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Heft 3 ǀ Ausgabe 03/08 ǀ www.meins-magazin.de Heft 3 ǀ Ausgabe 03/08 ǀ www.meins-magazin.de Feinsinn fühlt

meins-magazin 3

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meins-magazin Ausgabe 3, meins fuehlt

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2 Inhaltliches

08 Die Liebe10 Zu alt fürs Studium11 Den Kriminologen auf der Spur11 Praxis zahlt sich aus12 Festplatte Kaputt! Und nun?13 Wie wird man eigentlich Journalist?

17 Auf der Suche nach Demokratie20 Mit dem Zug von Dakar nach Bamako22 Die Welt in Köln23 New Yorker Geschichten23 Blanche für 1,73 Euro

27 Le Parcour29 Pilates

32 Wildtiere leben im Großstadtdschungel

LebensEcht

FernSicht

KörperKultur

ErkenntnisReich

StaatsKunst

Inhalt

Feinsinn {

{ Coco küsste ihn flüchtig auf die Wange und huschte an Karl vorbei in die Woh-nung. Er hielt ihr noch die Türe auf, als sie schon längst an ihm vorbei war, ohne ihn anzuschauen. Er schauderte und stand wie angewurzelt im Woh-nungsflur. Seine Hände schwitzten. Erst nach einigen Augenblicken ließ er die Tür ins Schloss fallen. Mit trägen Be-wegungen ging er in sein Zimmer, wo Coco schon auf dem Bett lag, mit einem Buch in der Hand. „Wie war dein Wo-chenende?“, fragte er tonlos. „Gut, aber ich bin müde und fühle mich nicht so“, antwortete sie, drehte ihm den Rücken zu und fing an ihr Buch zu lesen. Karl setzte sich, seine Beine waren schlaff. Er schaute an die Decke. Nach einigen Se-kunden hatte sich über ihm eine Wiese ausgebreitet.

meins

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Glo

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Holger Reinermann

„Manierenloser Rohling! Rücksichtsloser Unflat! Welch unbedachtes Verhalten!“

Dieser recht ziemenden Ausdrucksweise bediente ich mich keineswegs im Verlaufe des Erlebnisses, das zu schildern ich mich in eben diesen Zeilen anschicke, denn ich bin ein moralisch viel weniger gefestigter Mensch, als es die obig eiligst dahin impro-visierten Schmähungen vermuten lassen, und befleißige mich im Alltag eines sehr viel zweifelhafteren Wortschatzes, weshalb ich weitaus derbere Verwünschungen Aus-druck meines Ungemaches werden ließ, die aber, aus Rücksicht auf das Gemüt des geneigten, aber sicherlich wesentlich solider sozialisierten Lesers, hier verschwiegen werden sollen.

Ort, Uhrzeit und Anlass meiner fragwürdigen Ausbrüche sind jedoch nicht nur der zarten Leserseele durchaus zumutbar, sondern selbstverständlich auch für die Schilderung der Ereignisse unabdingbar. Es begab sich zur völligen Unzeit, so etwa um halb zwei Uhr nachts, zeitliche Exaktheit sei in diesem Falle mal der Lässigkeit des Erzählflusses geopfert, dass ein Taxifahrer sein rollendes Dienstleistungsunternehmen gerade genau unter meinem Fenster zum Stehen brachte, um, so sollte ich erst viel später erfahren, eine im gleichen Haus wie ich wohnhafte Dame zu eben diesem zu befördern. Sei es nun aus spontan für einander empfundener Sympathie oder langjähriger Bekanntheit, jedenfalls vertieften die beiden sich in ein längeres Gespräch, was eigentlich, zugege-ben, gerade in unserer als emotional erkaltet und kontaktarm verschrieenen Zeit eine erfreuliche Begebenheit darstellt, doch – welch Unglück! - der junge Mann verab-säumte es, den Motor seines Fahrzeuges abzustellen und raubte mir damit den so dringend herbei gesehnten Schlummer. Nun rühme ich mich gemeinhin einer sehr gesunden, geradezu übertriebenen Aggres-sionsbewältigung. Seien es noch so harsche Ungerechtigkeiten, die meine Mitmenschen mir widerfahren lassen, begegnet mir das Dasein mit noch so verdrießlichen Entbeh-rungen- stets bewahre ich Langmut, nie kräuselt auch nur ein Fältchen des Unwillens mein Antlitz. Wird allerdings meine Nacht-ruhe in Leidenschaft gezogen, neige ich durchaus zu recht schroffen Erwiderungen, werde bisweilen richtiggehend ungehalten. Ach, welch Unwetter tobte da in mir, welch Fegefeuer der Entrüstung brauste in meiner Seele! Genössen die Gedanken nicht ihre segensreiche und viel besungene Freiheit,

ich müsste um die meinige glatt fürchten angesichts der Schärfe, mit der ich den mir unbekannten Namen dieses armen Mannes, seine Person und vor allem sein niederfre-quent tönendes Vehikel verfluchte. Stumm überzog ich ihn mit den schändlichsten Schmähungen, stellte seinen Charakter und seine kognitive Leistungsfähigkeit in Frage, schalt ihn absoluter Ungeheuerlichkeiten.

Eine halbe Stunde währte dies höchst unerfreuliche Treiben, das Röhren des Taximotors dort unten und das entnervte Umherwälzen oben in meinem Gemach. Dann überstieg meine Frustration meine Zurückhaltung, und ich beschloss, hinunter auf die Straße zu gehen und ihn mit meinem Verdruss zu konfrontieren. Und siehe da, er stellte sich als überaus einsichtsvoll und ko-operativ heraus und entledigte mich umge-hend der alpdruckhaften Lärmbelästigung, so dass der Zorn, der kurz zuvor noch in mir gegärt hatte, wirkungslos verpuffte und ich, beseelt von dem erfreulichen Ausgang der Geschichte und wieder das geliebte Feder-bett in die Arme schließend, mir kaum noch zu erklären vermochte, wie ich solch finstere Emotionen hatte entwickeln können.

Nachtrag: „Unsere als emotional erkaltet und kontaktarm verschrieene Zeit“, wenn ich das schon höre. Natürlich behandeln die Menschen einander auch heute nicht herzloser als sie das ohnehin schon ewig tun. Sogar das Aufstellen der hanebüchenen Behauptung, es wäre doch so, ist bemer-kenswert selten geworden. Aber irgendje-mand findet sich doch immer wieder, der diesen Unfug verbreitet.

Musterhafte Gefühle

Über GEFÜHLE kann man viel und lange reden. Besonders FRAUEN machen dies ger-ne und ausführlich, sagt man. Männer nicht so. Bis auf einen: FREUD. Der zaubert aus Gefühlen und Träumen gleich eine komplette Theorie. Die PSYCHOLOGIE. Auch heute reden Therapeuten und Psychologen über Gefühle anderer Menschen und verdienen damit ihr Geld. GEFÜHLTES GELD quasi. Die Philosophie spricht über Gefühle seit mehr als 2500 Jahren. Kein Wunder, denn jeder MENSCH hat Gefühle. Jedes TIER ja auch, wie man mittlerweile weiß. SCHAFE können sich an bis zu 50 verschiedene Men-schen erinnern und EMOTIONAL binden. Umso beeindruckender sind die Ergebnisse der Kognitionswissenschaften zum Thema Gefühle. Wir erlernen Gefühle wie Fahrrad-fahren und Schwimmen. Natürlich läuft das mit dem Fühlen ein wenig FEINFÜHLIGER und KOMPLEXER ab. Aber das Prinzip des Fühlens entspricht unserem VERHALTEN. Unsere Verhaltensmuster prägen entscheidend, wie und in welcher FORM wir fühlen.

Philosophen und Gefühle

Es ist immer schön und passend, HERAKLIT zu zitieren. Der hat nämlich gesagt, dass sich ALLES im Fluss befindet, also auch unsere Gefühle. Und wer Stimmungsschwan-kungen und Veränderungen seiner Gefühle abstreitet, sollte mal zum Psychologen gehen. Heraklit hatte also mal wieder Recht. Wie soll man aber mit Gefühlen umgehen? EPIKUR ging konkreter als Heraklit auf Gefühle ein. Er meinte, man solle seine Gefühle auskosten und genießen und dies am besten (bei sich) zu Hause im Garten. Ein bunter GENUSSGARTEN. Die Philosophie der STOA hingegen wollte, dass die Menschen nach gesellschaftlicher Anerkennung streben. Ihr Ideal war der Zustand der UNER-SCHÜTTERLICHKEIT. Gefühle also eher im Hintergrund. ARISTOTELES steht für das Maß der MITTE. In Maßen ist demnach alles ERLAUBT. Machen wir nun einen Sprung zum bekanntesten deutschen Philosophen: KANT. Mit ihm war eher weniger zu lachen. Gefühle - wenn überhaupt ein THEMA - waren eher hinderlich für ein vernünftiges Le-ben. FEUERBACH und NIETZSCHE befreien sich bald von der LAST der Vernunft. Im 20.Jahrhundert beschreibt HEIDEGGER Grundstimmungen, die maßgeblich das Leben durchziehen. Die gesamte existenzialistische Bewegung sucht sich selbst in Gefühlen. Gefühle wie ANGST und FREUDE also nun die Basis unseres Lebens. Spätestens seit Antonio DAMASIO weiß man, dass DESCARTES einen FEHLER gemacht hat. Nicht die VERNUNFT oder der Verstand bestimmen unser Handeln und Denken, sondern unsere GEFÜHLE.

Die Welt als emotional Design

Das Gefühl hat HEUTZUTAGE über die RATIO gesiegt. Selbst in den Wirtschaftswis-senschaften beginnt man zu begreifen, dass die Gefühle des Konsumenten wichtiger sind als ihr rationales Entscheidungsvermögen. Humanonics heißt die neue For-schungsdisziplin, die den Menschen ins Zentrum stellt. Kaufsucht ist eben ein Ge-fühl und keine rationale Angelegenheit. Gefühle sind der MOTOR des Lebens, denn ohne Fühlen würden wir gar keinen ANTRIEB haben etwas zu machen. Dies zeigt sich besonders bei extremen Gefühlen wie Hass oder Liebe: da kann man schon mal jemanden umbringen. Oder aber sich selbst. Das SPIEL mit den Gefühlen ist in WER-BUNG und MEDIEN schon lange TAGESGESCHÄFT. Gefühle sind demnach auch Vo-raussetzung für Kreatives Arbeiten. Im DESIGN spricht man seit einiger Zeit von EMO-TIONAL Design. Das Gefühl muss in der Form eingearbeitet sein. Es muss SICHTBAR sein, sei es am Gebäude, technischen Objekt oder am Produkt. Eine gute Form muss Emotionen enthalten und Emotionen ansprechen, ansonsten ist es kein gutes Design. Gefühle sind das, was uns als Menschen VERBINDET. Oder mit den Worten des Kölner Autors Richard David Precht: „Gefühle sind der Klebstoff, der uns zusammenhält…“

.FEINSINN.FÜHLT.Gefühle mal philosophisch

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ImpressumHerausgeber: Verein zur Förderung studentischen Journalismus Köln e.V.www.vfsjk.de

ViSdP (Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes):Niels Walker

Chefredaktion: Niels Walker, Kristin Gabriel

Art Direction: Sebastian Herscheid

Bildredaktion:Hannah Gärtner

Redaktion/Autoren: Johanna Regenhard, Janina Heuser, Eva Helm, Katja Koslow-ski, Iris Sygulla, Christine Willen, Holger Reinermann, Sarah An-gasa, Jörg Bernady, Christopher Dröge, Felix Grosser, Veronika Czerniewicz, Agathe Miskiewicz, Sylvia Jobi, Hannah Gärtner, Kathrin Mohr

Gestaltung/Layout: Stephanie Meyer, Sara Copray, Tina Trinks, Elisa Hapke

Internet: Henrik Greger, Michael Römer, Christian Klassen,Andreas Arnold

Fotografie: Hannah Gärtner (verantwortlich), Alexander Gräff,Meiko Henning

Ausbildung:Kathrin Mohr

Website: www.meins-magazin.de

Erscheinungsweise: vierteljährlich

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LebensEcht

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Die LiebeDie Liebe ist langmütig, sie hat Geduld und kann warten und verzeihen, das macht sie allerdings ausnutzbar

Die Liebe ist gütig, sie bemüht sich in dem Anderen erst das Gute zu sehen sie verrechnet die Tage des Glücks nicht mit Unglück sie ist großzügig bis verschwenderisch im „Sich-verschenken“

Die Liebe ist unabhängig, sie ist nicht gebunden an Voraussetzungen, Ansprüche und Zuneigungen sie kennt keinen richtigen Zeitpunkt, keinen richtigen Ort oder richtige Umstände

Die Liebe ist wagemutig, sie ist erhaben über jeden Zweifel und jede Unsicherheit sie wagt jedes Risiko sie versteckt sich nicht aus Angst vorm Scheiterm, sonder kämpft unbeirrbar um ihr Fortbestehen

Die Liebe ist vollkommen, sie übersieht Fehler und Hindernisse einfach, weil sie kann, was immer sie will

Die Liebe ist unvollkommen, zu häufig wird sie verwechselt mit Gewohnheit, Besitzansprüchen oder dem Gefühl geliebt zu werden

Die Liebe bläht sich nicht auf, sie braucht sich nicht größer zu machen, als sie ist sie freut sich an dem, was sie hat, und sie steht zu ihren Grenzen

Die Liebe handelt nicht ungehörig, sie sucht nicht ihren Vorteil er ist ganz für sie, sie ganz für ihn da, dabei gibt es kein Aufrechnen, keine Erpressung, keinen Anspruch auf Rückvergütung

Die Liebe trägt das Böse nicht nach, sie kann uneingehaltene Versprechen und unvollbrachte Taten vergessen und verzeihen sie stapelt die Frustration nicht auf, was sie vergeben hat, kommt nicht als Altlast wieder

Die Liebe freut sich nicht über Unrecht, sie kennt keine Schadenfreude, sondern freut sich an der Wahrheit sie verschleiert nicht, sondern bereinigt und vergibt,

Liebe und Wahrheit sind ohne einander nur die Hälfte wert

Die Liebe verhält sich nicht unbeständig, sondern sie wächst stetig von Tag zu Tag, dabei zehrt sie in der Einsamkeit von Erinnerungen an kommende Tage und wächst manchmal über sich hinaus

Die Liebe erträgt alles, zumindest unendlich mehr, als sie verstehen kann

Die Liebe glaubt alles, sie nimmt den Anderen beim Wort sie braucht keine Spielchen um sich attraktiv zu machen sie ist nicht argwöhnisch, lässt sich auf Dauer aber nicht hinters Licht führen sie ist nicht ironisch und zynisch, sondern offenbart sich ehrlich sie meint, was sie sagt

Die Liebe hofft alles, wer die Hoffnung aufgibt, hat die Liebe verloren gegen Egoismus, Charakterschwäche und andere scheinbare Unveränderlichkeiten setzt sie Risikobereitschaft, Vertrauen und noch einmal Vertrauen

Die Liebe hält allem stand, sie hält das Ungerechte aus sie hält das Unmögliche aus und wenn alles zusammenzubrechen droht, Freundschaft, Familie, Glaube, Kraft, dann bleibt die Liebe als große Hoffnung und schmerzliche Sehnsucht über Trümmern.

