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Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung 5.2017 Elektro Feinmechanik Präventionspreis 2018 Neue Ideen gefragt 14 Unfallverhütung Warum Sicherheit im Betrieb eine Präventionskultur braucht 8 Evaluation der DGUV Vorschriſt 2 Messbare Fortschritte 26 Berufskrankheiten Wie die BG ETEM prüſt, ob der Job Beschäſtigte krank gemacht hat

Neue Ideen g efragt - BG ETEM...4 Zahlen, Fakten, Angebote Meldungen und Meinungen . 8 Evaluation der DGUV Vorschrift 2 Messbare Fortschritte. 12 Fehlerkultur Lernen von Abweichungen

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  • Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung

    5.2017

    Elektro Feinmechanik

    em1705e_f-s01.indd 1 14.09.17 07:47

    Präventionspreis 2018

    Neue Ideen g efragt

    14 Unfallverhütung Warum Sicherheit im Betrieb eine Präventionskultur braucht

    8 Evaluation der DGUV Vorschrift 2 Messbare Fortschritte

    26 Berufskrankheiten Wie die BG ETEM prüft, ob der Job Beschäftigte krank gemacht hat

  • →em1705e_f-s02-03.indd 2 14.09.17 07:48

    editorial

    Alle für ein Ziel

    Bernd Offermanns Geschäftsführer

    Wie funktioniert der Arbeitsschutz in der Praxis? Wie werden zentrale Vorschriften im betrieblichen Alltag umgesetzt? Um das herauszufinden, wird die DGUV Vor-schrift 2 in der Praxis geprüft. Dazu hat der Dachverband der Berufsgenossenschaften im zweiten Halbjahr 2016 die am Arbeitsschutz Beteiligten – Unternehmen, Fach-kräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte, Arbeitsschutz-behörden und Unfallversicherungsträger – zu ihren Er-fahrungen mit der DGUV Vorschrift 2 befragt.

    Über die Ergebnisse berichten wir ausführlich ab Seite 8. Doch eines vorweg: Ein großer Teil der Arbeitsschutz- Profis unterschiedlicher Profession bewertet ihre inter-disziplinäre Zusammenarbeit als gut. Eine insgesamt positive Entwicklung.

    Wenn Beschäftigte trotz aller Präventionsbemühungen krank werden und der Verdacht einer Berufskrankheit im Raum steht, sind viele zunächst ratlos: Wer meldet das der Berufsgenossenschaft? Was passiert dann? Ab Seite 26 finden Sie einen Überblick über vier zentrale Schritte in solchen Fällen. Und wenn dann noch Fragen offen sind – wir von der BG ETEM sind immer für Sie da.

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    3etem 05.2017

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    inhalt

    8Titelthema Viel Lob erntete eine umfangreiche Untersuchung zur DGUV Vorschrift 2 („Betriebsärzte und Fachkräfte für Ar-beitssicherheit“). Sie lieferte aber auch Hinweise zu möglichen Verbesserungen.

    28Auslandsunfall

    Auch im Ausland sind Beschäftigte von BG ETEM-Mit-

    gliedsunternehmen bei einem Unfall abgesichert. Ge-meinsam mit der

    DRK assistance sorgt die BG ETEM

    dafür, dass Ver- letzte sicher nach

    Hause kommen.

    22Kamerabewegungssysteme Der Einsatz von Kamerabewegungssystemen ist mit erheblichen Gefährdungen verbunden. Beschäftigte am Set müssen bereits vor der ersten Klappe wissen, wo Risiken lauern.

    kompakt 4 Zahlen, Fakten, Angebote

    Meldungen und Meinungen

    mensch & arbeit 8 Evaluation der DGUV Vorschrift 2

    Messbare Fortschritte

    12 Fehlerkultur Lernen von Abweichungen

    14 Unfälle trotz Gefährdungs- beurteilung Nur wenn alle mitziehen, wird es sicher

    17 Präventionspreis 2018 Gewinn auf ganzer Linie

    betrieb & praxis 18 Laser-Strahlschmelzen

    und Laser-Sintern Auf den Partikel kommt es an: Sicherer Umgang mit Pulverstaub

    20 Elektrofachkraft im Betrieb Qualifikation feststellen

    22 Kamerabewegungssysteme Scharfer Schwenk? Aber sicher!

    25 Praxisbeispiel Mehr Zeit für Arbeitsschutz

    gesundheit 26 Berufskrankheiten

    Wenn der Job krank macht

    service 28 Arbeitsunfall im Ausland

    Wir holen Sie nach Hause

    29 Unfallversicherungsschutz im Ausland Grenzenlos gesichert

    30 Impressum

    31 Webangebot erweitert Gemeinsam zu gesunden Arbeits- bedingungen

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    kompakt

    Vortragsveranstaltung Elektrotechnik

    Neues zur Elektromobilität Es ist wieder so weit: Die Planungen für die 19. Vortragsveran-staltung ELEKTROTECHNIK am 12. und 13. Juni 2018 im Kongress Palais Kassel sind bereits im vollen Gange. Die Veranstaltungs-reihe der BG ETEM bietet ein umfassendes Informationsangebot im Themenfeld „Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Elektrotechnik“. Im Rahmen der 19. Vortragsveranstaltung stehen unter anderem Neuerungen in den Themenkomplexen „Elektrische Gefährdun-gen“, „Elektrische Prüfungen“ und „E-Mobilität“ im Fokus. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Prüfung von elektrischen An-lagen und Betriebsmitteln sein. Dabei sollen organisatorische Anforderungen sowie die Durchführung der Prüfungen näher er-läutert werden. Das Thema Gleichstrom wird immer wichtiger.

    Daher werden auch neue Erkenntnisse aus dem Bereich der Elektromobilität und zum DC-Störlichtbogen betrachtet. Die Teilnahmegebühr beträgt 300 Euro.

    info www.bgetem.de, Webcode 17678995 E-Mail: [email protected] Telefon: 0221 3778-6190.

    26%der Autofahrerinnen und Autofahrer sind schon einmal hinter dem Steuer eingeschlafen. Das hat eine Umfrage des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) ergeben. Die Gefahr dabei: Wer kurz einnickt, legt bei 100 km/h binnen drei Sekunden über 80 Me-ter im Blindflug zurück. „In dieser kurzen Zeit können ein schwerer Unfall verursacht und Menschenleben gefährdet werden“, warnt DVR-Geschäftsführerin Ute Hammer. Häufige Gründe für Müdigkeit am Steuer: Schlafmangel vor und zu wenig Pausen während Autofahrten. Auch Medikamente können das Risiko erhöhen. Wer erste Anzeichen von Müdigkeit wie häufiges Gähnen und schwere Augenlider oder andere Ein-schränkungen wie Schlappheit oder Benommenheit verspürt, sollte dringend eine Pause einlegen. Diese sollte mit etwas Bewegung zur Kreislaufaktivierung oder bestenfalls mit einem Kurzschlaf von 10 bis 20 Minuten kombiniert werden.

    info www.dvr.de/vorsicht-sekundenschlaf

    Jahresbericht zum Download

    Der Jahresbericht der BG ETEM enthält auf 64 Seiten alle wichti-gen Kennzahlen der Berufsgenossen-schaft. Zu den dies-jährigen Schwer-

    punktthemen gehören die Integration junger Flüchtlinge ebenso wie Ange-bote der BG ETEM zur Prävention 4.0, zu Arbeitsschutz-Management- Systemen auch für kleine und mittlere Unternehmen sowie die Vorteile durch die Einführung des digitalen Lohn-nachweises. Der Jahresbericht wird ausschließlich auf der Website der BG ETEM zum Download angeboten.

    info www.bgetem.de, Webcode 12613165

    www.bgetem.de/presse-aktuelles/termine/19-vortragsveranstaltung-elektrotechnikmailto:[email protected]://www.dvr.de/site.aspx?url=/html/aktionen/vorsicht-sekundenschlaf.htmhttp://www.bgetem.de/medien-service/jahresbericht/jahresbericht-2016

  • Risiko checken und gewinnen

    5etem 05.2017

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    Das Wetter steht im Mittelpunkt der dies-jährigen Schwerpunktkampagne des Deutschen Verkehrssicherheitsrats und der Berufsgenossenschaften. Sie wollen

    damit ein höheres Risiko bewusstsein für die Gefahren von Nebel, Regen oder Schnee im Straßenverkehr wecken. Denn viele Unfälle sind auch auf die Wetterbedingungen zurückzuführen. In drei Broschüren sowie auf der Internetseite www.risiko-check-wetter.de finden Fußgänger, Auto- und Radfahrer praxisbezogene Tipps, um gefähr- liche Situationen rechtzeitig zu erkennen und sich richtig zu verhalten. Ein emotionales Video zeigt, wie fatal sich Fehleinschätzungen wetterbeding-ter Probleme auswirken können. Bei zwei Gewinnspielen in Printmedien und online gibt es wertvolle Preise zu gewinnen. Informationen dazu finden Sie auch in einer Beilage in dieser Ausgabe. Beide Gewinnspiele laufen bis zum 28. Februar 2018.

    info www.risiko-check-wetter.de

    Der neue Kalender ist da

    Gesund und sicher jeden Tag genießen. Im BG ETEM-Kalender geben Dichter und Den-ker mit ihren Weisheiten und Wahrheiten einen Input, den Tag bewusst zu gestalten und zu erleben. Unternehmen mit mindes-tens 51 Versicherten wird der Kalender in begrenzter Stückzahl kostenlos zuge-schickt. Er ist ein Dankeschön der BG ETEM für Beschäftigte, die sich um die Durchset-zung der Arbeitssicherheit besonders ver-dient gemacht haben, und sollte von den Betrieben entsprechend verteilt werden. Unternehmen mit weniger als 51 Mitarbei-tern können einen Kalender kostenlos be-stellen; weitere Exemplare sind zum Selbstkostenpreis von 3 Euro erhältlich. Die Auflage ist begrenzt.

    bestellen E-Mail: [email protected] Tel.: 0221 3778-1020

    Neue Berufskrankheiten

    Bundestag und Bundesrat haben im Sommer die Berufskrankhei-ten-Verordnung um drei neue Be-rufskrankheiten erweitert. Außerdem wurden zwei beste-henden Krankheiten weitere Krankheitsbilder zugeordnet. Die neuen Berufskrankheiten sind:

    Die chronisch-myeloische oder chronisch-lymphati-sche Leukämie durch 1,3-Butadien, ein farbloses Gas, das insbesondere zur Weiterverarbeitung bei der Her-stellung verschiedener Kunst-Kautschuksorten sowie in der Kunststoffindustrie verwendet wird. Harnblasenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). PAK entstehen arbeitsbe-dingt vor allem in Kokereien und Teerraffinerien, in der Elektrographitindustrie, im Straßenbau sowie bei der Schornsteinreinigung. Die „Fokale Dystonie“ als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch fein-motorische Tätigkeit hoher Intensität.

    Darüber hinaus wurden die Berufskrankheit Nummer 4113 (Lungenkrebs durch PAK) um „Kehlkopfkrebs“ und die Berufskrankheit Nummer 4104 (Lungenkrebs oder Kehl-kopfkrebs in Verbindung mit Asbest) um „Eierstockkrebs“ erweitert. Lesen Sie auch den Beitrag auf S. 26.

    info www.bgetem.de, Webcode 12915485

    Öffentliche Tagungen Die Vertreterversammlung der BG ETEM tagt am 24. Oktober 2017 zum letzten Mal in dieser Wahlperiode. Die öffentliche Veranstaltung be-ginnt um 15.00 Uhr im Köln Mariott Hotel, Johannisstraße 76-80, 50668 Köln. Zwei Tage später, am 26. Oktober 2017, tritt um 9.00 Uhr an gleicher Stelle die nach der dies-jährigen Sozialwahl neu zusammengesetzte Vertreterversammlung für die 12. Wahlperiode zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Auch dabei sind Zuhörer willkommen.

    info www.bgetem.de, Webcode 11790284

    http://risiko-check-wetter.de/mailto:[email protected]://www.bgetem.de/unfall-berufskrankheit/wer-hilft-bei-dem-verdacht-auf-berufskrankheit/wer-hilft-bei-dem-verdacht-auf-berufskrankheithttp://www.bgetem.de/die-bgetem/selbstverwaltung/selbstverwaltung

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    Gute Führung ist Thema in Rheinsberg Die Vorteile einer guten und gesundheitsorientierten Führung für Unternehmen sind ein Thema bei der Rheinsberger Fachtagung am 13. und 14. März 2018. Sie bietet neue Einblicke in wichtige Stellschrauben einer wirtschaft lichen und gesunden Unternehmens-kultur: Führung, Kommunikation und Beteiligung. Teilnehmer erfahren, wie sie verhaltensbedingten Unfällen vorbeugen können. Außerdem geht es da-rum, Beschäft igte zum Mitdenken anzuregen sowie die Wertschöpfung im gesamten Unternehmen zu verbessern. Die Fachtagung kombiniert aktuelle wissenschaft li-che Erkenntnisse mit Praxiserfahrungen. Vertiefende Workshops geben Anregungen zu konkreten Füh-rungsinstrumenten und Möglichkeiten der Verhal-tensänderung der eigenen Mitarbeiter. Programm-schwerpunkte sind unter anderem:

    Verhaltensbedingte Unfälle vermeiden.▪ Anstupsen von sicherem Verhalten – Alternative zu Verboten?

