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Moderne Methoden der Regelungstechnik

Professor Dr.-Ing. Ferdinand Svaricek

Professur fr Steuer und Regelungstechnik u Fakultt fr Luft und Raumfahrttechnik a u Universitt der Bundeswehr Mnchen a u

Vorwort Diese Arbeitsbltter beschreiben den wesentlichen Stonhalt des Moduls MODERNE a METHODEN DER REGELUNGSTECHNIK fr Studentinnen und Studenten der Luft u und Raumfahrttechnik im Masterstudium an der Universitt der Bundeswehr Mnchen a u ab dem HT 2011. Die Lehrveranstaltung umfat Vorlesung und Ubung im 3. Trimester (V 2, SU 2) und liefert eine Einfhrung in die Beschreibung, Analyse und Synthese von u linearen Mehrgrensystemen. o Mit dieser als Studienbegleittext zu Vorlesung und Ubung verfaten Schrift soll einmal die fr die Fachprfung verlangte Stoauswahl abgegrenzt und zum anderen den Studenu u tinnen und Studenten die Mitschrift erleichtert werden. Diese Studienhilfe ersetzt kein Lehrbuch, das zum Selbststudium geeignet wre, vielmehr a sind zum Verstndnis des Stoes Erluterungen und Beispiele der Vorlesungsveranstala a tungen sowie die aktive Mitarbeit bei den Ubungen notwendig. Fr die Nacharbeit und u die Prfungsvorbereitung sind die in der Literaturzusammenstellung genannten Bcher u u geeignet. Allen Mitarbeitern des Instituts fr Steuer und Regelungstechnik, die bei den Lehrveranu staltungen mitwirken, mchte ich fr die Untersttzung herzlich danken. Mein besonderer o u u Dank gilt Herrn Dr.Ing. K.D. Otto fr die vielfltigen anregenden Diskussionen und u a die Ubernahme dieser Lehrveranstaltung in den vergangenen beiden Jahren.

Neubiberg, im Oktober 2011

F. Svaricek

INHALTSVERZEICHNIS

InhaltsverzeichnisLiteratur Formelzeichen 1 Einfuhrung 2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o 2.1 Beschreibung von Mehrgrensystemen . . . . . . . . . . . . . o 2.1.1 Beschreibung mit Hilfe der Rosenbrock-Systemmatrix . 2.1.2 Beschreibung mit Hilfe der Ubertragungsmatrix . . . . 2.2 Steuer- und Beobachtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Steuerbarkeitskriterium von Kalman . . . . . . . . . . 2.2.2 Steuerbarkeitskriterium von Hautus . . . . . . . . . . . 2.2.3 Stabilisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Steuerbarkeitsindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Steuerbarkeitsmae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Beobachtbarkeit linearer Regelungssysteme . . . . . . . . . . . 2.3.1 Dualittsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a 2.3.2 Kriterien der Beobachtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Normalformen fr Mehrgrensysteme . . . . . . . . . . . . . u o 2.4.1 Diagonalform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Regelungsnormalform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Standardform nicht steuerbarer Systeme . . . . . . . . 2.5 Pole und Nullstellen linearer Mehrgrensysteme . . . . . . . . o 2.5.1 Pole und Nullstellen der Ubertragungsmatrix . . . . . . 2.5.2 Nullstellen der RosenbrockSystemmatrix . . . . . . . 2.5.3 Eigenschaften der Nullstellen von Mehrgrensystemen o 2.5.4 Anzahl der Nullstellen eines Mehrgrensystems . . . . o 2.5.5 Physikalische Interpretation der Pole und Nullstellen . 2.5.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Realisierung von Mehrgrensystemen . . . . . . . . . . . . . o 3 Entwurf von Mehrgrenregelungen o 3.1 Polvorgabe fr Eingrensysteme . . . . . . . . . . u o 3.2 Polvorgabe fr Mehrgrensysteme . . . . . . . . . u o 3.2.1 Robuste Polzuweisung . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Entwurf von Entkopplungsregelungen . . . . 3.3 Optimale Zustandsregelung . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Lsung des Optimierungsproblems . . . . . o 3.3.2 Eigenschaften des optimalen Regelkreises . . 3.3.3 Kriterien zur Wahl der Gewichtungsmatrizen IV VI 1 3 3 4 5 6 7 7 9 9 12 14 14 15 18 18 18 20 21 21 26 27 30 31 33 35 43 45 48 49 49 54 55 56 56

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Svaricek, 2011 II

INHALTSVERZEICHNIS

3.3.4 Zusammenfassung des Entwurfsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 57 3.3.5 Abschlieende Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.4 PIMehrgrenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 o A Mathematische Grundlagen A.1 Normalrang von Polynom- und rationalen Matrizen . A.2 Smithsche Normalform einer Polynommatrix . . . . . A.3 SmithMcMillanNormalform einer rationalen Matrix A.4 Determinantenstze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a B Beispiel: Blockierung der Signalubertragung 60 60 60 62 65 66

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Svaricek, 2011 III

Literatur

LiteraturAckermann, J. 1972. Der Entwurf linearer Regelungssysteme im Zustandsraum. Regelungstechnik 7. 297300. Benninger, N.F. 1987. Analyse und Synthese linearer Systeme mit Hilfe neuer Strukturmae. Dissertation Karlsruhe und VDI Fortschrittberichte. Reihe 8. Nr. 138. Dsseldorf: VDIVerlag. u Benninger, N.F. und J. Rivoir. 1986. Ein neues konsistentes Ma zur Beurteilung der Steuerbarkeit in linearen, zeitinvarianten Systemen. Automatisierungstechnik 34. 473479. Descusse, J. und J.M. Dion. 1982. On the Structure at Innity of Linear Square Decoupled Systems. IEEE Trans. Automat. Control 27. 971974. Falb, P.L. und W.A. Wolovich. 1967. Decoupling in the Design and Synthesis of Multivariable Control Systems. IEEE Trans. Automat. Control 12. 651659. Gantmacher, F.R. 1986. Matrizentheorie. Berlin: Springer. Kalman, R.E. 1960. On the General Theory of Control Systems. Proc. of the 1st IFAC Congress. Moskau. 1. 481491. Kalman, R.E., Y.C. Ho und K.S. Narendra. 1963. Controllability of Linear Dynamical Systems. Contributions to Dierential Equations 1. 189213. Luenberger, D.G. 1964. Observing the State of Linear Systems. IEEE Trans. Mil. Electron. 8. 7480. Lunze, J. 2005. Regelungstechnik 2. Mehrgrensysteme, Digitale Regelung. Berlin: o SpringerVerlag. (3. Auage). MacFarlane, A.G.J. 1975. Relationships Between Recent Developments in Linear Control Theory and Classical Design Techniques. Measurement and Control 8. 179187, 219223, 278284, 319323, 371375. MacFarlane, A.G.J. und N. Karcanias. 1976. Poles and Zeros of Linear Multivariable Systems: A Survey of the Algebraic, Geometric and ComplexVariable Theory. Int. J. Control 24. 3374. Morgan, B.S. 1964. The Synthesis of Linear Multivariable Systems by State Feedback. Proc. of the Joint Automatic Control Conf. 468472. Nour Eldin, H.A. 1977. Minimalrealisierung der MatrixUbertragungsfunktion. Regelungstechnik 25. 8287.

Svaricek, 2011 IV

Literatur

Paige, C.C. 1981. Properties of Numerical Algorithms Related to Computing Controllability. IEEE Trans. Automat. Control 26. 130138. Patel, R.V. 1981. Computation of MinimalOrder StateSpace Realizations and Observability Indices Using Orthogonal Transformations. Int. J. Control 33. 227247. Rosenbrock, H.H. 1970. State Space and Multivariable Theory. London: Nelson. Schulz, G. 2002. Regelungstechnik. Mehrgrenregelung Digitale Regelungstechnik o Fuzzy-Regelung. Mnchen: OldenbourgVerlag. u Schwarz, H. 1991. Nichtlineare Regelungssysteme: Systemtheoretische Grundlagen. Mnchen: OldenbourgVerlag. u Svaricek, F. 1995. Zuverlssige numerische Analyse linearer Regelungssysteme. Stutta gart: B.G. Teubner. Unbehauen, H. 2000. Regelungstechnik. Band II. Braunschweig: Vieweg und Sohn (8. Auage). Van Dooren, P. 1981. The Generalized Eigenstructure Problem in Linear System Theory. IEEE Trans. Automat. Control 26. 111129. Voigt, C. und J. Adamy. 2007. Formelsammlung der Matrizenrechnung. Mnchen: u OldenbourgVerlag. Wonham, W. 1974. Linear Multivariable Control: A Geometric Approach. Berlin: Springer. Zurmuhl, R. und S. Falk. 1984. Matrizen und ihre Anwendungen. Teil 1: Grundlagen. Berlin: Springer.

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Formelzeichen

Wichtige Formelzeichen und Abkurzungen Abkurzungen EN AEN EEN EAEN IN SP UN UP Entkopplungsnullstellen AusgangsEntkopplungsnullstellen EingangsEntkopplungsnullstellen Ein/Ausgangsentkopplungsnullstellen Invariante Nullstellen Systempole Ubertragungsnullstellen Ubertragungspole

FormelzeichenA A AR ai bi B BR bi C(s) C CR cT j d di di (s) D D e e(t) f (t) g(t) F F (s) F(s) G(s) G(s) Gij (s) Flche a n n Systemmatrix n n Systemmatrix der Regelungsnormalform Polynomkoezienten (insbesondere Nennerpolynome) Polynomkoezienten (insbesondere Zhlerpolynome) a n m Eingangsmatrix n m Eingangsmatrix der Regelungsnormalform ite Spalte der Eingangsmatrix charakteristisches Polynom m n Ausgangsmatrix m n Ausgangsmatrix der Regelungsnormalform jte Zeile der Ausgangsmatrix Dmpfungskonstante, Dierenzengrad, Rangdefekt einer Matrix a Entkopplungsindizes Determinantenteiler einer Polynommatrix Dmpfungsgrad a m m Durchgangsmatrix Basis der natrlichen Logarithmen u Regelabweichung, Regelfehler allgemeine Zeitfunktion Gewichtsfunktion Systemmatrix des Beobachters rationale Funktion rationale Matrix Ubertragungsfunktion Ubertragungsmatrix Elemente der Ubertragungsmatrix G(s)

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Formelzeichen G0 (s) Ubertragungsfunktion des oenen Systems Gw (s) Fhrungsbertragungsfunktion u u Gz (s) Strbertragungsfunktion ou h(t) Ubergangsfunktion (Einheitssprungantwort) h(s) Hauptnennerpolynom i, j Indizes ik (s) Elementarpolynome (Invariantenteiler) I Trgheitsmoment a I Einheitsmatrix j = 1, imaginre Einheit a K m n Rckfhrmatrix u u KS Systemverstrkung a m Grad des Zhlerpolynoms der Ufkt., Anzahl der Ein- bzw. Ausgnge a a mbi Beeinubarkeitsmae msi Steuerbarkeitsmae M(s) = M{()} SmithMcMillanNormalform von () M1 inverse Matrix zu M + M Pseudoinverse der Matrix M H M konjugiert komplexe, transponierte Matrix zu M T M transponierte Matrix zu M Madj adjungierte Matrix zu M n Grad des charakteristischen Polynoms, Systemordnung ni Nullstellen der Ubertragungsfunktion nB Dimension des beobachtbaren Unterraums nEEN Anzahl der EingangsEntkopplungsnullstellen Anzahl der Invarianten Nullstellen nIN nS Dimension der steuerbaren Unterraums N(s) Nennerpolynom der Ubertragungsfunktion Ni (s) Nennerpolynome der SmithMcMillanForm von G(s) pi Pole der Ubertragungsfunktion pi (s) P P(s) Q QB QG QS r R S(s) = S{()} s Invariante Polynome (Elementarpolynome) der RosenbrockSystemmatrix Lsung der MatrixRiccatigleichung o RosenbrockSystemmatrix der Dimension (n + m) (n + m) Gewichtungsmatrix Beobachtbarkeitsmatrix Gramsche Steuerbarkeitsmatrix Steuerbarkeitsmatrix Beobachterrckfhrung u u Gewichtungsmatrix, m m Rckfhrmatrix u u Smithsche Normalform von () Laplacevariable

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Formelzeichen

t t0 T T u(t) U(s) V w(t) W (s) x(t) X(s) y(t) Y(s) z(t) Z(s) (t) i S o 1(t) L{} Cn Rn

Zeit (allgemein) Anfangszeit Zeitkonstante regulre Transformationsmatrix a Eingangsvektor der Dimension m Laplacetransformierte des Eingangsvektors m m Vorltermatrix, n n Eigenvektormatrix Fhrungsvektor u Laplacetransformierte der Fhrungsgre u o Zustandsvektor der Dimension n Laplacetransformierte des Zustandsvektors Ausgangsvektor der Dimension m Laplacetransformierte der Ausgangsgre o Strgre o o Laplacetransformierte der Strgre; Zhlerpolynom o o a Diracscher Deltaimpuls, Stofunktion Steuerbarkeitsindizes Steuerbarkeitsindex Eigenwert Normalrang von G(s) laufende Zeit; Verzgerungszeit o Kreisfrequenz (allgemein) Eigenkreisfrequenz des ungedmpften Schwingers a Einheitssprungfunktion Symbol fr Laplacetransformierte von . . . u ndimensionaler Vektorraum der komplexen Zahlen ndimensionaler Vektorraum der rellen Zahlen

