nicht immer leichtes Verfangen……Abends saßen wir bei Giorgo und Vangelio in der Taverne…gegessen hatten wir schon auf dem Kaiki…es gab nur einen kleinen „Absacker“…die Männer unterhielten sich und ich genoß es einfach nur…es war zuuu schön..nicht einmal die Schaben an der Hauswand konnten mich beeindrucken….in der Nacht legten die Männer doch noch die Paragadia aus…ich hatte geschlaaafen, bekam davon nichts mit!!! Erst am Morgen als sie die Paragadia wieder einzogen…und es war toll..wir waren in Tripiti an der Südostküste…und Kosta zeigte mir den bekannten „Stuhl“….auf der Felsküste haben sie einen überdimensionalen Stuhl errichtet…. als Symbol des südlichsten Punktes Europas…irre dieser Anblick…schade, das ich keine eigenen Bilder habe…

Der Fang war nicht seht gut…es gaben starke Strömungen und auch das Wetter spielte nicht mit….so fuhren wir wieder in die Karave. Kosta erzählte mir von seiner Jugend…wie sie auf Gavdos Anginares / Artischocken gepflückt und gegessen hatten und beschloß mit mir dort hinzugehen….Kosta und ich machten uns also auf den Weg…wir liefen die Straße hinauf und es war ein gigantischer Anblick auf den Hafen mit den vielen Kaikis in Reih und Glied….wir liefen eine gute halbe Stunde ins Landes innere über Zeune und Böschungen…nur Anginares fanden wir keine….die ganze Zeit trafen wir keine Menschenseele…es waren nur Kosta und ich…nach knapp zwei Stunden kehrten wir dann mit leider leeren Händen,…aber einem vollen Herzen in den Hafen zu den Kaikis zurück….Außer den Italienern waren auch ein paar bekannte Fischer aus Agia Galini in Gavdos so blieben wir zwei /drei Tage dort, obwohl der Fang aus Wetter und sonstigen Gründen gleich null war…aber es war Gesellschaft da…und das machte den Schmerz über die wenigen Fische etwas leichter…

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Alle machten ihre Späßchen mit mir…Kostas deutsche Fischerin…es waren aber alles liebe Späße….ich war auch gaaanz schön stolz als einzige Frau zwischen so vielen Fischern…Ihr seht, es bleiben mir nicht immer nur die vielen gefangenen Fische in Errinnerung…dies war eine ganz besondere Reise für mich, weil ich das erste mal mit Kosta eine Spaziergang auf der Insel machte…weil die Atmosphäre zwischen so vielen Fischern einfach herrlich war…ich kam mir so etwas besonders vor….Nach drei Tagen fuhren wir zwar mit wenig Fisch nach hause, aber die Stimmung war dennoch gut….nächstes Mal wird es wieder besser….

So vergingen für mich die ersten Monate, manchmal fuhr ich mit Kosta zum Fischen, meistens nach Gavdos, manchmal blieb ich in Chora Sfakion genoß die Ruhe und den wunderschönen Ort, der dann im Frühling so langsam aber sicher aus dem Winterschlaf erwachte. Die Leute bereiteten ihre Tavernen und Zimmer für die kommende Saison vor. Es wurde gestrichen und gewerkelt....und dann kamen auch schon die ersten Touristen.Im folgenden Sommer arbeitete ich für einen meiner Schwager, er hatte gerade eine Art Kiosk oberhalb des Ortsstrandes eröffnet.Es war keine große Sache, es gab verschiedene kalte Getränke oder Eis. Viel los war dort am Kiosk auch nicht....etwas später übernahm ich dann auch die Aufsicht über die Sonnenschirme und Liegen, die mein Schwager in diesem Jahr am Strand vermietete....

Inzwischen ist viel Zeit vergangen....ich bin jetzt etwas über 10 Jahre hier in Chora Sfakion und hab meine eigene kleine Familie mit meinem Sfakioten und meinen drei kleinen Jungs. Es gibt sicherlich unzählig viele Geschichten über diese 10 Jahre, aber die erzähle ich vielleicht ein anderes Mal....Es war sicherlich die Beste Entscheidung meines Lebens ...auch jetzt noch gibt es Momente in denen ich an meinen abenteurlichen Start hier denke und kann es kaum glauben wo ich gelandet bin...in meinem kleinen Paradies!!!!

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