    ▪ Wie rege ich zum „Mitdenken“ an? ▪ Best Cases: So gelingt Mitarbeiter-Beteiligung. Wie kleine und mittlere Unternehmen eine Kultur der Prävention entwickeln können.

    Im „Stress-Mobil“ können Teilnehmer ihren Stress typisieren, messen und sich anschließend individu-ell coachen lassen.

    → anmeldung www.bgetem.de, Webcode 17276233 Ansprechpartnerin: Carmen Mittelstädt; Telefon: 033931 523848 E-Mail: [email protected]

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    Auf einen Blick Auf dem Jahresplaner 2018 (68 x 98 cm) können alle wichtigen Termine des Jahres eingetragen werden. Er wird Mitgliedsbetrieben auf Wunsch kostenlos zugesandt (Bestell-Nummer JP).

    info Tel.: 0221 3778-1020 E-Mail: [email protected]

    Jetzt kostenlos bestellen!

    Neue Plakate Die Plakatkampagne 2017 der BG ETEM zeigt typische Alltagssituation und die damit verbundenen Gefahren. Da heißt es, hinschauen und Konsequenzen zie-hen – für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz und auf der Straße.

    bestellen www.bgetem.de, Webcode: 14822765 Telefon: 0221 3778-1020

    http://www.bgetem.de/@@search?SearchableText=17276233&facet=true&facet.field=systemmailto:[email protected]:[email protected]://www.bgetem.de/medien-service/medienwebc/plakate

  • Seminare für bessere Luft

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    Raumlufttechnische Anlagen und Luftbefeuch-tung stehen im Mittelpunkt von zwei Semi-naren, die der Arbeitskreis Klima- und Lüftungstechnik der BG ETEM neu kon-zipiert hat.

    „Basiswissen Raumlufttechnische Anlagen (RLT)“ richtet sich unter anderem an Mitarbeiter der Haus- und Betriebstechnik, Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie Betreiber von RLT-Anlagen. Behandelt werden Anforderungen an die Raumlufttechnik, Komponenten einer RLT-Anlage sowie ihre Funktionsweise, mögliche Fehler bei der Ins-tallation und die Bedingungen für Inbetriebnahme und Betrieb. Das Seminar wird am 12. und 13. Dezember 2017 in Ratingen erstmals ange-boten. Weitere Termine sind 2018 geplant.

    „Basiswissen dezentrale Luftbefeuchtung“ ist für eine ähnliche Ziel-gruppe konzipiert. Zu den Inhalten gehören Grundlagen sowie Sinn und Zweck einer dezentralen Luftbefeuchtung, Einführung in die VDI 6022 (Blatt 6), Bauformen, Komponenten und Funktionsprinzipien einer dezen-tralen Luftbefeuchtung, Grundlagen der Hygiene sowie Überwachung und Instandhaltung der Systeme. Das Seminar findet am 14. Dezember 2017 ebenfalls in Ratingen statt.

    Weitere Termine und Informationen zu beiden Veranstaltungen gibt es auf der Seminardatenbank der BG ETEM.

    info und anmeldung www.bgetem.de, Webcode 14363753 „Basiswissen Raumlufttechnische Anlagen (RLT)“ – Veranstaltungs-Nr. 421 „Basiswissen dezentrale Luftbefeuchtung“ – Veranstaltungs-Nr. 422

    Termine 17.10.2017, Düsseldorf

    ETEM Forum „Sicher und Gesund“ anlässlich der A+A 2017

    17.-20.10.2017, Düsseldorf A+A – Internationale Fachmesse und Kongress

    02.-03.11.2017, Dresden Informationsveranstaltung Biostoffe 2017

    28.-30.11.2017, Köln gat/wat – Fachmesse für Gas- und Wasserwirtschaft

    weitere termine www.bgetem.de, Webcode 12568821

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    Evaluation der DGUV Vorschrift 2

    Messbare Fortschritte Viel Lob erntete eine umfangreiche Untersuchung zur DGUV Vorschrift 2. Sie lieferte aber auch Hinweise zu möglichen Verbesserungen. Dazu wurden zahlreiche Fachleute befragt.

    Die neu gefasste Unfallverhütungsvor-schrift „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (DGUV Vorschrift 2) führte im Jahr 2011 ein grundlegend neues Konzept der betriebsärztlichen und si-cherheitstechnischen Regelbetreuung für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten ein. An diese Reform wurden viele unter-schiedliche Erwartungen geknüpft. Die zuvor praktizierte Betreuung orientierte sich vorwiegend an Mindesteinsatzzeiten für Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifa) und Betriebsärzte. Diese Zeiten waren je nach Unfallversicherungsträger sehr un-terschiedlich, selbst für Branchen mit ver-gleichbaren Gefährdungen.

    Dieser Flickenteppich an unterschiedli-chen, zum Teil historisch gewachsenen Regelungen sollte durch eine einheitliche Konzeption für alle Berufsgenossenschaf-

  • Umstellung gelungen: Die Mehr-heit der betrieblichen Arbeits-schutzakteure beurteilt die im Jahr 2011 eingeführte DGUV Vor-schrift 2 positiv.

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    ten und Unfallkassen abgelöst werden. Den Betrieben sollte mehr Gestaltungs-spielraum geschaffen werden, um spezifi-sche Anforderungen und Gefährdungen berücksichtigen zu können.

    Die wesentlichen Ziele der Reform der Regelbetreuung waren:

    Gleichbehandlung gleichartiger Be-triebe, unabhängig von der Zuständig-keit des Unfallversicherungsträgers

    Einführung eines betriebsspezifischen/ gefährdungsbezogenen Anteils der Be-treuung Stärkere Ausrichtung auf die Betreu-ungsinhalte, weniger auf den dafür er-forderlichen Zeitaufwand Verbesserung der Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure (Unternehmens-/ Betriebsleitung, Betriebsrat, Sifa, Be-triebsarzt)

    Förderung von eigenverantwortlichem Handeln der Betriebe

    Berücksichtigung neuer Betreuungsin-halte/-themen (z. B. Betriebliches Ein-gliederungsmanagement oder demografischer Wandel).

    Evaluation der DGUV Vorschrift 2 Bereits bei der Entwicklung des neuen Be-treuungskonzepts wurde vereinbart, nach einigen Jahren zu überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden. Dazu wurden im Jahr 2015 Kriterien für eine Evaluation entwi-ckelt, also für eine systematische Beob-achtung und Beurteilung der Wirkungen der DGUV Vorschrift 2. Bei der Evaluation sollten sowohl die durch die neue Regel-betreuung erzielten Effekte wie auch mög-liche Ansätze zur Optimierung ermittelt werden.

    Die Evaluation beschränkte sich auf die Anlage 2 der DGUV Vorschrift 2, in der die Regelbetreuung für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten beschrieben wird. Die Betreuungsmodelle für Kleinbetriebe in den Anlagen 1 und 3 der Unfallverhü-tungsvorschrift waren 2011 unverändert in die neue Vorschrift übernommen worden und bereits vorher evaluiert worden.

    Mithilfe der Evaluation sollten der Stand der Umsetzung, die Anwendbarkeit und Praxistauglichkeit sowie die Folgen für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb bewertet werden. Dazu wurden mehrere Methoden eingesetzt, vor allem telefoni-sche und Online-Befragungen.

    Die Befragungen fanden für alle Wirt-schaftsbereiche, Branchen und den öf-fentlichen Dienst im Bereich der Deut- schen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) im 2. Halbjahr 2016 statt. Die ein-zelnen Zielgruppen wurden gestaffelt nach der Betriebsgröße befragt: Kleinbe-triebe (11-49 Beschäftigte), mittelgroße Betriebe (50-249 Beschäftigte) und Groß-betriebe (250 oder mehr Beschäftigte). Bei den Branchen wurden produzieren-des Gewerbe, der Dienstleistungs- bereich (privatwirtschaftlich) und der öf-fentliche Dienst unterschieden. Spezifi-sche Aussagen zu einzelnen Berufsge- nossenschaften oder Unfallkassen sind nicht möglich.

    Die Evaluation wurde nach wissenschaft-lichen Grundsätzen konzipiert, die Ergeb-nisse sind daher repräsentativ und valide.

    Stand der Umsetzung Die Erhebung bei Betriebsleitern und Be-triebsräten ergab, dass die DGUV Vor-schrift 2 in Groß- und Mittelbetrieben gut bekannt ist, während es in Kleinbetrieben in diesem Punkt Defizite gibt. Es ist aller-dings durchaus möglich, dass die oder der Verantwortliche in einem Betrieb die Vorschrift trotz persönlicher Unkenntnis umgesetzt hat, insbesondere wenn das Unternehmen extern betreut wird.

    Insgesamt ist der Umsetzungsgrad in großen Betrieben mit über 90 Prozent sehr gut und damit etwas höher als in Kleinbetrieben. Dies gilt sowohl im Hin-blick auf die Grundbetreuung als auch bei der betriebsspezifischen Betreuung. Das produzierende Gewerbe hat bei der Um-setzung der Vorschrift einen Vorsprung gegenüber den anderen Branchen.

    Grundbetreuung Eine wesentliche Neuerung bestand in der Einführung von drei Betreuungsgruppen, die für die Berechnung der Einsatzzeiten zugrunde gelegt werden. Die Zuordnung zu den Betreuungsgruppen erfolgt über den Wirtschaftszweigeschlüssel (WZ-Kode 2008). Der Betrieb wird stets komplett ei-ner Betreuungsgruppe zugeordnet, was die Berechnung stark vereinfacht. Damit sollte vor allem die Gleichbehandlung der Betriebe gewährleistet werden. Dieses Verfahren sorgte bei der Einführung der neuen Vorschrift für viele Fragen.

    Methoden der Evaluation der DGUV Vorschrift 2:

    Telefonische Befragungen von Unternehmens-/Betriebsleitun- gen und betrieblichen Interessen-vertretungen (Betriebs-/Personal- räte) anhand eines Fragebogens

    Online-Befragung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebs- ärzten

    Ausführliche Telefoninterviews von Fachkräften für Arbeitssicher-heit und Betriebsärzten

    Abfrage bei den Unfallversiche-rungsträgern und den staatlichen Arbeitsschutzbehörden

  • Die Chemie stimmt: Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte loben das neue Zusammenwirken.

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    Die Befragungen ergaben, dass etwa zwei Drittel der Arbeitsschutzakteure das Prin-zip „ein Betrieb – eine Betreuungs-gruppe“ befürworten. Bei der Berechnung der Einsatzzeiten der Grundbetreuung müssen alle Beschäftigten berücksichtigt werden, auch Personen, die nach dem Ar-beitnehmerüberlassungsgesetz arbeiten (umgangssprachlich „Leiharbeitnehmer“).

    Die Einsatzzeiten der Grundbetreuung decken nach Auffassung von 64 Prozent der Fachkräfte für Arbeitssicherheit und 69 Prozent der Betriebsärzte den Bedarf gut ab. Die Interviews ergaben, dass für manche Branchen und Betriebe höhere, für andere niedrigere Einsatzzeiten wün-schenswert seien.