Svaricek, 2011 VIII

1 Einf hrung u

1

Einfuhrung

In den bisherigen Vorlesungen zur Steuer und Regelungstechnik wurden Probleme betrachtet, bei denen eine Regelgre mit Hilfe einer Stellgre einer Fhrungsgre uno o u o ter Einu von Strungen nachgefhrt werden soll. Man spricht hier von einer Eino u grenregelung. Beispiele hierfr sind eine Raumheizung (Stellgre: Heizleistung und o u o Regelgre: Temperatur), ein Gleichstrommotor (Stellgre: Spannung und Regelgre: o o o Drehzahl) oder eine Fllstandsregelung (Stellgre: Zuu pro Zeiteinheit und Regelu o gre: Fllstand). o u In der Vorlesung Moderne Methoden der Regelungstechnik werden Regelstrecken behandelt, bei denen mehrere Regelgren gleichzeitig auf vorgegebenen Sollwerten zu halten o oder entlang von Solltrajektorien zu fhren sind. Solche Mehrgrenregelungssysteme sind u o in der Mechatronik, der Fahrzeug und Flugregelung aber auch in der Verfahrenstechnik zunehmend anzutreen. Die Regel- und Stellgren sind dabei hug stark verkoppelt o a (Bild 1.1), so da die dynamischen Zusammenhnge wesentlich komplexer sind und einer a gesonderten und eingehenderen Betrachtung bedrfen. u

Bild 1.1: Mehrgrensystem mit internen Kopplungen o Nur wenn die Kopplungen schwach sind, kann man eine Mehrgrenregelung in separate o Eingrenregelungen zerlegen, bei denen die Kopplungen vernachlssigt bzw. als externe o a Strgren aufgefasst werden (Bild 1.2). Dann kann man jedes Entwurfsverfahren fr o o u Eingrenregelkreise einsetzen. o

Bild 1.2: Entkoppeltes Mehrgrensystem o Beispiele fr technische Systeme mit starken Wechselwirkungen zwischen den Regelgren u o sind folgende: Svaricek, 2011 1

1 Einf hrung u

Dampferzeuger: Regelgren Druck und Temperatur. o Klimaanlage: Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Lngsbewegung eines Flugzeuges: Flughhe und Geschwindigkeit. a o Wie in den bisherigen Vorlesungen wird vorausgesetzt, da auch diese Mehrgrensysteme o durch lineare, zeitinvariante Modelle hinreichend genau beschrieben werden knnen. Dann o knnen Mehrgrensysteme genauso wie Eingrensysteme sowohl im Zeitbereich durch o o o lineare Dierentialgleichungen und Zustandsraummodelle als auch im Frequenzbereich durch Ubertragungsfunktionen beschrieben werden. Der Schwerpunkt wird auf die Anwendung der von Kalman in den 50er und 60erJahren entwickelten Zustandsraumbeschreibung gelegt. Ohne die Entwicklung dieser sogenannten Zustandsraummethoden wren viele technische Fortschritte in den letzten Jahrzehnten, a speziell im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik, kaum mglich gewesen. o

Svaricek, 2011 2

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

2

Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Mehrgrensysteme knnen wie Eingrensysteme sowohl im Zeitbereich durch Diereno o o tialgleichungen als auch im Frequenzbereich durch Ubertragungsfunktionen beschrieben werden. Innerhalb der Mehrgrensysteme knnen folgende Systemklassen unterschieden o o werden: Systeme mit mehreren Ein und Ausgangsgren (MIMO, Multiple Input Multiple o OutputSysteme). Systeme mit einer Eingangsgre und mehreren Ausgangsgren (SIMO, Single Ino o put Multiple OutputSysteme). Systeme mit mehreren Eingangsgren und einer Ausgangsgre (MISO, Multiple o o Input Single OutputSysteme). Im weiteren werden Mehrgrensysteme mit einer gleichen Anzahl von Ein und Auso gangsgren betrachtet. o

2.1

Beschreibung von Mehrgrensystemen o

Der Ubergang von den Zustandsgleichungen fr Eingrensysteme (Gleichung 4.1 in u o Skript SRT) zu den Zustandsgleichungen fr Mehrgrensysteme ist formal sehr einfach. u o Ein Mehrgrensystem mit einer gleichen Anzahl von Ein und Ausgangsgren kann mit o o Hilfe der linearen, zeitinvarianten Zustandsgleichungen x(t) = Ax(t) + Bu(t) y(t) = Cx(t) + Du(t) (2.1) (2.2)

mit dem Zustandsvektor x(t) Rn , dem Eingangs(gren)vektor u(t) Rm und dem o m Ausgangs(gren)vektor y(t) R beschrieben werden (Bild 2.1). Die Systemmatrix A, o die Eingangsmatrix B, die Ausgangsmatrix C und die Durchgangsmatrix D haben die Dimensionen (n n), (n m), (m n) und (m m).

u(t)

H

B

H

_ hx(t) HA

H

DR

x(t)H

H

C

HA

h

H

y(t)

A

Bild 2.1: Blockschaltbild der Zustandsraumbeschreibung eines Mehrgrensystems o Im weiteren wird vorausgesetzt, da B und C den Rang m besitzen, das heit tatschlich a m linear unabhngige Me und m unabhngige Stellgren existieren. a a o Svaricek, 2011 3

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Htte beispielsweise die Matrix C einen kleineren Rang als m, so knnte mindestens a o eine Ausgangsgre aus den anderen Ausgangsgren berechnet werden und wre somit o o a uberssig. u Bei realen technischen Regelstrecken wirken die Eingangssignale u(t) meist nicht direkt auf den Ausgangsvektor y(t) ein, so da, wenn nichts anderes gesagt ist, D = 0 vorausgesetzt wird. 2.1.1 Beschreibung mit Hilfe der Rosenbrock-Systemmatrix

Nach Anwendung der LaplaceTransformation1 auf die Zustandsgleichungen (2.1, 2.2) knnen diese fr D = 0 und einen Anfangszustand o u x(t0 ) = x0 in der Form x0 Y(s) = sI A B C 0 X(s) U(s) (2.4) (2.3)

dargestellt werden. In dieser Darstellung wird die (n + m) (n + m) Polynommatrix P(s) = sI A B C 0 (2.5)

als Systemmatrix nach Rosenbrock bezeichnet. Diese RosenbrockSystemmatrix ist eine Polynommatrix und beschreibt, genauso wie ein Zustandsraummodell, auch die innere Struktur eines Systems. Dies wird an der Tatsache deutlich, da die Eigenbewegung des Systems mit Hilfe der Gl. (2.4) berechnet werden kann. Hierzu ersetzt man in der zweiten Gleichung Y(s) = CX(s) (2.6)

den laplacetransformierten Zustandsvektor X(s) mit Hilfe der ersten Gleichung (U(s) = 0) durch X(s) = (sI A)1 x0 dann erhlt man a Y(s) = C(sI A)1 x0 . (2.8) (2.7)

Mit C = I und bei gegebenen x0 kann man dann mit Hilfe von (2.8) die Eigenbewegung des Systems berechnen.1

Die Laplace-Transformierte einer Zeitfunktion wird im weiteren mit dem entsprechenden Grobuchstaben bezeichnet.

Svaricek, 2011 4

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o Beschreibung mit Hilfe der Ubertragungsmatrix

2.1.2

Setzt man in Gl. (2.4) den Anfangszustand x0 = 0 ein und eliminiert dann den Zustandsvektor X(s), so gelangt man zur Beziehung Y(s) = G(s)U(s) mit der m m Ubertragungsmatrix G(s) = C(sI A)1 B. (2.11) Fr ein System mit m Ein und Ausgangsgren ist G(s) eine (mm)Matrix. Ausfhrlich u o u geschrieben erhlt man fr die Frequenzbereichsdarstellung (2.11) eines Mehrgrensystems: a u o Y1 (s) G11 (s) G12 (s) G1m (s) U1 (s) Y2 (s) G21 (s) G22 (s) G2m (s) U2 (s) (2.12) = . . . . . . . . . . . . . . . . Ym (s) Gm1 (s) Gm2 (s) Gmm (s) Um (s) Die Ubertragungsmatrix G(s) ist eine Matrix, deren Elemente echt gebrochen rationale Funktionen in s sind, und beschreibt im Gegensatz zur RosenbrockSystemmatrix (2.5) lediglich das Ein/Ausgangsverhalten des Systems (Bild 2.2).U(s) Y(s)

(2.9)

(2.10)

G(s)

Bild 2.2: Ein/Ausgangsdarstellung eines linearen Mehrgrensystems o Dabei gibt das Element Gij (s) der Ubertragungsmatrix G(s) an, wie der jte Eingang Uj (s) auf den iten Ausgang Yi (s) einwirkt. Aus der Gl. (2.11) folgt, da diese Elemente wie folgt berechnet werden knnen: o Gij (s) = cT (sI A)1 bj i = cT (sI A)adj bj i . det(sI A) (2.13) (2.14)

Oensichtlich erscheint die Determinate von (sI A) im Nenner jedes Elementes Gij (s). Allerdings haben bei einem System nter Ordnung hug nicht alle Elemente Gij (s) a den grtmglichen Nennergrad n, da sich einige Linearfaktoren von det(sI A) gegen o o entsprechende Linearfaktoren im Zhler krzen lassen. Die Systemordnung n mu daher a u nicht mit dem grten Nennergrad der Elemente Gij (s) ubereinstimmen. Das bedeutet, o da die Systemordnung n grer sein kann als der grte Nennergrad der Elemente von o o G(s). Svaricek, 2011 5

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

2.2

Steuer- und Beobachtbarkeit

Die Regelungstechnik kann man als die Wissenschaft von der gezielten Beeinussung dynamischer Prozesse und von der Anwendung der hierzu entwickelten Methoden zur Systembeschreibung und untersuchung bezeichnen. Eine der grundlegenden Fragen der Regelungstechnik ist daher, ob sich ein vorgegebener dynamischer Proze uberhaupt ge zielt beeinussen, d.h. steuern lt. a Die Begrie Steuer und Beobachtbarkeit sind auch in der von Kalman im Jahre 1960 eingefhrten Zustandsraummethodik von grundlegender Bedeutung. Im Gegensatz zu u einigen frheren Zustandsraumanstzen, die als reine Reinterpretationen klassischer Freu a quenzbereichskonzepte angesehen werden knnen, geht erst der Ansatz von Kalman mit o dem Begrispaar der Steuer und Beobachtbarkeit deutlich uber den Frequenzbereichs ansatz hinaus. Die Steuerbarkeit eines linearen Systems x(t) = Ax(t) + Bu(t) kann dabei wie folgt deniert werden: Denition 2.1 Ein dynamisches System (A, B) heit vollstndig zustandssteuerbar, wenn der Zua standsvektor x(t) durch einen geeigneten Steuervektor u(t) in einer endlichen Zeit T von jedem beliebigen Anfangszustand x(0) = x0 in den Nullzustand x(T ) = 0 uberfhrt werden kann. u Diese Eigenschaft der Steuerbarkeit ist eine notwendige Voraussetzung fr viele Regleru entwurfsverfahren und somit auch bei praktischen Aufgabenstellungen von entscheidender Bedeutung. Eng verwandt mit der Steuerbarkeit ist der Begri der Erreichbarkeit: Denition 2.2 Ein dynamisches System (A, B) heit vollstndig erreichbar, wenn der Zustandsveka tor x(t) durch einen geeigneten Steuervektor u(t) in einer endlichen Zeit T aus dem Nullzustand x(0) = 0 in jeden gewnschten Endzustand x(T ) uberfhrt werden u u kann. Im Vergleich zur Steuerbarkeit stellt die Erreichbarkeit hhere Anforderungen an die Eio genschaften eines dynamischen Systems, da jedes stabile, nicht gestrte System nach einer o entsprechenden Zeit immer von selbst in den Nullzustand zurckkehrt. So sind die Eru reichbarkeit und die Steuerbarkeit auch nur bei der in dieser Vorlesung betrachteten Klasse der linearen, kontinuierlichen, zeitinvarianten Systeme quivalente Eigenschaften. Bereits a bei linearen Systemen die zeitvariabel oder zeitdiskret sind, mu zwischen der Erreichbarkeit und der Steuerbarkeit unterschieden werden. Dies gilt natrlich erst recht bei allen u nichtlinearen Systemen. Da es in der Literatur zur linearen Systemtheorie ublich ist, die fr lineare, zeitinvariante Systeme quivalenten Eigenschaften Steuer und Erreichbarkeit u a unter dem Oberbegri Steuerbarkeit zusammenzufassen, wird im weiteren auch nur noch die Steuerbarkeit betrachtet. In der Praxis stellt allerdings hug nicht die Erreichung eines bestimmten Systemzua standes das primre Ziel der Regelungsaufgabe dar. Vielmehr ist es erwnscht, nur den a u Svaricek, 2011 6

