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Nahversorgung im österreichischen Einzelhandel o.Univ. Prof. Dr. Peter Schnedlitz Dr. Cordula Cerha Mag. Anton Salesny Wien, Oktober 2016

Nahversorgung im österreichischen Einzelhandel - BMDW · Store Experience, Authentizität und Kundennähe haben dabei eine wesentliche Bedeutung. Der stationäre Handel muss sich

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Nahversorgung im

österreichischen Einzelhandel

o.Univ. Prof. Dr. Peter Schnedlitz

Dr. Cordula Cerha

Mag. Anton Salesny

Wien, Oktober 2016

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Inhaltsverzeichnis 1 Executive Summary .................................................................... 1

2 Einleitung ................................................................................... 5

2.1 Problemstellung und Zielsetzung ................................................ 5

2.2 Methodisches Vorgehen ............................................................. 6

3 Grundlegendes zur Nahversorgung ............................................. 8

3.1 Begriffsklärung zur Nahversorgung ............................................. 8

3.2 Bedeutung der Nahversorgung ................................................. 11

4 Entwicklung des österreichischen Einzelhandels im Hinblick auf die Nahversorgung.............................................................. 16

4.1 Entwicklung des stationären Einzelhandels ................................ 16

4.1.1 Entwicklung des stationären Einzelhandels in der Gesamtbetrachtung ....................................................... 16

4.1.2 Entwicklung des stationären Einzelhandels in ausgewählten Branchen ...................................................................... 21

4.2 Entwicklung des nicht-stationären Einzelhandels ........................ 27

5 Bestandsaufnahme zur Nahversorgung .................................... 31

5.1 Nahversorgung im ländlichen Umfeld ........................................ 31

5.2 Nahversorgung im städtischen Umfeld ...................................... 35

6 Konsumentenverhalten im stationären und nicht stationären Einzelhandel ............................................................................. 40

6.1 Konsumentenverhalten bei Waren des täglichen Bedarfs ............. 40

6.2 Konsumentenverhalten bei Waren des wiederkehrenden Bedarfs .. 44

7 Übersicht über Wettbewerbskräfte und Trends im österreichischen Einzelhandel .................................................. 52

8 Positionierung des stationären Einzelhandels im geänderten Wettbewerbsumfeld ................................................................. 58

8.1 Erfolgsfaktoren für den stationären Einzelhandel ........................ 58

8.2 Ausgewählte Positionierungsstrategien für den stationären Einzelhandel .......................................................................... 59

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9 Best-Practice-Beispiele im Bereich Nahversorgung .................. 69

9.1 Bistrot de Pays ....................................................................... 69

9.2 Sonnentor ............................................................................. 73

9.3 Voglhaus ............................................................................... 77

9.4 „Joseph – Brot vom Pheinsten“ ................................................. 80

10 Empfehlungen für die Unterstützung der Nahversorgung ......... 85

11 Conclusio und Ausblick ............................................................. 93

Anhang A – Förderungen .............................................................. 101

Quellenverzeichnis ....................................................................... 103

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

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Abkürzungsverzeichnis

BMWFW ...... Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

CAWI ............................................... Computer Assisted Web Interviewing

DFH .......................................................................... Drogeriefachhandel

EKZ .............................................................................. Einkaufszentrum

FMCG ........................................................ Fast Moving Consumer Goods

FMG ............................................................................. Fachmarktgebiet

FMZ ........................................................................... Fachmarktzentrum

GPS ................................................................. Global Positioning System

IKT .................................... Informations- und Kommunikationstechnologie

KMU .......................................................... Klein- und Mittelunternehmen

LEH .................................................................. Lebensmitteleinzelhandel

POS ................................................................................... Point-of-Sale

USP ................................................................ Unique Selling Proposition

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1 Executive Summary Die Geschichte des Handels ist geprägt von kleineren oder größeren „Revolutionen“. Diese werden im Regelfall von gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Entwicklungen ausgelöst. Die gestiegene Kaufkraft und Mobilität der Bevölkerung haben in den vergangenen Jahrzehnten das Einkaufsverhalten der Konsumenten nicht nur bei Waren des täglichen Bedarfs, sondern auch bei Produkten mit geringeren Beschaffungsintervallen entscheidend verändert. Der Wettbewerb wurde auf die grüne Wiese verlagert. Großflächige Betriebstypen und Filialisten haben von dieser Entwicklung profitiert. Verlierer waren die traditionellen Nahversorger – in der Regel kleinflächige und nicht-organisierte Handelsunternehmen. Die Digitalisierung des Handels und das Aufkommen des E-Commerce haben die Situation weiter verschärft.

Im Zuge der vorliegenden Studie werden die Konsequenzen dieser Entwicklung für die Nahversorgung im ländlichen sowie im städtischen Bereich aufgezeigt. Der schon seit Jahrzehnten anhaltende Trend zu einer zunehmenden Konzentration und Filialisierung sowie eine Verringerung der Verkaufsstellen sind in einer Reihe von Branchen zu beobachten. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass die österreichische Versorgungsdichte im internationalen Vergleich hoch ist. Auch die Versorgungszufriedenheit der Konsumenten ist groß und in den vergangenen Jahren sogar noch gewachsen. Das ist insofern nicht verwunderlich, als es letztlich die Konsumenten sind, die mit ihren Einkaufsentscheidungen den Strukturwandel im Handel ausgelöst haben. Allerdings ist in die Diskussion um die Nahversorgung die Versorgung der nicht-mobilen Bevölkerung ebenso einzubringen wie Konsequenzen der Ausdünnung des Versorgungsnetzes für die Attraktivität von Wohngebieten, Stadtzentren und ländlichen Regionen sowohl für die Bevölkerung als auch für den Tourismus.

Eine seriöse Auseinandersetzung mit dem von vielen Seiten euphorisch kommentierten Online-Handel bringt eine gewisse Ernüchterung mit sich. Das Potential für den Internet-Handel wird vielfach überschätzt, was auch damit zu tun hat, dass es wenige Studien zu diesem Thema gibt, die repräsentativ für die gesamte Bevölkerung sind. Trotz eines steigenden Anteils der Bevölkerung, die Online-Shopping bereits getestet hat (vgl.

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Europäische Kommission 2015, S. 4f.), hat der Online-Handel in Mitteleuropa bislang noch keine erheblichen Marktanteile abgesaugt. Insbesondere im Bereich der Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs spielt er derzeit mit einem Marktanteil von rund 1 % keine wesentliche Rolle. Erfolgreich sind im Internet-Handel bisher – nach dem Prinzip „The winner takes it all“ – in erster Linie einige wenige große Anbieter wie z.B. Amazon, die sich im Bereich der Waren des gelegentlichen Bedarfs (v.a. Buch, Haushaltselektronik, Bekleidung und Textilien) etablieren konnten. Hier wird die Sicherstellung des fairen Wettbewerbs insbesondere dahingehend erforderlich sein, dass finanzielle Lasten der stationären Händler nicht zugunsten der Onlinehändler verteilt werden.

Herausforderung Omni-Channel-Retailing

Weltweit geht die Entwicklung jedenfalls in Richtung Multi-Channel oder gar Omni-Channel-Retailing. Gemeint ist damit, dass es immer weniger „Pure Player“ am Markt gibt, die entweder nur stationäre Geschäfte oder nur Versandhandel betreiben. Der Haupttreiber dafür ist das Channel-Hopping der Konsumenten, die auch wenn sie stationär kaufen, das Internet für die Informationssuche nutzen (Webrooming), oder sich erst im Handel beraten lassen, um dann online zu kaufen (Showrooming). Immer weniger können Kaufentscheidungen in reine Offline- bzw. reine Online-Käufe eingeteilt werden.

Insofern steht auch der stationäre Handel vor der Aufgabe, digitale Elemente in sein Konzept zu integrieren. Er muss hinterfragen, welche strategischen Perspektiven neue Technologien für das eigene Angebot und dessen Präsentation bieten und wie für die Kunden ein relevanter Mehrwert geschaffen werden kann. Gerade für den nicht-organisierten, unabhängigen Handel ist es dabei äußerst schwierig im Netz sichtbar zu werden.

Angesichts der Herausforderungen des Strukturwandels im österreichischen Einzelhandel gilt es, Konzepte für eine Neupositionierung für stationäre Händler zu entwickeln. Store Experience, Authentizität und Kundennähe haben dabei eine wesentliche Bedeutung. Der stationäre Handel muss sich auf seine Stärken, wie individuelles Service und persönlichen Kontakt, besinnen. Er muss innovativ sein und den Kunden Abwechslung bieten. Auch Kooperationen und Allianzen können neue Chancen im Wettbewerb bringen. Die Bündelung von Angeboten (Stichwort: multifunktionaler

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Versorger) kann die Frequenz erhöhen und die betriebswirtschaftliche Basis verbreitern.

Die Analyse von mehreren Best-Practice-Beispielen zeigt, dass die Kombination von Einzelhandel und Gastronomie die Attraktivität für den Konsumenten steigern kann. Wenn der Handel sich wieder stärker auf seine Kompetenz als sozialer Treffpunkt besinnt, können die Verweildauer erhöht und das Erlebnis am Point-of-Sale gestärkt werden. Da die Nahversorgung sich bei weiterer Betrachtung nicht nur auf den Handel, sondern auch auf Dienstleistungen bezieht, ergeben sich durch Kooperationen und Angebotskombinationen interessante Perspektiven für die Betriebe einerseits und für die Versorgung der Bevölkerung andererseits. Dies gilt nicht nur für Städte, sondern insbesondere auch für ländliche Gebiete, wo der Handel eine wesentliche Rolle für die Attraktivität des Lebensraums spielt.

Die öffentliche Hand kann den Einzelhandel durch finanzielle Förderung und Beratung, den Aufbau eines Netzwerks sowie das Schaffen eines Bewusstseins für die Bedeutung der Nahversorgung in der Bevölkerung unterstützen. Eingriffen über rechtliche Instrumente sind insofern Grenzen gesetzt, als sich die Dynamik der Wirtschaft und die Macht des Wettbewerbs in der Vergangenheit immer wieder als stärker und effizienter erwiesen haben als wirtschaftspolitische Eingriffe.

Das Wettbewerbsrecht muss im Sinne der langfristigen Sicherung des Wettbewerbs nicht nur die Auswirkungen auf die Konsumenten berücksichtigen, sondern auch die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs durch eine ausreichende Zahl von Wettbewerbern, ansonsten werden sich nachteilige Effekte für KMU entfalten, womit der Wettbewerb langfristig geschädigt wird. Die alleinige Betrachtung der Preisaspekte wäre in diesem Zusammenhang zu kurzsichtig.

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Es wird empfohlen eine Informationsoffensive zum Einzelhandel mit positiven Leuchtturmprojekten zu starten. Konkret können folgende Projektvorschläge formuliert werden:

Projektvorschlag 1: Einrichtung eines Kompetenzzentrums Nahversorgung und Ausschreibung eines Preises „Innovative Nahversorgung“

Es soll ein Kompetenzzentrum Nahversorgung eingerichtet werden, das einen Erfahrungsaustausch zwischen Interessensvertretungen, Wissenschaft und Händlern zum Thema fördert. Ziel ist, es einen Kriterienkatalog auszuarbeiten, der festlegt, welche Innovationen im Bereich Nahversorgung Impulse im Sinne eines Benchmarking bieten können. In weiterer Folge ergibt sich darauf aufbauend die Realisierung eines Nahversorgungspreises. Von einer Jury sollen intelligente Modelle für die Nahversorgung ausgezeichnet werden.

Projektvorschlag 2: Angebot von Tool-Kits für Cross-Channeling und Service

Cross-Channel-Aktivitäten sind sehr branchenspezifisch. Viele Bausteine des Cross-Channel-Marketings haben sich jedoch schon bewährt (beispielsweise Suchmaschinenmarketing, Responsive-Website, Apps). Eine wesentliche Unterstützung des stationären Handels wären die Sammlung und Weitergabe von Best-Practice-Modellen und erfolgreichen Strategien sowie die Entwicklung von Checklisten für deren Adaptierung.

Projektvorschlag 3: „Wir sind schneller als der Versandhandel!“

Dieses Projekt betrifft einen Wettbewerb zur Citylogistik mit dem Rad. Dabei soll die effektivste und effizienteste Last-Mile-Lösung von einer Expertenjury prämiert werden. Die lokalen Händler können sich auf einer Plattform einklinken und innovative Vorschläge zur Bewältigung der Last-Mile-Herausforderung vorstellen. Das Projekt soll im Sinne von Best-Practice den Erfahrungsaustausch fördern und innovativen Händlern ein Forum bieten um sich zu präsentieren. Stationäre Händler sollen motiviert werden, sich mit Zustelllösungen auseinanderzusetzen und im Wettbewerb mit dem Versandhandel eine pro-aktive Rolle einzunehmen.

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2 Einleitung

2.1 Problemstellung und Zielsetzung

Der österreichische Einzelhandel hat in den vergangenen Jahrzehnten einen umfangreichen Strukturwandel durchlaufen. Die zunehmende Filialisierung und Internationalisierung, die Konzentration von Verkaufsfläche und Marktmacht und die Verlagerung von Einzelhandelsstandorten in Einkaufszentren und auf die grüne Wiese sind Entwicklungen, die die Einzelhandelslandschaft und den Wettbewerb im Einzelhandel entscheidend geprägt haben. Diese Entwicklung im Handel ging dabei zu Lasten des kleinflächigen, inhabergeführten Handels, der traditionell die Nahversorgungsfunktion übernommen hat.

Verschärft wird der Wandel im Handel auch durch die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und das Auftreten neuer Wettbewerber durch E-Commerce. Auch wenn die Umsätze des Online-Handels derzeit noch überschaubar sind, ist die Befürchtung groß, dass eine wachsende Verbreitung des E-Commerce den Strukturwandel weiter vorantreiben wird. „Neben den Standortkategorien Innenstadt und grüne Wiese wirkt der Online-Handel wie eine zusätzliche Standortkategorie, als ein ‚virtueller Standort‘“ (BBSR 2016, o. S.).

Zielsetzung der vorliegenden Studie ist es, den Strukturwandel im Einzelhandel im Hinblick auf seine Folgen für die Nahversorgung nachzuvollziehen. Ausgehend von den Entwicklungen soll eine Bestandsaufnahme zur Nahversorgungssituation im österreichischen Einzelhandel vorgenommen werden. Dabei wird zwischen der Nahversorgung im ländlichen Umfeld und im städtischen Umfeld differenziert, da unterschiedliche Rahmenbedingungen und Standortfaktoren einen Vergleich nicht zulassen. Auch wird zwischen der Versorgungssituation mit Waren des täglichen Bedarfs und Waren des a-periodischen Bedarfs unterschieden.

Eine zentrale Rolle spielt in der Nahversorgungsdiskussion das Konsumentenverhalten. Letztlich entscheidet der Verbraucher, ob bzw. wie gut er sich (nah-)versorgt fühlt. Deshalb kommt der Auseinandersetzung mit dem Konsumentenverhalten nicht nur bei der Analyse der Faktoren, die zur Ausdünnung der Nahversorgungssituation geführt haben, sondern auch

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bei der Suche nach Lösungsansätzen eine wesentliche Bedeutung zu. Einzelhandelsbetriebstypen, die nicht den Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten entsprechen, sind langfristig nicht überlebensfähig. Im Zuge der vorliegenden Untersuchung erfolgt daher eine Auseinandersetzung mit Entwicklungen und Trends im Konsumentenverhalten im stationären wie im Online-Handel, die im Hinblick auf die Nahversorgung relevant sind.

Ausgehend von den Erkenntnissen zu Strukturwandel, Nahversorgungssituation und Konsumentenverhalten werden die wesentlichen Treiber für die Dynamik im Handel identifiziert und die Komplexität der Wettbewerbssituation im österreichischen Einzelhandel kompakt dargestellt. In der Folge werden Existenzbedingungen und Positionierungsstrategien für den stationären Handel dargestellt.

Schließlich wird in der vorliegenden Studie auch der Frage nachgegangen, welche Möglichkeiten für die Wirtschaftspolitik bestehen, die Entwicklung im Handel positiv zu beeinflussen und stationäre Händler, insbesondere kleinflächige, unabhängige Handelsbetriebe im Bereich der Nahversorgung, zu unterstützen.

2.2 Methodisches Vorgehen

Die vorliegende Studie basiert auf einer profunden Auseinandersetzung mit der Literatur zum Handelsmarketing, im Speziellen zur Nahversorgung, sowie auf einer umfassenden Analyse von sekundärstatistischen Daten: Dabei werden bei der Bestandsaufnahme zum Wandel im Handel Strukturdaten der Handelsforschung verwendet. Aufgrund der Tatsache, dass zum deutschen Markt mitunter Daten vorliegen, die für den österreichischen Markt nicht erhoben werden, werden auch diese in die vorliegende Untersuchung eingebunden. Die Größe des deutschen Marktes, die höheren Ressourcen für die Handelsforschung sowie die oft größeren Fallzahlen wirken sich dabei vorteilhaft aus. Aufgrund starker Parallelen in der Entwicklung des Einzelhandels zwischen Deutschland und Österreich sowie der Tatsache, dass Deutschland im Hinblick auf die Nahversorgung vor ähnlichen Herausforderungen steht wie Österreich, ist davon auszugehen, dass aus deutschen Studien wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden können. Andererseits sind länderspezifische Rahmenbedingungen (Topografie, Konsumentenpräferenzen hinsichtlich Regionalität,

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Nachhaltigkeit und Bio-Konsum sowie Preisbereitschaft, etc.) zu berücksichtigen.

Ergänzt wird die Bestandsaufnahme zur Struktur des österreichischen Einzelhandels durch Expertengespräche mit Führungskräften von Einzelhandelsunternehmen sowie Repräsentanten aus den Interessensvertretungen der einzelnen Handelsbranchen. Diese sollen das sich in der Handelsforschung abzeichnende Bild durch branchenspezifische Informationen aus der österreichischen Einzelhandelspraxis vervollständigen.

Zudem finden die Ergebnisse vorliegender Erhebungen zum Konsumentenverhalten im stationären Handel und E-Commerce Eingang in die Untersuchung. Ergänzt werden diese durch Daten zur Versorgungszufriedenheit der Konsumenten, die Studien zur Lebensqualität in Österreich entnommen werden.

Bei der Analyse der vorliegenden Studien werden methodische Einflüsse berücksichtigt. So ist beispielsweise darauf hinzuweisen, dass die Mehrheit der vorliegenden Untersuchungen zum Konsumentenverhalten im E-Commerce auf Online-Umfragen (CAWI) basiert und diese damit in erster Line Aussagen über die web-affine Bevölkerung zulassen. Eine Gültigkeit der Ergebnisse für die Gesamtbevölkerung ist aus diesen Studien nicht abzuleiten. Wo dies notwendig ist, wird daher auf durch die Erhebungsmethodik bedingte Einschränkungen hingewiesen.

In der vorliegenden Arbeit werden weiters Best-Practice-Beispiele zur Nahversorgung aus dem nationalen und internationalen Bereich analysiert, die Ansatzpunkte für die Positionierung österreichischer Handelsunternehmen liefern sollen. Dabei wird auf vorliegende Studien sowie ergänzende Recherchen zurückgegriffen.

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3 Grundlegendes zur Nahversorgung

3.1 Begriffsklärung zur Nahversorgung

Trotz des vielfachen Gebrauchs der Begriffe Nahversorgung und Nahversorger erweist sich eine genaue Definition der Begriffe als schwierig. Dies ist vor allem dadurch bedingt, dass sowohl der Begriff der Nähe als auch jener der Versorgung eine stark subjektive Komponente enthalten. Nahversorgung ist nicht nur an objektiven Maßstäben, wie der Ausstattung mit Einkaufsmöglichkeiten und der Entfernung, in welcher diese liegen, zu messen, sondern auch an der Mobilität und den subjektiven Versorgungsansprüchen der Konsumenten. Eine Festlegung des Nahversorgungsbegriffes auf genau definierte Grenzwerte, bis zu deren Erreichen Nahversorgung gegeben ist, erscheint deshalb wenig sinnvoll.

Ähnlich verhält es sich mit einer klassifikatorischen Definition des Nahversorgers. Es ist nicht möglich, den Nahversorger auf eine konkrete Betriebsform festzulegen. Auch in der öffentlichen Diskussion werden oft ganz unterschiedliche Geschäfte als Nahversorger bezeichnet. Während viele beim Nahversorger nach wie vor an das kleine, selbständige Geschäft an der Ecke denken, sieht die Realität in Österreich anders aus: Nahversorgung wird in Österreich im Bereich der Lebensmittel und anderen Waren des täglichen Bedarfs in der Regel von filialisierten Supermärkten und Diskontern übernommen.

In der Diskussion um den Wandel im Handel wird der Begriff Nahversorgung zudem über alle Branchen hinweg verwendet. Die Forderung nach Nahversorgung wird nicht nur bei Waren des täglichen Bedarfs formuliert, sondern auch bei a-periodisch gekauften Warengruppen (wie Büchern, Bekleidung, etc.). Diese Vermischung unterschiedlicher Branchen ist problematisch. Das Einkaufsverhalten bei Waren des täglichen Bedarfs ist nicht mit dem Einkaufsverhalten bei Waren des gelegentlichen Bedarfs zu vergleichen. So herrschen beim Versorgungskauf in der Regel andere Konsummotive (Convenience, Smart-Shopping, One-Stop-Shopping, etc.) vor als beim Kauf von Produkten, bei denen die Notwendigkeit der unmittelbaren Bedarfsdeckung nicht im Vordergrund steht (Einkauf als Freizeitgestaltung, hedonistische Konsummotive, Vielfalt, Abwechslung, etc.).

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Eine völlig trennscharfe Zuordnung erlaubt auch diese Einteilung nicht. Während Lebensmittel unstrittig zu den Waren des täglichen Bedarfs gehören, ist dies bei vielen anderen Warengruppen nicht so eindeutig, da der Konsument individuell interpretiert, was für ihn zum täglichen Bedarf dazugehört (vgl. BMVBS 2013, S. 3). Dies spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Abgrenzung des Begriffs in der Literatur wider.

Auch hinsichtlich der räumlichen Rahmenbedingungen ist unbedingt zwischen Nahversorgung in ländlichen Regionen und Nahversorgung im städtischen Bereich zu differenzieren. Die Unterversorgung der nicht-mobilen Bevölkerung im ländlichen Raum mit Leerständen in Städten in einen Topf zu werfen, ist verwirrend und unzulässig.

Grafik 1 Nahversorgungsdimensionen

Quelle: Eigene Darstellung

Eine Auseinandersetzung mit der Nahversorgung und vor allem aber auch die Entwicklung von konkreten Lösungsansätzen im Bereich Nahversorgung bedürfen daher einer differenzierten Betrachtung (vgl. Grafik 1). Abhängig von den unterschiedlichen Rahmenbedingungen im städtischen und ländlichen Raum sowie in Abhängigkeit der Güterarten müssen angepasste Konzepte für die Nahversorgung diskutiert werden.

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Zur Beurteilung der Nahversorgungssituation können subjektive und objektive Kriterien herangezogen werden. Zu den objektiven Kriterien gehören beispielsweise Betriebsdichte, Verkaufsfläche, Betriebstypen und Branchenmix sowie Filialisierung und Konzentration (vgl. Abschnitt 4). Auch die Mobilität der Bevölkerung (Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln und Mobilitätsbereitschaft) ist zu berücksichtigen.

Zu den subjektiven Kriterien zählen das Anspruchsniveau der Konsumenten hinsichtlich der Versorgung, die Versorgungsgewohnheiten sowie die subjektiv empfundene Versorgungszufriedenheit. Letztere ist dabei nicht nur von der objektiven Versorgungssituation abhängig, sondern eben auch von den Versorgungsansprüchen der Konsumenten: Auf der einen Seite können sich Konsumenten mit hoher Mobilität oder Nutzung von E-Commerce und sonstigem Distanzhandel nicht unterversorgt fühlen, wenn kein Geschäft in ihrer Nähe ist. Auf der anderen Seite können Verbraucher Versorgungsmängel empfinden, obwohl ein Geschäft in der Nähe ist, wenn dessen Angebot nicht mit den Ansprüchen der Konsumenten übereinstimmt oder dieses nicht dem präferierten Betriebstyp entspricht.

Nahversorgung wird mitunter auch als fußläufige Erreichbarkeit definiert. Auch diese Abgrenzung enthält eine subjektive Komponente. Welche Strecke Konsumenten zu Fuß bewältigen können und wollen, ist von vielen individuellen Faktoren wie Alter, Fitness, Mobilität und Lebensstil abhängig.

Dem Konsumentenverhalten (vgl. Abschnitt 6) kommt damit eine zentrale Bedeutung in der Nahversorgungsdiskussion zu. Letztlich definiert der Verbraucher nicht nur, ob bzw. wie gut er sich (nah-)versorgt fühlt, sondern entscheidet darüber hinaus mit seiner Kaufkraft darüber, welche Einzelhandelskonzepte (offline wie online) erfolgreich sind.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine allgemeingültige Abgrenzung des Begriffs Nahversorgung nicht möglich ist. Eine solche würde auch der vielfältigen Verwendung in der Praxis entgegenstehen.

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3.2 Bedeutung der Nahversorgung

In der Folge soll die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Nahversorgung herausgearbeitet werden. Dabei zeigt sich die Vielschichtigkeit des Themas.

Versorgungsfunktion

Die offensichtlichste und wichtigste Funktion der Nahversorgung lässt sich bereits aus deren Namen ableiten und besteht eben in der Versorgung der Bevölkerung mit Waren in räumlicher Nähe. Traditionell waren es kleine Geschäfte, welche die Versorgung der Bevölkerung gewährleisteten. Aufgrund eingeschränkter Mobilität, Haltbarkeit und Lagerbarkeit, insbesondere von Lebensmitteln, war der Einkauf bis in die 50-er Jahre des 19. Jahrhunderts an die Nähe des Wohnorts gebunden. Da Vorratskäufe kaum möglich waren, wurde der Einkaufsrhythmus auf den Bedarfsrhythmus abgestimmt (vgl. Theuer 1977, S. 1). Eine gestiegene Mobilität sowie die Bereitschaft der Konsumenten, weitere Strecken für den Einkauf zurückzulegen, haben größeren Betriebsformen in weiterer Entfernung der Wohnorte zum Durchbruch verholfen.

Im Bereich der Lebensmittel und anderen Waren des täglichen Bedarfs können Supermärkte, Diskonter und Verbrauchermärkte über Skalenerträge durch die Filialisierung sowie größere Flächen und niedrigere Mieten in günstigeren Lagen attraktivere Preise anbieten. Im Bereich der a-periodisch nachgefragten Waren profitieren vor allem Fachmarktzentren und Einkaufszentren von der höheren Mobilität der Konsumenten. Dabei ist festzuhalten, dass aus Sicht der Konsumenten nicht nur niedrigere Preise, sondern auch durch größere Flächen breitere und tiefere Sortimente für diese Betriebsformen sprechen.

Bei der Verlagerung der Versorgung in die Peripherie ist allerdings zu beachten, dass durch dezentrale Betriebstypen eine flächendeckende Versorgung nicht sichergestellt werden kann, weil diese die Mobilität aller Bevölkerungsgruppen voraussetzen würde. Nicht mobile Personen, in erster Linie alte und kranke Leute, müssen in unmittelbarer Nähe ihres Wohnorts versorgt werden. Obwohl die Mobilität der jüngeren Bevölkerung zunimmt, darf nicht vergessen werden, dass der Anteil der älteren Bevölkerung, die in der Regel nicht so mobil ist, zunimmt und nach den Prognosen der Bevölkerungsentwicklung auch in Zukunft stark steigen wird. Im Jahr 2030

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werden rund 2,2 Millionen Österreicher, was einem Viertel der Bevölkerung entspricht, über 60 Jahre alt sein (vgl. Statistik Austria 2015a, o. S.). Allerdings ist auch davon auszugehen, dass Kohorteneffekte zu Gunsten des Führerscheinbesitzes, eine Sozialisierung der künftigen Senioren mit dem Auto und eine Verbesserung des gesundheitlichen Zustands dazu führen werden, dass die PKW-Orientierung und Mobilität dieser Zielgruppe steigen wird (vgl. BMVBS 2013, S. 11).

Soziale Bedeutung der Nahversorgung

Nahversorgungsunternehmen übernehmen eine soziale Funktion, da der Einkauf im stationären Handel eine soziale Aktivität ist. Der ortsansässige Nahversorger ist in vielen Gemeinden, vor allem in ländlichen Gebieten, der Treff- und Mittelpunkt des Gesellschaftslebens. Auch in städtischen Wohnlagen, wo ohnehin eine große Anonymität der Bevölkerung besteht, können lokale Geschäfte eine wichtige soziale Funktion haben. Sie fungieren als gesellschaftliche Bezugspunkte, die Menschen zwanglos zueinander bringen. Insbesondere für ältere Menschen ist der Einkauf mitunter der einzige Kontakt zur Außenwelt. Geht die Nahversorgung verloren, kann das auch Konsequenzen für den sozialen Zusammenhalt in einer Wohnumgebung haben.

Konsumentensouveränität

Im Hinblick auf die Konsumentensouveränität kann zunächst natürlich festgehalten werden, dass die Konsumenten mit ihrer Kaufkraft darüber entscheiden, welche Betriebe existieren sollen und welche nicht, also die Selektionskriterien für den Erfolg im Einzelhandel festlegen. Mittelfristig kann es jedoch durch Entscheidungen, welche die Konsumenten heute treffen, dazu kommen, dass ihre Handlungsoptionen in der Zukunft eingeschränkt sind. Entscheiden sich die Konsumenten heute zu Gunsten preiswerter Betriebstypen oder der Nutzung von E-Commerce, kann dies dazu führen, dass die Nahversorgungsstruktur vernichtet wird. Wenn die Konsumenten ihre Präferenzen in Zukunft ändern sollten, lässt sich das zerstörte Netz nicht wieder aufbauen.

Auch die steigende Konzentration im Einzelhandel kann im Hinblick auf die Konsumentensouveränität kritisch betrachtet werden. Oligopolisierungstendenzen im stationären Handel wie im E-Commerce können langfristig dazu führen, dass die Konsumenten dem Diktat der verbleibenden Anbieter hinsichtlich des Angebots und der Preise ausgeliefert

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sind. Eine derartige Entwicklung trifft den Lebensmittelbereich besonders stark, da die Waren des täglichen Bedarfs einen Konsumverzicht als Reaktion weitgehend ausschließen.

