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alles wichtige praxisnah eins 2018 editorial Unsere Mitarbeiter – unsere Zukunft (Ulrich Dempfle ) 1 beitrag des monats Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform in der notariellen Praxis (Jo ¨rg Ihle ) 3 jahresrɒckblick Registerrecht – Aktuelle Entwicklungen (Thomas Kilian ) 13 praxisforum Notariatsverwaltung und Aktenverwahrung (Volker Heinze ) 27 Herausgeber Prof. Dr. Walter Bayer, Jena Notar Dr. Peter Schmitz, Kçln Notar Dr. Oliver Vossius, Mɒnchen Richter am BGH a. D. Roland Wendt, Karlsruhe Schriftleiter Notarassessor Dr. Stefan Schmitz, Berlin Notar Andreas Schmitz-Vornmoor, Remscheid 1 / 18 Jetzt bestellen! Einbanddecken 2017 Tel. 0800/66827830 (kostenlos)

Notar Title 1. - dnotv.de Harald Wilsch, NotarFormulare Erbbaurec ht, 1. Auflage 2016 (besprochen von Notar Christian Esbjo¨rnsson) 39

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alles wichtige praxisnah

eins 2018

editorialUnsere Mitarbeiter – unsere Zukunft (Ulrich Dempfle ) 1

beitrag des monatsAuswirkungen der Erbschaftsteuerreform in der notariellen Praxis(Jorg Ihle ) 3

jahresr�ckblickRegisterrecht – Aktuelle Entwicklungen (Thomas Kilian ) 13

praxisforumNotariatsverwaltung und Aktenverwahrung (Volker Heinze ) 27

Herausgeber

Prof. Dr. Walter Bayer, Jena

Notar Dr. Peter Schmitz, Kçln

Notar Dr. Oliver Vossius, M�nchen

Richter am BGH a. D. Roland Wendt, Karlsruhe

Schriftleiter

Notarassessor Dr. Stefan Schmitz, Berlin

Notar Andreas Schmitz-Vornmoor, Remscheid

1/18

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(kostenlos)

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

dem deutschen Notariat steht mit der Einrichtung des Elektronischen Urkunden-archivs ab dem Jahr 2020 die wohl großte Veranderung seit seinem Bestehen bevor,die ein neues Zeitalter einlautet. Erstmals wird es neben der papiergebundenenUrschrift eine elektronische Urschrift geben. Zudem wird nach und nach der elektro-nische Grundbuchverkehr in den Bundeslandern eingefuhrt. In einigen Jahren solldie Umstellung auf das Datenbankgrundbuch erfolgen, das rein digital als elektroni-sche Datenbank gefuhrt werden soll. All diese Umbruche stellen die Notarinnen undNotare vor erhebliche Herausforderungen. In erster Linie treffen die tiefgreifendenVeranderungen im Arbeitsalltag allerdings nicht die Amtsinhaberin oder den Amts-inhaber, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Notariaten. Neben dieohnehin bereits immer anspruchsvoller werdende Tatigkeit der Notarfachangestelltentreten neue technische und mit der Digitalisierung zusammenhangende rechtlicheAnforderungen. Mit der Eroffnung des elektronischen Grundbuchverkehrs wird sichnahezu jede Sachbearbeiterin und jeder Sachbearbeiter die technischen Kenntnisseaneignen mussen, die fur den Umgang mit der Notarsoftware erforderlich ist.

Das Augenmerk des gesamten Berufsstandes muss daher in Zukunft noch mehr alsbisher auf der Ausbildung und der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin den Notariaten liegen. Zweifellos ist die Tatigkeit der/des Notarfachangestelltenspannend und fordernd; zudem ist der Beruf krisensicher. Er muss sich nicht hinteranderen Berufen innerhalb der Rechtspflege verstecken, ganz im Gegenteil. Allerdingsmussen wir alle kritisch hinterfragen, ob die Attraktivitat des Berufs derzeit ausreicht,um auch in Zukunft qualifiziertes Personal in ausreichender Anzahl gewinnen zukonnen. Das Notariat leidet namlich bei den Schulerinnen und Schulern seit jeher anfehlender Bekanntheit und Anziehungskraft. Hinzu kommt, dass angesichts der zuneh-menden Moglichkeiten, Hochschulabschlusse – auch in bislang klassischen Ausbil-dungsberufen – zu erreichen, die Fortbildungsangebote fur Notarfachangestellte nichtmehr als zeitgemaß empfunden werden. Nicht selten ist die Frage nach Fort- undWeiterbildungsmoglichkeiten (mit-)entscheidend fur die Wahl des Ausbildungsberufs.Diesen Herausforderungen werden wir uns stellen mussen.

Aus meiner Sicht sind hierzu drei Schritte erforderlich:

1. Die Notarkammern und Notarvereine, aber insbesondere auch die Notarinnen undNotare vor Ort mussen bemuht sein, eine ausreichende Anzahl an Auszubildenden zugewinnen. Hierfur mussen die Vorzuge der Arbeit in einem Notariat noch deutlicher alsbisher herausgestellt werden.

2. Noch viel mehr als bisher werden die Notarinnen und Notare Weiterbildungen ihrerMitarbeiterinnen und Mitarbeiter fordern und fordern mussen. Hierbei ist nicht nur aufeine fachliche Weiterbildung Wert zu legen. Auch der einwandfreie Umgang mit derNotarsoftware muss von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beherrscht werden.

3. Die Notarkammern werden immer wieder aufs Neue die tradierten Aus- und Weiter-bildungswege auf den Prufstand stellen und kritisch hinterfragen mussen, ob diese denjeweils aktuellen beruflichen Anforderungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitergerecht werden. Hierbei gilt es, Veranderungen umsichtig vorzunehmen, aber auchneue Wege nicht zu tabuisieren und erst recht nicht den Fortbildungsmarkt Dritten zuuberlassen.

Als Prasident der Notarkammer Koblenz werde ich mich nach Kraften bemuhen,meinen Teil zur stetigen Verbesserung der Aus- und Weiterbildungsmoglichkeiten derNotarfachangestellten beizutragen. Auf uns alle kommen spannende Zeiten zu. Ichfreue mich darauf.

Mit besten Grußen

Ihr Justizrat Dr. Ulrich DempflePrasident der Notarkammer Koblenz

Unsere Mitarbeiter –unsere Zukunft

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inhaltsverzeichnis

editorial Unsere Mitarbeiter – unsere Zukunft (Justizrat Dr. Ulrich Dempfle ) 1

inhalt 2

impressum 12

beitrag des monats Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform in der notariellen Praxis (Dr. Jorg Ihle ) 3

jahresr�ckblick Registerrecht – Aktuelle Entwicklungen (Dr. Thomas Kilian ) 13

rechtsprechung BGH: Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages (mit Anmerkung von Michael Uerlings ) 21

OLG Hamm: Makler als Auftraggeber des Notars II (mit Anmerkung von Dr. Jens Neie ) 24

OLG Dusseldorf: Zur Firma der Zweigniederlassung auslandischer Unternehmen imdeutschen Handelsregister (mit Anmerkung von Dr. Thomas Kilian ) 25

praxisforum Notariatsverwaltung und Aktenverwahrung – Kostenrechtliche Fragen rund umdie Amtsnachfolge (Volker Heinze ) 27

r�ckblick Drei Jahre als IRZ-Berater in Montenegro (Michael Haußner ) 32

service Der Notarberuf in England und Wales – Zusammenfassung seiner Geschichte, seinesStatus sowie der beruflichen Voraussetzungen und Praxis (Michael Lightowler, LL.B.,David Wheatley, BA (Hons.) ) 34

nachrichten 38

literatur Harald Wilsch, NotarFormulare Erbbaurecht, 1. Auflage 2016 (besprochen von NotarChristian Esbjornsson ) 39

Sebastian Herrler (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2017(besprochen von Notarassessor Dr. Stefan Daniel Josef Schmitz ) 39

2 notar 1/2018

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beitrag des monats

Jorg Ihle

Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform inder notariellen Praxis

Die �nderung der erbschaftsteuerlichen Beg�nstigungsvor-schriften f�r unternehmerisch genutztes Vermçgen durch dieErbschaftsteuerreform 2016 hat Folgen f�r die Gestaltung vonletztwilligen Verf�gungen und Schenkungsvertr�gen. Die Be-ratungspraxis ist hier aufgerufen, die neuen Verschonungs-regelungen bei der Nachfolgeplanung zu ber�cksichtigen undWege zu finden, die steuerliche Beg�nstigung eines Erwerbs-vorgangs mçglichst sicherzustellen. Der nachfolgende Beitragsoll dazu eine Hilfestellung f�r den Berater geben und Gestal-tungsmçglichkeiten unter Beachtung des neuen L�ndererlas-ses der Finanzverwaltung zur Erbschaftsteuerreform 2016 auf-zeigen.

A. Einleitung

Mit der Veroffentlichung des Gesetzes zur Anpassung des Erb-schaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtspre-chung des BVerfG am 9.11.2016 im Bundesgesetzblatt1 ist einelangere Phase der Rechtsunsicherheit zu ihrem (vorlaufigen)Ende gelangt, die mit der Entscheidung des BVerfG zur Verfas-sungswidrigkeit der bis dahin geltenden Verschonungsregeln furUnternehmensvermogen2 begonnen hatte. Der Gesetzgeber istdamit dem Auftrag des Gerichts gefolgt, fur eine grundrechts-konforme Ausgestaltung der Begunstigungsvorschriften zu sor-gen. Die Reform konzentriert sich deshalb im Kern auf dieverfassungsrechtlich gebotenen Anderungen der §§ 13a, 13bErbStG sowie eine Erweiterung der Stundungs- und Erlass-regelungen. Daruber hinaus wurde in § 13b Abs. 5 ErbStG eineneue Investitionsklausel fur Erwerbe von Todes wegen und in§ 13a Abs. 9 ErbStG ein gesonderter Wertabschlag fur den Erwerbeiner nach § 13b Abs. 2 ErbStG begunstigten Beteiligung an einer

Familiengesellschaft eingefuhrt. Die neuen Regelungen desErbStG gelten prinzipiell fur alle Erwerbe, fur die die Steuer nachdem 30.6.2016 entstanden ist.

Das vom Gesetzgeber reformierte, außerst komplexe Beguns-tigungssystem wirft eine Vielzahl von Fragen auf, die seitens derFinanzverwaltung nur zum Teil durch den 80-seitigen, koor-dinierten Landererlass vom 22.6.2017 zur Anwendung dergeanderten Vorschriften des ErbStG3 beantwortet werden.4 EinUnikum ist dabei, dass die Lander aufgrund der abweichendenHaltung Bayerns zu einigen Erlassregelungen keinen gleichlau-tenden Erlass verabschieden konnten. Die Finanzverwaltung inBayern konnte demzufolge einige Gesetzesregelungen mogli-cherweise weniger streng auslegen, als Finanzamter in anderenBundeslandern. Da die Erbschaftsteuer weder eine Bundes-noch eine Gemeinschaftsteuer ist, hat das Bundesfinanzminis-terium gegen diesen Sonderweg des Landes Bayerns keineHandhabe.

Die neuen Verschonungsregelungen stellen auch den Notar beider Planung und Begleitung von Maßnahmen im Bereich derUnternehmensnachfolge vor neue Herausforderungen. Nacheinem kurzen Uberblick uber die wesentlichen Neuerungensollen im Folgenden einige Gestaltungshinweise zu ausgewahl-ten Themen gegeben werden, die auch in der notariellen Praxiseine Rolle spielen konnen.5

1 BGBl I 2016, 2464.2 Vgl. BVerfG, Urt. v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, ZEV 2015, 19.

3 BStBl I 2017, S. 902 ff.4 Naher dazu Geck, ZEV 2017, 481 ff.5 Ausfuhrlicher zu den durch die Erbschaftsteuerreform 2016 umge-

setzten Anderungen im BewG und im ErbStG Riegel/Heynen, BB 2017,23 ff.; Crezelius, ZEV 2016, 541 ff.; Geck, ZEV 2016, 546 ff.; Hannes,ZEV 2016, 554 ff.; Landsittel, ZErb 2016, 383 ff.; Wartenburger, Mitt-BayNot 2017, 220 ff.; Watrin/Linnemann, DStR 2017, 569 ff.; Wachter,FR 2016, 690 ff.

notar 1/2018 Ihle: Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform in der notariellen Praxis 3

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B. Das neue Beg�nstigungssystem im �berblick

I. Beg�nstigte Erwerbsvorg�nge

§ 13b ErbStG unterscheidet fur die Gewahrung der Steuerver-schonungen zwischen dem begunstigungsfahigen Vermogensowie dem begunstigten Vermogen und dem nicht beguns-tigten Verwaltungsvermogen.6

1. Erste Stufe der Pr�fung: Vorliegen beg�nstigungs-f�higen Vermçgens

Da das BVerfG das bestehende Verschonungssystem fur unter-nehmerisches Vermogen grundsatzlich gebilligt hat, hat derGesetzgeber an der bisherigen Definition der begunstigungsfa-higen Einheiten in § 13b Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ErbStG in Form vonland- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Betriebsvermogenund Anteilen an Kapitalgesellschaften festgehalten. Gemaߧ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG begunstigungsfahig sind nach wie vorauch Beteiligungen an gewerblich gepragten Personengesell-schaften i. S. d. § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.Nicht begunstigungsfahig ist dagegen der Anteil einer ver-mogensverwaltenden, nicht gewerblich gepragten Holdingge-sellschaft in der Rechtsform einer Personengesellschaft, auchwenn diese zu mehr als 25 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligtist. Nach Auffassung des BFH steht der Steuerbefreiung in diesenFallen entgegen, dass Gesellschafter der Kapitalgesellschaft zivil-rechtlich nicht der Erblasser bzw. Schenker, sondern die Per-sonengesellschaft ist.7

2. Zweite Stufe der Pr�fung: Vorliegen beg�nstigtenVermçgens

Ist begunstigungsfahiges Vermogen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nrn. 1 bis3 ErbStG vorhanden, ist in einem zweiten Schritt gemaß § 13bAbs. 2 S. 1 ErbStG das begunstigte Vermogen von dem nichtbegunstigten Vermogen zu trennen. Denn nur fur den Erwerbbegunstigten Vermogens soll die Inanspruchnahme der altenund neuen Steuerverschonungen fur Unternehmensvermogenmoglich sein.8 Der nach dem anteiligen Abzug von Schuldenund dem unschadlichen Verwaltungsvermogen9 verbleibendeNettowert des nicht begunstigten Verwaltungsvermogens wirdnunmehr – in Abkehr von dem zuvor geltenden Alles-oder-Nichts-Prinzip – in vollem Umfang ohne Verschonung der Be-steuerung unterworfen. Der Zuschnitt des prinzipiell nicht be-gunstigten Verwaltungsvermogens ist dabei in § 13b Abs. 4ErbStG nur geringfugig modifiziert10 und um Sonderregelungenfur Altersversorgungsverpflichtungen in § 13b Abs. 3 ErbStGerganzt worden.