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Systemausgngen vorgegebene Werte (oder Funktionen) zu erteilen. In diesem Zusama menhang spricht man dann von Ausgangssteuerbarkeit und es gilt analog zur Zustandssteuerbarkeit: Denition 2.3 Ein dynamisches System x(t) = Ax(t) + Bu(t); y(t) = Cx(t) heit vollstndig a ausgangssteuerbar, wenn der Ausgangsvektor y(t) durch einen geeigneten Steuervektor u(t) in einer endlichen Zeit T von einem beliebigen Anfangswert y(0) = y0 in irgendeinen Endwert y(T ) uberfhrt werden kann. u Zur Uberprfung der Steuerbarkeit stehen in der Praxis eine Reihe verschiedener Kriterien u zur Verfgung, die fr eine zuverlssige numerische Analyse allerdings unterschiedlich gut u u a geeignet sind. Auch mit Hilfe der numerisch stabil umsetzbaren Kriterien kann nicht eindeutig festgestellt werden, wann ein System nicht vollstndig steuerbar ist. Aufgrund a der beschrnkten Genauigkeit der Rechner wird bestenfalls ermittelt, da ein System a (A, B) sehr nahe an einem nicht steuerbaren System (A + A, B + B) liegt. 2.2.1 Steuerbarkeitskriterium von Kalman

Neben dem Begri der Steuerbarkeit geht auch das erste und bekannteste Kriterium zu ihrer Uberprfung auf Kalman (1960) zurck. u u Satz 2.1 Ein dynamisches System (A, B) ist genau dann vollstndig zustandssteuerbar, wenn a fr die Steuerbarkeitsmatrix QS gilt: u Rang QS = Rang [ B, AB, ..., An1B ] = n. (2.15)

Fr nicht vollstndig steuerbare Systeme, d.h. Rang QS < n, gibt der Rang der Steueru a barkeitsmatrix die Dimension nS des vollstndig steuerbaren Unterraumes an. a Man beachte, mit Hilfe dieses Kriteriums kann lediglich eine Ja/NeinAussage uber die Steuerbarkeit eines Systems getroen werden. Darber hinaus liefert es keine weiteren u Informationen bezglich der Frage, welche der Eigenbewegungen des Systems (Eigenwerte u der Matrix A) gegebenenfalls nicht steuerbar sind. 2.2.2 Steuerbarkeitskriterium von Hautus

Nach Hautus ist ein steuerbarer Eigenwert wie folgt deniert: Denition 2.4 Ein Eigenwert der Systemmatrix A wird steuerbarer Eigenwert genannt, wenn Rang [ I A, B ] = n gilt. Svaricek, 2011 7 (2.16)

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o Mit Hilfe dieses Konzeptes ergibt sich das folgende einfache Kriterium zur Uberprfung u der Steuerbarkeit eines Systems (A, B): Satz 2.2 Ein dynamisches System (A, B) ist genau dann vollstndig steuerbar, wenn a Rang [ i I A, B ] = n fr alle Eigenwerte i , i = 1, ..., n der Matrix A gilt. u Dieses zum Kalmankriterium quivalente Kriterium oftmals auch als HautusKriterium a bezeichnet erfordert bei Kenntnis der Eigenwerte der Systemmatrix A eine nmalige Ranguntersuchung (fr durchweg verschiedene Eigenwerte) der Matrix [ I A, B ]. Eiu ne Verletzung der Bedingung (2.17) signalisiert dann, da der entsprechnde Eigenwert nicht steuerbar ist und somit auch das ganze System nicht vollstndig steuerbar ist. Bei a durchweg verschiedenen Eigenwerten kann die Dimension des steuerbaren Unterraumes nach Beendigung der Ranguntersuchungen leicht angegeben werden. Die Dimension des steuerbaren Unterraumes ist dann identisch mit der Anzahl der steuerbaren Eigenwerte, d.h. der Anzahl der Eigenwerte, die die Bedingung (2.17) erfllen. u Fr Systeme mit mehrfachen Eigenwerten liefert das HautusKriterium allerdings keiu ne zuverlssigen Aussagen uber die Dimension dieses Unterraumes. Zur Verdeutlichung a dieser Problematik dient das folgende Beispiel. Beispiel 2.1 Gegeben sei das folgende System (A, b) mit einem dreifachen Eigenwert bei = 1: 1 0 0 A = 0 1 1 , 0 0 1 1 b = 1 . (2.17)

Gesucht wird die Dimension des steuerbaren Unterraumes. Die Anwendung des HautusKriteriums (Satz 2.2) liefert: 0 0 0 1 = Rang 0 0 1 1 = 2 < n . 0 0 0

Rang [ I A, b ]=1

Dieses Ergebnis knnte zu dem Schlu verleiten, da das System unabhngig o a von immer nur einen nicht steuerbaren Eigenwert besitzt. Die Auswertung der KalmanBedingung (2.15) 1 1 1 Rang QS = Rang [ b, Ab, A2b ] = Rang 1 (1 + ) 1 + + Svaricek, 2011 8

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

liefert allerdings, da der Rang der Steuerbarkeitsmatrix nicht von unabhngig ist. a Fr beliebige Werte sind die 1. und die 3. Zeile linear abhngig, und der Rang von u a QS ergibt sich zu 2. Ein zustzlicher Rangdefekt tritt oensichtlich fr = 0 auf a u (alle 3 Zeilen sind dann linear abhngig). Aus Rang QS = 1 folgt dann, da zwei a Eigenwerte nicht steuerbar sind und die Dimension des steuerbaren Unterraumes sich somit auf nS = 1 reduziert hat. 2.2.3 Stabilisierbarkeit

Wenn ein lineares System (A,B) vollstndig steuerbar ist, dann knnen die Eigenwerte a o der Systemmatrix A durch eine proportionale Zustandsrckfhrung beliebig verndert u u a werden (vgl. Abschnitt 3). Ist ein Eigenwert nicht steuerbar, so kann dieser Eigenwert durch eine Zustandsrckfhrung nicht mehr beeinut werden. Das bedeutet, da ein u u instabiles System durch einen Zustandsregler nur dann stabilisiert werden kann, wenn alle instabilen Eigenwerte steuerbar sind. Bei Systemen, die nicht vollstndig steuerbar a sind, ist daher die Frage von Interesse Ob zumindest alle instabile Eigenwerte steuerbar sind? Dies fhrt auf den Begri der Stabilisierbarkeit: u Denition 2.5 Ein nicht vollstndig steuerbares System (A,B) nennt man stabilisierbar, wenn a die Realteile der nicht steuerbaren Eigenwerte kleiner als Null sind, wenn diese Eigenwerte also asymptotisch stabil sind und daher in der linken Ebene liegen. Mit Hilfe des HautusKriteriums kann die Stabilisierbarkeit leicht uberprft werden: u Satz 2.3 Ein lineares System (A, B) ist genau dann stabilisierbar, wenn das Hautus-Kriterium Rang [ i I A B ] = n fr alle instabilen Eigenwerte der Systemmatrix A (Re{i } 0) erfllt ist. u u Eine Regelstrecke ist also stabilisierbar, wenn sie entweder bereits asymptotisch stabil oder vollstndig steuerbar ist, oder wenn zumindest alle instabilen Eigenwerte steuerbar a sind. Die bisher besprochenen Kriterien zur Uberprfung der Steuerbarkeit ermglichen nur u o qualitative Aussagen (Ja/NeinEntscheidung), ob ein System oder eine entsprechende Eigenbewegung steuerbar ist oder nicht. Fr praktische Anwendungen ist allerdings auch u die Frage nach der Gte der Steuerbarkeit von Interesse. u 2.2.4 Steuerbarkeitsindizes (2.18)

Als ein Ma fr den Regelbarkeitsaufwandkann bei vollstndig steuerbaren Systemen u a der Steuerbarkeitsindex angesehen werden: Svaricek, 2011 9

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Denition 2.6 Der Steuerbarkeitsindex S eines dynamischen Systems x(t) = Ax(t) + Bu(t) ist die kleinste Zahl S , fr die u Rang QS = Rang [ B, AB, ..., AS 1 B ] = n gilt. Je grer dieser Index ist, um so komplizierter mssen Regler aufgebaut sein, wenn das o u Systemverhalten beliebig verndert werden soll. Beispielsweise kann fr ein vollstna u a dig steuer und beobachtbares System (A, B, C) immer ein dynamischer Regler einer Ordnung kleiner oder gleich S 1 gefunden werden (Wonham 1974), der die Pole des geschlossenen Systems gewnscht plaziert. u Der Steuerbarkeitsindex S ist dabei der grte einer Menge sogenannter Steuerbarkeitso indizes {1 , 2 , ..., m }, die man erhlt, wenn die Steuerungsanforderungen mglichst a o gleichmig auf alle m Eingnge eines Systems aufgeteilt werden. a a Hierzu mu man bedenken, da ein System (A, B) mit mehr als einem Eingang eine Steuerbarkeitsmatrix QS = [ B, AB, ..., An1 B ] (2.20) (2.19)

besitzt, die mehr Spalten als Zeilen hat. Von diesen nm Spalten Ai bj , (i = 0, 1, 2, ..., n 1; j = 1, 2, ..., m) werden zur Erfllung der Steuerbarkeitsbedingung u Rang QS = n (2.21)

nur n linear unabhngige Spalten bentigt, so da eine gewisse Freiheit bei der Auswahl a o dieser n Spalten gegeben ist. Eine mgliche Strategie zur Auswahl der n Spalten ist die o folgende: Seien b1 , b2 , ..., bm die Spalten der Eingangsmatrix B, so kann die Matrix (2.20) in der Form QS = [ b1 , ..., bm , Ab1 , ..., Abm , . . . , An1 b1 , ..., An1 bm ] (2.22)

geschrieben werden. Sucht man von links beginnend die ersten n linear unabhngigen Veka 1 1 toren heraus, so erhlt man m Vektorketten b1 , Ab1 , ..., A a b1 ; b2 , Ab2 , ..., A2 1 b2 ; . . . ; bm , Abm , ..., Am 1 bm . Die einzelnen Vektorketten bi , Abi , ..., Ai1 bi sind dabei lckenlos, da, sobald ein Vektor Ak bi von seinen Vorgngern linear abhngig ist, d.h. ein u a a Vektor q existiert, der Ak bi = [ B, AB, ..., Ak1B, Ak b1 , ..., Ak bi1 ]q (2.23)

erfllt, alle weiteren Spalten Ak+1 bi , Ak+2 bi , ... ebenfalls von ihren Vorgngern linear u a abhngig sind. Multipliziert man die Gleichung (2.23) von links mit der Matrix A a Ak+1bi = [ AB, A2 B, ..., Ak B, Ak+1 b1 , ..., Ak+1 bi1 ]q, (2.24)

so sieht man, da diese Aussage richtig ist. Die bei diesem Auswahlvorgang entstehenden Lngen i der Vektorketten sind die Steuerbarkeitsindizes eines Systems (A, B): a Svaricek, 2011 10

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Denition 2.7 Der Steuerbarkeitsindex der Spalte bi in B = [ b1 , b2 , ..., bm ] ist die kleinste ganze Zahl i , so da Ai bi von seinen Vorgngern in [ B, AB, ...] linear abhngig ist. a a Ist ein System (A, B) nicht vollstndig steuerbar, so gibt die Summe der Steuerbarkeitsa indizes die Dimension nS des steuerbaren Unterraumes an:m

nS =i=1

i .

(2.25)

Die Reihenfolge der Steuerbarkeitsindizes ist gegenber einer Anderung der Numerierung u der Eingangsgren nicht invariant. Betrachtet man jedoch die geordnete Liste2 o i1 i2 im (2.26)

so ist diese sowohl gegenber regulren Transformationen des Eingangs und Zustandsu a vektors (A, B) (A, BV) (2.27) (2.28)

(A, B) (T1 AT, T1 B)

als auch gegenber einer Zustandsrckfhrung u u u (A, B) (A BK, B) (2.29)

invariant. Die in diesen Eigenschaften auftretenden Transformationen illustriert das Bild 2.3. Die Matrix K kann hierbei im Gegensatz zu den Matrizen V und T, die als regulr a vorausgesetzt werden, beliebig sein.

w

H

V

H

A

h

uH

B

H

hA

xH _

T KH

H

R

H H

T

1

x

A

Bild 2.3: Invarianzeigenschaften der Kroneckerindizes Die Elemente der geordneten Liste der Steuerbarkeitsindizes bezeichnet man auch als Kroneckerindizes.2

Eine Liste kann im Gegensatz zu einer Menge mehrere gleiche Elemente enthalten.

Svaricek, 2011 11

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

2.2.5

Steuerbarkeitsmae

Bereits 1963 beschftigten sich Kalman, Ho und Narendra mit der Fragestellung: Wie a hoch ist der Energieaufwand, um ein System von einem Punkt im Zustandsraum in einen anderen zu uberfhren? Dazu wurden von einer Reihe von Autoren Mae zur quantitau tiven Beurteilung der Steuerbarkeit eines Systems vorgeschlagen. Deren konkrete Formulierung in der Form von Kennzahlen liefert z.B. Informationen uber die Bedeutung der einzelnen Stellgren und ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Struktur des o zu regelnden Systems nicht fest vorgegeben ist, z.B. bei exiblen Raumfahrtstrukturen oder bei chemischen Prozessen. Einige dieser Steuerbarkeitsmae wurden mit Hilfe der Mindestenergiet1

Wm (t1 , t0 , x0 ) =t0

uT ( )um ( )d m

(2.30)

deniert, die notwendig ist, um den Zustand x(t0 ) = x0 in den Ursprung x(t1 ) = 0 zu uberfhren. Ist das System vollstndig steuerbar, so lt sich fr diese kleinstmgliche u a a u o Energie folgende Beziehung angeben: Wm (t1 , t0 , x0 ) = xT Q1 (t1 , t0 )x0 , 0 G mit der Gramschen Steuerbarkeitsmatrixt1

(2.31)

QG (t1 , t0 ) =t0

T eA(t0 ) BBT eA (t0 ) d.