Hannah Gärtner

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11LebensEcht10 LebensEcht

Praxis zahlt sich aus…vor allem während des Studiums

Bei den meisten Studiengängen geht es in erster Linie nur um eines: Theorie. In den wenigsten Fachrichtungen gibt es vorge-schriebene Praxisteile. Dies ist meist nur an Fachhochschulen der Fall. Natürlich ist diese Tatsache jedem, der sich für die folgenden rund vier Jahre an einer Univer-sität einschreibt, klar. Doch ist es wirklich das, was wir als Studenten wollen? Ist es wirklich das, was unsere möglichen Arbeitgeber irgendwann von uns erwarten? Diese Fragen können ganz klar mit einem lauten und deutlichen NEIN! beantwortet werden. Ob geisteswissenschaftliches oder betriebswissenschaftliches Studium, die beschriebene Problematik begegnet uns in den unterschiedlichsten Studiengängen. Neben einem guten Abschluss erwarten die meisten Betriebe Praxiserfahrung in Form

von Praktika oder Nebentätigkeiten während des Studiums. Die Begründung ist klar und für jeden nachvollziehbar; was bringt es einer Firma, einen Universitätsabsolventen mit einem Einserdurchschnitt aber ohne jegliches praktisches Können zu beschäf-tigen? Es reicht nicht, zu wissen, wie die Theorie aussieht. Man muss wissen wie sie angewandt wird. Zusätzlich lernt man den Umgang mit Menschen in dem jeweiligen beruflichen Umfeld. Dieser Aspekt ist nicht zu vernachlässigen, denn schließlich arbeitet man zusammen und nicht gegen-einander.

All diese Dinge lernt man nicht beim Bücherwälzen in der Unibibliothek, also raus mit euch! Der Rat, den ich aus eigener Erfahrung geben kann, lautet folgen-

dermaßen: Macht, um Gottes Willen, so viele Praktika wie nur irgend möglich! Am Besten ist es, sofort nach dem Abitur damit anzufangen und sich so während des Studiums von Beginn an auf die Berufswelt vorzubereiten. Und selbst, wenn sich die Berufsvorstellung ändern sollte, lernt man aus jedem Praktikum, auch wenn es sich nur darum handelt, dass man diesen Beruf nicht ergreifen möchte. Und noch ein Vorteil dieser Vorgehensweise sei genannt: Gute Praktikumsbewertungen führen zu studen-tischen Aushilfsjobs und das über kurz oder lang zu einer Festanstellung!

(Weitere Informationen zu Praktika und Praktikumsvermittlungen im Internet unter www.praktikum.de) Sylvia Jobi

Du willst deine Festplatte mal so richtig bügeln und weißt nicht wie? Kein Problem! Meins-Magazin zeigt, wie du deine Fest-platte formatieren und das Betriebssystem Windows Vista installieren kannst.

1. Sichere alle Daten, die du beibehalten möchtest auf einer CD oder DVD.2. Fahre den Computer wie gewohnt runter.3. Sobald du deinen PC neu startest, lege die Windows Vista CD in das CD-Rom bzw. DVD Laufwerk ein. 4. Halte die Seriennummer bereit. Sie wird später benötigt.5. Beim "booten" ( hochfahren) wird Fol-gendes gefragt: Boot from CD or Boot from Hard Drive. Wähle hier: Von CD booten!6. Nach einigen Minuten kannst du auf die eingelegte CD-Software zugreifen.7. Irreführend ist die Bezeichnung "Win-dows Vista Installieren". Damit ist nur gemeint, dass die Festplatte formatiert und Windows Vista neu installiert wird.

8. Im Anschluss fragt das System nach der Seriennummer.9. Nun wählst du deine Sprache, und klickst "weiter"!10. Als nächstes drückst du auf "jetzt instal-lieren".11. Nehme die Geschäftsbedingung an.12. Wichtig im nächsten Feld: benutzerdefi-nierte (erweiterte) Installation wählen, um in den Formatierungsbereich zu gelangen.13. Daraufhin werden die angelegten Festplatten angezeigt. Du suchst dir die Festplatte/Partition aus, auf der WIN Vista installiert werden soll. 14. Klicke auf "Laufwerkoptionen", um ver-steckte Funktionen sichtbar zu machen.15. Hier wählst du die Funktion „Forma-tieren“ und anschließend bestätigst du mit „o.k.“.16. Jetzt wird die ausgewählte Festplatte formatiert. Das dauert ein wenig.17. WIN VISTA wird nun installiert.

Für den Eigengebrauch handelt es sich hierbei um ein richtig nützliches Handwerk. Solltest du allerdings deine Festplatte ver-kaufen oder entsorgen wollen, reicht diese einfache Formatierung nicht aus. Deine Daten sind nämlich wieder herstellbar. Um deine Privatsphäre zu schützen und deine Festplatte faltenfrei zu bekommen, musst du diese überschreiben. Folgende Hilfspro-gramme helfen dir bei der vollständigen Datenvernichtung: Eraser, CBL Datenshred-der und DBAN.

Mehr Infos zu diesen drei Programmen findest du unter:http://board.bitreactor.to/hard-und-soft-ware/software/555-sicher-wie-beim-ge-heimdienst-festplatten-fachgerecht-l-schen/

Veronika Czerniewicz

Festplatte kaputt! Und nun?

„Veränderung hat mir schon immer Spaß gemacht“, sagt Frank Wildauer. Der Drang, Neues zu erleben, ist treibende Kraft in sei-nem Leben. Deshalb weiß er schon lange, was er nicht will: „Man pflegt die Enkel-kinder, kümmert sich um die Gartenzwerge, macht unnötige Sachen wie Golf spielen und schlägt die Zeit tot – das konnte ich mir einfach nicht vorstellen“, beschreibt der 65-jährige seine Gedanken zum Rentnerleben.So weit will er es gar nicht erst kommen lassen. Deshalb wagt er mit 60 den früh-zeitigen Berufsausstieg, um im direkten Anschluss an der Uni Köln zu studieren. Der Grund dafür ist nicht, dass sein Beruf ihm keinen Spaß gemacht hat. „Für mich war der Absprung aus einem sehr interes-santen Berufsdasein schwierig“, gibt er zu. Allerdings wollte er etwas Neues anfangen, bevor es dafür zu spät ist. Und im Ruhe-stand in einer anderen interessanten Be-schäftigung wieder tätig werden. So sollen Gartenzwerge und Kaffeefahrten gar nicht erst eine Chance bekommen.

Dafür scheinen ihm die Fächer Ethnologie, Geographie und Geschichte, die der Früh-rentner auf Magister studiert, gut geeignet. Die Vielfalt aus Kultur, Sprache und Religion gefallen ihm an seinem Hauptfach Ethnolo-gie besonders.

Frank Wildauer war nach seiner Ausbildung zum mathematisch-technischen Assistenten 31 Jahre bei der Bayer AG tätig. Seine Fächerkombination stellt demnach einen Bruch mit seinen bisherigen Interessen dar. „Gerade das war für mich das Reizvolle“, sagt der Seniorenstudent. Und er hat diese Wahl auch nach fünf Jahren an der Uni nicht bereut. Zurzeit sind an der Uni Köln um die 500 „ordentlich“ Studierende der Generation

50 plus immatrikuliert. Sie sitzen mit den jungen KommilitonInnen in den gleichen Seminaren, Prüfungen, Lern- und Referats-gruppen. Insgesamt machen sie rund ein Drittel der Seniorenstudenten aus. Alle anderen sind im Rahmen des klas-sischen Seniorenstudiums als Gasthörer an der Uni Köln eingeschrieben. Sie können für einen Gasthörerbeitrag von 100 Euro pro Semester alle Lehrveranstaltungen besuchen.

Prüfungen werden allerdings nicht absol-viert. Für die Senioren gibt es im Rahmen des Gasthörerstudiums eigene Veranstal-tungen und Arbeitskreise. Ein Austausch mit den jungen Studenten findet hier nicht statt. Die Senioren bleiben unter sich.

„Es ist wirklich ein Unterschied zu machen zwischen Gasthörern und denen, die ein Vollzeitstudium machen“ meint auch Frank Wildauer. Man arbeitet bei der gemein-samen Referats- und Prüfungsvorbereitung intensiver zusammen. Ansprechpartner sind die jungen KommilitonInnen.

Doch auch ohne gemeinsames Vollzeitstudi-um muss der Kontakt nicht auf der Strecke bleiben. Dies beweist das Projekt von Marie Ting, Studentin an der BITS Iserlohn. Sie wollte eine Brücke zwischen Studenten und Senioren schlagen. Deshalb hat sie an ihrer Hochschule das Projekt „Horizonte“ ins Leben gerufen. Hier unterrichten Studenten in ihrem Fachgebiet interessierte Senioren. Im letzten Wintersemester wurden ein Me-dien- und ein Internetkurs angeboten. Ziel des Seminars ist es, die Senioren langsam mit dem Internet vertraut zu machen. Im Medienkurs gehören sowohl die deutsche Medienlandschaft als auch eigene Beiträge am Mikrofon zum Kursinhalt.

Insgesamt 60 ältere Menschen nahmen am Angebot von „Horizonte“ teil. „Die Seni-oren waren interessiert und dankbar“, sagt die 22-jährige Projektleiterin rückblickend zufrieden.

Die Beteiligung der Studenten an den einwöchentlichen Kursen war freiwillig und unentgeltlich. Dennoch waren 20 Studenten begeistert dabei. Schließlich profitieren Jung und Alt vom wechselseitigen Lerneffekt. Nicht nur Projektleiterin Marie Ting wünscht sich eine Fortsetzung im nächsten Semes-ter. „Ihr kollegiales Verhältnis zu uns und auch untereinander sowie ihr Freizeiteinsatz haben mich stark beeindruckt“, schreibt ein Kursteilnehmer im Gästebuch auf der "Horizonte" Homepage.

„Ich habe das Gefühl, das ist ein richtig gutes Miteinander“, meint auch Frank Wildauer über das Treffen der Generati-onen an der Hochschule. Seine Studienzeit ist nicht zuletzt deshalb für ihn „eine sehr bereichernde Phase“. Und schließlich macht gemeinsam Lernen mehr Spaß als Kaffee-fahrten und Gartenzwerge.

Ivanka Klein

Zu alt fürs Studium – oder zu jung

für den Ruhestand?

Über das Altenstudium sind gerade die jungen

Studenten geteilter und nicht immer positiver

Meinung. Ein Senior und eine Studentin bewei-

sen, dass der Austausch zwischen den Genera-

tionen an der Uni gut funktionieren kann.

Student mit Seniorin beim Internetkurs

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13LebensEcht12 LebensEcht

Der Sommer geht vorbei und für viele Menschen mit ihm auch die Begeisterung für den Partner des letzten Sommerflirts. Doch was tun, wenn mit den langen lauen Sommernächten und den heißen Stunden auf Balkon oder Dachterrasse auch die Lust auf den Flirt der letzten Monate vergeht? Besteht die mit Endorphinen aufgepumpte Sommerliebe den nahenden Herbst und Winter mitsamt dem Schlecht-wetter-Blues? Vergeht die anfängliche Euphorie oder ist es doch die wahre Lie-be? In den meisten Fällen ist sie es nicht. Mit dem schönen Wetter verschwindet auch die zentimeterdicke rosarote Brille und man sieht (endlich) wieder klar. So sind kleine Schwächen wie Vergesslich-keit „Ach Schatzi, sorry, ich hab schon wieder vergessen dich anzurufen – ich bin einfach ein bisschen verpeilt!“ nicht länger süß, sondern rauben einem den letzten Nerv. Die anfängliche Eifersucht, über die man sich - sind wir doch alle mal ehrlich - zu Anfang gefreut hat (da man sich so des Interesses seiner zeitweise besseren Hälfte sicher war), erinnert nach und nach viel mehr an Besessenheit und Unzurechnungsfähigkeit…. Zumindest nicht für die Ewigkeit. Was tut man jetzt? Der direkteste und fairste Weg wäre ganz klar der der Wahrheit. Zähne zusammen beißen, raus mit dem Satz: „Mach's gut, schönes Leben noch!“ und zurück auf den Single-Markt – ALLEIN. Und gerade dieses Wort ist es, das einer riesigen Menschenmenge eine Heidenangst ein-jagt. Diese Angst vor der Ungewissheit, die Frage: „Find ich denn jemand Neues wenn ich ihn/sie jetzt schon in die Wüste schicke?“, schafft den Markt für soge-nannte Alibi-Agenturen. Diese Agenturen beschäftigen sich damit, wie man als Kunde nicht nur den jeweiligen Partner, sondern eigentlich jeden Menschen in seinem Umfeld möglichst unbemerkt hinters Licht führt. Das Konzept ist relativ einfach: Möchte man einige Stunden, einen Tag, ein Wochenende oder gar einen ganzen Urlaub ungestört und ohne

das Wissen anderer über das, was man tut, verbringen, tritt die Alibi-Agentur in Aktion. So rechtfertigen Anrufe zu ver-meintlichen Job-Meetings, telefonische oder schriftliche Hotelbestätigungen oder Einladungen zu Wochenend-Kongressen fiktiver Firmen das ungestörte Schäfer-stündchen mit der neuen Liebe. Natürlich muss das Grundgerüst durch den Kunden selbst geschaffen werden, die Feinarbeit bzgl. Glaubwürdigkeit übernimmt dann die Agentur. Ein Beispiel zur Verbesserung des Verständnisses: Man möchte ein Wochenende mit der neuen Flamme im Wellness-Hotel ver-bringen, braucht aber eine Erklärung für die die Partnerin/ der Partner zuhause. Zunächst erzählt man beiläufig von einem Workshop der Firma, der in den nächsten Wochen stattfinden soll. Wie zufällig erhält man dann eine schriftliche Einladung zu diesem vermeintlichen Arbeitstermin. So weit so gut….um auf Nummer sicher zu gehen, macht die Alibi-Agentur Anrufe, taktisch klug gerade dann, wenn der eigentliche Kunde zwar nicht – der zu betrügende Partner aber schon daheim) ist, in denen noch einmal eine Buchungs-bestätigung für das Job-Wochenende ge-geben wird. Wer sollte da noch zweifeln? Zusätzlich gibt es auf der Internetseite noch entsprechende Seitensprung-Tipps, damit der perfekt organisierte Betrug im Nachhinein nicht durch Lippenstiftflecken am Hemdkragen oder fremden Parfum-Spuren auffliegt. Natürlich möchte ich das Tun dieser Agenturen nicht gutheißen. Es lässt sich darüber streiten, ob diese Art der Dienst-leistung moralisch vertretbar ist, dennoch kann nicht bestritten werden, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt und die verantwortlichen Geschäftsführer ganz klar eine Marktlücke entdeckt haben.

Weitere unmoralische Informationen und Angebote im Netz unter www.alibi-profi.com.