Nahversorgung und Standortattraktivität

Die Existenz einer funktionsfähigen Nahversorgungsstruktur in ländlichen Gebieten kann wesentlich zur Attraktivität einer Region beitragen. Der wichtigste Aspekt ist dabei die Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen. Abgesehen davon sind auch die vom Handel geschaffenen Arbeitsplätze von großer Bedeutung für die Region. Der Zerfall des Nahversorgungsnetzes schmälert die Lebensqualität und unterstützt somit die Landflucht.

Auch im städtischen Bereich erfüllt der Handel eine wichtige Aufgabe. Er wirkt der Verödung der Städte entgegen. Dort, wo Einkaufszentren in Randlagen die Stadtgeschäfte verdrängen, bleiben trostlose Straßenzüge zurück. Der Handel übernimmt sozusagen auch die Funktion eines „Landschaftspflegers der Stadt“ (Schnedlitz et al. 1996, S. 42).

Auch im Hinblick auf den Fremdenverkehr kommt einer intakten Einzelhandelsinfrastruktur eine wesentliche Rolle zu. Im Sinne des Standortmarketings übt das Angebot an lokalen Geschäften einen starken Einfluss auf Flair und Lokalkolorit einer Stadt aus. Ein einzigartiges Einzelhandelsangebot bietet damit eine Differenzierungsmöglichkeit im Wettbewerb mit anderen Destinationen.

Nahversorgung und Kaufkraftbindung

Die Funktionsfähigkeit der Nahversorgung entscheidet auch über die Kaufkraft, die in einer bestimmten Region bzw. Stadt gebunden werden kann. Dies hat einerseits Auswirkungen für den Handel: Fließt Kaufkraft ab, so fehlen die Ressourcen für Investitionen, was zu einem weiteren Abnehmen der Attraktivität des Handels führt, wodurch weitere Kaufkraft abfließt. Hat sich diese Negativspirale erst einmal in Gang gesetzt, ist sie kaum mehr aufzuhalten. Andererseits wirkt sich der Kaufkraftabfluss auch auf die Gemeinden aus: Ihnen fehlen wichtige Steuereinnahmen.

Auch die Zunahme des E-Commerce führt zu einem Abnehmen der Kaufkraftbindung, und zwar nicht nur auf lokaler bzw. regionaler Ebene, sondern sogar auf nationaler: Ein wesentlicher Anteil der E-Commerce- Umsätze wird von internationalen Händlern realisiert. Derzeit fließt mehr als

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die Hälfte der durch E-Commerce erzielten Umsätze ins Ausland – vor allem nach Deutschland – ab (vgl. KMU Forschung 2014b, S. 18). Dem österreichischen Einzelhandel geht damit wertvolle Kaufkraft verloren. Bei einem weiteren Wachstum des Online-Handels ist davon auszugehen, dass sich diese Problematik verschärft. Im europäischen Vergleich liegt der Anteil der Konsumenten, die Waren über das Internet im Ausland gekauft haben, mit 37 % im europäischen Spitzenfeld, wobei der Durchschnittswert für Europa nur bei 15 % liegt (vgl. TNS Political & Social 2013, S.17).

Wirtschaftliche Bedeutung der traditionellen Nahversorger

Da die Nahversorgungsdiskussion auch stark mit dem Sterben selbständiger, inhabergeführter Geschäfte verbunden ist, die traditionell die Nahversorgungsfunktion übernommen haben, soll an dieser Stelle auf die wirtschaftliche Bedeutung dieser Unternehmen eingegangen werden. In der Regel handelt es sich dabei um Kleinstunternehmen mit bis zu neun Beschäftigten. Im Handel fallen 87 % aller Unternehmen in diese Größenklasse. Diese Händler tragen 20 % zur gesamten Bruttowertschöpfung bei (vgl. Statistik Austria 2014, S. 23).

Die traditionellen Nahversorgungsunternehmen sind auch für den Arbeitsmarkt von entscheidender Bedeutung. Da kleine Geschäfte in der Regel personalintensiver sind, entfallen auf sie mehr als ein Viertel aller Beschäftigten bzw. ein Fünftel aller unselbständig Beschäftigten im Handel. Weiters nehmen diese Betriebe eine wichtige Funktion bei der Berufsausbildung wahr: 9 % der Lehrlinge im Einzelhandel sind in Kleinstunternehmen beschäftigt. 45 % aller Teilzeitkräfte im Handel arbeiten in Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten (vgl. WKO 2014, S. 1).

Im Vergleich zu durch E-Commerce geschaffenen Arbeitsplätzen handelt es sich bei der Beschäftigung im stationären Handel um qualifiziertere Arbeit. Während Lagerarbeiter im Online-Handel zu Niedriglöhnen Tätigkeiten übernehmen, die bei einer weiteren Entwicklung der Robotik leicht substituierbar sind, gehen Mitarbeiter im stationären Handel in der Regel bei besserer Bezahlung einer abwechslungsreicheren Tätigkeit nach. In diesem Zusammenhang kann von einer „Proletarisierung des Handels“ gesprochen werden.

Darüber hinaus bieten Handelsgeschäfte einen Weg in die Selbständigkeit und damit wichtige Impulse für das Unternehmertum. Eintrittsbarrieren sind

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im Handel vergleichsweise niedrig (vgl. Oxford Institute of Retail Management 2014, S. 15).

Neben ihrer Rolle für Wertschöpfung und Arbeitsmarkt sind traditionelle Nahversorger auch von ordnungspolitischer Bedeutung: Die Existenz einer Vielzahl unabhängiger kleiner und mittlerer Unternehmen bildet die Basis des marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems. Klein- und Mittelbetriebe stellen durch ihre Anpassungsfähigkeit und Flexibilität ein Stabilisierungselement der Wettbewerbsordnung dar. Insbesondere in rezessiven ökonomischen Situationen haben sich Klein- und Mittelbetriebe mehrfach als stabilisierende Kraft erwiesen.

Die Flexibilität der kleinen Unternehmen ist auch im Hinblick auf Innovationen relevant: Kleine Unternehmen können auf neue Trends im Markt rascher reagieren als größere Unternehmen, die bei der Umsetzung oft träge sind. Durch den unmittelbaren Kontakt zu den Kunden kann auf deren Bedürfnisse individuell und flexibel eingegangen werden. Neuerungen können leichter und unbürokratischer umgesetzt werden. Allerdings ist dabei festzuhalten, dass diese Stärken von kleinen Handelsunternehmen in Österreich derzeit nur teilweise ausgespielt werden und viele traditionelle Nahversorgungsunternehmen ihr Innovationspotential nicht ausschöpfen. In diesem Zusammenhang spielen Beratungs- und Schulungsangebote (vgl. Kapitel 10) eine wesentliche Rolle.

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4 Entwicklung des österreichischen Einzelhandels im Hinblick auf die Nahversorgung

4.1 Entwicklung des stationären Einzelhandels

Im folgenden Kapitel wird die Entwicklung des stationären Einzelhandels in Österreich betrachtet. Dabei werden sekundärstatistische Daten aus unterschiedlichen Quellen der Handelsforschung verglichen, um ein möglichst vollständiges Bild der österreichischen Handelslandschaft in den vergangenen Jahren zu zeichnen. Dabei erfolgt zunächst eine Darstellung der Entwicklung im österreichischen Einzelhandel insgesamt, gefolgt von jener in ausgewählten Branchen.

4.1.1 Entwicklung des stationären Einzelhandels in der

Gesamtbetrachtung

Der österreichische Einzelhandel hat in den vergangenen Jahrzehnten einen umfangreichen Strukturwandel durchlaufen. Die zunehmende Filialisierung und Internationalisierung, die Konzentration von Verkaufsfläche und Marktmacht und die Verlagerung von Einzelhandelsstandorten in Einkaufszentren und auf die grüne Wiese sind Entwicklungen, welche die Einzelhandelslandschaft und den Wettbewerb im Einzelhandel entscheidend geprägt haben. In der Folge werden die wichtigsten Entwicklungen dargestellt:

Anzahl der Geschäfte

Der stationäre Einzelhandel war in den letzten Jahren von einem starken Rückgang der Anzahl der Geschäfte geprägt. Standen den Konsumenten im Jahr 2003 noch rund 48.500 Geschäfte zur Verfügung, waren es im Jahr 2013 insgesamt nur noch rund 41.800, was einem prozentuellen Rückgang von 14 % in diesen 10 Jahren entspricht (vgl. KMU Forschung Austria 2014a, S. 17). Darüber hinaus sind an der Versorgung der Bevölkerung weitere 3.800 Ladengeschäfte von Erzeugungsunternehmen (wie Bäcker, Fleischhauer, etc.) beteiligt (Stand 2013; vgl. KMU Forschung Austria 2014a, S. 1).

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Versorgungsdichte

Setzt man die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte in Relation zur Bevölkerung, so zeigt sich, dass die Versorgungsdichte von rund 5,9 Geschäften pro 1.000 Einwohner im Jahr 2003 auf 4,9 im Jahr 2013 zurückgegangen ist (vgl. KMU Forschung Austria 2014a, S. 17). Im internationalen Vergleich ist diese in Österreich allerdings nach wie vor als hoch einzustufen.

Entwicklung der Verkaufsfläche

Die Verkaufsfläche im österreichischen Einzelhandel ist zwischen 2003 und 2013 von 13,6 Millionen m² auf 14,3 Millionen m² kontinuierlich angestiegen. Für den gesamten Zeitraum zwischen 2003 und 2013 ergibt sich damit ein Wachstum um 5 %, was rund 700.000 m² entspricht (vgl. KMU Forschung Austria 2014a, S. 17). Ein Flächenwachstum bei gleichzeitigem Rückgang der Anzahl der Geschäfte belegt die Entwicklung hin zu großflächigeren Handelsformaten, und ist weiters ein Indikator dafür, dass vom „Sterben der Geschäftsstellen“ vor allem der kleinflächige Handel betroffen ist.

Von 2012 auf 2013 ergab sich erstmals ein Rückgang der Verkaufsfläche um rund 100.000 m². Dies deutet darauf hin, dass die Entwicklung an einem Wendepunkt angekommen ist. Auch wenn Prognosen, die im Zuge der Ausweitung des E-Commerce einen Rückgang der Verkaufsflächen um ein Viertel bis 2020 vorhersagen (vgl. Hoepke 2016, o. S.), nicht realistisch erscheinen, ist doch davon auszugehen, dass die Sättigung erreicht ist. Dadurch, dass der stationäre Handel durch komplementäre E-Commerce-Angebote nicht mehr so einen hohen Flächenbedarf hat, wird der Trend wieder zu kleinflächigeren Filialen gehen.

Im statistischen Mittel entfallen auf jeden Österreicher rund 1,7 m² Einzelhandelsverkaufsfläche. Damit nimmt Österreich im Vergleich der EU 27 den ersten Rang ein. In keinem anderen Land ist die Verkaufsfläche pro Kopf höher.

Die Verkaufsflächenproduktivität liegt im österreichischen Einzelhandel bei rund Euro 4.330,-/m² (vgl. KMU Forschung 2014a, S. 13). Damit liegt sie deutlich über dem Vergleichswert von Euro 2.980,- pro m² Verkaufsfläche aus dem Jahr 2005 (vgl. KMU Forschung 2005, S. 4).

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Einzelhandelsagglomeration

Hinsichtlich der Verteilung der Verkaufsfläche zwischen Einkaufszentren (EKZ) bzw. Shopping Malls (d.h. einheitlich geplanten und geführten Objekten mit einer größeren Zahl an selbständigen Einzelhandels-, Dienstleistungs-, und Gastronomiebetrieben) und Fachmarktzentren (FMZ) (d.h. einheitlich geplanten von zentraler Stelle vermieteten und gemanagten Betrieben mit mehreren Fachmärkten oder fachmarktähnlichen Betrieben) sowie Fachmarktgebieten (FMG) (d.h. gewachsenen Agglomerationen von mehreren Fachmärkten oder fachmarktähnlichen Betrieben in unmittelbarer Nachbarschaft) und Einkaufsstraßen und Nebenlagen hat in den vergangenen Jahren eine Verschiebung weg von traditionellen Einkaufsstandorten stattgefunden. Zwar entfällt mit 55 % bzw. rd. 7,9 Millionen m² immer noch mehr als die Hälfte der gesamten Verkaufsfläche auf Einkaufsstraßen (exkl. innerstädtische Einkaufszentren) und Nebenlagen. Der Anteil ist aber in den vergangenen Jahren gesunken – im Vergleich zur Vorjahresperiode um rund 140.000 m² (vgl. KMU Forschung 2014a, S. 8).

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Veränderung der Umsätze in den vergangenen Jahren wider: Einkaufs- und Fachmarktzentren konnten ihren Umsatzanteil zwischen 2003 und 2013 von 13 % auf 17 % erhöhen. Auch Fachmarktgebiete konnten ihren Umsatzanteil in diesem Zeitraum von 11 % auf 14 % steigern. Der Umsatzanteil der Einkaufsstraßen und Nebenlagen ist hingegen von 73 % im Jahr 2003 auf 63 % im Jahr 2013 gefallen (vgl. KMU Forschung Austria 2014a, S. 19).

Filialisierung (Filialisierungsgrad und Filialflächenanteil)

Die zunehmende Konzentration im österreichischen Einzelhandel der vergangenen Jahre lässt sich am Filialisierungsgrad ablesen. Dabei handelt es sich um den Anteil der Filialen an der Gesamtzahl der Einzelhandelsgeschäfte. Lag dieser – im Durchschnittswert für den gesamten Einzelhandel – 2005 noch bei rund 32 % (vgl. KMU Forschung Austria 2005, S. 5), so ist er in den letzten Jahren auf 39 % im Jahr 2015 (vgl. Standort + Markt 2016, S. 2) gestiegen. Hinsichtlich des Filialflächenanteils repräsentierte der filialisierte Einzelhandel mit 64 % im Jahr 2014 knapp zwei Drittel der Verkaufsfläche. Dabei ist anzumerken, dass sowohl Filialisierungsgrad als auch Verkaufsflächenanteil seit zwei bis drei Jahren stagnieren bzw. von 2013 auf 2014 sogar leicht gesunken sind

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(vgl. KMU Forschung Austria 2014a, S. 11). Bei dieser Entwicklung ist allerdings das Ausscheiden von zunächst Schlecker und dann Daily in den Jahren 2011 bis 2013 zu berücksichtigen.

Tabelle 1 Flächenkapazität der 22 größten City-Bereiche

Verkaufs-

fläche Shops Durch-schnittl.

Shopgröße

Filiali-sierungs-grad in

%

Leer-standsrate

in %

Wien - Mariahilferstraße 218.400 m² 809 270 m² 43,3 11,1 Wien - City 191.400 m² 1.299 147 m² 30,1 10,7 Graz 176.800 m² 765 231 m² 39,4 14,9 Linz 129.500 m² 689 188 m² 46,3 8,9 Innsbruck 115.200 m² 737 156 m² 34,6 15,7 Klagenfurt 95.200 m² 573 166 m² 42,4 16,4 Wien - Landstraßer Hauptstr. 77.200 m² 443 174 m² 49,0 15,2

Wien - Favoritenstraße 71.100 m² 455 156 m² 38,4 12,8 Salzburg 70.900 m² 628 113 m² 33,3 11,2 St. Pölten 57.100 m² 254 225 m² 55,0 22,2 Villach 43.500 m² 357 122 m² 32,8 14,9 Wels 40.000 m² 296 135 m² 35,8 16,6 Dornbirn 39.700 m² 246 161 m² 42,8 8,4 Wien - Meidlinger Hauptstr. 37.900 m² 234 162 m² 54,5 11,3

Leoben 33.100 m² 179 185 m² 57,9 11,0 Wr. Neustadt 31.600 m² 220 144 m² 45,8 9,5 Krems 28.100 m² 230 122 m² 38,0 12,1 Bregenz 25.600 m² 268 95 m² 34,6 16,1 Steyr 24.400 m² 192 127 m² 50,0 11,9 Baden 23.000 m² 274 84 m² 32,2 9,2 Feldkirch 23.000 m² 216 107 m² 27,5 13,2 Eisenstadt 15.900 m² 116 137 m² 49,4 8,9 GESAMT 1.568.800 m² 9480 135 m² 39,2 13,4 Gesamtverkaufsfläche in Österreich rund 14,3 Millionen m²

Quelle: adaptiert von Standort + Markt 2016, S.2 und KMU Forschung Austria 2014, S. 8

Als Status quo ist im österreichischen Einzelhandel eine hohe Konzentration festzustellen. Bei Betrachtung einzelner Branchen ist diese im Drogerieeinzelhandel (Filialisierungsgrad: 76 %, Filialflächenanteil: 93 %) gefolgt vom Lebensmitteleinzelhandel (Filialisierungsgrad: 69 %, Filialflächenanteil: 86 %), also in den Bereichen der Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs, am höchsten (vgl. KMU 2014a, S. 192).

Betrachtet man die Filialisierung in unterschiedlichen Lagen, so zeigt sich, dass diese gemessen an der Betriebszahl in Lagen mit der höchsten Standortattraktivität (A-Lagen) mit über 54 % deutlich höher ist als im durchschnittlichen österreichischen Einzelhandel. Konkret heißt dies, dass in

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attraktiven Lagen eher filialisierte Geschäfte anzutreffen sind als in weniger attraktiven Lagen (B- oder C-Lagen) (vgl. Standort + Markt 2016, S. 4).

Tabelle 1 zeigt Flächenkapazität, Anzahl der Shops, durchschnittliche Shopgröße, Filialisierungsgrad und Leerstandsraten der 22 größten City-Bereiche in Österreich (vgl. Standort + Markt 2016, S. 20) sowie das gesamte Flächenangebot im österreichischen Einzelhandel.

Branchenmix nach Standortlage

Eine Untersuchung des Branchenmix in ausgewählten österreichischen Handelszonen (vgl. Standort + Markt 2016, S. 9f.) zeigt ein differenziertes Bild. In Fachmarktagglomarationen dominieren Wohnungseinrichtung (40,2 % der Verkaufsfläche) und sonstiger Auswahlbedarf (31,1 %). Kurzfristbedarf und Gastronomie/Dienstleistung liegen hingegen bei jeweils rund 9 %, Bekleidung und Schuhe bei 5 % und Elektro und Hausrat bei 1,5 %. Der Mix in den City-Lagen (exkl. Einkaufszentren) ist hingegen zunehmend von Gastronomie und Dienstleistung (22,7 %) geprägt, die damit hinter Bekleidung und Schuhen (33,6 %) an zweiter Stelle liegt. Eine detailliertere Betrachtung zeigt, dass sich dabei im Zwei-Jahresvergleich zwischen 2013/2014 und 2015/2016 eine deutliche Verschiebung um rund 3 Prozentpunkte weg von Bekleidung und Schuhen ergab, der ein ebenfalls deutlicher Anstieg der Gastronomie und Dienstleistung gegenübersteht (Zugewinn: 1,8 Prozentpunkte). Sonstiger Auswahlbedarf (17,3 %), Wohnungseinrichtung (10,5 %), Kurzfristbedarf (8,9 %) und Elektro und Hausrat (2,1 %) folgen auf den weiteren Rängen.

In Einkaufszentren liegen die Werte für Bekleidung und Schuhe (32,3 %) und sonstigen Auswahlbedarf (17,6 %) ähnlich wie jene in der City-Lage. Interessant ist allerdings, dass der Kurzfristbedarf mit 16,9 % deutlich höher und der Anteil von Gastronomie/Dienstleistung mit 14,4 % deutlich geringer ist als in der städtischen Lage.

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4.1.2 Entwicklung des stationären Einzelhandels in

ausgewählten Branchen

In der Folge soll die Entwicklung des Einzelhandels in ausgewählten, vom Auftraggeber definierten Branchen dargestellt werden:

Lebensmitteleinzelhandel

Die Situation im Lebensmitteleinzelhandel ist seit Jahrzehnten von einer Vergrößerung der Betriebsflächen und einer steigenden Konzentration des Umsatzes auf wenige Anbieter gekennzeichnet. Auch wenn hinsichtlich der Marktstrukturen mit einem Umsatzanteil von 96 %, der auf die fünf größten Wettbewerber entfällt (zwei Drittel insgesamt auf die zwei größten Wettbewerber REWE und Spar) (vgl. CASH 2015, S. 6), von einem Oligopol gesprochen werden kann, ist festzuhalten, dass der Wettbewerb der Marktteilnehmer im Kampf um weiteres Wachstum und Marktanteilsgewinne hoch ist. Im europäischen Vergleich liegt Österreich hinsichtlich der Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel hinter Finnland und Slowenien an dritter Stelle (vgl. Oxford Institute of Retail Management 2014, S. 48).

Der starke Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel ist auch durch das geringe Umsatzwachstum in der Branche bedingt. Mit realen Zuwachsraten von rund 0,3 % (vgl. KMU 2014c, S. 6) kann Wachstum nur durch einen Verdrängungswettbewerb realisiert werden.

Die Zahl der Verkaufsstellen ist im Lebensmitteleinzelhandel in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen: 5.533 Geschäfte im Jahr 2014 stehen 6.397 im Jahr 2004 und 8.522 im Jahr 1994 gegenüber. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Verkaufsstellen damit um mehr als ein Drittel verringert (vgl. Nielsen 2015, S. 9; BMLFUW 2014, S. 14). Dennoch ist im internationalen Vergleich eine hohe Verkaufsstellendichte erkennbar (siehe Grafik 2).

Mit einem Umsatzanteil von 43,8 % und einem Anteil von knapp der Hälfte der Verkaufsstellen ist der Supermarkt die dominante Betriebsform im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel. In den vergangenen Jahren konnten jedoch die Diskonter wesentliche Marktanteile gewinnen: Sie liegen zwar nur bei 11,8 % der Verkaufsstellen, haben aber einen Umsatzanteil von 22,8 %. Auch Verbrauchermärkte konnten ihre Position in den vergangenen Jahren ausbauen; auf sie entfallen rund ein Viertel des Umsatzes und 7,2 % der Verkaufsstellen (vgl. Nielsen 2015, S. 11). Im

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internationalen Vergleich ist die Bedeutung der großen Verbrauchermärkte allerdings gering. Während Hypermärkte mit mehr als 5.000 m² in Frankreich rund ein Viertel und in Russland und Rumänien jeweils fast ein Drittel des Umsatzes verantworten, liegen diese in Österreich bei einem Umsatzanteil von 1 %. Österreich steht damit im europäischen Vergleich an letzter Stelle (vgl. Planet Retail 2014, S. 27).

Grafik 2 Versorgungspunkte des stationären Lebensmitteleinzelhandels

Quelle: Lienbacher/Koschinsky 2015

Die Angebote der Super- und Verbrauchermärkte und Diskonter haben sich in den vergangenen Jahren angenähert: Super- und Verbrauchermärkte haben durch ein preisaggressives Angebot von Handelsmarken versucht, Marktanteile von den Diskontern zurückzugewinnen. Andererseits haben die Diskonter Vorstöße in Richtung Premium-Sortiment (Angebot von Markenartikeln und gehobenen Diskontmarken) gewagt und teilweise ein Trading-up vom Hard- zum Soft-Diskont durchlaufen. Durch diese Entwicklung ist ein engeres Wettbewerbsverhältnis zwischen diesen Betriebsformen entstanden. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Konkurrenzdruck diesbezüglich in den nächsten Jahren an Intensität verlieren wird.

Die großen Verlierer der Entwicklung der vergangenen Jahre waren wenig überraschend kleine und mittlere, selbständige Lebensmittelgeschäfte.

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Geschäfte mit einer Fläche bis 400 m² haben alleine in den fünf Jahren zwischen 2010 und 2014 um 17 % zahlenmäßig und 11 % umsatzmäßig verloren (Nielsen 2015, S. 12). Der Filialisierungsgrad ist von 55 % im Jahr 2005 auf 69 % im Jahr 2014 gestiegen, der Filialflächenanteil im selben Zeitraum von 77 % auf 86 % (vgl. KMU 2005, S. 5; KMU 2014a, S. 12).

Die Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel hat in den vergangenen Jahren zu einer Ausdünnung der Nahversorgung geführt. Dem stehen allerdings eine größere Auswahl und eine preisgünstigere Versorgung der Bevölkerung gegenüber.

Drogerieeinzelhandel / Parfümerie

Wie im Lebensmitteleinzelhandel ist der Drogerieeinzelhandel von einer Konzentration auf wenige Marktteilnehmer und der Vergrößerung der Betriebsflächen, oftmals durch ein branchenfremdes ergänzendes Dienstleistungsangebot, wie etwa die Integration eines Frisörsalons oder eines Kosmetikstudios, gekennzeichnet. Derzeit gibt es etwa 1.000 Geschäfte in Österreich. Der mit Abstand größte Drogerieeinzelhändler dm verfügt über zirka 390 Filialen, gefolgt von Müller mit rund 70 Filialen. Zusätzlich gibt es noch etwa 550 Geschäfte von selbständigen Einzelhändlern, welche bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa Prokopp, nicht filialisiert sind.

Bei Betrachtung des Drogerieeinzelhandels sei aber darauf hinzuweisen, dass gerade der Parfümerieeinzelhandel, wie zum Beispiel Bipa mit etwa 600 Filialen, und der gesamte Lebensmitteleinzelhandel mit 5.533 Geschäften im Jahr 2014, wesentliche Bezugsquellen von typischen Drogerieartikeln sind. In Folge sei auf die Daten zum Drogeriefachhandel nach Nielsen eingegangen, der die Filialisten Bipa, Schlecker (dayli) und dm dem Drogeriefachhandel zuordnet.

Gab es im Jahr 1991 insgesamt 681 dm-, Bipa- und Schleckerfilialen, stieg diese Zahl bis 2003 auf 2.058 Filialen, wovon 1.248 Filialen von Schlecker betrieben wurden (vgl. Nielsen 2005, S. 42; vgl. Nielsen 2013, S. 20). Ab 2004 ist eine kontinuierliche Abnahme der Filialanzahl zu verzeichnen, wobei durch die Insolvenz des Schlecker-Nachfolgeunternehmens dayli mit 886 Filialen im Jahr 2013 der Drogeriefachhandel auf etwa 990 Filialen sank. Die durchschnittliche Verkaufsfläche stieg von 209 Quadratmeter im Jahr 2003 auf 310 Quadratmeter im Jahr 2013. Der durchschnittliche Bruttoumsatz je Filiale veränderte sich in den gleichen Jahren von ca. 0,65

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Millionen Euro auf etwa 1,6 Millionen Euro (vgl. Nielsen 2005, S. 42; vgl. Nielsen 2013, S. 20; vgl. Nielsen 2014, S.20-21).

Der Parfümeriehandel, der in Österreich etwa um die 900 Geschäfte ausmacht, besteht im Wesentlichen aus filialisierten Unternehmen, wie Bipa, Marionnaud, Douglas, Nägele & Strubell. Neben den auch teilweise vorhandenen selbstständigen nicht filialiserten Unternehmen werden, wie Drogerieartikel in der Parfümerie, auch Parfümerieartikel in der Drogerie und im Lebensmitteleinzelhandel, beziehungsweise in Reformhäusern sowie in Tourismusregionen in kleinen als Kaufhäuser bezeichneten Geschäften vertrieben. Zusätzlich zu den genannten Vertriebsschienen von Drogerie- und Parfümerieartikeln erweitern Apotheken stetig ihr Sortiment und listen verstärkt diese Artikel ein. Eine Studie der RegioPlan Consulting aus 2013 zeigt dies deutlich: Bereits 2012 wurden um die 40 % aller Drogerieartikel nicht über den Drogerie- und Parfümeriehandel bezogen (RegioPlan 2013, o. S.).

Einzelhandel mit Reformwaren

Da keine spezifischen Daten zum Einzelhandel mit Reformwaren verfügbar sind, wird auf Basis der geführten Experteninterviews und der recherchierten Daten eine Schätzung der Zahl der Unternehmen vorgenommen. In Österreich gibt es laut Experten und tiefgreifender Recherche derzeit etwa 115 Geschäfte, wobei in der Regel die Unternehmen nicht über eine höhere Anzahl an Filialen verfügen. Lediglich die Reform Martin GmbH, mit derzeit 38 Filialen, kann als typisches filialisiertes Reform-Einzelhandelsunternehmen genannt werden. Generell ist festzustellen, dass Reformwaren in Reformhäusern, aber auch etwa über Drogerien, den Lebensmitteleinzelhandel (insbesondere auch den filialisierten Bio-Lebensmitteleinzelhandel wie z.B. denns) und Parfümerien vertrieben werden. Dies führt dazu, dass die klein strukturierten Unternehmen bei einem Wettbewerb, der nur über den Preis geführt wird, nicht wettbewerbsfähig sind und sich daher über Differenzierung am Markt positionieren. So versuchen diese etwa, Waren bei Herstellerunternehmen zu beziehen, die auf Grund ihrer Größe und Kapazitäten keine Konzerne beziehungsweise größere Einzelhandelsunternehmen beliefern. Somit sind die in der Regel sehr hochwertigen Artikel nicht überall erhältlich und daher ein Alleinstellungsmerkmal für den Händler.

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Einzelhandel mit Elektroartikeln

Der Elektrohandel stellt eine extrem heterogene Handelsbranche dar. In den letzten Jahren kam es durch Insolvenzen, wie etwa Cosmos, ProMarkt, MakroMarkt und Niedermeyer, zu einer steigenden Konzentration. Befanden sich im Jahr 2000 noch insgesamt fast 2.200 Geschäftsstellen am österreichischen Markt, wobei davon noch über 600 Geschäftsstellen von unabhängigen Einzelhändlern geführt wurden, so hat sich das Bild bis zum Jahr 2015 wesentlich verändert. Die Zahl der Geschäftsstellen reduzierte sich in den letzten fünfzehn Jahren auf etwa 1.550, und der Anteil von unabhängigen Geschäftsstellen sank um etwa 45 % auf nun unter 350 Geschäfte (vgl. GfK 2015, o. S.). Dieser Wandel wurde zusätzlich durch die gezielte Sortimentserweiterung branchenfremder Unternehmen, wie etwa zuletzt den verstärkten Verkauf von Elektroartikeln durch den Möbelhandel, vorangetrieben.

Einzelhandel mit Papier und Schreibwaren

Auf Basis von Experteninterviews und verfügbaren Daten kann im Einzelhandel mit Papier und Schreibwaren im weiteren Sinn von unter 1.000 Verkaufsstellen, wie etwa Libro, Pagro, Müller, TEDi, Interspar, ausgegangen werden. Im engeren Sinn gibt es unter 200 Verkaufsstellen, die in der Regel nicht filialisiert sind, wie etwa die selbständigen Skribo-Händler, welche den Fokus auf Papier und Schreibwaren legen. Dabei ist erwähnenswert, dass, wie schon dargestellt, immer mehr Handelsketten ihr Sortiment kontinuierlich erweitern und Papier und Schreibwaren verkaufen. Die letzten Jahre waren davon geprägt, dass etliche Unternehmen aus dem Markt ausschieden, sei es etwa in Toplagen, auf Grund der mit der möglichen Übergabe an einen Nachfolger verbundenen Mietpreiserhöhungen oder aber durch unzureichende Differenzierung, beziehungsweise Differenzierungsmöglichkeiten, zu Mitbewerbern.