(2.32)

Diese Gramsche Steuerbarkeitsmatrix ist fr eine beliebige Endzeit t1 > t0 genau dann u positiv denit und somit regulr, wenn das Kalmankriterium (2.15) erfllt ist. a u In den letzten 30 Jahren wurden eine Vielzahl von Vorschlgen fr Steuerbarkeitsmae gea u macht. Von besonderer Bedeutung sind Mazahlen, die konsistent mit dem Kalmanschen Steuerbarkeitsbegri sind. Denition 2.8 Ein Steuerbarkeitsma heit konsistent mit dem von Kalman eingefhrten Steueru barkeitsbegri, wenn gilt: Ist das System (A, B) vollstndig steuerbar, dann mssen a u die Mazahlen fr smtliche Systemvariablen grer Null sein. Ist das System nicht u a o vollstndig steuerbar, so mu die Steuerbarkeitsmazahl fr zumindest eine Systema u variable den Wert Null annehmen. Erfllt ist diese Konsistenzbedingung bei dem von Benninger und Rivoir (1986) vorgestellu ten Steuerbarkeitsma, das quantitative Aussagen uber die Steuerbarkeit der einzelnen physikalischen Systemvariablen ermglicht und leicht physikalisch interpretiert werden o kann. Svaricek, 2011 12

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Um die Steuerenergie als Vergleichsgrundlage heranziehen zu knnen, wird fr die Deo u nition eines Steuerbarkeitsmaes die Mindestenergie Wm (2.30) betrachtet, die zur Uberfhrung eines gegebenen Anfangszustandes x0 nach 0 erforderlich ist. Zur Festlegung u von konkreten Zahlenwerten zur Beurteilung der Steuerbarkeit einer Zustandsvariablen wird eine Energie Wm = 1 vorgegeben und die zugehrigen Auslenkungen der Zustandso gren untersucht. Gute Steuerbarkeit einer Zustandsvariablen bedeutet dann, da zu o einer vorgegebenen Steuerenergie eine groe Auslenkung gehrt. o Sei (QG )f f das f te Hauptdiagonalelement von QG , dann kann ein konsistentes Steuerbarkeitsma msf fr die f te Zustandsvariable mit Hilfe der Beziehung u msf = [(Q1 )f f ] 2 G berechnet werden. Das Steuerbarkeitsma msf gibt dann die grtmgliche Auslenkung auf der xf Achse o o an. Bedingt durch die Tatsache, da die Gramsche Steuerbarkeitsmatrix (2.32) fr nicht steuu erbare Systeme singulr (det QG = 0) wird und somit nicht invertierbar ist , mu a fr nicht steuerbare Systeme eine weitergehende Betrachtung durchgefhrt werden. u u Im Gegensatz zur Inversen einer Matrix, die nur fr regulre Matrizen deniert ist, exiu a stiert die sogenannte Pseudoinverse (Voigt und Adamy 2007) sowohl fr rechteckige als u auch fr quadratische Matrizen mit verschwindender Determinante. Wenn die Pseudoinu verse Q+ der Gramschen Steuerbarkeitsmatrix (2.32) nun die Bedingung G QG Q+ ef = ef G (2.34)1

(2.33)

erfllt, wobei ef der f te Einheitsvektor ist, dann wird fr die Zustandsvariable xf als u u Mazahl msf = [(Q+ )f f ] 2 G1

(2.35)

deniert. Ist die Bedingung (2.34) nicht erfllt, so wird msf zu Null gesetzt. Diese Berechu nungsvorschrift gilt dabei sowohl fr vollstndig steuerbare, als auch fr nicht vollstndig u a u a steuerbare Systeme, da die Pseudoinverse einer invertierbaren Matrix mit deren Inversen identisch ist, so da Gl. (2.34) fr beliebige Einheitsvektoren immer erfllt ist. u u Ein freier Parameter bei der Berechnung dieser Mazahl ist die Steuerzeit T = t1 t0 . Durch die Wahl von T knnen die Dynamikanteile eines Systems verschieden gewichtet o werden, da oensichtlich schnelle stabile Anteile eine Uberfhrung von x0 nach u x1 = 0 begnstigen. Die Untersuchungen von Benninger (1987) haben ergeben, da die u magebliche Zeitkonstante des Systems fr T eine sinnvolle Wahl darstellt. u

Svaricek, 2011 13

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

2.3

Beobachtbarkeit linearer Regelungssysteme

Zusammen mit der Steuerbarkeit fhrte Kalman 1960 auch den Begri Beobachtbarkeit u ein, der mit dem im Abschnitt 2.2 ausfhrlich behandelten Steuerbarkeitsbegri eng veru knpft ist. Soll ein Zustandsvektor x0 in endlicher Zeit in einen gewnschten Endzustand u u uberfhrt werden, so wird der entsprechende Steuervektor u(t) sicherlich vom jeweiligen u Anfangszustand x0 abhngen. Das bedeutet, im konkreten Fall mu x0 bekannt sein, um a u(t) generieren zu knnen. Nur in seltenen Fllen werden mit vertretbarem Aufwand o a allerdings alle Zustnde einer Messung zugnglich sein. Vielmehr ist man meist darauf a a angewiesen, den Anfangszustand x0 in endlicher Zeit aus den Mesignalen y(t) zu rekonstruieren. Ist dies mit Hilfe entsprechender dynamischer Systeme (Beobachter) mglich, o so nennt man ein System x(t) = Ax(t) + Bu(t) y(t) = Cx(t) beobachtbar: Denition 2.9 Ein dynamisches System (2.36) heit vollstndig beobachtbar, wenn fr jeden Ana u fangszustand x(0) = x0 eine endliche Zeit T so existiert, da der Zustandsvektor x0 eindeutig aus der Kenntnis der Eingangsgren u(t) und der Ausgangsgren y(t) o o im Zeitintervall T ermittelt werden kann. Der Gegenstand des folgenden Abschnittes ist fr die Beobachtbarkeitsanalyse im allgeu meinen und in strkerem Mae noch fr deren numerische Umsetzung von elementarer a u Bedeutung. 2.3.1 Dualittsprinzip a (2.36)

Ein dynamisches System x(t) = AT x(t) + CT u(t) y(t) = BT x(t) (2.37)

ist das zu (2.36) duale System. Die Bedeutung des dualen Systems (AT , CT , BT ) fr die u Systemanalyse wird anhand des folgenden Satzes deutlich. Satz 2.4 Ein dynamisches System (2.36) ist vollstndig zustandssteuerbar (beobachtbar), a wenn sein duales System (2.37) vollstndig beobachtbar (zustandssteuerbar) ist. a Das bedeutet: Sind Verfahren, Algorithmen und Rechnerprogramme zur Steuerbarkeitsprfung vorhanden, so kann mit diesen sofort auch die Beobachtbarkeit uberprft werden, u u T T indem man lediglich A := A und B := C setzt. Der Vollstndigkeit halber werden a daher im folgenden Abschnitt die speziellen Beobachtbarkeitskriterien nur kurz zusammengestellt. Svaricek, 2011 14

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

2.3.2

Kriterien der Beobachtbarkeit

Das lteste und bekannteste Kriterium zur Uberprfung der Beobachtbarkeit ist wieder a u das von Kalman: Satz 2.5 Ein dynamisches System (2.36) ist genau dann vollstndig beobachtbar, wenn fr a u die Beobachtbarkeitsmatrix QB gilt: Rang QB = Rang [ CT , (CA)T , ..., (CAn1)T ] = n. (2.38)

Ist das betrachtete System nicht vollstndig beobachtbar, so gibt der Rang nB von QB a die Dimension des vollstndig beobachtbaren Unterraumes an. a Wenn nicht nur eine reine Ja/NeinAussage von Interesse ist, knnen mit Hilfe des entspreo chenden HautusKriteriums die nicht beobachtbaren Eigenwerte der Matrix A ermittelt werden. Satz 2.6 Ein dynamisches System (2.36) ist genau dann vollstndig beobachtbar, wenn a Rang I A C =n (2.39)

fr alle Eigenwerte der Matrix A erfllt ist. u u Die nicht beobachtbaren Eigenwerte der Matrix A krzen sich dann bei der Bildung der u 1 Ubertragungsmatrix G(s) = C(sI A) B gegen Nullstellen heraus. Eine genaue Verfol gung der auftretenden Krzungen bei der Bildung der Ubertragungsmatrix liefert bei einer u Berechnung von Hand eine weitere Mglichkeit, um auch bei mehrfachen Eigenwerten geo naue Aussagen uber die Anzahl der nicht steuer und/oder beobachtbaren Eigenwerte zu erhalten. Ein System (A,B) ist dann und nur dann vollstndig steuerbar, wenn bei der a Bildung der rationalen Matrix GS (s) = (sI A)1B =(sIA)adj

det

(sIA)

B

(2.40)

keine Pol/Nullstellenkrzungen auftreten. Analog hierzu gilt, da ein System (2.36) dann u und nur dann vollstndig beobachtbar ist, wenn die Pole und Nullstellen der rationalen a Matrix GB (s) = C(sI A)1 = C(sIA)adj

det

(sIA)

(2.41)

sich nicht krzen. Ein einfaches Beispiel wird diese Zusammenhnge verdeutlichen. u a

Svaricek, 2011 15

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Beispiel 2.2 Betrachtet wird ein Eingrensystem mit folgenden Systemmatrizen: o 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 1 1 1 1 1 0 1 1 0 2

A =

,

b =

,

c =

.

Die Eigenwerte i , i = 1, 2, 3, 4 knnen an der Dreiecksform der Systemmatrix o A sofort zu {} = {1, 1, 1, 1} abgelesen werden. Das System besitzt also einen doppelten Eigenwert bei = +1 und bei = 1. Nach der Bildung der Adjungierten von (sI A) ergibt sich GS (s) zu: GS (s) = det1 (sIA)

(sI A)adj b

(s + 1)(s 1)2 0 0 (s + 1)2 (s 1) 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 2 (s + 1) (s 1) 0 1 2 (s + 1)(s 1) (s + 1)(s 1) 0 (s + 1)(s 1)2 (s + 1)2 (s 1) 1 = (s+1)2 (s1)2 (s + 1)2 (s 1) (s + 1)(s 1) (s 1) (s + 1) 1 . = (s+1)(s1) (s + 1) 1 1 = 2 (s 1)2 (s + 1)

Da sich sowohl ein Pol bei s = +1 als auch einer bei s = 1 gegen eine Nullstelle herausgekrzt hat, sind die entsprechenden beiden Eigenbewegungen der Matrix A u nicht steuerbar.

Svaricek, 2011 16

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Die Bildung von GB (s) = = det1 (sIA)

cT (sI A)adj (s + 1)(s 1)2 (s + 1)2 (s 1)

1 (s + 1)2 (s 1)21 (s+1)(s1)

2(s + 1)(s 1) 2(s + 1)(s 1)2

=

(s 1) (s + 1) 2 2(s 1)

liefert, da aufgrund der Krzungen auch jeweils ein Eigenwert bei = +1 und = u 1 nicht beobachtbar ist. Die Frage, ob dieses System uberhaupt steuer und beob achtbare Eigenwerte besitzt, mu nach der Bestimmung der Ubertragungsfunktion

G(s) = cT (sI A)1 b = GB (s)b =1 (s+1)(s1)

(s 1) (s + 1) 2 2(s 1)

1 1 1 0

= =

(s + 1) + (s 1) 2 (s + 1)(s 1) 2 2(s 1) = (s + 1)(s 1) s+1

mit Ja beantwortet werden, da die Ubertragungsfunktion G(s) einen Pol bei s = 1 hat. Der andere Pol (s = +1) von GB (s), der zu einem beobachtbaren Eigenwert bei = +1 korrespondiert, hat sich bei der Bestimmung der Ubertragungsfunktion herausgekrzt, so da dieser beobachtbare Eigenwert nicht steuerbar ist. Die voru hergehende Berechnung von GS (s) hatte gezeigt, da noch ein weiterer Eigenwert bei = 1 nicht steuerbar ist. Dieser Eigenwert der Matrix A war oenbar bereits bei der Bildung von GB (s) herausgefallen und ist daher sowohl nicht steuer als auch nicht beobachtbar. Zusammengefat bedeutet dies: Das betrachtete Eingrensystem 4ter Ordnung besitzt o einen Eigenwert bei = 1, der sowohl steuer als auch beobachtbar ist, einen Eigenwert bei = 1, der weder steuer noch beobachtbar ist, einen Eigenwert bei = +1, der steuer aber nicht beobachtbar ist und einen Eigenwert bei = +1, der nicht steuer aber beobachtbar ist.

