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654 Bayerisches Ärzteblatt 10/2005 Titelthema Die Prävalenz des atopischen Ekzems (Neuro- dermitis) liegt in Deutschland bei Erwachsenen bei etwa drei Prozent, bei Vorschulkindern bei über zehn Prozent (Schäfer 2003, Williams 1999) – mit steigender Tendenz. Dabei reicht das Spektrum der Erkrankung von milden, symp- tomarmen Formen über wechselhafte Verläufe mit regelmäßigen Exazerbationsphasen bis hin zu den schweren Verlaufsformen, die charakteri- siert sind durch disseminierten Befall, die Not- wendigkeit ununterbrochener intensiver Therapie und erhebliche Einschränkungen im Alltag. Dabei überwiegen – insbesondere unter den betroffe- nen Kindern – die milden Formen (Emerson et al. 1998, Dotterud et al. 1995). Weitgehend unab- hängig vom objektiv fassbaren Schweregrad der Erkrankung stellt die Neurodermitis in vielen Fäl- len eine erhebliche psychosoziale Belastung dar. Viele Betroffene sind verunsichert durch vielfälti- ge und zum Teil widersprüchliche Informationen. Ein ganzheitliches Therapiekonzept umfasst ne- ben einer stadiengerechten Therapie die Aufde- ckung individuell relevanter Provokationsfaktoren und deren Vermeidung – Abbildung 1 (Abeck 2002, Ring 1998). Prävention Die Offensichtlichkeit der Hauterkrankung trägt zur Sensibilisierung der Bevölkerung und werdender Eltern im Besonderen bei. Die Frage nach Möglichkeiten der primären Prävention – „was können wir tun, damit un- ser Kind nicht erkrankt“ – wird daher nicht nur von Eltern aus vorbelasteten Familien ge- stellt. Obwohl verschiedene epidemiologische Stu- dien Faktoren identifizieren konnten, die mit einer größeren Wahrscheinlichkeit des Auf- tretens eines atopischen Ekzems assoziiert sind, gibt es nur wenige gesicherte Möglich- keiten einer aktiven Primärprävention. Der wichtigste Risikofaktor für die Entwick- lung atopischer Erkrankungen ist die geneti- sche Prädisposition. Während das Erkran- kungsrisiko in Mitteleuropa insgesamt bei et- wa zehn Prozent liegt, steigt die Wahrschein- lichkeit, an Neurodermitis zu erkranken, bei einem an Neurodermitis erkrankten Elternteil oder Geschwisterkind bereits auf 20 Prozent, leiden Verwandte ersten Grades an Asthma oder Heuschnupfen ist das Risiko ebenfalls deutlich erhöht (Tabelle 1). Rauchen In einer multivarianten Analyse der Daten von 421 Kindern und deren Müttern ergab sich, dass das Rauchen in der Schwanger- schaft und Stillzeit die Rate atopischer Er- krankungen (Typ-I-Sensibilisierungen im Prick-Test, Neurodermitis, Asthma bronchia- le, allergische Rhinitis) erhöht (52,2 Prozent Raucherinnen versus 35,7 Prozent Nicht- Raucherinnen). Die Unterschiede waren für die Manifestation des atopischen Ekzems signifikant. Offensichtlich sind Bestandteile des Zigarettenrauchs auch diaplazentar in der Lage, die Manifestation des atopischen Ek- zems zu beeinflussen (Schäfer 1997). Stillen Eine Meta-Analyse der zwischen 1966 und 2000 zum Thema Stillen und Häufigkeit des atopischen Ekzems publizierten Studien zeigt einen protektiven Effekt der Muttermilcher- nährung. Am deutlichsten war dieser bei Ri- sikokindern (Familienanamnese bezüglich atopischer Erkrankungen positiv), weniger ausgeprägt in Studien, die keine Angabe über die genetische Belastung der eingeschlosse- Neurodermitis – neue Aspekte in der Prävention und Behandlung Dr. Christina Schnopp Abbildung 1: Die wichtigs- ten Provokationsfaktoren des atopischen Ekzems. Schweres, disseminiertes atopisches Ekzem bei einem Kind.

