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1 Monarchische Herrschaft in Aristoteles` Politik Entstehung, Erhalt und Untergang Hauptseminar: Aristoteles Leitung: Dr. Johannes Schmidt Autor: Daniel Schamburek Politische Theorie 20. August 2008 Daniel Wolfgang Karl Schamburek, Ahornstr.1, 84066 Mallersdorf-Pfaffenberg

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Monarchische Herrschaft in Aristoteles` Politik Entstehung, Erhalt und Untergang

Hauptseminar: Aristoteles Leitung: Dr. Johannes Schmidt

Autor: Daniel Schamburek

Politische Theorie

20. August 2008

Daniel Wolfgang Karl Schamburek, Ahornstr.1, 84066 Mallersdorf-Pfaffenberg

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Monarchische Herrschaft in Aristoteles` Politik

Hauptseminar. „Aristoteles“ Dozent: Dr. Johannes Schmidt

Autor: Daniel Schamburek

I Die Einführung II Die Einordnung in den Aufbau der Politik III Das Königtum IV Vom Königtum zur Tyrannis V Die Mischformen VI Die Tyrannis VII Von der Tyrannis zum Königtum? VIII Alleinherrschaft heute IX Quellenverzeichnis  

 

 

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I Die Einführung 

 

Aristoteles  beschäftigt  sich  in  der  Politik  mit  unterschiedlichen  Typen  von 

Verfassungen  und  begibt  sich  auf  die  Suche  nach  der  besten  ihrer  Art.  Das 

Hauptaugenmerk  dieser  Arbeit  richtet  sich  auf  einen  Spezialfall  der 

Staatsorganisation:  die  Monarchie.  Obwohl  Aristoteles  den  Begriff  Verfassung 

mehrmals in Zusammenhang mit dem Königtum und der Tyrannis gebraucht, tritt 

aus  dieser  Schrift  klar  hervor,  dass  es  sich  –  zumindest  bei  der  Reinform  der 

Monarchie  ‐  nicht  um  eine  Verfassung  im  eigentlichen  Sinne  handelt.  Für 

Aristoteles  bedeutet  dieser  Begriff  die  Umschreibung  der  festgelegten 

Rahmenbedingungen,  die  Herrschaft  regeln  und  institutionalisieren.  In 

Monarchien  sind  diese  Angaben  zu  Herrschern  und  Beherrschten  überflüssig. 

Allenfalls  könnte  eine  solche  Verfassung  folgend  beschrieben  werden:  die 

Herrschaft  übt  der Monarch  (König  oder  Tyrann)  aus,  der  alles  darf  und  kann. 

Aristoteles  hat  mit  seinen  Verweisen  auf  die  Empirie  deutlich  gemacht,  dass 

Verfassungen  in Reinform  selten oder nicht existieren. Vielmehr handelt es  sich 

um Mischtypen, die außerdem ständigen Veränderungen ausgesetzt sind. So wie 

sich  der  Verfasser  der  Politik  ständig  auf  beweisbare  Fälle  stützt, müssen  auch 

Königtum  und  Tyrannis  samt  Mischtypen  und  Unterarten  auf  dieser  Basis 

beleuchtet werden. 

In  seiner  Untersuchung  kann  sich  Aristoteles  auf  Ereignisse  beziehen,  die  zwar 

einige  Jahrzehnte  oder wenige  Jahrhunderte  in  der  Vergangenheit  liegen,  aber 

doch  in  den  Köpfen  der Menschen  und  in  den  damaligen  Schriften  präsenter 

waren,  als  sie  heute  sind.  Trotz  dieses  Faktums  wird  man  nie  wissen  oder 

beurteilen können, ob die Kriterien, die Aristoteles beispielweise an das Königtum 

knüpft, wirklich wie beschrieben durch einige Herrscher erfüllt wurden. Es ist nicht 

auszuschließen, dass die Beschreibungen eher nostalgischer Natur gewesen sind. 

Was  die Monarchie  betrifft,  wird man  in  der  heutigen  Zeit  wohl  kaum  genug 

Beispiele finden, die zur Untermauerung der Beschreibungen dienen können. Die 

Befassung mit Entstehung, Stabilisierung und Untergang dieser Monarchien sollen 

helfen, zu ergründen, wie sich Aristoteles Alleinherrschaft vorstellt und wie er  in 

diesem  Rahmen  Begriffe  definiert.  Diese  sollen  zur  Klärung  der  Unterschiede 

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zwischen Königtum und Tyrannis einen erheblichen Beitrag liefern. Zudem wird in 

dieser  Arbeit  versucht,  sich  nicht  nur  auf  die  griechische  Antike  zu  stützen, 

sondern  in  einer  Art  Ausblick  auch  einige  Beispiele  der  Neu‐  und  Jetztzeit 

heranzuziehen. 

 

II Die Einordnung in den Aufbau der Politik 

 

Zunächst ist eine kurze Betrachtung von Königtum und Tyrannis im Gesamtsystem 

von  Aristoteles`  Verfassungslehre  und  eine  entsprechende  Abgrenzung  von 

anderen  Arten  der  Herrschaftsorganisation  nötig.  Der  griechische  Philosoph 

unterscheidet in zweierlei Hinsicht.  

Die grundlegendste Unterscheidung (1) teilt die Verfassungstypen in drei Gruppen 

auf.  Sie  bezieht  sich  auf  die  Frage,  wie  viele  Menschen  Herrschaft  ausüben. 

Herrschen viele oder „alle“, so spricht man von Demokratie oder Politie. Liegt die 

Macht  bei wenigen,  so  verwendet man  die Begriffe Oligarchie  und Aristokratie. 

Die Herrschaft eines Einzelnen wird mit Königtum oder Tyrannis bezeichnet. Diese 

Art der Unterteilung birgt eine  gewisse Unschärfe  in  sich.  Zum  Einen  sei  an die 

Mischtypen, zum anderen an die begrifflichen Unklarheiten erinnert. 

Das  Problem  der  Einordnung  von  Mischtypen  kann  durch  eine  ganz  andere 

Differenzierung  beseitigt  oder  zumindest  abgeschwächt  werden.  Dieser  zweite 

Ansatz (2) bezieht sich auf eine Art Ranking absteigend von der besten Verfassung 

zur  schlechtesten. Hier werden  die  in Unterscheidung  1  zusammengefassten  in 

Kategorien zusammengefassten Begriffe wieder getrennt: 

Königtum  

Aristokratie  

Politie  

Demokratie  

Oligarchie  

Tyrannis 

Es  fällt  auf,  dass  sich  in  dieser  Darstellung  die  vormals  vereinten  Begriffspaare 

spiegelbildlich gegenüber stehen. Während das Königtum ganz oben im Ranking zu 

finden  ist,  belegt  die  Tyrannis  den  letzten  Platz. Analog  verhält  es  sich mit  den 

Paaren Aristokratie‐Oligarchie  und  Politie‐Demokratie. Hier wird  klar  ersichtlich, 

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dass Mischtypen in dieser ordinalen Liste besser abgebildet werden können. ‐ Auf 

die Politie als „beste“ (Misch‐)Verfassung kann hier nicht eingegangen werden. ‐ 

Bei diesem 6‐Arten‐Modell lässt sich eine Klassifizierung erstellen, die voraussetzt, 

dass  eher  Mischformen  und  Unterarten  mit  Tendenzen  zu  anderen 

Verfassungstypen die Realität bestimmen. Diese Mischformen können, nach dem 

was  R.  Kraut1  aus  diesem Werk  herausliest,  als  eigene  und  nicht  unerheblich 

kleine Gruppe,  neben  Königtum/Aristokratie  (beste  Verfassungen)  und  Tyrannis 

(durch  Einen,  Wenige  oder  Viele),  gesehen  werden.  Sowohl  das  allgemeine 

Schema,  als  auch  die  Konstruktionen,  welche  eine  detaillierte  Gliederung  in 

diverse  Unterarten  anbieten2,  trennen  Königtum  und  Tyrannis  in  höchst 

unterschiedliche Lager. 