Sylvia Jobi

Fremdgehen – aber richtig

Zunächst lassen sich drei große Gebiete unterscheiden: Journalismus, PR/Öffentlich-keitsarbeit und Werbung. Wer sich für Pressearbeit interessiert kann in den PR-Abteilungen großer Konzerne oder in freien PR-Agenturen sein berufliches Glück finden. Hier stehen die Präsentation eines Unternehmens nach Außen und die Kooperation mit anderen Firmen, den Medi-en, Kunden oder öffentlichen Einrichtungen im Vordergrund.

Arbeitet man in der Werbung, dann gehören dieEntwicklung von Werbekonzepten und die Betreuung verschiedener Werbekampa-gnen zu den täglichen Aufgaben.

Und nun, zu der Arbeit als Journalist. Das journalistische Arbeiten findet auf drei groß-en Plattformen statt; es gibt den Radio-, den TV- und den Print-Journalismus. Um einmal als Redakteur in einem dieser Bereiche zu arbeiten, empfiehlt es sich, bereits während der Studienzeit Praktika in entsprechenden Unternehmen zu machen oder als studentische Aushilfe erste Erfah-rungen zu sammeln. Kann man dann nach einigen Jahren entsprechend viel Praxis und einen Studienabschluss im Lebenslauf nachweisen, folgt der nächste Schritt, die Ausbildung zum Redakteur. Dies erfolgt auf klassischem Weg durch ein zweijähriges Volontariat in einer Redaktion. Diese redak-tionelle Ausbildung kann auch durch den Besuch an einer Journalistenschule ersetzt werden. Der in Köln sitzende TV-Sender RTL unterhält seit 2001 die RTL-Journa-

listen-Schule für TV und Multimedia. Hier wird alle zwei Jahre ein 25 Schüler starker Jahrgang aufgenommen. In der 24mona-tigen Ausbildung wird in redaktionellen und technischen Arbeiten ausgebildet. Ein Wechsel zwischen Praktika in TV-Redakti-onen und Theorieblöcken bestimmen den Alltag. Ein Vorteil der RTL-Journalisten-schule ist die Möglichkeit, verschiedene konzerneigene Abteilungen zu besuchen. So gliedert sich die zweijährige Ausbildung wie folgt: Sechs Monate besucht der Schü-ler die Journalistenschule in Köln, 13 1/2 Monate befindet sich der Auszubildende in Redaktionen bei RTL (bundesweit) und 4 1/2 Monate in Wahlstationen.

Kooperationspartner während dieser Ausbil-dung sind die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft, das Adolf-Grimme-Institut und die Graduate School of Journa-lism der Columbia University.

Die 26jährige RTL-Redakteurin Pia Oster-haus hat diese Ausbildung von 2005-2006 absolviert:

Pia, wie würdest du rückblickend deine Ausbildung an der RTL-Journalistenschule beschreiben?Meiner Meinung nach ist diese Journa-listenschule die beste Wahl für jeden, der seine Zukunft im TV-Journalismus sieht. Das Angebot, der Lehrplan und die gebotenen

Möglichkeiten sind einmalig; die Dozenten bestehen aus der ersten Riege der TV-Branche.

Welche Voraussetzungen muss man mit-bringen, um aufgenommen zu werden?Man sollte schon erste Praxiserfahrungen in Form von Praktika oder Nebenjobs gesammelt haben. Zusätzlich sollte man mindestens Englisch beherrschen, Talent für die Sache mitbringen und es wirklich wol-len. Der Rest entscheidet sich dann beim Eignungstest.

Du hast Germanistik studiert und die Abschlussprüfungen mit Ausnahme der Magisterarbeit gemacht. Hast du vor, den Abschluss noch zu vervollständigen?Ja, den Magister-Abschluss möchte ich mit Sicherheit irgendwann nachholen. Wann genau, weiß ich allerdings noch nicht.

Du warst ja noch sehr jung, als du an der RTL-Journalistenschule angefangen hast. Wie hoch war das Durchschnittsalter deiner Mitschüler?Der Altersdurchschnitt liegt bei Mitte/Ende zwanzig. Ich war wirklich eine der jüngsten Teilnehmer.

Wie war das Miteinander unter den Schülern?Wir haben uns gut verstanden, man kann aber nicht von einem Klassenverband wie noch zu Schulzeiten sprechen; das liegt wohl daran, dass wir alle schon älter waren und es um unsere Zukunft ging.

Es war aber trotzdem eine sehr schöne und angenehme Zeit.

Empfiehlst du diese Art der Ausbildung weiter?Auf jeden Fall! Wie schon gesagt, diese Ausbildung ist hundertprozentig auf den Job des TV-Redakteurs zugeschnitten. Meiner Meinung nach ist es das Beste was du machen kannst. Also los, Sylvia!!

Wie sehen die Berufschancen nach dieser Ausbildung aus?Man hat nach diesem Abschluss sehr gute Chancen, teilweise wird man schon während der Schulzeit von Redaktionen angeworben.

Bist du mit deinem Werdegang bisher zufrieden?Hundertprozentig zufrieden. Ich mache jetzt genau den Job, den ich schon immer machen wollte.

Nach diesem Erfahrungsbericht noch einige Informationen zu Bewerbungsverfahren u. Ä. Alle zwei Jahre werden 25 Schüler aufge-nommen. Das nächste Schuljahr beginnt im Frühjahr 2009, das nächste Anmeldeverfah-ren findet 2010 für das Jahr 2011 statt. Für alle Interessierten gibt es weitere Infos zu Lehrplan und Lehrenden im Netz unter www.rtl-journalistenschule.de.

Sylvia Jobi

Gut zu wissen… Wie wird man eigentlich Journalist?

Ein Großteil der Studenten geisteswissenschaftlicher Fächer will sich nach dem Abschluss der Studienzeit

beruflich in Richtung Medien orientieren. Doch wie genau gelangt man in die heiß begehrte Branche und

in welche Richtungen kann man gehen?

Page 8: meins-magazin 3

Playstation… ich dachte nur, du wolltest es vielleicht wiederhaben.“Er überlegt kurz, schüttelt dann aber den Kopf. „Komisch, da kann ich mich gar nicht mehr dran erinnern. Andererseits, so ko-misch ist das gar nicht. Aber nein, lass mal. Geschenkt ist geschenkt.“

Pablo zündet sich eine neue Zigarette an und gibt mir auch eine. Ich will eigentlich aufhören, aber das versuche ich seit zwei Jahren.

Er wird langsam gesprächiger. „Der Typ auf meinem Zimmer, der ist vielleicht ein Vogel. Der redet wie ein Wasserfall, aber

mer neue Ideen, eine besser als die andere. Du wirst nie müde, willst immer weiter feiern. Nichts hält dich auf, alles tanzt nach deiner Pfeife. Und alles passiert, weil du willst, dass es passiert. Du fühlst dich einfach wie Gott persönlich.“ Er drückt die Kippe aus und zündet sich eine neue an.

Danach finden wir irgendwie keinen neuen Gesprächsstoff, und nachdem wir eine Wei-le über das öde Fernsehprogramm gelästert haben, sehe ich verstohlen auf die Uhr und räuspere mich.„Also, ich muss so langsam wieder ge-hen…“„Okay, ja klar, danke, dass du hier warst.“ Er hält mir bereits die Hand hin.„Ich werde dann die Tage mal wieder vorbei-kommen…“„Gern, jederzeit. Brauchst auch nicht vorher Bescheid zu sagen“, er grinst wieder, „Ich geh hier nicht weg. Aber ne, sag trotzdem mal Bescheid, dann kannst du mir Kippen mitbringen.“

Als ich aus dem Krankenhaus komme, ist es schon fast dunkel und ein kalter Wind weht um den Parkplatz. Ich bleibe einen Moment in der Tür stehen und starre in die blinken-den Positionslichter des nahen Hubschrau-ber-Landeplatzes.Ich komme gerade aus der Psychiatrie, in der mein Freund Pablo wegen einer bipo-laren Störung einsitzt. Manisch-depressiv. Seit der zehnten Klasse sind wir befreundet, wir sind auf Konzerte gegangen, haben uns bis in die Morgenstunden betrunken oder nächtelang Counterstrike gezockt. Zehn Jahre später, und ich besuche ihn in der Klapse. Wir hatten viel Spaß in der ganzen Zeit. Aber das ist jetzt kein Spiel mehr. Das ist ernst.

Wie fühl ich mich eigentlich dabei?

Hm.

Wie ein Schwein vor dem Uhrwerk.Wenn ich ehrlich sein soll: Ich bin froh, dass ich da raus bin.

nur mit sich selbst. Reagiert einfach nicht, wenn man ihn anspricht. Außerdem will er nachts immer mit seiner Schwester telefo-nieren, immer zur gleichen Zeit. Ich glaube, der hat gar keine Schwester. Schräg, oder?“ Dem hab ich nichts hinzuzufügen, und zu-cke die Achseln. „Aber den bin ich bald los, der kommt nächste Woche raus. Wenn ich Glück hab, hab ich dann erstmal ein Einzel-zimmer.“ „Wie lange wollen sie dich denn hierbehalten?“„Ist noch nicht ganz raus. Ich muss auf die Medikamente eingestellt werden, wenn die anschlagen, komme ich in eine Reha-Grup-pe.“„Und habt ihr hier auch… also, redest du auch mal mit den Ärzten? Ich meine, weißt du, was dein Problem ist?“ „Die sagen, ich hätte eine bipolare Störung, das hieß früher manisch-depressiv.“ Er spricht es sehr deutlich aus, als müsse er sich an die Betonung gewöhnen.Ich nicke langsam. Thomas hat so was schon erwähnt. Offensichtlich sieht er es in-zwischen ein, was mich erleichtert. Vor zwei Wochen war das anders, da hat er über-haupt nicht zugehört, als wir mit ihm reden wollten. Im Gegenteil, er hat uns ausgelacht, dass wir die Verrückten wären. Am gleichen Abend riefen seine Nachbarn die Polizei, weil er einen Höllenlärm machte, indem er seine Küchengeräte und Computer an den Wänden zertrümmerte. Als die Polizei die Tür aufbrach, war er gerade damit beschäf-tigt, seinen Personalausweis, seinen Füh-rerschein und seine Steuerunterlagen in der Badewanne zu verbrennen.

„Und…wie ist das jetzt? Fühlst du dich im-mer noch so oder bist du inzwischen…ru-higer?“Er starrt gedankenverloren an mir vorbei aus dem Fenster. „Weißt du, was das Problem dabei ist? Ich fange jetzt erst so langsam an zu begreifen, was ich in der letzten Zeit alles getrieben habe und frage mich, was zum Teufel ich mir dabei gedacht habe. Und trotzdem fange ich schon an, das Hoch zu vermissen. Man fühlt sich einfach…super. Ich hab mich nie lebendiger gefühlt.“Ich wollte eigentlich nicht danach fragen, tue es jetzt aber trotzdem. „Wie…wie hat es sich denn angefühlt?“ Er sieht mich an. „Du weißt alles, kannst alles, machst alles. Du hast im-

Text: Christopher Dröge | Artwork: Sara Copray

Das Klinikgelände ist ziemlich weitläufig und unübersichtlich, ich brauche eine ganze Weile um das richtige Gebäude zu finden. Wenigstens kann ich direkt davor parken, da ist reichlich Platz vorhanden. Heute ist offensichtlich keine Stoßzeit was Besuche angeht.Der Aufzug ist kaputt und die Station liegt im fünften. Die Wände im Treppenhaus sind mit bunten Tieren bemalt, die man eher in einer Grundschule vermuten würde. Im fünften Stock ist die Station vom Treppenhaus mit einer Glasfront abgetrennt, neben der Tür ist eine Klingel.Vor zwei Wochen rief mich Thomas an und erzählte mir, dass sie Pablo in die Klapse ge-steckt hätten. Ich weiß noch, wie erleichtert ich darüber war.Ich frage die Schwester nach ihm, sie sagt, er wäre im Fernsehzimmer und zeigt den Gang runter.

Das Fernsehzimmer ist völlig verqualmt, ein paar Tischgruppen stehen herum, an der Wand ein Schrank mit Spielen. Eine Hand-voll Patienten sitzt im Raum, soweit vonei-nander weg wie möglich; bis auf Pablo, der spielt mit einem dürren Kerlchen im Metalli-ca-T-Shirt Karten. Er sieht auf, ich hätte ihn fast nicht erkannt. Seine Haare sind raspel-kurz geschoren und seine Lippe sieht aus, als wäre sie genäht worden.

„Hey, wie geht’s dir?“ sage ich, weil mir nichts Besseres einfällt.

Vor drei Monaten ging es ihm noch blen-dend. Da sind wir einen trinken gegangen, und er hat erzählt, er würde jetzt reinen Tisch machen, seinen Job kündigen und in Portugal eine eigene Firma aufmachen wol-len. Er hätte da schon ein paar Leute an der Hand, die da bei ihm mit einsteigen würden. Soviel Abenteuerlust hätte ich ihm gar nicht zugetraut, aber er schien wirklich bester Laune zu sein. Er war sehr großzügig, gab mir mehrmals einen aus, und ließ sich auch nicht lumpen, in jedem Laden eine Lokalrun-de zu geben. Nach der dritten Kneipe stieg ich aus, er zog noch weiter.

Metallica steht wortlos auf, als er mich sieht und verzieht sich an einen Tisch am Fenster.

Pablo braucht eine Weile um zu antworten.„Hi… wie soll’s mir gehen, wie einem Schwein vor dem Uhrwerk.“ Er grinst schwach. Seine Stimme klingt fast wieder normal, nur dro-genbedingt ein wenig langsam. Jedenfalls ist dieser hektische, abgehackte Klang daraus verschwunden, den er in letz-ter Zeit immer hatte. Der ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als er ein paar Tage später bei mir auf der Couch saß, und in jeder Mi-nute zehn neue Ideen hatte, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen würde. Ich saß da und versuchte, zunehmend überfordert, seinen Gedankensprüngen zu folgen, wäh-rend ich mich krampfhaft gegen die Erkennt-nis wehrte, dass da etwas nicht stimmte. Als er erzählte, dass seine Kollegen sein Handy abhören würden, gab ich auf.

„Gut, dass du kommst, es ist sterbenslang-weilig hier. Ich mach den ganzen Tag nichts anderes als zu rauchen und auf Wer-wird-Milionär zu warten. Sind nur Ärsche hier.“ Pablo starrt auf den Aschenbecher in dem seine Zigarette verglimmt. Sein Gesicht sieht seltsam verquollen aus. „Bis auf Roman, mit dem kann man auch mal Karten spielen, das war grade der Roman.“ Er zeigt auf Metal-lica, aber der rührt sich nicht und starrt auf den Fernseher.„Warum haben sie dir die Haare abgeschnit-ten?“„Haben sie nicht. Das war ich selber. Bevor sie mich abgeholt haben. Sind auch schon wieder gewachsen, waren schon mal kür-zer.“ Er fährt sich mit der Hand über die Stoppeln und kratzt an dem Schorf am Hin-terkopf. Er sieht todmüde aus.Vor zwei Monaten hat er sich noch innerhalb von zwei Tagen ein neues Auto ge- und dann wieder verkauft, und das Geld, immerhin fast sechstausend Euro, in den folgenden Wochen komplett verschleudert.