Einzelhandel Blumen

Der Blumeneinzelhandel in Österreich kann als kleinstrukturiert beschrieben werden. Im Unterschied zu anderen Branchen, die eine Tendenz zur Filialisierung aufweisen, sind die Unternehmen in der Regel nicht filialisiert. Mit der Insolvenz des Unternehmens Holland Blumen Mark ist das größte filialisierte Unternehmen vom Markt verschwunden. Weitere filialisierte Unternehmen sind unter anderem B&B Blumen, Blumen 2000, Bellaflora und Dehner, wobei, wie diese Aufzählung schon zeigt, die wesentliche

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Schwierigkeit in der Abgrenzung zwischen Blumenhandel mit Fokus auf Blumenbindung und Gärtnerei liegt. Diese ist in der Regel nicht eindeutig. In Österreich gibt es etwa um die 1.400 Floristengeschäfte. Die Zahl der Geschäfte wurde auf Basis von Experteninterviews und verfügbaren statistischen Daten ermittelt. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass vor allem Lebensmitteleinzelhändler und Tankstellenshops ihr Sortiment um Schnittblumen und Sträuße erweitert haben und kontinuierlich ihr Blumenangebot ausbauen.

Einzelhandel mit Möbeln

Der Möbeleinzelhandel in Österreich gilt als einer der am stärksten konzentrierten Märkte Europas. Zwei Unternehmensgruppen (XXXL-Lutz Gruppe und Steinhoff Gruppe (Leiner, kika)) verfügen über etwa 60 % der Verkaufsfläche und drei Unternehmen (XXXL-Lutz Gruppe, Steinhoff Gruppe und IKEA) beherrschen einen Umsatzanteil von etwa 70 % des Gesamtmarktes (vgl. Regiodata 2014, o. S.). Zusätzlich ergänzen immer mehr Unternehmen ihr Sortiment um Möbel und Einrichtungsgegenstände. So verkaufen beispielsweise auch Diskonter und Kaffeefilialisten (Tchibo/Eduscho) im Rahmen ihrer wöchentlichen Non-Food-Aktionen teilweise Möbel.

Daten der KMU Forschung Austria von 2005 bis 2014 weisen eine Abnahme von 2.840 Verkaufsstellen im Jahr 2005 auf 2.700 Verkaufsstellen im Jahr 2014 aus (vgl. KMU 2005, S. 2; KMU 2014a, S. 5).

Einzelhandel mit Tiernahrung

Eine Abgrenzung auf eine bestimmte Branche ist auf Basis der vorhandenen Daten nicht möglich und nicht sinnvoll, da Konsumenten die unterschiedlichsten stationären Vertriebswege bei der Beschaffung von Tiernahrung nutzen. Im Wesentlichen kann Tiernahrung über Zoofachgeschäfte, Lebensmitteleinzelhandel, Drogeriefachhandel, Parfümerieeinzelhandel, Baumärkte und Tierärzte bezogen werden. Bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa Zoofachgeschäften, dominieren filialisierte Unternehmen den Handel mit Tiernahrung.

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4.2 Entwicklung des nicht-stationären Einzelhandels

Im heimischen Einzelhandel spielt das Internet eine immer größer werdende Rolle. Haben im Jahr 2006 etwa 70 % der Einzelhandelsunternehmen über einen Internetzugang verfügt, waren es 2013 bereits 90 %. Während im Jahr 2006 nur 40 % eine eigene Webseite betrieben, waren es 2013 bereits 70 %. Eine noch dynamischere Entwicklung ist beim Verkauf via Internet zu verzeichnen. Gaben 2006 8 % aller Unternehmen mit Sitz in Österreich an, Waren via Internet zu verkaufen, erhöhte sich diese Zahl im Jahr 2013 auf 19 %. Gleichzeitig nahm die Anzahl von Online-Shops von 2006 mit 3.200 bis ins Jahr 2013 mit 7.500 Online-Shops kontinuierlich zu (vgl. KMU 2014b, S. II-1). Diese unterteilen sich, basierend auf deren Betriebsform, in 6.300 stationäre Einzelhändler, 1.000 Pure-Player und 200 Versandhändler. Gerade die kleinen Unternehmen verfügten 2014 eher nur über eine Homepage und zeigten, laut einer Untersuchung der KMU Forschung Austria, noch mangelndes Interesse, einen Online-Shop anzubieten. Als Gründe wurden vor allem der persönliche Kontakt zu den Kunden, die regionale Ausrichtung sowie der hohe Zeit- und Kostenaufwand genannt. (vgl. KMU 2014b, S. 16f).

Der Bruttojahresumsatz im heimischen Internet-Einzelhandel stieg von 0,7 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 2,9 Milliarden Euro im Jahr 2013 an. Dies entspricht etwa 4,5 % des gesamten Einzelhandelsvolumens ohne Tankstellen (vgl. KMU 2014b, S. II-1). Ohne Einbeziehung des Lebensmitteleinzelhandels haben 2013 die Internet-Umsätze bereits 6,5 % des Einzelhandelsvolumens ausgemacht (vgl. KMU 2014b, S. 22). Im Vergleich zum Gesamtmarkt spielt der Online-Handel damit derzeit noch eine untergeordnete Rolle.

Bei Betrachtung der Konsumentenseite suchten bereits im Jahr 2013 über 70 % Informationen zu Einzelhandelswaren im Internet (vgl. KMU 2014b, S. II-1). Dabei wurden vor allem Informationen zu Elektrogeräten inklusive Handy (47 %), Bekleidung und Textilien (44 %), Schuhe und Lederwaren (27 %) und Möbel und Dekoration (25 %) gesucht. Nur etwa 13 % beziehungsweise 12 % suchten Informationen zu Kosmetik oder Parfüm und Lebensmitteln (vgl. KMU 2014b, S. 28). Während 2006 30 % der Österreicher im Internet Einzelhandelswaren kauften, nahm dieser Wert kontinuierlich auf 57 % im Jahr 2013 zu. Die Jahresausgaben laut KMU

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Forschung Austria für Einkäufe im Internet stiegen von 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 5,9 Milliarden Euro im Jahr 2013 an.

Diese Daten zeigen gleichzeitig, dass von den 5,9 Milliarden Euro im Jahr 2013 nur 2,9 Milliarden Euro bei Einzelhandelsunternehmen mit Unternehmenssitz in Österreich ausgegeben wurden (vgl. KMU 2014b, S. II-1). Somit floss mehr als die Hälfte der Internetausgaben in den internationalen Online-Handel, was zu einem wesentlichen Wertschöpfungsabfluss führte (vgl. KMU 2014b, S. 7).

Im gleichen Zug sei aber auf eine Studie des EHI Retail Instituts und Statista (vgl. 2015, S. 5) hingewiesen, welche den gesamten Bruttojahresumsatz der TOP-250-Online-Shops in Österreich im Geschäftsjahr 2014 mit einem Bruttojahresumsatz von etwa 2,2 Milliarden Euro angibt. Dabei entfällt auf den Shop auf Platz 250 ein Bruttojahresumsatz von unter 1,5 Millionen Euro. Dies verdeutlicht die hohe Unsicherheit beziehungsweise das bis dato ungenau vorliegende Bild über die Onlineumsätze, da etwa 3,7 Milliarden Euro, also über 60 % von den Shops ab Platz 251, erwirtschaftet werden müssten, was als sehr unwahrscheinlich beziehungsweise unmöglich anzusehen ist.

Angesichts der disruptiven Kraft des Online-Handels, die sich in weitreichenden Konsequenzen für den stationären Handel zeigt, die derzeit auch öffentlich breit diskutiert werden, ist eine einheitliche Abgrenzung, regelmäßige und nachvollziehbare Erhebung und seriöse Aufbereitung der Daten zum Online-Handel zur Objektivierung der Auseinandersetzung mit dem Thema ein zentrales Anliegen.

Der Trend zu Omni-Channel

Die dynamische Entwicklung des Online-Einzelhandels ging in den letzten Jahren im Wesentlichen von den Pure-Playern, also den „reinen Internethändlern“, wie etwa Amazon oder Zalando, und von den stationären Einzelhändlern aus. Gerade die stationären Einzelhändler setzen in den letzten Jahren verstärkt auf Multi-Channeling oder auf Omni-Channel, also eine Kombination beziehungsweise eine Verschmelzung von stationärem Ladengeschäft und Online-Shop (vgl. KMU 2014b, S. 7). Während in der Schweiz ein Wachstum in der Breite festgestellt wird (der Anteil der TOP-100-Unternehmen am gesamten Bruttojahresumsatz nimmt ab), ist in Österreich die Konzentration gestiegen. So machen die TOP-10-Unternehmen bereits 46,3 %, die TOP-50 72,5 % und die TOP-100-

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Unternehmen schon 84,3 % des gesamten Bruttojahresumsatzes der TOP-250-Unternehmen (vgl. EHI/Statista 2015, S. 5).

Während große Einzelhandelsunternehmen zu nahezu 100 % über einen Webauftritt verfügen, fällt dieser Wert bei Kleinstunternehmen, also Unternehmen mit unter 10 Beschäftigten, auf unter 70 % (vgl. KMU 2014b, S. 10). Bei der Betrachtung der Bruttojahresumsätze und deren Anteil am Branchenumsatz zeigt sich ein differenziertes Bild. Während bei Büchern und Zeitschriften bereits 34 % des Branchenumsatzes online getätigt wird und bereits eine Sättigung erkennbar ist, werden im Lebensmitteleinzelhandel noch deutlich unter 1 % der Branchenumsätze über den Distanzhandel abgewickelt. Durch den verstärkten Eintritt beziehungsweise geplanten Eintritt von stationären Lebensmitteleinzelhändlern kann für die kommenden Jahre von einer Steigerung ausgegangen werden. Trotz erweitertem Angebot ist auf Basis internationaler Vergleiche nicht mit einem sprunghaften Anstieg zu rechnen (vgl. KMU 2015, S. 17). Bestanden in den späten 1990-er Jahren noch visionäre Vorstellungen zum Online-Handel mit Waren des täglichen Bedarfs, so ist mittlerweile eine Ernüchterung eingetreten. Im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels ist es bislang nicht gelungen, Konzepte zu entwickeln, die auf eine breite Akzeptanz der Konsumenten stoßen.

Eine Studie von KPMG und EHI für Deutschland, aus der auch auf den österreichischen Markt geschlossen werden kann, weist dem Online-Handel mit Lebensmitteln eine „kaum messbare“ Bedeutung bei (vgl. KPMG/EHI 2012. S. 44f.). Es ist davon auszugehen, dass dieser auch in den nächsten Jahren nur eine geringe Rolle spielen wird. Dies belegt auch eine Studie der TOP-250 deutschen Lebensmittel-Onlineshops aus dem Jahr 2015, welche zum Ergebnis kommt, dass etwa 85 % der am Markt tätigen Online-Lebensmittelhändler Fachhändler, wie etwa Feinkosthändler, Süßwarenhändler, Biohändler, Getränkehändler und Fleischwarenhändler, sind. Bei Betrachtung des angebotenen Sortiments bieten etwa um die 60 % der TOP-250 Shops haltbares Sortiment sowie Süßwaren und Snacks, etwa 50 % Obst und Gemüse, um die 25 % Milchprodukte und lediglich 10 % Tiefkühlkost an (vgl. EHI 2015, S. 5ff.). Diese weitere Studie macht zusätzlich deutlich, dass derzeit das Angebot, Lebensmittel des täglichen Bedarfs über einen Online-Shop zu beziehen, sehr eingeschränkt ist. Da der Anteil der Komplettanbieter gering ist, ist ein One-Stop-Shopping im Netz nur bei wenigen Anbietern möglich.

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Im Vergleich zu Lebensmitteln sind Drogerieartikel für den Online-Handel durch ihre bessere Versandeignung aufgrund einer geringeren Temperaturempfindlichkeit und langfristigerer Verfallsdaten eher geeignet. Dennoch ist davon auszugehen, dass E-Commerce bei sämtlichen Waren des täglichen Bedarfs dem stationären Handel nicht den Rang ablaufen und der Anteil der Online-Bedarfsdeckung insgesamt eher gering bleiben wird.

So lässt sich allgemein sagen, dass der Distanzhandel (also Versandhandel, Interneteinzelhandel und Teleshopping) derzeit vorwiegend bei Waren des wiederkehrenden oder langfristigen Bedarfs eine Rolle spielt. Verstärkt werden Bekleidung und Textilien mit einem Umsatzanteil von etwa 20 %, Schuhe und Lederwaren mit einem Umsatzanteil von 13 %, Elektrowaren und Sportartikel mit jeweils einem Umsatzanteil von 25 % sowie Spielwaren mit 29 % im Jahr 2015 in Österreich über den Distanzhandel bezogen. (vgl. KMU 2014b, S. 23; KMU 2015, S. 17). Die Gesamtausgaben im Distanzhandel pro Jahr stiegen von 2014 mit 6,9 Milliarden auf 7,1 Milliarden im Jahr 2015. Der Anteil an den gesamten Konsumausgaben der Österreicher für Einzelhandelswaren blieb aber mit 11 % gleich (vgl. KMU 2015, S. 13).

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5 Bestandsaufnahme zur Nahversorgung

5.1 Nahversorgung im ländlichen Umfeld

Die Nahversorgung im ländlichen Raum ist seit Jahrzehnten im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Kleine Ortschaften und Gemeinden waren vom Strukturwandel im Handel in den vergangenen Jahrzehnten mit Abstand am stärksten betroffen. Sorge bereiten dabei nicht alleine die Versorgung der Bevölkerung, sondern auch Folgeeffekte, welche die Schließung von Handelsunternehmen im ländlichen Raum nach sich ziehen kann. Lokale Gewerbe- und Industriebetriebe stehen oft mit dem Handel in Geschäftsbeziehungen. Darüber hinaus fragt der Handel selbst Produkte und Dienstleistungen nach (z.B. im Bereich der Ausstattung, Sicherheitssysteme, Werbematerial, Instandhaltung, Renovierung etc.). Dazu kommt, dass der Handel für Frequenz im Ort sorgt und damit auch das Geschäft für andere Betriebe belebt. Mit einem Aussterben des Handels verschlechtert sich die Lage oft auch für andere Gewerbebetriebe.

Bereits in den vergangenen Jahrzehnten hatten ländliche Regionen mit dem Phänomen der Abwanderung der Bevölkerung in die Städte und deren Umfeld zu kämpfen. Eine Verschlechterung der Versorgungssituation durch den Handel ist dabei eines der Motive für die Landflucht. Auch für die kommenden Jahre ist mit einem Bevölkerungsrückgang in peripheren Lagen zu rechnen (vgl. Statistik Austria 2015b, S. 1).

Nahversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs im ländlichen Umfeld

Bereits seit Jahrzehnten vollzieht sich in Österreich – wie in vielen anderen europäischen Staaten – ein Prozess der Ausdünnung der Nahversorgung in ländlichen Gebieten. Insgesamt ist die Nahversorgungssituation mit Waren des täglichen Bedarfs in Österreich in 17 % aller Gemeinden als problematisch einzustufen. In diesen insgesamt 394 Gemeinden gibt es keinen Lebensmittel-Vollversorger (vgl. CIMA 2014, S. 10).

Im Bundesländervergleich liegt dabei die Steiermark mit 32 % vor Salzburg (23 %) und Tirol (20 %) an der Spitze. Oberösterreich und Vorarlberg folgen mit jeweils 11 %. Im Burgenland und in Niederösterreich (jeweils 9 %) sowie in Kärnten (7 %) sieht die Versorgungslage besser aus (vgl.

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Wirtschaftskammer Österreich 2014, zitiert nach CIMA 2014, S. 10), wobei in diesem Zusammenhang auch die Gemeindegröße zu berücksichtigen ist. Bei Gemeinden mit geringer Fläche und Bevölkerungszahl ist die Wahrscheinlichkeit des Fehlens eines Nahversorgers in der Gemeinde natürlich wahrscheinlicher (vergleiche Gemeinde Gramais mit rund 54 Einwohnern und Wien mit rund 1,8 Millionen Einwohnern).

Bei der Identifikation sogenannter „weißer Flecken“ in der Nahversorgung ist allerdings zu beachten, wie schwierig es ist, tatsächlich unterversorgte Gebiete zu ermitteln. Weder die Zahl der Gemeinden ohne Nahversorger noch das Verhältnis zwischen Lebensmittelgeschäften und Fläche oder Bevölkerungszahlen geben einen Aufschluss über die tatsächliche Versorgungssituation der Konsumenten, weil sie die Mobilität der Konsumenten ebenso außer Acht lassen, wie die subjektiven Ansprüche der Konsumenten an die Versorgung. Unmittelbar einsichtig ist jedoch, dass die definitive Bestimmung der Mobilität der Konsumenten äußerst komplexe Berechnungen erfordert und derartige dynamische Modelle der Bestimmung der Versorgungssituation deshalb meist nur für Untersuchungen eines räumlich sehr beschränkten Gebietes eingesetzt werden. Folgedessen liegen nur punktuelle Studien vor.

Auch hinsichtlich der Versorgungszufriedenheit gibt es keine flächendeckenden Informationen für den ländlichen Raum. Einzelne Studien, die sich in der Regel auf einen lokalen oder regionalen Bereich beschränken, zeigen jedoch, dass die Versorgungszufriedenheit insgesamt relativ hoch liegt. Eine Metaanalyse deutscher Untersuchungen, von der auch auf die Situation in Österreich geschlossen werden kann, zeigt weiters, dass sich die Versorgungszufriedenheit in ländlichen Gebieten trotz der Schließung vieler Versorgungsstätten in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert hat (vgl. BMVBS 2013, S. 19).

Dies ist auch insofern nachvollziehbar, als es schließlich die Konsumenten sind, die mit ihrem Kaufverhalten darüber entscheiden, welche Versorgungskonzepte erfolgreich sind. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt dabei, dass sich die Konsumenten auch in ländlichen Regionen zunehmend für eine Versorgung durch Supermärkte und Diskonter auf der grünen Wiese entscheiden.

Dies spiegeln auch die Strukturdaten im Handel wider: Während in Oberösterreich (25 %) und Salzburg (23 %) noch knapp ein Viertel der

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Verkaufsfläche auf die Stadt- und Ortskerne entfällt, liegt dieser Wert in der Steiermark bei 21 %, in Vorarlberg bei 16 %, in Niederösterreich bei 15 % und im Burgenland nur bei rund 12 % (vgl. CIMA 2014, S. 17). Kleine Geschäfte, die traditionell in den Ortszentren angesiedelt waren, werden zunehmend durch die Konkurrenz größerer Betriebsformen in peripheren Lagen, häufig an Verkehrsknotenpunkten, verdrängt.

Da der öffentliche Nahverkehr in der ländlichen Umgebung nicht so gut ausgebaut ist wie im städtischen Bereich, ist eine größere Abhängigkeit von PKWs gegeben. Für viele Konsumenten ist die Erreichbarkeit des nächsten Lebensmittelgeschäfts an die Verfügbarkeit eines Autos gebunden.

Von den meisten Konsumenten wird die Verlagerung in die Peripherie jedoch nicht als Verschlechterung der Versorgungssituation empfunden. In der Regel verfügen diese Standorte über eine sehr gute Verkehrsanbindung und bequeme Parkmöglichkeiten. Damit steigt die Einkaufsbequemlichkeit im Vergleich zu einer fußläufigen Erledigung des Einkaufs. Das unkomplizierte Anfahren der Geschäfte sowie der Wegfall des Tragens der Waren sind für Konsumenten bequem. Auch wenn die Erreichbarkeit für viele Konsumenten ein wesentlicher Faktor für den Besuch eines Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfts ist, darf diese nicht mit Nähe verwechselt werden. Der Konsument setzt dabei den Maßstab der subjektiv empfundenen Erreichbarkeit und nicht jenen der objektiven Nähe an.

Natürlich stellt sich die Frage, wie die nicht-mobile Bevölkerung im ländlichen Raum mit Lebensmitteln versorgt werden kann, wenn die Rahmenbedingungen für einen betriebswirtschaftlichen Erfolg eines Handelsunternehmens nicht gegeben sind. In den vergangenen Jahrzehnten wurden diesbezüglich schon die unterschiedlichsten Lösungsansätze diskutiert. Diese reichen von mobilen Verkaufsstellen, über Hauszustellung, Sammeltransporte zu Einzelhandelsgeschäften, Hofläden und Dorfläden bis hin zu öffentlich geförderten Nahversorgungszentren, die kommunale Dienstleistungen mit Nahversorgung bündeln (vgl. BMVBS 2013, S. 247ff.). Da die vorliegende Studie sich mit betriebswirtschaftlich tragfähigen Lösungen für den stationären Handel beschäftigt, sollen diese Initiativen, die in der Regel an die lokalen Bedingungen angepasst werden müssen, nicht weiter ausgeführt werden. Ihr Erfolg ist stark vom persönlichen Engagement der Initiatoren und der Bereitschaft der lokalen Gebietskörperschaften zur öffentlichen Förderung abhängig.

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In Orten, in denen es noch einen traditionellen Nahversorger in zentraler Lage gibt, hat sich dessen Rolle verändert. In der Regel wird dort nicht mehr der gesamte Einkauf getätigt, sondern in erster Linie Ergänzungskäufe oder Käufe, auf die beim Großeinkauf in anderen Betriebstypen vergessen wurde (vgl. BMVBS 2013, S. 8).

Nahversorgung mit Waren des wiederkehrenden Bedarfs im ländlichen Umfeld

Für die Versorgung mit Waren des wiederkehrenden aber nicht täglichen Bedarfs sind Konsumenten bereit größere Entfernungen zurückzulegen. Es gilt das Grundprinzip: Je seltener der Bedarf, desto größer die Distanz, die Kunden bereit sind zu überwinden.

Mit einer Vergrößerung der Verkaufsfläche im Lebensmitteleinzelhandel geht auch eine Erweiterung der Sortimente einher. Großflächige Supermärkte bieten nicht nur Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs an, sondern auch Waren des wiederkehrenden Bedarfs. Das Non-Food I- Sortiment umfasst nicht zum Verzehr bestimmte Verbrauchsgüter, wie Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, Drogeriewaren und Tiernahrung. Unter das Non-Food II-Sortiment fallen nicht zum Verzehr bestimmte Gebrauchsgüter des kurz-, mittel- und langfristigen Bedarfs (z.B. Textilien, Schuhe, Gartenbedarf, Elektroartikel, Bücher und Presse). Für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel beträgt der Umsatz mit Non-Food II- Artikeln 7,2 % (vgl. Nielsen 2015, S. 21).

Festzuhalten ist, dass auch die Diskonter in ihrem Sortiment wechselnde Artikel aus dem Non-Food-Bereich anbieten, darunter auch elektronische Haushaltsgeräte oder Textilwaren. Der Anteil der Waren, die nicht in den Bereich des täglichen Bedarfs fallen, ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen und liegt bei rund einem Fünftel. Durch diese Entwicklung werden die Diskonter zunehmend zu einer Art Warenhaus und leisten damit einen Beitrag zur Versorgung mit Waren des wiederkehrenden Bedarfs.

Das Internet wird oft als große Bedrohung des stationären Handels dargestellt. Gerade im Hinblick auf die Nahversorgung mit Waren des wiederkehrenden Bedarfs im ländlichen Raum kann der Online-Handel aber auch eine positive Rolle als Versorger übernehmen. Waren des wiederkehrenden Bedarfs weisen im Vergleich zu Lebensmitteln eine höhere Versandeignung auf, da diese besser haltbar und lagerfähig sind. Auch das Aufrechterhalten der Kühlkette, das beim E-Commerce mit Waren des

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täglichen Bedarfs eine der größten Herausforderungen darstellt, fällt weg. Eine Versorgung per Mausklick, bei welcher der Konsument das Haus nicht verlassen muss, weil die Ware geliefert wird, ist für die Konsumenten subjektiv durchaus eine Nahversorgung, selbst dann, wenn die Ware bei einem Händler in großer Distanz geordert wird. In diesem Zusammenhang kann angesichts des hohen Anteils des internationalen Geschäfts im E-Commerce sogar von einer „Internationalisierung der Nahversorgung“ gesprochen werden.

5.2 Nahversorgung im städtischen Umfeld

Auch im städtischen Umfeld spielt die Nahversorgung eine wesentliche Rolle. Auch hier ist das Nahversorgungsnetz durch die Entwicklungen im Handel in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen deutlich weitmaschiger geworden. Die Nahversorgungsthematik wird im städtischen Bereich unter anderen Gesichtspunkten betrachtet als im ländlichen Umfeld. Während es auf dem Land sehr häufig um die Grundversorgung der Bevölkerung geht, steht diese in städtischen Lagen in der Regel außer Streit. Es geht vielmehr um die Gewährleistung einer „qualifizierten Nahversorgung“ (HCU, S. 14). Bei dieser Betrachtung werden auch qualitative Faktoren, wie Angebotsvielfalt (Breite und Tiefe des Sortiments), Qualität der Ware, Nähe zu anderen Geschäften, berücksichtigt.

Weiters wird die Nahversorgung im städtischen Bereich auch häufig im Zusammenhang mit dem Sterben der kleinen, inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte und den Folgen für die Stadtentwicklung diskutiert.

Bei der Frage, was eine attraktive Innenstadt auszeichnet, liegen Einkaufsmöglichkeiten mit 65,8 % an erster Stelle, weit vor Gastronomie (25,8 %), Kultur- und Freizeitangeboten (19,7 %), Altstadt/Stadtbild (19,1 %), Fußgängerzone (17,0 %), öffentlichem Grün (14,4 %), Aufenthaltsqualität (13,9 %) und Sauberkeit (11,2 %). Im Vergleich zu 2009 (54 %) ist die Bedeutung der Einkaufsmöglichkeiten für die Attraktivität mit rund 12 Prozentpunkten deutlich angestiegen (vgl. CIMA 2009, S. 1)

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Nahversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs im städtischen Umfeld

In Städten ist bei Waren des täglichen Bedarfs von einer guten Versorgungslage auszugehen. Die meisten Konsumenten haben zumindest ein Lebensmittelgeschäft in fußläufiger Entfernung. In größeren Ballungszentren können die Konsumenten in der Regel zwischen Filialen der größten Wettbewerber wählen. Folgedessen ist auch die Versorgungszufriedenheit im städtischen Umfeld insgesamt sehr hoch. Einer Untersuchung in allen Mitgliedsstädten des österreichischen Städtebunds (251 Kommunen) zufolge sind 48 % der österreichischen Städter mit der Nahversorgung sehr zufrieden, weitere 39 % ziemlich zufrieden. Mit den Einkaufsmöglichkeiten im Allgemeinen sind 53 % sehr zufrieden und 35 % zufrieden (vgl. Städtebund 2014, S. 10).

In der Folge werden empirische Ergebnisse aus den vier größten österreichischen Städten dargestellt:

Wien: In einer Befragung zur Lebensqualität in Wien werden von insgesamt 8.400 Wienern bei der Bewertung der Infrastruktur im Wohngebiet die Einkaufsmöglichkeiten auf einer Skala von 1 = sehr zufrieden bis 5 = gar nicht zufrieden von 59 % mit 1 und weiteren 26 % mit 2 beurteilt (vgl. Verwiebe et al. 2014, S. 55). Bei differenzierter Betrachtung zeigt sich, dass die Konsumenten in den Innenbezirken 1-9 mit der Versorgungssituation zufriedener sind als die Konsumenten in den äußeren Bezirken (vgl. Torger et al. 2015, S. 17).

Graz: In der Bevölkerungsbefragung 2013 gaben 83,7 % der Befragten an, mit den Möglichkeiten Lebensmittel einzukaufen sehr zufrieden oder zufrieden zu sein. Im Vergleich mit der Befragung 2009, wo dieser Wert bei 78,6 % lag, ist von einer subjektiv empfundenen Verbesserung der Versorgungslage auszugehen. Auch mit der Erreichbarkeit von Nahversorgungseinrichtungen mit dem öffentlichen Verkehr (70,8 %), zu Fuß (72,5 %) und mit dem Fahrrad (73,5 %) sind die Grazer sehr zufrieden bzw. zufrieden, wobei beim öffentlichen Verkehr im Vergleich mit 2009 eine Verbesserung um 3,5 Prozentpunkte, in den anderen Bereichen eine leichte Verschlechterung (zu Fuß -2,3 Prozentpunkte und Fahrrad -1,3 Prozentpunkte) festgestellt werden kann. Mit der Qualität des Lebensmittelangebots sind 95 % sehr zufrieden oder zufrieden (vgl. Magistrat Graz 2014, S. 27).

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Linz: In Linz sind 56 % mit den Einkaufsmöglichkeiten sehr zufrieden und weitere 24 % zufrieden, wobei in den letzten 15 Jahren ebenfalls eine Verbesserung festgestellt werden kann, die sich auch daran zeigt, dass 2011 nur noch 3 % sehr unzufrieden waren (im Vergleich zu 7 % im Jahr 1999) (vgl. Stadtforschung Linz 2012, S. 17).

Salzburg: Die Zufriedenheit der Salzburger mit den ihnen zur Verfügung stehenden Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf liegt bei 69 % sehr zufriedenen und 21 % ziemlich zufriedenen Konsumenten. Gar nicht zufrieden sind lediglich 3 % der Salzburger (vgl. Ogris 2014, S. 5).

Eindeutig festzuhalten ist aber auch, dass die Nahversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs für die Attraktivität von Bezirken und Stadtvierteln eine große Rolle spielt: Die Möglichkeit Lebensmittel zu kaufen bewerten 93,4 % der Grazer als sehr wichtig oder wichtig (vgl. Magistrat Graz 2014, S. 27). Dass das Angebot in der Nahversorgung die Attraktivität eines Stadtviertels entscheidend prägt, zeigt auch die Tatsache, dass die Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung für 46 % der Wohnungssuchenden sehr wichtig, für weitere 38 % ziemlich wichtig sind. Nur für 12 % bzw. 3 % ist dies weniger wichtig bzw. gar nicht wichtig (vgl. Ogris 2009, S. 15). Eine Untersuchung der Johannes Kepler Universität Linz (zitiert nach CIMA 2014, S. 39) konkretisiert die Erwartungen der Wohnungssuchenden in Innenstädten bzw. Stadtkernen: 60 % der Konsumenten erwarten die Verfügbarkeit eines Lebensmittelmarktes innerhalb eines 5-minütigen Radius des Wohnorts (vgl. CIMA 2014, S. 39).