 

Um die dritte Unterscheidung  (3)  vorstellen  zu  können, muss  vorher der Begriff 

Monarchie  genaustens  gefasst  werden.  Wie  auch  bei  anderen  Wörtern  (z.B. 

Demokratie)  haben  Monarchie,  Königtum  und  Tyrannis  verschiedene 

Bedeutungen  im  Sprachgebrauch.  Die  Monarchie  wird  im  Folgenden  als  ein 

Sammelbegriff  für das Königtum und die Tyrannis gebraucht: die Herrschaft des 

Einen (mono; kratein).  

In  Buch  V  wird  nun  zwischen  Monarchie  und  allen  anderen  Verfassungen 

unterschieden.  Wie  eingangs  bereits  erwähnt,  stellt  die  Monarchie  in  ihrer 

Reinform  keine  aristotelische Verfassung  im eigentlichen  Sinne dar. Es  fehlt das 

entscheidende  Kriterium:  die  Regelung  von  Herrschaftsausübung.  Dies  ist  eine 

definitive Abgrenzung zu den Herrschaftsformen mit Verfassung und lässt nur eine 

Ja‐oder‐Nein‐Dichotomie  zu. Wir werden  später  sehen, dass die Unterscheidung 

zwar begriffstechnisch  richtig und  sinnvoll  ist,  jedoch  in der Realität  für  fast alle 

beobachtbaren Fälle nicht zutrifft und daher hinfällig wird.  

 

Da  die  beiden  monarchischen  Herrschaftsformen  in  einer  Gruppe 

zusammengefasst  werden  können  und  sogar  von  allen  anderen  Verfassungen 

abgrenzbar  sind,  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  es  erhebliche  Gemeinsamkeiten 

1 Kraut 2002 S.412 2 Beispielsweise Graphik auf S.132 E. Schütrumpf 1996

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zwischen  Königtum  und  Tyrannis  geben  muss.  Die  Tatsache  aber,  dass  es  ein 

Modell gibt, welches die Entfernung dieser beiden Typen maximal werden  lässt, 

verlangt eine genaue Betrachtung der Unterschiede. 

 

III Das Königtum 

 

Ausgangspunkt  der  Diskussion  ist  der  allmächtige,  uneingeschränkte  Fürst,  der 

pambasilein3.  Aristoteles  vergleicht  den  Monarchen  mit  einem  Hausverwalter. 

Obwohl berechtigte Zweifel über die Vergleichbarkeit aufkommen, die Nichols  im 

Statesmen  anspricht,  drängen  sich  doch  einige  Parallelen  auf.  So  ist  die 

unumschränkte  Herrschaft  über  seine  Bürger  in  diesem  Falle  nicht  mit  der 

Herrschaft des Hausverwalters über einen Sklaven vergleichbar. Denn  in diesem 

Bild  verbleibend  ist  es  äußerst  schwierig,  in  einem  gerechten  Königtum  die 

Existenz von freien Bürgern zu erklären. Besser ist ein anderer Vergleich. So steht 

bei Mulgan: „… rule of the king is a type of free rule, like that of a father over his 

children“4.  Zweifelsohne  ist mit dem universellen Herrscher  in der   Politik    kein 

grausamer  Despot  gemeint.  Das  Königtum  orientiert  sich,  –  im  Gegensatz  zur 

Tyrannis – zur Rechtfertigung der Herrschaftsform, am Staatszweck. Das gerechte 

Königtum sieht für die Bürger die Ermöglichung eines guten Lebens  im weitesten 

Sinne als Aufgabe vor.  

Ob  diese  Aufgabe  von  Einem  besser  gelöst werden  kann  als  von  Einigen  oder 

Vielen,  ist  hier  nicht  Gegenstand.  Es  sei  jedoch  darauf  verwiesen,  dass  eine 

Herrschaft nur königlich sein kann, wenn der König dem vollkommenen Menschen 

nahe  kommt und  zumindest  auf dem Gebiet der  gerechten Herrschaft über ein 

Volk alle Anderen überragt. 

Was  nicht  klar  aus  diesem  Werk  hervorgeht  ist,  inwieweit  man  eine 

Unterscheidung zu treffen hat, zwischen der Eigenschaft des Königs, besser als alle 

anderen zu sein und seinen Verfehlungen. Ist es vorstellbar, dass jemand, der mit 

reichlich Tugend und Würde ausgestattet  ist, nicht  im Stande  ist Maß zu halten? 

Wie  kann Aristoteles  jemanden  als  König  bezeichnen,  der  später  zum  Tyrannen 

3 Nichols 1992 S.74 4 Mulgan 1977 S.67

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wird? 

Außerdem wichtig  für  die  empirische Untersuchung  ist  eine  Frage,  die  sich  aus 

diesen  Überlegungen  ableitet:  Existiert  dieser  eine  Mensch,  der  alle  anderen 

überragt,  wirklich,  oder  handelt  es  sich  hierbei  um  die  Beschreibung  eines 

Idealtypus? Wenn dieser wahrhaftige und unfehlbare König nicht wirklich existiert, 

kann man  dann  überhaupt  vom  Königtum  als  beste Herrschaftsform  sprechen? 

Gibt es einen Toleranzbereich, der den Monarchen als König darstellt, obwohl er in 

seinen Entscheidungen nicht den Anschein erweckt, alle  zu überragen? Wenn  ja, 

wie groß ist dieser Bereich? 

Aristoteles bleibt vage in seiner Antwort. Sein vordergründiges Hauptargument ist 

wohl, dass die Staaten vor seiner Zeit sehr viel kleiner waren als zu seiner Zeit5. 

Auch  die Menge  der  potentiellen  Herrscher war  damals  überschaubarer  als  zu 

Aristoteles`  Lebzeiten. Ungeachtet  davon waren  die  damaligen  Staaten  auch  zu 

dieser  Zeit  nicht  sonderlich  groß,  wenn  man  sie  mit  ähnlichen  Gebilden  der 

heutigen  Zeit  vergleicht.  Zu  den  tugendhaften  Bürgern  oder  Hausverwaltern 

gehörten manchmal nicht mehr als 50 oder 100 Personen. Es mag  sich  in deren 

Geschichte nicht selten nur eine Person gefunden haben, von denen die Anderen 

überzeugt waren, nur er allein könne regieren.  

 

Dies  ist  auch  die  theoretische  Grundform  der  Entstehung  eines  Königtums:  in 

einem  Staat  gibt  es  nur  eine  Person,  die mit  Zustimmung  der  Bürger  herrscht, 

aufgrund  seiner  überragenden  Tüchtigkeit.  Nicht  zuletzt  deshalb,  weil  „alle“ 

Staatsangehörigen  mit  dieser  Herrschaftsform  und  diesem  Herrscher 

einverstanden sind6,  ist diese Alleinherrschaft gerecht. Aristoteles merkt an, dass 

ideale  Königtümer  auch  schon  zu  seiner  Zeit  nicht mehr  vorkommen7,  schließt 

jedoch nicht grundsätzlich  ihre Existenz aus. Mit dem Fortlauf der Geschichte  ist 

also  die  Regentschaft  durch  einen  König  immer  unwahrscheinlicher  geworden. 

Trotz allem: theoretisch gibt es verschiedene Wege, diesen Zustand zu erreichen. 

Unüblich wäre  die Möglichkeit,  einen  (verfassungsgebenden)  Rat  zu  bilden,  der 

5 1286b Z 9 6 1313a Z 5 ff 7 1313a Z 3 ff

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jenen  Menschen  bestimmt,  welcher  von  da  an,  die  Herrschaft  ausüben  soll. 