    Betriebsspezifische Betreuung Die Aufgaben der betriebsspezifischen Betreuung sind in etwas über zwei Drittel der Betriebe ermittelt. Dabei wird in Klein-betrieben stärker auf Basis der Gefähr-dungsbeurteilung vorgegangen, während größere Betriebe eher den Anhang 4 der Vorschrift nutzen. Bei der Mehrheit der Betriebe werden den Befragungen zufolge die Aufgaben mindestens jährlich über-prüft bzw. neu ermittelt. Schwerpunkt der betriebsspezifischen Betreuung bilden die Aufgabenfelder, die sich auf regelmä-ßig vorliegende Unfall- und Gesundheits-gefahren sowie die menschengerechte Arbeitsgestaltung beziehen.

    Verhältnis Grundbetreuung – betriebsspezifische Betreuung Aus Sicht der Fachleute besonders inte- ressant war die Frage, wie sich in den Un-ternehmen die Gesamtbetreuung auf Grundbetreuung und betriebsspezifische Betreuung verteilt. Dabei muss zwischen

    der sicherheitstechnischen und der be-triebsärztlichen Betreuung unterschieden werden. Die Befragung ergab: Die Aufga-benschwerpunkte liegen bei Sicherheits-fachkräften gegenüber den Betriebsärzten mehr in der Grundbetreuung.

    Zum Teil lassen sich die Ergebnisse da-mit erklären, dass der Spielraum, den die DGUV Vorschrift 2 bei der Verteilung der Grundbetreuungszeiten lässt, von den Be-trieben deutlich zugunsten der Sicher-heitsfachkräfte genutzt wird. Bei der betriebsspezifischen Betreuung werden die von den Betrieben selbst festgelegten Zeiten etwas gleichmäßiger zwischen Si-fas und Betriebsärzten verteilt.

    Betreuungsumfang meist unverändert oder gewachsen Eine viel diskutierte Frage vor Einführung der neuen Betreuungskonzeption war, wie sich der zeitliche Gesamtumfang der Be-treuung im Vergleich zu den früheren Min-desteinsatzzeiten entwickeln würde. Die Evaluation gab auch darauf eine klare Ant-wort: Nur eine Minderheit der Befragten sieht einen geringeren Gesamtumfang der Betreuung als vor der Reform (acht Prozent der Sifas, vier Prozent der Betriebsärzte). Knapp die Hälfte der Sifas (44 Prozent) sieht keine wesentliche Veränderung, ebenso wie 24 Prozent der Betriebsärzte. 32 Prozent der Sifas und 44 Prozent der Betriebsärzte sind der Auffassung, dass der Umfang der Gesamtbetreuung ge-wachsen sei. Die übrigen Befragten konn-ten keine Aussage machen.

    Anmerkung: Einige Aufgaben im neuen Betreuungskonzept, z. B. die Weiterent-wicklung eines Gesundheitsmanagements, waren in den früheren Betreuungszeiten nicht enthalten.

    Zusammenarbeit im Betrieb Ein Gradmesser für die Kooperation von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Be-triebsärzten ist die gemeinsame Bearbei-tung von Aufgaben der Betreuung. Hier lässt sich feststellen, dass der Anteil der gemeinsam bearbeiteten Themen mit neun Prozent (aus Sicht der Sifas) bzw. 13 Prozent (Betriebsärzte) noch eher gering ausfällt. Eine große Mehrheit der befrag-ten Sifas gab an, dass sie mindestens die Hälfte der Themen alleine bearbeiten.

    Unabhängig von diesen Befunden wird das Zusammenwirken von Sicherheits-fachkräften und Betriebsärzten auf beiden Seiten sehr positiv eingeschätzt, insbe-sondere in großen und mittleren Betrie-ben. Auch die Betriebsleitungen und Betriebsräte bezeichnen die Zusammenar-beit zwischen Sifas und Betriebsärzten mehrheitlich als gut. Diese beiden Grup-pen sehen bei der Kooperation Sifa – Be-triebsarzt auch einen leicht positiven Trend seit Einführung der neuen Vorschrift.

    Die Zusammenarbeit aller Akteure – Be-triebsleitung, Betriebsrat (soweit vorhan-den), Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt/-ärztin – ist für eine gute Prä-ventionskultur in den Betrieben sehr wichtig. Insgesamt bewertet eine große Mehrheit (je nach Gruppe zwischen 60 und 80 Prozent) diese Kooperation als gut, weniger als zehn Prozent der Befrag-ten als schlecht, Tendenz: leicht positiv.

    Die Informationen im innerbetrieblichen Arbeitsschutz fließen laut Betriebsleitun-gen und Betriebsräten vor allem über

    regelmäßige Gespräche, die schriftlichen Berichte nach § 5 DGUV Vorschrift 2 und die Sitzungen des Arbeitsschutzaus-schusses (ASA).

  • Starke Unterschiede mit Blick auf die Be-deutung des ASA zeigen sich bei den Be-triebsgrößen: Fast alle Großbetriebe nutzen diese Möglichkeit des Informati-onsaustausches, während Betriebsleiter aus Kleinbetrieben nur zu knapp der Hälfte den ASA nannten. Betriebe müssen allerdings erst bei mehr als 20 Beschäftig-ten einen ASA einrichten.

    Wie wird die Eigenverantwortung wahrgenommen? Zwei Drittel der Betriebsleitungen bewer-ten diese Neuerung positiv, lediglich 14 Pro- zent negativ. Allerdings konnten oder woll-ten sich 20 Prozent nicht festlegen. Die betrieblichen Interessenvertretungen stim-men mit 87 Prozent einer größeren Eigen-verantwortung mit überwältigender Mehr- heit zu, nur drei Prozent lehnen sie ab.

    Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte wurden gefragt, wie sie die stärkere Aus-richtung der Gesamtbetreuung an der in-dividuellen Gefährdungssituation des Betriebs statt an der alleinigen Ausrich-tung an Einsatzzeiten bewerten. Die Ant-worten „gut“ oder „eher gut“ liegen bei den beiden Gruppen um 80 Prozent; dies gilt für alle Betriebsgrößen. Die Interviews zeigten allerdings auch, dass die Betrach-tung der Einsatzzeiten nach wie vor in ei-nigen Betrieben eine große Rolle spielt.

    Neu eingeführt wurde auch die Flexibili-tät in der Aufgabenverteilung zwischen Si-cherheitsfachkräften und Betriebsärzten. Hierzu gibt es in der Grundbetreuung Un-tergrenzen (20 Prozent bzw. mindestens 0,2 Std./Jahr je Beschäftigter), in der be-triebsspezifischen Betreuung existieren keinerlei Einschränkungen. Die Zustim-mungsraten sind ähnlich wie die oben ge-nannten Werte. Von einigen Interview- partnern wurde angemerkt, dass der zu-nehmende Mangel an Betriebsärzten die Flexibilität teilweise einschränke.

    Neue, aktuelle Inhalte und Themen der Betreuung sind z. B. Betriebliches Einglie-derungsmanagement (BEM), die Berück-sichtigung demografischer Aspekte („alternde Belegschaften“) oder die Ein-führung eines betrieblichen Gesundheits-managements. Etwas über zwei Drittel der Betriebe berücksichtigen solche Themen, an erster Stelle wird das BEM genannt.

    Anwendbarkeit/Praxistauglichkeit Ein Aspekt der Anwendbarkeit ist die Ab-grenzung zwischen Grundbetreuung und betriebsspezifischer Betreuung. Die Be-

    fragungen zeigen, dass die Betriebsärzte, aber vor allem die Sicherheitsfachkräfte diese Abgrenzung als eher schwierig empfinden. Eine klare Abgrenzung trifft die Anlage 2 der DGUV Vorschrift 2 aber in Bezug auf die arbeitsmedizinische Vor-sorge: Sie ist Bestandteil der betriebsspe-zifischen Betreuung.

    Die Zuordnung des Betriebs zu einer der drei Betreuungsgruppen mithilfe des WZ-Kodes bewerten etwa drei Viertel der befragten Sicherheitsfachkräfte und Be-triebsärzte als „praktikabel“ oder „eher praktikabel“, nur etwa fünf Prozent als „nicht praktikabel“. Kritisch fällt dagegen das Urteil über den Anhang 4 aus, der bei der Ermittlung der relevanten Aufgaben-felder und des Umfangs der betriebsspe-zifischen Betreuung helfen soll. Hier liegt die Zustimmung nur wenig über 50 Pro-zent. Kritisch wurde bewertet, dass der Anhang 4 zu komplex, die Bearbeitung zu zeitaufwendig und manche Inhalte zu we-nig konkret seien. In etlichen Betrieben wird der (nicht rechtsverbindliche) An-hang 4 daher gar nicht genutzt.

    Deutlich besser werden die Handlungs-hilfen und Informationsmittel der Unfall-versicherungsträger bzw. der DGUV beur- teilt. Bei den befragten betrieblichen Arbeitsschutzakteuren, die solche Hand-lungshilfen kennen, bewerten ca. 80 Pro- zent diese Instrumente als „sehr hilfreich“ oder „eher hilfreich“.

    Interessant sind die Antworten auf die Frage, für wie praktikabel die betreffende Person die Anwendung der DGUV Vor-schrift 2 im eigenen Betrieb hält. Die Er-gebnisse für die Betriebsleitungen sind in der Abbildung oben dargestellt.

    Es zeigt sich, dass Kleinbetriebe die Prak-tikabilität kritischer bewerten, insbeson-dere die befragten Inhaberinnen und Inhaber solche Betriebe. Deutlich positi-ver fällt das Urteil der Betriebsräte aus; hier wurden nur vier Prozent Stimmen ge-zählt, die die Vorschrift als wenig oder nicht praktikabel bezeichnen.

    Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Be-triebsärzte bescheinigen der Vorschrift mehrheitlich eine gute Anwendbarkeit, gut 30 Prozent äußern sich aber auch kri-tisch. Es gab auch viele Hinweise, wo die Probleme konkret liegen. Befragte, die sich intensiv mit der Vorschrift beschäftigt haben und ihren eigenen Kenntnisstand als „eher hoch“ einstufen, stufen die Praktikabilität deutlich besser ein als Per-sonen mit geringem Kenntnisstand.

    Fazit und weiteres Vorgehen Insgesamt hat das neue Betreuungskon-zept in vielen Bereichen zu messbaren Fortschritten geführt. Die inhaltlichen Ziele der Reform wurden überwiegend er-reicht. Es gibt aber auch Kritikpunkte und Hinweise auf Schwierigkeiten bei der An-wendung der Vorschrift. In den Gremien der BG ETEM und der DGUV werden die Befunde nun diskutiert und bewertet.

    Dr. Ralph Hettrich

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    Antworten der Betriebsleitungen auf die Frage „Halten Sie die Anwen-dung der DGUV Vorschrift 2 in Ihrem Betrieb für …?“

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    info Die Ergebnisse der Evaluation der DGUV Vorschrift 2 werden voraussichtlich im Herbst 2017 von der DGUV veröffentlicht. Die Online-Handlungshilfe der BG ETEM finden Sie unter https://handlungshilfe. bgetem.de/betreuungsmodell

    https://handlungshilfe.bgetem.de/betreuungsmodell

  • Fehlerkultur

    Lernen von Abweichungen

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    Zusammen mehr aufpasen, statt Einzelnen Schuld zuweisen. Was Führungskräfte tun können, um eine konstruktive Fehlerkultur zu entwickeln. Interview mit der Unternehmensberaterin Dr. Annette Gebauer.

    Fehler sind menschlich! Das ist schnell gesagt. Und zeugt von einem toleranten Umgang mit unseren kleinen Schwächen. Eine Toleranz, die schwerwie-gende Konsequenzen haben kann. In manchen hoch-sensiblen Bereichen kann ein kleiner Fehler großen Schaden verursachen – bisweilen auch Menschen- leben kosten. Eine 100-prozentige Fehlervermeidung ist unmöglich. Es gilt daher einen Weg zu finden, das Risiko zu minimieren, aber nicht zu ignorieren – mit einer gezielten Entwicklung der Fehlerkultur. Dr. Just Mields, Arbeitspsychologe bei der BG ETEM, hat dazu die Expertin Dr. Annette Gebauer befragt.