Nahversorgung mit Waren des wiederkehrenden Bedarfs im städtischen Umfeld

Im Bereich der Waren des wiederkehrenden Bedarfs sind die Konsumenten weniger auf eine Versorgung in unmittelbarer Nähe des Wohnorts angewiesen als bei Lebensmitteln. Durch die bessere Haltbarkeit der Waren und die geringere Bedarfsfrequenz sind die Konsumenten einerseits bereit, größere Wege in Kauf zu nehmen, andererseits sind diese Waren auch für den E-Commerce besser geeignet (vgl. Abschnitt 6). Dazu kommt, dass es sich bei diesen Waren in der Regel weniger um reine Versorgungskäufe handelt, bei denen der Bequemlichkeitsfaktor eine wesentliche Rolle spielt, sondern mitunter auch um Erlebniskäufe, die andere Motive wie Überraschung, Abwechslung und Unterhaltung ansprechen.

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Großflächige Einkaufszentren und Fachmarktzentren in peripheren Lagen mit einer guten Verkehrsanbindung und umfassenden Parkmöglichkeiten haben im Bereich der Versorgung mit Waren des a-periodischen Bedarfs in den vergangenen Jahren große Marktanteilsgewinne verzeichnen können (vgl. Abschnitt 4.1.1). Die ehemalige Funktion der Innenstadt als Zentrum des Handels übernehmen somit immer mehr die Einkaufszentren an den Rändern der Stadt. Der Begriff „Suburbanisierung des Einkaufs“ (BMVBS 2013, S. 8) ist hier treffend gewählt. Während der Einzelhandel in Großstädten dabei nur mit der grünen Wiese konkurriert, fließt in kleineren Städten Kaufkraft auch in die Großstädte ab.

Die Angebotsvielfalt in den Innenstädten ist in den letzten Jahren durch die Filialisierung zurückgegangen, wodurch der Handel stark an Lokalkolorit verloren hat. Damit geht dem Handel auch eine Positionierungschance verloren. Häufig unterscheiden sich städtische Einkaufsstraßen nur noch wenig voneinander, weil sich dort dieselben Filialen aneinander reihen, die auch in den Einkaufszentren zu finden sind. Standardisierte Sortimente führen zu einer Austauschbarkeit der Innenstädte und zu einer „Banalisierung der Orte“ (BMVBS 2011, S. 19).

Während die Nachfrage in A-Lagen in den Städten nach wie vor, vor allem auch bei internationalen Filialisten, anhält, sind vom Kaufkraftabfluss vor allem B-Lagen betroffen. Indikatoren für diese Entwicklung sind Geschäfte mit offensichtlichem Investitionsstau, Diskontkonzepte an ehemaligen Fachgeschäftstandorten, Sonderpostenmärkte in vormals guten Lagen sowie Gewerbeleerstände.

Die Schließung von kleinflächigen Einzelhandelsbetrieben löst im städtischen Bereich oft eine Negativspirale aus: Durch Leerstände kommt es zu einer Verschlechterung der Angebotslage für die Konsumenten, aus der ein weiterer Kaufkraftabfluss resultiert, der für den Handel das Ertragspotential senkt und wiederum neue Leerstände nach sich zieht. Diese Dynamik kann zu einer Verödung ganzer Straßenzüge oder Stadteile führen.

Hinsichtlich der Fluktuation und Leerstände im österreichischen Einzelhandel liegen leider keine flächendeckenden Daten vor. Empirische Daten auf Basis einer einzelbetrieblichen Erhebung gibt es allerdings für die Handelszonen der größten Städte Österreichs. In den 22 von Standort + Markt (vgl. 2016, S. 2, 4) untersuchten Städten liegt die Fluktuationsrate (d.h. der prozentuelle Anteil der gegenüber dem Vorjahr veränderten Shops an der

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Gesamtshopzahl in der jeweiligen Stadt) bei durchschnittlich 13,4 %. Die Leerstandsrate liegt in den betrachteten Städten bei rund 4,7 %, wobei sich eine Steigerung im Vergleich zu 2014/15 (4,3 %) und 2013/14 (3,3 %) zeigt. Damit liegt die Leerstandsrate in den städtischen Lagen nur geringfügig höher als in den österreichischen Einkaufszentren. Da die Erhebung der City-Lagen erst seit 2013 durchgeführt wird, können noch keine relevanten historischen Zahlenvergleiche angestellt werden.

Im europäischen Vergleich liegt Österreich damit nicht im Spitzenfeld. Eine Studie des Oxford Institute of Retail Management (vgl. 2014, S. 33) weist für alle angeführten Länder – Spanien (14,6 %), Großbritannien (14,1 %), Belgien (10 %), Italien (6,6 %), die Niederlande (6,1 %), Frankreich (5,8 %) und Luxemburg (5,7 %) – deutlich höhere Leerstandsraten aus.

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6 Konsumentenverhalten im stationären und nicht stationären Einzelhandel

6.1 Konsumentenverhalten bei Waren des täglichen

Bedarfs

Einkaufsfrequenz

Die Einkaufsfrequenz der Konsumenten bei Fast Moving Consumer Goods (FMCG) ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. So hat die Zahl der jährlichen Shoppingtrips im Lebensmitteleinzelhandel und Drogeriefachhandel zwischen 2008 und 2014 um 7 % abgenommen und liegt derzeit nur noch bei 231 (vgl. GfK 2015). Insgesamt kauften die österreichischen Haushalte 2014 durchschnittlich 93 Mal in Supermärkten, 57 Mal bei Diskontern, 41 Mal in Verbrauchermärkten und 24 Mal im Drogeriefachhandel ein. Die Vergleichswerte aus dem Jahr 2008 zeigen, dass die Einkaufsfrequenz in den Supermärkten (104), im Drogeriefachhandel (29) und in den Verbrauchermärkten (41) zurückgegangen ist, während die Diskonter (55) zulegen konnten. Parallel zur insgesamt sinkenden Einkaufsfrequenz steigt bei Lebensmitteln und anderen Waren die Einkaufssumme pro Einkaufsvorgang.

Hintergründe der gesunkenen Einkaufsfrequenz sind die kleineren Haushalte, die besseren Lagermöglichkeiten sowie die geringere Zeit, die für Einkäufe des täglichen Bedarfs aufgewendet wird. Diese ist einerseits durch knappere Zeitbudgets bedingt, andererseits aber auch durch die schwindende Bereitschaft, Zeit für den Versorgungskauf aufzuwenden.

Die geringere Zahl der Einkaufsvorgänge hat Konsequenzen für den Handel. Es ergeben sich weniger Gelegenheiten, ungeplante Impulskäufe zu stimulieren und den Konsumenten durch Aktionen anzusprechen. Frequenzartikel drehen sich langsamer. Dazu kommt, dass die Kommunikation am Point-of-Sale eine wesentliche Form des Kontaktes ist. Insbesondere im Low-Involvement-Bereich läuft ein wesentlicher Teil der Werbe- und Markenkommunikation im Geschäft ab.

Angesichts des derzeit medial so präsenten E-Commerce läge die Schlussfolgerung nahe, dass es der E-Commerce ist, der für die sinkende

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Einkaufsfrequenz ausschlaggebend ist. Eine Betrachtung der tatsächlichen Umsätze bei Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs, die wohl maximal bei 1 % des gesamten Marktes liegen dürften (vgl. KMU Forschung 2014b, S. 22), zeigt allerdings, dass die Ursachen in anderen Bereichen zu suchen sind.

Es liegen keine aktuellen und seriösen Daten dazu vor, wie hoch der Anteil der Österreicher ist, die bereits Erfahrung mit dem Einkauf von Lebensmitteln über das Internet haben. Eine verlässliche Auskunft zur Einkaufsfrequenz von Waren des täglichen Bedarfs im Internet ist daher nicht zu treffen, allerdings lässt sich sagen, dass diese wohl als äußerst gering einzustufen ist. Nach einer Studie von A.T. Kearney (vgl. 2013, S. 4), welche die Details zur Methodik offen lässt, haben 18 Prozent der Österreicher bereits mindestens einmal Lebensmittel online eingekauft, ein Drittel davon gibt als Motiv Neugier an. Der Anteil der regelmäßig wiederkehrenden Käufer liegt bei mageren vier Prozent.

Eine Erhebung von Gallup (vgl. 2015, S. 4) unter österreichischen Konsumenten, die zumindest gelegentlich online einkaufen, zeigt zur Online-Nutzung für Lebensmittel folgendes Bild: 95 % der Befragten haben in den letzten 12 Monaten Lebensmittel im stationären Handel gekauft, 14 % sowohl im stationären Handel als auch online. Betrachtet man die ausschließlichen Käufer, haben 81 % ausschließlich im stationären Handel eingekauft, hingegen nur 1 % ausschließlich online.

Hinsichtlich des Marktpotentials für E-Commerce mit Lebensmitteln ist die Bestandsaufnahme ernüchternd: Bei der Frage danach, welche Produkte Konsumenten niemals online kaufen würden, liegen gekühlte und tiefgekühlte Produkte an allererster Stelle (68,3 %). Auch ungekühlte haltbare Lebensmittel (52,7 %) und Getränke (51,7 %) würden mehr als die Hälfte der Befragten niemals kaufen. Bei Tierbedarf und -nahrung (27,3 %), Körperpflege- und Drogerieprodukten (18,9 %) sowie Haushaltswaren (6,8 %) liegen die Werte wesentlich niedriger. Das heißt, dass der Online-Kauf für Waren aus dem klassischen Sortiment des Drogerieeinzelhandels viel eher in Frage kommt (vgl. Marketagent/Herold 2015, o. S.).

Käuferreichweite

Die Käuferreichweite bezieht sich auf den Anteil der Bevölkerung, der ein Lebensmittelgeschäft aufsucht. Betrachtet man diese Kennzahl bei den einzelnen Wettbewerbern im Lebensmitteleinzelhandel, so zeigt sich, dass

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der Diskonter Hofer mit knapp 90 % an vorderster Stelle liegt, gefolgt von den beiden größten Supermarkt-Filialisten Billa (87 %) und Spar (82 %). Es folgen die Verbrauchermärkte Merkur (67 %) und Interspar (58 %). Erst hinter diesen liegen die Diskonter Lidl (58 %) und Penny (56 %). Auch sie werden aber noch von mehr als der Hälfte der österreichischen Konsumenten aufgesucht. Im Drogeriefachhandel liegen DM und Bipa mit einer Käuferreichweite von rund zwei Drittel fast gleich auf (vgl. GfK 2012, o. S.).

Bedarfsdeckung und Besuchshäufigkeit nach Wettbewerbern

Auch bei der Bedarfsdeckung liegt Hofer im Lebensmitteleinzelhandel mit 20 % vor Billa (18 %) und Spar (17 %). Adeg, Markant und M-Preis liegen zwar bei der Käuferreichweite deutlich zurück, schneiden aber bei der Bedarfsdeckung wesentlich besser ab. M-Preis (17 %) liegt hier mit Billa und Spar gleich auf, Adeg (10 %) rangiert in der gleichen Größenordnung wie Interspar (12 %), Eurospar (10 %) und Merkur (13 %) und deutlich vor Lidl und Penny (jeweils knapp 8 %). Auch bei der Besuchshäufigkeit können diese eher regionalen Player mit den beiden dominierenden, nationalen Supermarktketten (Billa und Spar) mithalten und liegen vor den Verbrauchermärkten und Diskontern (Ausnahme ist Hofer, der auch bei der durchschnittlichen Einkaufshäufigkeit im Spitzenfeld liegt).

Motive für die Einkaufsstättenwahl

Erreichbarkeit ist bei der Wahl des Lebensmitteleinzelhändlers dicht gefolgt von Sortiment deutlich vor dem Preis das stärkste Motiv (vgl. HCU 2013, S. 67). Sowohl bei Supermärkten als auch bei Diskontern ist die Erreichbarkeit der Haupttreiber für die Store-Loyalität (vgl. GfK 2013, o. S.). Der Standort hat für die Einkaufsfrequenz, die Bedarfsdeckung sowie die Höhe der Ausgaben die größte Bedeutung und liegt damit vor Sortiment, Personal, Image, Promotion/Preis, Qualität am Point-of-Sale, Convenience und Infrastruktur. Weniger Bedeutung hat der Standort hingegen für die Gesamtzufriedenheit, wo er hinter Personal/Image, Promotion/Preis, Qualität am Point-of-Sale und Qualität des Sortiments rangiert (vgl. Holweg 2009, S. 192).

Die Motive der Konsumenten, Lebensmittel nicht online zu kaufen, sind in erster Linie Bequemlichkeit und Frische. Einer Studie von A.T. Kearney (vgl. 2013, S. 5) zu Folge spricht vor allem die Zufriedenheit mit den bestehenden Einkaufsmöglichkeiten für 72 % gegen den Online-Einkauf von

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Lebensmitteln. Dieses Argument wiegt in Österreich schwerer als in Deutschland und der Schweiz (jeweils 66 %). Zweifel an der Produktqualität (50 %) und mangelnde Sichtbar- und Fühlbarkeit der Produkte (42 %) sind weitere Gründe. Dass die Produkte nicht sofort verfügbar sind, stört etwas mehr als ein Drittel der Befragten.

Ein ähnliches Bild zeichnet eine Studie von BITKOM (vgl. Berg 2015, S. 11): 60 % der Online-Shopper, die noch nie Lebensmittel über das Netz gekauft haben, wollen die Produkte sofort haben und nicht auf eine Lieferung warten. 59 % zweifeln an der Frische der Waren. Für 32 % sprechen die Lieferkosten gegen einen Kauf von Lebensmitteln im Online-Shop.

Geschäftsstättentreue

Die Geschäftsstättentreue fällt im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel gering aus: Drei Viertel der Konsumenten besuchen pro Monat drei oder mehr Geschäfte. Ein Viertel besucht sogar sechs Geschäfte oder mehr. Nur 9 % bleiben einer einzigen Einkaufsstätte treu. Im Durchschnitt besuchen die Österreicher knapp vier Geschäfte um ihre Einkäufe zu erledigen (vgl. Nielsen 2015, S. 45). Ein wesentliches Argument für den Wechsel der Einkaufsstätte ist der Preis. Ein Viertel der Supermarkt- und Verbrauchermarktkäufer wechselt das Geschäft bei jedem Einkauf je nachdem, wer die attraktivsten Angebote bietet (vgl. Nielsen 2015, S. 43).

Preisorientierung

Insgesamt sind die österreichischen Konsumenten sehr preissensibel. Neben jenem Viertel, die für Sonderangebote regelmäßig die Einkaufsstätte wechseln, wechselt ein weiteres Viertel der Konsumenten zwar nur selten deswegen das Geschäft, sucht aber gezielt nach Angeboten. Ein weiteres Fünftel der Österreicher kauft verschiedene Marken, wenn diese gerade im Angebot sind. Nur für 8 % spielen Angebote beim Einkaufen gar keine Rolle (vgl. Nielsen 2015, S. 43).

Ein wesentlicher Faktor bei der Preissensibilität ist die Tatsachte, dass die überwiegende Mehrheit der Konsumenten das Gefühl hat, dass das Einkaufen immer teurer wird. Als Reaktion werden verstärkt Sonderangebote und reduzierte Preise gesucht (54 %) und billigere Marken nachgefragt (36 %) (vgl. Nielsen 2015, S. 41).

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sich die Preisorientierung der Konsumenten auf deren subjektive Wahrnehmung der Preise bezieht. Der

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Anteil der Ausgaben für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke an den Verbrauchsausgaben der österreichischen Haushalte hat sich in den 10 Jahren zwischen 1999/2000 und 2009/2010 von 13,2 % auf 11,7 % reduziert. 1974 lag dieser Anteil noch bei mehr als einem Viertel der Verbrauchsausgaben (vgl. Statistik Austria 2016).

Über 40 % der Konsumenten geben an, 2014 ihre Haushaltskosten gesenkt zu haben. Die Haupteinsparungsmaßnahme war dabei für 70 % der Kauf von günstigeren Lebensmitteln. 43 % aller Konsumenten haben vor, weiterhin günstigere Lebensmittel zu kaufen, auch wenn sich die Wirtschaftslage verbessern sollte (vgl. Nielsen 2015, S. 54f.).

Die Bereitschaft höhere Preise zu bezahlen ist bei den Einkäufern nur dann gegeben, wenn diese mit einem eindeutig identifizierbaren Zusatznutzen einhergehen. Mehr als die Hälfte der Konsumenten ist bereit, für Bio-Produkte einen höheren Preis zu bezahlen, wobei es 5 % der Konsumenten dabei sogar egal ist, wie hoch der Preis ist. 27 % würden hingegen nur einen etwas höheren Preis akzeptieren als den des preisgünstigsten Produktes. Bei nachhaltigen bzw. ökologischen Produkten und Fairtrade-Produkten sind die Werte nahezu ident (vgl. Nielsen 2015, S. 46).

6.2 Konsumentenverhalten bei Waren des

wiederkehrenden Bedarfs

Während E-Commerce bei Waren des täglichen Bedarfs bislang keine wesentliche Rolle spielt, hat die Bedeutung des Online-Handels bei Waren des wiederkehrenden Bedarfs in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Insgesamt haben bereits 57 % der österreichischen Konsumenten Einzelhandelswaren über das Internet gekauft. Noch größere Bedeutung kommt dem Internet zu, wenn man nicht nur abgeschlossene Käufe betrachtet, sondern auch einbezieht, wie Kaufentscheidungen im Internet vorbereitet werden: Der Anteil der Österreicher, der sich online über Produkte informiert, liegt bei 70 % (vgl. KMU Forschung Austria 2014b, S. 3). In der Folge soll deshalb das Konsumentenverhalten online und offline betrachtet werden. Dabei sollen insbesondere neue Phänomene und Trends im Konsumentenverhalten berücksichtigt werden.

Wie in Abschnitt 2.2 bereits erwähnt, sind die Erkenntnisse zum Konsumentenverhalten im E-Commerce insofern zu relativieren, als die

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meisten Studien das Ergebnis von Online-Befragungen (CAWI) sind. Sie haben daher einen deutlichen Stichproben-Bias, da sie sich damit vor allem auf die web-affine Bevölkerung beziehen. Dabei wird vergessen, dass es in Österreich nach wie vor Konsumenten gibt, die das Internet gar nicht nutzen. Im Jahr 2014 lag der Anteil der sogenannten „Off-Liner“ über die Gesamtbevölkerung hinweg bei 29 % (vgl. Spectra 2014, o. S.). Für die Versorgung mit Einzelhandelsleistungen sind allerdings 100 % der österreichischen Bevölkerung relevant. Online-Studien zum Online-Konsum können zwar Auskunft über Motive und Verhaltensweisen der Nutzer des Internets liefern. Sie sind allerdings um Informationen zum Verhalten der Nicht-Internet-Nutzer zu ergänzen, wenn eine Auskunft über die Gesamtbevölkerung getroffen werden soll.

Das Internet hat unbestritten weitreichende Auswirkungen auf das Bewusstsein und Verhalten eines großen Anteils der Konsumenten. Was den Kauf von Waren über das Internet betrifft, ist das Bedrohungspotential für einzelne Branchen unterschiedlich groß. Besonders anfällig sind Buch/Musik/DVD, Textilien/Bekleidung, Schuhe und Haushalts- und Unterhaltungselektronik, wobei festzuhalten ist, dass befragte Online-Shopper angeben, Produkte aus diesen Warengruppen parallel auch im stationären Handel zu kaufen (vgl. Gallup 2015, o. S.).

Motive für den Kauf im stationären Handel

Im Vergleich zwischen Online- und Offline-Handel nennen die österreichischen Konsumenten folgende Vorteile des Kaufs im stationären Handel (vgl. Marketagent/Herold 2015, o. S.): Man hat das Produkt direkt vor sich (71,7 %), kann es gleich mitnehmen (67,5 %) und wird von Mitarbeitern beraten (51,6 %). Für 35,9 % der Konsumenten spricht auch die Tatsache, dass man damit lokale, kleinere Anbieter unterstützt, eine Rolle. Bar- bzw. Bankomatzahlung (28,7 %), Spaß beim Bummeln (28,3 %) und kein Abholen der Lieferung bei der Post (22,3 %) sind weitere Punkte, die für den stationären Handel sprechen. Das Einkaufen als Erlebnis nennt rund ein Fünftel der Konsumenten als Antriebsfaktor. Als Nachteile des Kaufs im stationären Einzelhandel werden genannt: Gebundenheit an die Öffnungszeiten (56,8 %), schwieriger Vergleich der Produkte (42 %), höhere Preise (41,5 %), Unsicherheit über die Verfügbarkeit (35,5 %), unfreundliche Mitarbeiter (34,2 %), Gedränge im Geschäft (32,5 %) und lange Wartezeiten (30,8 %).

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Motive für den Online-Kauf

Bei den Vorteilen des Online-Kaufs werden auf den ersten Rängen vorwiegend Aspekte der Bequemlichkeit genannt: Kauf außerhalb der Öffnungszeiten (61,8 %), einfacher und bequemer Vergleich von Angebot und Preisen (45,2 %), die Möglichkeit in Geschäften ohne Filiale in der Nähe einzukaufen (40,8 %) sowie die Lieferung direkt nach Hause (36,2 %), die den Konsumenten den Weg ins Geschäft spart (34,5 %). Erst nach diesen Punkten folgen günstigere Preise (31,5 %) und die größere Auswahl (28,3 %). Als Nachteile bewerten die Konsumenten vor allem, dass sie die Produkte nicht physisch vor sich haben (55,3 %), die Lieferkosten (47,0 %), die Gefahr des Datenmissbrauchs und die umständliche Rücksendung (35,7 %) (vgl. Marketagent/Herold 2015, o. S.).

Informationssuche online und offline

Bezüglich des Informationsverhaltens der Konsumenten ist zu sagen, dass sich dieses durch das Internet in der web-affinen Bevölkerung insgesamt deutlich verändert hat. Auch in Branchen, in denen die Konsumenten vorwiegend im stationären Handel kaufen, nutzen sie das Internet um vorweg Informationen zu sammeln. Das Internet spielt bei vielen Waren des wiederkehrenden Bedarfs als Entscheidungshilfe vor der Wahl von Produkten und Anbietern eine große Rolle.

Laut einer Befragung der KMU Forschung Austria (vgl. 2014, S. 26f.) nutzen 70 % der österreichischen Konsumenten das Internet, um sich über Waren zu informieren. Dabei sind männliche Konsumenten und jüngere Jahrgänge überrepräsentiert. Am stärksten ist die Online-Informationssuche bei Elektrogeräten (47 %), Bekleidung (44 %), Büchern und Zeitschriften (42 %) und Musik (30 %) ausgeprägt. Es folgen Sportartikel, Schuhe, Computer-Hardware und Möbel, bei denen jeweils immerhin noch rund ein Viertel aller Österreicher online Informationen einholt. Ein Vergleich mit dem Anteil der Konsumenten, die bestimmte Produkte auch online kaufen, zeigt, dass viele Konsumenten das Internet zwar zur Recherche, nicht aber für den Kauf nutzen. Bei Büchern kaufen rund zwei Drittel der Informationssucher auch tatsächlich online ein, bei Elektrogeräten noch knapp die Hälfte der Informationssucher, bei Möbeln nur rund ein Viertel. Das Internet spielt demnach auch dann eine wesentliche Rolle, wenn der tatsächliche Kauf im stationären Handel stattfindet.

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Im Web werden dabei vor allem Preisvergleichsseiten genutzt (58 %), gefolgt von den Webseiten der Anbieter (51 %) sowie Online-Foren und Blogs (25 %). E-Mail Newsletter (11 %) und Social Media (7 %) spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Allerdings zeigt sich auch, dass traditionelle Informationsquellen wie Testberichte (68 %) und persönliche Gespräche (67 %) durch die Internetrecherche nicht ersetzt werden, sondern nach wie vor einen hohen Stellenwert haben. Auch die Information im Geschäft (51 %) wird von den Konsumenten als wichtige Entscheidungshilfe genannt (vgl. BITKOM 2015, S. 33).

Einerseits spielt das Internet eine immer größere Rolle bei Kaufentscheidungen, andererseits hat das persönliche Umfeld nach wie vor einen wesentlichen Einfluss. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass eine Kombination aus beidem, nämlich persönliche Information, die online abgerufen werden kann, für die Konsumenten interessant ist. Knapp drei Viertel der Online-Käufer geben an, vor dem Kauf die Bewertungen anderer Konsumenten zu lesen. Ein Drittel bekennt, dass die Meinung anderer Leute im Internet einen Einfluss auf das eigene Kaufverhalten ausübt. Als Informanten der anderen werden allerdings nur wenige Konsumenten aktiv. Lediglich ein Drittel der Konsumenten gibt selbst Bewertungen ab und überhaupt nur ein verschwindender Anteil (2 %) informiert sein soziales Netzwerk über Käufe (vgl. BITKOM 2013, S. 39).

Eine immer wichtigere Rolle als Informationsquelle kommt dem Smart-phone zu: 22 % der Österreicher nutzten es 2013, um Informationen zu Produkten und Anbietern zu suchen. Damit liegt das Smartphone zwar noch hinter Laptop/Notebook (46 %) und Desktop PC (34 %) zurück, es ist aber angesichts der weiteren Verbreitung der Technologie davon auszugehen, dass es ebenso wie das Tablet (11 % Nutzung) bereits seit der Erhebung an Bedeutung gewonnen hat und dies auch noch weiter tun wird. Einen Kauf über das Smartphone haben 2013 bereits 9 % der Online-Shopper getätigt, einen über das Tablet 7 %.

Interessant an der Nutzung der mobilen Geräte ist dabei insbesondere die Tatsache, dass diese auch im Geschäft verwendet werden können: 42 % der Smartphone-Nutzer haben ihr Mobiltelefon am Point-of-Sale bereits für einen Preisvergleich genutzt, 32 % für die Suche nach Eigenschaften von Produkten oder Dienstleistungen (vgl. BITKOM 2015, S. 37). Das Handy kann am Point-of-Sale auch dafür eingesetzt werden, Ratschläge von

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Freunden und Bekannten einzuholen oder das Produkt zu fotografieren. Barcode-Scanning, die Nutzung von Apps, Lokalisierungsfunktionen und die Nutzung am Point-of-Sale für den Online-Kauf sind weitere Einsatzbereiche. Interessant ist, dass das Mobiltelefon nicht immer nur zu Aktivitäten genutzt wird, die im Zusammenhang mit dem Einkauf stehen. Wenn Konsumenten das Telefon für Telefonate und SMS mit Freunden sowie zum Musikhören nutzen, dann lenkt dies vom Einkauf eher ab (vgl. Interone 2011, S. 53).

Channel Hopping

Jene Konsumenten, die das Internet nutzen, bewegen sich zunehmend in mehreren Kanälen. Das sogenannte Channel-Hopping nimmt zu. Immer weniger können Kaufentscheidungen in reine Offline- bzw. reine Online-Käufe eingeteilt werden.

Tabelle 2 Showrooming und Webrooming in ausgewählten Produktkategorien

Produktkategorie

Meistens Information im

Internet, Kauf im Geschäft

Meistens Information im

Geschäft, Kauf im Internet

Unterhaltungselektronik 23,9 % 8,8 %

Möbel-. Einrichtungsgegenstände 17,3 % 3,7 %

Haushaltswaren 14,6 % 6,8 %

Schreibwaren, Büro, Basteln 6,1 % 3,4 %

Tierbedarf/-nahrung 4,4 % 2,7 %

Blumen, Pflanzen, Gartenbedarf 4,4 % 2,3 %

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Marketagent/Herold 2015, o. S.

Dem Webrooming (d.h. Informationssuche online vor dem Kauf im stationären Einzelhandel) kommt dabei eine größere Bedeutung zu als dem Showrooming (d.h. Information im stationären Einzelhandel und Einkauf in der Folge online): Während 53 % der Österreicher zumindest gelegentlich im Internet einen Kauf vorbereiten, sind es nur 18 %, die sich im Geschäft informieren und dann online bestellen (vgl. KMU Forschung Austria 2014b,

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S. 40). Sowohl Webrooming als auch Showrooming haben im Bereich der Unterhaltungselektronik einen besonders hohen Stellenwert (vgl. Tabelle 2).

Vergleich der Performance online/offline aus Konsumentensicht

Hinsichtlich des Preises bzw. des Preis-Leistungsverhältnisses geht der Online-Handel aus Konsumentensicht klar als Sieger hervor: In einer Studie von Gallup (vgl. 2015, S. 9) wird der Online-Handel in dieser Hinsicht als attraktiver bewertet als der stationäre Handel. Besonders im Bereich Unterhaltungselektronik, bei Reisen und bei Haushaltsgeräten sind rund zwei Drittel der Meinung, dass die Angebote online günstiger sind. In den meisten anderen Produktkategorien liegt der Anteil deutlich über 50 %. In keiner von elf untersuchten Produktkategorien sind mehr als 10 % der Konsumenten der Meinung, dass der stationäre Handel günstiger wäre.

Beim Service liegt hingegen eindeutig der stationäre Handel vorne, wenn auch nicht so deutlich wie der Online-Handel bei den Preisen. Bei allen untersuchten Produktkategorien wird das Service im stationären Handel von deutlich mehr Konsumenten als besser eingeschätzt als im Online-Handel. Die Anteile der Konsumenten, die den stationären Handel als service-orientierter einstufen, liegen je nach Produktkategorie zwischen 25 % und 46 %, jene, die den Online-Handel diesbezüglich bevorzugen, zwischen 10 % und 21 %.

Hinsichtlich der Produktqualität bestehen in den meisten Produktkategorien für mehr als drei Viertel der Konsumenten keine Unterschiede zwischen online und offline. Bei Buch/Musik/DVD sehen sogar 93 % keine Unterschiede. Bei jenen Konsumenten, die Qualitätsunterschiede sehen, liegt in den meisten Produktkategorien der stationäre Handel leicht vor dem Online-Handel (vgl. Gallup 2015, S. 7).

Qualität der Erfahrungen mit dem Online-Shopping

Die Mehrheit der Konsumenten, die bereits online gekauft haben, hat positive Erfahrungen gemacht. Laut der Studie von Marketagent/Herold (vgl. 2015, o. S.) haben 56,8 % der Internet-Käufer noch nie schlechte Erfahrungen gemacht, 30,8 % einmal und nur 12,4 % mehrfach.

Eine Untersuchung von Gallup (vgl. 2015, S. 14) zur Zufriedenheit mit der Zustellung kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Bislang waren rund zwei Drittel selten bis nie unzufrieden, 21 % hin und wieder, 10 % bereits einige Male. Nur 2 % waren sehr häufig unzufrieden.