„Und die Lippe, warst du das auch?“„Nein. Das war der Türsteher vom Strip-Laden. Als sie mir da Hausverbot erteilt ha-ben.“

Eine Pause entsteht, als er an der Naht he-rumspielt. Das war nicht das einzige Mal, dass er in letzter Zeit verprügelt worden ist. Ich weiß noch, wie ich vor zwei Mona-

ten wieder mit ihm unterwegs war, und er mit dem Telefon am Ohr und mit Scheinen wedelnd von Kneipe zu Kneipe stürmte, während ich hinter ihm her lief und hoffte, dass er nichts Dummes machte. Trotzdem legte er sich später noch in einer Spielhalle mit jemandem an, der ihm ein Messer unter die Nase hielt.

„Ach übrigens…“, fange ich an und hole das Handy aus der Tasche. „Ich wollte dir das hier zurückgeben.“ Er guckt lange auf das Telefon. „Was ist damit?“ „Das…äh, das hast du mir geschenkt. Vor drei Wochen ungefähr, weißt du noch, da hast du dein ganzes Zeug verschenkt, den Laptop, die

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Der nette Herr aus dem Flugzeug gab Chávez die Schuld an allem. Das Land sei erst durch ihn gespalten worden und insbe-sondere die militärische Aufrüstung und die Milizen würden ihm Sorgen bereiten. Dass diese Polarisierung im politischen Kontext des Landes betrachtet werden muss, bei dem sowohl das Parteiensystem ab den 50er Jahren als auch die wachsende soziale Ungleichheit ab den 80ern entscheidende Faktoren darstellen, welche die extreme aktuelle Polarisierung eingeleitet haben, beachtete er bei seinen Ausführungen nicht. Ebenso ignorierte er, dass sich die soziale Lage im Land in Folge der Wirtschaftskrise verschlechtert hat. Diese wurde ebenfalls in den 80er Jahren durch die Holländische Krankheit sowie durch die Umsetzung der Strukturanpassungsprogramme ausgelöst. Auch als ich ihn gezielt auf diese Problema-tik ansprach, reagierte er abwehrend. Das wäre zwar alles so gewesen, aber trotzdem trüge Chávez allein die Schuld an der an-geblichen aktuellen Wirtschaftskrise und der extremen Polarisierung, die das Land dieser Tage plagten!

Ich verstand diesen Hass besser, als er außerdem berichtete, dass beispielswei-se Bekannte in seinem Umfeld politische Repression erfahren würden. Zum einen beruflich, da einige seiner engsten Ver-trauten in staatlichen, sowie in oficialista (Pro Chávez-) Konzernen abgelehnt worden

Die Entwicklung der venezo-lanischen Demokratie ist ein äußerst komplexes sowie höchst widersprüchliches Phänomen. Auf unserer Studienreise, die 10 Studierende der Universität zu Köln gemeinsam mit Herrn Professor Zeuske für 30 Tage im September 2007 nach Venezuela führte, versuchten wir diesem Widerspruch mit besonderem Fokus auf die aktuellen poli-tischen Entwicklungen unter dem Präsidenten Hugo Chávez Frías etwas näher zu kommen.

Schon im Flieger wurde ich mit den politisch extremen Positionen Venezuelas konfron-tiert. Neben mir saß ein älterer Herr, ein deutscher Großindustrieller, der seit über 40 Jahren einen Chemiekonzern in Venezuela leitet. Er war gegen Chávez und seine Poli-tik, sowie die meisten VenezolanerInnen, die der Oberschicht angehören. Entweder man ist dafür, dann aber mit Herzblut, oder man ist dagegen, dann aber hasserfüllt. Wenn man sucht, findet man außerdem noch die „ni...ni“, die weder das eine noch das ande-re vertreten und deshalb ständig von allen Seiten angegriffen werden.

Auf der Suche nach Demokratie – eine Studienreise durch Venezuela

seien, weil sie bei dem Aberrufungsreferen-dum 2004 mit „Nein“ gestimmt hatten. Zum anderen die Meinungsfreiheit betreffend, denn die Tochter seiner Sekretärin sei bei einer der großen Studierendendemonstra-tionen im Zuge der Schließung des großen privaten Fernsehsenders RCTV Opfer von Polizeigewalt geworden. Insofern man sei-nen Ausführungen glauben schenken kann, waren außerdem vor den Wahllokalen bei den Präsidentschaftswahlen 2006 Militärs mit Kalaschnikows stationiert. Von diesen anti-chavistischen Reden beeindruckt, ver-ließ ich den Flieger und bahnte mir meinen Weg in das Zentrum von Caracas.

Caracas ist eine sehr lebendige, hektische Stadt. Im Zentrum befindet sich – typisch für lateinamerikanische Städte – ein Bus-bahnhof sowie ein großer Markt. Ebenso findet man hier den Plaza Bolívar, der in keiner venezolanischen Stadt und sei sie noch so klein, fehlen darf. Bereits am ersten Tag nach meiner Ankunft geriet ich in ein Meer von Menschen mit roten T-Shirts, die alle zum Plaza Bolívar pilgerten. Die roten T-Shirts symbolisieren in Venezuela die Sym-pathie für Chávez. Dieser stellte die neue Verfassungsreform vor, die im Dezember 2007 gültig werden sollte. Ein wenig verstört aufgrund der Menschenmasse, die aus allen Teilen des Landes zu diesem Event in die Hauptstadt geladen worden waren, sah ich mich plötzlich mit einem riesigen Plakat

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konfrontiert, auf dem in großen Lettern „Patria, socialismo o muerte“ stand. Für das Vaterland und den Sozialismus sollte man nun also sterben? Klar! Für den Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Sollte das die im Wahlprogramm 1998 proklamierte „tercer vía“, also der Mittelweg zwischen Sozialis-mus und Kapitalismus sein?

Während ich über den Plaza Bolívar schlenderte, wurde ich in eine Ausstellung gebeten, die sich mit Polizeigewalt gegen venezolanische Studierende im historischen aber auch im aktuellen Kontext beschäf-tigte. Ein Thema, über das ich mit besagtem Fluggast gesprochen hatte. Aus dieser Dar-stellung ging hervor, dass das Problem der Polizeigewalt gegen Studierende sicherlich noch nicht gelöst, die Übergriffe auf De-monstrantInnen sowie die Zahl der Toten im Gegensatz zur Zeit der paktierten Demokra-tie jedoch deutlich zurückgegangen sei.

Die Studienreise begann einige Tage später. Untergebracht in einem sehr eleganten Hotel, versammelte sich die Kölner Studie-rendengruppe, mit der ich in den nächsten Tagen Tisch, Bett und außergewöhnlich beeindruckende Erfahrungen teilen sollte! Wir hatten uns ein Programm überlegt, in dem wir sowohl oppositionelle Gruppen als auch oficialistas besuchen wollten, um an ihren Erfahrungen teilzuhaben, mit ihnen zu diskutieren und uns, sofern vorhanden, ihre Einrichtungen anzusehen.

Als erstes besuchten wir die deutsche Au-ßenhandelskammer (AHK) in Caracas. Der stellvertretende Vorsitzende der AHK refe-rierte darüber, dass deutsche Unternehmen von den Verstaatlichungsmaßnahmen nicht betroffen wären. Die bloße Tatsache aller-dings, dass Verstaatlichungen hauptsächlich im Agrar- und Energiesektor durchgeführt würden, fördere Kapitalflucht sowie die Furcht vor Neuinvestitionen. Des Weiteren führe die Ungewissheit über die Einhal-tung von Lieferfristen, Rohstoffen, häufige Gesetzesänderungen sowie Enteignungen dazu, dass immer weniger Messen stattfän-den, da die Aussteller durch diese politische Situation eingeschüchtert wären. Sehr pathetisch legte uns der AHK Mitarbeiter die prekäre politische Lage dar, deren Ursache er auf persönliche schicksalhafte Ereignisse in Hugo Chávez’ Leben zurückführte.

Am nächsten Abend trafen wir uns mit einer österreichischen Studierendengruppe, die uns fortan 10 Tage, gemeinsam mit Herrn

Dr. Christian Cwick, einem Gastdozent der Universidad Bolivariana de Venezuela, begleiten sollte. Jetzt waren wir also 22 europäische Studierende in Venezuela. Eine Truppe, die auf der Straße so einige Aufmerksamkeit erregte.

Der folgende Tag führte uns mit der U-Bahn an den Stadtrand, zur Endhaltestelle Pro Patria. Pro Patria ist ein Teil des barrios Catia. 1,5 Millionen Menschen leben hier. Zunächst besuchten wir eine Misión Barrio Adentro, die Teil eines Gesundheitspro-gramms der Regierung Chávez ist und im Jahre 2003 initiiert worden war. Die kuba-nische Ärztin erzählte uns, dass das Modul täglich über 60 PatientInnen an einem Vor-mittag betreue. Unterstützt wird sie bei Ihrer Arbeit von einer Krankenschwester. Damit ist einerseits die Überlastung der Einrich-tung, die von nur einer kubanischen Ärztin sowie einer Krankenschwester betreut wird offensichtlich, aber andererseits auch die Notwendigkeit diese zu installieren. Haupt-sächlich würden hier Infektionskrankheiten sowie Dengue behandelt. Des Weiteren realisiere das Modul Präventivmaßnahmen durch Aufklärungsprogramme, vor allem in den Bereichen Drogen und Dengue.

Danach nahmen wir an einem Consejo Comunal (CC) teil. Dies ist eine Art Nach-barschaftsvereinigung, deren Kern sich in Zusammenarbeit mit einem zuständigen Teil der Bevölkerung des barrios um anfallende Probleme kümmert. Die CC’s bilden somit eine Parallelstruktur zu den alcadías (dt. Bürgermeisterei), nur dass diese, nach eige-nen Aussagen, tatsächlich die Bedürfnisse der AnwohnerInnen befriedigten. Bedürf-niszentriert fänden Vollversammlungen (VV) statt, in denen die Probleme des barrios diskutiert und dann über den jeweiligen Ausbau eines Projekts abgestimmt würde. Die Menschen, mit denen wir sprachen, wirkten sehr enthusiastisch und freuten sich, am politischen Prozess partizipieren zu können. Nur was passiert, wenn die Regierung den Geldhahn zudreht? Welche Einflussmöglichkeiten in der nationalen Politik erhalten sie tatsächlich durch ihre Partizipation, indem sie gezielt ihre Interes-sen artikulieren? Auf diese Fragen konnten auch unsere Gesprächspartner nur mit den Schultern zucken.

Während des Besuchs eines weiteren barrios, das 23 de Enero, lernten wir einen Mann kennen, der uns unmittelbar Zugang zu einem Batallon verschaffen konnte.

Batallone sind militärische Basen, in denen Zivilisten zu Milizen ausgebildet werden. Der Major erläuterte uns, dass Chávez vor ca. einem Jahr eine Kampagne initiiert hatte, bei der die Bewohner der einzelnen Stadtteile für den Fall einer US-amerikanischen Invasi-on im bewaffneten Kampf ausgebildet wür-den. So wären im letzten Jahr ca. 900.000 Menschen im Kampf ausgebildet und mit neuen Waffen, hauptsächlich Kalaschni-kows, ausgestattet worden. Die Gewehre würden, nach Aussage des Majors, in dem Batallon gesichert aufbewahrt, so dass sie nur zu Übungszwecken oder im Ernstfall der dann ausgebildeten Reserve zur Verfügung stünden.

Unsere Reise erreichte einen kleinen Höhe-punkt, als wir im Teatro Municipal die Mög-lichkeit erhielten, den Präsidenten zu sehen. Bei diesem Event wurden junge Doktoran-tInnen, die erfolgreich an einem kubanisch-venezolanischen Kooperationsprogramm teilgenommen hatten, ausgezeichnet. Nach langem Warten kam der Comandante, und obwohl wir ihn nur von unserer Theaterloge aus sahen, bekamen wir eine Eindruck von seinem Charisma. Leider mussten wir noch vor seiner Rede gehen, um unseren Bus nach Ciudad Bolívar zu bekommen.

Nach acht Stunden Busfahrt kletterten wir bei einer unsäglich feuchten Hitze aus dem Nachtbus. Ciudad Bolívar ist eine histo-rische Stadt, in der wir auf den Spuren des Unabhängigkeitskämpfers Simón Bolívars, den Congreso de Angostura besichtigten. Der Ort an dem Bolívar die Unabhängigkeit Venezuelas verkündete. Weiter ging es nach El Callao, wo wir auf den Spuren der mine-ros (dt. Minenarbeiter) wandelten, die sich in dieser südöstlichen Region Venezuelas mit dem Schürfen und Graben nach Gold ihren Lebensunterhalt verdienen. Eine dieser Minen konnten wir besichtigten und ich lernte, dass sich auch die mineros an das 21. Jahrhundert angepasst haben und sich meine verklärte romantische Vorstellung von einem Goldgräber in Realität als bierbäu-chige motorradfahrende Männer entpuppte.

Von El Callao aus fuhren wir noch weiter gen Osten, bis an die Grenze zu Guayana nach San Martín de Turumbang. In diesem kleinen Indigenendorf leben neun verschie-dene Ethnien miteinander. Es ist relativ ab-geschieden von jeglicher Infrastruktur und der Fluss ist die einzige örtliche Wasser-quelle. Das Flusswasser ist allerdings durch Quecksilber und Fäkalien verseucht, da hier

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zur Ablösung des Goldes vom restlichen Gestein, das in sogenannten Goldschiffen aus dem Fluss geschürft wird, Quecksilber benötigt wird, das dann wiederum in den Fluss zurückfließt und diesen verschmutzt. Trinkwasser muss daher extra per Jeep aus der nächsten Stadt geholt werden, die ca. 2,5 h entfernt ist.

Strom kann hier nur aus Generatoren bezogen werden. Da San Martín allerdings Umschlagort für BenzinschmugglerInnen ist, steht wenigstens dieses ausreichend zur Verfügung. Eine Gesundheitsstation ist nur rudimentär vorhanden, so dass die Einwoh-ner bei schweren Verletzungen die unweg-same zweieinhalbstündige Fahrt auf sich nehmen müssen, um ausreichend medizi-nisch versorgt zu werden. In der Regenzeit ist der Weg teilweise nicht passierbar.

Auch in San Martín de Turumbang formieren sich die BewohnerInnen in einem Consejo Comunal, um ihre Bedürfnisse geltend zu machen. So weit abgeschieden von der Hauptstadt haben sie jedoch mit der Reali-sierung ihrer Projekte wenig Erfolg. Sozial-maßnahmen wie die Misión Barrio Adentro können hier nicht umgesetzt werden, da venezolanische Ärzte die Strapazen eines Lebens ohne fließend Wasser und Strom nicht auf sich nehmen wollen und kuba-nische Ärzte diese aufgrund der Grenznähe nicht auf sich nehmen dürfen.

