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Volumen XXXIII, Fasciculus VI (1950) - No. 227. 1773 227. N-Dimethylglycin-hydrazid-hydrochlorid, Reagenz zur Isolierung und Charakterisierung von Carbonyl-Derivaten von M. Viscontini und J. Meier. (30. VIII. 50.) Die versehiedenen Girard-Reagenzien haben sich in den letzten Jahren fur die Organiker als wichtige Hilfsmittel erwiesen ; die geringen Unvollkommenheiten, welche man ihnen vorwerfen konnte, haben ihre Bedeutung zur Isolierung von Ketonen kaum vermindert. Auch die Isolierung von Aldehyden ist, trotz der gegenteiligen Meinung der Entdeckerl) dieser Reagenzien moglich. Lederer & Nachmias2) haben gezeigt, dass die Reagenzien T und P, wenn sie rein, d. h. vollkommen von Hydrazin-hydrochlorid befreit sind, mit den Aldehyden losliche Hydrazone bilden, die leicht mit verdunnter Salzsaure verseift werden konnen. Leider sind die Reagenzien von Girard & Sandulesco selten 80 rein, und dieser Umstand bildet einen der vorhin erwahnten kleinen Narhteile ; ausserdem sind sie sehr hygroskopisch und schwierig auf- zubewahren; meist ist man gezwungen, sie kurz vor der Verwendung zuzubereiten. Schliesslich eignen sich die mit ihrer Hilfe hergestellten Hydrazone wegen ihrer Wasserloslichkeit bei allen pH-Werten schlecht zur Isolierung. Nun verschwinden aber alle diese Nachteile, die an die Gegen- wart einer quaternaren Ammoniumsalzgruppe in der Molekel der Reagenzien gebunden sind, wenn man Derivate verwendet, die eine t er t i iir e Aminogruppe in ihrer Molekel einschliessen. So hat sich in unseren HBnden das Hydrazid des N-Dimethylglycins (I) als gutes Reagenz auf Aldehyd und Ketone erwiesen. CH, / CH, “--CH,--CONH--NH, I Seine Synthese, die im experimentellen Teil beschrieben ist, bie- tet nicht mehr Schwierigkeiten als diejenige des Reagenz T. Wir iso- lieren das Hydrazid in Form des nicht hygroskopischen Monohydro- chlorids, welches sich leicht umkristallisieren laisst. Dieses Reagenz, fur welches wir die Benennung ,,Reagenz D“ (Dimethyl) vorschlagen, kann ohne besondere Vorsichtsmassnahmen aufbewahrt, gelagert und sogar mehrere Wochen an der Luft stehen gelassen werden, ohne (lass die Kristalle dadurch eine Veranderung erleiden. 1) Girnrd & Sandulesco, Helv. 19, 1098 (1936). ?) Lederer & Naclimias, B1. 1949, 400.

N-Dimethylglycin-hydrazid-hydrochlorid, Reagenz zur Isolierung und Charakterisierung von Carbonyl-Derivaten

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Page 1: N-Dimethylglycin-hydrazid-hydrochlorid, Reagenz zur Isolierung und Charakterisierung von Carbonyl-Derivaten

Volumen XXXIII, Fasciculus VI (1950) - No. 227. 1773

227. N-Dimethylglycin-hydrazid-hydrochlorid, Reagenz zur Isolierung und Charakterisierung von Carbonyl-Derivaten

von M. Viscontini und J. Meier. (30. VIII. 50.)

Die versehiedenen Girard-Reagenzien haben sich in den letzten Jahren fur die Organiker als wichtige Hilfsmittel erwiesen ; die geringen Unvollkommenheiten, welche man ihnen vorwerfen konnte, haben ihre Bedeutung zur Isolierung von Ketonen kaum vermindert. Auch die Isolierung von Aldehyden ist, trotz der gegenteiligen Meinung der Entdeckerl) dieser Reagenzien moglich. Lederer & Nachmias2) haben gezeigt, dass die Reagenzien T und P, wenn sie rein, d. h. vollkommen von Hydrazin-hydrochlorid befreit sind, mit den Aldehyden losliche Hydrazone bilden, die leicht mit verdunnter Salzsaure verseift werden konnen. Leider sind die Reagenzien von Girard & Sandulesco selten 80 rein, und dieser Umstand bildet einen der vorhin erwahnten kleinen Narhteile ; ausserdem sind sie sehr hygroskopisch und schwierig auf- zubewahren; meist ist man gezwungen, sie kurz vor der Verwendung zuzubereiten. Schliesslich eignen sich die mit ihrer Hilfe hergestellten Hydrazone wegen ihrer Wasserloslichkeit bei allen pH-Werten schlecht zur Isolierung.

Nun verschwinden aber alle diese Nachteile, die an die Gegen- wart einer quaternaren Ammoniumsalzgruppe in der Molekel der Reagenzien gebunden sind, wenn man Derivate verwendet, die eine t e r t i iir e Aminogruppe in ihrer Molekel einschliessen. So hat sich in unseren HBnden das Hydrazid des N-Dimethylglycins (I) als gutes Reagenz auf Aldehyd und Ketone erwiesen.

