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Normpositionen-Katalog (NPK): Funktionen und Anwendungsprobleme Patrick Middendorf, Dr. iur., Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilien- recht, Zürich 1 Kernaussagen I. Einleitung: Ein Katalog standardisierter Leistungsbeschriebe A Was ist der Normpositionenkatalog? B Aufbau des NPK und «Zusammenspiel» mit den SIA Normen C Normierung einer privaten Organisation: Kein rechtssetzender Charakter II. Die Normposition als Leistungsposition im Leistungsverzeichnis III. Positionsarten des NPK A Geschlossene und offene Normpositionen B R-Position (Reservefenster) C Exkurs: Per-Position, Eventual- und Alternativposition 1. Per-Position 2. Eventual- und Alternativposition IV. NPK-Leistungsverzeichnisse im Voll- oder Kurztext V. Abgrenzungen zu Baukostenplan BKP und eBKP VI. Rechtliche Qualifikation: Die Normposition als AGB oder als Baustein für eine Individualabrede? VII. Auslegung von Normpositionen A Vorrang der Individualabrede B Die Ungewöhnlichkeitsregel und die Unklarheitsregel C NPK-Anwendungshilfen als Auslegungsmittel VIII. Besondere Kapitel und Abschnitte mit Problempotenzial A Das NPK-Kapitel 102 D/15 «Besondere Bestimmungen» B Abschnitt 000 «Bedingungen» in den einzelnen NPK 1 Ich danke meiner Bürokollegin RAIN ISABELLA MAAG, MLAW, für die kritische Durchsicht und die gewissenhafte Nachbearbeitung der Zitate.

Normpositionen-Katalog (NPK): Funktionen und … · Normpositionen-Katalog (NPK): Funktionen und Anwendungsprobleme Patrick Middendorf, Dr. iur., Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau-

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  • Normpositionen-Katalog (NPK): Funktionen und Anwendungsprobleme Patrick Middendorf, Dr. iur., Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilien-recht, Zürich1 Kernaussagen I. Einleitung: Ein Katalog standardisierter Leistungsbeschriebe

    A Was ist der Normpositionenkatalog? B Aufbau des NPK und «Zusammenspiel» mit den SIA Normen C Normierung einer privaten Organisation: Kein rechtssetzender Charakter

    II. Die Normposition als Leistungsposition im Leistungsverzeichnis III. Positionsarten des NPK

    A Geschlossene und offene Normpositionen B R-Position (Reservefenster) C Exkurs: Per-Position, Eventual- und Alternativposition

    1. Per-Position 2. Eventual- und Alternativposition

    IV. NPK-Leistungsverzeichnisse im Voll- oder Kurztext V. Abgrenzungen zu Baukostenplan BKP und eBKP VI. Rechtliche Qualifikation: Die Normposition als AGB oder als Baustein für eine

    Individualabrede? VII. Auslegung von Normpositionen

    A Vorrang der Individualabrede B Die Ungewöhnlichkeitsregel und die Unklarheitsregel C NPK-Anwendungshilfen als Auslegungsmittel

    VIII. Besondere Kapitel und Abschnitte mit Problempotenzial A Das NPK-Kapitel 102 D/15 «Besondere Bestimmungen» B Abschnitt 000 «Bedingungen» in den einzelnen NPK

    1 Ich danke meiner Bürokollegin RAIN ISABELLA MAAG, MLAW, für die kritische Durchsicht und die gewissenhafte

    Nachbearbeitung der Zitate.

  • Patrick Middendorf

    Schweizerische Baurechtstagung 2019

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    Kernaussagen 1. Beim Normpositionenkatalog (NPK) handelt es sich um eine streng hierarchisierte

    Sammlung standardisierter Leistungsbeschriebe einer privaten Normierungsinstitution. Mit ihm wird bezweckt, die Abwicklung von Bauwerkverträgen von der Ausschreibung, namentlich bei der Erstellung von Leistungsverzeichnissen, bis zur Kostenkontrolle und Abrechnung zu rationalisieren.

    2. Als Werk einer privaten Organisation haben die NPK-Kapitel und die darin enthaltenen Bedingungen und Normpositionen keinen rechtssetzenden Charakter. Sie erhalten nur dann Geltung in einem konkreten Vertragsverhältnis, wenn sie von den Parteien verwen-det oder übernommen wurden, wobei dies auch konkludent erfolgen kann.

    3. Der NPK kennt zwei Grundpositionsarten: Die Normposition und das Reservefenster (R-Position). Damit lassen sich die in der Baupraxis geläufigen Erscheinungsformen von Leistungspositionen (z.B. Per-Positionen, Eventual- oder Alternativpositionen) beschrei-ben. Während die Normpositionen nicht bzw. nur eingeschränkt abgeändert werden dür-fen und in geschlossene und offene Positionen unterteilt werden, gestatten es Reserve-fenster (R-Positionen) dem Anwender, innerhalb der NPK-Systematik Positionstexte für die eigenen Bedürfnisse anzupassen oder individuelle Texte einzufügen.

    4. Ein Leistungsverzeichnis, das unter Zuhilfenahme des NPK erstellt wurde, qualifiziert nach der hier vertretenen Auffassung als hybride Erscheinung mit Elementen von AGB und individuell verhandelten Leistungspositionen. Typischerweise handelt es sich bei den in den NPK-Kapiteln enthaltenen Abschnitten 000 «Bedingungen», bei den zwin-genden Vorbemerkungen oder (zumindest teilweise) beim Regelungsinhalt des Kapitels 102 «Besondere Bestimmungen» um AGB, während die einzelnen Leistungspositionen über die konkret abgefragte Leistung, das Vorausmass und den Preis individualisiert wer-den.

    5. Individualabreden gehen AGB vor. Dies gilt auch innerhalb eines mittels des NPK er-stellten Leistungsverzeichnisses. Bei Auslegungsdifferenzen kommen die NPK-Anwen-dungshilfen, namentlich die Hinweistexte und die Blickfangzeichnungen, oder die NPK-Merkblätter als ergänzende Auslegungsmittel in Betracht. Sie können dem Verständnis des besonderen Sprachgebrauchs im Verkehrskreis der Beteiligten dienen. Vorausgesetzt ist, dass beide Parteien dem betreffenden Verkehrskreis angehören.

    6. Der NPK ist auf ein «Zusammenspiel» mit den Bestimmungen des SIA ausgelegt. Dabei kommt es vor, dass die verschiedenen Normen nicht nahtlos ineinander zahnen, was zu Auslegungsproblemen und Widersprüchen führen kann. Akzentuiert scheint das Prob-lem-, zumindest aber Überraschungspotenzial im NPK-Kapitel 102 «Besondere Bestim-mungen» und im Abschnitt 000 «Bedingungen», der sich in allen NPK-Kapiteln findet. Hier wie dort liegen oft nicht bauliche Anliegen im Vordergrund, sondern kommerzielle. Bisweilen werden die ranghöheren Bereiche zur Risikoverlagerung von der einen auf die andere Partei missbraucht, indem einseitig von der SIA Norm 118 abgewichen wird. Deshalb lohnt sich bei der Vertragsanbahnung und -abwicklung ein prüfender Blick da-rauf.

  • Normpositionen-Katalog (NPK)

    BRT 2019

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    I. Einleitung: Ein Katalog standardisierter Leistungsbe-schriebe

    Die Bedeutung des NPK für die Schweizer Baupraxis kann nicht überschätzt werden, da wohl der weitaus grösste Teil der hierzulande ausgeschriebenen Bauleistungen sich der NPK-Vorlagen be-dient. Damit dürften Bauinvestitionen im zweistelligen Milliardenbereich2 unter Zuhilfenahme des NPK ausgeschrieben, offeriert und ausgeführt werden, was dessen hohe Praxisrelevanz un-terstreicht. Trotz dieser Relevanz finden sich Juristen aber immer wieder mit Problemen konfron-tiert, wenn sie sich im NPK zurechtfinden müssen. Deshalb lohnt sich ein genauerer Blick auf Aufbau und Funktion des NPK und vereinzelte Tücken, die seine Anwendung mit sich bringen kann.

    A Was ist der Normpositionenkatalog? 1. Der Normpositionenkatalog, kurz NPK, ist eine riesige Sammlung standardisierter Leistungs-beschriebe. Die Bauleistungen werden entlang einem typisierten Bauablauf in einheitlich und fest formulierten und strukturierten Kapiteln aufgeführt. Mittels der darin enthaltenen rund einer Mil-lion vorgefassten Einzelpositionen und deren individuellen Quantifizierung können bauliche Leistungen einfach beschrieben werden, wobei es sich – nomen est omen! – um genormte, typi-sche Bauleistungen handelt. Die detaillierten Leistungsbeschriebe, also die einzelnen genormten Positionen (die Normpositionen), machen das Wesen der NPK-Kapitel aus und «beseelen» sie.3

    2. Mit seinem hohen Gliederungsgrad dient der NPK Bauherren (und deren Bauleitungen) auf der einen und Unternehmern auf der anderen Seite dazu, Leistungsverzeichnisse zu erstellen und Of-ferten einzugeben. Damit wird der Abschluss von Bauwerkverträgen gerade auch über die Daten-tauschschnittstelle der SIA Norm 451 (Informatik, Datenformate für Leistungsverzeichnisse, Ausgabe 1992), die darauf ausgerichtet ist, den Zugriff auf die Daten durch Schnittstellenkonven-tionen möglichst effizient zu gestalten,4 rationalisiert. Weiter hilft der NPK dabei, die Kostenpla-nung und -überwachung sowie die Ausführungskontrolle und Rechnungsstellung zu vereinfa-chen. Der NPK erscheint in Deutsch, Französisch und Italienisch.

    B Aufbau des NPK und «Zusammenspiel» mit den SIA Normen 1. Der NPK enthält rund 200 sog. NPK-Kapitel (die eigentlichen Kataloge, die einzeln bei der CRB bezogen werden können5), die die Normpositionen mit den zentralen Beschreibungen der baulichen Leistungen einzelner Arbeitsgattungen, die in aller Regel von demselben Unternehmer erbracht und folglich auch zusammen vergeben werden (z.B. NPK 314 Maurerarbeiten), enthal-ten.6 Die NPK-Kapitel folgen alle derselben Systematik und sind auf der obersten Ebene den NPK-Kapitelgruppen 000 bis 900 (z.B. 300 Rohbauarbeiten) zugeordnet, die wiederum die NPK-

    2 2016 wurden im Hoch- und Tiefbau gesamtschweizerisch rund CHF 61 Milliarden investiert. Vgl. die Angaben zu

    Arbeitsvorrat (Investitionen) nach Art der Auftraggeber und nach Kategorie der Bauwerke auf den interaktiven Tabellen des Bundesamts für Statistik, (besucht am 19.11.18).