    ?Fehler oder nicht. Das liegt doch im Auge des Be-trachters oder? In der Tat. Wenn Unternehmen anfangen, sich mit dem Thema Fehlerkultur auseinanderzusetzen, kommt schnell die Frage auf: Wovon ist eigentlich die Rede, wenn man von einem Fehler spricht. Streng genommen sind Fehler ja nichts anderes als überraschende Ereig-nisse, die nicht unseren Erwartungen entsprechen. Wenn diese im Nachhinein als negativ bewertet wer-den, sprechen wir von einem Fehler. Das bedeutet aber auch, dass es eigentlich egal ist, ob man von Fehlern oder Erfolgen lernt. Beide ent-springen denselben Bewältigungsmustern. Mitarbei-ter versuchen, komplexe Situationen zu bewältigen, in denen natürlich nicht immer alles nach Plan läuft. Was tun sie, dass es trotz all der erlebten Ungereimt-heiten, Mehrdeutigkeiten und Widersprüchen, mit denen sie im Alltag konfrontiert sind, „richtig“ läuft? Statt sich reaktiv auf Fehler zu konzentrieren, sollten sich Unternehmen eher damit beschäftigen, wie sie mit Abweichungen umgehen.

    ?Fehler macht immer ein Einzelner. Welche Rolle spielt die Kultur dabei? „Wer war es?“ ist oft die erste Frage nach unerwünsch-ten Ereignissen. Wir neigen dazu, die Verantwortung einzelnen Personen zuzuschreiben. Dieser Reflex führt dazu, dass die existierenden Systeme und Routi-nen und die eingespielten informellen Formen der Zu-

    sammenarbeit legitimiert werden. Jede Schuldzu- weisung bedeutet implizit: „Unser Plan oder unser System hätte funktioniert, wenn nur dieser Mitarbei-ter diesen (dummen) Fehler nicht gemacht hätte.“

    ?Was ist die richtige Frage bei der Fehleranalyse? Es hilft, wenn man Fehler als Lösungsversuch an-sieht. Im Nachhinein weiß man einerseits mehr – man hat erlebt, dass das Verhalten oder die Entscheidung nicht funktioniert hat. Andererseits weiß man aber auch weniger, denn die Komplexität und das Nicht-Wissen in der Situation kann nur schwer nachvollzogen werden. Es scheint klar, was man eigentlich hätte tun sollen. Die erste Frage nach einem Ereignis sollte daher lauten: Warum hatten das Verhalten und die Entscheidungen der Beteiligten

    in der Situation Sinn?

    ?Befürchten Sie nicht, dass dies ein Freibrief ist, sich aus der Verant-wortung zu stehlen?

    In der Tat ist das ein sensibler Punkt, der in so man-chem Führungsteam zu Kontroversen führt. Niemand möchte eine Laissez-faire-Haltung provozieren, in-dem alles auf die Bedingungen geschoben wird. Wir beobachten in der Praxis häufig ein Pendeln: So-lange die Leistung stimmt, fokussiert man eher auf die Bedingungen und toleriert Fehlhandlungen oder Regelverletzungen von Einzelnen. Doch sobald es kriselt oder etwas Unerwünschtes geschieht, wird der Ruf nach persönlichen Konsequenzen laut. Von den Beschäftigten wird dies oft als Willkür erlebt.

    ?Was halten Sie von der Sanktionierung von Feh-lern? Bauen Sie auf die abschreckende Wirkung oder befürchten Sie, dass Beschäftigte aus Angst vor Strafe Fehler nicht eingestehen? Eine Fehlerkultur bedeutet nicht, dass es keine Kon-sequenzen geben sollte. Allerdings müssen sie bere-chenbar und nachvollziehbar sein. Das ist gar nicht so einfach. Wir erleben oft, dass Führungskräfte sich sehr bemühen, gerechte Entscheidungen zu treffen, diese Entscheidungen aber von Mitarbeitern als un-gerecht und willkürlich erlebt werden. Wir ermutigen Führungsteams deshalb dazu, sich von der Idee einer

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    gerechten, richtigen Entscheidung zu verabschieden und dafür den Zuschreibungsprozess nach einem Er-eignis transparent und berechenbar zu machen. Darüber hinaus sollten Führungskräfte abwägen, wann und für welche Fälle Konsequenzen das rich-tige Mittel sind. Persönliche Konsequenzen haben das Ziel, dass Mitarbeiter für vergangene Handlun-gen Verantwortung übernehmen. Die bestehenden Routinen werden – wie bereits erläutert – normativ verstärkt. Das gemeinsame Lernen über den Kontext und die Bedingungen eines Fehlers stärkt hingegen die künftige Verantwortungsbereitschaft: Das ge-meinsame Lernen über noch nicht bekannte Zusam-menhänge fördert die kollektive Achtsamkeit.

    ?Was raten Sie Managern, die das Thema aufgrei-fen wollen? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie, dass sich die Beschäftigten ihrer Ver-antwortung bewusst sind und entsprechend han-deln. Wie aber lernt die Organisation dabei? Wenn Führungsteams es ernst meinen mit der Ent-wicklung einer lernbereiten Fehlerkultur, müssen sie aus meiner Sicht vor allem an zwei Themen arbeiten: erstens, wie sie sich nach Fehlern verhalten. Damit meine ich vor allem, wie sie nach sogenannten Feh-lern für ihre Mitarbeiter berechenbar werden. Es geht darum, eine gute Balance zwischen Fragen nach der persönlichen Verantwortung und nach den Bedin-gungen und funktionalen Zusammenhängen hinzu- kriegen. Das schafft die Bedingungen dafür, dass Beschäftigte offener über Fehler und erlebte Abwei-chungen sprechen. Zweitens sollten Führungskräfte regelmäßige Gele-genheiten schaffen, um mit ihren Mitarbeitern den Umgang mit Abweichungen, Überraschungen, Mehr-deutigkeiten und Widersprüchlichkeiten zu bespre-chen. Es können sowohl positive oder negative

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    Ereignisse zur Sprache kommen. Immer lauten die Fragen: Was wollten wir erreichen? Wo ist etwas Überraschendes geschehen? Wie sind wir damit um-gegangen und warum? Was hat uns geholfen? Was war – im Nachhinein betrachtet – kritisch?

    ?Wie gelingt es Ihnen, einen Unternehmer von der Bedeutung der Fehlerkultur zu überzeugen? Am besten ist es, selbst zu erfahren, wie Fehler und Erfolge genutzt werden können, um zu lernen, wie man in der Organisation gemeinsam komplexe Situ-ationen bewältigt. Wir nutzen dafür gerne einzelne unerwartete Ereignisse, die wir in einem gemischten Team aus höheren und mittleren Führungskräften, Facharbeitern und Mitarbeitern der Arbeitsebene analysieren. Der Fokus liegt dabei bewusst auf den systemischen Zusammenhängen. Es geht nicht darum, wer schuld war. Vielmehr wird unterstellt, dass jeder sein Bestes versucht hat, um zur Problemlösung beizutragen. Die Vorbereitung auf diese Musteranalysen ist dabei oft ein wichtiger Teil der Intervention, denn hier kom-men viele, für eine Fehlerkultur entscheidende Fra-gen hoch: Wird es gelingen, ohne Schuldzuweisung zu arbeiten? Können wir den Befragten das über-haupt zumuten? Was müssen wir als Führungskräfte tun, um eine offene Atmosphäre zu erzeugen? Wie gehen wir damit um, wenn wir Fehlleistungen bei Mitarbeitern feststellen?

    ?Wie lässt sich das Erreichte aufrechterhalten? Die Kunst besteht darin, solche ersten Erfahrungen in die Alltagsroutinen zu überführen. Oft ist es hilf-reich, sich bei schwierigen Entscheidungen nach Fehlern gegenseitig zu unterstützen und sich zu be-ratschlagen. Darüber hinaus empfehlen wir, Rituale für dieses „Lernen von Abweichungen“ in den Alltag zu verankern. Neben den durch kritische Situationen erzwungenen Ereignisanalysen empfehlen wir min-destens einmal pro Woche kurze Routinebespre-chungen, in denen auch nach erfolgreicher Erledi- gung der Umgang mit Unerwartetem reflektiert wird. Fehlerkultur bedeutet in unserem Verständnis, dass eine Organisation ihren eigenen Umgang mit Abwei-chungen zum Gegenstand der Beobachtung und des Lernens nutzt. Diese Pflege der organisationalen Fit-ness ist ein nicht endender, kontinuierlicher Prozess.

    Zur Person

    Dr. Annette Gebauer ist Inhaberin der ICL GmbH und auf High Reliability Organizing sowie Kultur- und Managemententwicklung spezialisiert. Sie unterstützt Unternehmen wie ThyssenKrupp, BASF, SAP, RWE, Coca-Cola, Commerzbank, Sabic, Boehringer-Ingelheim und andere.

  • Unfälle trotz Gefährdungsbeurteilung

    Nu r wenn alle mitziehen, wird es sicher Bei der Untersuchung von zwei schweren Unfällen stellt sich die Frage: Wurde die Gefährdungsbeurteilung ausreichend in die Praxis umgesetzt?

    Eine über zwei Etagen reichende Anlage beschichtet Stoffbahnen. Große Wal-zen lenken die Warenbahnen um und füh-ren sie. Die Walzen drehen sich in einem Abstand von wenigen Zentimetern zuein-ander und bilden gefährliche Einzugsstel-len. Würde dort eine Hand erfasst, wäre der Arm kaum noch zu retten.

    Die auf mehr als 30 Seiten dokumen-tierte Gefährdungsbeurteilung für die An-lage benennt die einzelnen Walzenein- zugsstellen und das hohe Unfallrisiko. Als daraus resultierende Maßnahme sind alle Walzeneinzugsstellen durch feststehende

    oder bewegliche Schutzeinrichtungen auch gegen das zufällige Hineingreifen gesichert.

    Die beweglichen Schutzeinrichtungen können zum Beispiel beim Anfahren der Anlage im Kriechgang, während der Stö-rungsbehebung oder bei Reparaturarbei-ten geöffnet werden. Für diese Sonder- betriebszustände gibt es besondere Be-triebsanweisungen.

    Da die Warenbahn beim Anfahren eine dicke Wulst aufweist, muss die beweg- liche Schutzeinrichtung eines Walzenpaa-res einen Spalt breit geöffnet werden.

    Durch diese Öffnung greift ein Mitarbeiter während einer Nachtschicht ein, um die schief einlaufende Bahn mit der Hand zu korrigieren. Der Arm wird in den ca. 1,5 cm breiten Walzenspalt eingezogen und schwer verletzt. Ein Kollege hört die Schreie des Eingeklemmten und betätigt den Not-Halt.

    Hand verloren An einer Faseraufbereitungsanlage zur Herstellung von Textilvlies beobachtet der Anlagenfahrer am Kontrollmonitor Quali-tätsmängel im Produkt. Das textile Mate-

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  • Fehler mit Folgen: Ein Beschäf-tigter versucht im laufenden Betrieb, eine schief einlaufende Stoffbahn zu korrigieren. Sein Arm wird eingeklemmt.

    rial hat sich zwischen Transportwalzen verfangen und bildet Wickel. Der Anlagen-bediener muss diese Verunreinigungen mit der Drahtbürste von einer Transport-walze unterhalb der Anlage beseitigen.

    Der Bereich unter der mehr als zehn Me-ter langen Anlage ist allseitig mit einer Umwehrung gesichert. Sie verhindert den freien Zugang zu Walzeneinzugsstellen während des Maschinenlaufs. Durch ver-riegelte Türen mit Sicherheitsgrenztastern kann bei Stillstand der Anlage der untere Bereich begangen werden. Ein Schließsys-tem verhindert, dass sich Personen inner-halb des umzäunten Bereiches befinden, wenn die Anlage angefahren wird.

    Eine Betriebsanweisung erläutert das Vorgehen bei der Störungsbehebung un-terhalb der Anlage: „Bei Materialanhaftun-gen auf Maschinenteilen ist die Anlage anzuhalten, nach Stillstand der Anlage durch die jetzt freigegebenen Zugangstü-ren der untere Bereich zu betreten und mittels Drahtbürste die Anhaftungen auf der still stehenden Walze zu beseitigen“.