CH,

/ CH,

“--CH,--CONH--NH,

I

Seine Synthese, die im experimentellen Teil beschrieben ist, bie- tet nicht mehr Schwierigkeiten als diejenige des Reagenz T. Wir iso- lieren das Hydrazid in Form des nicht hygroskopischen Monohydro- chlorids, welches sich leicht umkristallisieren laisst. Dieses Reagenz, fur welches wir die Benennung , ,Reagenz D“ (Dimethyl) vorschlagen, kann ohne besondere Vorsichtsmassnahmen aufbewahrt, gelagert und sogar mehrere Wochen an der Luft stehen gelassen werden, ohne (lass die Kristalle dadurch eine Veranderung erleiden.

1) Girnrd & Sandulesco, Helv. 19, 1098 (1936). ?) Lederer & Naclimias, B1. 1949, 400.

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1774 HELVETICA CHIMICA ACTA.

Das Dihydrochlorid des Reagenz D ist schon zum Studium des Polarogramms des Iso-dehydro-androsteronsl) benutzt worden. Die Autoren, die es verwendet haben, sind sich der Wichtigkeit dieser Substanz nicht bewusst geworden, wahrscheinlich weil deren Syn- these schwierig ist, weil sie nicht erkannten, dass die rnit ihm herge- stellten Hydrazone leicht isoliert werden konnen und da ihr Dihydro- chlorid hygroskopisch ist.

I n Form des Monohydrochlorids reagiert Reagenz D rnit Alde- hyden und Ketonen, in Alkohol oder Wasser, mit oder ohne Essig- siiure, nach Erwiirmen oder bei Zimmertemperatur, sehr rasch.

Die auf diese Weise erhaltenen Hydrochloride der Hydrazone weisen iihnliche Eigenschaften auf wie die Hydrazone mit quater- niiren Ammoniumsalzgruppen und werden in der Kd te unter dem Einfluss von n. oder 2 n. Salzsaure leicht hydrolytisch zerlegt. Bei der Neutralisation ihrer wiisserigen Losungen mit Soda fallen die freien Hydrazone aus, die im allgemeinen gut kristallisiert sind und scharfe Schmelzpunkte besitzen. Als Beispiele beschreiben wir im experi- mentellen Teil die Gewinnung und die Reinigung eines Aldehyd- hydrszons, einefi Steron-hydrazons und die Trennung eines Ge- misches von Cholesterin und von Cholestenon.

E xp erim en t e l l er Teil. N-Dimethylg lyc in . Um leicht und mit guter Ausbeute N-Dimethylglycin zu

gewinnen, empfehlen wir folgendes Verfahren: Man lost in gut gekuhltem Benzol 2 Mole reines Dimethylamin und gibt langsam 1 Mol Monochloressigsiiure-lithylester dazu. Nach 24 Stunden filtriert man das Dimethylamin-hydrochlorid, aus dem man das freie Amin zuriickgewinnen kann, ab und rektifiziert, nachdem das Benzol durch Destillation entfernt worden ist, den zuriickgebliebenen Ester im Vakuum. Das reine Produkt destil- liert bei 4849O/12 mm. Die Ausbeute iibersteigt bei sorgfiiltiger Arbeitsweise SO?/, .

N - Dime t h y Igl y c in - h y d r a z id - h y d r o c hlor id . Man erwiirmt wiihrend zwei Stunden auf dem Wasserbad eine Losung von 5,5 g N-Dimethylglycin-athylester und 2 g Hydradnhydrat in 10 em3 abs. Alkohol. Hierauf lasst man die Losung 24 Stunden stehen, verdiinnt sie mit 40 cm3 Alkohol, kiihlt sie auf 00 ab und fiigt vorsichtig 5-n. Salz- same hinzu. Das Hydrazidmonohydrochlorid flillt nach dem Kratzen der Geflisswandungen aus; man fiigt mehr Salzsaure hinzu, bis die Ausfiillung beendet ist, jedoch sol1 die Flussig- keit standig eine leicht alkalische Reaktion aufweisen. Das auf diese Weise erhaltene Produkt bildet ein mikrokristallines Pulver und ist bereits rein. Man erhiilt durch Auf- losen im Wasser und Ausfiillen mit Alkohol gut ausgebildete Kristalle. Die Ausbeuten betragen ca. 80% der Theorie. Smp. 1 8 1 O .