    3 Siehe zur gesamten Einleitung die praktischen Anwendungshilfen unter (besucht am 19.11.18); PEER CARLO, Das Leistungsverzeichnis bei Bauwerkver-trägen, Diss. Freiburg, Zürich/Basel/Genf 2018, Rz. 29 ff.; BUCHER JÖRG, Gastbeitrag zum «Thema Normpositio-nenkatalog NPK» am Seminar «Einführung in das Baurecht» von Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Peter Gauch, Saas Almagell, Juni 2015, S. 23; SCHUMACHER RAINER/KÖNIG ROGER, Die Vergütung im Bauwerkvertrag, 2. Auflage, Zürich 2017, Rz. 52; EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, 2. Aufl., Zürich 2017, Art. 8/Rz. 6.1 ff.

    4 Ziff. 01 und 04 SIA Norm 451. 5 Der NPK kann elektronisch oder in Papierform gekauft werden, wobei die vollständige Papierfassung rund

    CHF 18'500 und eine jährliche unlimitierte Lizenz rund CHF 2'400 kosten. 6 Vgl. zum Aufbau insgesamt: NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 11 ff.; Benützungsanleitung NPK,

    Ausgabe 1999; PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 29 ff.

    https://www.pxweb.bfs.admin.ch/http://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Anwendungshilfen.htmlhttp://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Anwendungshilfen.html

  • Patrick Middendorf

    Schweizerische Baurechtstagung 2019

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    Kapiteluntergruppen beinhalten, die bautechnisch zusammengehören (z.B. 310 Baumeisterarbei-ten).

    Beispiel:

    300 Rohbauarbeiten Kapitelgruppe dreistellig mit zwei Nullen 600 Ausbauarbeiten

    310 Baumeisterarbeiten Kapiteluntergruppe dreistellig mit Null am Ende 620 Schreinerarbeiten

    314/D13 Maurerarbeiten NPK-Kapitel dreistellig ohne Null 624/D18 Allgemeine Schreinerarbeiten

    2. Bei den einzelnen NPK-Kapiteln folgt hinter der dreistelligen Nummer (ohne Null) der Sprach-code (D für Deutsch) und das Ausgabejahr (18 für 2018).7 Bei Bauvorhaben, deren Realisierung sich über eine längere Zeit hinzieht, empfiehlt es sich aufgrund der periodischen Überarbeitung des Normenwerks, bei der Ausarbeitung der Leistungsverzeichnisse auf den Jahrgang aufmerk-sam zu machen.8

    3. Die Gliederung über die klassifizierende Nummerierung dient den Anwendern dazu, sich ein-fach im NPK und als Folge davon in Ausschreibungen bzw. Leistungsverzeichnissen zurechtzu-finden. Deshalb folgt auch der Aufbau innerhalb eines NPK-Kapitels einer klaren Hierarchisie-rung.9 So ist jedes NPK-Kapitel (die einzelne Arbeitsgattung) in Abschnitte (dreistellige Num-mern mit zwei Nullen, unter denen Leistungsbereiche mit einheitlicher Thematik zusammenge-fasst werden, z.B. 500 Schalungen) und Unterabschnitte (dreistellige Nummern, die mit einer Null enden und unter denen die unter den Abschnitten enthaltenen Leistungsbereiche in Teilbe-reiche aufgeschlüsselt sind, z.B. 510 Treppenschalungen) eingeteilt. Bei dreistelligen Nummern mit den Endziffern 1 bis 810 handelt es sich sodann um die Hauptpositionen, die eigentlichen Normpositionen, welche den charakterisierenden Leistungsbeschrieb enthalten und die aus meh-reren Unterpositionen bestehen können. Diese Unterpositionen tragen wiederum dreistellige Nummern, denen aber immer ein Punkt (z.B. .100; .110; .111) vorangestellt ist.

    4. Die Normpositionen des NPK sind auf ein «Zusammenspiel» mit den Bestimmungen des SIA ausgelegt. So ist etwa das NPK-Kapitel 624 «Allgemeine Schreinerarbeiten» auf die SIA Norm 118 «Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten», die SIA 118/241 «Allgemeine Bedingungen für Schreinerarbeiten» (SIA/ABB) und die technische Norm 241 abgestimmt. Die «ABB» werden im Abschnitt 000 «Bedingungen» zwar in abgeänderter Systematik, aber eben doch (zumindest teil-weise) wiederholt. Im Unterabschnitt 030 «Begriffe, Abkürzungen, Verständigung» finden sich sodann Anlehnungen an die technische Norm 241 und teilweise sind auch identische Bestimmun-gen enthalten.11 Allerdings kommt es auch vor, dass dieses «Zusammenspiel» nicht harmoniert und die verschiedenen Normen nicht nahtlos ineinander zahnen. Auf die daraus entstehenden An-wendungsprobleme komme ich unter dem Titel «VIII. Besondere Kapitel und Abschnitte mit Problempotenzial» zurück.

    7 Vgl. NPK Merkblätter zum Devisieren Nr. 1 D/15, Datenkennzeichnung beim NPK, Ausgabejahr – Versionsjahr

    – Nachführung. 8 EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.3. 9 Vgl. zur Gliederung der NPK-Kapitel: NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 15 ff. 10 Die Endzahl 9 ist für die R-Positionen reserviert. 11 NPK Merkblätter zum Devisieren Nr. 1 D/15, Datenkennzeichnung beim NPK, Ziff. 2; vgl. NPK 624 D/2018

    «Allgemeine Schreinerarbeiten», «Wichtige Hinweise».

  • Normpositionen-Katalog (NPK)

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    C Normierung einer privaten Organisation: Kein rechtssetzender Cha-rakter

    1. Der NPK wird von der CRB, der Schweizerischen Zentralstelle für Baurationalisierung, her-ausgegeben. Bei der CRB handelt es sich um einen privaten, im Zürcher Handelsregister einge-tragenen Verein, der die Entwicklung, Bereitstellung und Verbreitung geeigneter Arbeitssysteme zur Rationalisierung und besseren Verständigung im Bauwesen bezweckt. Der Verein wurde im Jahr 1959 vom BSA Bund Schweizer Architekten unter dem Namen "Centre suisse d’études pour la rationalisation du bâtiment" gegründet. Bereits kurze Zeit später trugen auch der SIA und der SBV die Arbeit der CRB mit. Die CRB, die heute rund 5'000 Mitglieder zählt, arbeitet eng mit öffentlichen und privaten Bauherren, mit Partnerverbänden sowie mit bauenschweiz (Dachorga-nisation der Schweizer Bauwirtschaft) zusammen.12

    2. Die CRB schafft im Auftrag der schweizerischen Bauwirtschaft fortlaufend neue Normpositi-onen und überarbeitet die einzelnen NPK-Kapitel durchschnittlich alle zehn Jahre, um den NPK fachtechnischen und begrifflichen Neuerungen anzupassen und damit auf einem aktuellen Stand zu halten.13 Zudem werden laufend Korrekturen erfasst, die etwa durch Fehler, technische Ände-rungen oder Nachträge bedingt sind. Die Korrekturen werden jährlich als sog. Nachführung pu-bliziert.

    3. Auch wenn der NPK somit das Werk einer eigentlichen Normierungsfabrik ist, so bleibt er eben doch das Werk einer privaten Organisation und nicht einer rechtssetzenden Instanz. Die einschlägigen NPK-Kapitel und die darin enthaltenen Bedingungen und Normpositionen haben folglich keinen rechtssetzenden Charakter und erhalten nur dann Geltung in einem konkreten Vertragsverhältnis, wenn sie von den Parteien verwendet oder übernommen wurden, wobei dies auch konkludent erfolgen kann.14

    II. Die Normposition als Leistungsposition im Leistungsver-zeichnis

    1. Im Leistungsverzeichnis15 werden die einzelnen Bauleistungen, aus denen sich die «Bauarbeit zusammensetzt, übersichtlich und vollständig» aufgeführt, wobei «jede Leistung unter Angabe von Materialqualitäten und voraussichtlichen Mengen» beschrieben wird; zudem soll «auf das Bestehen allfälliger objektbedingter Bestimmungen für ihre Ausführung» verwiesen und angege-ben werden, «nach welcher Preisart … die Vergütung des Unternehmers für die einzelnen Leis-tungen zu berechnen ist» (Art. 8 SIA Norm 118). Bauherr und Planer sind gehalten, Leistungs-verzeichnisse für das gewünschte Bauvorhaben so zu gestalten, dass sie keine Lücken aufwei-sen,16 damit der Unternehmer den Preis für die Leistung ermitteln und offerieren kann.

    12 (besucht am 19.11.18). 13 Vgl. z.B. NPK 264 D/2018, S. 6 f., Ziff. 9. 14 GAUCH PETER, Der Werkvertrag, 5. Auflage, Zürich 2011, Rz. 919; vgl. BGE 118 II 295/296 E. 2; BGer

    4A_106/2015 vom 27. Juli 2015 E. 5.1; EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.5. 15 Siehe zum Leistungsverzeichnis die aktuelle Monographie von PEER, zit. in Fn. 3; ausserdem: EGLI, Kommentar

    zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 1 ff.; FELLMANN WALTER, Fehlerhaftes Leistungsverzeichnis, in: Koller Alfred (Hrsg.), SIA-Norm 118, St. Galler Baurechtstagung 2000, S. 91 ff.; HÜRLIMANN ROLAND/HEER HANS, Preise, Leistungsverzeichnis und Kalkulation, in: BRT 1999, S. 9 ff.; SIEGENTHALER THOMAS, Mangelhafte Leis-tungsverzeichnisse – und wer dafür haftet, in: BRT 2011, S. 165 ff.; SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkommentar zur Norm-SIA 118, Bern 2014, N 6 ff. zu Art. 8.

    16 EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 8.1 ff. Vgl. PEER CARLO, Weshalb der Planer auch ohne besondere Vereinbarung ein vollständiges Leistungsverzeichnis schuldet, in: BR/DC 5/2018, S. 283.

    http://www.crb.ch/crbOnline/Unternehmen.html

  • Patrick Middendorf

    Schweizerische Baurechtstagung 2019

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    2. Dabei macht im Leistungsverzeichnis die sprachliche Darstellung der nachgefragten Einzel-leistung (der Leistungsbeschrieb; auch: Leistungsbeschreibung) unter der jeweiligen Leistungs-position das «Herzstück» aus.17 Sie enthält alle Parameter, die eine bauliche Leistung beschreibt. Zwar ist es möglich und bei nicht standardisierten Bauleistungen auch nötig, dass einzelne Leis-tungspositionen individuell formuliert werden.18 In aller Regel werden Leistungsverzeichnisse in der Schweizer Bauwirtschaft aber unter Zuhilfenahme der vorformulierten Standard-Leistungs-beschriebe auf Grundlage der einzelnen NPK-Kapitel erstellt.