Svaricek, 2011 17

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

2.42.4.1

Normalformen fur Mehrgrensysteme o Diagonalform

Bei durchweg verschiedenen Eigenwerten kann jedes Zustandsraummodell (A, B, C) auf eine Diagonalform mit einer diagonalen Systemmatrix transformiert werden. Hierzu transformiert man den Zustandsvektor x(t) mit einer regulren (n n) Matrix V a x(t) = V1x(t) , die man aus den n Eigenvektoren vi der Systemmatrix A bildet: V = (v1 v2 ... vn ) mit Avi = i vi . Die transformierten Systemgleichungen (2.36) lauten dann bT 1 0 1 . . 2 . x(t) = x(t) + . u(t) .. . . , . T 0 n bn y(t) = [ 1 2 . . . . . . cn ] x(t) . c c wobei diag i = V1AV B = V1B C = CV x0 = V x01

(2.42)

(2.43)

(2.44)

(2.45) (2.46) (2.47) (2.48)

gilt. Ein solches System ist dann vollstndig steuerbar, wenn i = j fr i, j = 1, 2, . . . , n und a u i = 0 und vollstndig beobachtbar, wenn mit i = j alle ci = 0 sind. alle b a 2.4.2 Regelungsnormalform

Mit Hilfe der Steuerbarkeitsindizes 1 , 2 , ..., m kann fr vollstndig steuerbare Mehru a grensysteme eine Regelungsnormalform angegeben werden, die 1967 erstmalig von Lueno berger beschrieben wurde und als eine Verallgemeinerung der SISORegelungsnormalform angesehen werden kann. Hierzu bildet man die folgende n n Matrix: QS = [ b1 , Ab1 , ..., A11 b1 , . . . , bm , Abm , ..., Am 1 bm ] . (2.49)

Svaricek, 2011 18

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Dabei sind die Matrizen ARii auf der Diagonalen in Frobeniuskanonischer Form 0 1 0 0 0 0 1 0 . . . (2.53) ARii = . . . . . . 0 0 0 1 und haben die Dimension i i , i = 1, ..., m. Die anderen Matrizen ARij 0 0 0 0 0 0 . . . ARij = . . . . . . 0 0 0 haben die Form 0 0 0

Bei Verwendung dieser Transformationsmatrix TR nehmen die und BR = TR B die folgende Struktur an: BR1 AR11 AR1m . . . .. . AR = . und BR = . . . . . ARm1 ARmm BRm

Aus diesen Vektoren wird dann folgende Transformationsmatrix gebildet: qS1 qS1 A . . . 1 1 qS1 A . . TR = . qSm qSm A . . . m 1 qSm A

Aus der Inversen dieser Matrix whlt man nun m Zeilen wie folgt aus: a qS1 = [0 0 ... 0 1 0 ... 0] Q1 S 1 1 qS2 = [0 0 ... 0 1 0 ... 0] QS . 1 +2 . . . 1 qSm = [0 0 ... 0 1] QS

(2.50)

(2.51)

Matrizen AR = TR AT1 R

(2.52)

(2.54)

Svaricek, 2011 19

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

und die Dimension i j , i, j = 1, ..., m, i = j. Die Matrizen BRi in BR 0 0 . . . . BRi = . . 0 0 0 haben die Dimension i m und die spezielle Form 0 0 0 0 . .. . . . . . . . . . . . . , 0 0 0 0 0 1

(2.55)

wobei die 1 in der letzten Zeile in der iten Spalte steht. Die Matrix CR = CTR des transformierten Systems x(t) = AR x(t) + BR u(t) y(t) = CR x(t) hat keine spezielle Form. 2.4.3

(2.56)

Standardform nicht steuerbarer Systeme

Wenn ein System (A,B) nicht vollstndig steuerbar ist, dann kann es mit Hilfe einer gea eigneten Ahnlichkeitstransformationen immer in einen vollstndig steuerbaren und einen a nicht vollstndig steuerbaren Teil zerlegt werden: a Satz 2.7 Wenn ein dynamisches System (A, B) nicht vollstndig steuerbar ist, dann existiert a eine Transformationsmatrix T, so da die transformierten Matrizen A = T1 AT und B = T1 B diese Gestalt besitzen: A= A11 A12 0 A22 und B = B1 0 , (2.58) (2.57)

wobei die Matrix A22 eine quadratische Matrix der Dimension (n ) mit (n ) > 0 und die Matrix B1 eine m Matrix ist. Das Teilsystem (A11 , B1 ) ist dann vollstndig steuerbar und das transformierte System (A, B) ist dann in der a Standardform fr nicht steuerbare Systeme. u Die (n ) Eigenwerte der Matrix A22 sind dann gerade die nicht steuerbaren Eigenwerte und die Eigenwerte von A11 genau die steuerbaren Eigenwerte von (A,B).

Svaricek, 2011 20

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Eine einfache Methode zur Bestimmung einer geeigneten Transformationsmatrix geht wie folgt: Sei der Rang der Steuerbarkeitsmatrix (2.15). Dann mu diese Matrix linear unabhngige Spaltenvektoren q1 , q2 , ..., q enthalten. Mit Hilfe dieser Vektoren wird a folgende Transformationsmatrix gebildet: T = [q1 , q2 , ..., q , Tn ] , wobei die n (n ) Matrix Tn so gewhlt werden mu, da T regulr ist. a a Diese Methode kann allerdings sehr schlecht konditionierte Transformationsmatrizen liefern, so da die Bestimmung der Standardform (2.58) mit Hilfe dieser Transformation nicht numerisch stabil realisiert werden kann. Numerisch stabile Verfahren zur Berechnung solcher Zerlegungen, die sich durch eine Verwendung von orthogonalen Transformationen (z.B. HouseholderTransformationen) auszeichnen, wurden unabhngig voneinana der von Nour Eldin (1977), Van Dooren (1981), Paige (1981) und Patel (1981) entwickelt. Die Standardform (2.58) kann auch mit der Matlab-Funktion ctrbf berechnet werden. Im Englischen wird diese Standardform auch Controllability Staircase Form genannt. (2.59)

2.5

Pole und Nullstellen linearer Mehrgrensysteme o

Fr Eingrensysteme sind die Pole und Nullstellen bekanntlich anhand der das Ein u o /Ausgangsverhalten beschreibenden Ubertragungsfunktion G(s) deniert. Im allgemeinen ist G(s) dabei eine gebrochen rationale Funktion mit einem Zhlerpolynom Z(s) und a einem Nennerpolynom N(s). Die Pole sind dann die Nullstellen des Nennerpolynoms N(s), und die Nullstellen sind die Nullstellen des Zhlerpolynoms Z(s). Diese fr Eina u grensysteme naheliegende Denition kann auf Mehrgrensysteme nicht unmittelbar o o ubertragen werden. Die Pole eines Mehrgrensystems knnen anhand einer besonderen o o Normalform, der SmithMcMillanForm, der Ubertragungsmatrix G(s) deniert werden. Anfang der siebziger Jahre befate sich Rosenbrock mit diesem Problemkreis und prgte a Begrie wie System, Ubertragungs und Entkopplungsnullstellen. Eine erste umfassende Darstellung des Begris Nullstellen von Mehrgrensystemen wurde 1976 von MacFaro lane und Karcanias verentlicht, die dort auch die Denition der Invarianten Nullstellen o vorstellten. Diese Denition ist fr eine Reihe von regelungstechnischen Problemstellunu gen von besonderem Interesse. 2.5.1 Pole und Nullstellen der Ubertragungsmatrix

Der Unterschied zwischen Ein und Mehrgrensystemen wird beim Versuch der Denitio on der Pole und Nullstellen eines Mehrgrensystems besonders deutlich. Das dynamische o Verhalten eines Eingrensystems lt sich durch eine gebrochen rationale Ubertragungso a funktion G(s) = Z(s) N(s) (2.60) Svaricek, 2011 21

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

beschreiben, wobei komplexe Zahlen sp , fr die der Nenner verschwindet (N(sp ) = 0), u die Pole und komplexe Zahlen sn , fr die der Zhler Z(s) zu Null wird (Z(sn ) = 0), die u a Nullstellen des Systems sind. Im Gegensatz dazu wird ein Mehrgrensystem durch eine Matrix von Ubertragungso funktionen G11 (s) G1m (s) . . . . G(s) = . . Gm1 (s) Gmm (s) (2.61)

beschrieben, wobei m die Anzahl der Ein und Ausgnge angibt. Jedes Matrixelement a charakterisiert dabei das Ubertragungsverhalten zwischen genau einem der m Ein und einem der m Ausgnge und ist fr technische Regelstrecken in der Regel eine echt gebrochen a u rationale Funktion in s. Alle m m Ubertragungsfunktionen besitzen also ihre eigenen Pole und Nullstellen, und es stellt sich die Frage: Welche dieser Pole und Nullstellen sollen als Pole und Nullstellen des Mehrgrensystems angesehen werden? o Bezglich der Pole ist die Gesamtheit der Pole aller einzelnen Ubertragungsfunktionen u in der Matrix (2.61) eine zunchst naheliegende Denition, da fr jeden Pol zumindest a u eine der Ubertragungsfunktionen unendlich wird und die Matrix G(s) dann ebenfalls nicht mehr endlich ist. Hierzu quivalent ist, wenn die Nullstellen des Hauptnenners aller a Einzelbertragungsfunktionen als Pole des Systems deniert werden. u Ist fr eine Regelstrecke ein Zustandsmodell (A,B,C) gegeben, so bestimmt sich die zuu gehrige Ubertragungsmatrix zu o C(sI A)adj B G(s) = , (2.62) det (sI A) wobei sich die Einzelbertragungsfunktionen aus u Gij (s) = cT (sI A)adj bj i det (sI A) (2.63)

ergeben. Dabei ist cT die ite Zeile von C und bj die jte Spalte von B. Das chai rakteristische Polynom C(s) = det (sI A) ist damit oensichtlich ein Hauptnenner polynom der Ubertragungsmatrix. Aufgrund von mglichen Krzungen zwischen den o u Zhler und Nennerpolynomen in den Ausdrcken Gij (s) werden allerdings die Pole der a u Ubertragungsmatrix im allgemeinen nicht alle Eigenwerte der Systemmatrix A enthalten. Versucht man nun, die Denition der Nullstellen eines Eingrensystems auf Mehrgreno o systeme zu verallgemeinern, so ist es wenig sinnvoll, wie zuvor die Gesamtheit der Null stellen der einzelnen Ubertragungsfunktionen als Nullstellen des Systems zu denieren, da z.B. die Matrix (2.61) nicht zu Null werden mu, wenn eine der Ubertragungsfunktionen Gij (s) fr eine Nullstelle verschwindet. Darber hinaus lt sich zeigen, da den Nullstelu u a len der Einzelbertragungsfunktionen eine weitere charakteristische Eigenschaft der Nullu stellen eines Eingrensystems fehlt, und zwar deren Invarianz3 gegenber Rckfhrungen. o u u u3

Durch eine Rckfhrung hervorgerufene Pol/Nullstellenkrzungen werden hierbei nicht betrachtet. u u u

Svaricek, 2011 22

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o Die Nullstellen einer Ubertragungsfunktion in der Matrix (2.61) werden vielmehr durch Rckkopplung eines Ausgangs auf einen Eingang, der nicht direkt zu der betrachteten u Ubertragungsfunktion gehrt, verschoben, weshalb sie in der Literatur auch als variante o Nullstellen eines Mehrgrensystems bezeichnet werden. Durch eine gezielte Verschiebung o dieser varianten Nullstellen knnen sogar zustzliche Entwurfsziele, wie z.B. Minimalphao a sigkeit einer Einzelbertragungsfunktion, erreicht werden. u Wrde man allerdings als Nullstellen der Ubertragungsmatrix nur diejenigen sWerte heru anziehen, fr die die Matrix (2.61) identisch verschwindet, so wrde ein System uberhaupt u u nur noch dann Nullstellen besitzen, wenn alle Zhlerpolynome der Matrix (2.61) einen gea meinsamen Faktor enthielten. Dies wrde aber dazu fhren, da ein Mehrgrensystem u u o per Denition in der Regel keine Nullstellen bese. Existieren derartige, die a Ubertragung vollstndig blockierende Nullstellen, so werden diese dann auch als Blockiea rungsnullstellen bezeichnet. Von MacFarlane wurde 1975 vorgeschlagen, da die komplexen sn Werte, die Rang G(sn ) < Normalrang G(s) (2.64)

erfllen, die Nullstellen der Ubertragungsmatrix genannt werden sollen. Eine Bestimu mung dieser Nullstellen kann allerdings dann zu Schwierigkeiten fhren, wenn die Uberu tragungsmatrix zusammenfallende Pole und Nullstellen besitzt, da fr diese sWerte dann u unendlich groe Matrixelemente entstehen und der Rang einer Matrix in diesem Fall nicht mehr eindeutig deniert ist. Als ein weiterer Nachteil dieser beiden Denitionsversuche mu angesehen werden, da die Ordnung oder Vielfachheit einer Nullstelle, die beispielsweise bei der Auslegung von Mehrgrenreglern von Interesse ist, nicht bestimmbar ist. o Die Ordnungen der Nullstellen lassen sich an einer entsprechenden Normalform aller dings leicht ablesen, so da die Pole und Nullstellen einer Ubertragungsmatrix inzwischen ublicherweise mit Hilfe der diagonalen SmithMcMillanNormalform (vgl. Anhang A.3) von G(s) deniert werden: Denition 2.10 Die Nullstellen der elementaren Nennerpolynome Ni (s), i = 1, ..., der Smith McMillanNormalform von G(s) mit dem Normalrang von G(s) sind die Pole der Ubertragungsmatrix G(s) bzw. die Ubertragungspole (UP) eines Systems (A,B,C). Denition 2.11 Die Nullstellen der elementaren Zhlerpolynome Zi (s), i = 1, ..., der Smith a McMillanNormalform von G(s) sind die Nullstellen der Ubertragungsmatrix G(s) bzw. die Ubertragungsnullstellen (UN) eines Systems (A,B,C), wobei der Normalrang von G(s) ist. Zur Verdeutlichung der zuvor angegebenen Denitionen der Ubertragungspole bzw. nullstellen eines Mehrgrensystems dienen die folgenden Beispiele. Das erste Beispiel o Svaricek, 2011 23