    Der gesamte Reinigungsvorgang dauert nicht länger als drei Minuten. Nach Been-digung der Reinigungsarbeiten und Ver-lassen des Bereiches muss die Zugangstür geschlossen werden und auf einem Paneel quittiert der Schlüssel für die Zu-

    gangstür die Sicherheitsfreigabe. Erst wenn auf dem Paneel alle Schlüssel der Zugänge gesteckt sind, ist ein Wiederan-lauf der Maschine durch einen separaten Einschalttaster möglich.

    Während der Nachtschicht versucht ein Mitarbeiter, eine Störung bei laufendem Betrieb zu beseitigen. Er zwängt sich von der Traverse aus durch einen ca. 50 cm breiten Spalt und lässt sich in 1,5 m Tiefe auf den Hallenboden hinab. Danach läuft er innerhalb der Umzäunung in gebückter Haltung unter der Maschine etwa zehn Meter bis zur Störungsstelle und beginnt, über Kopf mit der Drahtbürste die Material- anhaftungen an der Walze zu beseitigen.

    Die Walzeneinlaufstelle erfasst erst die Bürste und zieht dann die Hand zwischen die Walzen ein. Erst nach Demontage der Walze konnte der Arbeiter aus seiner ver-zweifelten Lage befreit werden. Er verliert bei dem Unfall vier Finger und die rechte Mittelhand.

    Die Unfallbeispiele verdeutlichen, dass eine umfangreiche Gefährdungsbeurtei-lung oder eine ausführliche Betriebsan-weisung allein noch keinen Schaden verhindert. In vielen Fällen werden vor ei-nem Unfall vorhandene Sicherheitsein-richtungen manipuliert oder umgangen.

    Gefährliche Manipulation Eine fast alltägliche Situation während ei-nes gemeinsamen Betriebsrundgangs mit dem Aufsichtsdienst der Berufsgenossen-schaft: Die automatische Sortier- und Ver-

    packungsanlage ist mit Bereichssicherung regelkonform allseitig umzäunt. Der gesi-cherte Bereich mit Transport-, Schneid- und Folienschweißeinrichtungen kann abschnittsweise durch Zugangstüren be-treten werden. Diese sind durch Sicher-heitsgrenztaster verriegelt.

    Beim Öffnen einer Tür halten alle ge-fahrbringenden Bewegungen innerhalb des begehbaren Abschnittes an. Deshalb soll die Anlage vor dem Betreten ausge-schaltet und während des Aufenthalts in-nerhalb des gefährlichen Bereichs gegen Wiedereinschalten gesichert werden.

    Doch die Schaltstücke an der Tür wur-den abmontiert und stecken dauerhaft in dem Schaltelement. Damit ist der Zugang in den Anlagenbereich jederzeit möglich, ohne dass die gefahrbringenden Bewe-gungen stillgesetzt sind. Offensichtlich haben Beschäftigte die Sicherheitsschal-ter an den Türen überbrückt. Die Einspa-rung von wenigen Sekunden wird teuer durch ein hohes Verletzungsrisiko erkauft.

    Bereits seit 20 Jahren fordert das Ar-beitsschutzgesetz eine umfangreiche Ge-fährdungsbeurteilung an allen Arbeits- plätzen. Betriebsanweisungen beschrei-ben die darin erkannten Restrisiken und geben Hinweise zum sicherheitsgerechten Verhalten. Diese Betriebsanweisungen sind Grundlage für die Unterweisung der Beschäftigten, in denen Vorgesetzte die sichere Arbeitsweise vermitteln sollen. Aber nicht überall arbeiten Beschäftigte regelgerecht und sicher.

    Regelverletzungen und Beinahunfälle passieren täglich. Grund genug, nach dem Warum zu fragen. Dieses Forschen nach Ursachen und Beweggründen ist der Ein-stieg zur Entwicklung einer reifen Präven- tionskultur.

    Der manipulierte Sicherheitsschalter ermöglicht den Zugang auch bei laufendem Betrieb.

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    Verantwortung leben Vorgesetzte müssen in den Unterweisun-gen nicht nur auf Gefahren hinweisen, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr erläu-tern und das sicherheitsgerechte Verhal-ten trainieren. Sie müssen auch kontrollieren, dass die aufgestellten Re-geln eingehalten werden. Aber das allein reicht nicht.

    Denn scheinbar richtet sich das Verhal-ten der Beschäftigten nicht allein nach formellen Vorgaben, sondern auch nach impliziten Regeln: Manchmal denken Mit-arbeiter, dass Sicherheitshinweise nur gelten, „solange der Laden läuft“. Sie nehmen an, dass die höchste Priorität auf

  • einem reibungslosen Ablauf liegt. Dann erscheint es sinnvoll, Risiken in Kauf zu nehmen, heldenhaft und als ein Zeichen von Professionalität.

    Daher sollten die Verantwortlichen sich und die Beschäftigten fragen: Warum kommt es zu Regelverstößen? Warum wer-den von den Beschäftigten Sicherheits-einrichtungen außer Kraft gesetzt? Und wieso wird von den direkten Vorgesetzten nicht konsequent eingeschritten?

    In einem Betrieb mit einer reifen Prä-ventionskultur ist eine Manipulation von Schutzeinrichtungen extrem unwahr-scheinlich. Sie wird von den Beschäftig-ten schlichtweg nicht akzeptiert. Denn sie wissen: höchste Priorität hat immer die Sicherheit. Verstößt beispielsweise ein Kollege gegen die abgestimmte Vorge-hensweise bei der Störungsbehebung, wird er unverzüglich darauf hingewiesen. Das gilt auch bei einem Verstoß durch den Vorgesetzten.

    Im Idealfall gilt: Führungskräfte und Mitarbeiter tauschen sich regelmäßig über den Stand der Gefährdungsbeurtei-lung aus. Die Zeiten für diese Meetings werden eisern verteidigt. Denn man ist sich einig: Das Sprechen über Probleme, Beinahunfälle oder Fehler hält nicht nur die Aufmerksamkeit für Gefahren hoch, sondern ist auch Quelle der Weiterent-wicklung des Unternehmens.

    Würde eine Führungskraft das Arbeiten, ohne dass alle vorgesehenen Maßnah-men zu Arbeitssicherheit und Gesund-heitsschutz eingehalten werden, fordern, tolerieren oder durch fehlende Kontrolle ermöglichen, würden die Beschäftigten sie nicht nur darauf ansprechen. Sie wür-den auch Verlangen, das solch eine Wei-sung unterbleibt. Lob und Anerkennung wären ihnen dabei sicher.

    Der regelmäßige Austausch zwischen Beschäftigten und Führungskräften auch über Themen der Sicherheit hält die Aufmerksamkeit für Gefahren hoch.

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    Mehr Weitblick wagen Solch eine Präventionskultur fällt nicht vom Himmel. Sie entwickelt sich durch das Engagement aller Beteiligten. Die Un-ternehmensleitung und alle Führungs-kräfte müssen dabei an einem Strang ziehen, denn sie werden besonders beob-achtet. Ihr Vorbild ist wichtig. Läuft der Meister ohne Sicherheitsschuhe durch die Halle, fühlen sich uneinsichtige Mitarbei-ter bestätigt und denken: „Das Thema Ar-beitssicherheit ist wohl nicht so ganz ernst zu nehmen“. Daher müssen Führungs-kräfte ihre Vorbildfunktion ernst nehmen. Besonders kritisch wird beobachtet, wie

    Geschäftsführung und Führungskräfte in schwierigen Situationen reagieren – wenn beispielsweise entschieden werden muss, ob Sicherheit oder die terminge-rechte Bearbeitung eines Auftrags Vor-rang hat.

    Entscheiden sie sich nicht eindeutig für die Sicherheit, ist das für die Präventions-kultur verheerend. Das Ideal verschiebt sich in Richtung Risikoakzeptanz. Helden-haftes, aber im Grunde selbstgefährden-des Verhalten wird zum Maßstab: Lobenswert erscheint, wer sich oder seine Gesundheit für den Betrieb aufopfert. Das wirkt sich auf das Verhalten jedes Einzel-nen aus. Solch ein Bild wird gespeichert und prägt das zukünftige Verhalten.

    Bedenken wir: Verhalten basiert nicht vorrangig auf rationalen Entscheidungs-prozessen. Risikoeinschätzungen erfol-gen in der Regel intuitiv und unbewusst. Nicht die Gefahr an sich, sondern unsere Werte sind bestimmend.

    Die Mehrzahl der Entscheidungen wird automatisch und schnell, weitgehend

    mühelos und ohne willentliche Steuerung getroffen. Appelle, die auf vorsichtiges Verhalten oder Gefahrenwahrnehmung abzielen, verhallen ohne Wirkung, wenn sie auf eine in der Unternehmenskultur verankerte Risikoakzeptanz stoßen. Die korrespondierende Wahrnehmung der Beschäftigten ist dann nur noch auf die reine Zielerreichung eingeengt: Tunnel-blick statt Weitblick.

    Unfälle haben für alle Beteiligten schwere Folgen: Gesundheitsschäden des Opfers, Traumatisierung der Zeugen, Kolle-gen und Verantwortlichen und wirtschaftli-che Einbußen für den Betrieb. So weit muss es nicht kommen: Regelverstöße, Beinahunfälle und zynische Kommentare zu Sicherheitsfragen sind Hinweise auf Defizite in der Präventionskultur. Höchste Zeit, dass sich die Verantwortlichen zu-sammensetzen, um über Maßnahmen zur Kulturentwicklung nachzudenken.

    Dr. Just Mields, Dr. Ronald Unger

  • Auch in der Presse ein Thema: Der Sieg beim Präventions-preis.

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    Präventionspreis 2018

    Gewinn auf ganzer Linie Mit dem Präventionspreis zeichnet die BG ETEM Ideen und Maßnahmen für Arbeits- und Gesundheits-schutz aus. Für Betriebe auch eine gute Werbung.

     Eine neue Arbeitsorganisation, eine selbst entwickelte Maschine, innova-tive Arbeitsgeräte: Es gibt vielfältige Mög-lichkeiten, um die Gesundheit der Beschä� igten zu schützen. Dies ist nicht nur ein Gewinn für die Mitarbeiter, son-dern für das Unternehmen auch eine In-vestition in die Zukun� . Alle zwei Jahre schreibt die BG ETEM deshalb den Prä-ventionspreis aus – für 2018 ist die Be-werbungsphase schon gestartet. Die Berufsgenossenscha� zeichnet dabei Maßnahmen und Projekte zum Arbeits- und Gesundheitsschutz aus.

    Wirkung nach außen Neben den attraktiven Geld- und Sach-preisen kann der Sieg für die Betriebe aber auch eine weitere Bedeutung haben: eine positive Außenwirkung. Ein Beispiel dafür gibt die EAB–G. Sandow GmbH in Dessau, Preisträger 2016. „Wir werben mit und für den Präventionspreis“, erzählt Ge-schä� sführer Thomas Kaluza. „Das Sie-ger-Logo ist auf unserer Internetseite und in unserer E-Mail-Signatur enthalten.“

    Die Presse hatte der Betrieb damals eben-falls informiert. Die Folge: Artikel und so-gar ein Radiohinweis in den Regional-nachrichten. Prämiert wurde der Betrieb für ein Maßnahmenpaket, zu dem unter anderem das Unterweisen im richtigen Heben, Tragen und Bewegen schwerer Gegenstände, Sitzkissen für Büro und Fahrzeuge und höhenverstellbare Arbeits-plätze gehören.

    „Die Kunden haben den Sieg mitbekom-men und uns ein positives Feedback gege-ben. Wenn sie zu uns kommen, schauen sie sich auch die Maßnahmen an“, stellt Kaluza heraus. Eine Reaktion von einem Wettbewerber direkt gab es zwar nicht, aber Kaluza ist sich sicher, dass sie davon gehört haben. Abschauen störe ihn nicht, die Prävention in der Branche sei wichtig. In der Nachwuchsgewinnnung sieht sich der Betrieb ebenfalls stark aufgestellt. „Das Gesamtkonzept ist wichtig, aber der Preis trägt dazu bei“, sagt Kaluza.