    3. Neben dem Leistungsbeschrieb enthält eine Leistungsposition Spalten für die Quantifizierung der Bauleistung und den Preis. Dabei werden die Mengeneinheiten im NPK19 unter den meisten Positionen vorgegeben, während die voraussichtlich zur Ausführung gelangende Menge (auch: das Vorausmass oder Mengengerüst) in der Regel durch den Planer ermittelt wird und der Unter-nehmer im Rahmen seiner Offerte den Preis einsetzt.20

    4. Die Preisart, welche vom Bauherrn nachgefragt wird, wird im NPK über die Mengeneinheit vorgegeben. Gibt der Bauherr oder sein Planer in der entsprechenden Spalte «pl» für pauschal21 oder «gl» für global22 vor (z.B. für Baustelleninstallationen), ist der dazu offerierte Preis fest und die umschriebene Leistung ist grundsätzlich unabhängig vom Aufwand und den tatsächlichen Mengen geschuldet. In allen anderen Fällen23 werden Einheitspreise (Preis pro Mengeneinheit) abgefragt, die in der Regel mengenabhängig sind (Ausnahme: Per-Position, dazu nachfolgend III./C./a.). Deshalb spricht man bei einem Werkvertrag, der gestützt auf verschiedene mit einem Leistungsverzeichnis abgefragte Einheitspreise zustande kommt, von einem Einheitspreisver-trag.24

    5. Durch die Multiplikation von Menge und Preis wird der Positionsbetrag ermittelt. Die verschie-denen Positionsbeträge eines Leistungsverzeichnisses werden wiederum zum Gesamtbetrag (auch Angebots-, Haupt- oder Vertragssumme) addiert. Sowohl der Positionsbetrag wie auch der Ge-samtbetrag sind grundsätzlich unverbindlich, weil sie auf voraussichtlichen und deshalb ebenfalls grundsätzlich unverbindlichen Mengenangaben25 beruhen. Andere Abreden sind aber möglich. Oft kommt es vor, dass die Parteien eine Pauschalierung vereinbaren, was sowohl horizontal in Bezug auf eine Einzelposition (etwa durch Verwendung der Kürzel «pl» oder «gl» anstelle der Mengeneinheit) als auch vertikal hinsichtlich des Gesamtbetrags möglich ist.26

    17 PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 89 ff. 18 Vgl. PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 180 ff. 19 Der NPK sieht eine abschliessende Reihe von Mengeneinheiten vor, mit denen die beschriebene Leistung sinnvoll

    quantifiziert werden kann, z.B. Kubikmeter (m3), Stück (St), Kilogramm (kg), Liter (l), Kübel (Kb). Um den Nut-zern trotz geschlossener Aufzählung Flexibilität zu gewähren, steht es ihnen unter Mengeneinheit «LE» (=Leis-tungseinheit) offen, individuelle Massangaben zu definieren (siehe die Aufzählung der Mengeneinheiten des NPK unter (besucht am 19.11.18); NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, Anhang 3, S. 83; zur Mengeneinheit LE siehe EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Rz. 6.14 zu Art. 8; PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 112).

    20 Wird elektronisch devisiert, werden bei geschlossenen Positionen bei Kleinmengen typischerweise «Standard-preise» über EDV-basierte Kalkulationshilfen automatisiert eingesetzt. Dabei ist es in der Regel möglich, aber nicht zwingend, dass der Anbieter «seine» Preise individualisiert.

    21 Vgl. Art. 41 SIA Norm 118. 22 Vgl. Art. 40 SIA Norm 118. 23 Vgl. Fn. 19. 24 Vgl. Art. 39 SIA Norm 118; GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 931. 25 Beachte aber die sinngemässe Anwendung der Art. 86 bis 89 SIA Norm 118 bei schlichten Mengenabweichungen

    (Art. 86 Abs. 4 SIA Norm 118). 26 Zum Ganzen: GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 931 f.; PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 113 ff.

    http://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Anwendungshilfen/NPK-Einheiten.html

  • Normpositionen-Katalog (NPK)

    BRT 2019

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    III. Positionsarten des NPK 1. Der NPK kennt die Normposition und das Reservefenster. Während die Normpositionen nicht bzw. nur eingeschränkt abgeändert werden dürfen und auf verschiedenen Hierarchiestufen in ge-schlossene und offene Positionen unterteilt werden (lit. A), gestatten es Reservefenster (R-Posi-tionen) dem Anwender, innerhalb der NPK-Systematik Positionstexte für die eigenen Bedürfnisse anzupassen oder individuelle Texte einzufügen (lit. B).27 In den Reservefenstern werden Leistun-gen beschrieben, die im NPK nicht enthalten sind.

    2. Daneben finden sich in der Baupraxis weitere geläufige Positionsbezeichnungen, die innerhalb der zwei Grundpositionsarten des NPK abgebildet werden. So können etwa Eventual-, Alternativ- oder Per-Positionen sowohl als Normposition als auch als R-Position abgefragt werden.

    A Geschlossene und offene Normpositionen 1. Bei den geschlossenen (Unter-)Positionen handelt es sich um Positionen, welche eine Leistung abschliessend definieren und vom Ausschreibenden nicht verändert werden können. Dies ermög-licht einen effizienten Austausch zwischen den Baubeteiligten. Dagegen werden mit offenen (Un-ter-)Positionen Leistungen mittels einer Auswahl einzelner vorgegebener Variablen in der Form von Textbausteinen spezifiziert, wobei zwischen unveränderbaren geschlossenen, offenen, alter-nativen und Überschreibvariablen unterschieden wird. Geschlossene Variablen können selbstre-dend nur unverändert übernommen werden. Offene Variablen enden mit einer Punktreihe und sind mit eigenen Angaben des Anwenders zu ergänzen. Bei alternativen Variablen kann eine von verschiedenen, sich gegenseitig ausschliessenden Alternativen gewählt werden; sie werden mit dem gleichen Buchstaben (A, A; B, B; etc.) in Variablengruppen zusammengefasst. Unter den Überschreibvariablen wird schliesslich zwar ein Stichwort vorgegeben, dieses kann aber auch überschrieben und damit individualisiert werden.28

    2. Bei Verwendung des NPK wird empfohlen, in erster Linie geschlossene Positionen zu verwen-den und erst an zweiter Stelle auf offene Positionen zurückzugreifen, weil dies zu einer eindeuti-geren Leistungsbeschreibung führe und den Arbeitsaufwand sowohl beim Erstellen von Leis-tungsverzeichnissen als auch beim Einsetzen der Preise vermindere.29

    B R-Position (Reservefenster) 1. Lässt sich weder mit geschlossenen noch mit offenen Positionen eine gewünschte Leistung umschreiben, kann der Anwender auf sog. Reservefenster zurückgreifen. Sie ermöglichen es auf allen Hierarchiestufen der NPK-Systematik für Spezialausführungen, für welche der NPK keine Standardbeschriebe vorsieht, eigene Leistungsbeschreibungen einzufügen und damit individuelle Positionen zu schaffen. Diese Positionen, für welche jeweils die Klassifikationsziffer 9 (nicht aber Abschnitt 900 der jeweiligen NPK-Kapitel) reserviert ist, werden R-Positionen genannt und im Leistungsverzeichnis mit einem «R» kenntlich gemacht.30

    27 NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 9, 21 und 35. 28 Zum Ganzen: NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 22 ff.; Benutzungsanleitung NPK, Ausgabe 1999,

    S. 5; vgl. NPK Merkblätter zum Devisieren Nr. 6 D/15, Warum sind nach Möglichkeit geschlossene Positionen zu verwenden?

    29 NPK Merkblätter zum Devisieren Nr. 6 D/15, Warum sind nach Möglichkeit geschlossene Positionen zu verwen-den?, S. 2.

    30 PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 54; NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 35 ff.; NPK Merkblätter zum Devisieren Nr. 2 D/18, Reservepositionen, Wegleitung für Anwender; NPK 102 Besondere Bestimmungen, Herausgeber crb, Zürich 2015, S. 7; vgl. z.B. NPK 624 D/2018 «Allgemeine Schreinerarbeiten», Abschnitt 000, S. 9.

  • Patrick Middendorf

    Schweizerische Baurechtstagung 2019

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    2. Bisweilen (so selbst die CRB)31 werden die R-Positionen auch als «Reservepositionen» be-zeichnet. Das ist aber insofern missverständlich, als diese Bezeichnung zur falschen Annahme verleitet, dass es sich bei einer unter einer solchen Position individuell formulierten Leistung um eine «Reserveleistung» handle, welche nur eventuell zur Ausführung gelange. Damit besteht eine Verwechslungsgefahr mit den sog. Eventualpositionen (nachfolgend lit. C/b.), die nur dann zur Ausführung gelangen, wenn sie vom Besteller speziell abgerufen werden. Zwar ist es möglich, eine individuell spezifizierte R-Position als Eventualposition auszugestalten. Dies muss aber durch entsprechende Bezeichnung (z.B. «eventuell») hinreichend klar zum Ausdruck kommen. Andernfalls muss die unter der R-Position aufgeführte Leistung ohne weitere Aufforderung er-bracht werden32 und der Unternehmer ist (mangels anderer Abrede) auch berechtigt, sie auszu-führen und sich entschädigen zu lassen. Werden sie nicht ausgeführt und verzichtet der Bauherr auf deren Ausführung, hat er den Unternehmer, sofern nichts Anderes vereinbart ist (vgl. z.B. Art. 11 SIA Norm 118), schadlos zu halten (vgl. Art. 377 OR und Art. 84 Abs. 3 SIA Norm 118).

    C Exkurs: Per-Position, Eventual- und Alternativposition Per-, Eventual- und Alternativposition sind miteinander verwandt. Bei diesen Positionen setzt der Bauherr eine Leistung aus und fragt dafür einen Preis ab, obwohl er von der Position noch nicht weiss, wie viel er will (typischer Anwendungsfall der Per-Position), ob er sie bestellen will oder nicht (Eventualposition) oder von der zumindest noch unklar ist, für welche Variante er sich ent-scheidet (Alternativposition). Oft kommt es aber auch vor, dass der Bauherr Eventual- oder Al-ternativpositionen als Per-Position ausschreibt.