Empirisch  damals  noch  sehr  unwahrscheinlich,  hat  dies  –  wenn  auch  in 

abgewandelter  Form  –  später  des Öfteren  stattgefunden.  Von  einer  derartigen 

Variante, die an Vertragstheorien späterer Philosophen erinnern würde, schreibt 

Aristoteles  nicht.  Er  fokussiert  seine  Untersuchungen  auf  real  vorkommende 

Entstehungsszenarien. So betrachtet,  ist meist eine bestimmte Tat nötig, die auf 

den besonderen Menschen aufmerksam macht.  

 

 

Hier  führt  Aristoteles  mehrere  Möglichkeiten.  Er  nennt  zuerst  die  Entstehung 

eines Königtums, „um die Anständigen gegen das Volk zu schützen“8, was nichts 

anderes  heißt,  als  dass  ein  ganz  bestimmter  Jemand  eine  (schlechte  Form  der) 

Demokratie  verhindert  hat  und  sich  dadurch  würdig  erwiesen  hat,  auf  den 

Herrscherthron  zu  steigen. Weiterhin erklärt Aristoteles, dass es  sich hierbei um 

einen Angesehenen  handeln muss. Die  Begründung  liegt  klar  auf  der Hand:  die 

Volksführer  stehen durch Definition auf  Seiten des Volkes9. Außerdem kann ein 

König  nur  aus  den  Reihen  der  Anständigen  kommen,  da  nur  diese mit  großer 

Tugendhaftigkeit  ausgestattet  sind.  Deshalb  ähnelt  die  tugendhafte 

Alleinherrschaft der Aristokratie. Der König nimmt die Aufgaben alleine wahr, die 

ansonsten ein Kollektiv von Hervorragenden erledigen würde.  

Dass der König  aus dem Kreise der Angesehenen  kommt,   heißt nicht, dass das 

(niedere) Volk  in Opposition  zur Herrschaft  stehen  soll. Ganz  im Gegenteil:  der 

König muss dafür sorgen, dass „das Volk nicht misshandelt werde“10.  

Andere,  besondere Verdienste  stellen  die Verhinderung  oder  Befreiung  aus  der 

Knechtschaft dar. Abseits der Schilderungen in der Politik könnte man als Beispiel 

den Auszug der Juden aus Ägypten mit ihrem „König“ Moses (und über ihm Gott)  

anführen.  

König zu sein setzt also voraus, die Machtfülle in den Dienst der Tugendhaftigkeit 

8 1310 b Z 9 f 9 Dass auch Volksführer aus den Reihen der Oberschicht kommen können, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. 10 1311a Z 1

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zu stellen und den Ertrag daraus – nämlich die Ehre11 – zu suchen.  

Hält  sich  der  König  uneingeschränkt  an  das  Ziel  Staatszweck  und  der  damit 

verbundenen Ehre und verhält  sich nicht maßlos12,  sinkt die Wahrscheinlichkeit, 

dass ihm jemand ‐ zumindest nicht von innen – seine Regentschaft streitig macht. 

Mit  Maß  halten  ist  etwa  die  Reduzierung  seiner  Macht  auf  bestimmte 

Schlüsselbereiche  des  Lebens,  die  für  eine  stabile  und  sichere  Herrschaft  nötig 

sind, gemeint.  

 

Ungünstig für ein Königtum wirken sich zudem Streitereien und Uneinigkeit unter 

den Gefolgsleuten des Monarchen und erbliche Thronfolge aus. Ersteres kann zu 

Unsicherheit  im  Machtgefüge  führen  und  einen  Niedergang  der  Monarchie 

bedeuten.  Mit  dem  anderen  Punkt  weist  Aristoteles  auf  den  möglicherweise 

verwöhnten,  überheblichen  oder  verachtenden  Thronfolger  bei  Erbmonarchien 

hin,  der  das  Königtum  seines  Vorgängers  zerstört  und  damit  eine  Tyrannei 

hervorrufen kann. 

 

IV Vom Königtum zur Tyrannis 

 

Ob  nun  der  herrschende  König  (auch  in  der  Annahme,  dass  er  alle  anderen 

überragt)  nicht Maß  hält  oder  sein Nachfolger  –  letztendlich wird  es  zu  einem 

Verfassungswechsel  kommen,  der meist  in  eine  Tyrannei  führt.  Dass  sich  auch 

andere Systeme etablieren können, sei nur am Rande erwähnt, da auch bei einem 

Umschwung  in  eine  andere  Verfassungsart  zumindest  eine  kurze  Phase  der 

Tyrannei vorgelagert sein muss, die einen Umsturz rechtfertigen würde. 

Aristoteles  zählt  jene  möglichen  Verfehlungen  auf,  welche  die  königliche13 

Regentschaft  gefährden  könnten.  Dies  muss  in  zweierlei  Hinsicht  betrachtet 

werden. Zum Einen  impliziert ein Übergang vom Königtum  in eine Tyrannei, dass 

sich der Herrschaftsstil gewandelt haben muss. Zum Anderen macht es deutlich, 

dass dieser neue  Stil  Feinde und opponierende  (soziale) Gruppen  innerhalb des 

11 1311a Z 5 12 1313 Z 19 f 13 An dieser Stelle muss betont werden, dass Aristoteles beide Formen der Monarchie in seine Überlegungen bezüglich dieser Frage einbezieht (siehe 1311 a Z 22 ff )

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eigenen Volkes schafft, die dem nunmehr regierenden Tyrannen sogar nach dem 

Leben  trachten  können.  Es  handelt  sich  um  einen  linearen  Zusammenhang.  Je 

mehr Verfehlungen, desto tyrannischer, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass 

der Herrscher gestürzt wird. 

Es müssen  also  Gründe  gefunden werden,  die  den  König  in  den  Augen  seines 

Volkes  oder  in  (großen/wichtigen)  Teilen  des  Volkes  tyrannisch werden  lassen. 

Hierbei  handelt  es  sich  aber  beispielsweise  nicht  um  Verfehlungen  auf 

verschiedenen  Politikfeldern  oder  falsche  Handhabung  von  wirtschaftlichen 

Steuerungswerkzeugen, die heutzutage Unmut unter den Bürgern hervorbringen 

würden.  

 

In  der  Politik  werden  Kränkung,  Angst  und  Verachtung  behandelt14.  Zu  den 

Kränkungen  gehören mündliche Beleidigungen und enttäuschte  Liebschaften bis 

hin  zu    körperlichen  Demütigungen15.  Gründe  also,  die  meist  Personen  des 

näheren Umfeldes betreffen und diese nach dem Leben des Monarchen trachten 

lassen.  Ebenfalls  aus  persönlichem  Antrieb  handeln  diejenigen,  die  durch 

körperliche Züchtigung16 erniedrigt wurden. Auch Mord als Präventivmaßnahme 

aus Furcht vor (grausamer) Bestrafung und aus dem Gefühl des Ausgeliefertseins 

heraus wird aufgeführt.  

 

Anders  verhält  es  sich,  wenn  die  Beweggründe  durch  Verachtung  begünstigt 

werden17. Hier geht es nicht zwingend um Kränkungen und keinesfalls um Furcht. 

Beispiele gibt es genügend: ein Herrscher gibt sich äußerst weiblich, ein Anderer 

ist Alkoholiker und dergleichen mehr. Dieser Grund ist ‐ ebenso wie Kränkung und 

Angst  ‐  Bestandteil  einer  Art  Katalog  der  Überschreitungsmöglichkeiten  von 

königlichem Handeln, die zum Sturz führen können.  