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o zeigt, da die Ubertragungsmatrix eines MIMOSystems Pole und Nullstellen an der gleichen Stelle haben kann und das die Denitionen 2.10 und 2.11 auch auf Systeme mit einer unterschiedlichen Anzahl von Ein und Ausgngen angewendet werden knnen. a o Beispiel 2.3 Fr die Ubertragungsmatrix u 1 s+1 1 s 1 0 1 s+2 s1 (s + 1)(s + 2) . 1 s+2

G(s) =

ergibt sich folgende McMillanNormalform: 1 1 (s + 1)(s + 2)(s 1) S{Z(s)} = M{G(s)} = H(s) 0 Aus den Nullstellen der beiden Nennerpolynome N1 (s) = (s + 1)(s + 2)(s 1), N2 (s) = s + 2 0 0

s1 0 s+2

.

bestimmen sich die Ubertragungspole zu {2, 2, 1, 1} und aus dem Zhlerpolynom a Z2 (s) = (s 1) eine Ubertragungsnullstelle bei s = 1. Alle Pole und Nullstelle haben eine Ordnung von 1, da die beiden Pole bei s = 2 in zwei verschiedenen elementaren Nennerpolynomen enthalten sind. Darber hinaus zeigt dieses Beispiel, da eine u Ubertragungsmatrix im Gegensatz zur Ubertragungsfunktion in ihrer Lage uberein stimmende Pole und Nullstellen besitzen kann, da sich diese Pole und Nullstellen nicht wegkrzen, wenn sie wie in diesem Beispiel in unterschiedlichen u Ubertragungsfunktionen der SmithMcMillanForm auftreten. Das nchste Beispiel wird zeigen, da die Ubertragungsmatrix Nullstellen haben kann, a die in den einzelnen Elementen der Ubertragungsmatrix nicht auftauchen. Beispiel 2.4 Gegeben ist die Ubertragungsmatrix (s 1) (s + 1)(s + 2) G(s) = 4, 5 (s + 2) 4 (s + 2) 2(s 1) (s + 1)(s + 2)

.

Svaricek, 2011 24

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Gesucht ist die zugehrige SmithMcMillanForm M(s). Mit dem Hauptnenner o aller Elemente von G(s), H(s) = (s + 1)(s + 2), ergibt sich die zugehrige Polynomo matrix Z(s) zu Z(s) = H(s)G(s) = (s 1) 4(s + 1) .

4, 5(s + 1) 2(s 1)

Gesucht ist jetzt als erstes die Smithsche Normalform von Z(s). Nach Gl. (A.5) erhlt man die Elementarpolynome von Z(s) aus der Beziehung a ik (s) = dk (s) , dk1 (s) i = 1, 2

mit d0 (s) 1. Der gemeinsame Determinantenteiler der Minoren 1ter Ordnung von Z(s) ist d1 (s) = 1 und damit: i1 (s) = d1 (s) 1 = = 1. d0 (s) 1

Die Berechnung der Determinante von Z(s) |Z| = 2(s 1)2 18(s + 1)2 = 2s2 4s + 2 18s2 36s 18 = 16(s2 + 2.5s + 1) liefert den Determinantenteiler d2 (s): d2 (s) = (s + 2)(s + 0, 5). Damit ergibt sich das zweite Elementarpolynom zu: i2 (s) = d2 (s) (s + 2)(s + 0, 5) = = (s + 2)(s + 0, 5) d1 (s) 1

und die Smithsche Normalform von Z(s) zu S{Z(s)} = 1 0 .

0 (s + 2)(s + 0, 5)

Fr die Bestimmung der McMillanNormalform werden jetzt wieder die Diagonalu elemente ik (s) durch das Hauptnennerpolynom H(s) dividiert. Nach Krzung der u gemeinsamen Linearfaktoren hat die McMillanNormalform von G(s) dieses Aussehen: 1 0 1 (s + 1)(s + 2) S{Z(s)} = M{G(s)} = s + 0, 5 . H(s) 0 s+1 Svaricek, 2011 25

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o Das bedeutet, die Ubertragungsmatrix G(s) besitzt eine Nullstelle bei s = 0, 5 sowie einen Pol erster Ordnung bei s = 2 und 2 Pole erster Ordnung bei s = 1. Ein Vergleich mit den Einzelbertragungsfunktionen der Ubertragungsmatrix u liefert: zwei dieser Funktionen haben zwar eine Nullstelle bei s = 1, aber keine Ubertragungsfunktion hat eine Nullstelle bei s = 0, 5. 2 2.5.2 Nullstellen der RosenbrockSystemmatrix

Die Pole und Nullstellen der Ubertragungsmatrix eines linearen Systems, die bekanntlich ausschlielich das Ein/Ausgangsverhalten beschreibt, wurden im vorhergehenden Abschnitt eingehend betrachtet. Bestimmt man fr ein gegebenes Zustandsmodell (A,B,C) u die zugehrige Ubertragungsmatrix mit Hilfe der Gl. (2.62), so sind die Ubertragungspole o bedingt durch mgliche Pol/Nullstellenkrzungen in den Einzelbertragungsfunktionen o u u (2.63) i.a. nur eine Teilmenge der Eigenwerte der Systemmatrix A. Die gekrzten Eigenu werte der Matrix A korrespondieren dabei zu den Eigenbewegungen des Systems, die von auen nicht erkennbar (beobachtbar) und/oder nicht beeinubar (steuerbar) sind. Diese nicht steuer und/oder beobachtbaren Eigenwerte eines Systems bezeichnet Rosenbrock (1970) auch als Entkopplungsnullstellen (EN), wobei er wie folgt unterscheidet: Die komplexen Zahlen s0 , die Rang [ s0 I A, B ] < n (2.65)

erfllen, sind die EingangsEntkopplungsnullstellen (EEN) eines linearen Systems (A,B,C). u Dementsprechend sind komplexe Zahlen s0 , fr die u Rang s0 I A C < n (2.66)

gilt, AusgangsEntkopplungsnullstellen (AEN) und komplexe Zahlen s0 , die sowohl den Bedingungen (2.65) als auch (2.66) gengen, EingangsAusgangsEntkopplungsnullstellen u (EAEN) des Systems. Die Liste {EN} der Entkopplungsnullstellen ergibt sich dann aus den Listen der {EEN}, {AEN} und {EAEN} zu: {EN} = {EEN, AEN} {EAEN}. (2.67)

Bei den Denitionen (2.65) und (2.66) gibt es genauso wie bei den Kriterien (2.29) und (2.39) von Hautus im Fall von mehrfachen Eigenwerten das Problem, da keine Aussagen uber die Vielfachheit einer Entkopplungsnullstelle getroen werden kann. Dieses Problem gibt es bei den folgenden alternativen Denitionen nicht: Die EingangsEntkopplungsnullstellen sind die Nullstellen der Elementarpolynome von PE (s) = [ sI A, B ] (2.68) Svaricek, 2011 26

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

und die AusgangsEntkopplungsnullstellen sind die Nullstellen der Elementarpolynome von PA (s) = sI A C . (2.69)

In der Mitte der siebziger Jahre grien MacFarlane und Karcanias eine weitere von Rosenbrock 1973 angegebene Denition der Nullstellen von MIMOSystemen wieder auf und nannten diese anhand der invarianten Polynome der RosenbrockSystemmatrix denierten Nullstellen die Invarianten Nullstellen eines Systems (A,B,C). Denition 2.12 (MacFarlane und Karcanias 1976) Die Nullstellen der invarianten Polynome (Elementarpolynome) p1 (s), .. .., pr (s) der RosenbrockSystemmatrix P(s), wobei r der Normalrang von P(s) ist, sind die Invarianten Nullstellen4 (IN) eines Systems (A,B,C). Fr quadratische, nicht degenerierte (Normalrang P(s) = n + m) Systeme sind die Invau rianten Nullstellen identisch mit den Nullstellen der Gleichung det P(s) = 0. 2.5.3 Eigenschaften der Nullstellen von Mehrgrensystemen o (2.70)

Die Invarianz der Nullstellen der Ubertragungsfunktion gegenber statischen Ausgangsu rckfhrungen ist eine charakteristische Eigenschaft der Nullstellen von Eingrensystemen. u u o Von den vorgestellten Nullstellen von Mehrgrensystemen sind nur die Invarianten Nullo stellen gegenber den bekannten statischen Rckfhrungen und regulren Transformatiou u u a nen invariant. Das bedeutet, die IN knnen durch folgende Operationen nicht verndert o a werden (Bild 2.4): 1. Durch eine regulre Koordinatentransformation a x(t) = Tx(t), det T = 0 (2.71)

mit der n n Transformationsmatrix T und dem Vektor x der transformierten Zustandsgre. o 2. Durch die Verwendung eines regulren Vorlters a u(t) = Vw(t), det V = 0 (2.72)

mit der m m Vorltermatrix V und dem Fhrungsvektor w(t). u4

Der Name Invariante Nullstellen bezieht sich daher auf deren Zusammenhang mit den invarianten Polynomen und nicht auf die im weiteren dargestellten Invarianzeigenschaften und soll daher als Eigenname verstanden werden.

Svaricek, 2011 27

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

3. Durch eine Zustandsvektorrckfhrung u u u(t) = Kx(t) + w(t) mit der m n Reglermatrix K und dem Fhrungsvektor w(t). u 4. Durch eine Ausgangsvektorrckfhrung u u u(t) = Ry(t) + w(t) mit der m m Reglermatrix R und dem Fhrungsvektor w(t). u (2.74) (2.73)

wH

V

u HAh H BA

x _ H h HA

R T K

H HR

H H

T

1

x

H

C

H

y

AH

Bild 2.4: Transformationen, gegenber denen die Nullstellen invariant sind u Exemplarisch soll hier der Beweis fr die Invarianz gegenber Zustandsrckfhrungen u u u u kurz dargestellt werden. Die anderen Invarianzeigenschaften lassen sich entsprechend beweisen. Die RosenbrockSystemmatrix Pg (s) des mit u(t) = Kx(t) + w(t) geregelten Systems lautet Pg (s) = sI (A BK) B C 0 . (2.76) (2.75)

Diese Systemmatrix des geschlossenen Systems kann jetzt in folgendes Matrizenprodukt aufgespaltet werden: Pg (s) = sI A B C 0 I 0 K I . (2.77)

Da die Elementarpolynome einer Polynommatrix durch die Multiplikation mit einer konstanten, regulren Matrix nicht verndert werden (vgl. Anhang A), folgt aus (2.77), da a a die Invarianten Nullstellen durch eine Zustandsrckfhrung nicht beeinut werden. u u Allerdings sind sowohl die Anzahl der Ubertragungs als auch die Anzahl der Entkopplungsnullstellen gegenber einer Zustandsrckfhrung nicht invariant. So kann z.B. ein beu u u obachtbarer Eigenwert durch eine Zustandsrckfhrung unbeobachtbar gemacht werden, u u Svaricek, 2011 28

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o indem man diesen auf eine UN legt und so kompensiert. Innerhalb der Invarianten Null stellen wird dann aus einer Ubertragungsnullstelle eine AusgangsEntkopplungsnullstelle. Eine weitere charakteristische Eigenschaft der IN ist das sogenannte Ubertragungs blockierungsverhalten (vgl. Beispiel im Anhang B), bei dem der Ausgang identisch Null ist fr nicht verschwindende Eingangs und Zustandsgren. Fr Systeme (A,B,C) u o u existieren dann komplexe Zahlen z und zugehrige Vektoren xz , uz in der Form, da o zI A B C 0 xz uz = 0 (2.78)

gilt. Diese Gleichung kann allerdings nur dann erfllt sein, wenn die RosenbrockSystemu matrix P(s) fr s = z einen Rang besitzt, der kleiner als ihr Normalrang ist. Ein solcher u Rangdefekt tritt aber nur dann auf, wenn der Wert s = z mit der Wurzel eines Elementarpolynoms von P(s) ubereinstimmt und somit eine Invariante Nullstelle ist. Fr die u T T T Richtung des zu der Invarianten Nullstelle z korrespondierenden Vektors [xz uz ] wird von MacFarlane und Karcanias (1976) der Begri Nullstellenrichtung eingefhrt. Der u Vektor xz bestimmt dabei die Nullstellenrichtung im Zustandsraum und der Vektor uz die Nullstellenrichtung im Eingangsraum. Wird ein System jetzt mit u(t) = uezt (2.79)

erregt, so hat das System genau dann eine identisch verschwindende Ausgangsgre o y(t) = 0 fr alle t 0, u wenn i) der Wert z eine IN ist, ii) der Vektor u die zugehrige EingangsNullstellenrichtung hat, o iii) der Systemanfangszustand x0 identisch ist mit der zugehrigen ZustandsNullstelo lenrichtung xz . Der Verlauf der Zustandsgren ergibt sich dabei aus o x(t) = xz ezt . (2.81) (2.80)