    1. Per-Position 1. Per-Positionen sind keine spezielle Positionsart des NPK. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine Angabe der voraussichtlich zu erwartenden Menge (Vorausmass) enthalten. Sie sollen nach dem Konzept der SIA Norm 118 grundsätzlich dann zur Anwendung kommen, wenn eine Mengenangabe «zur Zeit der Ausschreibung aus bautechnischen Gründen noch nicht bestimm-bar» war (Art. 86 Abs. 4 SIA Norm 118). Insofern stellen sie eine Abweichung von der in Art. 8 Abs. 2 SIA Norm 118 vorausgesetzten Anforderung dar, dass in einem Leistungsverzeichnis zu einer Leistung neben der Materialqualität auch die voraussichtliche Menge anzugeben ist. An-stelle dieser Menge setzt der Ausschreibende das Wort «Per» ein, wobei dafür im System des NPK die Vorausmassspalte vorgesehen ist33.34

    2. Die Per-Position kann somit als schlichte «Preisanfrage ohne Menge»35 verstanden werden, die nicht in einen Positionsbetrag (eingesetzter Preis mal voraussichtliche Menge) einfliesst und folg-lich auch nicht in den Gesamtbetrag (Angebots- oder Hauptsumme) aufaddiert wird36. Deshalb bleiben Per-Positionen auch in der Ermittlung der typischerweise bewertungsgegenständlichen Angebotssumme unberücksichtigt. Das birgt das Risiko, dass Unternehmer zur Eingabe von spe-kulativen Preisen verleitet werden können.37 Denn unabhängig vom unter der Per-Position offe-

    31 NPK Merkblätter zum Devisieren Nr. 2 D/18, Reservepositionen, Wegleitung für Anwender. 32 PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 57 f.; HÜRLIMANN/HEER, zit. in Fn. 15, S. 11. 33 NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 52. 34 Zum Ganzen: EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.12 f.; PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 68 ff.;

    SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkommentar zur Norm-SIA 118, zit. in Fn. 15, N 20 ff. zu Art. 86. 35 SIA Empfehlung 451, Ausgabe 1989, Abschnitt 2 2 Ziff. 13 lit. W. 36 GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 931, beachte insbesondere Rz. 711. 37 BEYELER MARTIN, Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation, in: BRT 2011, S. 135; PEER,

    zit. in Fn. 3, Rz. 74; SCHUMACHER/MIDDENDORF, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 102/Rz. 1.8. Zur grundsätzlichen Gültigkeit spekulativer Angebote und zur Anfechtung zufolge Willensmangel (Täuschung, Übervorteilung oder Irrtum) siehe BEYELER, zit. in Fn. 37, S. 141 ff.

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    rierten Einheitspreis ändert sich der Gesamtpreis nicht; eine Überprüfung im Rahmen einer Of-fertbewertung wird somit erschwert. Diesem Risiko begegnen Bauherren damit, dass anstelle von Per-Positionen willkürliche Mengenangaben eingesetzt werden,38 oder dass auf deren Verwen-dung ganz verzichtet wird39.

    3. Ist im konkreten Fall eine Mengenangabe nicht möglich und haben die Parteien die SIA Norm 118 in ihren Vertrag übernommen, bestimmt Art. 86 Abs. 4 SIA Norm 118, dass der unter der Position eingesetzte Preis unabhängig von allfälligen Mengenabweichungen von +/- 20% gilt («die Abs. 1–3 [sind] nicht anwendbar; der vereinbarte Einheitspreis gilt ohne Rücksicht auf die ausgeführte Menge»)40. Das ist an sich logisch, weil eine Mengenabweichung mangels Mengen-angabe gar nicht feststellbar ist. Insofern ist der unter einer Per-Position offerierte Preis unabhän-gig von der ausgeführten Menge als Festpreis zu verstehen, der nur dann abgeändert werden kann, falls die Voraussetzungen für eine Festpreisänderung gegeben sind, etwa wenn die Art. 58 Abs. 2 oder Art. 59 SIA Norm 118 greifen.41

    4. Möglich ist aber auch, dass ein Bauherr Per-Positionen verwendet, um eine Preisofferte für eine mögliche künftige Bestellungsänderung (Eventualpositionen) oder für eine Alternativposi-tion zu erhalten.42 Tut er dies, sollte die Position entsprechend bezeichnet sein, andernfalls der Unternehmer davon ausgehen darf, dass die Position zur Ausführung gelangt.

    2. Eventual- und Alternativposition 1. Mit einer Eventualposition wird eine zusätzliche zwar mögliche, aber noch nicht sicher zur Ausführung gelangende Leistung beschrieben, die «nur auf Weisung» des Bauherrn oder dessen Bauleitung erbracht werden soll (Art. 8 Abs. 4 und Art. 102 SIA Norm 118). Sie steht damit unter der aufschiebenden Bedingung einer einseitigen Anordnung (Gestaltungsrecht des Bauherrn). Ohne entsprechende Weisung darf der Unternehmer die in der Eventualposition ausgesetzte Leis-tung nicht ausführen und auch kein Entgelt oder eine Schadloshaltung dafür verlangen. 43

    2. Unter den Normpositionen des NPK werden Eventualpositionen dadurch kenntlich gemacht, dass der Positionsbetrag in runde Klammern gesetzt wird. Ihr Preis wird damit nicht in den Ge-samtbetrag (Angebotssumme) eingerechnet,44 womit Art. 8 Abs. 4 SIA Norm 118 Rechnung ge-tragen wird, der bestimmt, dass Eventualpositionen nur dann bei der Ermittlung der Angebots-summe zu berücksichtigen sind, wenn dies speziell bezeichnet wird. Letzteres wäre möglich, in-dem unter einer R-Position das Wort «eventuell» eingesetzt und der Positionsbetrag nicht in Klammern gesetzt wird. Überhaupt dürfte es oft vorkommen, dass Eventualpositionen mittels R-Positionen und dem Zusatz «eventuell» ausgeschrieben werden. Dies wurde mit Art. 102 der alten SIA Norm 118 (Ausgabe 1977/91) auch noch explizit verlangt («… im Leistungsverzeichnis mit «eventuell» bezeichnet …»). In der aktuellen Fassung der Norm (2013) ist das aber nicht mehr vorausgesetzt.

    38 SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkommentar zur Norm-SIA 118, zit. in Fn. 15, N 7 zu Art. 86. 39 PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 69 ff., unter Auflistung weiterer Gründe, die gegen eine Verwendung sprechen. 40 Sofern sich die Unbestimmbarkeit nicht offensichtlich aus der beschriebenen Leistung ergibt, ist aber nach Art. 86

    Abs. 4 letzter Satz SIA Norm 118 vorausgesetzt, dass die Position entsprechend ausgewiesen wird (i.d.R. als «Per»-Position).

    41 Entsprechendes muss gelten, wenn die SIA Norm 118 nicht übernommen wurde: Dann darf der Preis unter der Per-Position mangels anderer Vereinbarung als Festpreis verstanden werden, der eine Anpassung nur erfährt, wenn die Voraussetzungen von Art. 373 Abs. 2 OR gegeben sind. Vgl. PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 75 f. Zur Ausnahmebestim-mung des Art. 373 Abs. 2 OR siehe GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 1044 ff.

    42 Vgl. EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.12. 43 Zum Ganzen: GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 595; SCHUMACHER/MIDDENDORF, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in

    Fn. 3, Art. 102/Rz. 1.2 ff. 44 NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 52.

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    3. Dagegen werden Alternativpositionen in Leistungsverzeichnissen nach NPK jeweils mit gros-sen Buchstaben (A / A; B / B / B; etc.) kenntlich gemacht.45 Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie andere Positionen ausschliessen und somit nur eine Variante gewählt werden kann (z.B. Farb-ton Rot oder Farbton Grün). Auch bei einer unter einer Alternativposition offenstehenden Vari-antenwahl ist grundsätzlich eine Weisung des Bauherrn vorausgesetzt, damit der Unternehmer weiss, wie er eine Leistung ausführen soll. Im Unterschied zur Eventualposition, die den Unter-nehmer nicht verpflichtet, eine Weisung beim Bauherrn einzuholen,46 kann er bei Alternativposi-tionen dazu aber nach Art. 99 SIA Norm 118 verpflichtet sein. Dies ist dann der Fall, wenn er feststellt, dass eine fehlende Wahl einer Variante ihn in seinem Baufortschritt behindert.47

    4. Ob in Leistungsverzeichnissen nach NPK unter einer konkreten Leistungsposition eine Per-Position, eine Eventual- oder eine Alternativposition vereinbart wurde, hängt davon ab, wie die Parteien die Position verstanden haben. Im Streitfall ist dies durch Auslegung zu ermitteln, wobei der Methodik des NPK Rechnung zu tragen ist. Die Beweislast trägt diejenige Partei, die sich darauf beruft, dass es sich bei einer Position um diese oder jene Art handelt (Art. 8 ZGB).

    IV. NPK-Leistungsverzeichnisse im Voll- oder Kurztext 1. Leistungsverzeichnisse, die gestützt auf den NPK erstellt werden, können als «Volltextleis-tungsverzeichnisse» oder «Kurztextleistungsverzeichnisse» herausgegeben werden.48 Im Regel-fall erscheint der Positionstext unter einer Leistungsposition im vollen Wortlaut (im Volltext). Damit werden die Anforderungen von Art. 8 Abs. 2 SIA Norm 118 grundsätzlich erfüllt, wonach ein Leistungsverzeichnis die einzelnen Leistungen «übersichtlich und vollständig»49 aufführt (vgl. auch Art. 6 Abs. 2 SIA Norm 118).

    2. Um besonders umfangreiche Leistungsverzeichnisse zu verkürzen, sieht der NPK die Möglich-keit vor, jeweils nur die ersten zwei Zeilen von Vorbemerkungen, Haupt- und geschlossenen Un-terpositionen zu übernehmen. Zwar sollen solche Kurztextleistungsverzeichnisse als «Arbeits-exemplar oder als Begleitexemplar zu einem Datenträger» dienen.50 In der einleitenden Vorbe-merkung der NPK-Kapitel ist im Abschnitt 000 «Bedingungen» aber vorgesehen, dass auch bei einer ausschliesslichen Verwendung der Kurztexte «in jedem Fall die Volltextversion des NPK [gilt]» bzw. der Volltext «massgebend» ist (000.100). Mit diesem Verweis werden – eine entspre-chende Auf- und damit Übernahme der Position im konkreten Leistungsverzeichnis vorausgesetzt – auch die in einem Kurztextleistungsverzeichnis nicht enthaltenen Textteile des Volltextes zum Vertragsinhalt erklärt, womit dem Vollständigkeitserfordernis nach Art. 8 Abs. 1 SIA Norm 118 Genüge getan ist.