Aristoteles  erwähnt  im  gleichen  Atemzug  mit  der  Verachtung  des  Monarchen 

wegen  seiner  Neigungen  einen  weiteren  Punkt,  der  jedoch  vom  vorher 

14 Bien stellt fest, dass andere empirische Wahrheiten (geographische oder andere machtpolitische Gründe) ausgeblendet wurden, um die sozialen Gründe in den Vordergrund zu stellen. (S.126/163) 15 1311a Z 34 ff 16 1311 b Z 23 ff 17 1312 a Z 1 ff

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Ausgeführten  unterschieden  werden  muss.  Es  handelt  sich  hierbei  um  die 

Verachtung,  die  von  seinen  Vertrauten  und  Freunden  entgegengebracht  wird. 

Diese  verachten  möglicherweise  auch  dessen  Neigungen.  Trotzdem  muss  es 

gesondert  betrachtet  werden,  wenn  Vertraute  Anschläge  verüben,  weil  „die 

Herrscher ihnen vertrauen“ und sie damit rechnen, „daß sie es nicht entdecken“18. 

Eine weitere Differenzierung muss zwischen der Verachtung als Geringschätzung 

von Neigungen  bzw.  der  Ausnutzung  des  Vertrauens  eines Monarchen  und  der 

Verachtung  der  Gefahr  stattfinden.  Letztere  muss  nicht  unbedingt  mit  dem 

Charakter des Monarchen zusammenhängen. Es geht vielmehr um eine, statistisch 

selten in der Bevölkerung auftretende, Person, deren Ehrgeiz überdurchschnittlich 

hoch  angesetzt  ist19. Der  ausgeprägte Hunger  nach  dem  in  Aussicht  stehenden 

Ruhm  übersteigt  dabei  den  Selbsterhaltungstrieb.  Die  Verachtung  des  eigenen 

Lebens  (in  Relation  zum  Eintrag  in  die  Geschichtsbücher)  ist  gesondert  zu 

betrachten. Wenn man  nämlich  der Argumentation  des Aristoteles  an  früheren 

Stellen in der Politik folgt, gibt es vorerst keinen Grund, einen gerechten König zu 

ermorden. Dieser  Absetzungsgrund  ist  also mit  Vorsicht  zu  genießen,  sobald  er 

nicht  in Zusammenhang mit einem der anderen Punkte steht. Aristoteles betont, 

dass es dem Umstürzler nicht um die Alleinherrschaft als Tyrann um  jeden Preis 

geht, sondern um Ruhm20. Darum steht bei einem gerechten König kein Umsturz 

an  der  Tagesordnung.  Allenfalls  reden  wir  hier  von  Kampf  gegen  einen 

Monarchen,  der  entweder  schon  immer  Tyrann war,  oder  durch  obig  genannte 

Gründe zum Tyrannen geworden ist. 

 

Aus  den  genannten  Punkten  geht  hervor,  dass  Aristoteles  vormalig  königliche 

Monarchen, als spätere Tyrannen beschreibt. Dies  liegt entweder daran, dass der 

König die alles überragende  (angeborene! oder anerzogene!) Würde und Tugend 

plötzlich verliert, oder dass er nach wie vor besser  ist als alle anderen zusammen 

und  trotzdem  durch  seine  Person  Verfehlungen möglich  sind.  Im  zweiten  Falle 

würden  wir  von  zwei,  sich  vielleicht  beeinflussenden,  aber  unterschiedlichen 

18 1312 a Z 6f 19 1312 a Z 9ff 20 1312 a Z 29

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Variablen sprechen. Bei der Verfehlung der Ersten würde er gar nicht erst König 

werden. Bei grober Verfehlung der Zweiten könnte er  zwar König gewesen  sein, 

würde aber zum Tyrannen werden.  

Es ist eine zweite Schlussfolgerung zu ziehen: und zwar, dass es sich nicht um zwei 

eindeutige,  unbewegliche  Kategorien  der  Monarchie  ‐  nämlich  Königtum  und 

Tyrannis  ‐  handelt.  Diese  beiden  Herrschaftsformen  befinden  sich  (wie  alle 

anderen Verfassungsarten  über  längere  Zeit  auch)  im  ständigen Wandel. Dieser 

Bewegungsprozess, der sich meist auf der zweidimensionalen Achse zwischen den 

Idealtypen  Königtum  und  Tyrannis  in  verschiedener  Intensivität  abspielt,  geht 

nicht  nur  in  eine  Richtung  (weg  vom  Königtum, wie  eben  dargestellt),  sondern 

kann auch durch den Tyrannen in gegensätzliche Richtung betrieben werden (wie 

wir später noch sehen werden).  

Dennoch würde man es  sich  zu einfach machen, wenn man nun die Konklusion 

„alles  ist  im  Fluss“  an  diese  Stelle  setzen würde.  Vor  allem  deshalb  nicht, weil 

Aristoteles  1.  keine  Anstalten macht,  die  Verfehlungen  des  Königs  und  die  sich 

daraus ergebenden Konsequenzen mit ähnlichen Schlussfolgerungen darzustellen; 

2. eine Art Gegenmodell bereithält. Es handelt sich hierbei um eine Aufteilung  in 

Unterarten und Mischtypen der beiden monarchischen Herrschaftsformen. 

 

V Die Mischformen 

 

Eine Einordnung in Kategorien ist deshalb möglich, weil sich in den meisten Fällen 

die Herrschaft nicht so weit ändert, dass man von einem nennenswerten Wechsel 

sprechen  kann.  Die  Fälle  werden  grob  klassiert.  Kleine  Veränderungen,  die  an 

anderer  Stelle  der  Untersuchung  wichtig  sind,  spielen  hier  nur  eine 

untergeordnete Rolle.  

Aristoteles nennt fünf verschiedene Arten Königtümern, wobei bei einigen Formen 

nur Teile königlich sind.  

Zu Anfang nennt Aristoteles das Beispiel Sparta. Dort gibt es zwar einen König21, 

wenngleich die Herrschaftsform keine Monarchie ist. Bei diesem Königtum handelt 

es  sich  lediglich  um  ein  Feldherrenamt  mit  Privilegien  in  der  Kultverrichtung. 

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Befindet sich der Staat nicht im Krieg, so hat der König dort keine Macht. Im Falle 

Spartas kann nicht von Alleinherrschaft gesprochen werden. Dieses und ähnliche 

Beispiele sind von den nachfolgenden zu unterscheiden. 

Denn dort heißt die Herrschaftsform Monarchie. Bis auf das bereits behandelte, 

universale  Königtum,  sind  die  verbleibenden  drei  Arten  an  eine  Konstitution 

gebunden. Nicols weist darauf hin, dass es sich laut Aristoteles hier nicht um eine 

Verfassung handeln kann, sondern nur um einen Teil einer Verfassung22. Dies  ist 

der Fall, sobald Einschränkungen vorhanden sind.  

Bei  den  Barbaren  handelt  es  sich  dabei  um  eine  erblich  bedingte  Thronfolge. 

Obwohl  die Herrschaft  an  sich  gesetzesmäßig  ist, wird  sie  von  Aristoteles  auch 

wegen  der  despotischen  Ausrichtung  als  teilweise  tyrannisch  bezeichnet.  Eine 

andere Konstellation wird bei den Aisymeten beobachtet. Dort  ist die Herrschaft 

zeitlich beschränkt – von einer nur kurzen Dauer bis höchstens auf Lebenszeit  ist 

alles möglich. Die Thronbesteigung  setzt die Wahl des Anwärters  voraus. Dieser 

kann jedoch ohne weitere Restriktionen herrschen.  