Fur Vermogen, das eigentlich die Kriterien fur die Annahmebegunstigungsschadlichen Verwaltungsvermogens erfullt, wur-de in § 13b Abs. 5 ErbStG eine weitere Ruckausnahme geschaf-fen. Danach kann der Erwerber bei einem Erwerb von Todeswegen eine Besteuerung von Gegenstanden des Verwaltungs-vermogens vermeiden, wenn er diese innerhalb von zwei Jah-ren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer innerhalbdes vom Erblasser erworbenen, begunstigungsfahigen Ver-mogens zum Zwecke der Ausubung einer originaren gewerb-lichen Tatigkeit investiert und es sich bei den dafur angeschaff-ten Vermogensgegenstanden um kein Verwaltungsvermogenhandelt. Weitere Voraussetzung fur die steuerliche Anerken-nung einer solchen Investition ist nach § 13b Abs. 5 S. 2 ErbStGjedoch, dass diese auf einem „vorgefassten Plan des Erblassers“beruht (dazu siehe auch C. I.).11

II. Steuerbefreiungen gem�ß §§ 13a, 13b ErbStG

Beim Erwerb begunstigten Vermogens kann der Steuerpflich-tige bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen wie bisher zwi-schen der Regelverschonung von 85 % zuzuglich eines Abzugs-betrags von maximal 150.000 E gemaß § 13a Abs. 1 und 2ErbStG und der optionalen Vollverschonung von 100 % nach§ 13a Abs. 10 Nr. 1 ErbStG wahlen.12 Voraussetzung fur dieGewahrung dieser Begunstigungen ist jedoch, dass das beguns-tigte Vermogen einschließlich der innerhalb von zehn Jahrenvon derselben Person anfallenden Erwerbe einen Betrag von 26Mio. E nicht ubersteigt. Aus der Ubergangsregelung in § 37Abs. 12 S. 2 ErbStG folgt eigentlich, dass fur diese Prufschwellenur Erwerbe berucksichtigt werden, fur die die Steuer nach dem30.6.2016 entsteht. Nach Auffassung der Finanzverwaltungsind einem nach dem 30.6.2016 getatigten Nacherwerb jedochauch Vorerwerbe hinzuzurechnen, die vor dem 1.7.2016 ver-wirklicht wurden.13 Dies bedeutet, dass fur die Abschatzung derschenkungsteuerlichen Folgen einer geplanten Ubertragungvon Unternehmensvermogen zu prufen ist, ob in den letztenzehn Jahren Erwerbe von demselben Veraußerer vorliegen,auch wenn sich deren steuerliche Beurteilung nach altem Rechtrichtet.

Die in § 13a Abs. 3 ErbStG im Grundsatz beibehaltene Lohn-summenregelung ist in Abkehr von der fruheren Regelung erstdann nicht mehr anzuwenden, wenn zu dem Betrieb – unterBerucksichtigung der in § 13a Abs. 3 S. 11 bis 13 ErbStGgenannten Gesellschaften und Beteiligungen sowie der nachMaßgabe dieser Bestimmungen anteilig einzubeziehenden Be-schaftigten – nicht mehr als funf Beschaftigte gehoren. Wirddieser Schwellenwert uberschritten, hangt die einzuhaltendeMindestlohnsumme von der Art der in Anspruch genom-menen Verschonung und der Anzahl der Beschaftigten ab.Einzelheiten konnen der nachfolgenden Tabelle entnommenwerden.6 Vgl. zu dieser Differenzierung auch Bruggemann, Das neue Erbschaft-

steuergesetz, ErbBstg Sonderausgabe 2016, 1, 9.7 BFH, Urt. v. 11.6.2013 – II R 4/12, ZEV 2013, 464; Urt. v. 18.9.2013 –

II R 63/11, MittBayNot 2014, 564.8 Von der Begunstigung ganzlich ausgeschlossen ist allerdings zur Ver-

meidung von Missbrauchsgestaltungen gemaß § 13b Abs. 2 S. 2ErbStG begunstigungsfahiges Vermogen, welches zu mindestens90 % aus Verwaltungsvermogen besteht.

9 Gemaß § 13b Abs. 7 S. 1 ErbStG wird der Nettowert des Verwaltungs-vermogens wie begunstigtes Vermogen behandelt, soweit er 10 % desum den Nettowert des Verwaltungsvermogens gekurzten gemeinenWertes des Betriebsvermogens nicht ubersteigt.

10 Etwa um die Aufnahme typischerweise der privaten Lebensfuhrungdienender Gegenstande wie Kunstgegenstande, Oldtimer, Yachtenund Segelflugzeuge in § 13b Abs. 4 Nr. 3 ErbStG.

11 Naher zu den einzelnen Voraussetzungen fur die Anwendung derInvestitionsklausel Abschn. 13b.24 Abs. 2 S. 1 des koordiniertenLandererlasses v. 22.6.2017.

12 Ein Antrag auf Optionsverschonung ist gemaß § 13a Abs. 10 S. 2ErbStG aber nur zulassig, wenn das begunstigungsfahige Vermogennach § 13b Abs. 1 ErbStG nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungs-vermogen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG besteht; naher zur Berech-nungsweise Hannes, ZEV 2016, 554, 559 f.

13 Vgl. Abschn. 13a.2 Abs. 2 S. 3 des koordinierten Landererlasses v.22.6.2017; zu Recht kritisch Geck, ZEV 2017, 481, 483.

4 Ihle: Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform in der notariellen Praxis notar 1/2018b

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Lohnsummenklausel/Anzahl der Besch�ftigten:14

Daneben ist die Inanspruchnahme des Verschonungsabschlagsvon 85 % bzw. 100 % weiterhin an die Einhaltung der in § 13aAbs. 6 ErbStG normierten Behaltensvorschriften wahrend derfunf- bzw. siebenjahrigen Nachsteuerperiode gebunden.

III. Abschmelzungsmodell bei Großerwerben(§ 13c ErbStG)

Wird infolge mehrerer innerhalb von zehn Jahren von derselbenPerson anfallenden Erwerbe die Grenze von 26 Mio. E uber-schritten (sog. Großerwerb), verringert sich gemaß § 13c Abs. 1S. 1 ErbStG auf unwiderruflichen Antrag des Erwerbers15

der Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % um jeweilseinen Prozentpunkt fur jede vollen 750.000 E, die der Wert desbegunstigten Vermogens den Betrag von 26 Mio. E ubersteigt.Hat das begunstigte Vermogen beispielsweise einen Wert von50 Mio. E, reduziert sich der Abschlag bei einem Verschonungs-abschlag von 85 % auf 53 %16 und bei einem Verschonungs-abschlag von 100 % auf 68 %.17 Nach § 13c Abs. 1 S. 2 ErbStGscheidet bei einem Verschonungsabschlag von 100 % ab einemErwerb von 90 Mio. E die Gewahrung eines Verschonungs-abschlags ganzlich aus.

Wird der Schwellenwert von 26 Mio. E durch mehrere Erwerbe vonderselben Person innerhalb des maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeit-

raums uberschritten und falltaufgrund dessen die Steuerbe-freiung fur die fruheren Erwer-be nach § 13a Abs. 1 S. 3 ErbStGweg oder verringert sich diesedadurch, sieht § 13c Abs. 2S. 3 ErbStG vor, dass der furden letzten Erwerb ermittelteVerschonungsabschlag auch aufdie fruheren Erwerbe Anwen-dung findet. Es gilt somitein einheitlicher Verschonungs-abschlag, dessen Hohe sich nachdem Gesamtwert aller einzube-ziehenden Erwerbe richtet. Dadie Abschmelzungsregelung des§ 13c ErbStG nach § 37 Abs. 12S. 3 ErbStG jedoch nur auf Er-werbe anzuwenden ist, fur diedie Steuer nach dem 30.6.2016entsteht, bleiben fruhere Erwer-be, fur die die Steuer bereits vordiesem Zeitpunkt entstandenist, außen vor. Ferner gelten imRahmen des Abschmelzungs-modells gemaß § 13c Abs. 2 S. 1ErbStG die in § 13a Abs. 3 bis 9ErbStG enthaltenen Vorgabenund Regelungen (Weitergabe-verpflichtungen, Lohnsummen-und Behaltensregelungen etc.)entsprechend.

IV. Verschonungsbedarfspr�fung bei Großerwerben(§ 28a ErbStG)

Liegt ein Großerwerb im vorgenannten Sinne vor, kann derErwerber statt dem Abschmelzungsmodell nach § 28a ErbStGauch beantragen, dass ihm die Steuer auf den Erwerb desbegunstigten Vermogens erlassen wird, soweit er personlichnicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfugbaren Ver-mogen zu begleichen. Zum verfugbaren Vermogen gehoren50 % des

* mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich ubernomme-nen Vermogens, das nicht zum begunstigten Vermogeni. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG zahlt;

* dem Erwerber im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9ErbStG) bereits gehorenden Vermogens, das nicht zumbegunstigten Vermogen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStGrechnet.

Steht dem Erwerber kein nicht begunstigtes Vermogen zur Ver-fugung, fallt somit keine Erbschaftsteuer an, auch wenn daserworbene begunstigte Vermogen den Betrag von 26 Mio. E umein Vielfaches uberschreitet.

Vererbtes oder geschenktes verfugbares Vermogen kann bei Ge-wahrung eines Steuererlasses gemaß § 28a ErbStG steuerlich indoppelter Weise belastet werden. Zum einen muss ein solcherHinzuerwerb von dem Erwerber fur die Bezahlung der Steuer aufdas begunstigte Vermogen eingesetzt werden. Zum anderenkann daneben fur das vererbte oder geschenkte verfugbare Ver-mogen selbst Erbschaft- oder Schenkungsteuer anfallen. DieFinanzverwaltung steht dabei auf dem Standpunkt, dass die auf

Anzahl der Besch�ftigten im Betrieb Verschonungsabschlag Auswirkung auf die Lohnsummen-regelung

nicht mehr als 5 Besch�ftigte 85 % Lohnsummenklausel gilt nicht

nicht mehr als 5 Besch�ftigte 100 % Lohnsummenklausel gilt nicht

mehr als 5 bis 10 Besch�ftigte 85 % Lohnsummenfrist 5 Jahre

Lohnsumme mindestens 250 % derdurchschnittlichen Ausgangslohnsummeder letzten 5 Jahre

mehr als 5 bis 10 Besch�ftigte 100 % Lohnsummenfrist 7 Jahre

Lohnsumme mindestens 500 % derdurchschnittlichen Ausgangslohnsummeder letzten 5 Jahre

mehr als 10 bis 15 Besch�ftigte 85 % Lohnsummenfrist 5 Jahre

Lohnsumme mindestens 300 % derdurchschnittlichen Ausgangslohnsummeder letzten 5 Jahre

mehr als 10 bis 15 Besch�ftigte 100 % Lohnsummenfrist 7 Jahre

Lohnsumme mindestens 565 % derdurchschnittlichen Ausgangslohnsummeder letzten 5 Jahre

mehr als 15 Besch�ftigte 85 % Lohnsummenfrist 5 Jahre

Lohnsumme mindestens 400 % derdurchschnittlichen Ausgangslohnsummeder letzten 5 Jahre

mehr als 15 Besch�ftigte 100 % Lohnsummenfrist 7 Jahre

Lohnsumme mindestens 700 % derdurchschnittlichen Ausgangslohnsummeder letzten 5 Jahre

14 Vgl. Bruggemann, ErbBstg 2016, 32 f.15 Vgl. § 13c Abs. 2 S. 5 ErbStG.16 50 Mio. E ./. 26 Mio. E = 24 Mio. E; 24 Mio. E / 750.000 E = 32;

85 % ./. 32 % = 53 %.17 100 % ./. 32 % = 68 %.

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den steuerpflichtigen Erwerb des verfugbaren Vermogens entfal-lende Steuer dessen Wert nicht mindert.18

Der nach § 28a ErbStG gewahrte Steuererlass steht zudem unterder auflosenden Bedingung, dass der Erwerber die Lohnsum-menklausel und die Behaltensregelung fur sieben Jahre einhaltund er in einem Zeitraum von zehn Jahren nach dem Besteue-rungszeitpunkt kein weiteres verfugbares Vermogen i. S. d.§ 28a Abs. 2 ErbStG durch Schenkung oder von Todes wegenhinzuerwirbt. Die zunachst erlassene Steuer wird in diesenFallen auch dann nacherhoben, wenn der Erwerb des Ver-mogens von einer anderen Person als dem ursprunglichenErblasser oder Schenker stammt. Dabei spielt es auch keineRolle, ob der Nacherwerb (z. B. der Erwerb eines Familienheims)nach § 13 ErbStG steuerbefreit ist oder nicht. Der Erwerberhat lediglich die Moglichkeit, erneut einen Antrag auf Verscho-nungsbedarfsprufung nach § 28a Abs. 1 ErbStG zu stellen,wobei dann das zum Besteuerungszeitpunkt des Erwerbs, furden der Erlass gewahrt wurde, ermittelte verfugbare Vermogenum 50 % des Wertes des hinzuerworbenen Vermogens zuerhohen ist.19

V. Gesonderter Wertabschlag f�r Familienunter-nehmen (§ 13a Abs. 9 ErbStG)

Fur den Erwerb einer gemaß § 13b Abs. 2 ErbStG begunstigtenBeteiligung an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft wirdnach § 13a Abs. 9 ErbStG noch vor Anwendung des § 13aAbs. 1 ErbStG und damit unabhangig von einer ansonstengewahrten Verschonung und der Große des Erwerbs ein geson-derter Wertabschlag gewahrt, wenn der Gesellschaftsvertrag oderdie Satzung der Gesellschaft Bestimmungen enthalt, die

* die Entnahmen oder Ausschuttungen auf hochstens 37 %des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschuttungenaus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommengekurzten Betrags des steuerlichen Gewinns beschranken,wobei Entnahmen zur Bezahlung der auf den Gewinnanteiloder die Ausschuttungen aus der Gesellschaft entfallendenSteuern vom Einkommen bei der Beschrankung der Ent-nahme oder Ausschuttung unberucksichtigt bleiben (dazuim Einzelnen C. II. 1.),

* die Verfugung uber die Beteiligung auf Mitgesellschafter,auf Angehorige i. S. d. § 15 AO oder auf eine Familien-stiftung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG begrenzen (dazu imEinzelnen C. II. 2.) und

* fur den Fall des Ausscheidens des Gesellschafters aus derGesellschaft eine Abfindung vorsehen, die unter dem ge-meinen Wert der Beteiligung liegt und die Regelungen dentatsachlichen Verhaltnissen entsprechen (dazu im Einzel-nen C. II. 3.).20

Die Hohe des gewahrten Abschlags entspricht gemaß § 13aAbs. 9 S. 2 ErbStG der im Gesellschaftsvertrag oder der Satzungvorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegen-

uber dem gemeinen Wert und darf 30 % nicht uberschreiten.Der Hochstabschlag von 30 % fuhrt zu einem Unterschreiten derSchwelle fur die Annahme eines Großerwerbs bis zu einem Wertvon ca. 37,125 Mio. E.21 Die Voraussetzungen des § 13a Abs. 9S. 1 ErbStG mussen uberdies nach § 13a Abs. 9 S. 4 und 5 ErbStGzwei Jahre vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung vorliegen22

und in den folgenden zwanzig Jahren eingehalten werden (dazuim Einzelnen C. II. 4.).