    Wirkung nach innen Über den Sieg informierte der Betrieb auch seine Beschä� igten im internen Ma-gazin. „Die Mitarbeiter waren stolz da-rauf“, erinnert sich der Geschä� sführer. Ihr Preisgeld hat die EAB–G. Sandow GmbH übrigens in weitere Präventions-maßnahmen gesteckt: Neue Stühle mit Seitenlehnen im Pausen- und Schulungs-raum sollen ein ordentliches Sitzen ge-währleisten. Zudem wurden weitere Sitzkissen angescha� .

    Zeit für Ideen Sie verbessern Arbeitsabläufe? Sie sorgen für mehr Sicher-heit? Sie fördern die Gesund-heit Ihrer Beschä� igten?

    Dann sind sie hier richtig – beim Präventionspreis der BG ETEM.

    Zeigen Sie uns Ihre Ideen und Konzepte und gewinnen Sie einen von sechs Geldpreisen über 5.000 Euro. Am Ende winkt zusätzlich ein Publi-kumspreis über 3.000 Euro.

    Die an einem prämierten Beitrag beteiligten Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten Sachpreise.

    Bewerbungen bis 31. Januar 2018 an: BG ETEM Stichwort Präventionspreis Gustav-Heinemann-Ufer 130 50968 Köln [email protected]

    Jetzt bew erben!

    #pp2018 www.bgetem.de, Webcode 12746915

    mailto:[email protected]://www.bgetem.de/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/praeventionspreis/praeventionspreis-gute-ideen-fuer-den-arbeits-und-gesundheitsschutz

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    betrieb & praxis

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    Laser-Strahlschmelzen und Laser-Sintern

    Auf den Partikel kommt es an: Sic herer Umgang mit Pulverstaub! Laser-Strahlschmelzen und Laser-Sintern zählen zu den Additiven Fertigungs-verfahren, die insbesondere im industriellen Bereich genutzt werden. Anwendung finden sie überwiegend für die Fertigung von Einzelteilen und Kleinserien. Treten dabei unbekannte neue Risiken auf?

    Mit dem Laserschmelzen können ohne Gussformen komplexe Bauteile aus pulverförmigen Ausgangsmaterialien aufgebaut werden.

    In der Praxis werden die Begriffe Laser- Strahlschmelzen und Laser-Sintern häu-fig synonym genutzt. Im Unterschied zum Laser-Strahlschmelzen, bei dem Material-partikel komplett aufgeschmolzen werden, wird beim Laser-Sintern nur die Oberfläche der Partikel angeschmolzen. Gemeinsa-mes Merkmal beider Verfahren ist der schichtweise Aufbau dreidimensionaler Strukturen mittels eines Lasers aus einem pulverförmigen Ausgangsstoff.

    Laser-Strahlschmelzen wird im Bereich des Prototypen- und Werkzeugformen-baus angewendet. Zunehmend findet das Verfahren auch Anwendung in der Serien-fertigung von hochwertigen Leichtbautei-len in der Luft- und Raumfahrt, Auto- mobiltechnik, Dentaltechnik (Zahnersatz,

    Implantate), Maschinenbau sowie in zahl-reichen anderen Branchen.

    Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Fertigungsverfahren ist der geringere Mate-rialverbrauch. Zu den Einschränkungen zählen die begrenzte Werkstückgröße und der langsame Druckprozess.

    Das Verfahren Jeder additive Fertigungsprozess besteht aus einem Pre-, In- und Post-Prozess (siehe etem 4/2017, S. 13). Zum Pre-Prozess zäh-len Datenvorbereitung, Erzeugung von Zu-satz- und Hilfsgeometrien, Anordnen der Bauteile im Bauraum, Schichtdatengene-rierung und Anlagenvorbereitung. Häufig werden die pulvrigen Ausgangsmaterialien vor dem Einsatz gesiebt.

    Der eigentliche Druckprozess wird als In-Prozess bezeichnet. Als Beispiel eines Verfahrentyps für das Laserstrahl-Schmelz-verfahren ist das Pulverbettverfahren sche-matisch dargestellt. Der gesamte „Druck- prozess“ findet unter Argon- oder Stick-stoffatmosphäre in einer dicht verschlos-senen Kammer innerhalb der Anlage statt.

    Das pulverförmige Ausgangsmaterial wird aus dem Vorratsbehälter als dünne Schicht auf einer Bauplattform aufgetra-gen und entsprechend den programmier-ten Daten mittels eines oder mehrerer Laser an bestimmten Stellen verschmol-zen. Die Bauplattform wird um die jewei-lige Druckschichtdicke abgesenkt und mit einer neuen Materialpulverschicht be-deckt, die mittels Laserstrahl lokal mit der vorhergehenden Schicht verschmolzen wird. Auf diese Weise entsteht ein dreidi-mensionales Werkstück. Erwünschte Hohl-räume bleiben mit nicht-verschmolzenem Materialpulver gefüllt. Dieses muss im Post-Prozess entfernt werden.

    Im Post-Prozess werden von den Werk-stücken neben den Pulverrückständen ggf. Stützkonstruktionen entfernt. Es kön-nen mechanische Nachbehandlungen und Wärmebehandlungen erforderlich sein.

    Ausgangsmaterialien und deren Gefährdungen Häufig werden pulverförmige Ausgangs-materialien aus Aluminium und Titan so-wie deren Legierungen verwendet. Ebenso können weitere Metalllegierun-gen z. B. Edelstahl, Chrom-Cobalt-Molyb-dän-Legierungen und in selteneren Fällen auch Kunststoffe eingesetzt werden.

    Da es sich um feine Pulver mit geringen Partikelgrößen handelt, sind bei der Ge-fährdungsbeurteilung die möglichen Ge-

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    fahren zu berücksichtigen, die von Stäuben ausgehen können. Dabei kann es sich um physikalisch-chemische Gefähr-dungen (z. B. Brand- und Explosionsge-fährdungen) und um Gesundheitsgefähr- dungen durch Einatmen (inhalative Expo-sition) oder durch Hautkontakte (dermale Exposition) handeln.

    Sind Partikel kleiner als 100 µm, gelten sie als einatembar. Bei weniger als 10 µm sind sie alveolengängig. Das heißt, sie können aufgrund ihrer geringen Größe bis in die Lungenbläschen vordringen. Bei Tä-tigkeiten mit dem pulverförmigen Aus-gangsmaterial muss somit mindestens der Allgemeine Staubgrenzwert für die alveo-lengängige Fraktion (A-Fraktion: 1,25 mg/ m³) und die einatembare Fraktion (E-Frak-tion: 10 mg/m³) eingehalten werden.

    Darüber hinaus ist zu prüfen, ob weitere stoffspezifische Gefährdungen und Luft-grenzwerte beachtet werden müssen. Dazu zählen z. B Arbeitsplatzgrenzwerte, Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen bzw. Beurteilungsmaßstäbe krebserzeu-gender Metalle. Der Gesetzgeber veröffent-licht solche Werte in

    der TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“, ▪ der TRGS 910 „Risikobezogenes Maß-nahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ und

    ▪ der TRGS 561 „Tätigkeiten mit krebser-zeugenden Metallen und ihren Verbin-dungen“.

    Bei der Verarbeitung von reaktiven Metall-pulvern (z. B. Aluminium) kann sich bei Umfüllvorgängen oder Reinigungsarbeiten ohne wirksame Absaugung eine explosi-onsfähige Atmosphäre ausbilden. Bei Kon-takt dieser Stoffe mit Wasser, z. B. in Nass- abscheidern, entsteht Wasserstoff – eben-

    falls ein Explosionsrisiko. Ein weiteres Brand- bzw Explosionsrisiko geht von be-stimmten Materialkombinationen (z. B. Aluminium/Eisenoxid) aus, die unter star-ker Hitzeentwicklung miteinander reagie-ren können. Dies ist z. B. beim Filterwechsel zu beachten. Darüber hinausgehende In-formationen zu besonderen Gefahren und Schutzmaßnahmen können mithilfe des Sicherheitsdatenblattes oder z. B. der Ges- tis-Stoffdatenbank oder Gestis-Staub-Ex- Datenbank ermittelt werden.

    Schutzmaßnahmen Beim bestimmungsgemäßen Druckpro-zess wird die Freisetzung von Gefahrstof-fen (Schweißrauche und Inertgas) durch eine geeignete und dichte Einhausung mi-nimiert. Auch der Schutz vor den z. T. hoch-energetischen Laserstrahlen ist dadurch sichergestellt.

    Insbesondere bei der Arbeitsvorberei-tung und Nachbereitung muss bei manuel-len Tätigkeiten mit einer Gefahrstoffexpo- sition gerechnet werden. Grundsätzlich sollte möglichst staubarm gearbeitet wer-den. Dazu kann der Hersteller konfektio-nierte Pulverkassetten bereitstellen. Mög- lich ist auch die Verwendung geschlosse-ner Systeme für das Sieben. Falls erforder-lich ist die Umsetzung weiterer Schutz- maßnahmen zu prüfen, wie z. B. Einhau-sung, Absaugung oder ergänzend raum-lufttechnische Maßnahmen. Um Verschlep- pungen in nicht belastete Bereiche zu ver-meiden, sollten Pulverreste nach Ab-schluss des Druckprozesses umgehend aus der Anlage entfernt werden.

    Anlagenbedingt kann die Reinigung des Werkstückes durch eine integrierte abgeschlossene Box, der sogenannten

    Glovebox möglich sein. Muss die Einhau-sung für die Reinigung geöffnet werden, ist mit einer inhalativen und dermalen Ex-position zu rechnen. Auch bei diesem Vor-gang muss staubarm gearbeitet werden. Das heißt, dass Abblasen der Anlage und des Werkstückes mit Druckluft nicht ge-stattet ist (siehe GefStoffV Anhang I Num-mer 2.3 Absatz 6).

    Für die Reinigung müssen deshalb ge-eignete Industriestaubsauger eingesetzt werden (DGUV-Information 209-084). Da es sich um brennbare Stäube handelt, muss sichergestellt werden, dass keine Zündquellen eingesaugt werden und dass im Staubsauger der staubbeladene Be-reich frei von inneren Zündquellen ist. Au-ßerdem sollte der Staubsauger spätestens am Schichtende entleert werden.

    Bei Bedarf müssen ein geeigneter Atem-schutz gegen Partikel (mindestens FFP2) und geeignete Handschuhe getragen wer-den. Diese sollten staubdicht und bezüg-lich des eingesetzten Materialpulvers chemikalienbeständig sein. Das sollte mit dem Handschuhhersteller abgeklärt wer-den. Zur Vermeidung von Verschleppungen sollte die geschlossene Arbeitskleidung separat von der Alltagskleidung aufbe-wahrt werden.

    Entsorgung Die Entsorgung von Altpulver, Reinigungs-rückständen, Filtern, Behältnissen sowie Flüssigkeiten aus Nassabscheidern muss gemäß den gesetzlichen Vorgaben und in Absprache mit dem Entsorger durchge-führt werden. Gefahrstoffverordnung so-wie Kreislauf- und Abfallgesetz sind zu berücksichtigen.

    Dr. Susanne Causemann, Ulf Steinmaier

    → ▪

    X-Y-Scanner (Spiegel)

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    Vorratsbehälter

    Schematische Darstellung des Laserstrahlschmelzens nach dem Pulverbettverfahren.

    betrieb & praxis

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    info Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) unter www.baua.de

    DGUV Information 209-084 „Industrie-staubsauger und Entstauber“ zum Download: www.dguv.de/publikationen, Suchbegriff: DGUV Information 209-084 Gestis-Stoffdatenbank unter www.dguv.de/ifa/gestis Gestis-Staub-Ex-Datenbank unter http://staubex.ifa.dguv.de VDI 3405 Additive Fertigungsverfahren; Grundlagen, Begriffe, Verfahren VDI 3405 Blatt 2 Additive Fertigungsver-fahren, Strahlschmelzen metallischer Bauteile, Qualifizierung, Qualitätssiche-rung und Nachbearbeitung

    https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRGS/TRGS.html;jsessionid=FA3CF1508187C6296F69DF3B0DE64380.s1t1https://www.bghm.de/fileadmin/user_upload/Arbeitsschuetzer/Gesetze_Vorschriften/Informationen/209_084.pdfhttp://www.dguv.de/ifa/gestis/gestis-stoffdatenbank/index.jsphttp://staubex.ifa.dguv.de/https://www.vdi.de/nc/richtlinie/vdi_3405-additive_fertigungsverfahren_grundlagen_begriffe_verfahrensbeschreibungen/https://www.vdi.de/nc/richtlinie/vdi_3405_blatt_2-additive_fertigungsverfahren_strahlschmelzen_metallischer_bauteile_qualifizierung_/

  • Elektrofachkraft im Betrieb

    Qualifikation feststellenBeschäftigte mit elektrotechnischer Berufsausbildung sind nicht automatisch Elektrofachkräfte.