 

Der  letzte  Fall,  der  unterschieden  wird,  bezieht  sich  auf  die  Könige  des 

Heroenzeitalters.  Die  damaligen  Herrscher  regierten  mit  der  Zustimmung  des 

Volkes, da sie große Taten vollbracht haben oder in der ersten Stunde (des Staates) 

Großes geschaffen haben. Diese Alleinherrscher haben, sofern  ihr Status als „alle 

Überragende“  in Frage gestellt wurde, über die  Jahre und  Jahrzehnte hinweg an 

Macht  und  Einfluss  eingebüßt  und  bewegen  sich  Stück  für  Stück  von  der 

monarchischen Herrschaft hin zu einem System, dass zwar Könige kennt,  jedoch 

ein anderes Herrschaftssystem hat, wie es in Sparta der Fall ist. 

Sollte man also eine Abstufung formulieren, so fällt dies nicht schwer, wenn man 

Sparta nicht  inkludiert.  In der Politik gibt es zudem Hinweise darauf, wie sich die 

Kategorien ordinal ordnen lassen23. 

 

 

21 genauer: es gibt zwei Königsfamilien 22 Nicols 1992 S.76 23 1286 a Z 34 ff

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Es ist folgende Reihenfolge denkbar: 

Universales Königtum 

 Königtum des Heroenzeitalters 

Aisymeten <<   >> Barbaren  

Tyrannis 

Gerade  bei  der  Differenzierung  verschiedener  Kriterien,  durch  welche  die 

Aufteilung  von  Barbaren  und  Aisymeten  in  verschiedene  Mischformen  erst 

möglich  wird  (im  Gegensatz  zum  zweidimensionalen  Modell),  wird  die 

Notwendigkeit  dieser  Kategorisierung  deutlich.  Außerdem  hat  Aristoteles  im 

selben Atemzug klar gemacht, dass Sparta nicht zu den anderen, monarchischen 

Systemen zuordenbar ist. 

 

Nun  bleibt  noch  der  Gegenpol  des  Königtums  zu  behandeln.  „Irresponsibility, 

selfishness, violence“24: die regellose Tyrannis. 

 

VI Die Tyrannis  

 

Was  bei  den  Ausführungen  zum  pambasilein  bereits  anklang  ist  die 

Vergleichbarkeit der Regentschaft mit der Verwaltung eines Haushalts. Während 

die Herrschaft des gerechten Königs mehr das Verhältnis von Vater und Kindern 

widerspiegelt,  kann  der  Tyrann  mit  dem  Herrn,  der  über  Sklaven  herrscht, 

verglichen werden25. Der Vergleich lässt die Tatsache außer acht, dass Aristoteles 

das Verhältnis von Herr und Sklave nicht als grausam und rücksichtslos beschreibt. 

Diese  Beziehung  zeichnet  sich  vielmehr  dadurch  aus,  dass  der  Sklave  dem 

Hausvorsteher  als Werkzeug  dienen  kann. Der Bürger wäre  in  diesem  Falle  das 

Werkzeug  des  Tyrannen.  Bleibt  dieser  Vergleich  allgemein  gehalten,  so  ist  er 

zumindest in dieser Frage hilfreich. Doch noch ist die Rechtfertigung des Prädikats 

„Tyrann“ nicht komplett. 

Es sind immer noch einige Fragen zu klären: Ist der Alleinherrscher ein Tyrann, weil 

er  unqualifiziert  ist  (also  nicht  auch  nur  annähernd  alle  überragt),  oder weil  er 

24 Mulgan 1977 S.69 25 Ebd.

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grausam ist und nicht Maß halten kann?  

Es scheint so, als könnte man durch verschiedene Umstände zum Tyrannen, aber 

nur durch wenige Möglichkeiten König werden. Ein Tyrann (oder in der Mischform 

tyrannenhaft) muss nämlich jeder Monarch per Definition sein, der nicht König ist. 

Hierzu gehören die Unqualifizierten;  jene die nicht zu den Tugendhaften gehören 

und diejenigen, die nicht den Anschein erwecken, als könnten sie gerechte Könige 

sein. Außerdem  sind die   Herrscher der Kategorie  Tyrann  zuzuordnen, die nicht 

Maß halten – sei es von Anfang an oder dass sie vorher noch als Könige bezeichnet 

werden konnten. Diese Art von Monarchen zeichnen sich nicht notwendigerweise 

durch Unfähigkeit, aber meist durch unangebrachte Grausamkeit aus.  

 

Klar  ist  die  Rolle  des  Idealtypus  Tyrann:  dessen  Ziel  ist  die  Anhäufung  von 

Reichtum  und  „das  Angenehme“26.  Im  Gegensatz  zum  König,  der  durch  seine 

eigenen Bürger beschützt wird (weil sie mit seiner Herrschaft einverstanden sind), 

muss sich der Tyrann auf Söldner, meist aus dem Ausland stützen27. Beobachtbar 

ist, dass Tyrannen deshalb bei der Besetzung von wichtigen Positionen meist auf 

Menschen des eigenen Blutes zurückgreifen, von denen man erwartet, nicht gegen 

die eigene Verwandtschaft  zu  intrigieren. Betrachtet man  jedoch die griechische 

Antike,  so  ist diese Zeit gespickt mit Beispielen, die beschreiben, dass Tyrannen 

durch Andere ersetzt wurden, die Söhne, Brüder oder nähere Verwandte waren. 

Trotz  allem  hat  sich  dieses  Vorgehen wohl  über  die  Jahrtausende  bewährt,  da 

auch  in  unserer  Zeit  beispielsweise  Diktatoren wie  Saddam  Hussein  oder  Fidel 

Castro  ihre  engeren  Führungskreise  aus  diesen  Leuten  rekrutiert  hatten.  Die 

einfachen Kampftruppen bestehen  zumeist aus bezahlten Männern aus anderen 

Ländern.  So  ist  das  ethnische  Zugehörigkeitsproblem  zur  eigenen  Volksgruppe 

neutralisiert, wenn es zu Auseinandersetzungen kommt. Außerdem wird sich  für 

diese Aufgabe aus dem Kreis der eigenen Untergebenen wohl kaum einer finden. 

Denn  Eigennutz  schafft  beim  ausgebeuteten Volk  keine  Freunde,  die  obendrein 

sein Leben vor Anderen beschützen würden. Für die Herrschaftssicherung und die 

dadurch benötigten, ausländischen Wachmannschaften ist Geld nötig. Dies schürt 

26 1311 a Z4 27 1311 a Z6f

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zusätzlich  die  Ausbeutungsproblematik.  Aristoteles  bezeichnet  diese 

Notwendigkeit (wegen der Ausgaben für Militär) und den Willen dazu (wegen der 

„Schwelgerei“28),  Reichtum  anzuhäufen,  als  oligarchisches  Element  der 

Herrschaft29.  

Als zweite, entartete Verfassungsform, aus der die Tyrannis zusammengesetzt ist, 

nennt  der  Philosoph  die  Demokratie30.  Das  hat  mit  dem  „Kampf  gegen  die 

Angesehenen“31 zu tun, der dort durch den Pöbel betrieben wird. Auch der Tyrann 

wird entsprechende Maßnahmen ergreifen, um  sich  seine Macht  zu sichern. Die 

Angesehenen sind Gelehrte, Tugendhafte und Philosophen oder reiche Menschen. 

Die  Reichen  sind  ihm  ein Dorn  im Auge,  da  diese  die Mittel  haben,  selbst  ihre 

Macht auszubauen. Die gebildete, aristokratische Oberschicht wäre für politische 

Herrschaft prädestiniert, wird aber nicht beteiligt. Dies löst Unmut bei den Leuten 

aus  und  verursacht  ein  gesteigertes  Bedürfnis  danach,  das Machtverhältnis  zu 

kippen. Meist fallen Reichtum, Geburt  in den Adelsstand und Bildung zusammen. 

Sind  diese  drei  Punkte  besonders  ausgeprägt  bei  einem Menschen,  so  hat  der 

Tyrann großes Interesse daran, diesen zu beseitigen.  