Das Auftreten eines Blockierungsverhaltens ist also nur mglich, wenn das System Invario ante Nullstellen besitzt. Identisch Null wird die Ausgangsgre allerdings nur dann, wenn o die Vektoren u und x0 die oben genannten Bedingungen erfllen. u Die Lage der endlichen Nullstellen der Ubertragungsfunktion G(s) beeinut entscheidend das Stabilittsverhalten eines Eingrenregelkreises bei der Verwendung einer hohen a o Rckfhrverstrkung (high gain feedback), da bekanntlich ein Teil der Pole des geschlosu u a senen Systems fr k zu den Nullstellen des oenen Systems wandert. u Svaricek, 2011 29

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Bei quadratischen, nicht degenerierten Mehrgrensystemen (A,B,C) kann dieses Verhalo ten der Pole bei der Verwendung der speziellen Ausgangsvektorrckfhrung u u u(t) = ky(t) + w(t) (2.82)

fr k ebenfalls beobachtet werden, da auch bei diesen Systemen ein Teil der steuer u und beobachtbaren Pole des geregelten Systems zu den UN des oenen Systems wandert. Die Lage der UN mu somit besonders bei der Auslegung von statischen, dezentralen Ausgangsrckfhrungen fr quadratische Mehrgrensysteme bercksichtigt werden. u u u o u Insbesondere auch fr eine Verallgemeinerung des Konzeptes der Nullstellen im Endlichen u auf nichtlineare Systeme sind folgende Nullstelleneigenschaften von Interesse: Die Nullstellen eines invertierbaren Systems sind mit den Polen des inversen Systems identisch. Die Anzahl der Ubertragungsnullstellen gibt die maximale Dimension des Raumes an, der mit Hilfe einer geeigneten statischen Zustandsrckfhrung unbeobachtbar u u gemacht werden kann. Der durch eine Zustandsrckfhrung unbeobachtbar zu mau u chende Systemteil beschreibt die Nulldynamik des Systems (Schwarz 1991). 2.5.4 Anzahl der Nullstellen eines Mehrgrensystems o

Wie weiter oben bereits erlutert, stimmen die EN mit den nicht steuer und/oder beoba achtbaren Eigenwerten uberein. Zwischen der Anzahl der EEN und dem Rangdefekt der Steuerbarkeitsmatrix QS besteht also ein eindeutiger Zusammenhang: Satz 2.8 Die Anzahl der EingangsEntkopplungsnullstellen ist identisch mit dem Rangdefekt der Steuerbarkeitsmatrix QS = [ B, AB, . . . , An1B ]. (2.83)

Aufgrund der Dualitt von Steuer und Beobachtbarkeit (vgl. Abschnitt 2.3.1) gilt analog a hierzu fr die Anzahl der AEN: u Satz 2.9 Die Anzahl der AusgangsEntkopplungsnullstellen ist identisch mit dem Rangdefekt der Beobachtbarkeitsmatrix QB = [ CT , (CA)T , . . . , (CAn1)T ]. (2.84)

Fr die Anzahl der Invarianten Nullstellen, die fr die betrachteten Systeme ohne direkten u u Durchgri stets kleiner als n ist, kann allgemein nur folgende Abschtzung angegeben a werden. Svaricek, 2011 30

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Satz 2.10 Ein lineares System (A,B,C) mit m Ein und Ausgangsgren besitzt hchstens o o n m Invariante Nullstellen. Fr quadratische Systeme mit Rang CB = m kann die Anzahl der IN explizit angegeben u werden. Satz 2.11 Ein quadratisches System (A,B,C) mit Rang CB = m besitzt genau n m Invariante Nullstellen. Ist die Bedingung Rang CB = m nicht erfllt, so gilt fr quadratische Systeme noch u u folgende Abschtzung: a Satz 2.12 Ein quadratisches, nicht degeneriertes System (A,B,C) besitzt hchstens n m d o Invariante Nullstellen, wenn die Matrix CB einen Rangdefekt d aufweist. 2.5.5 Physikalische Interpretation der Pole und Nullstellen

Betrachtet man Systeme, deren innere Struktur vollstndig durch diskrete Terme der a Massen und Energiespeicherung bzw. der Energieumwandlung beschreibbar sind, so knnen in diesem Fall die verschiedenen Aspekte des Systemverhaltens mit den Begrifo fen Energie, Leistung und Information in Verbindung gebracht werden. Die Matrizen A,B,C, die ein System in Zustandsraumdarstellung beschreiben, haben dann folgende physikalische Bedeutung (vgl. Bild 2.5):

Die Matrix A beschreibt die Energieumwandlung innerhalb des Systems. Die Matrix B beschreibt die Leistungsbertragung zwischen den Systemeingngen u a und den Zustandsgren des Systems. o Die Matrix C beschreibt die Informationsbertragung zwischen den Zustandsgren u o und den Systemausgngen. a Die Matrix A reprsentiert dabei innere Mechanismen, die zu einem Verbrauch bzw. zu a einer Umwandlung von Energie innerhalb des Systems fhren. Eine Untermenge ihrer u Eigenwerte bilden die UbertragungsPole. Die Eigenwerte haben die physikalische Dimension von inversen Zeitkonstanten. Bekanntlich sind die Zeitkonstanten bestimmend fr u das Zeitverhalten von Eingrensystemen. Dies gilt analog auch fr Mehrgrensysteme. o u o Die Zeitkonstanten von Mehrgrensystemen ergeben sich also aus den Ubertragungs o Polen des Systems. Darber hinaus korrespondieren diese Werte der Ubertragungspole u zu Frequenzen von Bewegungen, die vom System selbst erzeugt werden, d.h. am Ausgang auftreten, ohne da eine entsprechende Anregung am Eingang vorliegt. Die Ordnung k Svaricek, 2011 31

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Eingangsraum

Ausgangsraum>

Leistungs Ubertragungsvorschrift B

~

Informations Ubertragungsvorschrift CZustandsraum

-

Energieumwandlungsvorschrift A Bild 2.5: Physikalische Interpretation der Matrizen A,B,C eines Pols bei s = p ist dann gleich der maximalen Anzahl unabhngiger Bewegungen der a pt pt k1 pt Form e , te , ..., t e . Die Matrix B reprsentiert die Kopplungen zwischen der Information am Eingang (Eina gangssignale) und der Leistung, die zur Beeinussung der Systemzustnde verfgbar ist. a u Die Matrix C reprsentiert die Kopplungen zwischen der Energie der Systemzustnde a a und der Information, die in den Ausgangssignalen zur Verfgung steht. u Die Ubertragungsmatrix reprsentiert die Art und Weise der Informations und Enera giebertragung durch das System. u Die Ubertragungspole charakterisieren oenbar gerade die inneren energetischen Prozesse, die sowohl mit den Eingngen als auch mit den Ausgngen des Systems verbunden a a sind. Demgegenber reprsentieren die Nullstellen die Natur der Kopplungen zwischen u a den Zustandsgren und der ueren Umgebung. Die Pole eines vollstndig steuerbaren o a a Systems lassen sich bekanntlich mit Hilfe einer konstanten Zustandsrckfhrung beliebig u u beeinussen. Im Gegensatz dazu ist eine Vorgabe der Nullstellen nur durch eine geeignete Wahl der Ein und Ausgangskopplung (der Matrizen B und C) mglich. o Eine weitere physikalische Interpretation der Nullstellen ist aus folgender Sicht mglich: o Die Nullstellen resultieren aus einem unwiederbringlichen Informationsverlust uber den Zustand des Systems. Diese Betrachtungsweise ergibt sich aus der bereits an gesprochenen Tatsache, da Nullstellen fr bestimmte Frequenzen die Ubertragung u Svaricek, 2011 32

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

durch das System blockieren. Das bedeutet, der Wert einer Nullstelle korrespondiert zu einer Frequenz, die von dem System absorbiert werden kann und daher trotz entsprechender Eingangserregung am Ausgang nicht mehr sichtbar ist. Die maximale Anzahl unabhngiger Bewegungen, die von einem System bei einer Frequenz absora biert werden kann, ist dann wieder durch die Ordnung der entsprechenden Nullstelle gegeben. Diese physikalischen Interpretationen verdeutlichen, da die Nullstellen eine wichtige Rolle fr die Regelung von Mehrgrensystemen mittels Ausgangsrckfhrungen spielen. Dieses u o u u gilt insbesondere dann, wenn Rckfhrungen mit hohen Verstrkungen zugelassen werden u u a oder der Regler die Nullstellen des oenen Systems kompensiert. Derartige Verfahren knnen oensichtlich nur dann eingesetzt werden, wenn das betrachtete System keine o Nullstellen in der rechten sHalbebene besitzt. Sollen unerwnschte Nullstellen, z.B. in u der rechten sHalbebene, beseitigt werden, so ist dies nur durch eine Modizierung des Systems (A,B,C) mglich. Hierzu bieten sich beispielsweise neben einer Modizierung o des Stell und/oder Meeingris auch zustzliche Stell und/oder Megren an. In der a o Praxis wird man dabei in erster Linie versuchen, die Anzahl der Megren zu variieren, o weil dies technisch im allgemeinen weniger aufwendig ist als der Einsatz zustzlicher a Stellgren. o Die zuletzt dargestellten Zusammenhnge zeigen auf, da nicht nur die Vorgabe der Lage a der Pole, sondern auch eine Vorgabe der Lage der Nullstellen wnschenswert sein kann. u Insbesondere in einem frhen Stadium des Systementwurfs ist es im allgemeinen mglich, u o die Lage der Nullstellen durch eine entsprechende Wahl der Ein und Ausgnge posia tiv zu beeinussen. Eine gnstige Verteilung der Nullstellen kann den anschlieenden u Reglerentwurf dann erheblich vereinfachen. 2.5.6 Zusammenfassung

Die wichtigsten Begrie und Zusammenhnge bezglich der Pole und Nullstellen von a u Mehrgrensystemen sind im folgenden noch einmal zusammengestellt: o Die Pole der Ubertragungsmatrix (Ubertragungspole, UP) sind die Nullstellen der elementaren Nennerpolynome der SmithMcMillanNormalform der Ubertragungsmatrix G(s), wobei folgender Zusammenhang gilt: {UP} = {i (A)} \ {EN}. (2.85)

Mit anderen Worten setzt sich die Liste der Eigenwerte der Systemmatrix aus den Listen der Ubertragungspole und der Entkopplungsnullstellen zusammen. Aus diesem Zusammenhang folgt unmittelbar, da bei einem vollstndig steuer- und a beobachtbaren System (A,B,C) die Eigenwerte der Systemmatrix A identisch mit den Ubertragungspolen sind. Svaricek, 2011 33

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o Wenn das System (A,B,C) stabil ist, genau dann ist auch die Ubertragungsmatrix G(s) stabil. Die Umkehrung der Aussage gilt i.a. nicht, da das System (A,B,C) instabile Entkopplungsnullstellen haben kann. Die Nullstellen der Ubertragungsmatrix (Ubertragungsnullstellen, UN) sind die Null stellen der elementaren Zhlerpolynome der SmithMcMillanNormalform der Ubera tragungsmatrix G(s). Ein MIMO-System kann Ubertragungspole und Ubertragungsnullstellen an der gleichen Stelle haben, ohne da eine Krzung auftritt (Beispiel 2.3). u Die Ubertragungsnullstellen mssen keine Nullstellen der Einzelbertragungsfunku u tionen der Ubertragungsmatrix sein (Beispiel 2.4). Die Anzahl der Ubertragungsnullstellen kann durch eine Zustandsrckfhrungen u u verndert werden, da Ubertragungsnullstellen durch eine Zustandsrckfhrung zu a u u Entkopplungsnullstellen gemacht werden knnen. o Anhand der RosenbrockSystemmatrix kann man Entkopplungsnullstellen (EN) und Invariante Nullstellen (IN) denieren. Die Liste der Entkopplungsnullstellen setzt sich zusammen aus der Liste der Eingangsentkopplungsnullstellen (EEN, nicht steuerbare Eigenwerte) und der Liste der Ausgangsentkopplungsnullstellen (AEN, nicht beobachtbare Eigenwerte) von der die Liste der EinAusgangsentkopplungsnullstellen (EAEN, nicht steuer- und beobachtbare Eigenwerte) abzuziehen ist.

Bild 2.6: Aufteilung der EN in EEN, AEN und EAEN Die Invarianten Nullstellen (IN) sind die Nullstellen der invarianten Polynome (Elementarpolynome) der Smithschen Normalform der RosenbrockSystemmatrix P(s).