    Um Unfälle zu vermeiden, legt die Un-fallverhütungsvorschrift „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ (DGUV Vor-schrift 3) die Schutzziele für den Betrieb und die zulässigen Arbeiten an elektri-scher Anlagen fest. Die Anforderungen an

    Arbeiten an einem geöffneten Schaltschrank im spannungsfreien Zustand.

    die Qualifikation der Beschäftigten sind dazu ein zentrales Element. Die Festle-gung, nur ausreichend qualifiziertes Per-sonal mit dem Errichten, Ändern oder Instandhalten elektrischer Anlagen und Betriebsmittel zu beauftragen, verfolgen

    sowohl die DGUV Vorschrift 3 als auch die darin in Bezug genommene „Elek- trotechnische Regel“ DIN VDE 0105-100 „Betrieb von elektrischen Anlagen“. Mit diesem Vorgehen werden Unterneh-mer sowohl dem Auftrag aus § 7

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    betrieb & praxis

  • „Befähigung für Tätigkeiten“ der DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“, als auch dem Arbeitsschutzgesetz hin-sichtlich der Übertragung von Aufgaben und Pflichten gerecht und kommen damit ihrer Auswahlverantwortung nach.

    Historie Seit der Nutzung elektrischer Energie sind Arbeiten an Anlagen und Betriebsmitteln nur spezialisiertem Personal vorbehalten. Schon in den Sicherheitsvorschriften für den Betrieb elektrischer Starkstromanla-gen von 1903 – dem Vorläufer der heuti-gen VDE 0105-100 – setzte § 8 für Arbeiten „Instruiertes Personal“ voraus. Die allge-meinen Unfallverhütungsvorschriften von 1911 führen den Begriff „unterwiesenes Personal“ ein.

    In der 1962 veröffentlichten Unfallver-hütungsvorschrift „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ werden dann die bis heute gültigen Anforderungen mit dem Begriff „Elektrofachmann“ verbunden. 1979 ist es dann so weit. Neben anderen wichtigen Änderungen wurde aus Elektro-fachmann der weitreichende und allge-mein gültige Begriff „Elektrofachkraft“.

    Anforderungen Führungskräfte sind oft unsicher, wann Beschäftigte die Voraussetzungen erfül-len, um ihnen elektrotechnische Arbeiten übertragen zu können. Diese Beschäftig-ten müssen die ihnen übertragenen Ar-beiten beurteilen, Gefahren erkennen und notwendige Sicherheitsmaßnahmen ei-genverantwortlich umsetzen und anwen-den können. Sie müssen die Sicherheit bei der Durchführung von Arbeiten und den anschließenden sicheren Betrieb der elektrischen Anlagen oder Betriebsmittel gewährleisten.

    Im Unternehmen ist im Rahmen der Auswahlverantwortung zu beurteilen, ob infrage kommende Beschäftigte die erfor-derliche Qualifikation besitzen. Mit der Übertragung von Arbeiten übernehmen diese Beschäftigten auch die Fachverant-wortung für ihren jeweiligen elektrotech-nischen Arbeitsbereich.

    Die Beurteilungsgrundlage ist sowohl in der Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vor-schrift 3 als auch in der VDE 0105-100 zu finden. Beide definieren inhaltsgleich die Qualifikationsanforderungen wie folgt: Als Elektrofachkraft gilt, wer aufgrund seiner:

    fachlichen Ausbildung, ▪▪ Kenntnisse und Erfahrungen sowie

    Kenntnis der einschlägigen Bestim- mungen

    die ihm übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann.

    Der Begriff „Elektrofachkraft“ bezeich-net keinen erworbenen Bildungsab-schluss. Der erfolgreiche Abschluss einer in Deutschland möglichen elektrotechni-schen (Berufs-)Ausbildung – zum Beispiel zum Gesellen, staatlich geprüften Techni-ker, Handwerksmeister, Diplom-Ingenieur, Bachelor oder Master – ist zwar eine gute Hilfestellung bei der Beurteilung der fach-lichen Ausbildung, aber als alleinige Vor-aussetzung zur Beurteilung der Qualifi- kation nicht ausreichend.

    Beschäftigte mit elektrotechnischer (Berufs-)Ausbildung sind demnach nicht automatisch Elektrofachkräfte. Aufgrund der Breite und Tiefe der elektrotechni-schen Aufgabenstellungen ist es in der Re-gel nicht möglich, Elektrofachkraft für alle Teilgebiete der Elektrotechnik zu sein. Zum Beispiel kann ein Elektroniker oder eine Elektronikerin Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik im Regelfall unmit-telbar nach erfolgreich bestandener Prüfung nicht umfassend die Errichtungs-bestimmungen im Hochspannungsbe-reich kennen und umsetzen.

    Qualifizierung im eigenen Betrieb Auch firmenintern weiterqualifizierten Be-schäftigten können elektrotechnische Ar-beiten und damit die Fachverantwortung für ein überschaubares Teilgebiet übertra-gen werden. Die Durchführungsanwei-sung zu § 2 der DGUV Vorschrift 3 drückt die Möglichkeit aus, die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen auch in Form einer mehrjährigen Tätigkeit auf dem be-treffenden Arbeitsgebiet zu erlangen. Hierzu erforderlich ist eine Beurteilung der erworbenen Fachkunde in Theorie und Praxis, die in der Regel durch Fachvorge-setzte vorzunehmen ist. Der Nachweis ist zu dokumentieren.

    Unternehmensverantwortung Oftmals sind in größeren Unternehmen die disziplinarischen Vorgesetzten elek- trotechnische Laien. Diese können weder fachliche elektrotechnische Anweisungen geben, noch können sie die elektrotech-nische Kompetenz von Beschäftigten be-urteilen. Aufgrund ihrer betrieblichen Organisationsverantwortung benötigen sie die Unterstützung einer Elektrofach-kraft. Diese oftmals in leitender Position

    tätige Person beurteilt dann, ob Beschäf-tigte für den zu übertragenden elek- trotechnischen Tätigkeitsbereich ausrei-chend qualifiziert sind.

    Qualifikation erhalten Auch bei ausgebildeten und langjährig aktiven Elektrofachkräften ist es sinnvoll, den Qualifikationsumfang zu überprüfen. Es gibt viele Gründe, warum die bereits erworbene Qualifikation als Elektrofach-kraft nicht mehr vorliegt – zum Beispiel vernachlässigte Weiterbildung, Arbeitge-ber-/Tätigkeitswechsel, längerer fach-fremder Einsatz. Zudem entwickeln sich Technik und Normung weiter. Das erfor-dert eine kontinuierliche Fortbildung. Mit dem Studium einschlägiger Fachbeiträge, dem fachlichen Austausch sowie der er-folgreichen Teilnahme an fachbezogenen Seminaren, zum Beispiel bei der BG ETEM, kann bei praktischer elektrotechnischer Berufsausübung die erworbene Qualifika-tion als Elektrofachkraft erhalten bleiben.

    Hans-Peter Steimel

    Info

    Hilfestellungen zur Einschätzung der fachlichen Eignung von einzu-stellenden Beschäftigten, die ihre elektrotechnische Ausbildung im Ausland erworben haben: ▪ DGUV Vorschrift 3 (bisher BGV A3)

    „Elektrische Anlagen und Be-triebsmittel

    ▪ DGUV Regel 103-011 „Arbeiten un-ter Spannung an elektrischen An-lagen und Betriebsmitteln“

    ▪ DGUV Grundsatz 303-001 (bisher BGG 944) „Ausbildungskriterien für festgelegte Tätigkeiten im Sinne der Durchführungsanwei-sung zur Unfallverhütungsvor-schrift Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“

    IVSS-Leitlinie zur Beurteilung der Befähigung von Elektrofachkräften

    ▪ DIN EN 50191 (VDE 0104) „Errich-ten und Betreiben elektrischer Prüfanlagen“

    ▪ DIN VDE 0105-100 (VDE 0105-100) „Betrieb von elektrischen Anla- gen – Teil 100 Allgemeine Festle- gungen“

    Erläuterungen zur VDE 0105-100, VDE-Schriftenreihe Band 13

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    http://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=24164http://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=24031http://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=23133http://etf.bgetem.de/htdocs/r30/vc_shop/bilder/firma53/ivss_04d_a01-2006_neu.pdf

  • Kamerabewegungssysteme

    Scharfer Schwenk? Aber sicher! Der Einsatz von Kamerabewegungssystemen ist mit erheblichen Gefährdungen verbunden. Beschäftigte am Set müssen bereits vor der ersten Klappe wissen, wo Risiken lauern.

    Bei Filmproduktionen werden je nach Szene sehr unterschiedliche Kamera- krane und -bewegungssysteme einge-setzt. Dies können unter anderem

    Pumpensysteme, Kamerakrane (bemannt, unbemannt, starr, teleskopierbar, mit fahrbarer Ba-sis), Seilsysteme, Schienensysteme, frei fliegende Systeme oder Robotiksysteme (voll automatische Sys-teme) sein.

    Bei der Auswahl werden die Einsatzbedin-gungen und die vorherige Gefährdungs-beurteilung berücksichtigt.

    Kamerabewegungssysteme müssen si-cher verwendet werden können. Es soll-ten deshalb immer geeignete und geprüfte Kamerabewegungssysteme ein-gesetzt werden, an denen ausschließlich qualifiziertes Personal in ausreichender Anzahl eingesetzt wird. Die Verwendung umfasst den Transport, den Auf- und Ab-

    bau, die Prüfung und den eigentlichen Einsatz. Eine vorausschauende Planung und sorgfältiges Vorgehen sind ebenso wichtig wie sicherheitsbewusstes Verhal-ten am Produktionsort und die Umset-zung wirksamer Schutzmaßnahmen.

    Transport Beim Transport von Kamerabewegungs-systemen muss das Material so gesichert werden, dass Gefährdungen von Perso-nen und Transportschäden vermieden werden. Die Wege und Zufahrten zum Ver-anstaltungs- oder Produktionsort sollen für den Einsatz von Fahrzeugen und Trans-porthilfsmitteln geeignet sein, um manu-elles Tragen zu vermeiden. Entsprechende Hilfsmittel müssen den Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden. Auftraggeber und Auftragnehmer sind verpflichtet, sich vor dem Einsatz von Kamerabewegungs-systemen darüber zu verständigen, wer für die Bereitstellung von geeignetem Per-sonal zum Be- und Entladen zuständig ist.

    Kamerakran mit Dolly-Fuß in Bewegung

    Multikopter

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    Auf- und Abbau Für den Auf- und Abbau der Systeme müs-sen eine ausreichende Zahl qualifizierter Personen, eine ausreichende Zeitspanne und ein geeigneter Ort zur Verfügung ste-hen. Für den Auf- und Abbau sind die Mon-tagevorgaben der Hersteller bindend. Während dieser Arbeiten sind die Kamera-bewegungssysteme so zu sichern, dass unbeabsichtigte Bewegungen zum Bei-spiel Umstürzen verhindert werden.

    Für den Auf- und Abbau oder die Über-wachung der Montage von hängenden Systemen ist eine besondere Qualifikation erforderlich. Sie muss mindestens das Be-herrschen der Grundsätze der DGUV Infor-mation 215-313 „Lasten über Personen“ (siehe „info“) und des IGVW Standards SQQ2 „Sachkundiger für Veranstaltungs-rigging“, Level 1, umfassen.