Von der Steuerfreistellung ausgenommen ist wiederum das Ver-waltungsvermogen der an sich begunstigten Gesellschaft. IhreInanspruchnahme kommt auch fur Beteiligungen an Unterneh-men mit Sitz in der EU bzw. im Europaischen Wirtschaftsraum(EWR) in Betracht. Nicht begunstigt sind dagegen mittelbareBeteiligungen, die uber eine vermogensverwaltende Personen-oder Kapitalgesellschaft gehalten werden.

VI. Stundung der Erbschaftsteuer bei einem Erwerbbeg�nstigten Vermçgens von Todes wegen(§ 28 ErbStG)

Beim Erwerb begunstigten Vermogens i. S. d. § 13b Abs. 2ErbStG von Todes wegen kann der Erwerber nach § 28 Abs. 1ErbStG eine Stundung der auf das begunstigte Vermogenentfallenden Steuer bis zu sieben Jahren beantragen, und zwarunabhangig davon, nach welchen Verschonungsregelun-gen (Regelverschonung, Abschmelzungsmodell oder Verscho-nungsbedarfsprufung) eine Steuer auf das begunstigte Ver-mogen anfallt. Die Stundung erfolgt nur im ersten Jahr nachder Festsetzung der Steuer zinslos. Alle weiteren Jahresbetragesind nach Maßgabe der §§ 234 bis 238 AO mit 6 % p. a. zuverzinsen. Die Stundung endet vorzeitig, wenn das erworbenebegunstigte Vermogen verschenkt oder veraußert oder in ande-rer Weise gegen die Behaltens- oder Lohnsummenregelungenverstoßen wird.23

C. Gestaltungs�berlegungen zur Inanspruch-nahme der neuen Steuerverg�nstigungenf�r Unternehmensvermçgen

I. Beg�nstigte Investitionen von Gegenst�nden desVerwaltungsvermçgens aufgrund eines „vorgefass-ten Plans des Erblassers“ nach § 13b Abs. 5 ErbStG

Wie vorstehend ausgefuhrt, kann eine Besteuerung von Verwal-tungsvermogen und Finanzmitteln, die vom Erblasser erworbenwurden, gemaß § 13b Abs. 5 S. 2 ErbStG nur vermieden werden,wenn die Investition in begunstigungsfahiges Vermogen auf-grund eines im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG)vorgefassten Plans des Erblassers erfolgt. Ein solcher Plan konntezu Dokumentations- und Beweiszwecken auch in das Unterneh-mertestament aufgenommen werden. Eine Abfassung des Erb-lasserplans in Form einer letztwilligen Verfugung ist indes fur dieNutzung der Investitionsklausel des § 13b Abs. 5 ErbStG durch

18 Vgl. Abschn. 28a.2 Abs. 2 S. 6 des koordinierten Landererlasses v.22.6.2017; a. A. dagegen Reich, DStR 2016, 1459, 1461; Bruggemann,Das neue Erbschaftsteuergesetz, ErbBstg Sonderausgabe 2016, 1, 30;Geck, ZEV 2017, 481, 482.

19 Vgl. dazu Abschn. 28a.4 Abs. 2 S. 5 ff. des koordinierten Landererlassesv. 22.6.2017.

20 Naher hierzu Hannes, ZEV 2016, 554, 556 ff.; S. D. J. Schmitz,RNotZ 2016, 649 ff.; Steger/Koniger, BB 2016, 3099 ff.; Uhl-Ludascher,ErbStB 2017, 42 ff.; Weber/Schwind, ZEV 2016, 688 ff.; Weber,DStZ 2017, 13 ff.

21 Horeth/Stelzer, DStZ 2016, 559, 562.22 Bei Neugrundung von Familiengesellschaften wird allerdings in der

Literatur eine einschrankende Auslegung dieses zeitlichen Mindester-fordernisses befurwortet, vgl. Troll/Gebel/Julicher/Gottschalk/Julicher,ErbStG, Stand: Juni 2017, § 13a Rn 476; Soffing, ErbStB 2016, 235, 238.Da die Finanzverwaltung auf diese Frage in ihrem Landererlass v.22.6.2017 nicht eingegangen ist, sollten Beteiligungen an Gesellschaf-ten, die neu gegrundet worden sind, vorsorglich erst zwei Jahre nachGrundung ubertragen werden.

23 Naher dazu Abschn. 28 Abs. 3 des koordinierten Landererlasses v.22.6.2017.

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den Unternehmensnachfolger nicht zwingend geboten. Es ge-nugt auch ein (privat-)schriftlicher Investitionsplan des Erblas-sers,24 damit der Erwerber seine in § 13b Abs. 5 S. 5 ErbStGnormierte Nachweispflicht gegenuber dem Finanzamt erfullenkann.25 Nach Ansicht der Finanzverwaltung mussen in dem Plandie zu erwerbenden oder herzustellenden Gegenstande (z. B. einBetriebsgebaude), nicht jedoch die zu ihrer Finanzierung ein-zusetzenden Gegenstande des Verwaltungsvermogens bezeich-net werden.26

Die Niederlegung des Erblasserplans im Unternehmertesta-ment konnte zusatzlich mit einer Auflage fur den Erwerberverbunden werden, den Plan des Erblassers umzusetzen. DieBerechtigung, die Vollziehung der Auflage zu verlangen,konnte dabei einem Testamentsvollstrecker eingeraumt wer-den. Bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung fur einenUnternehmensnachfolger konnte der Testamentsvollstreckerim Testament auch beauftragt werden, den Investitionsplandes Erblassers innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zwei-Jahres-Frist umzusetzen.

Ist der Unternehmensnachfolger als Minderheitsgesellschafternicht imstande, die Geschaftsleitung des Unternehmens maß-geblich zu beeinflussen, hangt die Verwirklichung des Investiti-onsplans des Erblassers von der Mitwirkung seiner Mitgesell-schafter ab.

PRAXISTIPPAbsicherung des Investitionsplans:In solchen Fallen konnte erwogen werden, entsprechendeInvestitionsplane in Beschlussen der Gesellschafterversamm-lung festzuhalten, um die Vornahme der Investition im Erbfalleines Gesellschafters abzusichern. In Frage kame auch derAbschluss entsprechender schuldrechtlicher Vereinbarungender Gesellschafter untereinander.

Die Finanzverwaltung hat dazu klargestellt, dass in Fallen, indenen der Erblasser als Minderheitsgesellschafter keinen Einflussauf die Geschaftsleitung des Unternehmens hat, ein von dieserzum Zeitpunkt des Todes des Erblassers konkret gefasster Investi-tionsplan den Anforderungen des § 13b Abs. 5 S. 2 ErbStGgenugt, wenn der Plan innerhalb der Zweijahresfrist auch tat-sachlich umgesetzt wird.27

II. Kautelarjuristische Vorkehrungen zur Inanspruch-nahme des gesonderten Wertabschlags f�rFamilienunternehmen

Bei der Gestaltung von Gesellschaftsvertragen von Personen-und Kapitalgesellschaften ist in geeigneten Fallen darauf zuachten, dass diese Bestimmungen enthalten, die die Gewah-rung des gesonderten Wertabschlags nach § 13a Abs. 9 ErbStGfur den Erwerb einer Beteiligung an einem Familienunterneh-men ermoglichen.28 Die steuerliche Begunstigung eines sol-chen Anteilserwerbs kann damit gerechtfertigt werden, dass dieBeteiligung an einer Familiengesellschaft aufgrund im Gesell-schaftsvertrag haufig vorgesehener Entnahme-, Verfugungs-und Abfindungsbeschrankungen einen geringeren Nutzen ver-

mittelt und oftmals auch deren Verwertbarkeit bei einem Aus-scheiden aus der Gesellschaft eingeschrankt ist. Einer Beruck-sichtigung dieser Restriktionen bei der Bewertung derBeteiligung an einer Familiengesellschaft steht dabei der Be-schluss des BVerfG vom 7.11.200629 entgegen, in dem dasGericht eine klare Trennung der Bewertungs- und Verscho-nungsebene angemahnt hat. Dementsprechend sieht § 9Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BewG fur die Bewertung einer Beteiligungvor, dass Verfugungsbeschrankungen und sonstige personlicheUmstande, die sich wertmindernd auswirken konnen, grund-satzlich unbeachtlich sind. Nach einer Entscheidung des FGMunster rechtfertigt eine gesellschaftsrechtliche Abfindungs-beschrankung auch keinen Billigkeitserlass.30

Ein Korrektiv dazu ist der gesonderte Wertabschlag fur qualifi-zierte Familiengesellschaften, der systematisch zutreffend auf derVerschonungsebene ansetzt.31 Da der Vorwegabschlag gemaߧ 13a Abs. 9 ErbStG allerdings nur fur den Erwerb von Personen-und Kapitalgesellschaftsanteilen in Anspruch genommen wer-den kann, empfiehlt es sich, ein von der Begunstigung aus-geschlossenes Einzelunternehmen in eine Ein-Mann-GmbHoder eine GmbH & Co. KG einzubringen.32

1. Entnahme- bzw. Aussch�ttungsbeschr�nkungen(§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 1 ErbStG)

Bei der Anpassung von Gesellschaftsvertragen an die von § 13aAbs. 9 S. 1 ErbStG kumulativ verlangten Regelungen33 ist zu-nachst zu prufen, ob sich im Gesellschaftsvertrag bereits ver-ankerte Entnahme- bzw. Ausschuttungsbeschrankungen nur aufden handelsrechtlichen Gewinn beziehen. Erforderlich ist indiesem Fall eine Umstellung entsprechender Klauseln auf densteuerrechtlichen Nettogewinn als Bemessungsgrundlage.34 Umzudem die Einhaltung des Hochstbetrags von 37,5 % des steuer-lichen Gewinns sicherzustellen, empfiehlt sich die Aufnahmeeiner gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung der Gesellschafter,spatere Steuererstattungen (etwa aufgrund einer steuerlichenBetriebsprufung), die zu den Hochstbetrag ubersteigenden Ent-nahmen fuhren, durch entsprechende Einlagen in das Gesell-schaftsvermogen wieder auszugleichen.

2. Verf�gungsbeschr�nkungen (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2ErbStG)

Die in § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG vorgesehene Verfugungs-beschrankung zugunsten inlandischer Familienstiftungen ver-stoßt nach den Maßstaben der EuGH-Rechtsprechung,35 dieeine grundsatzliche Erstreckung sachlicher Begunstigungen aufden gesamten EU-/EWR-Raum verlangt, gegen die Kapitalver-kehrsfreiheit gemaß Art. 63 Abs. 1 AEUV.36 Die Begrenzung auf

24 Nach Auffassung von Wachter, FR 2016, 690, 694, soll sogar einmundlicher oder konkludenter Plan ausreichen.

25 Vgl. Kotzenberg/Julicher, GmbHR 2016, 1135, 1139; Troll/Gebel/Juli-cher/Gottschalk/Julicher, ErbStG, Stand: Juni 2017, § 13b Rn 364.

26 Siehe Abschn. 13b.24 Abs. 3 S. 2 und 3 des koordinierten Landererlas-ses v. 22.6.2017.

27 Vgl. Abschn. 13b.24 Abs. 3 S. 7 und 8 des koordinierten Landererlassesv. 22.6.2017.

28 Vgl. dazu auch meinen Jahresruckblick in notar 2017, 53, 56 f.

29 BVerfG 1 BvL 10/02, NJW 2007, 573.30 FG Munster, Urt. v. 19.3.2015 – 3 K 735/14 F, DStRE 2017, 375.31 In diesem Sinne auch Landsittel, ZErb 2015, 224, 226; Wachter,

DB 2015, 1368, 1374.32 Zu deren Begunstigung nach § 13a Abs. 9 S. 1 ErbStG vgl. auch

Weber/Schwind, ZEV 2016, 689.33 Es genugt nicht, wenn die geforderten Bestimmungen in einem Pool-

vertrag enthalten sind, vgl. Abschn. 13a.19 Abs. 2 S. 1 des koor-dinierten Landererlasses v. 22.6.2017; a. A. Reich, BB 2016, 1879,1882; Troll/Gebel/Julicher/Gottschalk/Julicher, ErbStG, Stand: Juni2017 § 13a Rn 487.

34 Naher dazu Abschn. 13a.19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 des koordiniertenLandererlasses v. 22.6.2017; vgl. auch Weber/Schwind, ZEV 2016, 689,690 ff. mit Formulierungsvorschlagen fur die Fassung der erforderli-chen Ausschuttungsbeschrankungen bei Personen- und Kapitalgesell-schaften.

35 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.1.2008 – C-256/06, ZEV 2008, 87.36 Wachter, FR 2016, 690, 700.