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Eine deutsche Studie (vgl. BITKOM 2013, S. 19ff.) thematisiert die Probleme, die Konsumenten bereits mit E-Commerce hatten. Am häufigsten wird von den Befragten über Werbung geklagt, mit der sie nach dem Kauf überhäuft wurden (30 %). 29 % hatten schon mal Schwierigkeiten mit zu spät gelieferten Produkten. 20 % haben fehlerhafte oder beschädigte und 10 % haben schon einmal überhaupt keine Ware erhalten. Die Tatsache, dass jüngere Einkäufer über mehr Probleme berichten, dürfte damit zu tun haben, dass diese mehr Erfahrungen im Netz gesammelt haben. Im Zusammenhang mit schlechten Erlebnissen von Online-Käufern muss allerdings auch erwähnt werden, dass die Mehrheit der Konsumenten, welche den Anbieter hinsichtlich des Problems kontaktiert haben, bei der Problemlösung positive Erfahrungen gemacht hat.

Wechselwirkungen zwischen Online- und Offline-Kaufverhalten aus Konsumentensicht

Das zunehmende Online-Shopping hat Auswirkungen auf das stationäre Kaufverhalten. In einer Studie der IFH Köln (vgl. 2014) geben 20 % der befragten Besucher deutscher Innenstädte an, verstärkt online zu kaufen und die Innenstadt deshalb seltener zum Einkaufen zu besuchen. In einer Online-Befragung der IFH Köln stimmen dieser Aussage sogar 45 % zu (vgl. Hedde 2014). Die Abweichung zwischen den Ergebnissen der Online-Befragung und der persönlichen Befragung ist wohl darauf zurückzuführen, dass im Falle der Web-Befragung eine Repräsentativität nur für die internet-affine Bevölkerung gegeben ist und die Offline-Bevölkerung nicht entsprechend repräsentiert ist.

Die Online-Konsumenten sind sich in diesem Zusammenhang der negativen Folgen ihres Verhaltens für die Innenstädte durchaus bewusst: 72,6 % der österreichischen Online-Käufer sehen durch Online-Händler negative oder sehr negative Auswirkungen für heimische stationäre Händler. Die Gefahr der „sterbenden Innenstädte“, weil Geschäfte im innerstädtischen Bereich schließen müssen, wodurch der Leerstand zunimmt, schätzen 60,6 % der Konsumenten als sehr oder eher groß ein und 30,7 % als mittelmäßig. Nur 2,1 % sind der Meinung, dass diesbezüglich gar keine Sorge angebracht ist (vgl. Marketagent/Herold 2015, o. S.).

Knapp die Hälfte der Konsumenten gibt weiters an, dass es ihnen wichtig wäre, durch ihre Einkäufe (kleine) lokale Anbieter, „Anbieter um’s Eck", zu unterstützen (vgl. Marketagent/Herold 2015, o. S.). Auch wenn man bei

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diesem Ergebnis sozial erwünschtes Antwortverhalten einkalkuliert, erscheinen die Konsumenten hinsichtlich ihres Kaufverhaltens zumindest ambivalent zu sein.

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7 Übersicht über Wettbewerbskräfte und Trends im österreichischen Einzelhandel

Die Digitalisierung stellt den Handel vor besondere Herausforderungen. Die Geschichte des Handels ist geprägt von kleineren oder größeren „Revolutionen“. Diese werden im Regelfall von gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Entwicklungen ausgelöst. Winfield Woolworth (1852–1919) hat am Ende des 19. Jahrhunderts mit der Idee des Einheitspreisgeschäftes die Entwicklung vom bestandsorientierten zum umschlagsorientierten Handel eingeleitet. Damit war das Prinzip des Diskonters erfunden. Preise unterliegen nicht mehr einem individuellen Verhandlungsprozess.

In der Zwischenkriegszeit entstand parallel mit der Motorisierung die Idee des Supermarktes mit Selbstbedienung. Große Handelsketten entwickelten sich zuerst in den USA und nach dem zweiten Weltkrieg auch in Europa, denn die ökonomischen Vorteile der Multiplikation von Formaten wurden offensichtlich. Handelsstandorte auf der grünen Wiese, die noch Jahrzehnte davor als vollkommen skurril eingestuft worden sind, finden in Form von Shopping-Centern reichlich Zustrom. Der ursprünglich lokale Handelsgedanke wird nicht nur hinsichtlich der Beschaffungsprozesse, sondern auch bezogen auf die errichteten Handelsflächen national und später international. Globalisierte Handelskonzerne stellten allerdings bis zur Millenniumswende eine absolute Ausnahme dar. Erst das Internet leitete einen echten Globalisierungsprozess im Handel ein, der zuvor etwa dem Versandhandel nie gelungen ist. Das Prinzip „The winner takes it all“ wird in Form des Anbieters Amazon Realität. In der Vergangenheit nicht für möglich gehaltene Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Steuerschonung, der Ausnützung von Marktmacht und der Ausreizung der weltweiten Arbeitsteilung (Handelsmitarbeiter sind praktisch nur mehr Kommissionierer in Billiglohnländern, Zustelldienste haben Arbeitsbedingungen am Rande des Prekariats) ändern die Wettbewerbssituation im Einzelhandel radikal.

Faktum ist aber auch, dass der von vielen Seiten euphorisch kommentierte E-Commerce in Mitteleuropa noch keine erheblichen Marktanteile abgesaugt hat. Die im Zusammenhang mit dem Börsengang von Alibaba vielfach zitierte Erfolgsstory in China ist unter völlig anderen Rahmenbedingungen

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zu sehen. Dort gibt es keine natürlich gewachsene moderne Handelslandschaft. Zahlungskräftige Mitglieder der Mittelschicht befinden sich somit in einem „Angebotsvakuum“ bzw. „Nachfragesog“ und freuen sich über neue Möglichkeiten, an der modernen Konsumwelt teilnehmen zu können.

Weltweit geht die Entwicklung jedenfalls in Richtung Multi-Channel (Multiple-Channel) oder gar Omni-Channel-Retailing (vgl. Grafik 3). Gemeint ist damit, dass es immer weniger „Pure Player“ am Markt gibt, die entweder nur stationäre Geschäfte oder nur Versandhandel betreiben.

Grafik 3 Vertriebsmodelle im Handel

Quelle: Jungle Minds 2012

Beim gleichzeitigen Einsatz mehrerer Distributionskanäle können nach Ansicht der Befürworter folgende Auswirkungen und Erfahrungen erwartet werden:

1. Omni-Channel-Handel ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. 2. Omni-Channel-Handel unterstützt echtes Umsatzwachstum. 3. Hochwertigere Produkte werden häufiger über Omni-Channel-

Shopping erworben. 4. Die Möglichkeiten des globalen Handels sind zu nutzen. 5. Der stationäre Handel und mobile Geräte spielen eine wichtige Rolle. 6. Die Chance Omni-Channel kann gemeinsam mit Partnern realisiert

werden.

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7. Die Nutzung von mobilen Endgeräten auch zu Shopping-Zwecken nimmt zu. Die Smartphone-Shopper nutzen es sogar in der Filiale selbst (vgl. Abschnitt 6.2). Die positive Folge ist eine Steigerung des Verweilens im lokalen Geschäft. Die Zielsetzungen der Handelsbranche müssen an den Wandel des mobilen Nutzerverhaltens angepasst werden, um sich Wettbewerbsvorteile sichern zu können. Primäres Ziel ist es, kanalübergreifende emotionale Einkaufserlebnisse zu schaffen, zusätzliche Anreize zu bieten und die Loyalität der Kunden zu erhöhen. Viele Konsumenten sind sogenannte Hybrid-Käufer und kaufen sowohl im Online-Shop als auch in der Filiale ein. Mit mobilen Shopping-Diensten können Konsumenten am richtigen Ort zur richtigen Zeit mit den für Sie relevanten Informationen versorgt werden.

Grafik 4 gibt einen Überblick über die Wettbewerbskräfte im österreichischen Einzelhandel.

Grafik 4: Überblick über die Wettbewerbskräfte im Einzelhandel

Quelle: Eigene Darstellung

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Ausgehend von den in Abschnitt 4 bis 6 gewonnenen Erkenntnissen können folgende Thesen zur Wettbewerbssituation im österreichischen Einzelhandel formuliert werden:

These 1: Opfer des Strukturwandels sind die traditionellen Nahversorger.

Vor allem traditionelle Nahversorger, also jene Geschäfte, die ursprünglich die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet haben, sind in den letzten Jahren Opfer des Strukturwandels geworden. Der filialisierte Handel hat den traditionell inhabergeführten, mittelständischen Facheinzelhandel in vielen Branchen verdrängt. Zusätzlicher Wettbewerbsdruck geht von Diskont und E-Commerce aus.

These 2: Der traditionelle Nahversorger wird zum Lückenbüßer.

Verändert hat sich die Rolle der traditionellen Nahversorger. Sie sind nicht mehr primäre Einkaufsquelle, sondern werden oft nur komplementär genutzt. Sie werden aufgesucht, um beim Großeinkauf vergessene Dinge zu besorgen oder um Ergänzungskäufe zu tätigen. Die sinkende Kaufkraftbindung schmälert die betriebswirtschaftliche Basis dieser Geschäfte.

These 3: Die Konsumenten entscheiden über die Nahversorgungs-situation.

Mit ihrer Kaufkraft stimmen die Konsumenten über den Erfolg der Betriebstypen im Einzelhandel ab. Langfristig werden nur solche Einzelhandelskonzepte erfolgreich sein, die auf eine hohe Konsumentenakzeptanz stoßen. Insofern ist festzuhalten, dass der Strukturwandel im Einzelhandel ein Ergebnis geänderter Konsumentenpräferenzen ist und ein Großteil der Konsumenten mit der Versorgungssituation sehr zufrieden ist.

These 4: Die Suburbanisierung des Handels nimmt den Stadt- und Ortszentren eine ihrer zentralen Funktionen.

Traditionell sind Innenstädte Orte des Handels. Der Handel ist einer der Faktoren, der zur Zentrenbildung beiträgt. Innenstädte und Ortszentren haben zentrale Bedeutung für die Attraktivität von Städten und Regionen. Die Innenstadt ist häufig auch ökonomisch der zentrale „Standort“, sowohl in großen als auch in kleinen Städten. Während die Zentren der großen Städte nach wie vor attraktive Einzelhandelsstandorte sind, hat der Rückzug

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des Handels aus den zentralen Lagen in kleineren Städten dazu geführt, dass Stadtkerne an Anziehungskraft verloren haben.

These 5: Nähe ist kein Monopol des stationären Handels.

Nähe und Erreichbarkeit bleiben auch in Zukunft wesentliche Erfolgsfaktoren des Einzelhandels. Der Konsument setzt dabei aber keinen objektiven Maßstab an. Subjektiv empfundene Nähe und Verfügbarkeit von Angeboten sind für den Konsumenten von größerer Bedeutung als objektive Distanzen. Diese kann nicht nur der stationäre Handel bieten: Wenn die Lieferung der Ware problemlos, unkompliziert und ohne großen Aufwand für den Konsumenten erfolgt, fühlt sich auch ein Online-Kauf für den Konsumenten „nahe“ an. Das ist mit ein Grund dafür, dass die Zukunft des E-Commerce sehr stark davon abhängig ist, wie sehr es gelingen wird, das Last-Mile Problem zu lösen.

These 6: E-Commerce ist auch Chance für die Nahversorgung.

Auch wenn unbestritten ist, dass die Entstehung des E-Commerce die Wettbewerbssituation im Handel weiter verschärft hat, ist festzuhalten, dass der Online-Handel auch positive Effekte für die Nahversorgungssituation hat. Einerseits ermöglicht er die Versorgung der Bevölkerung mit Waren in unterversorgten Gebieten. Andererseits können Nahversorger, wenn eine Integration von E-Commerce für sie sinnvoll ist, ihr Einzugsgebiet online erweitern und Waren überregional oder sogar international absetzen. E-Commerce bietet damit Chancen für eine kostengünstige Expansion (vgl. Seidenschwarz et al. 2015, S. 20).

These 7: Der Online-Handel wird den stationären Handel nicht komplett verdrängen.

Erste Sättigungserscheinungen im Online-Handel zeichnen sich bereits im Buch- und Zeitschriftenhandel sowie im Elektronikhandel ab (vgl. HDE 2014, o. S.). Auch die Experteninterviews kommen zum Ergebnis, dass jene Branchen, die bereits hohe Steigerungsraten im Online-Handel zu verzeichnen hatten, diese nicht halten können und es zu einer Verlangsamung beziehungsweise Stagnation kommt.

These 8: Internet und E-Commerce betreffen einzelne Branchen des Handels in unterschiedlichem Ausmaß.

Während bei Büchern und Zeitschriften bereits 34 % des Branchenumsatzes online getätigt werden und dieser Anteil keine wesentliche Steigerung

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verzeichnet, werden im Lebensmitteleinzelhandel noch deutlich unter 1 % der Branchenumsätze über den Distanzhandel, also Versandhandel, Interneteinzelhandel und Teleshopping, abgewickelt. Allgemein lässt sich sagen, dass der Distanzhandel derzeit vorwiegend bei Waren des wiederkehrenden oder langfristigen Bedarfs eine Rolle spielt. Verstärkt wurden 2015 Bekleidung und Textilien mit einem Umsatzanteil von etwa 20 %, Schuhe und Lederwaren mit einem Umsatzanteil von 13 %, Elektrowaren und Sportartikel mit jeweils einem Umsatzanteil von 25 % sowie Spielwaren mit 29 % über den Distanzhandel in Österreich bezogen (vgl. KMU 2014b, S. 23; KMU 2015, S. 17). Die Gesamtausgaben im Distanzhandel pro Jahr stiegen von 6,9 Milliarden im Jahr 2014 auf 7,1 Milliarden im Jahr 2015 an. Der Anteil an den gesamten Konsumausgaben der Österreicher für Einzelhandelswaren blieb aber mit 11 % gleich (vgl. KMU 2015, S. 13).

These 9: Online-Handel gegen stationären Handel ist ein Match Convenience und Effizienz gegen Erlebnis und Service.

Konsumenten verfolgen bei Online- und Offline-Käufen unterschiedliche Motive. Nachdem beim Online-Kauf vor allem Rationalität, Effizienz, Bequemlichkeit und Preis im Vordergrund stehen, muss der stationäre Handel seine Stärken bei emotionalen Erlebnissen, persönlichem Service und sozialer Interaktion ausspielen, wo er vom E-Commerce nicht so leicht kopierbar ist.

Vor allem standardisierte Produkte wandern in den Online-Handel ab. Der Online-Handel setzt dabei nicht nur die kleinen Geschäfte unter Druck. Auch Filialisten, die over-spaced sind (d.h. zu viel Fläche haben), kommen zunehmend unter Druck (vgl. Planet Retail 2015, S. 2).

These 10: Wandel ist die einzige Konstante im Handel.

Fest steht, dass sich der Strukturwandel im Handel fortsetzen wird, in welche Richtung auch immer. Der Handel war schon immer einer Dynamik ausgesetzt und wird es auch in Zukunft sein. Aufgabe der einzelnen Wettbewerber ist es, Veränderungen im Sinne eines Frühwarnsystems mit zu verfolgen und auf Trends im Konsumentenverhalten, die für das eigene Konzept relevant sind, rasch zu reagieren. Die eigene Positionierung ist stets kritisch zu hinterfragen. Der Handel muss sich immer wieder neu erfinden, um für die Konsumenten relevant zu bleiben.

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8 Positionierung des stationären Einzelhandels im geänderten Wettbewerbsumfeld

8.1 Erfolgsfaktoren für den stationären Einzelhandel

Auch für den stationären Handel gilt es, besonders auf Kontext-Effekte und Agglomeration zu achten. Die Consultingfirma Standort+Markt (2016) hat dazu eine Studie vorgelegt. Darin werden die 22 größten City-Bereiche untersucht (siehe Tabelle 1 in Abschnitt 4.1.1). Als Verkaufsfläche ergeben sich dabei rund 1.570.000 m², das ist rund ein Zehntel der Gesamtfläche. Die Erhebung macht deutlich, dass die Bundeshauptstadt und die Landeshauptstädte sowohl hinsichtlich der Shopgröße als auch des Filialisierungsgrades führend sind. Die notwendige Shopgröße ergibt sich einerseits aus der Erlebniswirkung und andererseits aus dem Einzugsgebiet.

Bedingt durch die Mobilität und Motorisierung kann sich aber auch ein Standort am Land nicht auf ein stabiles Einzugsgebiet verlassen. Bei einer Umsatzrendite im Lebensmittelhandel von 1-3 %, die ohnehin von einem sehr knapp kalkulierten Unternehmerlohn ausgeht, ist im Regelfall ein Einzugsgebiet von mehr als 2.000 Haushalte pro Geschäft notwendig. Es wäre somit eine Illusion zu hoffen, dass in einem kleinen Dorf ein großer Supermarkt neu entstehen könnte. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Versorgungsdichte im österreichischen Einzelhandel besonders gut ist. Beinahe alle österreichischen Haushalte erreichen innerhalb einer Autodistanz von 15 Fahrminuten sogar mehr als einen Anbieter.

Misserfolge von Marktteilnehmern wie „Zielpunkt“ verschärfen zusätzlich den Wettbewerbsdruck zwischen den drei Marktführern (REWE, Spar und Hofer). Hinsichtlich der Leerstandsraten zeigt sich eine dramatische Zuspitzung der Immobiliensituation. Während in der Wiener Innenstadt teilweise Mieten bezahlt werden, die zu den Top 10 der Einkaufsstraßen der Welt zählen, kämpfen Bezirksstädte wie Wels und Wiener Neustadt mit unschön aussehenden Leerständen. Darüber hinaus zeigt sich – etwa für die Bezirksstadt Baden – eine zu kleine durchschnittliche Shopgröße (84 m²). Nur wenige moderne Betriebstypen des Handels werden heute an derart kleinflächigen Standorten neu eröffnet.

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Ein zweiter Treiber in der Entwicklung der Handelslandschaft ist der E-Commerce. Eine aktuelle Studie des österreichischen Gallup Instituts (2015) belegt, dass Branchenspezialisten und Einkaufsplattformen hinsichtlich der Akzeptanz zulegen. Bis jetzt ist das noch keine Katastrophe für den stationären Einzelhandel (vor allem für den Lebensmittelbereich).

Ein unverwechselbares Positionierungsmodell wird unter diesen Gesichtspunkten für alle Handelsunternehmen immer wichtiger. Dazu kommen logistische Lösungen, die vor allem für die städtische Region von Interesse sind. Derartige Lösungen sollten nicht allein auf Express- und Paketdienste reduziert werden. Local Logistics (d.h. Logistiklösungsansätze mit einem lokalen Fokus) sind vielmehr Versuche Zustellnetzwerke mit lokalen Händlern aufzubauen.

8.2 Ausgewählte Positionierungsstrategien für den

stationären Einzelhandel

Ausgehend von den Erkenntnissen zur Wettbewerbssituation im Einzelhandel sollen im folgenden Kapitel Ansatzpunkte für eine Positionierung des stationären Handels im geänderten Wettbewerbsumfeld abgeleitet werden:

Store Experience als zentrales Alleinstellungsmerkmal (USP) des stationären Handels

Wie in Abschnitt 6 erläutert wurde, kommen die Konsumenten in vielen Branchen dann in den stationären Handel, wenn sie Abwechslung und Erlebnis suchen. Insofern kommt der Store Experience bei der Positionierung des stationären Handels zentrale Bedeutung zu. Hier kann er sich vom in erster Linie praktischen Online-Handel abheben.

Ein zentraler Punkt bei der Store Experience ist Authentizität. Ein Geschäft muss Persönlichkeit, Ecken und Kanten haben. Wie auch bei Produkten gilt Austauschbarkeit als größte Gefahr. Wo Einkaufsstraßen durch die zunehmende Filialisierung immer ähnlicher werden, bieten sich Chancen für Nischenanbieter, die den gelangweilten Kunden etwas Einzigartiges und Unverwechselbares bieten.

Für den einzelnen Händler bedeutet dies, dass er ein klares Profil entwickeln muss. Er muss eindeutig definieren, wer er ist, was er seinen Kunden

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während des Aufenthalts im Geschäft für einen Nutzen bietet, was der Kunde im Sinne der Store Experience erleben soll und wie sich das Geschäft von anderen Wettbewerbern unterscheidet. Ein eindeutiges Erlebnis kann im Premium- oder im Diskontbereich liegen. Insofern macht auch die Unterscheidung zwischen Preiskauf und Erlebniskauf nicht wirklich Sinn. Steht das Geschäft für einen klar definierten Diskontansatz, kann auch ein Bestpreis dem Schnäppchenjäger einen emotionalen Zusatznutzen vermitteln. Wesentlich ist aber eine unzweifelhafte Ausrichtung des Sortiments.

Den de facto unbegrenzten Sortimenten des Online-Handels muss der stationäre Handel seine Sortimentskompetenz entgegensetzen. Kern dieser ist die Auswahl von Produkten und Leistungen, die den konkreten Bedarf der Konsumenten gezielt befriedigen. Er kann dem Konsumenten Überforderung und Verwirrung durch ein unübersichtliches Überangebot ersparen. Wenn diese Vorauswahl mit einer kompetenten, persönlichen Beratung kombiniert wird (oder wenn der Preis im oben genannten Fall für sich selbst spricht), kann für den Konsumenten ein Erlebnis geschaffen werden.

Ein Geschäft muss Anreize setzen, es zu betreten und zu verweilen. Es muss Produkte und Lösungen präsentieren und eine soziale Dynamik erzeugen. Dass hinsichtlich der Store Experience das Potential noch nicht ausgeschöpft ist, zeigt eine Studie aus Deutschland (vgl. Interone 2011, S. 45), der zu Folge je nach Branche nur 15 bis 25 % der Kunden angeben, dass sie das Geschäft, in dem sie am häufigsten einkaufen, inspiriert oder überrascht.

Eine ganz wesentliche Rolle für die Store Experience spielt auch das Personal. In einer aktuellen Untersuchung von Forrester Research (vgl. 2016, S. 4) wurden Kunden gefragt, wie sie ein exzellentes Einkaufserlebnis im Geschäft in einem Wort beschreiben würden. Die am häufigsten genannten Begriffe waren „Service“, „Friendly“, „Helpful“, „Knowledge“ und „Staff“. Die gleiche Studie zeigt aber auch, dass für den stationären Handel hier noch Handlungsbedarf gegeben ist: Nur 29 % der Befragten sind der Meinung, dass das Verkaufspersonal freundlich und kompetent ist. Hier können betriebsindividuelle Aus- und Weiterbildungskonzepte ansetzen.

Bei inhabergeführten Geschäften sollte die intrinsische Motivation des Betreibers für kundenorientierte Beratung insofern hoch sein, als ein

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erfolgreicher persönlicher Verkauf ein wesentlicher Faktor für den betriebswirtschaftlichen Erfolg ist und damit im ureigensten Interesse des Eigentümers liegt. Im Falle von angestelltem Personal sollte sich die hohe Bedeutung von Service und Beratung auch in den Vergütungssystemen widerspiegeln, um einen Anreiz für kundenorientiertes Verhalten zu setzen.

Customer Experience ist auch in der Nachkaufphase entscheidend. Nachkaufservices und Beschwerdemanagement sind Bereiche, wo der stationäre Handel durch persönlichen Kontakt punkten kann. Auch hier ist allerdings festzuhalten, dass die erfolgreichen Anbieter im E-Commerce den Stellenwert einer effektiven Nachkaufbetreuung und Beschwerdebehandlung erkannt haben und den Konsumenten mit Kulanz und gut geschulten Mitarbeitern begegnen. Dem stationären Handel bleibt der Vorteil des Face-to-Face-Kontaktes.

Durch die Dynamik des Marktes ist das Konzept in regelmäßigen Abständen zu hinterfragen und an Veränderungen im Wettbewerbsumfeld und neue Trends im Konsumentenverhalten anzupassen. Der stationäre Handel muss abwechslungsreich und spannend sein, dabei seinem Markenkern aber treu bleiben.

Ausbau der Kommunikationskompetenz

Seit jeher sind Einkauf und Kommunikation miteinander verbunden. Schon die Marktplätze in den antiken Kulturen waren nicht nur Umschlagplatz für Waren, sondern auch für Nachrichten, Meinungen und Klatsch. Medien und Online-Handel können das Kommunikationsbedürfnis der Konsumenten nur unzureichend befriedigen. Daraus ergeben sich Positionierungschancen für den stationären Handel. Er kann zur Kommunikationsplattform werden, wenn er den Konsumenten Raum für den sozialen Austausch einräumt. Das betrifft die Ladengestaltung einerseits, die Räume zum Verweilen und zur Begegnung anbieten muss, und das kommunikative Verhalten der Mitarbeiter andererseits, die aktiv auf die Kunden zugehen sollten. Persönliche Kommunikation ist immer noch die effektivste Form der Kommunikation.

Auch wenn die persönliche Kompetenz der Mitarbeiter eine der ganz großen Stärken des stationären Handels ist, bedeutet Kommunikationskompetenz im Zeitalter der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, dass auch mediale Kompetenz erforderlich ist. In Zukunft wird es auch für den stationären Handel notwendig sein, über mehrere Kanäle mit dem

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Kunden zu kommunizieren, und zwar auch dann, wenn über diese Kanäle nicht verkauft wird.

Von besonderem Interesse sind Social Media, die laufend an Bedeutung für den Kaufentscheidungsprozesse der Konsumenten gewinnen. Unternehmen und Marken investieren viel, um sich in die Netze der Konsumenten einzuschalten. Dabei haben kleinere Wettbewerber oft die besseren Chancen. Während es für große Unternehmen schwierig ist, sich auf Facebook glaubwürdig als Freund der Konsumenten zu präsentieren, ist dies für kleine Anbieter einfacher. Soziale Netzwerke bieten kleinen Händlern die Möglichkeit, unkompliziert, rasch und vergleichsweise kostengünstig online vertreten zu sein und Kontakte zu aktuellen Kunden zu pflegen sowie neue Kunden zu akquirieren. Über Social Media kann es auch gelingen, besonders interessierte und treue Kunden („Fans“) zu identifizieren und mit ihnen den Dialog zu pflegen. Mit entsprechenden Marketingmaßnahmen und Anreizen können sich diese zu richtigen Botschaftern des Händlers entwickeln. Dass Empfehlungen aus dem sozialen Umfeld im Vergleich zu Online-Werbung und vom Anbieter gesteuerten Informationen eine viel höhere Glaubwürdigkeit genießen (vgl. Integral 2011, S. 15), macht solche Peer-to-Peer-Empfehlungen besonders interessant.

Kundennähe als Positionierungschance

Der Wertewandel in der Gesellschaft bewirkt, dass Individualisierung und Personalisierung stark an Bedeutung gewinnen. In dieser Hinsicht ist es ein wesentlicher Vorteil der E-Commerce-Anbieter, dass im Online-Handel die Kaufhistorie der Konsumenten vollständig vorliegt und für eine personalisierte Kundenansprache genutzt werden kann. Auch die großen stationären Filialisten haben diesbezüglich aufgeholt. Durch Loyalitätsprogramme, Kundenkarten und Scanninginformationen kennen sie ihre Käufer immer besser. Die unpersönlichen Massenmärkte der Selbstbedienung haben ihre Anonymität verloren. Das setzt die kleinen, inhabergeführten Händler, die vor der IKT-Revolution ein Monopol auf Kundennähe hatten, unter Druck. Kundennähe ist kein USP mehr. Vielmehr besteht die Notwendigkeit, hier nicht hinter den E-Commerce und die großen Filialisten zurückzufallen.

Chancen darüber hinaus bietet die Kombination aus Kundennähe, persönlicher Kommunikation und Empathie. Ein persönlich gemachter Einkaufstipp, der von einem Geschäftsinhaber oder vertrauten Mitarbeiter

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im Handel ausgesprochen wird, ist sicher wirkungsvoller als jeder Coupon auf dem Smart-Phone. Allerdings nur dann, wenn der Händler seine Kunden und ihre Präferenzen auch tatsächlich kennt.

Kundennähe als Inspirations- und Innovationsquelle

Durch die zunehmende Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie von sowohl Händlern als auch Konsumenten sind Kaufentscheidungsprozesse im Einzelhandel immer besser dokumentiert. Die wesentliche Herausforderung ist in der heutigen Zeit nicht mehr die Gewinnung, sondern die Analyse von Daten. Die führenden Wettbewerber im stationären sowie im Online-Handel investieren massiv in Technologien, die ihnen helfen, aus den Datenbergen, die anfallen, relevante Informationen über das Kaufverhalten der Konsumenten zu gewinnen. Auch wenn die kleineren Wettbewerber im Einzelhandel hinsichtlich der Technologie nicht mithalten können, verfügen sie über einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil: Sie haben einen unmittelbareren, direkteren Blick auf ihre Kunden. Durch weniger Arbeitsteilung und Spezialisierung haben sie den für große Unternehmen oft so schwierig aus Shopper Data zu gewinnenden 360°-Blick auf den Kunden. Verbesserungspotential gibt es allerdings dort, wo es darum geht, diese Einsichten in das Konsumentenverhalten auch tatsächlich als Inspirations- und Innovationsquelle auszuschöpfen. Hier hinken viele traditionelle Händler ihrem Potential hinterher.

Internet und E-Commerce

Der traditionelle stationäre Handel tut gut daran, das Internet nicht als Feindbild zu sehen, sondern zu hinterfragen, welche strategischen Perspektiven neue Technologien für das eigene Angebot und dessen Präsentation bieten.

Zumindest ein zeitgemäßer Internet-Auftritt wird für den stationären Handel in Zukunft unabdingbar sein. Wer im Internet nicht gefunden wird, scheidet bei Konsumenten, deren Entscheidungsprozess online beginnt (Stichwort: Webrooming), bereits in der Informationsphase aus. Gleichzeitig deutet vieles darauf hin, dass weder eine bloße Online-Präsenz, noch ein Einsatz von neuer Technologie um des „Dabei-seins“ Willen, ein Allheilmittel für den stationären Handel darstellt. Der Einsatz der Technologie muss für die Kunden einen relevanten Mehrwert bieten (vgl. Schnedlitz/Salesny 2014, S. 11).

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Die Integration von E-Commerce bietet für den kleinflächigen Handel vor allem insofern eine Chance, als Sortimente erweitert und Out-of-Stock-Situationen besser gehandelt werden können. Wenn Ware nicht verfügbar ist, sollte der stationäre Handel der Zukunft allen Konsumenten eine Möglichkeit geben, die Ware direkt im Geschäft zu bestellen und nach Hause geliefert zu bekommen. Eine Untersuchung der ECC Köln (vgl. 2013, S. 12) zum Cross-Channel-Verhalten zeigt, dass 61 % der Österreicher, wenn ein Produkt am Point-of-Sale nicht verfügbar ist, zur stationären Konkurrenz ausweichen, 30 % wechseln per PC/Laptop zur Konkurrenz, 8 % kaufen mobil bei einem anderen Anbieter (Mehrfachantworten möglich). Einen Kunden weg- bzw. zur Konkurrenz zu schicken, wird man sich in Zukunft nicht mehr leisten können. Nicht nur, weil Umsätze verloren gehen, sondern auch weil die Konsumenten dies immer weniger akzeptieren werden. Nicht-Verfügbarkeit wird sich zunehmend negativ auf das Image der Händler auswirken.