Neurodermitis – neue Aspekte in der Prävention und Behandlung · Bayerisches Ärzteblatt 10/2005 655 Titelthema nen Kinder machten. Kein Effekt zeigte sich bei Kindern ohne genetische

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654 Bayerisches Ärzteblatt 10/2005

Titelthema

Die Prävalenz des atopischen Ekzems (Neuro-dermitis) liegt in Deutschland bei Erwachsenenbei etwa drei Prozent, bei Vorschulkindern beiüber zehn Prozent (Schäfer 2003, Williams1999) – mit steigender Tendenz. Dabei reichtdas Spektrum der Erkrankung von milden, symp-tomarmen Formen über wechselhafte Verläufemit regelmäßigen Exazerbationsphasen bis hinzu den schweren Verlaufsformen, die charakteri-siert sind durch disseminierten Befall, die Not-wendigkeit ununterbrochener intensiver Therapieund erhebliche Einschränkungen im Alltag. Dabeiüberwiegen – insbesondere unter den betroffe-nen Kindern – die milden Formen (Emerson et al.1998, Dotterud et al. 1995). Weitgehend unab-hängig vom objektiv fassbaren Schweregrad derErkrankung stellt die Neurodermitis in vielen Fäl-len eine erhebliche psychosoziale Belastung dar.Viele Betroffene sind verunsichert durch vielfälti-ge und zum Teil widersprüchliche Informationen.Ein ganzheitliches Therapiekonzept umfasst ne-ben einer stadiengerechten Therapie die Aufde-ckung individuell relevanter Provokationsfaktorenund deren Vermeidung – Abbildung 1 (Abeck2002, Ring 1998).

Prävention

Die Offensichtlichkeit der Hauterkrankungträgt zur Sensibilisierung der Bevölkerungund werdender Eltern im Besonderen bei.Die Frage nach Möglichkeiten der primärenPrävention – „was können wir tun, damit un-ser Kind nicht erkrankt“ – wird daher nichtnur von Eltern aus vorbelasteten Familien ge-stellt.

Obwohl verschiedene epidemiologische Stu-dien Faktoren identifizieren konnten, die miteiner größeren Wahrscheinlichkeit des Auf-tretens eines atopischen Ekzems assoziiertsind, gibt es nur wenige gesicherte Möglich-keiten einer aktiven Primärprävention.

Der wichtigste Risikofaktor für die Entwick-lung atopischer Erkrankungen ist die geneti-

sche Prädisposition. Während das Erkran-kungsrisiko in Mitteleuropa insgesamt bei et-wa zehn Prozent liegt, steigt die Wahrschein-lichkeit, an Neurodermitis zu erkranken, beieinem an Neurodermitis erkrankten Elternteiloder Geschwisterkind bereits auf 20 Prozent,leiden Verwandte ersten Grades an Asthmaoder Heuschnupfen ist das Risiko ebenfallsdeutlich erhöht (Tabelle 1).

RauchenIn einer multivarianten Analyse der Datenvon 421 Kindern und deren Müttern ergabsich, dass das Rauchen in der Schwanger-schaft und Stillzeit die Rate atopischer Er-krankungen (Typ-I-Sensibilisierungen imPrick-Test, Neurodermitis, Asthma bronchia-le, allergische Rhinitis) erhöht (52,2 Prozent

Raucherinnen versus 35,7 Prozent Nicht-Raucherinnen). Die Unterschiede waren fürdie Manifestation des atopischen Ekzemssignifikant. Offensichtlich sind Bestandteiledes Zigarettenrauchs auch diaplazentar in derLage, die Manifestation des atopischen Ek-zems zu beeinflussen (Schäfer 1997).

StillenEine Meta-Analyse der zwischen 1966 und2000 zum Thema Stillen und Häufigkeit desatopischen Ekzems publizierten Studien zeigteinen protektiven Effekt der Muttermilcher-nährung. Am deutlichsten war dieser bei Ri-sikokindern (Familienanamnese bezüglichatopischer Erkrankungen positiv), wenigerausgeprägt in Studien, die keine Angabe überdie genetische Belastung der eingeschlosse-

Neurodermitis – neue Aspekte in derPrävention und Behandlung

Dr. ChristinaSchnopp

Abbildung 1: Die wichtigs-ten Provokationsfaktorendes atopischen Ekzems.

Schweres, disseminiertesatopisches Ekzem beieinem Kind.