Das englischsprachige Guayana liegt gleich auf der anderen Seite des Flusses. Hier fuhren wir in eine erst vor kurzem entstan-dene Kolonie von Siedlern, die von den Gold und Diamantenvorkommen hergelockt wurden und besuchten eine guayanerischen Bar, in der Reggaemusik lief und Goldschür-fer Bier tranken. Am Rande der Bar saßen leichte Damen. Nach diesem Stück Karibik am Rande Guayanas kehrten wir in einer fünfminütigen Bootsfahrt zurück an das venezolanische Ufer. Dieser Abend war der letzte gemeinsame mit den österreichischen Studierenden. Um noch Musik hören zu können, sammelten wir Geld für Benzin für den Stromgenerator und legten uns dann in unseren Hängematten schlafen.

Zurück in Caracas trafen wir uns mit dem Generalkoordinator einer venezolanischen Menschenrechtsorganisation, dem „Red de Apoyo“. Durch dieses Gespräch lichtete sich der Polizeidschungel. Die Polizei- und Militärpräsenz in Venezuela, insbesondere in Caracas, ist enorm. Alle tragen unterschied-

liche Uniformen, alle heißen anders und alle haben andere Kompetenzen. Als besonders problematisch stellte uns der Generalkoordi-nator, Pablo Fernández Blanco, die Militari-sierung der Polizei dar. Dieser Prozess habe schon vor 30 Jahren begonnen. Als Inbegriff der militarisierten Polizei gelte die guardía nacional, die nun Krieg auf der Straße führe und somit für viele Opfer verantwortlich sei. Zu den Hauptproblemen der Polizei zählten Korruption und Bestechlichkeit, die durch Niedriglöhne gefördert würden. Polizisten verliehen manchmal sogar ihre Waffen gegen Geld, für gezielte Verbrechen in den barrios. Leider würden derzeit Verbrechen zu 95% von Frauen angezeigt obwohl ca. 99% der Opfer Männer seien. Als proble-matisch stellte er auch den Rassismus dar, denn häufig wären junge, dunkelhäutige, arbeitlose Jugendliche die Opfer von Poli-zeigewalt.

Beeindruckt von der Professionalität und der Sachlichkeit, mit der uns der NGO-Vertreter den Sachverhalt und auch die Justizreform darlegte, verließen wir Caracas und machten uns auf in den Westen Venezuelas. Die Anden. Unser Ziel war ein kleines privates Centro Campesino, ein Landwirtschaftszentrum im Staat Mérida, in dem kleinen Ort Mucuchies. Das Land-wirtschaftszentrum „El Convite“ wurde vor 23 Jahren gegründet und betreut rund 500 Bewohner in 5-6 Kooperativen. Neben sozialer Arbeit im Bildungsbereich legt es seinen Schwerpunkt hauptsächlich auf die Unterstützung und Schulung im Bereich

des ökologischen Anbaus. In Mérida sind große, hauptsächlich ausländische Fabriken ansässig, in denen Pestizide für den land-wirtschaftlichen Anbau hergestellt werden. Die Höhenluft stieg einigen von uns zu Kopf, das Atmen fiel schwer und jede Bewegung entpuppte sich als Marathonlauf. Schon am nächsten Tag fuhren wir runter in die Stadt Mérida. Hier löste sich unsere Reisegruppe nun endgültig auf. Eine spannende und abwechslungsreiche Zeit ging zu Ende.

Die Demokratie Venezuelas ist ein äußerst komplexes sowie höchst widersprüchliches Phänomen! Unsere Reise hat uns Einblicke in diese Komplexität ermöglicht und doch bleibt ein Gefühl der Ratlosigkeit zurück. So sehr mich die partizipativen Strukturen, das politische Engagement der Venezola-nerInnen und die Gesundheitsprogramme beeindruckt haben, so sehr haben mich die Militarisierung und die Autorität der Regierung abgeschreckt. Hier stehe ich nun wieder in Deutschland und denke, der Sozialismus des 21. Jahrhunderts hat eine neue ganz eigene Kategorie eines sozial-autoritären und partizipativen Systems geschaffen! Wie man diesen beurteilt, hängt von der persönlichen Einstellung ab, wie man grundlegende Veränderungen und sozi-ale Reformen möglichst schnell und effektiv verwirklichen kann und vor allen Dingen, in welche Richtung er sich weiterentwickeln wird.

Janina Heuser

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der Weg ist das Ziel – Mit dem Zug von Dakar

nach Bamako Wie schon des Öfteren in meinem Leben ereilte mich an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Stunde, ja gar Minu-te ganz plötzlich das dringende Gefühl, etwas ganz Neues erle-ben zu wollen. Ich weiß noch, ich saß gerade in Saint Louis am Senegalfluss und las über die Abenteuer des Mungo Park, als ich bei mir dachte, dass auch ich bald das Innere Afrikas entde-cken würde. Allerdings nicht auf Pferden oder Kamelen, sondern mit dem Zug.

Die Reise beginnt an einem Dienstag. La ilah illa Allah! Der Muezzin hat kaum zum ersten Gebet gerufen, als ich die weißen Türläden meines kleinen Häuschens von außen zuschließe. „Heute ist der Tag, an dem ich ausziehe, Afrika zu entdecken“, sage ich mir, um mir Mut zu machen. Die Vorfreude auf ein bevorstehendes Aben-teuer mischt sich mit dem wohlvertrauten flauen Gefühl im Magen, das bei mir sonst eigentlich immer die Gangway eines Flug-zeugs oder Klausuren ankündigt. Zur Reise entschlossen versuche ich einfach, es zu ignorieren und atme einmal tief ein. Die Luft ist kühl und frisch und noch hängt ein letzter feuchter Nebelschleier auf den roten Zähnen der Bissapblüten. Bald wird er jedoch verschwunden sein, denn schon kündigt sich der Morgen mit Vogelgezwitscher und dem kräftigen Duft von frischgebackenem Brot an. Ich spähe hinüber zur Hütte meines Freundes Lamine. Soeben hat er sein Gebet beendet und kommt lachend herüber zu mir: „Ist es soweit? Pass gut auf Dich auf!“

Von Saint Louis nach DakarDer Gare Routière empfängt seine Reisenden schon in der Frühe mit heftigem Tumult. Auf einem staubigen Platz, der etwa so

groß ist wie ein halbes Fußballfeld, stehen unzählige Autos, eines schrottiger, zerdellter und rostiger als das andere. Ich bin entsetzt und der Anblick dieser, für mein europäisches Auge in wahrlich zweifelhaftem technischen Zustand befindlichen Transportmittel, entlockt meinem schockierten Gemüt einen missmutigen Seufzer. Für einen kurzen Moment denke ich an Umkehr, Flucht, die Sicherheit einer bereits bekannten Umgebung. doch dann übergebe ich mich dem afrikanischen Schicksal.Die Fahrt dauert lang. In Dakar angekommen, muss ich zuerst zur Botschaft. Es ist Dienstag 14 Uhr und der Zug nach Bamako fährt immer mittwochs, das heißt, ich habe keine Zeit zu verlieren. „Die Bearbeitung von Visumsanträgen dauert bei uns mindestens 48 Stunden“, sagt die Dame am Schreibtisch im Visumsbüro und lugt mit hochgezogenen Augenbrauen über die Ränder ihrer dicken Brille. „Und wissen Sie nicht, dass sie dafür morgens kommen müssen?“ Sie macht ein Gesicht, als sei sie die Botschafterin höchstpersönlich. Ihr strenger kühler Blick lässt ahnen, dass man hier nur mit Unterwerfung weiterkommt. Uiuiui. Jetzt heißt es Ruhe bewahren und schmeicheln, wenn ich morgen den Zug kriegen will. Nach eindringli-chem Bitten und Erklären, bekomme ich aber schließlich doch noch den Stempel in den Pass. Uff! Das wäre geschafft.

Wo geht’s zum Bahnhof?Am nächsten Tag fahre ich zum Bahnhof. Der Taxifahrer nimmt einen Umweg. Über Sand-wege und kleine Seitenstraßen lenkt er seine alte Karre durch Wohnviertel, um dem Ver-kehr auf der Straße auszuweichen. Schließlich geht es über eine alte Brücke, die mehrere Schienenpaare überspannt, dann halten wir am Straßenrand neben einem Obststand. „Gare de Hann“, sagt der Taxifahrer. Ich schaue mich verwundert um. Es ist weit und breit kein Bahnhofsgebäude zu sehen. Etwas gereizt frage ich, wo denn hier der Bahnhof sein soll. Ohne Worte deutet der Mann auf die Schienen in Richtung Süden. Da! Jetzt verstehe ich wirklich nur noch Bahnhof, denn alles was ich in knapp 300m Entfernung erspähen kann ist ein Baum, der neben einer alten, von Rost rot gefärbten Eisenbahnbrücke steht. Ich stei-ge aus und folge den anderen Leuten, die, schwer bepackt, dicke Koffer, Plastiktüten und Kinder schleppen. Je näher wir kommen, desto verwunderter werde ich. Unter dem großen

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Laubbaum, direkt neben den Schienen, sitzen Leute und warten. Ich fasse es nicht. Der Baum ist der Bahnhof. Das ist Afrika, verdammt noch mal! Auf einem kleinen Schattenfleckchen lasse ich mich mit samt dem Rucksack in den Sand plumpsen. Geschafft! Jetzt heißt es nur noch warten und irgendwann einstei-gen. Der Zug ist allerdings noch nirgends zu sehen. Egal, hier lässt es sich erstmal aushalten. Und spannend ist es allemal, denn um mich herum sitzen viele knatschbunte Afrikaner, ganze Familien: Dicke Frauen mit rotznäsigen Kindern, klei-ne schlitzohrige Jungs und erwachsene Männer, alte dünne Omas in blumigen Gewändern und schweren Ohrringen in den knopfgroßen Ohrlöchern. Teilweise strecken sie sich auf mitgebrachten Strohmatten aus oder sitzen auf den ausladenden Wurzeln des Baumes und kochen Tee. Einige Händ-ler haben ihre Verkaufsstände aufgebaut und bieten Kokosnüsse, Bananen und kleine Kuchen feil. Da kommt ein Mann mit ca. zwanzig aufeinander gestapelten Schaum-gummimatratzen in neonfarbenen Bezügen, die er auf seiner Schulter balanciert. Eigentlich ist alles da, was man für einen Bahnhof braucht, denke ich bei mir - Schie-nen, Verpflegung, ein kleines Toilettenhäus-chen und Passagiere. Wozu benötigt man schon ein Gleis oder einen Fahrplan, wenn es sowieso nur einen einzigen Zug gibt der noch dazu nur einmal pro Woche fährt? Richtig! Überhaupt nicht!

Im Bamako ExpressMit drei Stunden Verspätung rollt quiet-schend und ächzend ein grüner, ziemlich verrosteter Zug an. Die Lok ist in den senegalesischen Nationalfarben rot, grün und gelb angestrichen und sieht sehr alt und mitgenommen aus. Unter dem Baum wird es unruhig, Frauen schnappen ihre Kinder, Männer wuchten sich Koffer und Säcke voller Lebensmittel auf die Schultern und eilen über die Schienen zu den Waggons. Alles muss mit. Wie alle anderen Reisen-den suche ich erstmal den Wagen, in dem ich meinen Platz habe. Das ist nicht ganz leicht, denn es fehlt jegliche Nummerie-rung. Schließlich zwänge ich mich durch irgendeine Waggontüre und staune über die vielen Dinge, die ein Afrikaner hierzulande so mitschleppt, wenn er mit dem Zug ver-reist. Säcke mit Reis, ganze Mofas, Hühner und Schafe, deren Beine so zusam-mengebunden sind, dass das arme Tierwie ein verschnürtes blökendes Päckchenaussieht.

die weite Steppe hinaus. Zurück an meinem Platz streckt mir mein Sitznachbar Moustafa ein gegrilltes Hähnchen unter die Nase: „Hier, für Dich“, sagt er, „das hab ich Dir von draußen mitgebracht“. Die Großzügigkeit des Teilens, wie ich sie in Afrika erfahre, ist einfach wunderbar.Die Nacht wird vorerst ruhig aber unbe-quem. Draußen herrscht eine unheimliche Dunkelheit, die alles verschluckt. Auf den alten Gleisen der Kolonialzeit fahren wir durch die Sahelsteppe, die Passagiere schlafen friedlich. Da plötzlich ertönt ein Gezeter und Geschrei. Ein Mann wehrt sich gegen den Zugpolizisten, der ihn mit Hilfe zweier anderer Männer durch den Gang des Waggons schleift. Er wehrt sich heftig und wiederholt immer wieder einen Satz: „Ich habe nichts getan, Monsieur, lassen Sie mich los! Ich habe nichts getan, Monsieur!“ Neben mir wacht ein kleines Kind auf und fängt an zu weinen. Die meisten Zuggäste sind aber schon aus dem Schlaf gerissen und beginnen lauthals zu diskutieren, ein Gewusel und Geschnatter beginnt. Im nächsten kleinen Ort, den der Zug passiert, setzt man den Schurken an die Luft. Mitten in der Nacht. Ohne Fragen. Langsam wird es wieder ruhiger und bald falle ich in tiefen Schlaf.Am nächsten Morgen gehe ich ins Restau-rant. Hier gibt es Kaffee und Omelett. Viele Afrikaner haben sich zum Frühstück ver-sammelt, unter Ihnen auch der Zugtechniker

Endlich habe ich meinen Platz gefunden. Ein oller brauner Sitz, dessen spärliche Polster so zerrissen und kaputt sind, dass man mehr spröden Schaumstoff sieht als Lederbezug. In der Mitte des Sitzes klafft ein großes Loch, durch das die Polster-federn zu sehen sind. Das kann ja eine heitere Fahrt werden, denke ich bei mir. Merkwürdigerweise ist der Sitz dann aber doch ganz bequem. Nach ca. einer Stunde sind alle Gepäckstücke verstaut. Die Frauen in meinem Abteil holen bereits ihre Kohle-öfchen heraus, feuern an und beginnen auf dem Gang zu kochen. Die meisten haben Proviant für drei Tage und eine Großfamilie dabei. Wo kein Fuß sich unter den vorderen Sitz ausstreckt, liegt ein Sack Reis, einige Kanister Trinkwasser oder andere Koffer und Taschen. Dann geht es los. Langsam schiebt sich der eiserne Koloss durch die Viertel der dunstigen Großstadt in Richtung Osten. Ich lehne mich zurück und versuche durch die trüben Fensterscheiben Bilder von der Straße draußen zu erhaschen. Ich sehe kleine Jungs, die Fußball spielen und vor Staub ganz gelb im Gesicht sind. Frauen pu-len im Schatten ihrer Hauswände Erdnüsse aus den Schalen, Wäsche flattert an schlaff gespannten Leinen, ein Pferd wiehert. Fas-ziniert von der Andersartigkeit dieser afrika-nischen Welt, fahren wir in die Dämmerung. Ich habe den Reiserucksack auf den Knien, meine Hände und Füße schwitzen und sind ganz schmutzig von Dreck und Staub. In den nächsten drei Tagen, denn so lange dauert die Reise, werde ich wohl nicht mehr dazu kommen, sie zu waschen.Kaum zwei Stunden nach Abfahrt, hält der Zug im ersten Bahnhof auf dem Land. Sofort springen Passagiere aus den Abteilen und versammeln sich draußen auf dem Bahn-hofsvorplatz zum Gebet. Die Leute aus dem Dorf wissen, dass der Zug heute hier durch kommt und haben daher kleine Marktstände aufgebaut, an denen sie Melonen, afrika-nische Reisgerichte, Hühnchen, Maisbrot und Wasser feilbieten. Begeistert und erfreut über diese unverhoffte kleine Pause, steige auch ich aus und umwandere den Zug. Ganz vorne entdecke ich das „Bord“-Re-staurant und darin zwei andere Rucksack-reisende. Geoff aus Australien und Arthur aus Tirol. In den nächsten Stunden werden wir uns noch oft über den Weg laufen. Schließlich wird es noch eine Weile dauern, bis wir in Bamako ankommen. Plötzlich stößt die Lok einen schrillen Pfeifton aus und der Zug setzt sich langsam wieder in Bewegung. Wer noch nicht „an Bord“ ist, springt schnell auf, dann rollen wir wieder in