    Die Belastbarkeit des Bodens bezie-hungsweise die Tragfähigkeit von Unter-konstruktionen unter dem Kamerabewe- gungssystem müssen bekannt und aus-

  • reichend bemessen sein. Der Auftragge-ber steht für den entsprechenden Nach- weis in der Pflicht. Die Vorgaben des Her-stellers und des Auftragnehmers sind da-bei zu berücksichtigen.

    Auswahl des Standortes/ Einsatzortes Der Standort des Kamerabewegungssys-tems soll möglichst so gewählt werden, dass sich keine Hindernisse oder Perso-nen, außer den szenisch bedingten, im Aktionsbereich befinden. Es ist zu berück-sichtigen, ob das Kamerabewegungssys-tem für den Einsatz über Personen geeignet ist.

    Der Bewegungsbereich des Bedien- personals, zum Beispiel Kamerakran-schwenkerinnen und -schwenker, Dolly-fahrerinnen und -fahrer oder steuernde Personen, muss eben, rutschhemmend und frei von Personen und Hindernissen sein. Bei Veranstaltungen empfiehlt es sich, diesen Bereich abzusperren. Eine freie Sicht auf den Aktionsbereich ist er-forderlich. Flucht- und Rettungswege müssen jederzeit freigehalten werden.

    Einsatz Der Einsatz von Kamerabewegungssyste-men an unterschiedlichen Veranstal-tungs- oder Produktionsstätten richtet sich nach den jeweiligen Gegebenheiten. Die zulässigen Bewegungsvorgänge sind nach dem Grad der Gefährdung festzule-gen. Das Bedienpersonal muss bei allen Bewegungen der Kamerabewegungssys-teme darauf achten, dass es sich und an-dere Personen nicht gefährdet.

    Die Betriebsabläufe bei der Bewegung maschinentechnischer Einrichtungen müs-

    sen so organisiert werden, dass sie für das Bedienpersonal sicher beherrschbar sind. Die Beherrschbarkeit kann durch störende Einflüsse eingeschränkt werden. Hierzu gehören beispielsweise ▪ eine Vielzahl gleichzeitiger und/oder

    unterschiedlicher Bewegungsabläufe, ▪ schlechte Sichtbedingungen auf die

    auszuführenden Bewegungen, zu viele und/oder nicht eindeutige An-weisungen, Informationen, Signale,

    Kamerasystem mit vier Seilen (mit vier Winden gesteuert)

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    Lineares Kamera- system an zwei Tragseilen

    nicht sinnfällig (intuitiv verständlich) ge-staltete Bedienoberflächen.

    Gefährdungsbeurteilung/ Schutzmaßnahmen Der Arbeitgeber, der jeweilige Vorgesetzte bzw. die verantwortliche Person müssen die Sicherheit und die Gesundheitsgefah-ren der Beschäftigten im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung beurteilen. Sie müssen entsprechende Maßnahmen zum

  • Foto

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    Schutz der Beschäftigten, für das Kamera-bewegungssystem und dessen Betrieb festlegen. Vorrangig sind dies Maßnahmen

    zum Schutz von Personen im Gefahren-bereich, zum Beispiel Kraftbegrenzung,

    ▪ steuerungstechnische Maßnahmen oder ▪ sensorgesteuerte Schutzeinrichtungen. ▪ Auch organisatorische Maßnahmen, wie

    Zutrittskontrollen und Sperrzonen, kön-nen getroffen werden.

    Die Gefährdungsbeurteilung soll sich auf die wesentlichen Gefährdungen be-schränken und die tatsächlichen Verhält-nisse berücksichtigen. Sie sollte für Kamerabewegungssysteme in der Regel in mehreren Schritten erfolgen:

    ▪ systemseitige Risikobeurteilung des Her-stellers der Kamerabewegungssysteme mit den daraus abgeleiteten arbeitsmit-telbezogenen Sicherheitshinweisen,

    ▪ generelle Gefährdungsbeurteilung für die Veranstaltung und Produktion,

    ▪ Einsatzbedingungen, Besonderheiten der Produktionsstätte, Aufnahmesitua-tionen unter Berücksichtigung der sze-nischen Anforderungen.

    Durch unbeabsichtigte oder unbeaufsich-tigte Steuerbefehle, beispielsweise wäh-rend des Einrichtbetriebs – besonders über die M2M-Schnittstelle –, sind Bewe-gungen möglich, ohne dass hierfür der Ge-fahrenbereich ausreichend gesichert ist. Deshalb dürfen Bewegungen nur möglich sein, wenn eine übergeordnete Befehls- einrichtung, zum Beispiel eine Zustimm- einrichtung, aktiviert ist.

    Die Anforderungen an die Sicherheit der Steuerung umfassen insbesondere fol-gende Funktionen: ▪ Kameraroboter müssen mit einer oder

    mehreren Not-Halt-Einrichtungen aus-gerüstet sein. Nach Entriegelung des Not-Halt-Befehlsgerätes darf die Anlage nicht unmittelbar wieder anlaufen. Erst nach einem weiteren Startbefehl darf das System wieder starten.

    ▪ Die Not-Halt-Funktion muss unabhängig von der Betriebsart jederzeit verfügbar und betriebsbereit sein und sollte auf Hardware-Ebene softwareunabhängig geschaltet werden.

    ▪ Auch tragbare Steuereinheiten müssen mit Not-Halt-Tastern versehen sein.

    ▪ Befehlseinrichtungen mit selbsttätiger Rückstellung, sogenannte Totmann-schalter.

    Sicherheitsrelevante Funktionen müs-sen sicherheitsgerichtet bereitgestellt werden, zum Beispiel Redundanz oder Selbstüberwachung.

    Beim ersten auftretenden Fehler muss ein sicherer Zustand hergestellt werden.

    Die allgemeinen Anforderungen an Kons- truktion und Betrieb sind mindestens die der jeweiligen Kamerabewegungssys-teme. Grundsätzlich müssen die Systeme den Anforderungen der jeweils aktuellen Maschinenrichtlinie, hier RL 2006/42/EG, sowie der DIN 56950-1 für Veranstaltungs-technik entsprechen. Für die Konformitäts-erklärung des Gesamtsystems ist der Sys- temlieferant beziehungsweise der Sys- temintegrator verantwortlich.

    Befinden sich mehrere Robotiksysteme in einem Studio oder bilden verschiedene Maschinen eine neue Gesamtmaschine, so muss es für den Benutzer eine zentrale Befehlseinrichtung und Not-Halt-Taster geben. Sieht die Gefährdungsbeurteilung die Installation zusätzlicher, örtlich ge-trennter Not-Halt-Taster, beispielsweise an den Geräten, im Studio und am Be- dienplatz, vor, so müssen sie alle zentral schalten und über eine übergeordnete Schaltlogik für die Wiederinbetriebnahme verfügen.

    Die Robotiksysteme dürfen nur von qualifiziertem und autorisiertem Personal bedient werden. Während der Abwesen-heit des Bedienpersonals müssen die Systeme gegen unbefugte Benutzung, auch über die M2M-Schnittstelle, gesi-chert werden. Kathrin Kraft

    Teleskopkran mit Ein-Mann-Bediener

    Klassische Kamerapumpe im Studiobetrieb

    info Die Fachinformation „Kamerabewegungs-systeme“ von BG ETEM und VBG (MB 036) steht bereit unter www.bgetem.de, Web-code 17359932. Sie enthält beispielhafte Dokumentationen von Gefährdungsbeur-teilungen für Kamerakrane und Multikop-ter. Die DGUV Information „Lasten über Per-sonen“ kann angefordert werden unter publikationen.dguv.de, Suche „215-313“

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    https://www.dthg.de/resources/DGUV_Information_215_313.pdfhttp://etf.bgetem.de/cgi-bin/r30msvcshop_detail_anzeige.pl?&var_hauptpfad=../htdocs/r30/vc_shop/&var_fa1_select=var_fa1_select||53|&var_te1=3085|&var_html_folgemaske=r30msvcshop_detail_anzeige_neu_ergebnis.html

  • Praxisbeispiel

    Mehr Zeit für Arbeitsschutz Wie Fernmeldebau Baumann seine Beschäftigten auf Sicherheit einschwört und in der Folge die Unfall-zahlen zurückgehen.

    Bei Fernmeldebau Baumann wurde auch die Form der Unterweisungen überdacht.Foto

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    Die Fernmeldebau Baumann GmbH ist im Bereich der Elektroinstallation, der Kabelmontage sowie im Freileitungs- und Stationsbau aktiv. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen trotz zahlreicher organisatorischer Arbeits- und Gesund-heitsschutzmaßnahmen – darunter auch ein zertifiziertes Arbeitsschutzmanage-mentsystem – eine Reihe von Unfällen zu verkraften. Damit wollte sich die Ge-schäftsführung nicht abfinden.

    Auf Initiative des Unternehmens wurde in Gemeinschaft mit Kunden, Partnern und der BG ETEM eine umfassende Analyse der Ist-Situation des Arbeitsschutzes betrie-ben. Das Ergebnis war überraschend: „Uns wurde bewusst, dass wir eine ganz neue Präventionskultur im Unternehmen aufbauen müssen. Wir werden langfristig mehr Zeit und Energie in die Kommunika-tion des Arbeits- und Gesundheitsschut-zes investieren“, sagt Geschäftsführer Thomas Baumann.

    Intensive Gespräche Mit jedem einzelnen Beschäftigten wurde ein intensives Sicherheitsgespräch ge-führt. Darin sei die Bedeutung der Ge-sundheit des Mitarbeiters für ihn selbst, für seine Familie, sein gesamtes soziales Umfeld aber auch für das Unternehmen verdeutlicht worden. Die Botschaft: „Jeder ist in vielen Lebensbereichen wichtig“.

    Jedem Beschäftigten sei bewusst gewor-den, dass er persönlich – ob Vorgesetzter oder Mitarbeiterin oder Mitarbeiter – Ver-antwortung für seine Kolleginnen und Kol-legen trägt. „Niemand soll unsichere Arbeitsweisen hinnehmen. Der Arbeits-schutz ist jede Arbeitsunterbrechung wert“, proklamiert Baumann.

    Arbeitsschutz ist vor allem Führungs-aufgabe. Alle Pflichtenübertragungen wurden überarbeitet, klar formuliert und vermittelt. „Ich will, dass sich jede Füh-rungskraft ihrer Verantwortung bewusst

    ist“, betont Baumann. Deshalb habe ein Psychologe alle Vorgesetzten in Sachen Präventionskultur geschult. Dies soll ih-nen im rauen Baugeschäft helfen, in der Kommunikation mit den Mitarbeitern den Arbeitsschutz überzeugend zu vermitteln.

    Bessere Unterweisungen Personalleiter Johannes Mecking erklärt dazu: „Wir haben festgestellt, dass wir Tonfall, Inhalt und Botschaft unserer Un-terweisungen verbessern müssen.“ Alle Mitarbeiter erfuhren eine komplette Neu-unterweisung.

    Hierbei wurde der sonst übliche Vor-tragsstil durch eine echte Diskussion mit den Teilnehmern ersetzt. Mecking weiter: „Wir wollen zukünftig weniger Masse und mehr Klasse in eine Unterweisungseinheit bringen. Das heißt häufiger kürzere, präg-nante Unterweisungen.“

    Zudem wurde zusätzlich zur betriebsei-genen Sicherheitsfachkraft eine externe SiFa bestellt. „Denn wir wollen nicht in die Falle der Betriebsblindheit tappen“ er-klärt die Geschäftsführung.

    Im Zuge des „Umbaus“ der Arbeitssicher-heit wurden auch echte Baumaßnahmen ergriffen. Dem Betrieb steht jetzt ein mo-derner Schulungsraum zur Verfügung, in dem Schulungen, Unterweisungen und praktische Übungen z. B. mit Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz angebo-ten werden.

    Fördern und fordern Neben so viel Förderung im Arbeitsschutz richtet das Unternehmen auch strenge For-derungen an alle Beschäftigten. Baumann: „Wir erwarten, dass sich alle Mitarbeiter an unsere Arbeits- und Gesundheitsschutz-vorgaben halten.“ Zukünftig werde jeder Verstoß gegen den Arbeitsschutz analy-siert und unter Umständen auch arbeits-rechtliche Konseque