Bayerisches Ärzteblatt 10/2005 655

Titelthema

nen Kinder machten. Kein Effekt zeigte sichbei Kindern ohne genetische Prädisposition(Gdalevich 2001). Eine große Interventions-studie in Weißrußland untersuchte insgesamt16 491 Neugeborene aus der Allgemeinbevöl-kerung über ein Jahr. Die Hälfte der Mütterwurde der Interventionsgruppe zugeordnetund erhielt auf der geburtshilflichen Stationim Rahmen einer WHO-Initiative eine stan-dardisierte Beratung mit dem Ziel, die Rateund Dauer des Stillens zu erhöhen, was sich

in der Nachuntersuchung als erfolgreich zeig-te. Die Kinder wurden bis zum ersten Ge-burtstag bezüglich des Auftretens eines atopi-schen Ekzems und verschiedener Infektions-erkrankungen nachuntersucht. Die Ekzem-prävalenz war nach einem Jahr in der Inter-ventionsgruppe halb so groß (3,3 Prozent)wie in der Kontrollgruppe (6,3 Prozent), die-ser Unterschied blieb auch unter Berücksich-tigung der familiären Belastung signifikant(Kramer 2002). Im Rahmen der deutschen

MAS-Studie (Kohortenstudie ohne Interven-tion) zeigte sich dagegen, dass – ebenfallsunter Berücksichtigung anderer Einflussgrö-ßen – längere Stilldauer mit höherer Inzidenzvon Neurodermitis assoziiert war. In dieMAS-Studie wurden 1314 Kinder, die 1990geboren sind, eingeschlossen, die Teilnahme-quote an den Nachuntersuchungen bis zumsiebten Lebensjahr betrug 64 bis 72 Prozent(Bergmann 2002). Der Nutzen des präventi-ven Einsatzes extensiv hydrolysierter Säug-lingsmilch ist nicht geklärt (von Berg 2003).

Auf Grund der derzeitigen Datenlage sollteStillen über mindestens vier Monate sowiedie späte (> vier Monate) Einführung vonBeikost zur Prävention des atopischen Ek-zems bei Risikokindern empfohlen werden.Bei den Kindern, die während der Stillzeit aneinem atopischen Ekzem erkranken, könnenallerdings über die Muttermilch übertrageneAllergene einen wichtigen Provokationsfaktordarstellen und eine Umsetzung auf eine (hy-drolysierte) Säuglingsnahrung erforderlichmachen.

Allgemein-bevölkerung

keineatopischenErkrankungen

ein erkrankter Elternteilund/oder ein erkranktesGeschwisterkind

zwei erkrankte Elternteile

Asthma/Heuschnupfen

AtopischesEkzem

Asthma/Heuschnupfen

AtopischesEkzem

Erkrankungs-wahrschein-lichkeit

10 % 8 % 15 % 25 % 20 % 40 %

Tabelle 1: Risiko eines Kindes, an Neurodermitis zu erkranken, in Abhängigkeit vom Atopie-Status derFamilie (modifiziert nach Atherton 1995).

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656 Bayerisches Ärzteblatt 10/2005

Titelthema

TierhaltungWährend bisher die Abschaffung felltragen-der Haustiere als geeignete Maßnahme zurVerhinderung von Erkrankungen des atopi-schen Formenkreises gesehen wurde, werfendie so genannten „Bauernhof-Studien“ einneues Licht auf die Effekte der Tierhaltung.Kinder, die in einem landwirtschaftlichen Be-trieb mit Tierhaltung aufwuchsen, zeigten imVergleich mit Nachbarkindern ohne profes-sionelle Tierhaltung deutlich weniger Sensi-bilisierungen, Asthma bronchiale und Rhino-konjunktivitis allergica (Riedler 2001). Be-sonders günstig schien sich Schweinezuchtauszuwirken. Als mögliches Substrat diesesEffekts werden Endotoxine (Bestandteile derZellmembranen gramnegativer Bakterien,die ein starkes Stimulanz des Immunsystemsdarstellen) diskutiert (Braun-Fahrländer2002).

Im Gegensatz zum Kontakt mit landwirt-schaftlichen Nutztieren sind die Ergebnissezum Effekt von Haustierhaltung uneinheit-lich. In der Tendenz wird deutlich, dass fell-tragendes Tier nicht gleich felltragendes Tierist, also beispielsweise Katzen und Hundeunterschiedliche Effekte haben könnten,weiterhin scheint die Menge des Allergenssowie Lebensalter und Dauer der Expositioneine Rolle zu spielen (Almqvist 2003, Custo-vic 2001, Ownby 2002). Studien mit dieserFragestellung sind methodisch anspruchsvoll,da zahlreiche andere Einflussgrößen („healthycat owner effect“) herausgrechnet werdenmüssen.