    3. Selbst ohne entsprechenden Verweis darf nach der hier vertretenen Auffassung im Zweifelsfall davon ausgegangen werden, dass der Volltext zumindest konkludent übernommen wurde. Denn in der blossen Kurzversion machen die Vorbemerkungen und Positionsbeschriebe oftmals gar keinen Sinn, weil die Texte nach zwei Zeilen mitten im Satz abrupt abreissen. Bei vernünftig handelnden Parteien ist aber nicht leichthin anzunehmen, sie hätten Sinnloses vereinbaren wollen,

    45 NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 29. 46 SCHUMACHER/MIDDENDORF, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 102/Rz. 4.2. 47 Vgl. zur Pflicht des Unternehmers, Weisungen einzuholen: SCHUMACHER/MIDDENDORF, Kommentar zur SIA-

    Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 99/Rz. 11.1 ff. 48 Siehe auch BUCHER, zit. in Fn. 3, S. 38 f.; EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.5; PEER,

    zit. in Fn. 3, Rz. 189 f. 49 Siehe zur verlangten Übersichtlichkeit und Vollständigkeit: EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3,

    Art. 8/Rz. 7 ff. 50 NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 61.

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    weshalb eine richtige Auslegung nicht beim Wortlaut der zwei Zeilen Kurztext haften bleibt, son-dern nach dem mutmasslichen Willen der Parteien auf den Volltext schliesst und dem Vertrag so einen vernünftigen Sinn gibt51.52

    V. Abgrenzungen zu Baukostenplan BKP und eBKP Baukostenpläne dienen der transparenten Darstellung der Baukosten vom Beginn der Planung bis zur Inbetriebnahme eines Bauwerks (Kostenplanung). Während die Kosten im BKP nach Ge-werkgruppen oder Arbeitsgattungen (Baumeister, Maler etc.) oder Gewerken (Aussenwand, Bo-denplatten etc.) gegliedert werden, deren Code in etwa den NPK-Kapiteln entsprechen, basiert der eBKP auf einer Einteilung nach Elementen, unter denen Leistungen von verschiedenen Ar-beitsgattungen zusammengefasst sein können.53

    VI. Rechtliche Qualifikation: Die Normposition als AGB oder als Baustein für eine Individualabrede?

    1. In juristischen Beiträgen, die sich mit dem Leistungsverzeichnis befassen, finden sich oftmals auch Hinweise auf den NPK. In diesem Zusammenhang wird zu Recht darauf hingewiesen, dass einzelne Positionen eines NPK-Kapitels vertragliche Geltung nur dann erhalten, wenn sie in das konkrete Leistungsverzeichnis und dieses in den Vertrag übernommen werden.54 Auch findet sich zur Verwendung von Kurztextverzeichnissen (oben IV.) mitunter der Hinweis darauf, dass der sich dort im Abschnitt 000 «Bedingungen» befindliche Verweis auf das Volltextverzeichnis eine Globalübernahme durch den Unternehmer bedeute.55 Dabei frage es sich, ob der nicht wiederge-gebene Positionstext gültig vereinbart worden sei.56 Oder es wird postuliert, dass der Unterneh-mer sich darauf verlassen dürfe, dass keine Änderungen «im Text des Leistungsbeschriebs der geschlossenen Positionen vorgenommen wurden (Ungewöhnlichkeitsregel)»57. In dieser Haltung kommt zum Ausdruck, dass es sich beim NPK um AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen, auch: Allgemeine Vertragsbedingungen) handelt, auf den auch die für AGB entwickelten Re-geln58 zur Anwendung gelangen sollen.

    2. Dass es sich beim NPK und gestützt darauf erstellter Leistungsverzeichnisse um AGB handeln kann, ist meiner Ansicht nach zutreffend, greift aber auch zu kurz. Zutreffend ist, dass die im Abschnitt 000 aufgeführten «Bedingungen» der einzelnen NPK-Kapitel Vertragsbedingungen

    51 Vgl. JÄGGI/GAUCH/HARTMANN, Zürcher Kommentar, N 475 zu Art. 18 OR. 52 Es wird auch die Meinung vertreten, dass mit dem Verweis auf den Volltext in Abschnitt 000 eine Globalübernahme

    erfolge, bei der sich frage, ob der nicht abgebildete Normtext überhaupt gültig vereinbart worden sei (EGLI, Kom-mentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.5). Keine Bedenken sind sicher immer dann angezeigt, wenn der Empfänger selbst im Besitz des entsprechenden NPK-Kapitels ist. Überhaupt bezweifle ich aber die Anwend-barkeit der zu den AGB entwickelten Regeln auf den NPK insgesamt, worauf ich unter VI. zurückkomme.

    53 BUCHER, zit. in Fn. 3,, S. 8; CRB, CRB-Standards, Baukostenpläne, (besucht am 19.11.18).

    54 Vgl. etwa EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.5; GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 918; HÜRLI-MANN/HEER, zit. in Fn. 15, S. 10; SCHUMACHER/KÖNIG, zit. in Fn. 3, Rz. 52; SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkom-mentar zur Norm-SIA 118, zit. in Fn. 15, N 23 zu Art. 8.

    55 EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.5; SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkommentar zur Norm-SIA 118, zit. in Fn. 15, N 23 zu Art. 8.

    56 EGLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 6.5. 57 SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkommentar zur Norm-SIA 118, zit. in Fn. 15, N 23 zu Art. 8. 58 Vgl. zur Geltung von ABG und den Schranken ihrer Übernahme: GAUCH PETER/SCHLUEP WALTER R./SCHMIDJÖRG,

    Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 10. Auflage, Zürich 2014, Rz. 1123 ff.; GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 193 ff., Rz. 282 ff.

    http://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Baukostenplan.htmlhttp://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Baukostenplan.html

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    Schweizerische Baurechtstagung 2019

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    enthalten, «die im Hinblick auf eine Vielzahl von Verträgen eines bestimmten ‘Typs’ generell vorformuliert wurden» und im Unterschied zu Individualabreden gerade nicht einzeln ausgehan-delt werden59. Verdeutlicht wird dies, wenn man bedenkt, dass die «Bedingungen» eines NPK-Kapitels, in welchem eine Arbeitsgattung umschrieben wird (z.B. NPK 624 D/2018 «Allgemeine Schreinerarbeiten»), weitgehend aus den entsprechenden SIA/ABB (z.B. SIA 118/241 Allge-meine Bedingungen für Schreinerarbeiten, Ausgabe 2015) bestehen (siehe dazu unten VIII./B).60

    3. Zu kurz greift die Qualifikation als AGB aber sicher dann, wenn sich in einem NPK-Leistungs-verzeichnis R-Positionen finden. Diese Positionen werden verwendet, wenn die Normpositions-texte zu eng gefasst sind und den konkreten Anforderung an eine Bauleistung gerade nicht genü-gen. Es handelt sich bei ihnen nicht um vorformulierte Bestimmungen, sondern um individuelle Formulierungen, welche mit entsprechendem Akzept zur Individualabrede werden.

    4. Fraglich ist nun, wie die typischen, standardisierten Normpositionstexte, namentlich die ge-schlossenen Positionen, in rechtlicher Hinsicht zu verstehen sind. Dabei handelt es sich ja um vorformulierte Leistungsbeschriebe, die im Hinblick auf eine effiziente Abwicklung einer Viel-zahl von Verträgen entwickelt wurden; es sind vorgeformte Leistungsinhalte, die von einem Drit-ten (der CRB) abgefasst sind, und von einer Partei (in der Regel dem Bauherrn oder den diesen vertretenden Planern) verwendet werden. Damit erfüllen sie grundsätzlich die Qualifikationskri-terien von AGB.61 Gleichzeitig werden die einzelnen Leistungspositionen aber auch mit Blick auf die konkret abgefragte Leistung individualisiert, indem der Bauherr oder sein Planer das Voraus-mass oder allenfalls die Preisart einsetzen. Zudem dürfen sie als einzeln verhandelt angesehen werden, weil der Unternehmer zu jeder Position einen Preis offeriert. Damit wird die einzelne Leistungsposition von den Parteien gemeinsam ausgearbeitet, weshalb sie nach Austausch der erforderlichen Willenserklärungen durchaus auch als Individualabrede verstanden werden kann. Zwar werden diese Abreden mit Hilfe der einzelnen Normpositionen im Sinne von Bausteinen aufgebaut, wofür der NPK den Baukasten für standardisierte Bauwerke zur Verfügung stellt.62 Dies ändert aber nichts an der gemeinsamen Bearbeitung und damit Individualisierung der ein-zelnen Leistungsposition durch die Parteien.

    5. Diese Sichtweise von einzelnen Leistungspositionen, die unter Zuhilfenahme des NPK erstellt wurden, und in der Summe eines ganzen Leistungsverzeichnisses als Individualabreden mag Bau-praktiker nicht überraschen. Für Juristen aber, die den ganzen NPK mit seinen vielen Kapiteln und der guten Million von standardisierten Normpositionen und damit zusammengestellte Leis-tungsverzeichnisse als AGB aufgefasst haben, ist diese Betrachtung neu. Ausgenommen bleibt freilich etwa63 der Abschnitt 000 «Bedingungen», dem auch nach der hier vertretenen Meinung der Charakter von AGB zukommt. Insgesamt muss ein Leistungsverzeichnis basierend auf NPK-Positionen somit als hybride Erscheinung aufgefasst werden.

    59 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, zit. in Fn. 58, Rz. 1117 ff. 60 Um AGB handelt es sich auch bei den «Zwingenden Vorbemerkungen», die sich direkt an einen Abschnitts- oder

    Unterabschnittstitel anschliessen und Angaben für den gesamten betreffenden Abschnitt oder Unterabschnitt ent-halten können. Die zwingenden Vorbemerkungen werden automatisch ins Leistungsverzeichnis übernommen, so-bald der Anwender eine Position des entsprechenden Abschnitts übernimmt (vgl. NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 19 f.)

    61 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, zit. in Fn. 58, Rz. 1117 ff. 62 Oder wie es die CRB formuliert: «der NPK ist sowohl eine Textbibliothek wie auch eine Checkliste», Benutzungs-

    anleitung NPK, Ausgabe 1999, S. 8. 63 Daneben können auch die «Zwingenden Vorbemerkungen» oder Bestimmungen, die in das NPK-Kapitel 102

    (nachfolgend VIII./A) aufgenommen werden, als AGB qualifiziert werden (s.a. Fn. 60).