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inlandische Familienstiftungen steht zudem im Widerspruchzur Gewahrung der ubrigen Steuerverschonungen auch fur denErwerb von Beteiligungen an Personen- und Kapitalgesellschaf-ten mit Sitz in der EU bzw. im EWR. Die Finanzverwaltung hatsich dieser Sichtweise offenbar angeschlossen und lasst eineVerfugung uber die Beteiligung zugunsten einer „entsprechen-den“ auslandischen Familienstiftung im Wege einer unions-rechtskonformen Auslegung der Vorschrift zu.37

Die Finanzverwaltung hat ferner im Sinne der Steuerpflichtigenund der betroffenen Familienunternehmen klargestellt, dass sieunter einer Verfugung uber die Beteiligung nur die Ubertragungdes Eigentums an dem Anteil versteht.38

PRAXISTIPPBelastungen des Gesellschaftsanteils sind unsch�dlich:Die gesellschaftsvertraglich gestattete Einraumung von Unter-beteiligungen oder die Bestellung eines Nießbrauchrechtszugunsten anderer Personen, bei denen es sich nicht umMitgesellschafter, Angehorige i S. d. § 15 AO oder Familien-stiftungen handelt, gefahrdet damit die Inanspruchnahmedes Vorwegabschlags nicht. Gleiches gilt fur eine gesellschafts-vertraglich gestattete Verpfandung der Beteiligung an eineBank zur Besicherung eines Kredits.39

Vor dem Hintergrund der eigentumsrechtlichen Interpretationdes Verfugungsbegriffs in § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG durch dieFinanzverwaltung sollte die Beschrankung der Verfugung inpersoneller Hinsicht vorsorglich mit dinglicher Wirkung aus-gestaltet werden. Eine im Gesellschaftsvertrag vorgesehene bloßeKorrekturmoglichkeit von Verstoßen durch Einziehungs- undAbtretungsklauseln durfte dagegen nicht ausreichen. Die Finanz-verwaltung ist auch einer in der Literatur vertretenen Meinung40

entgegengetreten, wonach den Vorgaben des § 13a Abs. 9 S. 1Nr. 2 ErbStG auch dann hinreichend Rechnung getragen werde,wenn nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags eine An-teilsubertragung an eine andere Person mit Zustimmung derubrigen Gesellschafter zulassig sei.41

PRAXISTIPPAufnahme von Neugesellschaftern nur im Wegeder Kapitalerhçhung:Um eine steuerschadliche Anteilsverfugung zu vermeiden, istdie Aufnahme von Neugesellschaftern daher nur im Wege derKapitalerhohung moglich.

Dogmatisch nicht haltbar ist dagegen die Auffassung, dass imGesellschaftsvertrag der Familiengesellschaft auch eine Ver-fugung von Todes wegen zugunsten anderer, nicht in § 13aAbs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG genannter Personen ausgeschlossensein muss.42 Die buchstabengetreue Umsetzung dieser Anfor-derung in Gestalt eines Testiervertrags wurde namlich auf

eine Beschrankung der Testierfreiheit hinauslaufen, die gemaߧ 2302 BGB unwirksam ware.43 Die von der Finanzverwaltunggeforderte Verfugungsbeschrankung kann demnach im Falleeines erbfallbedingten Erwerbs eines Geschaftsanteils an einerKapitalgesellschaft nur so umgesetzt werden, dass in den Gesell-schaftsvertrag der Kapitalgesellschaft Bestimmungen aufge-nommen werden, die die ubrigen Gesellschafter zur Einzie-hung oder Zwangsabtretung eines Anteils berechtigen, fallsdieser bei Ableben eines Gesellschafters nicht an Mitgesell-schafter, Angehorige i S. d. § 15 AO oder Familienstiftungenals nachfolgeberechtigte Personen fallt. Bei Personengesell-schaften kann dagegen im Gesellschaftsvertrag festgelegt wer-den, dass nur solche Personen nachfolgeberechtigt sind, die zudem in § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG genannten Personenkreiszahlen.

Da eine Vinkulierung bei Inhaberaktien an einer Aktiengesell-schaft nach dem AktG nicht moglich ist, konnen Erwerber vonInhaberaktien an einer AG per se nicht in den Genuss desWertabschlags kommen. Folgt man der wohl auch von derFinanzverwaltung vertretenen Auffassung, wonach eine Ver-fugung zugunsten anderer als den in § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2ErbStG genannten Personen mit dinglicher Wirkung in derSatzung ausgeschlossen sein muss, wurde auch eine Umstellungvon Inhaber- auf Namensaktien nicht zur Inanspruchnahmedes Vorwegabschlags berechtigen. Denn nach § 68 Abs. 2 AktGkann in der Satzung einer AG die Ubertragung lediglich an dieZustimmung der Gesellschaft gebunden und konnen Grundebestimmt werden, aus denen die Zustimmung verweigert wer-den darf. Abweichungen davon sind wegen des Grundsatzes derSatzungsstrenge gemaß § 23 Abs. 5 AktG nicht moglich. Jeden-falls kommt die Gewahrung des Wertabschlags beim Erwerbvon Anteilen an einer Aktiengesellschaft nach Abschn. 13a.19Abs. 1 S. 4 Nr. 2 des koordinierten Landererlasses vom 22.6.2017generell nicht in Betracht.

3. Abfindungsbeschr�nkung (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 3 ErbStG)

Es empfiehlt sich, bei der Formulierung der Abfindungs-beschrankung im Gesellschaftsvertrag den in § 13a Abs. 9 S. 1Nr. 3 ErbStG genannten Begriff des gemeinen Wertes und nichtden des Verkehrswertes zu verwenden. Denn der gemeine Werteiner Beteiligung, der sich nach den Vorschriften der §§ 9, 11Abs. 2 BewG bestimmt, und der regelmaßig nach dem StandardS1 des IDW ermittelte Verkehrswert der Beteiligung sind nichtdeckungsgleich und konnen im Einzelfall zu unterschiedlichenErgebnissen fuhren.44

Ohne weiteres zulassig ist eine unterschiedliche Regelung derHohe der geschuldeten Abfindung nach dem Anlass des Aus-scheidens des Gesellschafters aus der Gesellschaft bis hin zueinem vollstandigen Abfindungsausschluss bei Ausscheidendurch Tod.45 Der Gesetzeswortlaut, der von der Gewahrungeiner Abfindung spricht, steht dem nicht entgegen. Die Hoheder Abfindungsbeschrankung, d. h. die prozentuale Minderungder Abfindung gegenuber dem gemeinen Wert der erworbenenBeteiligung, ist nur maßgeblich fur die Hohe des nach § 13a

37 Vgl. Abschn. 13a.19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 1 des koordinierten Landerer-lasses v. 22.6.2017.

38 Vgl. Abschn. 13a.19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 1 i. V. m. Abschn. 13b.6 Abs. 4S. 1 des koordinierten Landererlasses v. 22.6.2017.

39 Fur eine entsprechende teleologische Reduktion des Verfugungs-begriffs zuvor schon Wachter, FR 2016, 690, 700.

40 Vgl. Geck, ZEV 2016, 546, 551.41 Siehe Abschn. 13a.19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 2 des koordinierten Lander-

erlasses v. 22.6.2017.42 Vgl. dazu Abschn. 13a.19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 1 des koordinierten

Landererlasses v. 22.6.2017.

43 Vgl. nur Weber/Schwind, ZEV 2016, 689, 692 und Wachter, FR 2016,690, 700, der sich deshalb fur eine Beschrankung des Verfugungs-begriffs auf einen rechtsgeschaftlichen Anteilserwerb ausspricht.

44 Naheres dazu Hannes, ZEV 2016, 554, 557.45 Zur gesellschaftsrechtlichen Statthaftigkeit eines vollstandigen Abfin-

dungsausschlusses in diesen Fallen vgl. nur BFH, Urt. v. 29.4.2014 –II R 216/13, DNotZ 2014, 788.

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Abs. 9 ErbStG in Anspruch genommenen Pauschalabschlags.Sieht der Gesellschaftsvertrag unterschiedliche Abfindungsquo-ten abhangig vom Grund des Ausscheidens vor, ist fur dieBerechnung des Vorwegabschlags die hochste in Betracht kom-mende Abfindung maßgebend.46 Steuerlich unerheblich sinddagegen weitere Bestimmungen zu Modalitaten der Abfin-dungszahlung.

4. Schutz von Minderheitsgesellschaftern vor einer nach-steuersch�dlichen �nderung des Gesellschaftsvertragsdes Familienunternehmens

Aus Sicht der Vertragsgestaltung von besonderem Interesse istder Schutz eines Minderheitsgesellschafters vor einem ruckwir-kenden Wegfall des Vorwegabschlags durch eine Anderung derfur seine Gewahrung erforderlichen statutarischen Bestimmun-gen wahrend des nachlaufenden Zeitraums von zwanzig Jahrengemaß § 13a Abs. 9 S. 5 ErbStG.

PRAXISTIPPGesellschaftsvertraglicher Schutz von Minderheits-gesellschaftern:Zu diesem Zweck konnte im Gesellschaftsvertrag vorgesehenwerden, dass die einschlagigen Regelungen nur mit den Stim-men aller Gesellschafter oder zumindest nicht ohne Zustim-mung des Anteilserwerbers geandert werden konnen.

Sollte der Erwerber vor Ablauf der Zwanzigjahresfrist aus derGesellschaft ausscheiden, kame die Vereinbarung einer schuld-rechtlichen Verpflichtung seines Nachfolgers in Betracht, einernachsteuerschadlichen Anderung der maßgeblichen Bestim-mungen des Gesellschaftsvertrags nicht ohne Einwilligung desaus der Gesellschaft ausgeschiedenen Veraußerers zuzustimmen.Zugleich konnte die drohende Verletzung dieser Verpflichtungdurch ein Widerrufsrecht fur den Anteilsveraußerer abgesichertwerden, die diesem einen Anspruch auf eine nach § 29 Abs. 1Nr. 1 ErbStG steuerfreie Ruckabwicklung der Anteilsubertragunggeben wurde.

III. Testamentarische Maßnahmen zur Sicherstellungder Verschonung unternehmerischen Vermçgens

Eine steuerlich optimierte Unternehmensnachfolge kann natur-lich besser geplant werden, wenn sie bereits zu Lebzeiten durch-gefuhrt wird. Anders verhalt es sich dagegen bei einem unerwar-tet eintretenden Erbfall. Dieser kann zur erbschaftsteuerlichenUnzeit eintreten, etwa wenn die Voraussetzungen fur die Inan-spruchnahme der Verschonungsregelungen noch nicht erfulltsind. So kann im Zeitpunkt des Erbfalls die Quote des beguns-tigungsschadlichen Verwaltungsvermogens bei uber 90 % lie-gen, mit der Folge, dass gemaß § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG eineVerschonung des von Todes wegen erworbenen Vermogensausscheidet. Ahnlich liegt der Fall, wenn der Erwerber der be-gunstigten Vermogenseinheit an sich zur Vollverschonung op-tieren wollte, im Zeitpunkt des Erbfalls jedoch die dafur erforder-liche Verwaltungsvermogensquote von hochstens 20 % nach§ 13a Abs. 10 S. 2 ErbStG uberschritten wird.

Ferner kann ein infolge eines Erbfalls eintretender vorzeitigerHinzuerwerb weiteren Vermogens nach einem steuerbegunstigterfolgten Unternehmenserwerb zum nachtraglichen Wegfallder dafur ursprunglich gewahrten Vergunstigungen fuhren. Bei-spielsweise kann es aufgrund der in § 13a Abs. 1 S. 2 ErbStGvorgesehenen Einbeziehung fruherer begunstigter Erwerbe vonderselben Person zu einer steuerschadlichen Uberschreitung der

Wertobergrenze von 26 Mio. E kommen, die gemaß § 13a Abs. 1S. 3 ErbStG einen Wegfall der Steuerbefreiung mit Wirkung furdie Vergangenheit nach sich zieht. In gleicher Weise verringertsich der Verschonungsabschlag bei einem getatigten Großerwerbvon uber 26 Mio. E nach § 13c Abs. 2 ErbStG, wenn innerhalbvon zehn Jahren weiteres begunstigtes Vermogen auf den Erwer-ber von Todes wegen ubergeht. Im Fall einer Option zum Steuer-erlass nach § 28a ErbStG ist es sogar begunstigungsschadlich,wenn der Erwerber innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeit-punkt der Entstehung der Steuer weiteres verfugbares Vermogenvon dritter Seite erbt.

1. Letztwillige Verschiebung des Zeitpunktsder Steuerentstehung

In diesen Konstellationen stellt sich die Frage, ob der fur dasVorliegen der Verschonungsvoraussetzungen maßgebliche Zeit-punkt der Entstehung der Steuer bzw. eines begunstigungsschad-lichen weiteren Erwerbs durch entsprechende Vorkehrungen imUnternehmertestament verschoben werden kann.47 Die dadurchentstehende Zwischenphase konnte sodann dafur genutzt wer-den, um die von dem Erblasser erworbene Unternehmenseinheitbegunstigungsfreundlich umzustrukturieren oder noch fehlendeVerschonungsvoraussetzungen herbeizufuhren. Die einschlagi-gen erbschaftsteuerrechtlichen Begunstigungsvorschriften knup-fen dabei durchweg an den Zeitpunkt der Steuerentstehung ge-maß § 9 ErbStG an. Dieser Zeitpunkt ist auch entscheidend fur dieFrage, wann ein womoglich nachsteuerschadlicher Hinzuerwerbdurch den Erwerber des begunstigten Unternehmensvermogensgetatigt wurde.

Bei einem Erwerb von Todes wegen entsteht die Steuer grund-satzlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers.Abweichend davon entsteht die Steuer bei einem Erwerb vonTodes wegen unter einer aufschiebenden Bedingung gemaß § 9Abs. 1 Nr. 1 lit. a) ErbStG erst mit Eintritt der Bedingung. BeiVollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage oderErfullung einer von ihm gesetzten Bedingung wird der Erwerberst im Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage oder der Erfullungder Bedingung verwirklicht.48 Bei einer Vor- und Nacherbfolgetritt der Erwerb des Nacherben erst im Zeitpunkt des Eintritts desNacherbfalls ein.

2. Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft bzw. einesVor- und Nachverm�chtnisses als Lçsungsansatz?