Chancen für den stationären Handel können sich auch aus Click-und-Collect-Lösungen ergeben. Online-Bestellung und Abholung im stationären Handel löst zum einen das Last-Mile-Problem des Online-Handels. Zum anderen sprechen für die Konsumenten vor allem die Bequemlichkeit und die entfallenden Lieferkosten für diese Lösung. Aus Sicht des Handels ergibt sich aber auch die Gelegenheit, die Konsumenten ins Geschäft zu holen und dort zusätzliche Impulskäufe zu stimulieren. Einer europaweiten Studie (vgl. Comscore 2013, S. 18) zufolge kaufen insgesamt 30 % der Befragten bei Abholung der Waren auch andere Produkte. Der anspruchsvolle Multi-Channel-Konsument will das Beste aus beiden Welten. Experten sagen daher vor allem jenen Unternehmen eine erfolgreiche Zukunft voraus, denen die Verzahnung zwischen Online- und Offlinegeschäft am besten gelingen wird (vgl. Planet Retail 2015, S. 16).

Digitalisierung des Point-of-Sale

Darüber hinaus nehmen auch die digitalen Gestaltungsmöglichkeiten im stationären Handel zu. Vergleichsweise einfach umzusetzen ist die Tablet-Unterstützung des persönlichen Verkaufs. Dadurch, dass die Kunden ihre Käufe immer öfter bereits im Internet vorbereiten, kommen Sie mitunter bereits gut informiert ins Geschäft. Das Verkaufspersonal verliert damit seinen Wissensvorsprung. Der Einsatz von Tablets kann den Verkäufern dabei helfen, alle Informationen insbesondere auch zu komplexen

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Produkten parat zu haben und schwierige Fragen zu beantworten. Die Konsumenten erwarten sich vom Einsatz mobiler Verkaufshilfen vor allem einen Verfügbarkeitscheck (72 %), zusätzliche Produktinformation (67 %), die Reservierung des Produktes in einer anderen Filiale (57 %) bzw. Informationen zu Service und Garantieleistungen (44 %). Auch die Abwicklung eines Zahlungsprozesses über das Tablet ist für 41 % der Kunden interessant (vgl. Forrester Research 2016, S. 4).

Instore-Navigation beispielsweise über das Smartphone, die im großflächigen Einzelhandel in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, ist für kleinere Geschäfte wenig relevant. Der zusätzliche Abruf von weiterführender Information am Regal (beispielsweise über QR-Codes) kann hingegen auch in kleinflächigen Geschäften interessant sein. Der Einsatz von Gamification kann dabei den Erlebnisfaktor und die Instore Experience fördern.

Beacons, eine bluetooth-basierte Technologie, mit der Käufer über ihre mobilen Endgeräte im Laden erkannt werden und Händler in der Folge den Weg des Kunden durch das Geschäft elektronisch begleiten können, werden im stationären Handel der Zukunft eine wesentliche Rolle spielen. Über Beacons ist auch die Gestaltung von ortsabhängigen Angeboten und individuellen Promotions gut umzusetzen. Die Technologie wird zudem neue Perspektiven bei der Zahlungsabwicklung eröffnen. Beispielsweise können eingecheckte Kunden über PayPal oder andere Formen der elektronischen Zahlung den Zahlungsprozess ohne Berührung mit der Kasse abwickeln.

Da im Bereich der Zahlungssysteme für die Zukunft weitere Innovationen zu erwarten sind, gilt es für den stationären Händler, am Ball zu bleiben und sich laufend über neue Systeme zu informieren, um nicht den Zug zu verpassen. Die Bequemlichkeit des Zahlungsprozesses ist ein kritischer Erfolgsfaktor.

Auch für die Produktpräsentation bieten digitale Technologien vielfältige Möglichkeiten. Mittels Augmented Reality können in einer Echtzeitansicht physische Wahrnehmungen durch virtuelle Inhalte angereichert werden. So können beispielsweise Produkte in Verwendung gezeigt oder ausprobiert werden. Einer der Pioniere der Anwendung dieser Technologie im Einzelhandel ist Lego: Kunden können in den Geschäften über Augmented Reality die aus den Bausätzen herstellbaren Spielzeuge virtuell testen. Beim Textileinzelhändler Top-Shop können Kunden Kleidungsstücke über

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Augmented Reality-Bildschirme in einer virtuellen Umkleidekabine am eigenen Körper anprobieren, um ein weiteres Beispiel zu nennen.

Auch durch Touchscreens oder interaktiver Schaufenster und Werbeflächen kann sich der stationäre Handel abwechslungsreich und spannend präsentieren.

Natürlich ist zu bedenken, dass der Einsatz dieser Technologien auch mit erheblichen Investitionen verbunden ist. Es gilt daher im Einzelfall zu prüfen, welcher Nutzen unter den individuellen Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen den Kosten gegenübersteht. Es sollte dabei stets hinterfragt werden, welcher konkrete Vorteil für den Kunden mit dem Einsatz der Technologie verbunden ist.

Kooperationen und Allianzen

In einem so kompetitiven Wettbewerbsumfeld, wie es der Handel im 21. Jahrhundert ist, können strategische Partnerschaften einen wesentlichen Vorteil bringen. Der stationäre Handel sollte dabei nicht in zu engen Kategorien denken. Auch zunächst unorthodox anmutende Allianzen können eine Win-Win-Situation für die Partner bringen.

Am naheliegendsten sind Partnerschaften zwischen stationären Händlern. Kooperationen zwischen kleinen, selbständigen Geschäften, die ihre Kräfte bündeln, um den großen Filialisten und Online-Händlern die Stirn zu bieten, sind keine neue Idee. Vorteile wie die Bündelung der Einkaufsmacht und der stärkere Impact durch einen gemeinsamen Marktauftritt sind offensichtlich.

Interessante Kooperationen können sich aber auch zwischen Händlern und anderen Dienstleistungsbetrieben ergeben. Insbesondere die Gastronomie, die teilweise vor den gleichen Herausforderungen steht wie der Handel, bietet interessante Perspektiven für Partnerschaften. Wenn der Handel sich wieder stärker auf seine Kompetenz als sozialer Treffpunkt besinnt, ist die Ergänzung des Angebots durch gastronomische Leistungen naheliegend. Erste Annäherungstendenzen zwischen Gastronomie und Handel können insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel bereits beobachtet werden. Während der Handel sein Sortiment für den Sofortverzehr ausbaut, bietet die Gastronomie zunehmend auch Produkte zum Kauf an.

Eine Integration von Gastronomieelementen im Handel kann nicht nur im Bereich des Handels mit Waren des täglichen Bedarfs, sondern auch in anderen Branchen umgesetzt werden. Kaufhäuser, der Möbeleinzelhandel

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und der Buchhandel zeigen schon lange vor, wie die Verweildauer der Kunden im Geschäft durch die Einrichtung eines Cafes oder Bistros erhöht werden kann. Im Wettbewerb mit den großen Filialisten, die zunehmend auch auf Gastronomie setzen, könnten die kleinen Geschäfte durch Authentizität, Originalität, Individualität und Gemütlichkeit punkten.

Auch Allianzen zwischen stationären Händlern und dem Online-Handel können Vorteile für beide Parteien bringen. Zum Beispiel gibt es in Australien eine Kooperation zwischen E-Bay und Woolworth, die es E-Bay-Kunden erlaubt, ihre Bestellung im Supermarkt abzuholen. Ein weiteres Beispiel ist die Einrichtung von Amazon-Abholpunkten in Convenience-Stores in England (vgl. Planet Retail 2015, S. 5). Von solchen Allianzen könnten kleine, unabhängige Handelsbetriebe profitieren. Die durch den Online-Handel stimulierte Frequenz in den Geschäften kann für Zusatzverkäufe genutzt werden.

Besonders erfolgreich sind Allianzen von Unternehmen, zwischen denen kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis besteht, die aber starke Überschneidungen in der Zielgruppe aufweisen. Hier sind die Vorteile für die Partner am größten, da die Kannibalisierung gering ist.

Multifunktionalität als Chance für kleinflächige und selbständige Händler

Im Zusammenhang mit der Nahversorgung wird das Konzept des multifunktionalen Handels schon seit den 1990-er Jahren propagiert, wobei es Pilotversuche in mehreren europäischen Ländern gab (vgl. Cerha 1999, S. 327). Besonders für die Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs imländlichen Raum wird der multifunktionale Nahversorger als möglicheBetriebsform gesehen. In einem Geschäft wird ein Sortiment an Waren mitverschiedenen Dienstleistungen gebündelt. Das konkrete Angebot an Warenund Dienstleistungen ist auf die lokalen Bedürfnisse abzustimmen.

Dadurch kann zum einen der Versorgungsgrad der Bevölkerung in verschiedenen Sektoren erhöht werden, zum anderen können Kundenfrequenz und Attraktivität des Angebots gesteigert werden. Eine größere Bindung der örtlichen Kaufkraft soll eine breitere betriebswirtschaftliche Basis bieten. Erfahrungen aus Europa zeigen, dass eine multifunktionale Ausrichtung die Erfolgschancen eines Nahversorgers deutlich verbessern kann (vgl. BMVBS 2013, S. 208).

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Multifunktionalität als Positionierungschance ist allerdings nicht auf den ländlichen Raum beschränkt. Auch im städtischen Bereich kann die Bündelung von Leistungen die Attraktivität und Einzigartigkeit eines Geschäftes steigern.

Neben einem multifunktionalen Angebot ist auch eine multifunktionale Nutzung der Ladenfläche eine Möglichkeit, Frequenz in einem Geschäft zu schaffen und die emotionale Bindung an einen Händler zu verbessern. Gedacht sei dabei zum Beispiel an die Nutzung für Informationsveranstaltungen, Weiterbildungs- oder Unterhaltungsangebote. Als Beispiele seien Kochkurse in einem Haushaltswarengeschäft, Verkostungen in Lebensmittelläden, Konzerte in einem Einrichtungshaus oder Lesungen im Buchhandel genannt.

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9 Best-Practice-Beispiele im Bereich Nahversorgung

Nationale und internationale Fallbeispiele und Best-Practice-Modelle können mögliche Positionierungskonzepte für den stationären Handel aufzeigen. Im folgenden Kapitel werden vier Best-Practice-Beispiele im Bereich Nahversorgung vorgestellt. Da der Handel stark von regionalen und ortsspezifischen Rahmenbedingungen geprägt ist, ist es kaum möglich, und auch nicht sinnvoll, zu versuchen Erfolgsbeispiele zu duplizieren. Vielmehr geht es darum, Lösungen, die sich in einem bestimmten Umfeld bewährt haben, im Hinblick darauf zu überprüfen, welche Erfahrungen aus diesen für die Entwicklung eigener Konzepte, welche den jeweiligen Rahmenbedingungen gerecht werden, gewonnen werden können.

9.1 Bistrot de Pays

Das Konzept

„Bistrot de Pays“ ist ein Nahversorgungsmodell aus Frankreich. Auf Initiative eines französischen Beamten für Regionalentwicklung wurde das Konzept zu Beginn der 1990-er Jahre entwickelt. Die Marke „Bistrot de Pays“ wurde 1992 eingetragen, das erste Bistrot de Pays wurde 1993 im Département Alpes-de-Haute-Provence im Südosten Frankreichs in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur eröffnet. Das Modell wurde in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und ausgebaut. Im Jahr 2015 gab es in 26 Départements in 10 Regionen Frankreichs insgesamt 243 Bistrots de Pays. Die geschätzten Umsätze des Netzwerks liegen bei 25 Millionen Euro, die geschaffenen Arbeitsplätze bei 700 (ausgenommen Saisonarbeiter) (vgl. Bistrot des Pays 2015, S. 5). Gefördert wird das Projekt von den Départements, Handelskammern und aus EU-Mitteln des LEADER-Programms zur Unterstützung innovativer Aktionen im ländlichen Raum.

Das Konzept basiert darauf, Gaststätten im ländlichen Raum, die ähnlich wie Nahversorger im Einzelhandel in ihrer Existenz bedroht sind, zu multifunktionalen Nahversorgungseinrichtungen auszubauen. Das gastronomische Angebot wird um zusätzliche Versorgungsangebote erweitert.

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Um sich für die Marke Bistrot de Pays zu qualifizieren, müssen eine Reihe Kriterien, die in einer „Charte“ angeführt sind, erfüllt werden (vgl. Bistrot de Pays 2015, S. 7):

Lage in einer ländlichen Gemeinde mit weniger als 2000 Einwohnern Das letzte bzw. eines der letzten Geschäfte bzw. Lokale im Ort Ganzjährige Öffnung Bündelung möglichst vieler Leistungen der Grundversorgung, die

sonst vor Ort nicht mehr angeboten werden (z.B.Lebensmittelsortiment, Brot, Tabak, Zeitungen, Postdienstleistungen)

Verteilung von lokalen Tourismusinformationen Organisation von mindestens drei kulturellen Veranstaltungen im Jahr Förderung von lokalen Produkten Angebot von mindestens einem Gericht/Imbiss aus regionalen

Produkten während der gesamten Öffnungszeit Im Falle eines kompletten gastronomischen Angebots ein

Schwerpunkt bei regionalen Rezepten und Produkten

Erfüllt ein Betreiber diese Kriterien und hat Interesse die Marke zu verwenden, so muss er zunächst bei der Fédération Nationale des Bistrots de Pays einen Antrag stellen. In einem zweiten Schritt wird in einem Audit die Erfüllung der Kriterien überprüft. Im dritten Schritt wird vom Kandidaten ein Aktionsplan vorgelegt. Die Entscheidung über die Listung als Bistrot de Pays liegt dann bei einem Komitee der Fédération Nationale des Bistrots de Pays und der regionalen Entwicklungsgesellschaft.

Qualifiziert sich ein Bistrot für das Programm, dann darf es, auf Basis einer jährlichen Vereinbarung, das gemeinsame Logo als Qualitätslabel tragen und kann von der gemeinsamen Vermarktung profitieren. Die Erfüllung der Kriterien wird alle drei Jahre in einem neuerlichen Audit überprüft. Auch die Einhaltung der Verpflichtung, sich aktiv am Vermarktungsnetz zu beteiligen, wird überprüft. Auf Basis der Ergebnisse des Audits wird in der Folge ein neuerlicher Aktionsplan formuliert.

Das Bistrot de Pays versteht sich als Begegnungsstätte für die lokale Bevölkerung, soll aber auch Anziehungspunkt für Ausflügler und Touristen sein. Über das Konzept Rando Bistrot werden touristische Ausflüge durch die Region angeboten, die neben einer Wanderung und dem Besuch eines lokalen Landwirts oder Lebensmittelproduzenten auch ein abschließendes Essen in einem Bistrot de Pays umfassen.

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Ein wesentlicher Baustein des Konzeptes ist die Nutzung des Bistrots als Veranstaltungsort. Jährlich finden in den Bistrots de Pays mehr als 800 Veranstaltungen statt (vgl. Bistrot de Pays 2015, S. 12). Inhaltlich decken diese Events von Lesungen, Konzerten, Theateraufführungen bis hin zu Verkostungen und Kochkursen ein sehr breites Spektrum ab. Neben lokalen Initiativen gibt es auch zentral geplante Veranstaltungen, die dann durch mehrere Bistrots sozusagen „auf Tournee gehen“.

Bei der Umsetzung des Konzeptes arbeiten die lokalen Bistrots, die sich als Botschafter der Region verstehen, die regionalen Entwicklungsgesellschaften und die Fédération Nationale des Bistrots de Pays zusammen. Die regionalen Entwicklungsgesellschaften unterzeichnen mit der Fédération eine Nutzungsvereinbarung für die Marke über fünf Jahre. Sie dürfen in der Folge die Marke in einer bestimmten Region führen und sind für die regionale Kommunikation und Akquisition verantwortlich. Ihnen obliegen auch die Kontrolle der Einhaltung der Charte sowie die Durchführung der Audits. Die Fédération Nationale des Bistrots de Pays unterstützt die regionalen Entwicklungsgesellschaften bei der Weiterentwicklung des Netzes und verantwortet die nationale Kommunikation, die Forschung (Machbarkeitsstudien, Qualitätskontrolle, etc.) und den Markenschutz.

Kernstück der nationalen Vermarktung ist eine Homepage (www.bistrotdepays.com). Diese umfasst eine ganze Reihe an Funktionen: Suche nach Bistrots (nach verschiedenen Kriterien und über eine Karte), Suche nach Events und Veranstaltungen, News, Vorstellung des Konzeptes, Registrierung für den Newsletter, Veranstaltungskalender, umfangreiche Bildarchive, Jobbörse sowie GPS Downloads für Routen und Anreise. Weiters bietet die Homepage die Möglichkeit der Kontaktaufnahme durch Künstler, die in Bistrots de Pays auftreten wollen. Auch Veranstalter von Freizeitaktivitäten, die bei von Bistrots de Pays organisierten regionalen Exkursionen mitmachen wollen, können über die Plattform mit Bistrots in Verbindung treten. Die Bistrots selbst können über ein Intranet Informationen einpflegen und laufend aktualisieren.

Bistrots de Pays sind auch in sozialen Medien sehr aktiv. Die Homepage ist mit eigenen Seiten auf Twitter (seit 2009), Facebook (seit 2010), Flickr (seit 2012), YouTube (seit 2013) und Instagram verlinkt. Vor allem Facebook

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und YouTube werden dabei sehr aktiv genutzt. Über die Publishing Plattform Calameo können 33 Folder zu Bistrot de Pays abgerufen werden.

Als weitere Kommunikationsinstrumente werden Broschüren, Aushängeschilder und Merchandising-Artikel (Schirme, Schürzen, etc.) am Point-of-Sale eingesetzt. Daneben setzt man auf eine intensive Pressearbeit mit dem Ziel, mehr als 300 Beiträge in den Printmedien jährlich und eine regelmäßige Berichterstattung in TV und Radio zu erreichen.

Erfolgsfaktoren

Die Kombination aus regionaler, dezentraler Ausrichtung auf die lokalen Versorgungsbedürfnisse einerseits und die nationale, gemeinsame Vermarktung unter der Marke Bistrot de Pays sind mitverantwortlich für den Erfolg des Konzeptes. Der gemeinsame Marktauftritt unter der nationalen Marke hilft den Bistrots im Wettbewerb sichtbar zu werden. Andererseits erlaubt das Konzept eine Flexibilität bei der Umsetzung, sodass die Bedingungen vor Ort Eingang in das Konzept finden können.

Gemeinsam ist allen Bistrots de Pays, dass sie sich als Begegnungsstätten definieren, die den Grundbedürfnissen nach sozialem Austausch, Kommunikation und Geselligkeit gerecht werden. Durch die Ausrichtung auf die lokale Bevölkerung einerseits und touristische Gäste andererseits wird die ökonomische Basis verbreitert. Auch die Kombination von Gastronomie und Einkauf erweitert den Markt für die Bistrots. Durch die Betonung des Erlebnischarakters kann eine emotionale Bindung der Kunden erreicht werden.

Auch bei der Kommunikation setzt das Konzept auf lokales Engagement einerseits und nationale Unterstützung andererseits. Es wird von den Bistrots erwartet, dass sie sich über das Internet, aber auch vor Ort, aktiv in die Vermarktung der Bistrots einbringen. Die Charte nimmt die Betreiber dabei in die Pflicht. Für den Marktauftritt bedeutet die dezentrale Kommunikation, unter anderem über Social Media, eine hohe Authentizität und Individualität, die für den Marktauftritt wichtig ist. Hinsichtlich des Know-hows und der Abwicklung werden die Bistrots allerdings von der Fédération Nationale des Bistrots de Pays stark unterstützt, da sie auf bestehende Systeme zugreifen können und nichts Neues aufbauen müssen.

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Übertragbarkeit

Auch in Österreich haben Gaststätten und Geschäfte der Nahversorgung im ländlichen Raum mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Daher erscheint die Idee Ressourcen zu bündeln naheliegend. In der Vergangenheit gab es schon Vorstöße in diese Richtung (Stichwort: Gast-Kauf-Haus), allerdings ohne eine gemeinsame Vermarktung im größeren Stil. Das Beispiel Bistrot de Pays zeigt allerdings, dass die nationale Vernetzung und der gemeinsame Marktauftritt für die lokalen Betreiber eine wichtige Unterstützung sind, um am Markt sichtbar zu werden und eine Multiplikatorwirkung zu erzielen.

Bistrot de Pays ist ein gutes Beispiel für eine authentische Nutzung von sozialen Medien. Die starke Unterstützung der Bistrots beim Marktauftritt ist eine sinnvolle Förderung im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe.

Dass Österreich, ähnlich wie Frankreich, in vielen Regionen eine hohe Attraktivität für den Tourismus hat, könnte bei der Umsetzung eines ähnlichen Konzeptes in Österreich hilfreich sein. Natürlich müsste eine österreichische Adaptierung entsprechend auf die nationale Identität und Mentalität abgestimmt sein.

Das Konzept von Bistrot de Pays lebt auch von der Besinnung auf regionale Identität. Eine entsprechende Stärkung regionaler Werte ist auch in Österreich zu beobachten. Regionale Produkte und Gerichte liegen sowohl im Handel als auch in der Gastronomie im Trend (vgl. AMA 2015, o. S.).

9.2 Sonnentor

Das Konzept

Das Kräuterhandelsunternehmen Sonnentor mit seinem Sitz in Sprögnitz im Waldviertel erwirtschaftete im Jahr 2014/2015 einen Umsatz von 33,4 Millionen Euro in Österreich und 7,7 Millionen Euro in Tschechien. Dabei beschäftigt die Sonnentor GmbH 260 Mitarbeiter in Österreich (ohne Franchisebetriebe) und 90 Mitarbeiter in Tschechien. Über 65 % der Produkte werden in mehr als 50 Länder der Welt exportiert. Der Vertrieb erfolgt über den Großhandel und über eigene und auf Franchise basierende Geschäfte. Das Unternehmen wurde im Jahre 1988 von Johannes Gutmann gegründet und positionierte sich von Anfang an als ein regionales Bio-Unternehmen. Sonnentor setzt dabei auf altes und regionales Kräuterwissen

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und schafft auf Basis dessen neue innovative und kreative Produkte. Die Ausgangsidee war es, bäuerliche Bio-Spezialitäten zu sammeln und unter der Marke „Sonnentor“ überregional und international zu vermarkten. Faire Bezahlung, der wertschätzende Umgang mit Partnern und der Schutz des natürlichen Kreislaufs des Lebens werden als Teil der Firmenphilosophie angesehen. Eines der nächsten Projekte ist es, einen eigenen Bauernhof am Unternehmensstandort in Sprögnitz zu errichten, um Kunden einen Einblick in den Kräuteranbau zu ermöglichen (vgl. Sonnentor 2015a, S. 1f).

Die Rohstoffe für die Produkte kommen von über 180 Bio-Bauern in Österreich mit einer Anbaufläche von 770 ha und Bio-Bauern in Tschechien sowie über Anbauprojekte in Rumänien, Albanien, Tansania und Nicaragua, wobei die Produktveredelung, wenn möglich, direkt bei den Bauern erfolgt. Sind Gewürzmischungen in unseren Breiten nicht heimisch, werden diese von Partnern aus der ganzen Welt, unter Einhaltung der festgelegten Qualitätsstandards, bezogen. 1988 startete der Gründer als One-Man-Show, wobei, angefangen von der Aufbereitung über die Verpackung bis hin zur Auslieferung der Ware, alles selbst gemacht wurde. Das Sortiment besteht inzwischen aus mehr als 700 Bio-Produkten, von Tee über Gewürze bis hin zu Kaffee aus Nicaragua (vgl. Sonnentor 2015a, S. 1; vgl. Sonnentor 2015b, S. 1f.).

Der Vertrieb erfolgt über Sonnentor-Geschäfte, Reformhäuser, Biofachläden und Apotheken. Eine Listung im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel ist nicht erwünscht. Ein Ziel im Vertrieb ist es, die Geschäfte vorzugsweise von Franchisenehmern betreiben zu lassen. Derzeit verfügt das Unternehmen über 22 Geschäfte in Österreich, Deutschland und Tschechien, wovon 14 von Franchisenehmern geführt werden. Das erste Franchise-Geschäft wurde 2008 in St. Pölten eröffnet (vgl. Sonnentor 2015c, S. 1f). Sonnentor-Geschäfte bieten das gesamte Sonnentor-Produktsortiment – von Bio-Tees über die Bio-Kaffee-Linie, die Bio-Gewürz-Linie, die Bio-Kinder-Linie bis hin zu ausgewählten Sortimenten von Partnerunternehmen. Jährlich werden bis zu 3 Geschäfte eröffnet.

Um sich als zukünftiger Franchisenehmer mit einem Ladenlokal zu qualifizieren, müssen eine Reihe von Kriterien erfüllt werden (Sonnentor 2016a, o. S.):

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Städtegröße/Einwohnerzahl: in Österreich und der Schweiz in Städten ab 30.000 Einwohner, in Deutschland ab 100.000 Einwohner

Hohe Konsumentendichte im Einzugsgebiet und hohe Passanten-Frequenz

Lage: 1-A oder gehobene 1-B Innenstadt-Lage mit hoch verdichtetem, durchgängigem Geschäftsbesatz, Einkaufsstraßen oder Einkaufszentren

Hohe Kaufkraft im Einzugsgebiet Einbettung in eine passende Einkaufsinfrastruktur: Möglichkeit zu

Ergänzungskäufen, entsprechender Branchenmix Passende Infrastruktur Schnelle Erreichbarkeit und Parkplätze in unmittelbarer Nähe Verkaufsfläche ab 70 m² bis max. 120 m² Raumhöhe mind. 3 m Nebenräume für Lagermöglichkeit Möglichkeit für Auslagen, d.h. große, transparente Glasflächen Einwandfreie Bausubstanz und trockene Gemäuer, bestenfalls mit

historischem Ambiente Eignung zur Integration eines kleinen Gastronomie-Bereiches Ebenerdiger, einstöckiger Raum Zufahrtsmöglichkeit für Liefer-LKWs bzw. Ladezone

Erfüllt ein Unternehmen diese Kriterien, kann es sich bei Sonnentor melden. Neben einer Prüfung, ob der Unternehmer bereit ist, der Firmenphilosophie des Unternehmens zu folgen, wird die Eignung des Geschäftslokals im Rahmen eines Audits überprüft.

Zusätzlich werden über den Franchiseverband beziehungsweise über die eigene Homepage immer wieder Geschäftslokale zur Übernahme durch Franchisenehmer angeboten.

Das Marketing erfolgt in der Regel zentral über die Sonnentor GmbH, wobei der jeweilige Händler immer die Möglichkeit hat, individuelle Aktionen durchzuführen. Zusätzlich zur Homepage, auf der unter anderem neben allen Geschäften die Geschichte, die Produkte, die Partner, die Kooperationen vorgestellt werden, wird zu jeder Filiale eine Facebook-Seite für „Aktuelles & Veranstaltungen“ bereitgestellt. Als weitere Kommunikationsinstrumente werden etwa Flyer, Informationsbroschüren und Verkostungen am Point-of-Sale eingesetzt (vgl. Sonnentor 2016b, o. S.).

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Erfolgsfaktoren

Der große Vorteil des Franchisings liegt in der Synergie beider Franchise-Parteien. So profitiert der Franchise-Geber von der Initiative, der Arbeitskraft, dem Kapital, dem Standort und den Gebührenzahlungen des Franchise-Nehmers. Im Gegenzug stellt er sein Wissen, seine Erfahrung, sein ganzheitliches Geschäftskonzept sowie seine Organisations- und Erfolgsinstrumente zur Verfügung (vgl. Franchiseverband 2016, o. S.). Trotzdem bleibt aber dem Franchisenehmer, da er als selbständiger Unternehmer agiert, eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung. Etwa hat er die Möglichkeit, regionale Gegebenheiten bei der Gestaltung seines Shops zu berücksichtigen. So können z.B. Getränke und regionale Speisen, im Rahmen der Vorgaben, angeboten werden (vgl. Sonnentor 2016b, o. S.).

Das Ladenkonzept, welches ein modernes Design mit traditionellen Elementen bietet, macht die Sonnentor-Bio-Welt erlebbar und bietet durch den Erlebnischarakter eine emotionale Bindung der Kunden an das Geschäft. Gerade das Thema „Bio“ und „Regionalität“ beschäftigt in den letzten Jahren zunehmend die Konsumenten. So gaben bereits in einer Nielsen Studie im Jahr 2007 85 % der Befragten an, gelegentlich Bio-Produkte zu kaufen und 82 % nannten auf die Frage, was umweltfreundlich einkaufen bedeutet „Biologisch und aus Österreich“ (Nielsen 2007, o. S.). Dieser Trend setzt sich seither kontinuierlich fort. Derzeit kaufen, so eine aktuelle Studie der AMA, etwa 96 % der österreichischen Haushalte gelegentlich Bio-Lebensmittel ein (vgl. AMA 2016, S. 10).

Übertragbarkeit

Wie die in Kapitel 4 beschriebene Entwicklung des stationären Einzelhandels zeigt, wird der Handel immer stärker von Großunternehmen und Konzernen dominiert. Das betrachtete Beispiel zeigt deutlich, dass durch Differenzierung und eine klare und erkennbare Positionierung immer wieder nicht besetzte Nischen am Markt gefunden werden können, wobei anzumerken ist, dass gefundene „Nischen“ bei erfolgreicher Bearbeitung in der Regel andere Unternehmen anziehen, diese auch zu bearbeiten. In Folge kommt es zu einer Verstärkung des Wettbewerbs. Sonnentor hat sich, trotz des steigenden Wettbewerbs, als eine starke Marke am Bio-Markt etabliert. Die Sichtbarkeit des einzelnen Geschäftes wird durch das einheitliche Marketingkonzept und die gemeinsame Kommunikation verstärkt. Durch die Bekanntheit der Marke wird das Risiko verringert, die

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Anlaufzeit eines Geschäftes in der Regel verkürzt und der selbständige Unternehmer kann am Know-how des Gründers mitpartizipieren. Der Händler erhält neben einem Schulungsangebot auch betriebswirtschaftliche Unterstützung. Synergieeffekte können generiert werden und ein Erfahrungsaustausch unter den Betrieben („gemeinsam statt einsam“) wird angeregt. Das Konzept von Sonnentor lebt, wie das Konzept Bistrot de Pays, von der Besinnung auf regionale Identität. Dies liegt wie die vorgestellten Studien (vgl. Nielsen 2007, o. S.; AMA 2016, S. 10) zeigen, im Trend.