Im Rahmen der sekundären Prävention, alsonach Manifestation der Erkrankung mit ent-sprechender Sensibilisierung ist die Allergen-karenz als wichtige therapeutische Maßnah-me unumstritten.

ProbiotikaEine finnische Studie, die doppelblind, ran-domisiert und placebo-kontrolliert durchge-führt wurde, zeigte eine signifikante Reduk-tion von Neurodermitiserkrankungen bis zumvierten Lebensjahr durch die Gabe von Pro-biotika in Form von Lactobacillus GG (Kal-liomäki 2001, 2003). Mütter von Risikokin-dern bekamen ab zwei bis vier Wochen vorder Geburt des Kindes täglich 1010 CFU Lac-tobacillus GG (American Type Culture Col-lection – ATCC 53103). Die Einnahme wur-de bis zum sechsten Lebensmonat der Kinderfortgesetzt; solange die Kinder gestillt wur-den, nahm die stillende Mutter die Laktoba-zillen zu sich, falls die Kinder abgestillt wur-den, wurden sie der Säuglingsmilch zugesetzt.Bisher sind diese Daten nicht eindeutig vonanderen Arbeitsgruppen bestätigt worden, so-

dass die Gabe von Probiotika noch keine all-gemeine Empfehlung sein kann.

ImpfungenUnter dem Eindruck der Infektionshypothesewird der Einfluss von Impfungen auf dieAuftretenswahrscheinlichkeit von atopischenErkrankungen kontrovers diskutiert. Die Er-gebnisse der bisher zu diesem Thema durch-geführten Studien sind uneinheitlich. InMeta-Analysen zeigt sich kein negativer Ein-fluss des Impfens (von Hertzen 2004), sodassauch Risikokinder nach den Vorgaben derStändigen Impfkommission (STIKO)geimpft werden sollen. Dies gilt auch imRahmen der Sekundärprävention bei mani-fester Neurodermitis.

Basistherapie – Verbesserung derBarrierefunktion („Schutzmantel“)

Ein typisches Kennzeichen der Haut desNeurodermitikers ist eine gestörte epidermaleBarrierefunktion mit erhöhtem transepider-malem Wasserverlust (TEWL) und gestei-gerter Empfindlichkeit gegenüber irritativen

und immunologisch wirksamen Einflüssen(Abeck et al., 1997) in befallenen und in ge-ringerem Maße auch in unbefallenen Area-len. Die Basistherapie sollte daher am gesam-ten Integument und nicht nur im Bereich derekzematösen Areale durchgeführt werden(Abbildung 2 und 3).

Basistherapie umfasst den regelmäßigen Ein-satz von überwiegend wirkstofffreien Externaund Ölbädern, die das Austrocknen der Hautbeim Baden vermindern. Die Auswahl derentsprechenden Grundlage (Wasser in Öl,W/O, Öl in Wasser, O/W) sollte stadienge-recht, das heißt in Abhängigkeit des Hautzu-stands erfolgen. Grundsätzlich gilt, je ausge-prägter die Entzündungszeichen, je wässrigerdie Grundlage. Es gibt Hinweise, dass dieAnwendung topischer Glukokortikoide mög-licherweise über die Inhibierung der epider-malen Fettsynthese zu einer weiteren Ver-schlechterung der epidermalen Barrierefunk-tion führt – dieser Effekt ließ sich durch dietopische Applikation von Ceramiden, freienFettsäuren und Cholesterol in äquimolarerZusammensetzung verhindern (Kao 2003).Da die Wirksamkeit der Basistherapie von

Abbildung 2:Barrierefunktion der Haut.

Abbildung 3: Störung derBarrierefunktion der Haut.

Bayerisches Ärzteblatt 10/2005 657

Titelthema

der regelmäßigen Anwendung abhängt, istdie individuelle Akzeptanz (Konsistenz, Ge-ruch, Verstreichbarkeit, Einziehvermögen)entscheidend!

Spezifische topische Therapie

Während sich bei einem Teil der Patientenmit einer intensiven Basistherapie unter Ver-meidung individueller Provokationsfaktorenein akzeptabler Hautzustand erreichen lässt,ist bei der Mehrheit zumindest zeitweise zu-sätzlich eine spezifische antiekzematöse The-rapie notwendig. Die Behandlung der ekze-matösen Veränderungen richtet sich nachdem Alter der Betroffenen, dem Schweregradsowie der Lokalisation.