Erbrechtlich konnte fur eine Verschiebung des Erwerbszeit-punkts in erster Linie an eine Vor- und Nacherbschaft oderdie Anordnung eines Vor- und Nachvermachtnisses gedachtwerden. Dabei konnte der Eintritt der Nacherbfolge bzw.des Anfalls des Nachvermachtnisses an den Ablauf einer be-gunstigungsschadlichen Frist oder das Vorliegen der Voraus-setzungen fur die Inanspruchnahme der Verschonung ge-knupft werden.

Erbschaftsteuerlich erweist sich jedoch die Anordnung einerVor- und Nacherbschaft als wenig geeignet, das hier verfolgteGestaltungsziel einer Verschiebung des Zeitpunkts der Steuer-entstehung zu erreichen. Zunachst bestimmt § 6 Abs. 1 ErbStG,dass der Vorerbe als Erbe gilt, mit der Folge, dass der Nachlasssowohl beim Vorerben als auch beim Nacherben grundsatzlichin vollem Umfang der Besteuerung unterliegt. Dabei fingiert § 6Abs. 2 ErbStG – abweichend von der zivilrechtlichen Beurtei-lung – einen Erwerb des Nachlasses durch den Nacherben als

46 Abschn. 13a.19 Abs. 4 S. 4 des koordinierten Landererlasses v.22.6.2017; kritisch dazu Geck, ZEV 2017, 481, 485.

47 Siehe dazu auch Tipke/Spindler/Rodder/Hannes, SteuerzentrierteRechtsberatung, FS Schaumburg, 2009, S. 1005, 1007 ff.

48 § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) ErbStG.

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vom Vorerben stammend. Allerdings hat der Nacherbe beiEintritt der Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben dieMoglichkeit, der Besteuerung sein Verwandtschaftsverhaltniszum Erblasser zugrunde legen zu lassen, wenn dies fur ihnsteuerlich gunstiger ist.

Hangt der Eintritt der Nacherbfolge dagegen von einem an-deren Ereignis als dem Tod des Vorerben ab, wird sowohldie Vorerbfolge als auch die Nacherbfolge nach § 6 Abs. 3ErbStG als aufschiebend bedingter Erwerb vom Erblasser be-handelt. Steuerlich nachteilig ist hier insbesondere, dass eineKorrektur der Steuerfestsetzung beim Vorerben bei Eintrittdes Nacherbfalls nicht stattfindet. § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG siehtlediglich vor, dass der Nacherbe auf seine Steuerschuld ausder Nacherbschaft die vom Vorerben entrichtete Steuer anrech-nen lassen kann. Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaftverspricht damit wegen der mangelnden Reduzierung der Steu-erlast des Vorerben49 keine Losung des hier diskutierten Gestal-tungsproblems, selbst wenn der vom Nacherben getatigteErwerb – anders als noch beim Vorerben – begunstigt seinsollte. Gleiches gilt fur die Anordnung eines Vor- und Nach-vermachtnisses. Dieses wird namlich in § 6 Abs. 4 ErbStG inerbschaftsteuerlicher Hinsicht der Vor- und Nacherbschaftgleichgestellt.

3. Anordnung eines aufschiebend bedingten Verm�cht-nisses f�r den Unternehmensnachfolger

Vielversprechender erscheint dagegen die Anordnung eines auf-schiebend bedingten Vermachtnisses fur den eigentlich ins Augegefassten Unternehmensnachfolger. Dieses fallt nach § 9 Abs. 1Nr. 1 lit. a) ErbStG erst mit Bedingungseintritt an. In der Zeitzwischen Erbfall und Bedingungseintritt kann somit das vomErblasser stammende Nachlassvermogen so umgestaltet werden,dass bei Anfall des Vermachtnisses die Verschonungsvorausset-zungen gegeben sind. In gleicher Weise kann der Hinzuerwerbweiteren Vermogens auf einen Zeitpunkt verschoben werden,der den Erhalt der dem Unternehmensnachfolger gewahrtenVerschonungen nicht mehr gefahrdet. Ein solcher Zweck desVermachtnisses konnte im Testament auch ausdrucklich ange-geben werden.

Der maßgebliche Zeitpunkt fur die Bewertung des Vermachtnis-gegenstandes und das Vorliegen der erbschaftsteuerrechtlichenVerschonungsvoraussetzungen ist der Eintritt der Bedingung,mit dem das Vermachtnis beim Erwerber anfallt. Der Erbe selbstmuss zwar bei Eintritt des Erbfalls den vollen Wert des von ihmerworbenen Vermogens, das zu diesem Zeitpunkt moglicher-weise nicht begunstigt ist, zunachst versteuern. Bei Anfall desVermachtnisses ist jedoch die Steuerfestsetzung gegenuber demErben ruckwirkend zu andern und unter Berucksichtigung derLast nach § 6 Abs. 2 BewG i. V. m. § 5 Abs. 2 S. 1 BewG zukorrigieren.50 Die zu berucksichtigende Vermachtnislast ist dabeiauf den Todestag des Erblassers zu bewerten, ohne dass diese umeine erst vom Vermachtnisnehmer in Anspruch genommeneSteuerbefreiung gekurzt werden kann. Fur mogliche Zinsnach-teile, die dem Erben aus der Versteuerung seines Erwerbs vonTodes wegen zunachst ohne Berucksichtigung der Vermachtnis-last entstehen konnen, kann der Erblasser im Testament einenAusgleich vorsehen.

4. Ausgestaltung der Bedingung f�r den Anfall desVerm�chtnisses

Bei der Ausgestaltung der aufschiebenden Bedingung51 konntedaran gedacht werden, die Erfullung der Verschonungsvorausset-zungen als Bedingung fur den Anfall des Vermachtnisses festzule-gen. Zielfuhrender ist es jedoch, den Anfall des Vermachtnisses voneiner entsprechenden Erklarung des Vermachtnisnehmers gegen-uber dem Erben abhangig zu machen. Da die Person des Zuwen-dungsempfangers und des Gegenstands der Zuwendung nicht indie Hande eines Dritten gelegt werden, verstoßt eine solche Potes-tativbedingung auch nicht gegen das in § 2065 BGB verankerteGebot der Eigenverantwortlichkeit des Erblassers bei der Errichtungeiner letztwilligen Verfugung.52 Infrage kame auch die Begrundungeiner Bestimmungs- und Verteilungsbefugnis fur den Erben (z. B.den Ehegatten des Erblassers), der danach selbst innerhalb einerihm gesetzten Frist uber den Zeitpunkt des Vermachtnisanfalls anden Unternehmensnachfolger entscheiden konnte. Eine andereGestaltungsmoglichkeit bestunde darin, den Erben mit einem Ver-schaffungsvermachtnis zu beschweren, wonach dieser verpflichtetware, dem eigentlichen Unternehmensnachfolger das Unter-nehmen in einer erbschaftsteuerlich begunstigungsfahigen (Betei-ligungs-)Form oder Zusammensetzung zu verschaffen.

Zur Absicherung des Vermachtnisnehmers konnte auch die An-ordnung einer Auflage fur den Erben erwogen werden, nochfehlende Verschonungsvoraussetzungen bis zum Anfall des Ver-machtnisses herbeizufuhren. Die Vollziehung einer entsprechen-den Auflage konnte in die Hande eines vom Erblasser eingesetztenTestamentsvollstreckers gelegt werden. Als Testamentsvollsteckerkame dabei auch der Vermachtnisnehmer selbst in Betracht. DieTestamentsvollstreckung hatte zugleich den positiven Neben-effekt, das Unternehmensvermogen gemaß § 2214 BGB vor demZugriff potentieller Glaubiger des Erben zu schutzen.

IV. Neue Einsatzmçglichkeiten f�r Familienstiftungenin der Unternehmensnachfolge

Die Einschaltung von Familienstiftungen zur steuerlichen Opti-mierung der Unternehmensnachfolge wird in der Literatur53

insbesondere fur Falle diskutiert, in denen das Unternehmens-vermogen die Wertobergrenze von 26 Mio. E uberschreitet. Aus-gangspunkt solcher Gestaltungsuberlegungen ist, dass die Ge-wahrung der Begunstigungen fur Unternehmensvermogensowohl fur die Grundung einer Familienstiftung als auch furZustiftungen und im Rahmen der Erbersatzsteuer in Betrachtkommt. Dies folgt daraus, dass die Vergunstigungen der §§ 13cund 28a ErbStG an den Erwerb begunstigten Vermogens i. S. d.§ 13b Abs. 2 ErbStG anknupfen, was sowohl bei der Vermogens-ausstattung (Dotation) einer Stiftung, die von Todes wegen oderunter Lebenden neu gegrundet wurde, als auch bei Zustiftungender Fall ist.54

Schließlich kann auch der Vorwegabschlag nach § 13a Abs. 9ErbStG von einer Familienstiftung in Anspruch genommenwerden, wenn diese eine Beteiligung an einer Personen- oder

49 Vgl. dazu auch Troll/Gebel/Julicher/Gottschalk/Gottschalk, ErbStG,Stand: Juni 2017, § 6 Rn 117.

50 Naher dazu Troll/Gebel/Julicher/Gottschalk/Gebel, ErbStG, Stand:Juni 2017, § 9 Rn 37.

51 Vgl. dazu auch Tipke/Spindler/Rodder/Hannes, SteuerzentrierteRechtsberatung, FS Schaumburg, 2009, S. 1005, 1020 ff.

52 Siehe hierzu nur Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2017, § 2065 Rn 5m. w. N.

53 Vgl. dazu von Oertzen/Reich, Ubg 2015, 629 ff.; Theuffel-Werhahn,ZEV 2017, 17 ff.; Geck, ZEV 2017, 481, 488 f.

54 Siehe auch Abschn. 13a21, 13c.5 S. 3 und 28a.6 S. 3 des koordiniertenLandererlasses v. 22.6.2017; zur Anwendung des Abschmelzungs-modells und der Verschonungsbedarfsprufung bei der Bemessung derErbersatzsteuer einer Familienstiftung vgl. §§ 13c Abs. 3, 28 Abs. 7ErbStG.

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Kapitalgesellschaft erwirbt.55 Die Einbeziehung von Familien-stiftungen in den Kreis der begunstigten Erwerber ergibt sichnicht zuletzt daraus, dass die Moglichkeit der Verfugung ubereinen Gesellschaftsanteil zugunsten einer Familienstiftung derGewahrung des Wertabschlags nach § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2ErbStG nicht im Wege steht. Die daruber hinaus erforderlicheBegrenzung der Ausschuttungen der Beteiligungsgesellschaftauf hochstens 37 % ihres steuerlichen Gewinns fuhrt auch zukeinem Verstoß gegen das stiftungsrechtliche, in den §§ 80 f.BGB verankerte Admassierungsverbot.56 Vielmehr ist es zurpermanenten Erhaltung der Leistungsfahigkeit des Stiftungs-vermogens im Sinne einer realen Werterhaltung57 sogar erfor-derlich, Ertragnisse des Stiftungsvermogens in einem gewissenUmfang zu thesaurieren. Es sollte nur sichergestellt sein, dassdie Beteiligung der Stiftung an der Personen- und Kapitalgesell-schaft nicht dauerhaft ertraglos bleibt.

1. Einschaltung einer Familienstiftung zur Aufnahme„�berschießenden“ Betriebsvermçgens

Die Einschaltung einer Familienstiftung in die Unternehmens-nachfolge bietet sich an, um „uberschießendes“ Betriebsver-mogen aufzunehmen, das die Wertgrenze von 26 Mio. E uber-steigt. Da die Bewertung von Unternehmensvermogen mitUnsicherheiten behaftet ist, konnte sich der Unternehmens-ubergeber im Ubergabevertrag ein Ruckforderungsrecht gegen-uber dem Unternehmensnachfolger vorbehalten, wenn undsoweit sich spater herausstellen sollte, dass das begunstigungs-fahige Vermogen die Freigrenze von 26 Mio. E ubersteigt. Derubersteigende Teil des begunstigungsfahigen Vermogens, dender Schenker von dem Beschenkten zuruckverlangt hat, konntesodann einer Familienstiftung zugewandt werden. Soll das Un-ternehmensvermogen erst von Todes wegen auf den Nachfolgerubergehen, kann der Stiftung das „uberschießende“ Betriebsver-mogen auch dadurch zugewandt werden, dass der Erbe desUnternehmens mit einem entsprechenden Vermachtnis zu-gunsten der Familienstiftung beschwert wird.

PRAXISTIPPErrichtung mehrerer Familienstiftungen beiGroßerwerben:Um die allgemeinen Verschonungsregelungen der §§ 13a, 13bErbStG ohne Abschmelzung des Verschonungsprozentsatzesnach § 13c ErbStG auch bei Großerwerben beanspruchen zukonnen, konnten auch gleich mehrere Familienstiftungen er-richtet werden, die jede fur sich jeweils begunstigungsfahigesVermogen bis zur Wertgrenze von 26 Mio. E aufnehmenkonnte.

2. Gr�ndung einer „bed�rftigen“ Familienstiftung zuZwecken der Verschonungsbedarfspr�fung nach§ 28a ErbStG

Erbschaftsteuerlich besonders attraktiv erscheint die Grundungeiner neuen oder die Nutzung einer bereits existierenden Fa-milienstiftung als Erwerberin von Großvermogen im Rahmender Verschonungsbedarfsprufung nach § 28a Abs. 1 ErbStG. DieStiftung sollte dabei neben dem (wertmaßig nicht beschrank-ten) begunstigten Unternehmensvermogen moglichst keinsonstiges verfugbares Vermogen i. S. d. § 28a Abs. 2 ErbStGerhalten oder bereits uber solches verfugen, damit die Stiftung

die Verschonungsbedarfsprufung besteht.58 Sonstiges vorhan-denes Vermogen sollte demnach direkt an andere Personen alsdie Familienstiftung fallen, wahrend das auf die Stiftung uber-tragene Vermogen mittelbar der Versorgung der Angehorigendes Stifters als Destinatare der Familienstiftung dient. Ein Ge-staltungsmissbrauch ist darin auch bei einer Ubertragung be-gunstigungsfahigen Vermogens auf mehrere Familienstiftun-gen nicht zu sehen.59

Die Grundung der Familienstiftung zu Lebzeiten des Stifters istdabei einer Stiftungserrichtung von Todes wegen prinzipiell vor-zuziehen. Sie sollte fruhzeitig geplant werden, um die Unter-nehmensnachfolge nicht zu gefahrden. Denn schon die Aus-arbeitung der Stiftungssatzung, deren vorherige Abstimmungmit der zustandigen Stiftungsaufsichtsbehorde und das sichdaran anschließende Verfahren zur Anerkennung der Stiftungkosten Zeit. Auch wenn die Unternehmensbeteiligung des Stif-ters erst im Erbfall auf die Stiftung ubergehen soll, empfiehlt sichderen Errichtung zu Lebzeiten des Stifters. Dadurch steht dieStiftung als Rechtstrager schon bereit und kann darauf vorberei-tet werden, das Unternehmensvermogen des verstorbenen Stif-ters aufzunehmen.