Svaricek, 2011 34

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Die Invarianten Nullstellen sind gegenber regulren Transformationen des Einu a gangs, Ausgangs, und Zustandsvektors sowie gegenber Ausgangs und Zustandsu rckfhrungen invariant. u u Zwischen den Invarianten Nullstellen und den Ubertragungsnullstellen besteht folgender Zusammenhang: {IN} = {UN} {EN}. (2.86)

Aus diesem Zusammenhang folgt unmittelbar, da ein quadratisches System (A,B,C), das keine Invarianten Nullstellen hat, vollstndig steuer und beobachtbar ist. a Sind die Invarianten Nullstellen und die Eigenwerte der Systemmatrix A verschieden, so kann das System (A,B,C) keine Entkopplungsnullstellen haben und ist daher vollstndig steuer und beobachtbar. a Die Umkehrung gilt nicht, da ein Eigenwert von A auch Ubertragungsnullstelle sein kann (vgl. Beispiel 2.3). Ein lineares System (A,B,C) mit m Ein und Ausgangsgren besitzt hchstens o o n m Invariante Nullstellen.

2.6

Realisierung von Mehrgrensystemen o

Fr ein lineares System in einer Zustandsdarstellung (A,B,C) ist es sehr einfach die u zugehrige Ubertragungsmatrix G(s) zu bestimmen. Die umgekehrte Aufgabe, das soo genannte Realisierungsproblem besteht darin, zu einer gegebenen Ubertragungsfunktion G(s) bzw. Ubertragungsmatrix G(s) die Matrizen A, B, C einer Zustandsdarstellung der Form (2.1) zu nden. Dieses Realisierungsproblem ist wesentlich schwerer zu lsen. o Der Begri der Realisierung stammt aus der Zeit, als zur Simulation des Ubertragungsverhaltens eines dynamischen Systems nur Analogrechner zur Verfgung standen. Zur Realiu sierung einer solchen Analogrechnerschaltung mute fr eine Ubertragungsmatrix zunchst u a ein zugehriges Zustandsraummodell gefunden werden. Hierbei ist zu bercksichtigen, da o u beliebig viele Zustandsmodelle existieren, die das gleiche Ubertragungsverhalten haben. Von besonderem Interesse sind jene Zustandsrealisierungen, die eine minimale Anzahl von Zustandsgren haben. Diese Realisierungen werden auch als Minimalrealisierung o der Ubertragungsfunktion G(s) bzw. der Ubertragungsmatrix G(s) bezeichnet. Denition 2.13 Minimalrealisierung Ein Zustandsraummodell (A, B, C) ist eine Minimalrealisierung der Ubertragungsmatrix G(s), wenn G(s) = C(sI A)1B gilt und (A, B, C) vollstndig steuer und beobachtbar ist. a Svaricek, 2011 35 (2.87)

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Die Ordnung einer Minimalrealisierung (Anzahl der Zustandsgren) wird durch die Ano zahl der Pole der Ubertragungsmatrix festgelegt. Die Anzahl der Ubertragungspole ist dabei mit der Summe der Grade der elementaren Nennerpolynome der SmithMcMillan Form der zu realisierenden Ubertragungsmatrix identisch. Das Realisierungsproblem kann fr Eingrensysteme immer dann gelst werden, wenn u o o die folgende Realisierbarkeitsbedingung erfllt ist. u Satz 2.13 Realisierbarkeit einer Ubertragungsfunktion Eine Ubertragungsfunktion G(s) = Z(s) N(s) (2.88)

mit dem Zhler und Nennerpolynom Z(s) und N(s) ist genau dann realisierbar, a wenn grad Z(s) grad N(s) oder quivalent dazu as

lim |G(s)| <

(2.89)

gilt. In der englischsprachigen Literatur bezeichnet man eine Ubertragungsfunktion G(s) mit grad Z(s) grad N(s) auch als proper bzw. fr grad Z(s) < grad N(s) als strictly u proper. Aus einer Polynomdivision von Z(s) durch N(s) folgt unmittelbar, da fr grad u Z(s) > grad N(s) in der zugehrigen Zustandsdarstellung Ableitungen der Eingangso gre u(t) auftreten mssen, die man mit einem Zustandsmodell (2.1) nicht realisieren o u kann. Um fr eine Ubertragungsfunktion G(s) eine Minimalrealisierung zu nden, mssen u u die Polynome Z(s) und N(s) in (2.88) teilerfremd sein. Fr eine echt gebrochene (strictly proper) Ubertragungsfunktion u G(s) = b0 + b1 s + + bn1 sn1 Z(s) = = cT [Is AR ]1 bR , R n1 + sn N(s) a0 + a1 s + + an1 s (2.90)

kann eine Minimalrealisierung mit Hilfe der im Skript RT angegebenen Regelungs- bzw. Beobachtungsnormalform direkt angegeben werden. Hierbei wird vorausgesetzt, da die Polynome Z(s) und N(s) teilerfremd sind, und das Nennerpolynom ein Hauptpolynom5 ist, d.h. der hchstwertigste Koezient von N(s) ist 1. o 0 0 . . . 1 0 . . . 0 1 . . . 0 0 0 0 . . .

x(t) = 5

0 0 a0 a1 b1

0 1 an1 b2

y(t) = [ b0

bn1 ] x(t)

x(t) + 0 1

u(t) ,

(2.91)

Hauptpolynome werden auch normierte oder monische Polynome genannt.

Svaricek, 2011 36

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

oder abgekrzt u x(t) = AR x(t) + bR u(t) , y(t) = cT x(t) . R (2.92)

Die Systemmatrix AR ist von Frobeniuskanonischer Form und liefert das charakteristische Polynom des Systems in den Koezienten ai . Diese Polynomkoezienten sowie auch die Elemente des Zeilenvektors cT sind so bezeichnet, da der Zusammenhang mit den R Zhler und Nennerpolynomen der zugehrigen Ubertragungsfunktionen (2.90) sogleich a o erkennbar wird. Eine Minimalrealisierung 0 0 1 0 0 1 xB (t) = . . 0 . . . . . . . 0 0 mit Hilfe der Beobachtungsnormalform ist: 0 a0 b0 b1 0 a1 . . . . . 0 0 . xB (t) + . u(t) . .. .. . . . . . . . . . .. bn2 . 1 0 an2 bn1 0 1 an1 0 1 ]xB (t)

(2.93)

y(t) = [ 0 0

Diese Minimalrealisierungen einer Ubertragungsfunktion knnen zur Konstruktion einer o im allgemeinen nicht minimalen Realisierung einer Ubertragungsmatrix verwendet wer den. Hierzu sei Gi die ite Zeile der Ubertragungsmatrix (2.12) und Yi (s) die ite Komponente des Ausgangsvektors. Damit erhlt man aus a Y(s) = G(s)U(s) die Darstellung G1 (s) Y1 (s) . . . . U(s) . = . . Gm (s) Ym (s) Yi (s) = Gi U(s) (2.94)

(2.95)

Jetzt realisiert man jede Ausgangsgre o (2.96)

mittels z.B. der Beobachtungsnormalform und kombiniert dann diese m Zustandsmodelle zu der gesuchten Realisierung von G(s). Zur Realisierung der i-ten Zeile der Ubertragungsmatrix G(s) schreibt man die Zeile als Gi (s) = 1 hi (s) Zi1 (s) Zim (s) (2.97)

Svaricek, 2011 37

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

mit dem Hauptnennerpolynom Die Polynome Nij (s) in der iten Zeile haben alle einen Grad der kleiner als ki ist und somit folgende allgemeine Form: Eine Realisierung (Ai , Bi , ci ) der 0 0 1 0 0 1 0 Ai = . . 0 ... ... . . . .. . 1 . . . . 0 0 0 ci = 0 Zij (s) = bj i 1,i ski 1 + bj i 2,i ski 2 + + bj . 0,i k k (2.99) Zeile Gi (s) in Beobachtungsnormalform ist dann durch 1 m 0 a0,i b0,i b0,i m b1 0 a1,i b1,i 1,i . . . . . . . . 0 . . . . Bi = . . . . . . . . . . . . . . . 1 bk 2,i bm2,i 0 aki 2,i ki i 1 m bki 1,i bki 1,i 1 aki 1,i 0 0 1 (2.100) hi (s) = ski + aki 1,1 ski 1 + + a0,1 . (2.98)

gegeben. Die gesuchte Realisierung (A,B,C) der Ubertragungsmatrix G(s) ist dann: A1 0 0 B1 . B2 . 0 A2 . . . . A = . . B = . .. . .. . . 0 . . Bm 0 0 Am C = c1 0 . . . 0 c2 .. . .. . .. . 0 0 . . . . 0 cm

(2.101)

(2.102)

Diese Realisierung ist vollstndig beobachtbar aber im allgemeinen nicht vollstndig steua a erbar. Die MATLABFunktion msys = minreal(sys) liefert dann die gesuchte Minimalrealisierung. Mit Hilfe dieser Methode wird im folgenden Beispiel fr die Ubertragungsmatrix aus u Beispiel 2.4 eine Realisierung bestimmt. Beispiel 2.5 Betrachtet wird die Ubertragungsmatrix aus Beispiel 2.4: s1 4 (s + 1)(s + 2) s+2 . G(s) = 4, 5 2s 2 s+2 (s + 1)(s + 2) Svaricek, 2011 38

0

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o Gesucht ist ein Zustandsraummodell, dessen Ubertragungsverhalten durch diese Ubertragungsmatrix beschrieben wird. Zunchst wird die erste Zeile der Ubertragungsmatrix realisiert, d.h. es wird ein a Zustandsraummodell gesucht, das das Ubertragungsverhalten Y1 (s) = G11 (s)U1 (s) + G12 U2 (s) hat. Hierzu wird zunchst die erste Zeile der Ubertragungsmatrix entsprechend der a Gl. (2.97) notiert: G1 (s) = 1 s2 + 3s + 2 (s 1) 4(s + 1) .

Die Ordnung des Hauptnennerpolynoms h1 (s) = s2 + 3s + 2 (2.103)

bestimmt die Ordnung der Realisierung (A1 , b1 , C1 ) der Zeile G1 (s) , so da man mit Hilfe von (2.100) ein Zustandsmodell in Beobachtungsnormalform mit 2 Zustandsgren, einer Eingangsgre und 2 Ausgangsgren erhlt: o o o a A1 = c1 = 0 2 1 3 0 1 . B1 = 1 4 1 4

Entsprechend kann man fr die zweite Zeile u G2 (s) = 1 + 3s + 2 4, 5(s + 1) 2(s 1)

s2

ebenfalls eine Realisierung zweiter Ordnung angeben: A2 = c2 = 0 2 1 3 0 1 . B2 = 4, 5 2 4, 5 2

Svaricek, 2011 39

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

Ein Zusammenfhren der beiden Teilmodelle liefert die gesuchte Realisierung (A,B,C) u der Ubertragungsmatrix mit A = C = A1 0 0 A2 c1 0 0 c2 . . . . . . B = B1 B2

1 4 1 3 1 0 0 4 A = B = . 0 4, 5 2 . 0 . 0 2 . 4, 5 2 . 0 0 . 1 3 . . 0 1 . 0 0 C = . . . . 0 1 0 0 0 2 0 0

Nullstelle bei s = 0, 5 hat (vgl. SmithMcMillanForm in Beispiel 2.4). Diese Entkopplungsnullstelle kann nur eine Eingangsentkopplungsnullstelle sein, da die Realisierung aufgrund ihrer Konstruktion auf jeden Fall vollstndig beobachtbar a ist. Berechnet man die Eingangsentkopplungsnullstellen der Realisierung mittels des MATLABAufrufes tzero(A,B,0,0), so erhlt man {EEN} = {2}. Also ist ein a Eigenwert bei 2 nicht steuerbar. Zur Berechnung einer Minimalrealisierung ist jetzt noch eine Kalmanzerlegung der Realisierung in einen steuer- und einen nicht steuerbaren Teil notwendig (vgl. Abschnitt 2.4.3). Hierzu kann man die MATLAB-Funktion [ABAR,BBAR,CBAR] =

Wie in Beispiel 2.4 berechnet, hat die zu realisierende Ubertragungsmatrix einen Pol bei -2 und zwei Pole bei -1. Da die Ordnung der gefundenen Realisierung mit 4 grer als die Anzahl der Ubertragungspole ist, kann diese Realisierung keio ne Minimalrealisierung sein. Eine Berechnung der Invarianten Nullstellen mit der MATLAB-Funktion zero liefert: {IN} = {2 0, 5}. Die Invariante Nullstelle s = 2 mu eine Entkopplungsnullstelle sein, da die Ubertragungsmatrix nur eine

Svaricek, 2011 40

2 Beschreibung und Analyse von Mehrgrensystemen o

ctrbf(A,B,C) einsetzen, die folgende Zerlegung liefert: . Ans . . 0 0ns A = B = . Bs A21 . As . C = Cns . . . Cs .

(2.104)

(2.105)

Die Anzahl der Eingangsentkopplungsnullstellen gibt die Dimension des nicht vollstndig steuerbaren Teilsystems an, so da die Matrix Ans eine 1 1 Matrix ist. a Das vollstndig steuerbare Teilsystem, die gesuchte Minimalrealisierung, hat die a Ordnung 3 mit den folgenden Systemmatrizen: 0.2471 0.4947 0.3599 0.0000 0.0000 = 1.2177 1.8000 0.5821 Bs = 0.0000 6.3246 1.9935 1.3097 1.9529 6.5192 0.0000 0.150