Topische GlukokortikoideTopische Glukokortikoide bilden auf Grundihrer hohen antiinflammatorischen Potenzimmer noch die Basis der Therapie ekzema-töser Hautveränderungen. Heute stehen mitden topischen Glukokortikoiden der 4. Gene-ration Substanzen mit verbessertem Nutzen-Risiko-Profil, das heißt mit hoher antiinflam-matorischer Aktivität bei geringer atropho-gener Wirkung zur Verfügung (Schäfer-Kor-ting 1996, Luger 2004). Sie sind charakteri-siert durch eine Doppelveresterung, werdendurch in der Haut befindliche Esterasen inihre aktive Form überführt und noch in derHaut zu systemisch weitgehend unwirksamenFormen abgebaut (Tabelle 2 – Niedner 1998).

Von der Wirkstärke gehören alle topischenGlukokortikosteroide der 4. Generation zurWirkklasse 2 (Einteilung nach Niedner von1: schwach bis 4: sehr stark), und sind damitzur Behandlung leichter bis mittelschwererEkzeme geeignet. In der Wirkstärke 3 stehenmit Mometasonfuroat (Ecural®) und Flutica-sonpropionat (Flutivate®) ebenfalls zwei Sub-stanzen mit sehr gutem Wirkungs-/Neben-wirkungsindex (Therapeutischer Index, TIX)zur Verfügung.

Die Anwendung der modernen topischenSteroide erfolgt einmal täglich. Mit dem Ab-klingen der akuten Symptome sollte die Be-handlung „ausgeschlichen“ werden. Dies kannin Form einer „Stufentherapie“ mit Präpara-ten abnehmender Wirkstärke oder – vorzugs-weise – als „Intervalltherapie“ durch Anwen-dung des gleichen Präparates in verlängertenzeitlichen Abständen erfolgen. Bei leichtenFormen kann die spezifische Therapie dannausgesetzt werden, während die Basistherapieweitergeführt wird. Bei Patienten mit unvoll-ständigen Remissionen und/oder häufigenSchüben ist dies häufig jedoch nicht möglich.Diese profitieren von einer Dauertherapie mitverminderter Anwendungsfrequenz. Die mo-dernen topischen Glukokortikosteroide erlau-ben den längerfristigen, beispielsweise ein-bis zweimal wöchentlichen Einsatz in den in-dividuell „kritischen“ Arealen. Mit Hilfe einessolchen Anwendungsschemas lässt sich eineStabilisierung des Hautzustands (und derPsyche des Patienten) über einen längerenZeitraum erreichen (Korting 2005).

CalcineurinantagonistenAuf der Suche nach Alternativen zur topi-schen Therapie mit Glukokortikoiden sind inden letzten Jahren zwei Immunsuppressivaaus der Gruppe der Macrolactame zur topi-schen Anwendung auf den Markt gekommen:Pimecrolimus (Elidel® Douglan®) und Tacro-limus (Protopic®). Sie wirken (ähnlich demCyclosporin A) über die Inhibierung einerCalcineurin-Phosphatase und hemmen damitdie Transkription zahlreicher proinflammato-rischer Zytokine vor allem in T-Lymphozytenund Mastzellen (Panhans-Grob 2001, Grass-berger 1999). Die Wirksamkeit beider Subs-tanzen wurde in mehreren doppelblinden,placebo-kontollierten Studien belegt. BeidePräparate werden bei Beginn der Behandlungzweimal täglich appliziert, dann wird in derRegel analog zu den topischen Steroiden dieAnwendungsfrequenz reduziert.

Der Hauptvorteil der Calcineurininhibitorengegenüber den topischen Glukokortikoidenist in der fehlenden atrophogenen Potenz zusehen (Reitamo 1998, Meingasser 1997). Dadie Substanzen bei systemischer Applikationdie Entstehung lichtinduzierter Tumoren be-günstigen, empfiehlt sich der sorgsame Um-gang mit Sonne unter Therapie, auch wenneindeutige Hinweise auf eine Photokarzino-genität bei topischer Applikation derzeitnicht bestehen. Dagegen wurde der kürzlichvon der amerikanischen Food and Drug Ad-ministration (FDA) geforderte Warnhinweisbezüglich der Enstehung von Lymphomenunter Therapie mit Calcineurininhibitorennicht durch überzeugende Daten begründet.Die Deutsche Dermatologische Gesellschaftsieht daher keinen Grund zur Veränderungder Empfehlungen (Luger 2005). HäufigsteNebenwirkung (acht bis 34 Prozent) sindkurzfristiges Brennen und Juckreiz beim Auf-tragen, wobei die Beschwerden nach einerTherapiedauer von einer Woche deutlich ab-nehmen (Kang 2001, Alaiti 1998).