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FernSicht

Mady. Er erzählt mir, dass der Zug früher einmal besser in Schuss gewesen sei, bis das Bahnunternehmen privatisiert wurde. Heute gibt es nicht nur weniger Bahnhöfe, die auf der Strecke angefahren werden, sondern auch weniger Fahrten. Wartungs-arbeiten werden auch nur selten durchge-führt, daher passiert es manchmal, dass ein Waggon entgleist und dann dauert es lange, bis die Fahrt weitergehen kann. Ich frage Mady, wann wir denn ungefähr in Bamako ankommen werden. „Das kann ich Dir nicht sagen, meine Kleine“, erwidert er, „wenn Allah will, vielleicht morgen Abend.“ Am Nachmittag sitze ich bei Geoff und Arthur. Wir unterhalten uns über das Reisen in Westafrika, schauen aus dem Fenster, sehen weite Steppe, und spitze hohe Termi-tenhügel aus roter Erde an uns vorüberzie-hen und freuen uns auf neue Eindrücke in einem fremden Land. Es ist ein Uhr morgens, als wir die Grenze zu Mali passieren. Der Zug fährt über eine Brücke, der Grenzfluss reißend unter uns. Ein trockener brennender Baum erhellt spär-

lich den Platz, an dem der Stahlkoloss äch-zend und quietschend zum Stehen kommt. Grenzbeamte steigen ein und machen einen furchtbaren Lärm. Sie sind nicht sehr freundlich und nehmen allen Passagieren, die nicht aus Senegal oder Mali kommen, ihre Pässe ab. „Kommen Sie in einer hal-ben Stunde ins vorderste Abteil des Zuges, dann geben wir Ihnen den Pass zurück“, meint ein stämmiger großer Mann, dessen Augen gleichgültig an mir vorbeischauen. Entrüstet muss ich mich fügen. Müde und fluchend bahne ich mir nach einer Weile den Weg durch die Waggons in die vordere Hälfte des Zuges. Geoff und Arthur mit mir. Es ist gar nicht so leicht bei Dunkelheit über die ganzen Koffer, Wasserkanister, Stövchen und schlafenden Afrikaner zu klettern, ohne Lärm zu machen oder ab und zu hinzufallen. Schließlich erreichen wir jedoch das Abteil, wo man uns gegen ein Entgelt von umge-rechnet 2 Euro einen Stempel in den Pass und daraufhin das Dokument zurückgibt. Erleichtert kehre ich an meinen Platz zurück und falle in seligen Schlummer.

Die AnkunftDer nächste Tag bricht an und die Sonne gießt ein gleißend helles Licht über die staubigen Felder und dornigen Büsche der weiten malischen Steppe aus, die so flach ist, wie das Meer. Hier und da tauchen Lehmhütten mit spitzen Strohdächern auf, die bunt gekleideten Menschen winken uns im Vorbeifahren herzlich lachend zu, Kinder laufen hinter den Zugwaggons her, rufen et-was in einer mir unverständlichen Sprache, wahrscheinlich auf Bambara. Jetzt wird es nicht mehr lange dauern, bis wir ankom-men, denke ich bei mir und freue mich auf eine Dusche. Seit über 40 Stunden habe ich kein Wasser mehr auf meiner Haut gespürt. Bis wir die ersten Ausläufer der Haupt-stadt Bamako durchqueren, ist die Sonne allerdings schon wieder hinter dem Horizont verschwunden. Die letzten Stunden sind eintönig und wie im Fluge vergangen. Nach fast drei Tagen Fahrt hole ich meinen Ruck-sack von der Gepäckablage herunter. Noch steht der Zug nicht, da reißen schon die ersten Leute Reis- und Zwiebelsäcke aus den offenen Waggongtüren, die Passagiere ziehen an ihren Gepäckstücken, Kinder fangen an zu schreien, Leute springen von draußen auf und rennen durch die Gänge. Es ist dunkel, als die Wagen keuchend im Bahnhof zum Stehen kommen. Sofort bricht Chaos aus. Alles zerrt, drückt, reißt, zetert. Jeder will der Erste sein. Geschubst und geschoben wird man. Ich zwänge mich neben gefühlten zwanzig Afrikanern durch die Türöffnung ins Freie, es ist dunkel, es ist laut und unübersichtlich. Wo muss ich hin? Wo geht’s hier von den Gleisen runter? Zwischen zwei Güterzügen eingepfercht, steht der Bamako-Express und dampft noch von der Anstrengung der langen Reise. In zwei Tagen wird er zurück nach Dakar fahren. Dann werde ich aber nicht dabei sein. In diesem Moment greift eine Hand nach mir. „Bist Du Eva?“ Ich schaue auf und sehe in das lachende Gesicht eines jungen Afrikaners. „Ich bin Mohammet Sissoko. Mein Vater hat mir gesagt, dass Du kommst. Herzlich Willkommen in Mali!“ Es ist der Sohn meines Freundes aus dem Senegal. Ich grinse ihn an und begrüße ihn herzlich. Erleichtert und voller Vorfreude auf die kom-menden Wochen in einer geheimnisvollen Welt, gehe ich mit ihm gemeinsam über die Schienen zur einzigen Laterne, die den Bahnhofsplatz fahl beleuchtet. Dort wartet unser Taxi.

Eva Helm

Thema: Die Welt in Köln

Grenzgang – mit dem Kopf unterwegs

Wem ist es nicht schon oft so gegangen? Der Regen prasselt gegen die Fensterschei-ben, der Tag ist grau und kühl und man sehnt sich nach Reisen in ferne Länder, zu fremden Kulturen, nach Abenteuern und wunderbaren Erlebnissen, die man nie wieder vergisst.Dem Globetrotter kommt da zuweilen die Idee, sich auch in seinem Heimatort an andere Plätze der Welt zu begeben, zwar nicht mit dem Körper, aber zumindest mit dem Kopf und den Sinnen.

„Mit dem Kopf unterwegs“ lautet auch der Slogan von Grenzgang, dem Forum für Reisen, Kultur und Medien. Seit nun bereits 5 Jahren sind dynamische Weltenbummler am Werk und organisieren jeweils von Oktober bis Mai in Köln, Düsseldorf und Aachen Themenabende zu den unterschiedlichsten Ländern dieser Welt. Journalisten und Fotografen berichten live, spannend und unterhaltsam auf großer Leinwand von ihren Abenteuern und Begegnungen in anderen Ländern, von Menschen, Riten, Traditionen.

Zu jedem Themenabend wird eine kulinarische Köstlichkeit aus der Region des jewei-ligen Reiselandes angeboten. Befreundete Musiker tragen mit Live-Musik, Tanz und Kunst zu der besonderen Stimmung bei, einer warmen, herzlichen Stimmung, die manchmal auch fast geheimnisvoll ist. Wilde Tänzer Westafrikas, fern klingende Panflö-ten, Geigenspieler aus der Mongolei und Gitarren aus Mexiko.

Mitreisen lohnt sich! Eintrittskarten und weitere Infos unter www.grenzgang.de

Eva Helm

FernSicht

aber in einer Kulisse. Diese Stadt taucht wie keine andere immer wieder in Filmen aller Genres auf und hat in den Köpfen aller Ki-nogänger wahrscheinlich längst eine zweite Existenzform angenommen. Die Realitäts-version, die ich jetzt zu sehen bekomme, ist gar nicht mal so schlecht gemacht! Sie ist sogar manchmal wunderschön. Ich MUSS unbedingt in der Dämmerung auf die Aus-sichtsterrasse des Empire State Buildings. Das Kulissengefühl nimmt überhand, als der Himmel sich langsam dunkelblau färbt und unten nach und nach die Lichter der Stadt angehen. Ich bin hin und weg, weil es so verdammt kitschig ist.

Essen gehen in New York: Sobald der letzte Happen vom Teller ist, kommt der Kellner und fragt, ob er die Nachtischkarte bringen darf. Zunächst fühlt man sich angenehm umsorgt, doch als er nach fünf Minuten mit der Rechnung erscheint und lächelnd behauptet: „Take your time!“, ist klar, dass man hier entweder isst oder aufsteht und geht. Diese Stadt ist wirklich schnelllebig.

Entgegen meinen Erwartungen gibt es in Manhattan auch wohnliche Gegenden. Ich würde manche Straßenzüge sogar als rich-tig gemütlich bezeichnen, obwohl es dieses Wort bekanntlich ja nur im Deutschen gibt. Rund um die N.Y. University in Greenwich Village ist zum Beispiel so eine Ecke. Vor den Bars und Cafés sitzen hier abends viele Leute entspannt zusammen. In einem Café gibt es statt Tischen Schachspielbretter, die von allen eifrig benutzt werden. Aber auch die Wolkenkratzer, deren Dimensionen man nicht richtig erfassen kann, strahlen für mich eine gewisse Ruhe aus. Neben ihnen wirkt alles andere so klein, dass es nicht wert scheint, sich sonderlich darüber aufzuregen. Mit der Nase in der Luft gehe ich gelassen durch die Straßen in New York.

Johanna Regenhard

Einreisekontrolle am Flughafen in New York. Ich habe tatsäch-lich Angst, dass sie mich jetzt nicht rein lassen. Mir stehen das obligatorische Foto und der Fin-gerabdruck bevor. Ok, an dieser Stelle sind wohl keine dummen Witze à la „Mein Geburtsland? Afghanistan!“ angesagt. Der Beamte, der mich fotografiert und ausfragt, ist ungefähr so alt wie ich. Er versucht mit mir zu flirten, das macht die ganze Situation noch absurder. Ich bin froh, als ich endlich durch bin und dieser Spuk vorbei ist.

Es gibt guten Kaffee in New York, der wegen des Jetlags in den ersten Tagen mein Le-benselixier ist. Man kann ihn in Unmengen von Filialen einer großen Kette bekommen, die auch in Europa überall Meerjungfrauen lächeln lässt, in New York aber wirklich in-flationär an jeder Straßenecke auftaucht. Als Alternative gibt es auch viele süße Cafés (in NYC-Sprache: Delis), in denen man leckeren Kaffee in allen Varianten und kleine Snacks bekommt. An meinem dritten Tag in der Stadt sitze ich gerade total lässig in eben so einem Deli und versuche so zu tun, als sei ich hier aufgewachsen. Ein Mann fragt mich nach der nächsten U-Bahnstation. Tatsächlich weiß ich den Weg und kriege es zusätzlich zu diesem Erfolgserlebnis noch hin, mein Gegenüber daran teilhaben zu las-sen. Möglichst knapp, weil, hey, New Yorker haben nie viel Zeit! Cool, ich beschließe, für heute New Yorkerin zu sein.

Die ganze Zeit über werde ich das Gefühl nicht los, in einer Filmkulisse rumzulaufen. In einer ziemlich teuren und aufwendigen,

Eine kleine AuswahlNew Yorker Geschichten Im Herzen von Brüssel, gleich

neben dem alten Tramdepot und den etwas zu lauten und zumeist überbevölkerten Kneipen am „Roi de Belge“, befindet sich in einer ruhigen Seitenstraße ein lauschig stilvolles Plätzchen, an dem es sich lohnt zu verweilen - das „Fin de Siècle“.

Hier herrscht wahrlich eine besondere At-mosphäre: alte Holztische vor der dezenten Jugendstilfassade des Hauses Nr. 9 in der Rue Chartreux laden Vorbeischlendernde zu einem Päuschen, einem Plausch oder einer Blanche, der belgischen Entsprechung für Kölsch, ein. Man setzt sich hin und schaut. Das Publikum ist bunt gemischt und wer zu den Menschen zählt, die in Straßencafés im-mer auf der dem Treiben zugewandten Seite Platz nehmen, der ist hier genau richtig. Ein alter Herr mit Fliege und löchriger schwarzer Melone auf dem Kopf liest einen zerfled-derten Asterix-Comic, zwei dünne Damen sitzen am Nebentisch, schlürfen Kriek, das berühmte belgische Kirschbier, und führen sich gegenseitig ihre Einkäufe vor. Ich bin mit meiner spanischen Freundin Sara da und genieße die letzten Septembersonnen-strahlen. Es ist angenehm entspannend, dieses ruhige Beisammensein. Aus der alten Musikanlage tönt knisternd die Stimme des Jacques Brel, sie singt „Ne me quittes pas“. Mit Blick auf zeitgenössische Malerei an den gelb getünchten Wänden tauchen wir bei einem Aperitif ins schummrig warme Licht ein, fühlen uns bald wie Künstler und Lite-raten im 19. Jahrhundert. Auch den Kellnern scheint es an ihrem Arbeitsplatz zu gefallen und das lassen sie ihre Gäste freundlich spüren. Sie tragen fein angerichtete Speisen durch die hölzerne Schwingtüre zu den Tischen. Ein paar Kleinigkeiten sollte der geneigte Besucher des „Fin de Siècle“ jedoch beachten. Wer auf runde Preise (der belgische Franc wurde 2001 genau in Euro umgerechnet), Coca Cola Produkte oder „visuelle Bezahlung“ mit Bankkarte Wert legt, muss sich wohl den Vorstellungen der Betreiber anpassen. Warum? Ausprobieren!

Eva Helm

Am Ende des Jahrhun-derts trinkt man Blanche für 1.73 Euro

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mittags wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt war, fiel ihr Blick auf Karls Foto, das an ihrer Pinnwand heftete. Tiefe Traurigkeit überkam sie und sie fing an zu weinen. Auf einmal wuchs aus ihrem Teppich Gras, es wuchs so schnell, dass innerhalb von Minuten eine Wiese den Boden ihres Zimmers bedeckte. Coco zog ihre Schuhe aus und fühlte an ihren Fußsohlen das Kitzeln der einzelnen Grashalme. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und ging über die Wiese. Sie spürte die Kälte der Erde und die Käfer, Spinnen und Würmer. Coco wurde schlecht, sie suchte ihren Schreibtischstuhl, konnte ihn aber nicht finden. Sie ging in die Knie, beugte sich nach vorne über und erbrach sich in das Gras. Überall an ihrem Körper krabbelten jetzt die Insekten und sie schüttelte sich, um sie loszuwerden. Kurz musste sie an eine Kuh auf der Weide denken, die versucht, die Fliegen zu vertreiben, die sich von ihrem Mist ernähren. Der beißende Geruch ihres Erbrochenen vermischte sich mit dem von Sperma. Coco wurde schwarz vor Augen, sie sank in sich zusammen und wurde ohnmächtig.