9.3 Voglhaus

Das Konzept

Das Voglhaus bezeichnet sich selbst als das „kleinste Kaufhaus der Welt“. Es bietet eine Auswahl an Kaffee und Tee auf höchstem Niveau sowie hausgemachte Mehlspeisen. Ergänzt wird die Gastronomie durch Produkte aus aller Welt sowie Geschenk- und Dekorationsartikel. Genutzt wird das Geschäft auch als Abhaltungsort für unter der Marke „Feinkunst“ geführte Kulturveranstaltungen und Angebote im Bereich Aus- und Weiterbildung. Das Konzept lässt sich authentisch an folgenden Statements der Gründerin veranschaulichen (vgl. Voglhaus 2016, o.S):

"Man muss Menschen mögen" Voglhaus-Chefin Martina Vogl im Gespräch

Was ist Ihr Erfolgsrezept

Mein Erfolgsrezept ist, dass ich mich nicht darum schere, wie man etwas macht oder was man sagt oder was die Leute denken. Mein Motto ist: I am what I am. Authentizität, Leidenschaft, Überzeugungen auch gegen den Strom und Zeitgeist zu vertreten. Das kann manches Mal auch komplett in die Hosen gehen, das habe ich zeitweise auch schon erlebt. Das Projekt "Voglhaus" war nicht immer erfolgreich. Vieles musste ich nachjustieren. Wenn's geklappt hat, war es immer auch ein Vorteil, nicht mit dem Strom geschwommen zu sein. Ich wollte etwas ganz Besonderes schaffen.

Haben Sie Freude an dem, was Sie tun?

Ja, sonst würde ich es nicht machen. Aber ich bin grade dabei, Dinge anders zu tun. Ich gehe mehr raus aus dem Tagesgeschäft, ich gehe in eine neue Entwicklungsstufe in der Art wie ich die Geschäfte führe. Ich lasse vieles meine Mitarbeiter machen. Die wachsen stark an deren Aufgaben. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen. Auch für mich privat.

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Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?

Aus einer enthusiastischen Einstellung heraus. Ich hasse den Zynismus, die Besserwisser-Pose, von wegen "wir wissen Bescheid, wie alles gemacht wird". Das konnte ich noch nie leiden.

Wie bringen Sie ein Cafe und ein Kaufhaus unter einen Hut?

Mit einer großen Schar engagierter und motivierter Mitarbeiter. Im Grunde ist das ein logistischer Wahnsinn. Wir haben alleine 300 Lieferanten, ich besuche unendlich viele Messen, um Schönes zu finden. Dieser Weg ist schwierig und mit sehr viel Arbeit verbunden. Wir machen nicht die schnelle Mark.

Woher stammt eigentlich die Idee zur originellsten Toilette am Bodensee?

Es gibt in vielen Lokalen das Dilemma, oben schickes Restaurant, unten im Keller die schmuddeligen Toiletten. Man muss nur etwas Herz und Verstand haben, um das zu ändern und um zu wissen, wie man seine Gäste gut behandelt. Die Details sind beim Umbau entstanden, die Handwerker haben einen richtig guten Job gemacht.

Sie beziehen Erlesenes für Ihr Cafe hauptsächlich aus der Region. Sind Sie eine Ökotante?

Ich höre eine Ironie bei Ihnen. (lacht) Wieso gibt es eigentlich keine Ökoonkels? Ökotante hört sich etwas sexistisch an. Ökotanten finden den Pullover nur schön, wenn er kratzt oder den Apfel nur gut, wenn ein Wurm drin steckt. Ich versuche den Sachverstand einzubringen, den man für ökologisches Handeln braucht. Ein Beispiel: Wir benötigen täglich etwa 100 Liter Milch. Jetzt stehe ich vor der Wahl, ich nehme Öko aus der Region im 1 Liter Tetrapack oder ich nehme Milch aus Norddeutschland oder Dänemark in der 10 Liter-Box. Es würde immenses Expertenwissen benötigen, um die beiden Möglichkeiten hundertprozentig gegeneinander abzuwägen. Die 10 Liter-Box ist in dem Fall für uns einfach auch praktischer. Bei Ökofragen gibt es kein Alles oder Nichts, sondern nur ein mehr oder weniger gut. Wir bemühen uns, das alles stets optimal zu machen.

Was bieten Sie Ihren Gästen, damit die sich so richtig wohl bei Ihnen fühlen?

Niemals betrachte ich unsere Gäste nur als Umsatzbringer. Natürlich leben wir davon, Dinge zu verkaufen. Das findet auch in unserem Corporate Design Ausdruck, wo erklärt wird, was es alles gibt. Egal ob ich Gäste bei mir privat oder im Voglhaus habe, ich liebe die Menschen, die meisten jedenfalls und ich möchte, dass es ihnen gut geht. Deshalb werden unsere Mitarbeiter auf die 4 Voglhaus M's geschult: Man muss Menschen mögen.

Woher stammt die Idee für das berühmte Voglhaus-Brutzelbrot?

Wie bei den meisten guten Ideen haben wir aus der Not eine Tugend gemacht. Nach der Eröffnung stellten wir fest, dass der Bedarf nach einer warmen Mahlzeit bei uns sehr groß war. Nachdem wir so wenig Platz in der Vorbereitungsküche haben, suchten wir nach der wirklich guten warmen Mahlzeit, die wir mit wenig Platz hinbekommen. So war das Brutzelbrot geboren, der Name entstand in einem Brainstorming mit den Mitarbeitern.

Was bedeutet Ihnen Sinnlichkeit?

Alles. Ich weiß wovon ich rede, denn ich bin gerade frisch verliebt. Wir sprechen unsere Gäste immer auf allen Sinnen an.

Was war Ihr ursprünglicher Gedanke bei der Gründung Ihres Unternehmens?

Was hätte ich gerne, wenn ich irgendwo als Gast wäre oder einkaufen möchte, ich suche eine schöne Umgebung, nette Mitarbeiter, eine gute Qualität mit ökologisch und sozial ausgewogenen Bedingungen.

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Wie verwöhnen Sie Ihre Gäste?

Wir bieten eine ernst gemeinte Gastfreundschaft mit ernst gemeinter Zuwendung. Das geben meine Mitarbeiter den Gästen. Wir verwenden viel Arbeit darauf, wie sich die Mitarbeiter zu den Gästen optimal und freundlich verhalten können und sollen.

Was wünschen Sie dem Voglhaus für die Zukunft?

Eine kontinuierliche Weiterentwicklung, meine Mitarbeiter sollten sich auch gegenseitig inspirieren. Unser tief verankerter Voglhaus-Spirit sollte erhalten bleiben. Die von mir ins Leben gerufene Voglhaus-Akademie soll sich weiter entwickeln. Meine Vortragspläne, mit dem Voglhaus-Konzept ein Vorbild für den Einzelhandel sein zu können, sollen sich verwirklichen.“

Erfolgsfaktoren

„Neue Helden braucht der Handel“ – das könnte die Kernaussage zum Konzept Voglhaus in Konstanz sein. Das Geschäft wurde hier stellvertretend für eine Reihe von Vorreitern im Handel beschrieben, die sich der „Slow-Retail“-Bewegung verschrieben haben. Concept-Stores wie das Vogelhaus setzen gezielt auf Bündelung von attraktiven Angeboten im Produkt- und Service-Bereich. Produkte werden bewusst ausgesucht, erzählen häufig ihre eigene Geschichte und sind sorgfältig auf das Geschäftskonzept abgestimmt. Nachhaltigkeit und Fairtrade sind mitunter Bestandteil solcher Konzepte. Atmosphäre und Individualität sind wesentliche Erfolgsfaktoren für Concept-Stores.

Es fällt auf, dass das Voglhaus in Konstanz kein Multi-Channeling betreibt. Online-Handel, Social Media und Online-Shop spielen somit keine Rolle, was stimmig ist, aber auch überrascht. Das Beispiel Voglhaus wird in diesem Kontext bewusst angeführt, um zu demonstrieren, dass ein Geschäft heute auch noch funktionieren kann, ohne ständig auf das Internet zu schielen.

Die Basis für derartige Konzepte bildet jedenfalls Authentizität. Darauf baut das „Strategische 3-C-Dreieck“, das eine nachhaltige Entwicklung derartiger Betriebstypen ermöglicht (vgl. Grafik 5).

Überraschende Formate wie das Voglhaus erfordern einen gut kalkulierten Businessplan. Nicht selten bringen zu hohe Personalkosten derartige Konzepte ins Wanken. Die Kreativität des Sortiments und der Dienstleistungen stellt einen weiteren notwendigen Faktor dar. Bei manchen Lösungen gewinnt man den Eindruck, dass sie eher dem Prinzip „If you can’t convince them confuse them“ folgen, als einem klaren Convenience-Zugang. Unübersichtliche und verstaubte Geschäfte mit unfreundlichem Personal haben im Konkurrenzumfeld heute keine Chance.

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Grafik 5 Strategisches 3-C-Dreieck mutiger und moderner Handelskonzepte

Quelle: Eigene Darstellung

Übertragbarkeit

Die Übertragbarkeit derartiger Konzepte, die stark vom Lokalkolorit geprägt sind, ist nur bedingt möglich. In Zeiten eines besonders hohen Filialisierungsgrads im Handel (siehe Seite 18) stellen derartige Versuche in Wirklichkeit eine Gegenthese zur Internationalisierung und Globalisierung dar. Es soll somit nicht die Hoffnung geweckt werden, dass sich das Voglhaus-Modell in alle möglichen Regionen verpflanzen lässt.

9.4 „Joseph – Brot vom Pheinsten“

Das Konzept

Im Jahr 2011 wurde in der Naglergasse im ersten Bezirk die erste Filiale von „Joseph – Brot vom Pheinsten“ eröffnet. Das Geschäft, das von Montag bis Samstag geöffnet ist, verfügt nur über wenige Quadratmeter Verkaufsfläche. Kernprodukt des Sortiments ist Brot. Neben den verschiedenen Brotsorten werden auch andere Backwaren und ein kleines Sortiment an qualitativ hochwertigen Lebensmitteln angeboten. Verkauft wird auch Kaffee, der „to go“ bzw. direkt an der Verkaufstheke genossen werden kann. Das Konzept setzt auf regionale Zutaten, Bio-Qualität und

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Handarbeit, um sich mit Premium-Produkten vom Wettbewerb abzuheben. Auch das Sortiment, das von Lieferanten zugekauft wird, muss dieser Positionierung gerecht werden.

Die Premium-Ausrichtung schlägt sich auch in den Produktpreisen nieder: der Kilo-Preis für ein Joseph-Brot liegt mit rund 7 Euro deutlich über dem Wettbewerb. Dafür wird klar kommuniziert, dass man „das beste Brot der Stadt“ verkaufe. Dass die Preise des Produktes nicht im Vordergrund stehen, demonstriert man auch damit, dass auf den Tafeln hinter der Verkaufstheke nur die Brot-Sorten, nicht aber deren Preise genannt werden.

Aufbauend auf dem großen Erfolg des Geschäftes in der Naglergasse wurde im Jahr 2013 eine Filiale in der Landstraßer Hauptstraße, in der Nähe zum Bahnhof Wien Mitte, eröffnet. Auf rund 500 Quadratmetern werden dort an sieben Tagen der Woche neben dem Verkauf von Brot, Backwaren und Lebensmitteln auch ein Bistro und eine Patisserie betrieben. Zum Verzehr vor Ort laden 60 Sitzplätze ein. Serviert werden vorwiegend Suppen, Sandwiches und Süßspeisen in Bedienung.

Die dritte Filiale wurde im Jahr 2015 in Döbling in der Obkirchergasse eröffnet. Dort werden Brot-, Backwaren und Patisserie verkauft. Montag bis Samstag ist das Geschäft ganztags geöffnet und am Sonntag am Vormittag. Verkauft wird in Döbling auch ein Natursauerteig sowie verschiedene Mehlsorten und ein Rezeptbuch unter der Marke Joseph, damit die Kunden zu Hause selbst Brot backen können.

Das Brot wird nicht nur an den drei Standorten direkt an die Konsumenten verkauft, sondern auch an zahlreiche Wiederverkäufer in Gastronomie und Handel. Im Bereich Gastronomie werden derzeit rund 30 Unternehmen beliefert, im Handel rund 30 Feinkostgeschäfte. Darüber hinaus wird Joseph-Brot über die Filialisten denns und Radatz vertrieben. Auch die Adamah-Biostände werden beliefert. Über den Online-Zusteller Hausbrot können Joseph-Produkte auch über das Internet bezogen werden.

Produziert wird das Brot von der Bio Troad Bäckerei in Vitis in der Nähe von Gmünd im Waldviertel, rund 120 km von Wien entfernt. Derzeit wird in Burgschleinitz, 70 Kilometer von Wien entfernt, ein neuer Produktionsstandort gebaut, der die Kapazität um 30 Prozent erweitern soll. Eine Glasfront am neuen Standort soll eine Art Schaubacken ermöglichen. Entstehen soll auch ein Bäckereishop „als kleiner Nahversorger“

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(Kalchhauser 2016, S. 17). Das Kleingebäck wird direkt in den Filialen gebacken. Patisserie wird von Lieferanten bezogen.

Erfolgsfaktoren

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Joseph Brot ist die konsequente Positionierung und Inszenierung. Dass die Ware in Handwerksqualität, mit so wenig Maschineneinsatz wie möglich und nur mit den besten Zutaten in Bio-Qualität produziert wird, wird den Konsumenten sehr oft und deutlich kommuniziert. Die Zielsetzung ist es, sich eindeutig von den Filialisten im Markt, den Backshops der Supermarktketten und den verpackt erhältlichen Industriewaren abzusetzen. Während man dort danach strebt, möglichst einheitliche, standardisierte Produkte zu schaffen, will Joseph mit seinem Brot individuelle von Hand gefertigte Ware, die in ihrem Aussehen variieren darf, aber immer von höchster Qualität ist, anbieten. Dadurch dass der Unternehmensgründer Josef Weghaupt als gelernter Fleischhauer und Lebensmitteltechniker Erfahrung im Qualitätsmanagement eines Eigenmarkenproduzenten in der Industrie gesammelt hat, bevor er sich mit seinem Geschäft selbständig gemacht hat, weiß er, von welcher Konkurrenz er sich unterscheiden möchte (vgl. Ludwig 2015, S. o. S.).

Joseph-Brot deklariert sich eindeutig als Slow-Food-Anbieter. Man wirbt damit, dass der Teig ohne künstliche Säuerungsmittel 24 Stunden rastet, ehe er zu Joseph-Brot und Backwaren verarbeitet werden kann. Auch den Kunden gibt man im Geschäft Zeit für die Auswahl, wobei erwartet wird, dass die Kunden im Gegenzug ebenfalls bereit sind, sich Zeit für den Einkauf zu nehmen. Dass die Kunden mitunter im Geschäft (und in der Naglergasse häufig auch auf der Straße) Schlange stehen, wird nicht nur in Kauf genommen, sondern ist Teil der Inszenierung. Nicht nur im Bistro, wo Mahlzeiten angeboten werden, sondern auch in den anderen Filialen kann der Konsument einen Kaffee zu sich nehmen bzw. Getränke kaufen, um die Waren direkt vor Ort zu verzehren. Auch dies erzeugt eine Entschleunigung des Einkaufsprozesses und setzt Impulse für Zusatzverkäufe.

Darüber hinaus setzte Joseph-Brot von Anfang an auf eine hohe Wiedererkennbarkeit der Geschäfte und Produkte durch eine klare Corporate Identity. Verpackungen, Tragtaschen, Werbemittel, Schilder am Point-of-Sale und Kleidung der Verkaufsmitarbeiter sind auf das Corporate Design abgestimmt. Das „Ph“ in Joseph entspricht zwar nicht der Schreibweise des namensgebenden Gründers, der sich mit „F“ schreibt,

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passt aber zur Retro-Inszenierung. Dass das „Ph“ in der Kommunikation insgesamt oft das „F“ ersetzt, weckt über eine kognitive Reizwirkung die Aufmerksamkeit der Konsumenten und fördert die Wiedererkennbarkeit. Auch hinsichtlich der Ausstattung der Geschäfte und des Bistros setzt das Konzept auf ein konsequentes auf die Werte der Marke abgestimmtes Design. Die Sessel, Tische, Brotkörbe, Wasserkaraffen sowie Salz und Pfeffer im Bistro wurden gemeinsam mit einem Architekten entworfen. Brotbretter, Besteckkörbe und Brotkörbe können von den Kunden im Geschäft gekauft werden. Dass auf die Inszenierung und Präsentation der Waren so viel Wert gelegt wird, signalisiert den Kunden die Hochwertigkeit der Produkte.

Das Konzept von „Joseph – Brot vom Pheinsten“ greift einen internationalen Trend auf. In vielen Ländern gibt es schon seit einigen Jahren Bäckereien, die sich auf handwerklich hergestelltes Brot spezialisiert haben. Als besonders erfolgreiches Beispiel sei hier „Eric Kayser – artisan boulanger“ genannt. Das französische Unternehmen hat 1996 seine erste Filiale im Quartier Latin in Paris aufgesperrt und verfügt mittlerweile über eine hohe Filialdichte in französischen Städten und lizensierte Dependancen im arabischen Raum, in Asien, in Afrika sowie in Nord- und Südamerika (vgl. www.maison-kayser.com). Das Beispiel Joseph-Brot zeigt, dass auch eine Trendbeobachtung im internationalen Raum und eine entsprechende Adaptierung international erfolgreicher Konzepte an die lokalen Rahmenbedingungen erfolgsversprechend sein können.

Übertragbarkeit

Gab es nach dem zweiten Weltkrieg in Wien noch 700 Bäcker, so sind es heute noch rund 130 (vgl. Scheidl 2016, S. 63). „Joseph – Brot vom Pheinsten!“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit einer Nischenpositionierung auch in einem schwierigen Markt mit einem Neueintritt erfolgreich sein kann.

Voraussetzung dafür ist eine klare Vision davon, wofür das Unternehmen stehen soll. Joseph-Brot signalisiert den Kunden eindeutig, dass die Produkte höchste Qualität aufweisen, was auch einen entsprechend hohen Preis rechtfertigt. Diese eindeutige Premium-Positionierung lässt sich in einem städtischen Umfeld mit entsprechend vielen, auch kaufkräftigen Konsumenten im Einzugsgebiet besser umsetzen als im ländlichen Bereich.

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Wesentlich ist neben der eindeutigen Positionierung auch eine konsequente Umsetzung des Konzeptes. Die Liebe zum Detail, die sich bei Joseph darin zeigt, dass bis hin zum Tuch im Haar der Verkäuferinnen auch Kleinigkeiten wichtig genommen werden, und die Inszenierung der Produkte und Geschäfte, erhöhen die Preisbereitschaft der Kunden und sind damit eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg eines Premium-Anbieters.

Das Beispiel Joseph-Brot zeigt auch, wie man Trends im Konsumentenverhalten aufgreifen kann. Geschickt werden Bio-Konsum, Regionalität, Nachhaltigkeit, Slow-Food, Individualität, Retro-Trend, Authentizität, Coolness und Design zu einem stimmigen Erlebnis für den Konsumenten kombiniert.

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10 Empfehlungen für die Unterstützung der Nahversorgung

Auf Basis der Erkenntnisse der vorliegenden Untersuchung sollen im folgenden Kapitel Empfehlungen für die Unterstützung der Nahversorgung präsentiert werden. Prinzipiell hat die öffentliche Hand dazu folgende Möglichkeiten: die Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen (insbesondere der Raumplanung und Gewerbeordnung), die Sicherstellung von fairen Wettbewerbsbedingungen, die finanzielle Förderung und Beratung, den Aufbau eines Netzwerks sowie das Schaffen eines Bewusstseins für die Bedeutung der Nahversorgung in der Bevölkerung.

Rechtliche Rahmenbedingungen

So alt wie die Diskussion um die Nahversorgung ist auch die Debatte über wirtschaftspolitische Eingriffe zur Sicherung der Nahversorgung. Abgesehen von der Frage, inwieweit der Staat in das freie Spiel von Angebot und Nachfrage eingreifen soll, zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre, dass Gewerbe- und Wirtschaftsrecht stumpfe Waffen sind und die Dynamik der Wirtschaft und die Macht des Wettbewerbs sich immer wieder als stärker und effizienter erwiesen haben (Steindl 1997, o. S.).

In vielen europäischen Ländern ist sich die Wirtschaftspolitik der Nahversorgungsproblematik seit mehr als zwanzig Jahren bewusst. In den meisten Ländern hat man versucht, mit gesetzlichen Maßnahmen auf diese Situation zu reagieren. Die Erfahrungen zeigen aber in allen Ländern, dass der Gesetzgeber durch seine Eingriffe den Strukturwandel im Handel nicht aufhalten kann (vgl. BMVBS 2014, S. 155ff.; vgl. BMUB 2014, S. 44).

Da die Nahversorgung vom Verhalten der Konsumenten und unternehmerischen Entscheidungen der Händler abhängig ist, hat die Raumplanung nur geringe Einflussmöglichkeiten (vgl. BMVBS 2013, S. X). Der Gesetzgeber kann weder den Konsumenten vorschreiben, in welchen Geschäften sie einzukaufen haben, noch Unternehmer zwingen, sich an bestimmten Standorten niederzulassen. In einer freien Marktwirtschaft entscheiden die Konsumenten, welche Angebotsformen Erfolg haben.

Dazu kommt, dass Städte und Gemeinden, die vor der Frage stehen, ob sie die Ansiedlung von Betrieben verhindern sollen, die sich auf die

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bestehenden Nahversorgungsstrukturen negativ auswirken, oft mit einem Interessenskonflikt konfrontiert sind. Sie stehen mit benachbarten Gemeinden in einer Standortkonkurrenz und müssen befürchten, dass geplante Projekte, wenn nicht bei ihnen dann in einer Nachbargemeinde umgesetzt werden. In diesem Fall ergeben sich ähnlich negative Wirkungen für die Nahversorgung vor Ort, dazu kommt aber, dass Kaufkraft abfließt und Kommunalsteuereinnahmen verloren gehen. Der „Wettlauf um Kommunalsteuer“ stellt ein großes Problem dar.

Problematisch ist bei staatlichen Interventionen auch, dass sich nie mit genügender Sicherheit sagen lässt, ob diese auch die angepeilten Ziele erreichen. Eine Reihe von Regelungen hat in der Vergangenheit nicht nur die erwünschte Wirkung vermissen lassen, sondern sogar ungewollte Ergebnisse gebracht. Vor allem die Beschränkung des Flächenausmaßes von Einzelhandelsbetrieben hat dazu geführt, dass Handelskonzerne nicht mit großflächigen Verbrauchermärkten expandieren konnten, sondern auf kleinflächige Betriebstypen ausweichen mussten. Für den Mittelstand im Einzelhandel, der durch die Flächenrestriktionen ursprünglich geschützt werden sollte, stellen diese Betriebstypen jedoch eine größere Bedrohung dar als großflächige Verkaufsstellen (vgl. ILVD 1986, S. 20). Vor diesem Hintergrund ist auch die vom VfGH im Jahr 2000 aufgehobene Einkaufszentrenverordung kritisch zu betrachten. Dadurch, dass Projekte mit einer Gesamtverkaufsfläche von nicht mehr als 800 m² und einer Bruttogeschoßfläche von nicht mehr als 1.000 m² sowie Projekte in einem Stadt- und Ortskerngebiet von der Verordnung ausgenommen waren (vgl. BGBl. II Nr. 69/1998), wurde der Wettbewerb in diesem Bereich intensiviert.

Auch wenn die Aufhebung der Verordnung schon einige Zeit zurückliegt, schlagen sich deren Auswirkungen nach wie vor in der Struktur des österreichischen Einzelhandels nieder. Im Sinne des Lernens aus Fehlern kann die Einkaufszentrenverordnung als Beispiel dafür angeführt werden, dass wirtschaftspolitische Eingriffe auch langfristige Wirkungen entfalten.

Sicherstellung von fairen Wettbewerbsbedingungen

Dass die Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf die Struktur des Einzelhandels Auswirkungen hat, zeigt auch ein internationaler Vergleich. Die Unterschiede in der Bedeutung einzelner Betriebsformen sind nicht nur auf Topografie, Besiedelung, Konsumentenpräferenzen

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zurückzuführen, sondern auch das Ergebnis unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für die Genehmigung von Einzelhandelsbetrieben (vgl. Planet Retail 2015, S. 7). Konkret trifft das auch auf den Bereich der Nahversorgung zu, wo unterschiedliche Maßnahmen im Bereich der Nahversorgung bestehen (vgl. BMVBS 2013, S. 155)

Nicht zuletzt das Thema E-Commerce zeigt die eingeschränkten Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik auf. Nachdem rund die Hälfte der Internet-Ausgaben zu internationalen Einzelhandelsunternehmen bzw. zum Teil auch zu Markenherstellern fließen (vgl. KMU Forschung 2014a), entzieht sich der E-Commerce der kommunalen und nationalen politischen Steuerung. Auch wenn die Besteuerung der international tätigen Händler, wie Amazon, als wesentlicher wettbewerbsverzerrender Faktor wirkt, ist der Handlungsspielraum der österreichischen Interessensvertretungen und politischen Akteure auf nationaler Ebene beschränkt. Dazu ist anzumerken, dass in einigen Ländern bereits engagiert gegen diese Wettbewerbsverzerrung vorgegangen wird. Österreichisches Lobbying kann natürlich hilfreich sein, um eine internationale Lösung herbeizuführen. Ein gemeinsames Vorgehen auf europäischer Ebene sollte entschieden vorangetrieben werden.

Schließlich sind auch noch die Abhängigkeiten zwischen stationärem Handel und E-Commerce hinsichtlich wirtschaftspolitischer Beschränkungen anzudenken. Zu starke Restriktionen durch die Raumordnung für den stationären Handel könnten den Online-Handel fördern, der sich der Raumordnung entzieht.

Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen ist weiters festzuhalten, dass die starke Regulierungsdichte im Handel die Situation der Klein- und Mittelbetriebe häufig erschwert. Bereits 1997 kam der Ausschuss für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik des Europäischen Parlaments in seinem Bericht über das Grünbuch der Kommission „Handel“ zum Schluss, „dass die kleinen und mittleren Unternehmen im Handelssektor unverhältnismäßig unter Überregulierung aufgrund gemeinschaftlicher Richtlinien und Verordnungen sowie nationaler Vorschriften zu leiden haben“ und macht darauf aufmerksam, dass die „Überregulierung schädlich ist, da sie große Handelsunternehmen bevorzugt“ (Garosci 1997, S. 7).

Durch die 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung (vgl. BGBL II Nr. 80/2015) ist für Einzelhandelsbetriebe mit einer Betriebsfläche bis zu 200

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m2 bei Einhaltung der in der Verordnung definierter Betriebszeiten keine Betriebsanlagengenehmigung mehr erforderlich. Allerdings ist diesbezüglich festzuhalten, dass Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe von dieser Regelung explizit ausgeschlossen sind und die Betriebsfläche der meisten nahversorgungsrelevanten Geschäfte deutlich über 200 m² liegt. Diese Maßnahme kann daher nur als Anfang gesehen werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass jegliche wirtschaftspolitische Eingriffe im Hinblick auf ihre Wirkung auf KMU überprüft werden.

Förderungen

Mit dem Begriff der Förderungen wird in erster Linie die finanzielle Förderung verbunden. Wichtig ist bei einer monetären Unterstützung, dass die Mittel zweckgebunden ausgeschüttet werden: Im Mittelpunkt einer sinnvollen Förderung des Mittelstandes sollte keine globale Subventionierung stehen, sondern nur eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ (Dichtl 1981, S. 32). Ein Weg dazu sind Finanzierungshilfen für Investitionen (z.B. in Gebäude, Geräte oder die Erneuerung der Geschäftsausstattung). Auch Starthilfen und Zuschüsse für die Unternehmensgründung können eingesetzt werden. Allerdings zeigen Erfahrungen, dass es in der Regel erfolgsversprechender ist, noch bestehende Geschäfte zu fördern, als neue anzusiedeln, da hier auf existierende Strukturen und ein bestehendes Einzugsgebiet zurückgegriffen werden kann (vgl. BMVBS 2013, S. 214).

Weitere Möglichkeiten der finanziellen Förderung neben der Ausschüttung von Förderbeträgen liegen in der Gewährung von zinsgünstigen Krediten, Zinszuschüssen oder der Übernahme von Garantien und Bürgschaften.

In Österreich bestehen derzeit in allen Bundesländern mit Ausnahme des Burgenlandes Nahversorgungs-Förderungen (vgl. Anhang A). Die Förderungsdatenbank der WKO lässt eine gezielte Suche nach Förderungen zu. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt allerdings, dass Nahversorgungs-Förderungen zwar eine Starthilfe sein können, langfristig aber nur betriebswirtschaftlich tragbare Betriebstypen im Wettbewerb bestehen können. Das Ziel von Förderungen sollte es daher sein, langfristig selbständig tragfähige Angebote zu etablieren.

In einer Studie zur Nahversorgung in Deutschland schätzen auch die befragten Nahversorger selbst die Situation realistisch ein. Viele Befragte betonen, „dass eine Akzeptanz des Angebotes bei den Verbrauchern

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unbedingt erforderlich ist und dessen Fehlen nicht durch öffentliche Unterstützung kompensiert werden kann“ (BMVBS 2013, S. 214).

Beratung und Schulung

Nahversorgungseinrichtungen können nicht nur monetär, sondern auch durch Beratung unterstützt werden. Die Weitergabe von Informationen über Existenzbedingungen, mögliche Positionierungsstrategien sowie der Austausch von Best-Practice-Beispielen können für Händler hilfreich sein, um den eigenen Betriebstyp weiterzuentwickeln.

Da der Handel stark von lokalen Rahmenbedingungen abhängig ist, ist eine individuelle Beratung, welche die konkrete Situation des Händlers berücksichtigt, sinnvoll. Sie kann durch Gemeinden, Interessensvertretungen, aber auch Großhandelsbetriebe, die ein Interesse am Erfolg des Nahversorgungskonzeptes haben, erfolgen (vgl. BMUB 2014, S. 49).