Bei diesem Zweistufenmodell sollte der Kapitalstock, sofern beiGrundung der Stiftung kein begunstigungsfahiges Vermogengemaß § 13b Abs. 2 ErbStG zur Verfugung steht, moglichstgering sein. Denn dieser muss von der Familienstiftung alsverfugbares Vermogen nach § 28a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG imErbfall zu 50 % zur Begleichung der Erbschaftsteuer fur denErwerb des begunstigten Vermogens eingesetzt werden. Zubeachten ist jedoch, dass nach § 80 Abs. 2 S. 1 BGB grundsatz-lich nur solche Stiftungen als rechtsfahig anerkannt werdenkonnen, bei denen die dauernde und nachhaltige Erfullung desStiftungszwecks gesichert erscheint. Das der Familienstiftungim ersten Schritt zu ubertragende Grundstockvermogen mussdeshalb ausreichen, um den Stiftungszweck zeitlich nicht nurvorubergehend60 und der Sache nach nicht nur ganz unbe-deutend zu fordern. Ob dabei die Bereitstellung eines bestimm-ten Mindestkapitals erforderlich ist, ist im Schrifttum umstrit-ten und wird von den Stiftungsbehorden unterschiedlichgehandhabt.61

Bei der Ausgestaltung der Stiftungssatzung sollte auch einemogliche Beendigung der Familienstiftung ins Auge gefasstwerden.62 Diese konnte sich als notwendig erweisen, wenn eineVerschonung des unternehmerischen Vermogens der Stiftungim Rahmen der alle dreißig Jahre anfallenden Erbersatzsteueraufgrund einer Anderung der derzeit geltenden Steuerbefrei-ungsregelungen nicht mehr moglich ist. Dem Stiftungsvor-stand sollten dabei in der Satzung zum einen genugend Frei-raume einschließlich der Moglichkeit zur Vornahme vonSachausschuttungen an Destinatare eingeraumt werden, umdas Stiftungsvermogen vor einem Erbersatzsteuertermin so um-strukturieren zu konnen, dass dieses zukunftig geltende Frei-grenzen oder sonstige erbschaftsteuerrechtliche Begunstigungs-erfordernisse erfullt.

55 Dagegen steht die Beteiligung einer gemeinnutzigen Stiftung an demFamilienunternehmen der Gewahrung des Vorwegabschlags nach§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG entgegen.

56 Naher dazu v. Campenhausen/Richter/Hof, Stiftungsrechts-Handbuch,4. Aufl. 2014, § 9 Rn 137 ff.

57 Vgl. dazu auch Carstensen, ZSt 2005, 90; Henß, ZSt 2004, 83, 86.

58 Vgl. auch Wachter, FR 2016, 690, 707; Werder/Wystrcil, BB 2016, 1558,1563.

59 Naher dazu Theuffel-Werhahn, ZEV 2017, 17, 18 f.60 Eine Ausnahme bildet die Grundung einer Verbrauchsstiftung gemaß

§ 80 Abs. 2 S. 2 BGB, die fur eine bestimmte Zeit errichtet und derenVermogen fur die Zweckverfolgung verbraucht werden soll.

61 Teilweise wird ein Mindestkapital von 50.000 E verlangt, ausfuhrlichdazu Schwake, NZG 2008, 248 ff.

62 Vgl. dazu auch Theuffel-Werhahn, ZEV 2017, 17, 20 f.

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Die Auflosung einer Familienstiftung wird nach § 7 Abs. 1 Nr. 9S. 1 ErbStG als steuerpflichtige Schenkung unter Lebendenbehandelt. Die in der Satzung benannten Anfallberechtigtenhaben den Vermogensanfall gemaß § 15 Abs. 2 S. 2 ErbStGentsprechend ihrem personlichen Verhaltnis zum Stifter zuversteuern. Fallt das Stiftungsvermogen dabei an den Stifterzuruck, unterliegt sein Ruckerwerb der Besteuerung nach derungunstigen Steuerklasse III.63 Der Stifter sollte sich deshalbzum anderen ausdrucklich ein Ruckforderungsrecht im Stif-tungsgeschaft vorbehalten oder die Ubertragung des Grund-stockvermogens sollte unter einer auflosenden Bedingung vor-genommen werden.64 Der Umfang des Ruckforderungsrechtskann dabei auch in der Weise gegenstandlich beschrankt wer-den, dass der Stiftung nach einem Widerruf ein genugendgroßer Kapitalstock verbleiben muss, um deren Fortbestand

sicherzustellen, falls die Stiftungsaufsichtsbehorde dies zur Vo-raussetzung fur die Anerkennung der Familienstiftung machensollte.

Dr. Jorg Ihleist Notar in Bergisch-Gladbach und Fach-redakteur der Zeitschrift notar fur das Steu-errecht. Der Beitrag basiert in Teilen aufeinem Vortrag, den der Verfasser anlasslichder vom Rheinischen Institut fur Notar-recht ausgerichteten Tagung „Die Reformdes Erbschaftsteuerrechts in der notariellenPraxis“ am 8.6.2017 in Bonn gehalten hat.

63 Vgl. BFH, Urt. v. 25.11.1992 – II R 77/90, BB 1993, 1863; kritisch dazuBinz/Sorg, DStR 1994, 229, 232.

64 Zum ruckwirkenden Erloschen der fur die Vermogensubertragung aufdie Stiftung festgesetzten Schenkungsteuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 1ErbStG sowie der Steuerfreiheit des Vermogensruckfalls in diesenFallen siehe Julicher, StuW 1999, 363, 371.

12 Ihle: Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform in der notariellen Praxis notar 1/2018b

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Impressum

notarMonatsschrift fur die gesamte notarielle Praxis undMitteilungsblatt des Deutschen Notarvereins

HerausgeberProf. Dr. Walter Bayer, JenaNotar Dr. Peter Schmitz, KolnNotar Dr. Oliver Vossius, MunchenRichter am BGH a.D. Roland Wendt, Karlsruhe

SchriftleiterNotarassessor Dr. Stefan Schmitz, BerlinNotar Andreas Schmitz-Vornmoor, Remscheid

RedaktionCarola Vonhof-Stolz

BildnachweisNotar Dr. Jens Jeep (Rubrikkopfe)

FachredakteureHandelsregisterNotar Dr. Thomas Kilian, Aichach

SteuerrechtNotar Dr. Jorg Ihle, Bergisch Gladbach-Bensberg

BautragerrechtNotar Christian Esbjornsson, Rosenheim

GesellschaftsrechtNotar Prof. Dr. Heribert Heckschen, DresdenKorina Strnad, LL. M., Dresden

WohnungseigentumNotarin Dr. Ingrid Naumann, LL.M. (Harvard),Hamburg

Beurkundungs- und BerufsrechtNotar Dr. Tobias Genske, Erfurt

ErbrechtNotar Dr. Christoph Rohl, Wegscheid

GrundbuchRechtsanwalt und Notar Ulrich Spieker, Bielefeld

NotarkostenDipl.-Rpfl. (FH) Harald Wudy, Leipzig

ImmobilienkaufNotar Dr. Hans-Frieder Krauß, LL. M. (Michigan),Munchen

ImmobilienzuwendungNotarassessor Richard Rachlitz, Berlin

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HinweisNamensbeitrage, Leserbriefe o. A. gebennicht notwendig die Meinung derRedaktion oder des DeutschenNotarvereins wieder.

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jahresrückblick

Thomas Kilian

RegisterrechtAktuelle Entwicklungen

Im Berichtszeitraum Dezember 2016 bis November 2017 ergingeinige neue Rechtsprechung in den klassischen Schwerpunkt-bereichen des Registerrechts. Außerdem wurde das Gesetz zurNeuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen undzur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bun-desnotarkammer beschlossen. Die Regelungen zur Einf�hrungdes Elektronischen Urkundenarchivs treten im Wesentlichen abdem 1.1.2022 in Kraft. Die erweiterten notariellen Pr�f- undEinreichungspflichten im Grundbuch- und Registerverfahren (ins-besondere § 378 Abs. 3 FamFG und § 15 Abs. 3 GBO), die dasGesetz ebenfalls eingef�hrt hat, traten bereits am 9.6.2017 inKraft. Schließlich wurde die EU-Richtlinie zur Verkn�pfung vonZentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern mit der Freischal-tung einer Online-Plattform zur grenz�berschreitenden Unter-nehmenssuche praxisrelevant umgesetzt.

A. Rechtsprechung

I. Prokuraerteilung trotz § 7 ApothekengesetzZunachst sollte eine der seltenen Entscheidungen zum Verhalt-nis zwischen dem Handelsrecht und dem offentlichen Rechterwahnt werden. In dem vom BGH1 entschiedenen Fall ging esum das Unternehmen eines im Handelsregister eingetrageneneinzelkaufmannisch tatigen Apothekers, der eine Einzelprokuraerteilt hatte. Der im Register eingetragene Prokurist war jedochkein approbierter Apotheker.

Das Registergericht kundigte daraufhin die Loschung der Pro-kuraeintragung gemaß § 395 FamFG an, da ein Apothekergemaß § 7 Apothekengesetz (im Folgenden: ApoG) keine Pro-kura erteilen durfe.

Der BGH fuhrte im Rechtsbeschwerdeverfahren aus, dass die Frage,inwieweit die Erteilung einer Prokura der in § 7 ApoG vorgeschrie-benen Pflicht zur personlichen Leitung der Apotheke in eigenerVerantwortung widerspricht, in Rechtsprechung und Schrifttum

insbesondere seit der beschrankten Zulassung des Mehrbesitzes anApotheken durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kran-kenversicherung vom 14.11.2003 umstritten sei.2 Teilweise wird ver-treten, mit der berufsrechtlichen Verpflichtung zur personlichenLeitung der Apotheke in eigener Verantwortung sei es generellunvereinbar, einem Mitarbeiter die umfassende und gegenuberDritten nicht beschrankbare Vertretungsbefugnis eines Prokuristeneinzuraumen. Nach anderer Ansicht sei jedenfalls die Prokuraertei-lung an einen Nichtapotheker unzulassig. Zunehmend wird jedochunter Verweis auf eine schrittweise Liberalisierung des Apotheken-rechts, insbesondere durch die Zulassung des beschrankten Mehr-besitzes, auch vertreten, dass die Erteilung einer Prokura durch einenApotheker entweder generell, zumindest aber an einen Filialleitergemaß § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 ApoG oder Vertreter gemaß § 2 Abs. 5ApBetrO zulassig sei. Danach sei die Beachtung der Vorgaben des § 7ApoG durch die konkrete Ausgestaltung des Prokuraverhaltnissesund die Uberwachung des Prokuristen sicherzustellen.

Die Streitfrage sei jedoch, so der BGH, im vorliegenden Fall nichtzu entscheiden, da die Prufung eines Verstoßes der Prokuraertei-lung gegen § 7 ApoG durch das Registergericht nach § 7 HGBausgeschlossen sei. § 7 HGB bestimmt, dass die Anwendung derdie Kaufleute betreffenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchsdurch die Vorschriften des offentlichen Rechts, nach welchendie Befugnis zum Gewerbebetrieb ausgeschlossen oder von gewis-sen Voraussetzungen abhangig gemacht ist, nicht beruhrt wird.Die Bestimmung dient der Erleichterung des kaufmannischenVerkehrs durch Trennung des Handelsrechts von offentlich-recht-lichen Vorschriften, namentlich dem Gewerberecht, und der da-mit verbundenen Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklar-heit fur die Anwendbarkeit des Handelsgesetzbuchs.3

1 Beschl. v. 25.7.2017 – II ZB 8/16, WM 2017, 2023.

2 BGBl I 2003, 2190.3 BayObLGZ 1978, 44, 47; OLG Frankfurt ZIP 1983, 1203, 1204; MuKo-

HGB/Krafka, 4. Aufl., § 7 Rn 1; Oetker/Korber, HGB, 5. Aufl., § 7 Rn 1;Rohricht/Graf von Westphalen/Haas/Rohricht, HGB, 4. Aufl., § 7 Rn 1, 2.

notar 1/2018 Kilian: Registerrecht 13

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§ 7 HGB beschr�nkt, so der BGH, zugleich die Pr�fungskom-petenz des Registergerichts. Durch die Trennung von Fragender gewerberechtlichen Zulassigkeit soll das Eintragungsverfah-ren erleichtert und Rechtssicherheit geschaffen werden, indemdie Eintragung nur von den handelsrechtlichen Vorgaben der§§ 1 ff. HGB abhangig gemacht wird. Daraus folge, dass dasRegistergericht die Einhaltung offentlich-rechtlicher Vorschrif-ten, die eine Gewerbetatigkeit beschranken, grundsatzlich wederprufen muss noch prufen darf.4

Die çffentlich-rechtliche Unzul�ssigkeit steht daher nachAuffassung des BGH – bei Vorliegen der handelsrechtlichenEintragungsvoraussetzungen – der Eintragung im Handels-register nicht entgegen und rechtfertigt auch keine Amts-loschung.5

II. Eintragungsf�higkeit von Doktortiteln in dasPartnerschaftsregister

In einer weiteren Entscheidung des BGH stand eine seit dem Jahr2009 im Partnerschaftsregister eingetragene Partnerschaftsgesell-schaft von Rechtsanwalten im Mittelpunkt.6 Im Jahr 2015 mel-deten die Gesellschafter eine weitere Partnerin – RechtsanwaltinDr. A. – zur Eintragung in das Partnerschaftsregister an. Fernerteilten sie mit, der als B., D. eingetragene Partner sei inzwischenpromoviert. Das Registergericht trug die weitere Partnerin darauf-hin ohne Angabe des Doktortitels in das Partnerschaftsregisterein. Bei dem Partner Dr. B. wurde kein Doktortitel nachgetragen.Außerdem rotete das Registergericht den Eintrag eines anderen,bereits eingetragenen Partners – Rechtsanwalt Dr. M. –, bei demvor dem Familiennamen der Doktortitel angegeben war, undsetzte den Hinweis hinzu: „Von Amts wegen (ohne akademischenGrad) neu vorgetragen als Partner: M., G. (…)“.