Karl merkte, wie die Erde um ihn herum noch feuchter wurde und alle versuchten Richtung Oberfläche zu kriechen. Er schaffte es, an den anderen vorbei, sich nach oben zu drängen. Doch er hatte Angst, dass die Amseln ihn fressen würden. Außerdem stank es erbärmlich. Der angenehm erdige Geruch war getrübt durch eine scharfe Säure, die Karl nicht zuordnen konnte. Durch diese Sinneswahrnehmungen verwirrt, vergaß er seine Furcht vor den spitzen Schnäbeln der Vögel. Erst als er einen Schatten über sich wahrnahm und das Schlagen der Vogelflügel hörte, verkroch er sich wieder. Auf seiner Flucht erinnerte er sich an Coco. Seine Erinnerung an sie ängstigte ihn mehr als das Geschrei der Amseln über ihm. Karl hatte ihren fremden Blick vor Augen, als er ihr die Tür geöffnet hatte. Er schlängelte sich wieder tiefer in die Erde, um das Bild an der Tür loszuwerden. Langsam wich seine Angst von ihm und er sah sie aufs Neue, sie schien kleiner, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Ihre Haare waren jetzt nicht mehr dunkelbraun, sondern blond und ihre braunen Augen hatten sich blau

gefärbt. Er hatte das Verlangen sie zu streicheln, doch er hatte keine Arme und er konnte nicht auf sie zugehen, um sie küssen, weil die Kälte ihn unbeweglich gemacht hatte. Auf einmal hörte er von Weitem eine Klingel schellen. Blut schoss in Karls Adern, sein ganzer Körper pulsierte. Ihm wurde wieder warm. Mit hektischen Bewegungen rollte er sich auseinander, seine Gliedmaßen begannen zu zucken und er fühlte, dass er seine Muskelkraft wieder erlangte. Karl drückte sich entschlossen an die Oberfläche, er roch das Gras, jetzt hatten sich auch die Vögel verzogen. Wahrscheinlich hatte sie das laute Geschrei der Klingel vertrieben. Er setzte sich kurz auf die Wiese, um sich wieder an die Helligkeit zu gewöhnen. Dann schüttelte er die Erde von sich und ging zur Tür.

Kathrin Mohr

Die WieseCoco küsste ihn flüchtig auf die Wange und huschte an Karl vorbei in die Wohnung. Er hielt ihr noch die Türe auf, als sie schon längst an ihm vorbei war, ohne ihn anzuschauen. Er schauderte und stand wie angewurzelt im Wohnungsflur. Seine Hände schwitzten. Erst nach einigen Augenblicken ließ er die Tür ins Schloss fallen. Mit trägen Bewegungen ging er in sein Zimmer, wo Coco schon auf dem Bett lag, mit einem Buch in der Hand. „Wie war dein Wochenende?“, fragte er tonlos. „Gut, aber ich bin müde und fühle mich nicht so“, antwortete sie, drehte ihm den Rücken zu und fing an ihr Buch zu lesen. Karl setzte sich, seine Beine waren schlaff. Er schaute an die Decke. Nach einigen Sekunden hatte sich über ihm eine Wiese ausgebreitet. Gänseblümchen und Klatschmohn wuchsen in Sekundenschnelle. Schmetterlinge und Käfer flatterten herum. Plötzlich hörte er Vogelgezwitscher, zwei Amseln pickten nach Regenwürmern. Karl krümmte sich, ihm wurde kalt. Die Amseln waren größer als er und versuchten, nach ihm zu picken. Er verschwand im weichen, feuchten

Erdboden. Wo war Coco? Die Dunkelheit beruhigte ihn. Je tiefer er in die Erde hineinkroch, desto wohler wurde ihm, alles um ihn herum bewegte sich. Er spürte das Leben um sich herum, hörte Knirschen, Kauen, Kraxeln und ab und zu aus weiter Ferne ein dumpfes Beben. Vielleicht waren es Schritte. Karl rollte sich zwischen zwei Kieseln zusammen und wollte schlafen. Doch die Geräusche um ihn herum störten ihn. Sie wurden immer lauter und lauter. Er kroch wieder zwischen den Kieseln hervor und machte sich auf die Suche nach Coco.

Coco versuchte zu lesen, aber sie starrte, seit sie auf Karls Bett lag, nur auf die Seiten, ohne deren Inhalt wahrzunehmen. Sie schämte sich, denn sie hatte die letzte Nacht bei dem Franzosen verbracht, den sie von früher kannte. Sie hatte Karl nicht in die Augen gucken können, als sie ihm an der Tür gegenüber stand. Gestern war noch alles in Ordnung, als sie sich verabschiedet hatten. Karl war auf einen Geburtstag gegangen und sie wollte zu ihren Eltern nach Hause

fahren. Doch als sie ihre Tasche gepackt hatte und im Begriff war zu gehen, hatte sie plötzlich ein Ziehen in der Brust gespürt. Sie saß an ihrem Schreibtisch, den Computer hatte sie schon heruntergefahren, und fühlte sich einsam. Coco nahm ihr Handy und ging die gespeicherten Telefonnummern ihrer Freunde durch. Wen könnte sie anrufen? Sie blieb bei der Nummer des Franzosen hängen, mit dem sie eine kurze Affäre gehabt hatte, bevor sie sich in Karl verliebt hatte. Ihr Herz pochte. Karl würde erst morgen wiederkommen. Sie schrieb eine Kurzmitteilung an den Franzosen, ob er nicht Lust hätte, sie heute mal wieder zu treffen? Einige Minuten später die Antwort: „Ja, gerne. Um neun Uhr in der Bar um die Ecke?“ Er wohnte im selben Viertel wie Coco. Erleichtert und aufgedreht rief sie bei ihren Eltern an und sagte ihnen, dass sie doch zu Hause bliebe, weil sie etwas für den Job fertig machen müsse. Sie dachte nicht an Karl, sie fühlte sich lebendig. Schnell ging sie duschen und machte sich dann auf den Weg zu ihrem Treffen.Am nächsten Tag, nachdem sie erst

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KörperKultur

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Der 30-jährige Alex Pach empfängt mich mit den Worten: „Ach, ich dachte, du kommst gar nicht mehr!“ Dabei bin ich zur abgemachten Zeit am „Move Artistic Dome“, gegenüber des „Energy Dome“ des Kölner Basketball-Teams 99ers. Trotzdem, ein ruhiger und fester Händedruck folgt der Begrüßung. Alex, der wirkt, als sei er gerade auf dem Sprung, ist im Gespräch konzen-triert und wach bei der Sache. Man merkt seinen Worten an, dass er nicht nur Sportler und Trainer, sondern auch ganz Geschäfts-profi ist. Er und sein Kompagnon Marc Patrick Dressen, beide ehemalige Studenten der Sporthochschule Köln, haben vor einiger Zeit eine GbR gegründet - zum einen bieten sie ihr eigenes Talent zu Show- und Werbe-zwecken größeren Firmen an, zum anderen betreiben sie eine „Move Artistic“ Schule, in der sie allen an Parkour, Freerunning und Artistik Interessierten das nötige Know-how beibringen.

Parkour als Lebensphilosophie

Die Sportart Parkour wurde von dem Franzosen David Belle in den Pariser Ban-lieues gegründet; sie dient dazu, laufend in einer urbanen Umgebung von A nach B zu kommen, dabei sämtliche Hindernisse zu überwinden und diese in den „Run“ einzu-bauen. Belle nutzte Parkour vorerst, um die kürzesten Wege effizient zu meistern, um beispielsweise vor Banden zu fliehen oder

aber auch, um Rettung für eine verletzte Person zu holen. Er orientierte sich dabei an der „Méthode Naturelle“, die die Kunst der Bewegung durch die Landschaft mit ihren natürlichen Hindernissen vermittelt. Diese erlernte Belle von seinem Vater, einem ehemaligen Vietnam-Soldaten. Der Franzose adaptierte sie auf seine eigene Umgebung und kreierte damit eine neue Sportart, mit der eine ganze Lebensphilosophie ein-hergeht. Wie auch Pach bestätigt, stehen beim Parkour das Ausloten der eigenen phy-sischen und der durch die Umwelt gesetzten Grenzen im Vordergrund. Außerdem wird durch den Sport eine besondere Achtung vor der eigenen Umwelt vermittelt; der „Traceur“, der Läufer, ist auf sie angewiesen und soll, auch wenn er ungewöhnliche Wege beschreitet, darauf achten, sie zu schützen. Die gleiche Achtung und Toleranz ist den Mitmenschen entgegen zu bringen. Und es gilt immer das Motto: „Safety first“. Das Einschätzen des eigenen Könnens ist enorm wichtig, weil sonst ein „gap jump“ von einem Hausdach zum nächsten zum Lebensrisiko werden kann.

Die Grenzen sind fließend

Alex Pach, der ursprünglich Leistungsturner war, erklärt: „Die Grenzen des Parkours sind fließend.“ Er lehrt, zusammen mit seinem Partner Dressen und einigen von ihnen ausgebildeten Trainern, an ihren

Le Parkour oder wie komme ich am schnellsten von der Südstadt in die Uni?

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Kölner Schulen auch „Freerunning“. Das funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie Parkour, beinhaltet aber mehr Akrobatik- und Showelemente. Somit ist Freerunning oft auch kreativer, spielerischer und weniger dogmatisch als der klassische Parkour. Bekannt geworden sind die beiden sehr ähnlichen Laufsportarten bei der breiten Masse durch die Eingangsszene des Bond-Streifens „Casino Royale“, in dem sich einer der Mitbegründer des Sports, Sébastien Foucan, mit Bond eine spektakuläre Ver-folgungsjagd liefert. Auch in der MTV-Welt machte Parkour durch die beiden Madonna Videos „Hung up“ und „Jump“ Furore.

Bisher nur ein Nischenprodukt?

Doch trotz des weltweit gewonnenen Ruhmes betont Pach, dass Parkour und Freerunning bisher Nischenprodukte seien, die man aber versuche mittelfristig zu etablieren. Dressen und Pach wenden sich vor allem an die Jugend mit ihrem Konzept der "Move Artistic", gehen an Schulen, bi-eten Workshops und Arbeitsgemeinschaften an. Auch im Hochschulsport sind die beiden als Trainer aktiv, wenn man eine gewisse Grundfitness mitbringt, kann jeder Student die ersten Schritte lernen, um vielleicht in Zukunft pünktlich im Hörsaal zu sitzen. Doch draußen wird erstmal nicht trainiert, die ersten „Moves“ werden auf dem weichen Hallenboden geübt, „denn die Verletzungs-

gefahr für Anfänger ist einfach zu groß“, mahnt der Trainer. Auch die Jungs, die während des Interviews im "Move Artistic Dome", fleißig weiter train-ieren, tun dies auf dicken Matten. Gegen-seitig geben sie sich bei Flickflacks und Salti Hilfestellung - bis sie Dächer, Bänke und Zäune mühelos überwinden können, ist es noch ein weiter Weg. Ein paar von ihnen ve-rabschieden sich, schlagen mit ihrem Trainer ein: „Ciao, Alex, bis zum nächsten Mal!“ Sie sehen erschöpft, aber zufrieden aus. Trotzdem sieht man ihnen an, dass Parkour mehr hartes Training als spektakuläre Show bedeutet.

Kathrin Mohr

Web

Dressen & Pach GbR: www.move-artistic.de

Deutsche Parkour Association: www.blog.myparkour.com

David Belle: www.sportmediaconcept.com

Pilates Fitness für Körper, Seele und Geist

Die Sport- und Showbranche hat es schon vor Jahrzehnten erobert, nun rückt die Allgemeinheit

im Zuge der steigenden Popularität von „Body-and-Soul-Übungen“ nach. Die Rede ist von Pilates,

einem ganzheitlichen Trainingsprogramm für Körper, Seele und Geist.

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Basisübungen

Zu Gleitbewegung der Beine: Lege dich mit angezogenen Knien und hochgezogener Ferse auf den Rücken. Die Arme liegen neben dem Körper, die Hand-flächen zeigen nach unten.

Gleite beim Einatmen mit der Ferse vom Körper weg, bis das Bein gestreckt ist. Beim Ausatmen ziehst du das Bein wieder zum Gesäß zurück. Wiederhole die Übung drei bis fünf Mal pro Bein.

Hochrollen des Kopfes: Lege dich mit angezogenen Knien auf den Rücken, stelle dabei die Füße hüftbreit und parallel zueinander. Die Arme liegen ausge-streckt neben dem Körper.

Entwickelt wurde die Methode vor rund 100 Jahren von Joseph Hubert Pilates, einem gebürtigen Mönchengladbacher, dessen Obsession es war, ein Trainings-programm zu erstellen, bei dem es darum geht, die Muskeln mit Hilfe des Geistes zu kontrollieren. Sein Credo: Alle Energie geht vom Kraftzentrum aus, dem so genannten Powerhouse, womit die rund um die Wirbel-säule liegende Muskulatur gemeint ist.

Der Gymnast, Athlet und Kampfsportler studierte während des ersten Weltkriegs im englischen Internierungslager östliche Trainingsmethoden wie Yoga, Zen-Medita-tion und Tierbewegungen, um eine bessere Konstitution und Haltung zu bekommen. Nach seiner Emigration in die USA 1923 eröffnete Pilates in New York neben einer Tanzschule sein erstes Studio. Im ständigen Verbessern seiner Trainingsübungen ließ er in sein Programm viele Tanzkomponenten einfließen. Der asiatische Kampfsport im Einklang mit westlicher Gymnastik und anmutigen Tanzelementen stieß bei vielen Tänzern und Schauspielern auf Sympathie und etablierte sich somit rasant in New York und schon bald landesweit. Mit 15 Millionen Anhängern ist die Pilates-Methode heute auf ihrem Höhepunkt. Kontrollierte Ausführung, bewusste Atmung, Konzentration, Zentrierung auf die Körper-mitte (Powerhouse), beabsichtigte Entspan-nung und fließende Bewegungen: das sind die sechs Grundregeln, die dem Menschen zu einem besseren Wohlbefinden verhelfen sollen. Speziell angefertigte Geräte wie der Reformer oder der Cadillac unterstützen den Schüler bei der Ausführung der Übungen.

Und so bringst du Körper, Seele und Geist in Harmonie zueinander:

Schiebe die Finger näher zu den Zehen, so-dass die Schulterblätter nach unten gleiten. Mach den Nacken lang, während das Kinn näher zur Brust rückt. Halte diese Stellung zwei Atemzüge lang und rolle langsam wieder ab. Wiederhole die Übung drei bis fünf Mal.