Besonders geeignet sind die Calcineurininhi-bitoren für die Anwendung im Gesicht, amHals, in den Intertrigines und im Genitalbe-reich; also gerade in den Regionen, in denenbei langfristiger Anwendung von Glukokorti-kosteroiden am ehesten mit Nebenwirkungenzu rechnen ist. Eine Domäne der Calcineu-rinantagonisten ist das atopische Lidekzem.Weniger wirksam sind sie bei stark infiltrier-ten und lichenifizierten Läsionen sowie beipruriginösen Ekzemen, was wahrscheinlichmit der schlechteren Penetration zusammen-hängt. Säuglinge und Kleinkinder sprecheninsgesamt sehr gut auf eine Behandlung mitCalcineurininhibitoren an (Lucky et al.,2000). Allerdings sind beide Substanzen inDeutschland erst ab dem zweiten Lebensjahrzugelassen. Darüber hinaus stellen die Calci-neurininhibitoren wertvolle Ausweichpräpa-rate zur Rotationstherapie bei schwerenKrankheitsverläufen dar, wenn ein „Aus-schleichen“ der topischen Steroide nichtmöglich ist, oder alternativ nur eine systemi-sche Therapie in Frage kommt.

Vergleich Pimecrolimus-TacrolimusDer entscheidende Unterschied für die klini-sche Anwendung liegt wahrscheinlich in derGalenik. Pimecrolimus ist als einprozentigeCreme verfügbar, während Tacrolimus derzeitals 0,03-prozentige und 0,1-prozentige Salbeerhältlich ist. Im Vergleich von 1 % Pimecro-limus-Creme mit 0,03 % Tacrolimus-Salbebei Kindern war die Verträglichkeit der Cre-me initial und 30 Minuten nach dem Auftra-gen signifikant besser, in der Wirkstärke war

1. GenerationHydrocortison, Prednisolon, Desonid

2. Generation (Fluorierung C6 oder C9)Betamethason, Clobetasol, Triamcinolonacetonid, Mometasonfuroat

3. Generation (doppelte Fluorierung C6 + C9)Fluocinolon, Diflucortolon, Clocortolon

4. Generation (doppelte Veresterung C17 + C21)Prednicarbat (Dermatop®), Hydrocortisonaceponat (Retef®), Hydrocortisonbutyrat (Alfason®),Methylprednisolonaceponat (Advantan®), Hydrocortisonbuteprat (Pandel®)

Tabelle 2: Entwicklung der topischen Glukokortikoide (nach Niedner 1998).

658 Bayerisches Ärzteblatt 10/2005

Tacrolimus überlegen, dieser Unterschied warstatistisch jedoch nicht signifikant (Kempers2004).

Die Wirkstärke der 0,1-prozentigen Tacroli-mus-Salbe entspricht in etwa Glukokortikos-teroiden der Klasse 2, während die Wirkstär-ke von Pimecrolimus zwischen Klasse 1 und 2liegt. Im Preis unterscheiden sich die Calci-neurinantagonisten kaum, er liegt mit 44,36Euro für 30 g beim zweieinhalb- bis dreifa-chen dessen, was für die gleiche Menge einestopischen Glukokortikosteroids der 4. Gene-ration bezahlt werden muss.

Systemische immunsuppressive BehandlungEine innerliche antientzündliche Behandlungist nur bei wenigen Patienten notwendig, wo-bei sich unter den systemischen Immunsup-pressiva zur Behandlung des schweren atopi-schen Ekzems das Cyclosporin A etablierthat. Es wird in einer Dosierung von 2,5 mgbis 5 mg/kg Körpergewicht eingesetzt. Diekurzfristige Gabe von oralen Glukokortikos-teroiden ist Ausnahmesituationen vorbehal-ten, eine längerfristige systemische Gabe vonGlukokortikoiden (oral, i. m.) ist angesichtsder therapeutischen Alternativen obsolet.

Patientenführung

Die Chronizität, der ondulierende Verlaufmit rezidivierenden Exazerbationen, sowiedie Offensichtlichkeit der Erkankung führtbei vielen Neurodermitispatienten und derenAngehörigen zu Frustration, Ängsten undVerlust an Selbstvertrauen. So kommt derAufklärung und psychologischen Unterstüt-zung der Patienten und einem konstruktivenund vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhält-nis eine wichtige Rolle zu. Strukturierte Pa-tientenschulungen, wie sie vor kurzem fürKinder und Jugendliche beziehungsweise de-ren Eltern von der AG Neurodermitisschu-lung (AGNES) in Analogie zur Asthma- undDiabetesschulungen etabliert wurden, könneneinen wichtigen Beitrag zum besseren Krank-heitsverständnis und selbstbestimmten Um-gang mit der Erkrankung leisten.