Das Beschwerdegericht fuhrte aus, dass akademische Titel in dasPartnerschaftsregister nicht eintragungsfahig seien. Fur das Part-nerschaftsregister galten insoweit dieselben Grundsatze wie furdas Handelsregister. Danach durften Tatsachen und Rechtsver-haltnisse nur dann eingetragen werden, wenn dies gesetzlichvorgesehen sei oder ein erhebliches Bedurfnis des Rechtsverkehrsan der entsprechenden Information bestehe. Beides sei hiernicht der Fall. Die gesetzliche Regelung in den §§ 5 Abs. 1, 3Abs. 2 PartGG sehe die Eintragung eines Doktortitels der Partnerin das Partnerschaftsregister nicht vor, da danach allein Name,Vorname, der in der Partnerschaft ausgeubte Beruf und derWohnort des Partners einzutragen seien. Akademische Titelgehorten weder zum Namen noch seien sie Berufsangaben. Auchein Bedurfnis des Rechtsverkehrs an der Eintragung des Doktor-titels bestehe nicht, da dieser fur die Rechtsbeziehungen derPartnerschaftsgesellschaft ohne Bedeutung sei.

Der BGH hob den Beschluss des Beschwerdegerichts auf, da dieEintragungsfahigkeit von Doktortiteln fur das Handels- und dasPartnerschaftsregister gewohnheitsrechtlich anerkannt sei. Esentspreche langjahriger standiger Ubung der Registergerichte,so der BGH, Doktortitel auf Wunsch der Beteiligten einzutragen.Dies zeige sich unter anderen an dem Muster in Anlage 1 zu § 2Abs. 1 und 2 Partnerschaftsregister (PRV), in dem ein Partner mitDoktortitel eingetragen sei, und der Anlage 4 zu § 7 Abs. 1 S. 2

PRV, in dem mehrere Partner mit Doktortitel genannt seien.Auch nach allgemeiner Ansicht im handelsrechtlichen Schrift-tum ist von der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Ein-tragungsfahigkeit von Doktortiteln auszugehen. Danach sollenDoktortitel entweder als Namensbestandteil anzusehen sein7

oder zwar kein Namensbestandteil, dennoch aber aufgrundGewohnheitsrechts eintragungsf�hig sein.8

III. Mitteilung des Insolvenzverwalters an das Regis-tergericht �ber die R�ckkehr zum satzungsm�ßi-gen Gesch�ftsjahr der Gesellschaft statt fçrmli-cher Handelsregisteranmeldung

In einer weiteren Registersache bestatigte der BGH9 eine fruhereEntscheidung,10 wonach der Entschluss des Insolvenzverwal-ters, zum satzungsmaßigen Geschaftsjahr einer GmbH zuruck-zukehren, entweder durch eine Anmeldung zur Eintragung imHandelsregister oder durch eine sonstige Mitteilung an dasRegistergericht nach außen erkennbar werden konne. Wennim Handelsregister nur der Insolvenzvermerk eingetragen sei,sei davon auszugehen, dass das mit Eroffnung des Insolvenz-verfahrens gemaß § 155 Abs. 2 S. 1 InsO begonnene neueGeschaftsjahr weiterlauft und sich dieser Geschaftsjahresrhyth-mus fortsetzt. Die Ruckkehr zum vor der Eroffnung des Insol-venzverfahrens geltenden Geschaftsjahresrhythmus muss derInsolvenzverwalter daher gegenuber dem Registergericht er-kennbar machen, auch wenn er erst spater einen Eintragungs-antrag stellt. Nach der BGH-Rechtsprechung kann die Eintra-gung in das Handelsregister nachgeholt werden, weil sie nichtkonstitutiv fur die Umstellung des Geschaftsjahres ist. Stelleder Insolvenzverwalter die Anmeldung zunachst zuruck undmache nur eine einfache Mitteilung an das Registergericht, somusse diese jedoch wahrend des ersten laufenden Geschafts-jahres nach der Eroffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen.Daran fehlte es im vorliegenden Fall, da die Mitteilungnur gegenuber der Steuerberatungsgesellschaft, dem Finanzamtund einem Glaubiger der Gesellschaft erfolgt sei.

IV. Keine Irref�hrung durch Verwendung einesPersonennamens in der Firma einesInternetautohauses

Das OLG Dusseldorf11 entschied im Berichtszeitraum, dass dieVerwendung eines Namens (im vorliegenden Fall des verstor-benen Urgroßvaters der Mehrheitsgesellschafter) in der Firmaeines uber das Internet handelnden Autohauses („A.L.D.GmbH & Co KG“) zur Irrefuhrung im Sinne des § 18 Abs. 2HGB solange nicht geeignet ist, wie eine hierdurch signalisiertepersonelle Beteiligung schon deshalb wirtschaftliche Entschei-dungen nicht beeinflussen kann, weil die maßgeblichen Ver-kehrskreise mangels Kenntnis dieser Person ein Vertrauen mitihr nicht verbinden.

V. Liquidation von GmbHIm vergangenen Jahr ergingen wieder mehrere interessante Ent-scheidungen betreffend die Anmeldung der Liquidation bzw.Loschung von GmbH im Handelsregister.

4 BeckOK-HGB/Schwartze, Stand: 1. Juli 2017, § 7 Rn 5; Ebenroth/Bou-jong/Joost/Strohn/Kindler, HGB, 3. Aufl., § 7 Rn 9; MuKo-HGB/Krafka,4. Aufl., § 7 Rn 1, 3; Oetker/Korber, HGB, 5. Aufl., § 7 Rn 4.

5 BeckOK-FamFG/Munzig, Stand: 1. Dezember 2016, § 395 Rn 25; Kei-del/Heinemann, FamFG, 19. Aufl., § 395 Rn 16; Oetker/Korber, HGB,5. Aufl., § 7 Rn 4.

6 Beschl. v. 4.4.2017 – II ZB 10/16, NZG 2017, 734.

7 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Schaub, HGB, 3. Aufl., § 8 Rn 121;MuKo-AktG/Spindler, 4. Aufl., § 81 AktG Rn 5; K. Schmidt/Lutter/Seibt,AktG, 3. Aufl., § 81 Rn 5.

8 Krafka/Kuhn, Registerrecht, 10. Aufl., Rn 86; Huffer/Koch, AktG,12. Aufl., § 81 Rn 3; MuKo-GmbHG/Stephan/Tieves, 2. Aufl., § 39 Rn 6.

9 Beschl. v. 21.2.2017 – II ZB 16/15, FGPrax 2017, 117; Behrens, notar2017, 159, 163.

10 BGH, Beschl. v. 14.10.2014 – II ZB 20/13, ZIP 2015, 88 Rn 13.11 Beschl. v. 11.1.2017 – 3 Wx 81/16, NZG 2017, 423.

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1. Vollzugsreife des Antrags auf Eintragung der Lçschungeiner vermçgenslosen GmbH trotz laufenden Steuer-verfahrens

In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob die Loschungeiner vermogenslosen GmbH vor Erledigung ihrer steuerrecht-lichen Verhaltnisse erfolgen kann, ob eine entsprechende An-meldung also statthaft ist, bevor das zustandige Finanzamt „gru-nes Licht“ gegeben hat. Das OLG Dusseldorf12 entschied dazu,dass auch dann, wenn Steuernachforderungen im Raum stehen,ein „Antrag auf Eintragung der Loschung“ der GmbH jedenfallsdann vollzugsreif ist, wenn diese den Geschaftsbetrieb endgultigeingestellt hat und uber kein Vermogen mehr verfugt. Die Steu-ernachforderungen hatten in diesem Fall keine potentielle Aus-wirkung auf das verwertbare Gesellschaftsvermogen. Der Regis-tervollzug konne daher nicht von dem Einverstandnis derFinanzverwaltung abhangig gemacht werden.

2. Pflicht zur Anmeldung der Liquidatoren auch bei Anmel-dung der Lçschung der Gesellschaft ohne Liquidations-verfahren wegen Vermçgenslosigkeit

Erwahnen mochte ich an dieser Stelle einen bisher unveroffent-licht gebliebenen Beschluss des OLG Munchen.13 Gegenstandder Entscheidung war die Frage, ob sich aus § 67 GmbHG auchdann eine Pflicht zur Anmeldung von Liquidatoren unter An-gabe ihrer Vertretungsbefugnis ergibt, wenn kein verteilungs-fahiges Vermogen mehr vorhanden ist und zugleich das Erlo-schen der Firma der Gesellschaft angemeldet wird. Das fruhereBayObLG hatte dies fur erforderlich gehalten.14 Das OLG Mun-chen bestatigt nunmehr diese Entscheidung des BayObLG undstellt sich damit gegen die im Standardwerk des Registerrechtsvon Krafka/Kuhn vertretene Auffassung.15 Es ist bedauerlich, dassdie Entscheidung eine Begrundung vermissen lasst, worin derZweck der Anmeldung von Liquidatoren liegt, wenn uberhauptkeine Liquidation erfolgen soll.16 Im Bereich des OLG Munchenist dennoch bis auf weiteres zur Vermeidung von Zwischenver-fugungen von der Verwendung des von Krafka/Kuhn vorgeschla-genen Anmeldungstextes17 abzuraten. Es empfiehlt sich, beimEntwurf des Auflosungsbeschlusses auch dann die Bestellungeines Liquidators vorzusehen, wenn mangels zu verteilendenVermogens eine sofortige Liquidation der Gesellschaft ange-strebt wird.

3. Zul�ssigkeit einer Anmeldung der Liquidation einerGmbH vor Eintritt der angemeldeten Tatsache

Sehr praxisrelevant ist auch die Frage, ob eine sich erst kunftigverwirklichende Tatsache bereits vor ihrem Eintritt zum Registerangemeldet werden kann. Ein Bedurfnis danach gibt es haufigzum Jahresende, will man die Eintragung auf den ersten Werktagdes neuen Jahres sicherstellen. So war auch ein Fall des OLGThuringen gelagert.18

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 30.11.2016wurde die Antragstellerin zum Ablauf des 31.12.2016 aufgelostund der Geschaftsfuhrer, Herr K, zum alleinvertretungsberech-tigten Liquidator bestellt. Dies meldete der Geschaftsfuhrer derAntragstellerin mit Erklarung vom 9.12.2016 zur Eintragung indas Handelsregister an. Der Notar ubermittelte die Anmeldungs-erklarung am 20.12.2016 an das Registergericht. Mit Verfugungvom 22.12.2016 wies das Registergericht den Notar darauf hin,dass die Anmeldung nicht vollzugsreif und deswegen zuruck-zunehmen und zu gegebener Zeit neu einzureichen sei. Sie werdezuruckgewiesen, wenn nicht bis zum 28.12.2016 die Ruck-nahme erfolge. Mit seiner Antwort vom 23.12.2016 regte derVerfahrensbevollmachtigte eine Bearbeitung am 2.1.2017 an.Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9.1.2017 wies das Regis-tergericht die Anmeldung kostenpflichtig zuruck.

Auf die daraufhin erhobene Beschwerde entschied das OLGThuringen, dass die Zuruckweisung zu Unrecht erfolgte. Imvorliegenden Fall sei nicht die Anmeldung selbst – also der aufdas Verfahren gerichtete Antrag – unter eine Bedingung odereine Befristung gestellt worden, sondern die angemeldete Tat-sache – hier die Auflosung der Gesellschaft und die Bestellungder Liquidatoren. Wahrend ersteres unzulassig sei, sei eineBefristung der Tatsache selbst nicht zu beanstanden. Die An-meldung als solche, d. h. der offentlich beglaubigte Antrag, dasRegisterverfahren zum Zweck einer Eintragung einzuleiten, seivorliegend weder durch Bedingungen noch Befristungen einge-schrankt.

Eine verfruhte Anmeldung wie im vorliegenden Fall sei daherimmer dann zulassig, wenn die angemeldete Auflosung undBestellung von Liquidatoren bereits erfolgte und der Eintritt derRechtswirkungen nur noch von dem Eintritt des Kalenderda-tums abhangt. Die Eintragung hat jedenfalls dann zu erfolgen,wenn im Zeitpunkt der Entscheidung uber die Eintragung dieEintragungsvoraussetzungen vorliegen, die Bedingung bzw. dieBefristung also eingetreten ist.

VI. Amtsunf�higkeit des Gesch�ftsf�hrers nach Ver-warnung mit Strafvorbehalt wegen Insolvenz-verschleppung

Wie jedes Jahr soll auch wieder eine Entscheidung betreffend dieInhabilitat des GmbH-Geschaftsfuhrers besonders erwahnt wer-den. Das OLG Sachsen-Anhalt19 entschied, dass als Verurteilungim Sinne des § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Buchst. a GmbHG nicht nur dieVerhangung einer Geld- oder Freiheitsstrafe wegen vorsatzlicherInsolvenzverschleppung anzusehen sei. Es genuge vielmehr, sodas Gericht, dass der Geschaftsfuhrer wegen einer solchen Tatunter Vorbehalt der Verhangung einer Geldstrafe verwarntwurde (§ 59 Abs. 1 StGB).

Zur Begrundung fuhrte das OLG aus, dass dem gesetzlichenBegriff der Verurteilung, wie den §§ 3 Nr. 1 und 4 Nr. 3 BZRG zuentnehmen ist, auch die Verwarnung mit Strafvorbehalt unter-falle. Außerdem knupfe § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3a GmbHG denAusschluss vom Amt des Geschaftsfuhrers einer GmbH ohneRucksicht auf die verhangte Rechtsfolge allein an die mit demrechtskraftigen Strafurteil festgestellte bewusste Missachtungder Insolvenzantragspflicht. Dass es auf die Rechtsfolge nichtankommt, zeige auch der Vergleich mit § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3eGmbHG, der anders als Nr. 3a der Vorschrift die Verhangungeiner Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr voraussetzt.Bestatigt werde diese Auslegung des § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3a

12 Beschl. v. 1.2.2017 – 3 Wx 300/16, NZG 2017, 663.13 Beschl. v. 10.3.2014 – 31 Wx 52/14.14 BayObLG RPfleger 1982, 429; ebenso Baumbach/Hueck, GmbHG,

§ 67 Rn 4.15 Krafka/Kuhn, Registerrecht, 10. Aufl. 2017, Rn 1135, wobei es sich in

der dortigen Fußnote 2 um ein Fehlzitat handelt. Die dort angespro-chene Entscheidung des BayObLG betraf die Liquidation einer Per-sonengesellschaft.