Knie anwinkeln: Lege dich mit angezogenen Knien auf den Rücken, Arme liegen neben den Körper, Handflächen zeigen nach unten. Atme ein.

Beim Ausatmen hebst du das Knie in einem 90 grad Winkel. Stelle das Bein ohne Einsatz des Beckens zurück auf den Boden und wechsle das bein.

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ErkenntnisReich

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Zu Brustkorb und Arme: Hebe beide Arme in die Höhe, die Schultern bleiben dabei auf dem Boden.

Nun strecke die Arme nur so weit über dem Kopf aus, dass die Rippen sich nicht nach oben ziehen.

Zu Beinkreise 1 und 2: Lege dich mit angewinkelten Beinen auf den Rücken, die Füße stehen hüftbreit ausei-nander. Die Arme liegen flach neben dem Körper. Strecke ein Bein bis in die Fußspitze nach oben und drehe die Füße leicht nach außen.

Drehe die Zehen nun zur Nase und beginne beim Einatmen das Bein in diese Richtung zu kreisen. Atme aus und strecke das Bein

über dem Körper. Atme weiter aus und kreise mit dem Bein zur Ferse, dann weiter mit kreisenden Bewegungen zur Nase. Atme ein und wiederhole diese Übung mit jedem Bein fünf Mal in jeder Richtung.

Roll like a ball: Setze dich mit angezogenen Beinen auf den Boden und umfasse deine Schienbeine, während du deine Zehen vom Boden an-hebst. Senke dabei deinen Kopf.

Atme ein und rolle nach hinten bis zum oberen Rücken. Der Kopf berührt dabei nie die Matte. Atme aus, rolle wieder hoch und halte auf dem Steißbein, die Zehen noch vom Boden abgehoben. Wiederhole diese Übung zehn Mal.

Falls ihr Fragen habt oder euer Interesse geweckt wurde meldet euch doch beim Pi-latesprofi Luca Troia: [email protected]

Ein Mal im Monat bietet er nämlich einen Pilateskurs für Anfänger an.

Viel Spaß!Veronika Czerniewicz

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Vogelfutter für das Nagetier

Was als Futter für Vögel gedacht ist, wird auch vom Eichhörnchen gefressen. Gera-dezu akrobatisch angeln die Eichhörnchen nach den Futterkolben. Das Eichhörnchen ist mittlerweile ein altbekannter Bewohner der Stadt. Scheu und hektisch sucht es Nahrung, wobei Zäune und Mauern man-chmal quasi als „Autobahnen“ zur Flucht vor Gefahren genutzt werden. Schnell und sicher hüpft das Eichhörnchen von Baum zu Baum, denn es besitzt kräftige Krallen (an den Pfoten) mit denen es sich am Ast fest klammert. Beim Springen braucht das Eich-horn den langen Schwanz als Steuerruder oder als Fallschirm im Einsatz bei gewag-teren Distanzen. Der buschige Schwanz ist in vielen anderen Lebenslagen genauso nützlich. Er bietet Schatten bei starker Son-nenstrahlung, er schirmt bei starkem Regen und schützt gegen Kälte im Winter.

Planlos nagt es an der Haselnuss

Das Eichhörnchen profitiert auch von dem Artenreichtum der Stadt: Haselsträucher, Walnussbäume, Eichen und Nadelbäume stehen auf engsten Raum als Nahrung-squelle zur Verfügung. Drei bis vier Eicheln braucht es, dann ist das Eichhörnchen erst einmal gesättigt. Die Fähigkeit Nüsse zu knacken ist den Tieren nicht angeboren. So kann es passieren, dass ein junges Eichhörnchen erst einmal planlos an der Haselnuss nagt, bis es endlich an das nahrhafte Innenleben gelangt. Wenn es nicht genug Nüsse findet, dann fressen Eich-hörnchen auch Insekten, Obst oder Pilze. In sehr kargen Zeiten werden dann auch schon mal Vogeleier oder Jungvögel verspeist. Dann sind die Brut der grünen Halsbandsit-tiche und die der anderen einheimischen Vogelarten in akuter Gefahr. Im Winter drosselt das Eichhorn den Ener-giebedarf, indem es ausgedehnte Schlaf-phasen einlegt. Das Eichhörnchen erwacht immer mal wieder aus der Winterruhe, um nach Nahrung zu suchen. In den Parkan-

lagen sind die ausgehängten Vogelfut-terkolben eine willkommene Alternative zum mühevollen Zusammensuchen der einzelnen Samen.

Spezialtechnik: Sich tot stellen

Das Eichhorn lebt gefährlich: Denn neben Greifvögeln und Mardern trachten ihm auch Füchse nach dem Leben, die seit einiger Zeit ebenfalls in Köln leben. Das über-reiche Nahrungsangebot treibt sie in die Städte. Nachts geht der Fuchs ungestört auf Mäusejagd, bedient sich an Mülltonnen und an Komposthaufen oder frisst Beeren. Er ist ein Allesfresser mit einer Spezialtechnik: Sich tot stellen. Damit lockt der Fuchs aas-fressende Tiere an, die dann im Handum-drehen selber auf der Speisekarte stehen. Auf diese Art und Weise schnappt sich der Fuchs zum Beispiel Krähen.

Der Fuchs: Hund wie Katze

Füchse tragen Eigenschaften von Hunden und Katzen gleichermaßen in sich. So ähnelt die Körpersprache der Füchse der der Hunde. Dazu gehören das Ohren anlegen oder aufstellen, den Schwanz einkneifen oder aufstellen und das Markieren des Reviers.Dagegen erinnern das Jagdverhalten und das Beuteschema an die Lebensweise von Katzen. Der Fuchs schleicht sich an und vollführt den typischen Mäusesprung. Die Pupillen stehen senkrecht und die Krallen sind wie bei einer Katze teilweise einziehbar. Fuchs und Katze sind auf kleine Nagetiere spezialisiert und haben im Laufe der Evolu-tion eine ähnliche Jagdstrategie entwickelt. Rein verwandtschaftlich betrachtet stam-men die Füchse aber aus der Familie der Hunde (Canidae). Der Fuchs, das Eichhörnchen und der grüne Halsbandsittich sind nur eine kleine Auswahl an Tieren, die die Nähe des Menschen suchen. Diese so genannten Kulturfolger können jeden Spaziergang zu einem span-nenden Erlebnis machen. Christine Willen

Infoshttp://www.fuechse.info/

http://www.tierlobby.de/rubriken/Tiergarten/nagetiere/eichhoernchen.htm

http://www.duesseldorf.de/umweltamt/serv-ice/tiere_in_der_stadt/index.shtml

You Tube: Exoten in Köln: http://www.youtube.com/watch?v=24dxmTErmkY

ErkenntnisReich32

Beim Grillen, beim Spazieren im Park, überall begegnen wir Wildtieren. Wildkan-inchen, Wildschweine, Marder, Falken und sogar Fischreiher kreuzen den Weg. Wer zieht als nächstes von den Feldern nach Köln? Der Fasan? Das Reh? Denn das Umland scheint nicht mehr so reizvoll zu sein. Die Gegend ist von landwirtschaftlicher Monokultur geprägt. Es gibt kaum noch Rückzugsmöglichkeiten für Tiere, wie z. B. Hecken, Sträucher, Bäume oder Gräben Einfach alles, um sich zurückzuziehen oder um Nahrung zu finden. Köln bietet dagegen einen Lebensraum mit großem Nahrung-sangebot und vielen kleinen ökologischen Nischen. Deshalb sind die Grünanlagen der Stadt Herberge für zahlreiche Wildtiere ge-worden, die sich an den Menschen gewöhnt haben. Umgekehrt auch?

Ein Papagei in Köln

„Tschia, tschia!“, kreischt es aus den Parkanlagen der Stadt. Im Stadtgarten, im Volksgarten oder auf dem Melatenfriedhof, überall hört man den lautstarken Ruf des grünen Halsbandsittichs. Ein Papagei hier in

Köln? Richtig! Die grünen Vögel mit dem ro-ten Schnabel haben mittlerweile eine stabile Population von über 1000 Individuen gebil-det. Ursprünglich ist der Halsbandsittich in Afrika und Asien zu Hause. Als Ziervogel ist er nach Europa gekommen. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Halsbandsit-tiche zwar schön anzusehen, aber keine angenehmen Haustiere sind: Zu laut und zu aktiv lautete das Urteil der enttäuschten Be-sitzer. Irgendwo hat jemand dann diese Tiere ausgesetzt. Aus dem Kölner Zoo sind die Halsbandsittiche jedenfalls nicht entflogen. Und so wurde der Weg bereitet für einen Neozoen: Der grüne Halsbandsittich lebt seit Anfang der achtziger Jahre in den Städten des Rheinlandes.

Grünanlagen in Köln bieten reichlich Futter

Der grüne Exot lebt in Köln, in Düsseldorf und in Bonn. Sie nisten in Baumhöhlen, vor allem auf Platanen. Das ist wahrscheinlich ein Relikt aus ihrer Heimat, denn die Vögel brüten bevorzugt auf Bäumen mit einer

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glatten Rinde, um den Nestraub durch Schlangen zu vermeiden. Schlangen gibt es in Köln nicht, dafür aber Eichhörnchen, die mit dieser Strategie nicht ferngehalten werden. In der Nisthöhle brüten die Eltern bis zu 5 Eier etwa 23 Tage lang aus. Ab Mai werden die Jungtiere in Begleitung ihrer Eltern flügge. Dann fliegen sie zusammen auf Nahrungssuche in die Parkanlagen der Umgebung. Die Grünanlagen der Stadt sind reizvoll, weil die Nahrung nie knapp wird. Dort wächst unter Umständen sogar eine größere Baumvielfalt, als in unseren Wäl-dern, die häufig in Monokulturen (Laubwald oder Nadelwald) angelegt wurden. Der Vorteil ist: die verschiedensten Baumarten blühen und reifen zeitversetzt, so dass das ganze Jahr über genug Knospen oder Sa-men zu finden sind. Die kalte Jahreszeit ist keine Zeit der Not, weder von den Tem-peraturen noch vom Nahrungsangebot her. Eine Zufütterung ist gar nicht notwendig. Natürlich hängen die grünen Halsbandsit-tiche im Winter trotzdem gerne an den Vogelfutterkolben, die großzügig auf dem Melatenfriedhof verteilt sind.

Wildtiereleben

im

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dass sie ihm die Geschichte ihres Her-zens erzählte. Der junge Mann wurde sehr traurig, als er dies erfuhr, denn er hatte sich in seine Freundin ver-

liebt. Wie konnte sie sich jemals in ihn verlieben, wenn ihr Herz doch in einer Schatulle eingeschlossen war und der Elf es ihr niemals zurückgeben würde?

Er war ratlos. Nachdem der Mann einige Tage nach-gedacht und keine Lösung gefunden hatte, ging er zu dem Elfen, der immer noch die Schatulle mit dem Herz bei sich trug. Er wollte vernünftig mit ihm reden. „Elf“, sprach er zu ihm, „ich habe ein großes Problem. Ich liebe eine Frau. Sie kann sich aber nicht in mich verlieben, da du ihr Herz hast. Wir sind einander sehr liebe Freunde, ich kenne sie gut und sie vertraut mir. Ich bin mir sicher, dass sie sich auch in mich verlieben würde, wenn sie nur ihr Herz wieder hätte. Ich will ihr für immer treu sein und sie gut behandeln. Sie wird mit mir keinen Kummer haben.“ Der Elf hörte dem jungen Mann aufmerk-sam zu. „Nun, mein Freund, ich glaube an die Aufrichtigkeit deiner Gefühle“, antwortete er ihm bedächtig. „Ich kann dir aber nicht weiterhelfen, da ich nur dem Menschen verpflichtet bin, dem ich einen Wunsch gewährt habe. Es tut mir leid.“ Der Mann wurde zornig. Was verstand dieser Elf von der Liebe! Er entriss ihm die Schatulle mit Gewalt und lief davon.Voller Vorfreude ging er mit der Schatul-le zu seiner Freundin. Bald werden wir ein Paar sein, dachte er bei sich. Und als er bei ihr ankam, sprach er zu ihr: „Bald werden wir ein Paar sein! Ich war bei dem Elfen und habe dir dein Herz wiedergebracht. Ich liebe dich und will den Rest meines Lebens mit dir ver-bringen. Jetzt, da du dein Herz wieder hast, kannst du auch mich lieben. Ist das nicht schön?“ Die junge Frau aber sagte nur: „Du willst mich lieben? Du gönnst mir ja noch nicht einmal eine Wahl!“ Dann nahm sie ihr Herz wieder an sich und ging zu dem Elfen, der ihr einfach einen Wunsch gewährt hatte, und blieb bei ihm.

Johanna Regenhard

Es war einmal eine junge Frau, die das Leben sehr liebte. Sie war gescheit und schön, aber mit einer Sache bekam sie immer wieder Schwierigkeiten. Sie verschenkte ihr Herz nämlich zu schnell und erfuhr nur Schmerzen dabei. Sie wollte schon aufgeben, als sie eines Tages einen Elf traf. Dem Elfen aber war es vergönnt, einmal in seinem Leben einem Menschen einen Wunsch zu erfüllen. Als er die junge Frau so un-glücklich sah, beschloss er sofort, dass sie es sein sollte, der er seinen einzigen Wunsch gewähren wollte.Die Frau überlegte lange. Erst dach-te sie, dass sie sich einen schönen, jungen Mann wünschte, den sie treffen würde und in den sie sich verlieben würde. Ihr kamen aber gleich darauf Zweifel. Sie hatte es ja schon so oft versucht, warum sollte es diesmal gut gehen? Eigentlich wünschte sie ihrem Herzen nur Ruhe, aber ihr Herz wünschte etwas anderes. Also be-schloss sie, eine List gegen ihr Herz anzuwenden. „Nimm mein Herz an dich“, sagte sie zu dem Elfen. „Ich habe es hier in die kostbarste meiner Schatullen getan, sie ist mit Seidentü-chern ausgelegt und mit Edelsteinen besetzt. Bitte verwahre diese Schatulle bei dir. Gib sehr gut auf sie Acht, sie ist das Wertvollste, was ich habe. Wie sehr ich dich in Zukunft auch anbetteln mag, händige sie mir nicht wieder aus, unter keinen Umständen. Bitte erfülle mir diesen Wunsch.“Der Elf war verwundert; da er der Frau aber einen Wunsch gewährt hatte, nahm er die Schatulle. Es verging einige Zeit, und die junge Frau war sehr erleichtert. Jetzt musste sie sich nicht mehr davor fürchten, sich ständig selber Kummer zu bereiten. Da-rüber war sie so froh, dass sie wieder ein wenig zu strahlen begann.

Als einige Zeit vergangen war, begeg-nete sie einem klugen Mann. Die beiden führten bald eine innige Freundschaft und konnten sich viele Dinge erzählen.

Eines Abends, als sie, wie so oft, bei-einander saßen und plauderten, fühlte sich die junge Frau so rundum wohl in der Gegenwart ihres guten Freundes,

Das Herz in der Schatulle