Das Literaturverzeichnis kann bei der Verfasse-rin angefordert oder im Internet unterwww. blaek.de (Ärzteblatt/Literaturhinweise)abgerufen werden.

Anschrift der Verfasserin:Dr. Christina Schnopp, Klinik und Poliklinikfür Dermatologie und Allergologie am Bieder-stein, Technische Universität München,Biedersteiner Straße 29, 80802 München E-Mail: [email protected]

1. Die Prävalenz des atopischen Ekzems(Neurodermitis) ist in den letzten Jahr-zehnten in den Industrieländern

a) gesunken,b) gestiegen,c) unverändert,d) bei Kindern, die in der Stadt leben, ge-

sunken,e) bei Kindern, die auf einem Bauernhof le-

ben, gesunken.

2. Welcher der genannten Faktoren spieltbei der Auslösung von Ekzemschüben beider Neurodermitis keine Rolle?

a) Hausstaubmilbenb) Katzenhaarec) Schulstressd) Weißer Zuckere) Kolonisierung mit Staphylococcus aureus

3. Ausschließliches Stillen bis mindestenszum vierten Lebensmonat

a) schützt zuverlässig vor dem Auftreten ei-ner Neurodermitis lebenslang,

b) schützt zuverlässig vor dem Auftreten ei-ner Neurodermitis während der Stillzeit,

c) schützt den Säugling vor allen Allergenenaus Nahrungsmitteln,

d) sollte weiterhin bei Risikokindern zur pri-mären Prävention empfohlen werden,

e) ist auch bei bereits an Neurodermitis er-krankten Säuglingen immer sinnvoll.

4. Welche Aussage bezüglich Haustierhal-tung ist falsch ?

a) Ein im Haushalt lebender Hund stelltkeinen Risikofaktor für die Erkrankungan Neurodermitis, Asthma oder Heu-schnupfen dar.

b) Bei bestehender Neurodermitis oderAsthma und nachgewiesener Sensibilisie-rung gegenüber Katzenallergenen sollteüber die Abschaffung der Katze nachge-dacht werden.

c) Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen,leiden seltener als ihre Nachbarn ohneprofessionelle Tierhaltung an allergischenErkrankungen.

d) Felltragende Haustiere müssen in Haus-halten mit allergiegefährdeten Personengrundsätzlich abgeschafft werden.

e) Um endgültige Empfehlungen zur Tier-haltung bei allergiegefährdeten Personenaussprechen zu können, sind weitere Stu-dien notwendig.

Fortbildung

Auf Grund des Beschlusses des Vorstandesder Bayerischen Landesärztekammer(BLÄK) vom 2. Juli 2005 kann das freiwilligeFortbildungszertifikat der BLÄK wie bisherweitergeführt werden; das heißt, Ärztinnenund Ärzte können auf Antrag das freiwilligeFortbildungszertifikat erhalten, wenn sie beider BLÄK gemeldet sind und innerhalb vonmaximal drei Jahren mindestens 150 Fortbil-dungspunkte erwerben und dokumentieren(davon können zehn dieser gefordertenPunkte pro Jahr durch Selbststudium erwor-ben werden „Kategorie E“).Weitere Punkte können durch strukturierteinteraktive Fortbildung (Kategorie D) gesam-melt werden, zum Beispiel erhalten Sie fürdas Durcharbeiten des Fachartikels „Neuro-dermitis – Neue Aspekte in der Präventionund Behandlung“ von Dr. Christina Schnoppmit nachfolgend richtiger Beantwortung fol-gende Punkte (Lernerfolgskontrolle musskomplett beantwortet sein):einen Punkt bei sieben richtigen Antworten,zwei Punkte bei zehn richtigen Antworten.

Weitere Informationen erhalten Sie unterwww.blaek.de.

Unleserliche Fragebögen können nicht be-rücksichtigt werden. Grundsätzlich ist nur ei-ne Antwort pro Frage richtig. Die richtigenAntworten erscheinen in der Dezember-Aus-gabe des Bayerischen Ärzteblattes.