Dass die Tyrannis eine Mischung aus der schlechtesten Form der Demokratie und 

schlechtesten Form der Oligarchie ist, kommt der Wahrheit nahe. Denn richtig ist, 

dass  sich  in  entarteten Oligarchien meist  die  Zahl  der Wenigen,  die  herrschen, 

immer weiter einschränkt. Dies geht  so weit, bis  schließlich nur noch einer alles 

besitzt.  Dass  auch  die  Demokratie  in  ihrer  schlechtesten  Form  ein 

Alleinherrschersystem hervorbringt, bringt uns zum nächsten Punkt.  

 

Aristoteles  untersucht  nämlich  nicht  nur  wie  im  Allgemeinen  eine  Tyrannis 

entsteht, sondern auch, welche Verfassung vor der Umwälzung vorherrschte. Hier 

ist  festzustellen,  dass  eine  nicht  unerhebliche  Anzahl  der  Tyrannen  durch  den 

demokratischen Pöbel  aufs  Schild  gehoben wurde. Die  sogenannten Volksführer 

festigten ihren Status im gemeinen Volk durch den Kampf gegen die Angesehenen. 

Nicht  selten  war  die Macht  der  Anführer  des  Volkes  aufgrund  des  Vorgehens 

28 1311 a Z 11 29 1311 a 9f 30 1311 a Z 14 ff 31 Ebd.

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gegen die Unterdrückung (beispielweise in einer Oligarchie) schon derart gefestigt, 

dass es nur zum Anschein einen Umschwung  in demokratische Verhältnisse gab. 

Das Volk übereignete  erstens  von  sich  aus diese Macht  an die neuen  Tyrannen 

aufgrund  hervorragender  Leistungen  (gegen  das  Vorgängerregime).  Dies  kann 

sogar  durch Wahl  über  hohe Ämter  bis  hin  zum Höchsten  (der Alleinherrscher) 

geschehen.  Oder  aber  der  Militärapparat  des  Volksführers  war  bereits  derart 

ausgebaut, dass das Volk, welches sich vielleicht auch gerne selbst regieren wollte, 

vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.  

 

Man  kann  also  drei  Grundarten  unterscheiden,  aus  denen  heraus  sich 

Tyrannensysteme  entwickeln  können:  aus  dem  König  wird  der  Tyrann  durch 

Verfehlungen,  in der Herrschaft der Wenigen kann ein Oligarch sämtliche Macht 

auf  sich  vereinen  oder  aus  dem  Volke  erwächst  ein  Führer,  der  den  Pöbel 

beeinflussen oder durch seine eigene Kraft unterdrücken kann.32 

Das gerade Ausgeführte gibt auch Hinweise auf die soziale Herkunft der Tyrannen 

selbst.  Es kann sich um einen Aristokraten handeln, der tugendhaft sein mag, aber 

nicht  alle  im  Kollektiv  überragt  und  dennoch  die  alleinige  Macht  für  sich 

beansprucht. Ob es möglich  ist, dass ein Volksführer aus den unteren Schichten 

des  einfachen  Volkes  kommen  kann,  bleibt  nach  der  Argumentation  des 

Aristoteles  bezüglich  einer  gewissen,  nötigen Grundkenntnis  des Anwärters  von 

Herrschaft  und  Machtausübung  fraglich.  Volksführer  müssen  nicht  aus  dem 

einfachen Volke  rekrutiert werden. Historisch belegt  sind Situationen,    in denen 

eben erwähnte Oligarchen  sich das Volk  zu Nutze machen, um an die Macht  zu 

kommen.  

Deswegen kann man  jedoch nicht ausschließen, dass  sich vor allem Männer des 

Volkes, beispielsweise aus der unteren Mittelschicht, zum Tyrannen aufschwingen 

können.  Ambitionierte  Menschen,  die  Macht  durch  Tyrannei  erhalten  wollen, 

können  aus  nahezu  allen  Bevölkerungsschichten  kommen.  Darüber  hinaus  ist 

festzustellen,  dass  auch  keine  Verfassungsform  gefeit  ist  vor  einer  Tyrannis  – 

wenngleich eine entartete Oligarchie oder Demokratie den kürzeren Weg dorthin 

verspricht.  

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VII Von der Tyrannis zum Königtum? 

 

Da nun klar geworden ist, wie eine Tyrannis entsteht, bietet sich an, Lösungswege 

für die Erhaltung dieses Systems darzustellen. 

In der Politik werden zwei Ansätze vorgestellt, die sich bei näherer Betrachtung als 

entgegengesetzte Taktiken erweisen. 

Die erste Möglichkeit wäre der Ausbau einer schlecht gesicherten Alleinherrschaft 

zu einer Tyrannis, die alle  Lebensbereiche der  zu Untergebenen kontrolliert und 

bestimmt. Schon damals also beschreibt Aristoteles so etwas Ähnliches wie eine 

totalitäre  Diktatur.  Er  nennt  diesen  Ansatz  die  überlieferte33Art  der 

Herrschaftssicherung.  Dies  hat  damit  zu  tun,  dass  dieser Weg  nicht  nur  heute, 

sondern wohl  auch  vor  und  zu  seiner  Zeit Gang  und Gäbe  gewesen  sein muss. 

Folgende  Mittel  zur  Machterhaltung  zählt  er  auf:  keine  Syssitien 

(gemeinsames/öffentliches Mal), keine Klubs  (heute Parteien, Vereine), keinerlei 

Erziehung, Überwachung der Privatsphäre  (durch Verlagerung derselben vor das 

Haus),  Vermeidung  von  Zusammenkünften,  Horcher  bei  öffentlichen  Reden, 

Aufhetzung  von  verschiedenen  (Bevölkerungs‐)  Gruppen  gegeneinander, 

Überbeschäftigung und Verarmung der Untertanen34. Eine wichtige Rolle nimmt 

auch die,  im vorhergehenden Abschnitt zur Tyrannis behandelte, Beseitigung der 

politischen  Konkurrenz,  den  Angesehenen,  Stolzen  und Überragenden,  ein.  Das 

Ziel dieser Maßnahmen  ist, Misstrauen zwischen den Untertanen zu schüren und 

das Volk machtlos und unterwürfig zu halten35.  

Diese Taktik  ist  jedoch sehr nachteilbehaftet. Tyrannen dieser Façon können sich 

meist  nicht  sehr  lange  an  der Macht  halten  und  haben Mühe  in  derart  viele 

Lebensbereiche  einzudringen  und  dort  präsent  zu  sein.  Für  die  beiden 

Hauptaufgaben  der  Informationsbeschaffung  und  der    polizeilich‐militärischen 

Ordnungserhaltung sind nicht enden wollende Ressourcen nötig. Gemeint  ist hier 

nicht nur der finanzielle Aspekt, sondern auch der Personalaufwand, der betrieben 

32 1310 b Z 12 ff 33 1313 a Z 35 34 1313 a Z 41; 1313 b Z 1 ff 35 1314 a Z 27 ff

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werden  muss.  Besonders  im  Hinblick  auf  die  knappen  Vorkommen  von 

vertrauenswürdigen Untergebenen  sei  hingewiesen.  Aristoteles  nennt  an  dieser 

Stelle  die  Zusammenarbeit  der  Tyrannen mit  den  „schlechten Menschen“  und 

Schmeichlern36, auf die der ungerechte Herrscher erstens bauen sollte, weil sie als 

Werkzeuge seiner Herrschaft geeignet sind und auf die er zweitens bauen muss, 

weil ihm wahre Freunde nicht in nötiger Anzahl zur Verfügung stehen. 

Wir  haben  gesehen,  dass  dieser  Weg  äußerst  beschwerlich  sein  kann.  Die 

Tyrannenherrschaft  zerbricht  wohl  nicht  selten  daran,  dass  eine  ständige 

Fortentwicklung  und Machtausdehnung  nötig  ist,  um  ein  System  dieser  Art  zu 

erhalten. Die  Informationsbeschaffung  und  die  polizeilichen  Aufgaben  gestalten 

sich immer schwieriger, je weiter man den eigenen Machtbereich ausdehnt.  