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    VII. Auslegung von Normpositionen Auch wenn die Auslegung von AGB grundsätzlich denselben Regeln folgt wie jene von Indivi-dualabreden, zeitigt das Verständnis eines unter Zuhilfenahme des NPK erstellten Leistungsver-zeichnisses als hybride Erscheinung mit Elementen von AGB und individuell verhandelten Leis-tungspositionen doch gewisse Auswirkungen:

    A Vorrang der Individualabrede AGB sind als Bestandteil eines konkreten Vertrags nach schweizerischer Rechtsauffassung zwar «individuell» und somit anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls auszulegen, so dass die-selben «Bedingungen» für Parteien verschiedener Verträge durchaus einen unterschiedlichen Sinn haben können.64 Doch gehen ihnen abweichende Individualvereinbarungen, also Klauseln, welche die Parteien miteinander verhandelt haben bzw. die individualisiert wurden, immer vor.65 Diese allgemein gültige Regel des Vorrangs individueller Vereinbarungen gilt auch innerhalb ei-nes Leistungsverzeichnisses, das mit dem NPK erstellt wurde. Weiter spielt sie bei der Auslegung scheinbar widersprüchlicher Vertragsbestimmungen innerhalb eines Leistungsverzeichnisses oder in unterschiedlichen Vertragsbestandteilen und dazu vorgeschlagener Widerspruchsregeln (z.B. eine Rangordnung) eine zentrale Rolle. Denn ab und an kommt es vor, dass nachfragemäch-tige Bauherren (auch in der Erscheinung als Generalunternehmer oder Totalunternehmer) über die Rangordnung versuchen, ihre zuweilen einseitigen AGB66 über die konkreten Vereinbarungen zu hieven, um sich über deren vermeintlichen Vorrang einen Vorteil zu verschaffen. Dabei ver-kennen sie, dass ein Widerspruch nicht leichthin anzunehmen ist und scheinbar widersprüchliche Bestimmungen durchaus harmonisierend ausgelegt werden können. Gerade mit Blick auf den Vorrang einer Individualabrede gegenüber einer allgemein formulierten entfällt ein Widerspruch, weshalb der Rangordnung in diesem Fall die Anwendung versagt bleiben muss.67

    B Die Ungewöhnlichkeitsregel und die Unklarheitsregel 1. Besteht keine abweichende Individualabrede und hat eine Vertragspartei die AGB bloss global übernommen, indem sie sie nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest nicht gelesen hat, so gelten nach der Ungewöhnlichkeitsregel jene Bestimmungen nicht, mit der diese Partei nicht rech-nen musste bzw. von der sie überrascht wird.68 So muss einer Klausel, die etwa in den Abschnitt 000 «Bedingungen» aufgenommen wird und die eine Vertragspartei aber aufgrund des Inhalts, ihrer Platzierung oder wegen vorangegangener Verhandlungen nach dem Vertrauensgrundsatz nicht erwarten musste und die daher ungewöhnlich oder atypisch ist, die Geltung versagt bleiben. Dagegen ist die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel auf Kurztextverzeichnisse, soweit es sich um die Kurztexte von Haupt- und geschlossenen Unterpositionen handelt, nicht angezeigt,

    64 Zur Auslegung von AGB: GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, zit. in Fn. 58, Rz. 1240 ff.; GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 201;

    KOLLER ALFRED, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Auflage, Bern 2017, Rz. 23.79 ff. 65 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, zit. in Fn. 58, Rz. 1131 ff. m.w.H. namentlich auch zur reichhaltigen Rechtsprechung. 66 Die auch im Abschnitt 000 «Bedingungen» oder im NPK-Kapitel 102 unterbracht sein können (vgl. nachfolgend

    VIII.). 67 Vgl. zum Umgang mit Widersprüchen: GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 300 ff.; JÄGGI/GAUCH/HARTMANN, Zürcher Kom-

    mentar, N 475 zu Art. 18 OR; zu Widersprüchen in Leistungsverzeichnissen im Besonderen: PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 327 ff.

    68 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, zit. in Fn. 58, Rz. 1136 ff., die sich auch kritisch zur bundesgerichtlichen Praxis äussern, wonach für eine Anwendung der Regel neben dem objektiven «Überraschungselement» subjektiv eine fehlende Branchenerfahrung vorausgesetzt sei (BGE 138 III 411/412 E. 3.1). Letzteres ist aber abzulehnen, weil auch bran-chenkundige Personen nach dem Vertrauensgrundsatz nicht damit zu rechnen brauchen, in AGB von atypischen Klauseln überrascht zu werden.

  • Patrick Middendorf

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    weil es sich dabei nach der hier vertretenen Auffassung um Individualabreden handelt, die gar nicht global übernommen werden können.69

    2. Zu den Auslegungsregeln, die sowohl bei AGB als auch bei Individualabreden zur Anwendung gelangen, gehört etwa die Unklarheitsregel. Nach dieser Regel wird im Zweifel jene Bedeutung vorgezogen, die für den Verfasser der unklaren Bestimmung ungünstiger ist (z.B. zulasten des Verfassers einer R-Position). Dabei wird dem Verfasser diejenige Partei gleichgestellt, welche eine Klausel von einem Dritten vorgeschlagen hat.70 Dies trifft auch auf den Ersteller eines Leis-tungsverzeichnisses unter Beizug des NPK zu, der sich im Zweifelsfall eine ihm zum Nachteil gereichende Auslegung namentlich von R-Positionen gefallen lassen muss. Allerdings ist die An-wendung der Unklarheitsregel dann nicht geboten, wenn eine Normposition gemeinsam beraten wurde oder beide Parteien mit einem Normtext gleich erfahren sind oder wenn es nur vom Zufall abhing, wer die Verwendung des NPK letztlich vorschlug.71

    C NPK-Anwendungshilfen als Auslegungsmittel Auslegungsmittel dienen dem auslegenden Gericht dazu, den vereinbarten Inhalt des Vertrags zu ermitteln. Primäres Auslegungsmittel und damit Ausgangspunkt der Auslegung ist der von den Parteien verwendete Wortlaut. Ihm kommt Vorrang zu. Die Ermittlung des Parteiwillens stoppt aber nicht beim Wortlaut. Ergänzend sind die Begleitumstände des Vertragsabschlusses, die Vor-geschichte oder die Verkehrsauffassung beizuziehen.72 Dabei kommen auch die NPK-Anwen-dungshilfen73, insbesondere die Hinweistexte und die Blickfangzeichnungen, oder die NPK-Merkblätter als ergänzende Auslegungsmittel in Betracht.

    a. Hinweistexte74 finden sich in den einzelnen NPK-Heften (pro NPK-Kapitel) in der Randspalte in kursiver Schrift. Sie erscheinen zwar nicht im Leistungsverzeichnis, können aber doch dem Verständnis einzelner Positionen dienen, indem sie etwa Verweise auf andere NPK-Kapitel oder technische Normen und Definitionen (z.B. «Aussentür: Tür, die das Aussenklima vom Innen-klima trennt», NPK 624 / D/2018 Pos. 261), bisweilen aber auch Anwendungstipps (etwa zur «Gliederung [z].B. Phasen, Stufen, Liegenschaftskostenplan LKP oder eigene Gliederung», NPK 102 D/15 «Besondere Bestimmungen» Pos. 165) oder praktische Hinweise z.B. zu submissions-rechtlichen Anforderungen (namentlich NPK 102 D/15 «Besondere Bestimmungen» Abschnitt 200) enthalten.

    b. Blickfangzeichnungen75 können in ein Leistungsverzeichnis übernommen werden. Sie enthal-ten produkteneutrale, schematische Darstellungen zu den Normpositionen und sollen das rasche Auffinden von Positionen erleichtern. Die Abbildungen können aber auch der Auslegung eines Leistungsbeschriebs dienen, etwa wenn diese verschiedene Interpretationen zulässt und mit der Zeichnung Klarheit geschaffen werden kann.

    c. Und schliesslich sind auch die NPK «Merkblätter zum Devisieren»76 geeignet, zur Auslegung

    69 Anders aber SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkommentar zur Norm-SIA 118, zit. in Fn. 15, N 23 zu Art. 8. 70 Zur Unklarheitsregel insgesamt: GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, zit. in Fn. 58, Rz. 1231 ff.; GAUCH, zit. in Fn. 14,

    Rz. 202; JÄGGI/GAUCH/HARTMANN, Zürcher Kommentar, N 498 ff. zu Art. 18 OR; KOLLER, zit. in Fn. 64, Rz. 23.53 ff.

    71 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, zit. in Fn. 58, Rz. 1234; GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 202. 72 Zu den Auslegungsmitteln: GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, zit. in Fn. 58, Rz. 1205 ff.; JÄGGI/GAUCH/HARTMANN, Zür-

    cher Kommentar, N 370 ff. zu Art. 18 OR. 73 Vgl. NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 43 ff. 74 NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 43 f. 75 NPK 1004 D/92 Informationen für Anwender, S. 44. 76 Vgl. (besucht am

    19.11.18).

    http://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Anwendungshilfen/NPK-Merkblaetter.html

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    unklarer Vertragsklauseln herangezogen zu werden. In ihnen finden sich für bestimmte Baube-reiche zahlreiche Anwendungs- und Verständnishinweise mit Fallbeispielen, womit sie einerseits ein nützliches Hilfsmittel beim Devisieren mit dem NPK darstellen. Andererseits können sie aber auch dem Verständnis des besonderen Sprachgebrauchs im Verkehrskreis der Beteiligten die-nen77, da anzunehmen ist, dass ein besonderer branchentypischer Sinn dem allgemeinen Sprach-gebrauch vorgeht. Vorausgesetzt ist aber, dass beide Parteien dem betreffenden Verkehrskreis angehören.78

    VIII. Besondere Kapitel und Abschnitte mit Problempotenzial

    A Das NPK-Kapitel 102 D/15 «Besondere Bestimmungen» 1. Mit dem NPK-Kapitel 102 D/15 «Besondere Bestimmungen» legt die CRB den Anwendern ein Instrument in die Hände, um die durch ein «Bauobjekt bedingten, besonderen Bestimmungen» systematisch zu formulieren. Aufgrund der Objektbezogenheit dieser «Besonderen Bestimmun-gen» kann das NKP-Kapitel 102 aber keine allgemeingültigen Texte (also: keine Standard- bzw. Normbeschriebe) liefern, weshalb es sich als «Checkliste» verstanden wissen will, die in der Schnittstelle zur SIA Norm 118 «eine einheitliche Struktur» vorgibt.79

    2. Nach Art. 7 Abs. 2 Ziff. 2 SIA Norm 118 sind die durch ein «Bauobjekt bedingten, besonderen Bestimmungen» Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen und gemäss Art. 21 SIA Norm 118 (eine entsprechende gegenseitige Willensäusserung der Parteien vorausgesetzt, Art. 1 OR) wer-den sie auch Vertragsbestandteil. Sie sind insofern objektbedingt, als sie Angaben zum konkreten Bauvorhaben enthalten. Dennoch sind die Angaben allgemein gehalten: sie beschränken sich nicht auf einzelne Leistungsbeschriebe, sondern sind auf eine Vielzahl von Positionen ausgerich-tet.80 Entsprechend der beispielhaften Aufzählung in Art. 7 Abs. 2 Ziff. 2 SIA Norm 118 sollen in den «durch das Bauobjekt bedingten, besonderen Bestimmungen» die Lage des Bauobjekts, die Baugrundbeschaffenheit und die örtlichen Begebenheiten (vgl. dazu Art. 5 SIA Norm 118), der Bauvorgang (Reihenfolge der Arbeit oder Arbeitsmethode), die Qualitätsanforderungen und Angaben zur Qualitätssicherung sowie zum Qualitätsmanagement, die Zweckbestimmung des Werks, der Baubeginn und allenfalls einzuhaltende Fristen und Angaben zu Grundstücken und Rechten (vgl. Art. 13 SIA Norm 118) sowie Zuleitungen und Ableitungen (vgl. Art. 14 SIA Norm 118) beschrieben werden.