1. Füllen Sie das Fragen-Antwortfeld aus.

2. Schicken Sie den Fragebogen zusammenmit einem frankierten Rückumschlag an:Bayerische Landesärztekammer,Redaktion Bayerisches Ärzteblatt,Mühlbaurstraße 16, 81677 München, oderfaxen Sie ihn an die Nr. 089 4147-202.

3. Der Fragebogen wird nach Zertifizierungzurückgeschickt bzw. zurückgefaxt (Rück-sendung erfolgt erst nach Einsende-schluss).

Einsendeschluss ist der 30. November 2005.

Freiwilliges Fortbildungszertifikat

Fortbildung

Bayerisches Ärzteblatt 10/2005 659

5. Welche Aussage zu topischen Glukokor-tikoiden ist falsch?

a) Die doppelt veresterten Glukokortikoideder 4. Generation weisen ein verbessertesWirkungs-/Nebenwirkungsprofil auf.

b) Hautatrophie ist eine typische Nebenwir-kung von topischen Glukokortikoiden.

c) Die Glukokortikosteroide der 4. Gene-ration sind sehr stark wirksam (Wirkklas-se 4).

d) Die Anwendung der modernen topischenGlukokortikosteroide erfolgt in der Regeleinmal täglich.

e) Für die Behandlung leichter bis mittel-schwerer Ekzeme sind in der Regel Glu-kokortikosteroide der Wirkklasse 2 aus-reichend.

6. Welche Aussage zur Basistherapie istrichtig?

a) Die Basistherapie sollte nur an den befal-lenen Stellen angewendet werden.

b) Wenn eine spezifische antientzündlicheBehandlung mit Glukokortikosteroidenoder Calcineurininhibitoren erfolgt, müs-sen die betroffenen Stellen von der Basis-therapie ausgespart werden.

c) Der Patient sollte sein zur Basistherapieverwendetes Externum angenehm emp-finden.

d) Basistherapeutika sollten immer mög-lichst fett sein (zum Beispiel Vaseline).

e) Die Basistherapie ist unabhängig vomHautzustand.

7. Welche Aussage zu den Calcineurininhi-bitoren ist richtig?

a) Tacrolimus 0,1% Salbe und Pimecrolimus1% Creme sind gleich stark wirksam.

b) Eine Salbenzubereitung ist aufgrund derGalenik besonders günstig zur Behand-lung akut entzündlicher Läsionen.

c) Calcineurininhibitoren sollten wegen desAtrophierisikos nicht bei älteren Patien-ten angewendet werden.

d) Brennen beim Auftragen ist eine selteneNebenwirkung von Calcineurininhibito-ren.

e) Tacrolimus (Protopic® 0,03 %) und Pi-mecrolimus (Elidel®, Douglan®) sind fürKinder ab dem zweiten Lebensjahr zuge-lassen.

8. Welche Aussage ist falsch? Calcineu-rininhibitoren eigenen sich zur Behand-lung der Neurodermitis besonders gut

a) im Gesicht,b) am Hals,c) an Händen und Füßen,d) im Genitalbereich,e) an den Augenlidern.

9. Welche Aussage ist falsch? Patienten mitNeurodermitis

a) fühlen sich häufig hilflos, weil immerwieder neue Schübe auftreten und keineHeilung in Sicht ist,

b) sind manchmal durch ihre Hauterkran-kung in ihren täglichen Aktivitäten ein-geschränkt,

c) verlieren manchmal das Selbstvertrauen,ihre Krankheit in den Griff zu bekom-men,

d) bemerken überwiegend eine Verbesserungihres Hautzustands bei psychischenStresssituationen,

e) sind oft unsicher, welches die richtigeTherapie für sie ist.

10. Welche Aussage ist richtig? Ein Kind hatein höheres Risiko, im Laufe seines Le-bens an einem atopischen Ekzem zu er-kranken, wenn

a) die Mutter während der Schwangerschaftgeraucht hat,

b) die Mutter keinen höheren Schulab-schluss hat,

c) die Familie Hunde besitzt,d) die Eltern keine Erkrankungen des atopi-

schen Formenkreises (Asthma, Heu-schnupfen, Neurodermitits) haben,

e) es nach den Empfehlungen der STIKOgeimpft wurde.

Die Richtigkeit von mindestens sieben Antwor-ten auf dem Bogen wird hiermit bescheinigt.

Bayerische Landesärztekammer, München

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Fragen zum freiwilligen Fortbildungszertifikat – Fax 089 4147-202