 

Darum widmet  sich Aristoteles  im  zweiten Ansatz einer anderen Theorie, die er 

dem Tyrannen als bessere Idee ans Herz legt.  

Es handelt sich dabei um eine Empfehlung an den Alleinherrscher, sich königlicher 

zu  verhalten  oder  sich  zumindest  so  zu  geben.  Eine weitere Alternative  gibt  es 

nicht, da alle anderen Strategien einen Verlust von Macht bedeuten würden. Die 

Alleinherrschaft  ginge dadurch  zugrunde.  So  sollte der Tyrann, wenn er  sich  für 

den „Königsweg“ entscheidet, das Gemeinwohl bedenken, Rechenschaft ablegen, 

die  Steuern  im  Sinne  des  Staatszwecks  einziehen  und  sich  vor  allem  mit 

Ausschweifungen  und  Zügellosigkeit  zurückhalten37.  Insbesondere  empfiehlt  es 

sich dabei, die in Kapitel IV angesprochenen, Verfehlungen tunlichst zu vermeiden. 

„Im übrigen  soll er von allem vorhin Aufgeführten  (hier  sind eben die Punkte  in 

Kap. IV gemeint) so ziemlich das Gegenteil tun“38.  

Auffällig  ist,  dass  für  Aristoteles  von  Anfang  an  festzustehen  scheint,  dass  die 

tatsächliche  Hinwendung  zum  Königtum  nicht  denkbar  ist.  Nicht  weiter 

verwunderlich  ist  deshalb  auch,  dass  er  fortwährend  vom  „Anschein  erwecken“ 

spricht.  Einmal  Tyrann,  immer  Tyrann?  Unmöglich  ist  die  Transformation  einer 

Tyrannenherrschaft  in  ein  Königtum  nicht,  wenn  man  geschickt  auf  den 

36 1313 b Z 39 ff ; 1314 a Z 1 ff 37 1314 a Z 40 / 1314 b Z 1 ff 38 1314 b Z 36

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Grundlagen des bisher Gesagten auslegt ‐ vor allem wenn es sich um die Rückkehr 

eines Königs mit temporären Verfehlungshandlungen handelt. Doch der Philosoph 

gibt die Frage, warum eine Tyrannis entstanden  ist, zu bedenken. Er geht davon 

aus, dass ein Tyrann einerseits durch seine bisherigen Handlungen  (die auch auf 

seinen Charakter und seine Leidenschaften schließen lässt) und andererseits durch 

mangelnde  oder  ungenügende  Tugendhaftigkeit  den  Rang  eines  Königs  nie 

erlangen könnte. Die aristotelischen Empfehlungen an den Tyrannen haben auch 

nicht die Absicht, aus ihm einen König zu machen, sondern dienen einzig und allein 

zur Sicherung der Tyrannenherrschaft. Nichols weist auf die „machiavellistischen 

Züge“39  hin,  die  die  Ausführungen  in  der  Politik  aufweisen.  Außerdem  wird 

angedeutet, dass Aristoteles die Despotie als Staatsherrschaftsform ablehnt40 und 

dazu rät, konstitutionelle Elemente einzubauen41.  

Die  große  Gefahr  dabei  ist,  dass  die  Einführung  von  königlichen  oder 

demokratischen Elementen, wie es Aristoteles empfiehlt42, zu Machtverlust führt. 

Dann  wäre  der  Weg  für  die  Beseitigung  der  Tyrannenherrschaft  frei.  Der 

Alleinherrscher muss bei der Wahl seiner Maßnahmen, die seinem Tyrannentum 

einen würdigen Anstrich verpassen sollen, äußerst vorsichtig vorgehen. 

 

Zusammenfassend  kann man  sagen,  dass  eine  Tyrannenherrschaft  nicht  in  ein 

Königtum  umgewandelt  werden  kann,  wenngleich  der  Tyrann  gut  beraten  ist, 

königlicher  zu handeln oder  zu wirken. Waren die Verfehlungen eines Ex‐Königs 

nicht  in  einem  zu  fortgeschrittenem  Stadion,  so  scheint  eine  Rückkehr  zur 

ursprünglichen Herrschaftsform möglich.  

 

Es  gibt  Kategorien,  die  eine  grobe  Einordnung  der  Arten  von  Alleinherrschaft 

möglich  machen.  Trotzdem  erscheint  die  Vergegenwärtigung  der  Gegensätze 

Tyrannis  und  Königtum  auf  einer  Skala  sinnvoll.  So  kann  man  gegebenenfalls 

Abstände  besser  bemessen  und  beurteilen,  ob  entweder  eine  Rückkehr  zum 

Königtum möglich ist oder andererseits, ob der König noch als solcher bezeichnet 

39 Nichols 2002 S.100 40 Edb. 41 Höffe 2001 S.144 42 Nichols 2002 S.100 / Höffe 2001 S.144

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werden kann, wenn er tyrannische Elemente in seiner Herrschaft zulässt.  

 

Der perfekte Mensch existiert anscheinend nicht in Reinform. Das Königtum kann 

also  nicht  allein  aufgrund  dieser  Vorstellung  definiert  werden.  Da  es  aber 

Individuen  zu  geben  scheint,  die  den  Beschreibungen  eines  hervorragenden 

Menschen ziemlich nahe kommen, kann ein Königtum  ‐ vor allem  in sehr kleinen 

Staaten  ‐  existieren,  wenn  man  den  ein  oder  anderen  Fehler  des Monarchen 

tolerieren kann. Diese Aufgabe fällt dem Volke zu. Dieses muss anhand der Skala, 

anhand der   man  im  Stande  ist, nicht nur  schwarz oder weiß  zu unterscheiden, 

entscheiden.  Der  geschickte  Tyrann  hat  dabei  die Möglichkeit,  sein  Volk  durch 

königliche Taten zu blenden. Der grausame Monarch kann aber nie wirklich König 

werden. Gerade weil der Anspruch „beste Verfassung“ an das Königtum geknüpft 

ist, sind Spielräume für den ehrgeizigen Tyrannen sehr eng. 

 

 

 

VIII Alleinherrschaft heute 

 

Um  zu  verdeutlichen,  dass  Aristoteles  auf  dem Gebiet  der Monarchieforschung 

nicht  nur  an  der  Legung  der Grundsteine  beteiligt war, wird  in  diesem,  letzten 

Kapitel nun das gleiche Maß an heutige Formen der Alleinherrschaft gelegt, dass 

auch schon für Fälle zu Aristoteles` Zeiten gedient hatte. 

Dass  es  auch  heute  noch  Monarchen  gibt  ist  klar.  Unser  Verständnis  von 

Monarchien  hat  sich  gewandelt.  Die  offiziellen  Zusätze  konstitutionell  oder 

parlamentarisch    zeigen diesen  vollzogenen Wandel  auf und weisen darauf hin, 

dass  es  sich  hierbei  nicht  mehr  wirklich  um  Alleinherrschaftssysteme  handelt. 

Trotzdem existieren wahre Monarchien nach wie vor.  

Die Einordnung von modernen Diktaturen wie Nordkorea,  Iran  (de‐facto), Hitler‐

Deutschland, die stalinistische Herrschaft und Mussolinis Italien fällt nicht schwer. 

Es wird  auch  schnell  klar,  dass  diese meist  den Weg  eingeschlagen  haben  (und 

einschlagen),  den  Aristoteles  als  Herrschaftserhaltung  nicht  empfiehlt:  die 

Totalitarisierung.  

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Doch gibt es heute noch Königtümer  im Sinne des von Aristoteles` geschilderten,  

gerechten Herrschers? Die Frage ist nicht grundsätzlich mit Nein zu beantworten.  