    3. Das NPK-Kapitel 102 nimmt den in Art. 7 SIA Norm 118 bloss beispielhaft vorgeschlagenen Katalog auf und ergänzt ihn um weitere praktische Punkte, die sich teilweise auch an der restli-chen SIA Norm 118 orientieren und sachlich in die «Besonderen Bestimmungen» gehören (z.B. an Art. 103 ff. zu den Schutz- und Fürsorgepflichten oder Art. 189 Abs. 3 zur Hinweispflicht des Bauherrn betreffend Versicherungsdeckungen).81 Es ist in folgende Abschnitte gegliedert:

    000 Bedingungen

    100 Organisation Bauherr, Lage, Zweckbestimmung des Objekts, Umfang der Arbeiten

    200 Ausschreibung, Eignungs- und Zuschlagskriterien, Beilagen zum Angebot

    300 Örtliche Gegebenheiten

    77 Siehe beispielsweise die Erläuterungen in NPK Merkblätter zum Devisieren Nr. 9 D/15, Begriffe Erdbau. 78 JÄGGI/GAUCH/HARTMANN, Zürcher Kommentar, N 377 zu Art. 18 OR. 79 NPK-Kapitel 102 D/15 «Besondere Bestimmungen», S. 5. 80 Zu den «Besonderen Bestimmungen» nach Art. 7 SIA Norm 118: STÖCKLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in

    Fn. 3, Art. 7/Rz. 13.1 ff; SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkommentar zur Norm-SIA 118, zit. in Fn. 15, N 22 zu Art. 7.

    81 STÖCKLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 7/Rz. 14.

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    400 Grundstücksbenützung, Zu- und Ableitungen, Bauabfälle

    500 Schutz von Personen, Eigentum, Baustelle, Umgebung

    600 Bauablauf, Fristen, Prämien, Strafen

    700 Normen und andere Regelwerke, besondere Anforderungen

    800 Bauarbeiten, Baubetrieb

    900 Versicherungen, Administration

    4. Die Objektbezogenheit der «Besonderen Bestimmungen» und deren Funktion als Checkliste bringen es mit sich, dass zwar geschlossene Hauptpositionen ausgewählt werden können, die Un-terpositionen aber weitgehend offen sind und vom Bauherrn bzw. seinem Planer spezifiziert wer-den müssen. Oft kommt es auch vor, dass Anwender sich nur an die Abschnitttitel halten und den Rest frei gestalten, so dass mitunter Themen an Orten behandelt werden, die man systematisch woanders erwarten würde. Aber auch die Regelungsvorschläge des NPK-Kapitels 102 selbst ber-gen Problem-, zumindest aber Überraschungspotenzial:

    a. So ist in Abschnitt 600 «Bauablauf, Fristen, Prämien, Strafen» etwa vorgesehen, dass neben dem Bauablauf (Pos. 620) auch Termine und Fristen (Pos. 630) vorgegeben und bei entsprechen-der Übernahme verbindlich82 vereinbart werden. Falls sich im Vertragsganzen widersprüchliche Termin- und Fristenregelungen finden, greifen allfällig vereinbarte Widerspruchsregeln, im Falle der Übernahme der SIA Norm 118 deren Art. 21, wonach der Text der Werkvertragsurkunde den «Besonderen Bestimmungen» vorgeht.83

    b. Weiter ist zu Abschnitt 600 «Bauablauf, Fristen, Prämien, Strafen» zu beachten, dass darunter nicht nur Positionen für Prämien, Konventionalstrafen oder ein Bonus- und Malus-System vor-gesehen sind, sondern auch – und ohne dass dies der Abschnitttitel erwarten liesse – die Einfüh-rung einer alternativen Streiterledigung (Unterabschnitt 650). Vorgeschlagen wird dort etwa das mehrstufige Verfahren nach VSS 641 510 oder ein Schiedsgerichtsverfahren84 (Position 651.100). Wird die Position entsprechend verwendet und vom Vertragspartner allenfalls unbese-hen (global) übernommen, kann sich die Streitfrage stellen, ob damit rechtgültig vom rangnach-gehenden Art. 37 Abs. 3 SIA Norm 118 abgewichen wurde, der vorsieht, dass Streitigkeiten man-gels anderer Vereinbarung durch die ordentlichen Gerichte entschieden werden. In solchen Streit-fällen kann die Ungewöhnlichkeitsregel greifen (oben VII./E), so dass der NPK-Bestimmung im Einzelfall die Anwendung verwehrt bleibt.

    c. In Abschnitt 700 «Normen und andere Regelwerke, besondere Anforderungen» sollen gemäss Hinweistext sodann «die massgebenden technischen Normen, Regelwerke und dgl.» beschrieben werden. Immerhin lässt sich aus diesem Text (für die Auslegung gegebenenfalls relevant) auch ableiten, dass die Normen «explizit aufzuführen» sind, so dass aus dem Hauptpositionstext alleine (z.B. Pos. 721 «SIA-Normen, -Empfehlungen und -Richtlinien») nicht darauf zu schliessen ist, dass damit sämtliche bezeichneten Bestimmungen auf den konkreten Vertrag anwendbar wären. Werden sie explizit aufgeführt, kann Abschnitt 700 die Funktion des nach Art. 7 Abs. 2 Ziff. 5

    82 «Frist- und Terminbestimmungen in jeglichen Dokumenten vertraglicher Natur sind grundsätzlich verbindlich (da

    vereinbart)», REETZ, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 92/Rz. 3.6. 83 Dagegen enthält das Bauprogramm grundsätzlich keine verbindlichen Termine und Fristen (vgl. Art. 93 Abs. 2 SIA

    Norm 118; REETZ, a.a.O.). 84 Beachte dazu Art. 358 ZPO, wonach eine Schiedsvereinbarung «schriftlich oder in einer anderen Form zu erfolgen

    [hat], die den Nachweis durch Text ermöglicht.»

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    SIA Norm 118 vorgesehenen «Verzeichnis[ses] der nicht durch das Bauobjekt bedingten, allge-meinen Bestimmungen»85 übernehmen.

    d. Erwähnung verdient auch Abschnitt 900 «Versicherungen, Administration». Im Unterab-schnitttitel 920 «Versicherungen Bauherr» ist vorgesehen, dass Angaben zur Bauherrenhaft-pflichtversicherung (Pos. 921) oder zur Bauwesenversicherung (Pos. 922) aufgenommen werden. Mit entsprechender Verwendung erfüllt der Bauherr seine nach Art. 189 Abs. 3 SIA Norm 118 vorgesehene Mitteilungspflicht, den Unternehmer darüber zu informieren, «ob und welche Ver-sicherungen er mit Bezug auf das Werk abschliesst»86. Damit erfüllt das NPK-Kapitel 102 seine Aufgabe als wertvolle Checkliste. Im Unterabschnitttitel 940 finden sich aber etwa auch Positio-nen zum Rapportwesen für Regieleistungen (Pos. 941) und zu deren Vergütung (Pos. 942), zur «Verrechnung von Preisänderungen» (Pos. 943), zur Rechnungsstellung und zum Zahlungsver-kehr (Pos. 944), zur Schlussabrechnung (Pos. 946) und zur Kostenbeteiligung des Unternehmers an Ausmassauswertungen, der Baureklame, am Baustrom etc. (Pos. 947). Ob es sich bei den auf-geführten Beispielen um «durch das Bauobjekt bedingte Bestimmungen» im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Ziff. 2 SIA Norm 118 handelt, darf angezweifelt werden, scheinen doch kommerzielle, nicht bauliche Anliegen im Vordergrund.

    5. Zu Recht weisen SPIESS/HUSER auf das Missbrauchsrisiko hin, in den «Besonderen Bestim-mungen» von der SIA Norm 118 abzuweichen und den Abweichungen über die Rangordnung von Art. 21 SIA Norm 118 Vorrang zu verschaffen.87 Dabei spielt es keine Rolle, ob die «Beson-deren Bestimmungen», welche mithilfe des NPK-Kapitels 102 erarbeitet wurden, im Leistungs-verzeichnis aufgingen, was oft der Fall ist, oder ob sie als separater Vertragsbestandteil ausge-staltet wurden, weil auch das Leistungsverzeichnis der SIA Norm 118 im Widerspruchsfall vor-geht.88

    6. Im Fall von Widersprüchen kann auch die Abgrenzung zwischen den «Besonderen Bestim-mungen» nach Art. 7 SIA Norm 118 und den «objektbedingten Bestimmungen» nach Art. 8 SIA Norm 118, welche sich im Leistungsverzeichnis finden, zu Schwierigkeiten führen. Werden die «Besonderen Bestimmungen» in einem separaten Dokument erfasst, greift die Rangordnung in Art. 21 SIA Norm 118 mit der Folge, dass diese Bestimmungen den «objektbedingten Bestim-mungen» im Leistungsverzeichnis vorgehen. Werden die «Besonderen Bestimmungen» dagegen ins Leistungsverzeichnis integriert, wie es dem Konzept des NPK entspricht, so müsste für den Fall, dass die Parteien sich widersprechende Bestimmungen, aber keine weitere Widerspruchsre-gel89 vereinbart haben, die Grundregel zur Anwendung gelangen, wonach «widersprüchliche Ver-tragsbestimmungen im Umfang des Widerspruchs unverbindlich sind»90. Zwar sind Widersprü-che nicht leichthin anzunehmen. Doch sind die Parteien stets gut beraten, dass vertragliche «Quer-bezüge sorgfältig überprüft» und untereinander koordiniert werden, damit Widersprüche von An-fang an vermieden werden können.91

    85 Zu diesem Verzeichnis und zur Abgrenzung der allgemeinen von den besonderen Bestimmungen: STÖCKLI, Kom-

    mentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 7/Rz. 25; zur Bedeutung des Verzeichnisses für die Übernahme auf-geführter Normen siehe auch STÖCKLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 21/Rz. 18.