Im ersten Schritt ist das Marktpotential realistisch einzuschätzen. Dabei sind die Kaufkraftbindung der lokalen Bevölkerung sowie Kaufkraftzuflüsse durch Pendler und Tourismus zu berechnen. Zudem gilt es zu klären, welche Unterstützung der Gemeinde und der Bevölkerung zu erwarten ist. Eine deutsche Befragung von Nahversorgern in ländlichen Gebieten (mit weniger als 5.000 Einwohnern) zeigt die hohe Bedeutung dieser Unterstützung. Ihr zu Folge hat rund die Hälfte einen Support durch die Gemeinde erfahren. Für wiederum 55 % von diesen Betrieben war die Unterstützung durch die Gemeinde sehr wichtig. Unterstützung durch die Bürger erhielten rund 40 %. Alle von diesen bezeichneten dies als sehr wichtig (86 %) oder wichtig (14 %) (vgl. BMVBS 2013, S. 94).

Das Ziel der Beratung sollte es sein, die betriebswirtschaftlichen Prozesse im Unternehmen zu optimieren und den Unternehmer bei Führungsaufgaben zu unterstützen. Vor allem bei wichtigen strategischen Entscheidungen (wie zum Beispiel großen Investitionen) sind kleine Händler oft überfordert. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bedeutung einer verantwortungsvollen Beratung hinzuweisen. Durch falsche Beratung können Händler in unsinnige Investitionen hineingehetzt werden, die dem Unternehmen nicht nur nicht helfen, sondern es unter Umständen schädigen.

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Beratungsleistungen können sich auch auf die Marktforschung beziehen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor eines Nahversorgungskonzeptes besteht darin, dass es den Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten gerecht wird. Händler zu schulen, diese systematisch zu analysieren und das Angebot entsprechend auszurichten, kann eine wesentliche Hilfe zur Selbsthilfe darstellen.

Während die Beratung nur beschränkt zum Aufbau von betriebsinternem Know-how führt, zielen Schulungsmaßnahmen auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fachwissen ab. Selbstredend sind die Inhalte an die Dynamik im Handel und die sich ändernden Herausforderungen anzupassen. Die im Zuge der Lehrlingsausbildung geplante Ausweitung des Ausbildungsprogramms auf den Online-Handel ist im Hinblick darauf zu begrüßen. Die Übernahme der Kosten für Seminare und Fortbildungsveranstaltungen ist ein wichtiger Ansatzpunkt zur Förderung.

Wie eng Beratung und Förderung beieinanderliegen, zeigt sich auch in der Tatsache, dass viele Nahversorger schlecht über die Förderungslandschaft informiert sind. Sie benötigen gezielte Information darüber, welche Förderungen beantragt werden können und welche Voraussetzungen für diese erfüllt sein müssen. Die High Level Group on Retail Competitiveness der Europäischen Kommission (vgl. 2015, S. 14) identifiziert den fehlenden Zugang zu Finanzierung und die mangelhafte Information über Förderungen als wesentliche Wettbewerbsnachteile der Klein- und Mittelbetriebe im Handel. Eine Informationsoffensive über die in den Ländern und auf Bundesebene bestehenden Beratungs- und Förderungsangebote (vgl. Anhang A) könnte hier ein wichtiger erster Schritt sein.

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Aufbau eines Netzwerks

In Anbetracht des gesellschaftlichen Interesses an einer funktionierenden Nahversorgung, insbesondere auch im Hinblick auf die alternde Bevölkerung und die drohende Landflucht (vgl. dazu ausführlicher Abschnitt 3.2), kann die öffentliche Hand auch die Kooperation kleinerer Geschäfte fördern. Gemeinden, Länder oder Interessensvertretungen können ein Netzwerk für den Erfahrungsaustausch aufbauen (siehe dazu das in Abschnitt 9.1. dargestellte Beispiel Bistrot de Pays). Auch hinsichtlich der gemeinsamen Vermarktung oder beim Zusammenschluss zu Einkaufsgemeinschaften kann eine Hilfestellung erfolgen.

Information der Konsumenten/Schaffen eines Bewusstseins

In den letzten Jahren gab es in den meisten europäischen Ländern von Berufsverbänden, Einkaufsgesellschaften, Konsumentenschutzverbänden und staatlichen Institutionen Initiativen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit.

Dass bei den Konsumenten ein Bewusstsein für die schwierige Situation des stationären Handels im Bereich Nahversorgung besteht (vgl. Abschnitt 6.2), bedeutet allerdings noch nicht, dass die Konsumenten auch ihr Verhalten anpassen. Sie von der Bedeutung der Kaufkraftbindung vor Ort zu überzeugen, ist wesentlich einfacher, als sie dazu zu bewegen, tatsächlich vermehrt lokale Einzelhandelsangebote zu nutzen.

Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass es nicht erfolgreich ist, mit der moralischen Keule alleine vorzugehen. Der Kunde orientiert sein eigenes Verhalten in erster Linie am eigenen Nutzen. Aufgabe der Information der Konsumenten sollte es daher sein, aufzuzeigen, welchen konkreten Nutzen sie aus einer funktionierenden Nahversorgung ziehen können. Die Konsumenten müssen wissen, dass sie mit ihrer Einkaufsentscheidung gegen den Nahversorger langfristig dazu beitragen, dass diese Geschäfte schließen müssen und dann auch für Ergänzungseinkäufe nicht mehr aufgesucht werden können. Ist dies den Konsumenten bewusst, so können sie abwägen, was ihnen die Nahversorgung wert ist. Bislang tritt immer wieder der Effekt auf, dass die Konsumenten erst nachdem der Nahversorger schließen musste, die Problematik erkennen und aktiv werden.

Wichtig ist dabei natürlich, dass hinsichtlich der Vorteile der Nahversorgung nicht nur deren langfristiger Nutzen thematisiert wird, sondern die

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Einzelhandelsgeschäfte selbst so attraktiv gestaltet sind, dass sie für die Kunden auch einen kurzfristigen Nutzen stiften. Viele Verbraucher empfinden Nahversorgungsgeschäfte als nicht modern und verstaubt. Wo dies zutrifft, wird keine Informationskampagne eine Verhaltensänderung der Konsumenten bewirken. Das Image der traditionellen Nahversorger kann daher nur verbessert werden, wenn die Geschäfte halten, was die Öffentlichkeitsarbeit verspricht.

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11 Conclusio und Ausblick Zusammenfassend soll nochmals auf die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Nahversorgung hingewiesen werden. Neben der offensichtlichen Funktion der Versorgung der Bevölkerung mit Waren in räumlicher Nähe, kommt den Nahversorgern auch eine soziale Bedeutung zu. Der Handel ist Dorf- und Marktplatz und Mittelpunkt des sozialen Zusammenlebens der Bevölkerung. Im heutzutage anonymen Einkaufen im großen Supermärkten, Diskontern und Verbrauchermärkten ist die Funktion der Ansprechperson des Händlers teilweise verlorengegangen, welche besonders in einer alternden Gesellschaft eine große Rolle spielt. Nahversorgung betrifft nicht nur die Versorgung mit Frischwaren, sondern auch mit Serviceleistungen. Der Einzelhandel trägt wesentlich zur Belebung der lokalen Infrastruktur bei.

Diese Funktion ist nicht auf ländliche Umgebungen beschränkt. Auch in städtischen Lagen ist die Versorgungssituation ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität von und für den sozialen Zusammenhalt in einer Wohnumgebung. Der Handel übernimmt sozusagen auch die Funktion eines „Landschaftspflegers der Stadt“ (Schnedlitz et al. 1996, S. 42). Darüber hinaus hat die Nahversorgungssituation Konsequenzen für die Kaufkraftbindung, die wirtschaftliche Lage und den Arbeitsmarkt. Nahversorgung ist damit auch ein wesentlicher ökonomischer Faktor.

Verschärfung des Wettbewerbs

Der österreichische Einzelhandel hat in den vergangenen Jahrzehnten einen umfangreichen Strukturwandel durchlaufen. Die zunehmende Filialisierung, die Internationalisierung, die Konzentration von Verkaufsfläche und Marktmacht sowie die Verlagerung von Einzelhandelsstandorten in Einkaufszentren und auf die grüne Wiese sind Entwicklungen, welche die Nahversorgungssituation und den Wettbewerb im Einzelhandel entscheidend verändert haben.

Verschärft wird der Wandel im Handel auch durch die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und das Auftreten neuer Wettbewerber durch E-Commerce. Auch wenn die Umsätze des Online-Handels derzeit noch überschaubar sind, ist die Befürchtung groß, dass eine wachsende Verbreitung des E-Commerce den Strukturwandel weiter vorantreiben wird. „Neben den Standortkategorien Innenstadt und grüne

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Wiese wirkt der Online-Handel wie eine zusätzliche Standortkategorie, als ein ‚virtueller Standort‘“ (BBSR 2016, o. S.).

Sicherstellung von fairen Wettbewerbsbedingungen

Die weitreichenden Änderungen im Handel und in der Form der Distributionskanäle erfordern eine noch sorgsamere Beachtung und Sicherung eines fairen Wettbewerbs. Im globalen Wettbewerb stehen die nationalen Unternehmen oft mit multinationalen Unternehmen in Konkurrenz. Die Sicherstellung von fairen Wettbewerbsbedingungen ist eine wesentliche Aufgabe des Gesetzgebers.

Neudefinition von Nahversorgung

Es sind die Konsumenten, die mit ihrem Verhalten über das Angebot im Einzelhandel entscheiden. Sie stimmen mit ihrer Geldbörse ab, in welchen Einkaufsstätten sie welche Produkte zu welchen Preisen kaufen möchten. Letztlich war es auch das Verhalten der Endkonsumenten, die großflächigen Betriebsformen und Diskontern den Vorzug gegeben haben, das die Filialisierung und Konzentration im Einzelhandel vorangetrieben hat. Die erfolglosen Ansätze zur Bewahrung der traditionellen Nahversorger (Stichwort „Greißlersterben“) zeigen, dass wirtschaftspolitische Eingriffe ohne Wirkung bleiben, wenn ihnen die Konsumentenpräferenzen entgegenlaufen. Letztlich hat der Markt das Thema Nahversorgung neu definiert.

Dem Konsumentenverhalten kommt damit eine zentrale Bedeutung in der Nahversorgungsdiskussion zu. Letztlich entscheidet der Verbraucher nicht nur, ob bzw. wie gut er sich (nah-)versorgt fühlt, sondern entscheidet darüber hinaus mit seiner Kaufkraft darüber, welche Einzelhandelskonzepte (offline wie online) erfolgreich sind. Dabei spielen subjektive Präferenzen der Konsumenten eine große Rolle, sind doch sowohl der Begriff der Nähe als auch jener der Versorgung stark subjektiv geprägt. Mobilität und subjektive Versorgungsansprüche machen es unmöglich, objektiv zu definieren, wann Nahversorgung gegeben ist und wann nicht.

Der Nahversorgungsbegriff taucht in der Öffentlichkeit in sehr unterschiedlichem Kontext auf: Es wird von Nahversorgung gesprochen, wenn es um die Grundversorgung der ländlichen Bevölkerung geht. Auch im Zuge der Diskussion um eine attraktive Gestaltung der Stadtzentren ist die Nahversorgung gefragt, und schließlich wird die Nahversorgung auch im

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Zusammenhang mit dem Überlebenskampf des kleinen, selbständigen Handels immer wieder thematisiert.

Oft ist dabei nicht klar, welche Unternehmen als Nahversorger zu bezeichnen sind. Während viele beim Nahversorger nach wie vor an das kleine, selbständige Geschäft an der Ecke denken, sieht die Realität in Österreich anders aus: Nahversorgung wird im Bereich der Lebensmittel und anderen Waren des täglichen Bedarfs in der Regel von filialisierten Supermärkten und Diskontern übernommen. In dieser Branche liegt der Filialisierungsgrad bei rund 90 %.

Erfordernis einer differenzierten Betrachtung der Nahversorgung

Die Forderung nach Nahversorgung wird nicht nur bei Waren des täglichen Bedarfs formuliert, sondern auch bei a-periodisch gekauften Warengruppen (wie Büchern, Bekleidung, etc). Diese Vermischung unterschiedlicher Branchen ist problematisch. Das Einkaufsverhalten bei Waren des täglichen Bedarfs lässt sich nicht seriös mit dem Einkaufsverhalten bei Waren des gelegentlichen Bedarfs vergleichen. So herrschen beim Versorgungskauf in der Regel andere Konsummotive (Convenience, Smart-Shopping, One-Stop-Shopping, etc.) vor als beim Kauf von Produkten, bei denen die Notwendigkeit der unmittelbaren Bedarfsdeckung nicht im Vordergrund steht (Einkauf als Freizeitgestaltung, hedonistische Konsummotive, Vielfalt, Abwechslung, etc.).

Auch hinsichtlich der räumlichen Rahmenbedingungen ist unbedingt zwischen Nahversorgung in ländlichen Regionen und Nahversorgung im städtischen Bereich zu differenzieren. Die Unterversorgung der nicht-mobilen Bevölkerung im ländlichen Raum mit Leerständen in Städten in einen Topf zu werfen, ist verwirrend und unzulässig. Bei einer undifferenzierten Betrachtung ist es nicht möglich Lösungsansätze zu finden.

Wenn die Konsumenten darüber entscheiden, wie sie sich eine Versorgung bzw. Nahversorgung vorstellen, sollten alle Positionierungskonzepte zunächst bei den Motiven der Konsumenten ansetzen, die einerseits nach Convenience streben und andererseits Erlebnis wollen. Insofern ist bei der Gestaltung der Zukunft des Handels zu bedenken, dass das Spannungsfeld zwischen Habitualisierung sowie Abwechslung und Spannung („Variety-Seeking-Behaviour“) aufrechterhalten wird. Angesagte Revolutionen finden häufig deshalb nicht statt, weil sich Kunden an bestehende Angebote

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gewöhnt haben und ihr Verhalten nicht ändern. Andererseits muss der Handel neugierig machen.

Folgende Rahmenbedingungen sind dabei für Österreich besonders bedeutend:

Große Ladendichte – vor allem im Lebensmittelbereich

Innerhalb der rund 5.500 Geschäfte im Lebensmitteleinzelhandel dominieren vor allem die Supermärkte zwischen 400 und 1000 m² Verkaufsfläche. Hypermärkte jenseits der 2.500 m² sind in Österreich selten. Kleine Geschäfte mit weniger als 250 m² sind in den letzten Jahren weitgehend verschwunden. Die Österreichkarte belegt, dass mit Ausnahme der hohen Gebirgsregionen und einiger dünn besiedelter Gebiete kaum Nahversorgungsprobleme bestehen (vgl. die Grafik 2).

Österreich kann somit eher als „overstored“ als unversorgt bezeichnet werden. Dies führt dazu, dass die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen (Umsatz pro Mitarbeiter, Flächenproduktivität, Betriebs- und Personalkosten, Einstandspreise) etwa im Vergleich zu Deutschland schlechter liegen. Dies macht Österreich anfällig für Insolvenzen und Geschäftsübernahmen. Generell muss aufgrund mehrerer WU-Studien festgehalten werden, dass die österreichischen Händler zu wenig mit Kennzahlen arbeiten. Dies führt dazu, dass der Wareneinsatz nach oben entgleitet und die Personalkosten die relevante Schwelle für den Facheinzelhandel von 20 % überschreiten. Am Ende der Kalkulation stehen dann 1-3 % Umsatzrendite.

Dos and Don’ts im Cross-Channel-Marketing

Unter den geänderten Wettbewerbsbedingungen herrschen neue Spielregeln. Die Kenntnis der wichtigsten Dos and Don’ts im Cross-Channel-Marketing ist daher wesentlich. Die Customer Journey (d.h. der gesamte Kaufentscheidungsprozess) sollte über alle Kanäle und Kundenkontaktpunkte (Touchpoints) hinweg kompetent betreut werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es keinen „Königsweg“ im Cross-Channel-Marketing gibt und es wesentlich ist, die Aktivitäten intelligent miteinander zu vernetzen.

Im Wesentlichen geht es darum, den Kunden über den gesamten Kaufentscheidungsprozess zu begleiten. Konkret bezieht sich diese Begleitung auf eine Kaufberatung, die über kurzfristige Umsatzziele

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hinausgeht. Dies bedeutet aber auch, mit dem Kunden auch nach dem Kauf im Kontakt zu bleiben, ihm Feedback-Möglichkeiten anzubieten (Bewertungen, Umfragen, Social Media) und ihn zum richtigen Zeitpunkt zu einem Wiederkauf zu animieren (BITKOM 2015, S. 10).

Beratung muss der Handel dort bieten, wo sich Kunden beraten lassen wollen. Im Internet-Zeitalter ist damit Online- und Offline-Beratung zu einem Gesamtkonzept zu verknüpfen. Online wie offline muss der Handel Alternativen bieten, Vorschläge unterbreiten und Ergänzungsprodukte, die für den Handel Zusatzumsatz generieren, aufzeigen.

Hinsichtlich der Don’ts gilt es zu vermeiden, Kunden mit Versprechungen zu werben, die nicht eingehalten werden können (z.B. auch bei der Produktverfügbarkeit oder den Lieferzusagen). Ein weiteres Don’t ist eine Online-Präsenz, die den Anforderungen an Usability, Visability und Functionality nicht gerecht wird. Als Beispiele seien unübersichtliche Web-Sites, eingeschränkte Funktionalitäten, unnötige Registrierungsprozesse, nicht gerechtfertigte Gebühren, nicht für Mobilgeräte optimierte Seiten und Abweichungen zwischen Online- und Offline-Informationen genannt (BITKOM 2015, S. 10).

Es wird empfohlen, dass eine Informationsoffensive zum Einzelhandel mit positiven Leuchtturmprojekten gestartet wird:

Projektvorschlag 1: Einrichtung eines Kompetenzzentrums Nahversorgung und Ausschreibung eines Preises „Innovative Nahversorgung“

Ausgehend davon, dass Best-Practice-Beispiele auch unter Berücksichtigung individueller Rahmenbedingungen wesentliche Impulse für andere Händler geben können, wäre es sinnvoll, erfolgreiche Nahversorgungskonzepte mit einem Preis zu belohnen.

Dazu soll ein Kompetenzzentrum Nahversorgung eingerichtet werden, das einen Erfahrungsaustausch zwischen Interessensvertretungen, Wissenschaft und Händlern zum Thema fördert. Gemeinsam wird ein Kriterienkatalog ausgearbeitet, der festlegt, welche Innovationen im Bereich Nahversorgung Impulse im Sinne eines Benchmarking bieten können. Denkbar sind Innovationen aus den Bereichen Distribution, Informations- und Kommunikationstechnologie, neue Medien, E-Mobilität, regionale Kooperationen und Plattformen, Cross-Channeling etc.

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In weiterer Folge soll ein Nahversorgungspreis ins Leben gerufen werden. Von einer Jury werden intelligente Modelle für die Nahversorgung ausgezeichnet.

Denkbar wären wechselnde thematische Schwerpunkte. Zum Beispiel könnten in einem Jahr konkrete Vorschläge zur Entwicklung kommunaler Nahversorgungszentren gesucht werden. Der Fokus sollte auf Ideen zur multifunktonalen Nutzung von Flächen und Bündelung von Gastronomie, Daseinsvorsorge, Serviceeinrichtungen und Handel liegen. Ein weiterer Jahresschwerpunkt könnte auf die Entwicklung von Vermarktungskonzepten abzielen.

Projektvorschlag 2: Angebot von Tool-Kits für Cross-Channeling und Service

Cross-Channel-Aktivitäten sind sehr branchenspezifisch. Viele Bausteine des Cross-Channel-Marketings haben sich jedoch schon bewährt (beispielsweise Suchmaschinenmarketing, Responsive-Website, Apps). Die Digitalisierungsoffensive der österreichischen Bundesregierung muss am Point-of-Sale für die Kunden sichtbar werden. Über Schulung und Beratung sollen Konzepte greifbar werden und Berührungsängste mit neuer Technologie abgebaut werden.

Um die Kunden an jedem Kontaktpunkt mit den richtigen Informationen oder dem passenden Angebot zu versorgen, ist der intelligente Umgang mit Kundeninformationen (z.B. aus Loyalitätsprogrammen und Kundenkarten) besonders wichtig. Erfolglose Projekte, die auf dem Kundenkartenfriedhof gelandet sind, gibt es zur Genüge. Gerade in diesem Bereich der Customer-Centric-Services hat es Amazon zu hoher Professionalität gebracht. Man kann es wollen oder nicht wollen, Amazon setzt im Bereich Kundennähe, Professionalität des Verkaufsgesprächs und Service neue Maßstäbe. Der stationäre Handel steht vor der Herausforderung, dabei mitzuhalten und durch den unmittelbaren Kundenkontakt zu punkten (vgl. Abschnitt 8.2).

In diesem Zusammenhang wäre auch der Aufbau eines Netzwerks zum Erfahrungsaustausch und einer Broschüre mit Best-Practice-Beispielen anzudenken. Für die Umsetzung könnten den einzelnen Händlern in der ersten Phase zusammenfassende Checklisten und Tool-Kits zur Verfügung gestellt werden. Finanzielle Aufwendungen für diese Initiative erscheinen insofern als sinnvolle Investitionen zur Förderung von KMU, als sie im

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Gegensatz zu einer laufenden Förderung als Hilfe zur Selbsthilfe gesehen werden können.

Projektvorschlag 3: „Wir sind schneller als der Versandhandel!“

Dieses Projekt wird in Wien und in den Landeshauptstädten auf der Grundlage von kleinteiliger Citylogistik mit dem Rad gestartet. In einem Wettbewerb soll die effektivste und effizienteste Last-Mile-Lösung von einer Expertenjury prämiert werden. Lokale Händler könnten sich mit ihren Logistik-Lösungsansätzen beteiligen und diese auf einer Internet-Plattform als Best-Practice einreichen. Dies könnte ihre Bekanntheit steigern und ein innovatives, modernes Image der Händler vermitteln. Dieses Projekt dient vor allem dazu, die Händler aus der fatalistischen Position gegenüber dem Versandhandel in eine aktive Verwertung von E-Commerce zu bringen. Nebeneffekte sind der Know-how-Aufbau und die realistische Beurteilung des Internets. Nicht zu vergessen ist der permanente Hinweis darauf, dass mit Bestellungen bei Amazon und Co. die Kaufkraft vollständig ins Ausland abfließt. Im Kern geht es bei diesem Projektvorschlag darum, den stationären Handel dazu zu motivieren, sich mit innovativen Zustelllösungen auseinanderzusetzen und im Wettbewerb mit dem Versandhandel eine pro-aktive Rolle einzunehmen.

Im Handelsgeschäft sind Zeit/Geschwindigkeit auf der einen Seite und Kleinteiligkeit auf der anderen Seite entscheidende Kriterien. Diese Mikrologistik stellt in der Zukunft nicht nur auf der letzten Meile die zentrale Größe in der Auseinandersetzung der globalisierten Anbieter dar. Der mehrstufige Handel, der derzeit die Handelslandschaft mit Ausnahme des Lebensmittelhandels prägt, ist nicht zufällig entstanden. Die räumliche Nähe zu den Geschäften ermöglicht eine rasche Versorgung mit nachgefragten Produkten, sie ist aber auch prädestiniert für die Distribution von Haushaltsmengen. Dies ist der Grund dafür, dass der stationäre Handel in den letzten 50 Jahren zum Marktplatz (Ort für den Warenaustausch) und Dorfplatz (Ort der sozialen Begegnung) geworden ist.

Die Motorisierung und die Selbstbedienung haben allerdings dazu geführt, dass immer mehr Betriebe auf der grünen Wiese entstanden sind. Vor allem bei Frischeprodukten sind kurze Lieferdistanzen unabdingbar. Selbst die führenden Diskonter müssen in Österreich eine Reihe von Frischelägern errichten, um diese heiklen Sortimente in der erwarteten Qualität zu den Kunden zu bringen. Auch ist die Lieferung von Frischwaren durch einen

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Online-Händler aus einem Zentrallager vollkommen unrealistisch. Die zusätzliche Errichtung von Lägern würde allerdings die bisher bestehenden Kostenvorteile verringern. Dies deutet darauf hin, dass es zu einer Konvergenz der Vertriebsstruktur der großen E-Commerce-Anbieter im Vergleich zum bestehenden Handel kommen wird, falls diese die äußerst problematischen Sortimente im Frischebereich anbieten wollen. Konkret bedeutet das, dass Amazon Frischeartikel (im Falle eines Markteintritts von Amazon Fresh in Österreich) nur in Kooperation mit bestehenden Distributeuren zu den Haushalten bringen könnte.

Ähnlich ist die Situation im Textil-Online-Handel in einem ganz anderen Sortimentsbereich. Eine 2-Stunden-Lieferung einer Online-Bestellung, wie sie von Zalando in Berlin derzeit angeboten wird, ist nur dann realisierbar, wenn das bestehende Händlernetzwerk dafür genutzt wird, um die letzte Meile zu überwinden. Das Horrorszenario dazu: Selbständige Händler werden zu Lagerarbeitern und Auslieferern degradiert, die zur Abdeckung der Kosten nicht 100 % Handelsspanne lukrieren, sondern 5 Euro Pauschalabgeltung.

In Vier-Augen-Gesprächen werden immer wieder Beispiele genannt, wie Amazon die Marktmacht missbraucht. Der Kern der Geschäftstätigkeit ist längst nicht mehr die Handelstätigkeit, sondern das Angebot einer Plattform für Händler mit einer Provision von zumindest 15 %. Sieht man, dass die Abverkaufszahlen eines Produktes besonders erfolgreich sind, kündigt man den Vertrag und macht das Geschäft selbst.

Steigt die Marktmacht von Amazon tatsächlich in die mancherorts prognostizierte Höhe und entsteht in vielen Bereichen ein Welt-Oligopol, ist nicht zu erwarten, dass in Österreich aus eigenen Stücken ein Filialnetz errichtet wird. Die Übernahme eines bestehenden Marktführers ist in diesem Fall viel wahrscheinlicher und die Marktmacht würde ins Unermessliche steigen. Das Zukunftsszenario für den Handel berührt somit nicht nur betriebswirtschaftliche und psychologische Faktoren.

Ganz entscheidend wird die Frage sein, ob es gelingt, ein international und global wirksames Kartellrecht umzusetzen und Steuervermeidung abzustrafen. Auch wenn diese Themen von der Europäischen Kommission bereits aufgegriffen wurden, sind konkrete Ergebnisse abzuwarten.

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Anhang A – Förderungen Wien

Nahversorgung – Förderung Kleinstunternehmen

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/w/Nahversorgung_2015.html

Nahversorgung Fokus-Förderung innovativer Wiener Handwerks-unternehmen mit weniger als 30 Mitarbeitern in definierten Nahversorgungsbranchen

https://wirtschaftsagentur.at/foerderungen/programme/nahversorgung-fokus-11/

Geschäftsbelebung - Raum für Neues - Förderung für bauliche Investitionen von kleinen und mittleren Wiener Unternehmen

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/w/WA_Wien_Geschaeftsbelebung_Raum_fuer_Neues.html

Niederösterreich

Niederösterreichische Landesinvestitionsförderung Nahversorgung Investitionen in Anlagegüter in der Höhe von 10.000 – 750.000 Euro

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/noe/Niederoesterreichische-Landesinvestitionsfoerderung-Nahvers.html

Niederösterreichische Nahversorgungsförderung Betriebsmittel

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/noe/Niederoesterreichische-Nahversorgungsfoerderung.html

Burgenland

Keine Förderung

Kärnten

Investitions-förderung mit Innen und Außenfinanzierung Programm des Kärntner Wirtschaftsförderungs-fonds (KWF)

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/k/Kaernten:-Investitionsfoerderung-mit-Aussenfinanzierung.html

Investitionsscheck für Kleinstunternehmer Programm des Kärtner Wirtschaftförderungsfonds (KWF)

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/k/Kaernten:-Investitionsscheck.html

Investitionsförderung Programm des Kärtner Wirtschaftförderungsfonds (KWF)

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/k/Kaernten:-Investitionsfoerderung-.html

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Steiermark

Lebens!Nah-Förderung für die Verbesserung der Nahversorgung

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/st/Steiermark__Lebens_Nah-Foerderung_fuer_die_Verbess.html

Oberösterreich

Nahversorgungsprogramm

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/ooe/Oberoesterreich__Nahversorgungsprogramm.html

Salzburg

Salzburger Lebensmittel-Nahversorungs-Programm Förderung für Unternehmen mit maximal zehn Betriebsstätten

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/s/Salzburger_Lebensmittel-Nahversorgungs-Programm.html

Vorarlberg

VLBG Förderung der Lebensmittel-Nahversorgung, Land Vorarlberg

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/v/Foerderung_der_Lebensmittel-Nahversorgung__Land_Vora.html

Tirol

Nahversorungsförderung

https://www.wko.at/Content.Node/Service/Unternehmensfuehrung--Finanzierung-und-Foerderungen/Foerderungen/Foerderdatenbank---Foerderungen/t/Tiroler_Nahversorgungsfoerderung1.html

WKÖ Bundessparte Handel

Der österreichische Lebensmittelhandel auf einen Blick Neuer Folder „Der österreichische Lebensmittelhandel auf einen Blick“ präsentiert

https:// www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/ Lebensmittelhandel/Folder.pdf

Broschüre Nahversorgung „Wir leben, wo wir kaufen – Wir kaufen, wo wir leben“

https:// www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/Privat-Straf-Gewerberecht/NV-Broschüre-Forderungen-komplett.pdf

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AMA – Agrarmarkt Austria GesmbH. (2016): RollAMA 2015: 140 Euro für Frischeprodukte pro Monat. Online im Internet unter: https://amainfo.at/presse/pressemitteilungen/ (25.03.2016)

A.T. Kearney (2013): Online-Food-Retailing: Ein Markt im Aufschwung. Düsseldorf

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BMLFUW (2014): Lebensmittel in Österreich: Zahlen-Daten-Fakten 2013. Wien

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BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2013): Nahversorgung in ländlichen Räumen. BMVBS-Online-Publikation 02/2013. O.E.

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Cerha, Cordula (1999): Nahversorger im Lebensmitteleinzelhandel. Situationsanalyse und Ansätze für eine Neupositionierung. Dissertation an der Wirtschaftsuniversität Wien. Wien

CIMA Beratung + Management GmbH (2009): CIMA‐Monitor 2009: Was zeichnet eine attraktive Innenstadt aus? Online im Internet unter: http://www.heuer-dialog.de/files/2010/10240/CIMA_Monitor_2009.pdf (26.2.2016)

CIMA Beratung + Management GmbH (2014): Nahversorgung 2.0 – An- und Herausforderungen für moderne Nahversorgung. Unterlage zum Vortrag von Mag. Roland Murauer im Rahmen des 5. f.eh. Symposiums „Demografische Revolution: Reifeprüfung auf dem Teller“ am 26. Juni 2014 im Veranstaltungszentraum Schönbrunn /Wien

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