Es  gibt  einige  Beispiele,  die  zumindest  einige  Faktoren  aufweisen,  die  auf  ein 

Königtum hindeuten. 

 

Liechtenstein ist ein Paradebeispiel für ein modernes Fürstentum. Natürlich gibt es 

dort  längst  ein  Parlament.  Doch  die  Herrschaftsform  des  Fürstentums  ist  trotz 

Verfassung nicht das, was wir heute unter parlamentarisch verstehen. Der dortige 

Fürst  kann  das  Legislativorgan  jederzeit  auflösen.  Der  Regierungschef  ist  nur 

aufgrund seiner Gunst handlungsfähig. Kein Gesetz kann ohne die Zustimmung des 

Fürsten  erlassen werden.  Faktisch  liegt  die Macht  in  den  Händen  des  Fürsten. 

Außerdem heißt es in Art. 7 Abs. 2: „Die Person des Landesfürsten untersteht nicht 

der  Gerichtsbarkeit  und  ist  rechtlich  nicht  verantwortlich.“43  Ein  pambasilein? 

Aristoteles  stellt  fest,  dass  reine  Königtümer  nur  als  solche  zu  bezeichnen  sind, 

wenn keine Regeln  (keine Verfassung) vorhanden  sind. Es  ist aber auch  sinnvoll, 

sich  durch  Regeln  zu  verpflichten,  selbst Maß  zu  halten  in  jeder  Hinsicht  der 

Herrschaft. Dies vermeidet unter Umständen den Eindruck beim kritischen Volk, 

dass  eine  Tyrannis  entstehen  könnte.  Wenn  diese  Selbstbindung  durch  eine 

geschriebene  Verfassung  festgelegt  ist,  erscheint  eine  Konstitution  durchaus 

sinnvoll. 

Schiebt  man  neben  diesen  Überlegungen  auch  noch  die  oben  erwähnte 

Anforderung  durch  das  Argument  der  faktischen  Herrschaft  beiseite,  lässt  sich 

durchaus  feststellen,  dass  ein  Königtum  (in  dieser Größe!) möglich wäre. Dafür 

spräche  die Möglichkeit  der  Bürger,  den  Fürsten  abzusetzen44,  oder mit  ihrer 

Gemeinde  aus der Monarchie  auszutreten. Von dieser Möglichkeit hat das Volk 

(dank  überragender  Herrschaftsausübung?)  noch  nicht  Gebrauch  gemacht.  Der 

Fürst handelt mit Zustimmung seiner Bürger. 45 

 

43 Verfassung des Fürstentums Liechtenstein Art.7 Abs.2 44 Die Bürger können den Fürsten, nicht aber das Parlament absetzen. 45 Zu diesem Absatz: Belege siehe Verfassung des Fürstentums Liechtenstein

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In  der  islamischen Welt  gibt  es  einige  Beispiele,  die  noch  eindeutiger  sind. Die 

Verfassung von Brunei existiert zwar,  ist jedoch seit mehreren Jahrzehnten außer 

Kraft. Hier  regiert  ein  Sultan. Diese Alleinherrschaft  trägt wenig  grausame  oder 

ungerechte Züge. Ein anderes Beispiel führt uns  in den Nahen Osten. Hier  ist die 

absolute Monarchie Katar zu nennen. Legislative, Exekutive und Judikative  liegen 

in  der Hand  des  Emirs. Dieser  sorgt  für Wohlstand  und  Bildung.  Er  ist  zugleich 

betraut mit den Aufgaben der „Kultverrichtungen“ (in diesem Falle der Islam).  

Alle drei Beispiele, möge man sie nun als wirkliche Monarchien bezeichnen oder 

nicht – haben zwei zentrale Dinge gemeinsam: erstens herrschen die (mit großer 

Machtfülle ausgestatten) Monarchen mit Zustimmung des Volkes und zweitens ist 

das Herrschaftsgebiet nicht allzu groß. An dieser Stelle sei auf den Zusammenhang 

von  Staatsgröße  und  Königtümern  angespielt,  wenngleich  diese  Staaten 

bevölkerungszahlenmäßig nicht mit den antiken Kleinstaaten zu vergleichen sind. 

Auch kann man vom Wohlstand nicht auf das alleinige Verdienst des Herrschers 

am Volke schließen. Öl und andere, günstige Rahmenbedingungen sind als Gründe 

aufzuführen. 

Öl hat auch der bei weitem größere Staat Jordanien. Hier regiert König Abdullah II. 

Der arabische Staat  ist eine konstitutionelle Monarchie mit Parlament. Durch die 

eindeutige  Mehrheit  der  königstreuen  Stammesführer  (vergleichbar  mit  den 

Freunden des Königs bei Aristoteles) regiert faktisch der König alleine. Wichtig ist, 

dass der König nicht auf die Gunst der Stammesführer angewiesen  ist und nicht 

auch nur  ihretwegen   regieren kann. Königstreu ist hier  im Sinne von unterwürfig 

zu verstehen.  

Ein  besonders  markantes  Zeichen  der  Macht  des  Königs  ist  die  fortwährende 

Neubesetzung der „Regierung“, die allein dem Monarchen zusteht. Auch in diesem 

Land  ist  das  Ziel  des  Königs  die  Förderung  des  angenehmen  Lebens  aller. 

Traditionsgemäß  empfängt  er  mehrmals  im  Jahr  persönlich  mehrere  Tausend 

Bittsteller aus seinem Volk in einem Beduinenzelt in der Wüste.  

 

 

 

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Es zeigt sich also, dass bei der heutigen Größe der Staaten nicht behauptet werden 

kann,  dass  genau  der  Eine  regiert,  der  alle  anderen  miteinander  überragt. 

Vielmehr handelt es  sich dort um Königtümer, wo  zwar hohe Anforderungen an 

eine  qualifizierte  Person  existieren46,  die  Alleinherrschaft  aber  durch  andere 

Umstände einfacher (im Vergleich zu anderen Länder und deren Umständen) wird.  

Die Könige erkennen den Staatszweck und wollen  ihn umsetzen.  Im Emirat Katar 

werden  beispielweise  die  finanziellen  Erträge  einer  Ölquelle  komplett  in  das 

Bildungssystem  investiert.  Solche  und  weitere  Beispiele  führen  dazu,  dass  die 

Bürger das Königtum als Herrschaftsform anerkennen und dessen Erhalt (natürlich 

immer mit einigen Ausnahmen) begrüßen.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

46 Ungeachtet davon, dass es sich meist um Erbmonarchien handelt, haben die Herrscher meist eine fundierte, wissenschaftliche (Aus-)Bildung genossen.

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IX Quellenverzeichnis: 

 Primärliteratur  Aristoteles: Politik, übersetzt und herausgegeben von O. Gigon. München. Auflage 8. 1998.  Sekundärliteratur  Aristoteles: Politik, übersetzt von E. Schütrumpf, erläutert von E. Schütrumpf und H.‐J. Gehrke. 4 Bände. Berlin 1996.  O. Höffe: Aristoteles, Politik. Berlin 2001. G. Bien: Die Grundlegung der politischen Philosophie bei Aristoteles. Freiburg 1973. R. Kraut: Aristotle, Political Philosophie. Oxford 2002. M.P. Nichols: Citizens and Statesmen – A study of Aristotle’ “Politics”. Lanham 1992. R.G. Mulgan: Aristotle`s Political Theory. Oxford 1977. Verfassung des Fürstentums Liechtenstein. Stand 2003.   Eigenständigkeitserklärung    Diese Arbeit ist einzig und allein das Werk von mir, Daniel Wolfgang Karl Schamburek. Sie ist eigenständig abgefasst.  Es wurden keine Quellen verwendet, die nicht im Quellenverzeichnis aufgelistet sind.