    86 Zur Mitteilungspflicht: GAUCH/STÖCKLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3, Art. 189/Rz. 18.1 ff. 87 SPIESS/HUSER, Stämpflis Handkommentar zur Norm-SIA 118, zit. in Fn. 15, N 22 zu Art. 7. 88 Vgl. BUCHER, zit. in Fn. 3, S. 27. 89 Etwa, dass das zeitlich jüngere Dokument dem älteren vorgeht (vgl. Ziff. 2.2 KBOB-Mustervertrag, Dokument

    Nr. 34, Version 2018 (n1.7)). 90 GAUCH, zit. in Fn. 14, Rz. 301. 91 STÖCKLI, Kommentar zur SIA-Norm 118, zit. in Fn. 3 Art. 7/Rz. 13.2; vgl. auch EGLI, Kommentar zur SIA-Norm

    118, zit. in Fn. 3, Art. 8/Rz. 13.

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    B Abschnitt 000 «Bedingungen» in den einzelnen NPK 1. Im Abschnitt 000 «Bedingungen» der einzelnen NKP-Kapitel finden sich etwa Vergütungsre-gelungen, Ausmassbestimmungen sowie Begriffe, Abkürzungen und Verständigungshinweise, die jeweils in den Unterabschnitten 010, 020 und 030 beschrieben werden. Darüber hinaus weisen die einzelnen NPK-Kapitel weitere Unterabschnitte etwa zu systemrelevanten Informationen, Ausführungsbestimmungen, Bemusterungen oder mit Empfehlungen zum ökologischen Bauen auf, die aber nicht einheitlich gegliedert sind, sondern sich nach den Anforderungen der jeweili-gen Arbeitsgattung ausrichten.92

    2. Grundsätzlich folgt der Abschnitt 000 «Bedingungen» weitgehend den entsprechenden SIA 118/ABB.93 So ist etwa der Abschnitt 000 in NPK 624 D/2018 «Allgemeine Schreinerarbeiten» der SIA 118/241 Allgemeine Bedingungen für Schreinerarbeiten, Ausgabe 2015, nachempfun-den, indem viele Bestimmungen aus der SIA 118/241 – wenn auch nicht in derselben Systematik – übernommen wurden.94 Deckungsgleich sind sie aber nicht!95 Darüber hinaus finden sich auch vereinzelte Regeln aus den technischen Normen des SIA (z.B. SIA 241 Schreinerarbeiten, Aus-gabe 2015) im Abschnitt 000 «Bedingungen» wieder.96 Doch lässt sich hier – zumindest bei ei-nem Vergleich der genannten SIA 241 mit dem «entsprechenden» NPK 624 D/2018 – kein Sys-tem erkennen. So werden bisweilen selbst unter denselben Titeln komplett andere Themen be-handelt (vgl. z.B. «Verständigung» Ziff. 1 SIA 241 und Hauptposition 033).

    3. Die teilweise, aber nicht vollständige Abbildung von Bestimmungen aus den SIA/ABB und den technischen Normen im Abschnitt 000 «Bedingungen» der einzelnen NPK-Kapitel macht es – zumindest für den Baulaien – schwierig, sich zurechtzufinden. Zwar setzt das «Wirrwarr» vo-raus, dass die entsprechenden Normen in den konkreten Vertrag übernommen werden. Davon wird unter den «Wichtigen Hinweisen» der jeweiligen NPK-Kapitel jedoch ausgegangen.97 Mit Übernahme werden aber nicht nur Doppelspurigkeiten in Kauf genommen, sondern es wird auch das Risiko von Widersprüchen gemehrt98 – Überraschungen nicht ausgeschlossen, wie folgendes Beispiel zeigt:

    a. Im Verhältnis zur SIA Norm 118 gehören die SIA/ABB gemäss deren Ziff. 0.2 zu den «übrigen Normen», was sie nach Art. 21 SIA Norm 118 bei Widersprüchen in der Rangfolge nachgehen lässt.99 Diesbezüglich sind die SIA Norm 118 und die SIA/ABB kongruent. In der hier beispiel-haft näher untersuchten SIA 118/241 Allgemeine Bedingungen für Schreinererarbeiten, Ausgabe 2015, wird dann sogar und immer noch koordiniert mit der SIA Norm 118 unter Ziff. 0.2.3 auf Änderungen (Widersprüche) zur SIA Norm 118 hingewiesen: «Durch Ziffer 5.3 wird Art. 144 Abs. 1 der Norm SIA 118 betreffend Teilzahlungen ersetzt.»100 Ziff. 0.2.4 hält dann folgerichtig fest, dass diese Änderungen nur dann «wirksam» werden, wenn dies «in der Vertragsurkunde»

    92 Vgl. zur Gliederung die einzelnen Entscheidungsschemata zu den NPK-Kapiteln unter (besucht am 19.11.18). 93 BUCHER, zit. in Fn. 3, S. 30. 94 Z.B.: Ziff. 2.1 SIA 118/241 entspricht Pos. 011.100; Ziff. 5.3 SIA 118/241 entspricht Pos. 010.011.200 bis .350;

    Ziff. 2.2 SIA 118/241 entspricht Pos. 011.012. 95 Z.B. sind die Ziff. 1.1 SIA 118/241 zur Ausschreibung oder Ziff. 1.3 SIA 118/241 zu den Pflichten der Vertrags-

    partner nicht übernommen. 96 Z.B.: Ziff. 1.6.2 SIA 241 entspricht Pos. 031.210; Ziff. 1.6.3 SIA 241 entspricht Pos. 031.220; Ziff. 1.6.4 SIA 241

    entspricht Pos. 0.31.230. 97 Z.B. NPK 624 D/2018 «Allgemeine Schreinerarbeiten», S. 5; vgl. (besucht am 19.11.18). 98 Vgl. BUCHER, zit. in Fn. 3, S. 30 f. 99 Zur Rangordnung zwischen SIA Norm 118 und SIA/ABB: STÖCKLI HUBERT, Private Baunormen, in: BRT 2005,

    S. 19 f. 100 Unter Ziff. 5.3 SIA 118/241 sind Teilzahlungen vorgesehen: 30% bei Bestellung, 30% bei Lieferung; 30% bei

    Montage und 10% nach Erfüllung.

    http://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Anwendungshilfen/NPK-Entscheidungsschemata.htmlhttp://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Anwendungshilfen/NPK-Entscheidungsschemata.htmlhttp://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Anwendungshilfen/NPK-Anwendung.htmlhttp://www.crb.ch/crbOnline/CRB-Standards/Anwendungshilfen/NPK-Anwendung.html

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    vereinbart ist. Es ist dann zwar zumindest merkwürdig, dass dieselbe SIA 118/241 schon unter Ziff. 5.3.2 das Umgekehrte normiert, dass nämlich die Teilzahlungen gelten würden, «[s]ofern der Werkvertrag nicht etwas anderes bestimmt».

    b. Dieser Widerspruch in SIA 118/241 selbst ist mit Blick auf die Rangordnung in Art. 21 SIA Norm 118 aber irrelevant, doch auch irreführend. Irrelevant ist er, weil die Abschlagszahlungsre-gel nach SIA Norm 118 vorgeht, solange «werkvertraglich» nichts Anderes vereinbart ist. Irre-führend ist der Widerspruch dennoch, weil mit Ziff. 5.3 SIA 118/241 doch das Gegenteil sugge-riert wird.

    c. Zu beachten ist nun aber, dass die Parteien mit Abschnitt 000 «Bedingungen» von NPK 624 D/2018 (in aller Regel) den Unterabschnitt 010 mit «Vergütungsregeln» übernehmen. Dorthin wurden die Teilzahlungsregeln von Ziff. 5.3 SIA 118/241 aber «kopiert». Dies hat zur Folge, dass sie über die Rangordnung von Art. 21 SIA Norm 118 dieser wiederum vorgehen, weil sie nun im ranghöheren Leistungsverzeichnis vereinbart sind.

    Das Beispiel illustriert, wie rasch man sich bei der Vertrags- und Normgestaltung in Widersprü-che verstricken kann und wie diffizil der Umgang mit vorgenormten Positionen und vorgeschla-genen Rangordnungen ist. Vor Überraschungen ist man nicht gefeit.

    4. Da der Abschnitt 000 «Bedingungen» als Teil des Leistungsverzeichnisses im Widerspruchsfall der SIA Norm 118 vorgeht (Art. 21 SIA Norm 118), besteht gleich wie bei den «Besonderen Bestimmungen» das Risiko, dass sie zur Kräfteverlagerung zugunsten des Bauherrn missbraucht werden, indem einseitig von der SIA Norm 118 abgewichen wird. Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar, sei es, weil der Unternehmer das Leistungsverzeichnis erstellt, sei es, dass ein un-sorgfältiger Planer Klauseln in den Bedingungen aufführt, die zulasten des Bauherrn von der SIA Norm 118 abweichen101.

    101 Zur Haftung des Planers für Fehler im Leistungsverzeichnis: PEER, zit. in Fn. 3, Rz. 501 ff.; SIEGENTHALER, zit. in

    Fn. 15, S. 171 ff. Vgl. auch FELLMANN, zit. in Fn. 15, S. 91 ff.

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    Auszug aus Benutzungsanleitung NPK 1999, S. 4 f.

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    KernaussagenI. Einleitung: Ein Katalog standardisierter LeistungsbeschriebeA Was ist der Normpositionenkatalog?B Aufbau des NPK und «Zusammenspiel» mit den SIA NormenC Normierung einer privaten Organisation: Kein rechtssetzender Charakter

    II. Die Normposition als Leistungsposition im LeistungsverzeichnisIII. Positionsarten des NPKA Geschlossene und offene NormpositionenB R-Position (Reservefenster)C Exkurs: Per-Position, Eventual- und Alternativposition1. Per-Position2. Eventual- und Alternativposition

    IV. NPK-Leistungsverzeichnisse im Voll- oder KurztextV. Abgrenzungen zu Baukostenplan BKP und eBKPVI. Rechtliche Qualifikation: Die Normposition als AGB oder als Baustein für eine Individualabrede?VII. Auslegung von NormpositionenA Vorrang der IndividualabredeB Die Ungewöhnlichkeitsregel und die UnklarheitsregelC NPK-Anwendungshilfen als Auslegungsmittel

    VIII. Besondere Kapitel und Abschnitte mit ProblempotenzialA Das NPK-Kapitel 102 D/15 «Besondere Bestimmungen»B Abschnitt 000 «Bedingungen» in den einzelnen NPK