C,H,,0N3C1 Rer. C 31.27 H 7,82 N 27,36% (153,5) Gef. ,, 31,33 ,, 7,78 ,, 27,30%

N - Dime t h y 1 g l y c i n - h y d r a z id - d i h y d r o c h l o r i d. Man lost das Monohydro- chlorid in sehr wenig Wasser auf und fiigt 5-n. Salzsiiure bis zur sauren Reaktion hinzu. Urn die Spaltung des Hydrazids, welche sehr leicht vor sich geht, zu vermeiden, ist dabei starke Kiihlung notwendig. Nach Zugabe von absolutem Alkohol fiillt ein kristalli- siertes, nicht hygroskopisches Dihydrochlorid vom Smp. 214,5O aus. Auf dem Labora- toriumstisch einige Tage der Luft ausgesetzt, erleidet es keinerlei Veriinderung.

C,,H130N,CI, (190) Ber. N 22,1% Gef. N 21,83%

Barnett & Morris, Biochem. J. 40, 450 (1946).

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Volumen XXXIII, Fasciculus VI (1950) - No. 227. 1775

I s o l i e r u n g d e s Choles tenons rnit Reagenz D. Man lost etwas Cholestenon in einer alkoholischen Lijsung, welche 10% Essigsiiure und 10% Reagenz D enthalt, in der Weise, dass ein leichter Oberschuss an Reagenz D vorhanden iSt (1,25:1). Hierauf wird 1/2 Stunde auf dem Wasserbad erwiirmt. Nach Abkiihlung verdiinnt man mit 10 cm3 eisgekiihltem Wasser. Die Losung bleibt dabei klar.

Nun gibt menSalzsiiure hinzu,bis dieLosung ungefiihr2-n. ist. Sie triibt sich schnell, und das Cholestenon wird fast quantitativ ausgefiillt.

Bei einem Versuch mit 200 mg Cholestenon wurden 180 mg zuriickgewonnen (Mischschmebpunkt mit reinem Cholestenon ergibt keine Depression : 820).

Wenn man die saure Losung, welche das Hydrazon gelost enthalt, mit 2-n. Soda genau neutralisiert, so scheidet sich ein Gel des freien Hydraeons &us. Die Fiillung ist vollstiindiger und das Gel trennt sich leichter, wenn man ein wenig Kochsab hinzufiigt. Man filtriert durch ein grosses Filterpapier und trocknet das Gel iiber Phosphorpentoxyd. Wird das so erhaltene Produkt in Benzol gelost, die Lijsung vom ungelosten Kochaalz abfiltriert, SO kann die Verbindung aus der Benzollosung durch Zugabe von Petroliither wieder ausgefiillt werden. Man trocknet sie iiber Phosphorpentoxyd. Schmelzpunkt unscharf 180-1 900.

C!31H,,0N3 (483) Ber. N 8,65% Gef. N 8,46% Das Derivat iSt gut loslich in Alkohol und Benzol, unloslich in Wasser, Ather und

PetrolLther. Tr e n n un g e i n e s Gem i s c h es v o n C h o 1 es t e r i n - C h o 1 e s tenon. Man behandelt

ein Gemisch von gleichen Teilen Cholesterin und Cholestenon mit dem Reagenz D unter den oben beschriebenen Bedingungen. Wenn man die akoholische Losung mit eisge- kiihltem Wasser verdiinnt, erhiilt man einen voluminosen Niederschlag von Cholesterin, den man in Ather aufnimmt. Um die Emulsion, welche sich dann bildet, besser zu trennen, fiigt man eine grosse Menge Kochsalz hinzu. Durch Anskuern der wasserigen Losung erhiilt man nach ungefiihr einer Stunde einen Niederschlag von reinem Cholestenon (Mischschmelzpunkt rnit Ausgangsmaterial: keine Depression).

N - D i me t h y lg 1 y c i n - h y d r a zo n d e s m - N i t r o b e n s a l d e h y ds. Man bereite t eine wasserige Losung mit 10% des Reagenzes D. Hierauf triigt man den pulverisierten Aldehyd ein und schiittelt die Mischung kraftig, bis der Aldehyd vollkommen aufgelost ist. Dann filtriert man Verunreinigungen ab.

Fiigt man zu dieser Losung starke Saure, 80 erhalt man sofort reinen m-Nitrobenz- aldehyd, der mit dem Ausgangsprodukt keine Depression ergibt. Smp. 59O.

Das N-Dimethylglycin-hydrazon des Aldehyds wird ausgefiillt, wenn man die saure Liisung mit 2-n. Soda genau neutralisiert. Umkristallisation ausALkohol/Wasser. Smp.143O.

C11H,40,N4 Ber. C 52,75 H 5,6 N 22,4 yo (250) Gef. ,, 52,53 ,, 5,78 ,, 22,54%

Das Hydrazon ist loslich in Alkohol, unloslich in Wasser und &her. Es lost sich in einem Uberschuss von Soda.

Z us ammen f a s s u ng. Es wird die Herstellung eines neuen Reagenzes, des N-Di-

methylglycin-hydrazid-hydrochlorids beschrieben, das sich wie Gi- rard-Reagenz zur Isolierung von Aldehyden und Ketonen eignet .

Zurich, Chemisches Institut der Universitgt.