16 Vorzugswurdig daher die Auffassung von Krafka/Kuhn, Registerrecht,10. Aufl. 2017, Rn 1135 und Rn 1150, wonach eine Anmeldung derAuflosung und des Erloschens der Firma im Fall der Vermogenslosig-keit genugt.

17 Krafka/Kuhn, Registerrecht, 10. Aufl. 2017, Rn 1150.18 Beschl. v. 15.3.2017 – 2 W 26/17, NotBZ 2017, 276. 19 Beschl. v. 3.2.2017 – 5 Wx 2/17, ZIP 2017, 1519.

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GmbHG, so das Gericht, durch den Vergleich mit § 290 Abs. 1Nr. 1 InsO a. F. Nach dieser Vorschrift genugte fur die Ver-sagung der Restschuldbefreiung bereits die Verwarnung mitStrafvorbehalt wegen einer der dort aufgefuhrten Taten. § 290Abs. 1 Nr. 1 InsO wurde mit Wirkung vom 1.7.2014 dahin-gehend geandert, dass er nunmehr eine Mindeststrafe voraus-setzt. Damit sollte erreicht werden, dass Verurteilungen wegenverhaltnismaßig geringfugiger Taten einer Restschuldbefreiungkunftig nicht mehr im Wege stehen. Eine entsprechende An-derung des § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3a GmbHG ist hingegen nichterfolgt.

VII. Internationales RegisterrechtIm Berichtszeitraum sind zwei die Zweigniederlassungen auslan-discher Gesellschaften betreffende Entscheidungen erwahnens-wert:

1. Eintragungsf�higkeit der Zweigniederlassung eines aus-l�ndischen Unternehmens bei identischer Firmierungmit der Hauptniederlassung

Das OLG Dusseldorf20 entschied im Berichtszeitraum, dass derEintragung der Zweigniederlassung eines auslandischen Unter-nehmens in das deutsche Handelsregister nicht entgegensteht,dass die Zweigniederlassung identisch mit dem Unternehmenfirmieren mochte, das seinen Sitz und seine Hauptniederlassungim Ausland hat. Solange fur die Zweigniederlassung keine eigeneFirma gebildet wurde, sei zudem ein Zusatz bei der Registerein-tragung, der die Einordnung als Zweigniederlassung ermoglicht,weder wegen einer sonst fehlenden Kennzeichnungskraft nochaus dem Gesichtspunkt einer zu vermeidenden Irrefuhrung desRechtsverkehrs erforderlich. Insoweit seien an auslandische Un-ternehmen keine strengeren Anforderungen zu stellen als aninlandische, so das Gericht. Eine ausfuhrliche Besprechung derEntscheidung finden Sie in diesem Heft.21

2. Anmelde- und Vorlageerfordernisse bei Zweigniederlas-sung einer englischen private company limited by shares

Das OLG Frankfurt a. M.22 hatte uber einen Fall zu entscheiden,in dem ein deutscher Patentanwalt eine Zweigniederlassungeiner englischen Limited zur Eintragung in das Handelsregisteranzumelden versuchte.

Das Gericht entschied, dass die nach § 12 Abs. 1 und 2 HGBelektronisch einzureichende Anmeldung der Zweigniederlas-sung nicht durch einen Patentanwalt unter Nutzung seinerqualifizierten Signatur erfolgen kann, da ein Patentanwalt nichtzur Fertigung einer elektronisch beglaubigten Abschrift im Sinnedieser Norm befugt ist. Dies setzt namlich eine qualifizierteSignatur eines Notars, verbunden mit dem einfachen elektro-nischen Zeugnis nach § 39a BeurkG voraus.23

Im vorliegenden Fall hatten die Grunder der Limited keine vonden model articles nach englischem Recht abweichende Satzungbeschlossen. Fur die Gesellschaft galten daher diese model articles(ahnlich dem Musterprotokoll (Anlage zum GmbHG)) kraft Ge-setzes. Bei einer solchen Fallgestaltung, so das OLG Frankfurta. M., konne das Registergericht keine Vorlage des englischenTextes dieser model articles verlangen und damit auch keineUbersetzung dieser „Mustersatzung“ in die deutsche Sprache.

Das Registergericht konne aber in Fallen wie dem vorliegendendie Eintragung zumindest von der Vorlage einer beglaubigtenAbschrift nebst Ubersetzung des memorandum of association derin England gegrundeten Limited verlangen, so das OLG.

Fraglich ist im notariellen Diskurs mit den Registergerichtenhaufig auch, wie der Vorgabe des § 13g Abs. 1 und 3 HGBi. V. m. § 10 Abs. 1 GmbHG zu genugen ist, in der Anmeldungder Zweigniederlassung das Stammkapital der englischen Gesell-schaft anzugeben. Das Gericht stellt dazu in seinem Beschussklar, dass die Angabe des von den Gesellschaftern der Limitedgezeichneten Kapitals (issued shares capital) notwendig ist. AlsBegrundung fuhrt das OLG Frankfurt a. M. an, dass das englischeRecht nach einer Reform des Gesellschaftsrechts seit dem1.10.2009 nicht mehr nur vorgibt, in der Gesellschaftssatzungein Nennkapital (nominal share capital) zu beziffern. Dement-sprechend musse das tatsachlich gezeichnete Kapital (mindes-tens 1 £) im deutschen Handelsregister der Zweigniederlassungeingetragen werden.

Schließlich beschaftigte sich das Gericht in seiner Entscheidungnoch mit der Frage, inwieweit eine „Selbstbelehrung“ einesden rechtsberatenden Berufen angehorenden Geschaftsfuhrersuber die unbeschrankte Auskunftspflicht gegenuber dem Ge-richt betreffend das Vorliegen eines Bestellungshindernisses in§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 sowie S. 3 GmbHG den Anforderun-gen des Gesetzes genugt. Der Geschaftsfuhrer trug vor, dass ernicht von einer dritten Person uber die unbeschrankte Aus-kunftspflicht gem. § 53 Abs. 2 BZRG belehrt werden musse, daihm diese Pflicht als Patentanwalt bereits bekannt sei. Es trifftzwar zu, dass es seit dem Inkrafttreten des MoMiG gemaß § 8Abs. 3 S. 2 GmbHG genugt, dass die Belehrung des Geschafts-fuhrers uber die unbeschrankte Auskunftspflicht durch einenRechtsanwalt erfolgt. Das OLG fuhrte jedoch aus, dass innereKenntnisse des zu Belehrenden oder gar eine „Selbstbelehrung“insoweit unbeachtlich sind und den gesetzlichen Vorgabendaher nicht genugen. Das Erfordernis der Belehrung durcheinen Dritten im Sinne des § 8 Abs. 3 GmbHG entfallt dahernicht allein deshalb, weil der Geschaftsfuhrer zugleich Patent-anwalt ist.

Gegen die Entscheidung ist eine Revision beim BGH unter demAz. II ZB 25/17 anhangig. Der notar wird uber den Ausgang desVerfahrens berichten.

VIII. KommanditgesellschaftEs gilt noch uber zwei wichtige Entscheidungen aus dem Bereichdes Registerrechts der Kommanditgesellschaft zu berichten:

1. Rechtliche Einordnung eines von einem in G�tergemein-schaft lebenden Ehegatten erworbenen Kommandit-anteils als Sondergut

Eine fur die notarielle Praxis uberraschende Entscheidung er-ging durch das OLG Nurnberg.24 Zugrunde lag ihr die Anmel-dung des Beitritts eines weiteren Kommanditisten zu einerKommanditgesellschaft, der im Guterstand der Gutergemein-schaft verheiratet war. Nach dem Gesellschaftsvertrag sindKommanditbeteiligungen rechtsgeschaftlich ubertragbar, ohnedass dies einer Anderung des Gesellschaftsvertrags bedurfe.Das Registergericht vertrat die Auffassung, dass der Eintragungdes in Gutergemeinschaft verheirateten Kommanditisten einVollzugshindernis entgegenstehe. Ein Kommanditanteil konnenicht Sondergut i. S. d. § 1417 Abs. 1, Abs. 2 BGB sein, da der

20 Beschl. v. 22.2.2017 – 3 Wx 145/16, FGPRax 2017, 119.21 Kilian, notar 2017, 25.22 Beschl. v. 8.8.2017 – 20 W 229/17, juris.23 Apfelbaum/Bettendorf, RNotZ 2007, 89 ff.; Staub/Koch, HGB, 5. Aufl.,

2009, § 12 Rn 24 ff.; MuKo-GmbHG/Herrler, 2. Aufl., 2015, § 7Rn 39 ff. 24 Beschl. v. 24.5.2017 – 12 W 643/17, NZG 2017, 1026 f.

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Anteil ubertragbar sei. Erforderlich sei daher die Feststellung,dass die Anteile zu Vorbehaltsgut i. S. d. § 1418 Abs. 1, Abs. 2Nr. 1 BGB erklart worden seien.

Der Notar vertrat dagegen die Ansicht, dass der Kommandit-anteil ohne weiteres Sondergut geworden sei, da eine Guter-gemeinschaft nicht Kommanditist sein konne. In der daraufhinerlassenen Zwischenverfugung wurde ausgefuhrt, die Guter-gemeinschaft konne auch nicht als solche als Kommanditisteingetragen werden, da ein Kommanditanteil nicht als Gesamt-gut i. S. d. § 1416 Abs. 1 S. 1 BGB gehalten werden konne.

In der Praxis behilft man sich in Fallen wie diesem damit,vorsorglich vor dem Beitritt des Kommanditisten einen Nachtragzu dem die Gutergemeinschaft begrundenden Ehevertrag zubeurkunden. In diesem Nachtrag wird die Gesellschaftsbetei-ligung zu Vorbehaltsgut erklart. Das Beschwerdegericht ent-schied uberraschend anders: Der betreffende Kommanditanteilsei ohne weiteres Sondergut i. S. d. § 1417 Abs. 1, Abs. 2 BGBgeworden, ohne dass es einer „Vorbehaltsguterklarung“ i. S. d.§ 1418 Abs. 2 BGB bedurfte.25 Es sei zutreffend, so das Gericht,dass die Gutergemeinschaft nach uberwiegender Auffassung alssolche nicht Kommanditist sein kann, mithin ein Kommandit-anteil nicht im Gesamtgut gehalten werden konne.26 In der Folgedefiniert das OLG Nurnberg den Normzweck des den Umfangdes Sonderguts definierenden § 1417 Abs. 2 BGB dahingehend,Vermogensgegenstande einem einzelnen Ehegatten zuzuord-nen, wenn diese Gegenstande nicht rechtswirksam in das Ge-samtgut uberfuhrt werden konnen.27 Aus Sicht des Beschwerde-gerichts betreffe dies jedoch nicht nur den im Wortlaut des§ 1417 Abs. 2 BGB ausdrucklich geregelten Fall, dass die Ubertra-gung des Vermogenswerts, also der Ubertragungsakt als solcher,aus Rechtsgrunden unmoglich ist. Die Norm sei uber ihrenWortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass der Normzweckgenauso den Fall erfasst, dass zwar eine Ubertragung des Ver-mogensgegenstands als solche moglich ist, jedoch gerade diegesamthanderische Beteiligung der Ehegatten an diesem Ver-mogensgegenstand aus Rechtsgrunden nicht begrundet werdenkann. Die Vorschrift sei daher so zu lesen, dass Sondergut dieGegenstande sind, die nicht wirksam durch Rechtsgeschaft indas Gesamthandsvermogen der Gutergemeinschaft uberfuhrtwerden konnen.28

Da ein Kommanditanteil nicht von Ehegatten in Gutergemein-schaft gehalten werden kann, mithin der Kommanditanteil – selbstwenn er im Ubrigen rechtsgeschaftlich ubertragbar ist – nichtwirksam in das Gesamthandsvermogen der Gutergemeinschaftubertragen werden kann, falle er, so das OLG Nurnberg, nach§ 1417 Abs. 2 BGB ohne weiteres ins Sondergut des beitretendenEhegatten.29 Bedauerlich ist, dass das Gericht eine Zuordnung zurdritten bei der Gutergemeinschaft vorgesehenen Vermogensmas-

se, dem Vorbehaltsgut, nicht in Betracht zieht. Den dafur vomGesetz vorgesehenen Weg, namlich die ehevertragliche Vor-behaltsgutsvereinbarung i. S. d. § 1418 Abs. 2 Nr. 1 BGB sieht dasGericht als nicht zielfuhrend an.

Es sieht vielmehr Widerspruche aufkommen, wenn man derGutergemeinschaft gesellschaftsrechtlich die Gesellschafter-fahigkeit absprache, jedoch gleichwohl den Kommanditanteilguterrechtlich – vorbehaltlich einer Vorbehaltsgutsverein-barung – dem Gesamtgut zurechne. Die Konsequenz, dass einvon einem Ehegatten erworbener Vermogensgegenstand – biszum Abschluss einer Vorbehaltsgutsvereinbarung – keiner derdrei Vermogensmassen (Gesamtgut, Sondergut, Vorbehaltsgut)zugeordnet werden konnte, sieht das Gericht wohl als untrag-bar an. Die Argumentation, dass dies im Widerspruch zurSystematik der §§ 1416 ff. BGB steht, beruht meines Erachtensauf einem Zirkelschluss, da es den Ehegatten gerade freisteht,vor dem Gesellschaftsbeitritt ehevertraglich Vorbehaltsgut zuvereinbaren und damit im Rahmen der von den §§ 1416 ff.BGB vorgegebenen Kategorien zu bleiben. Es handelt sich vor-liegend um eine reine Billigkeitsentscheidung, mit der dasGericht die Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Erwerbs derKommanditbeteiligung vermeiden wollte. Die dazu herange-zogenen Argumente, dass die Unwirksamkeitssanktion derRechtssicherheit abtraglich sei und auf eine fur den Verkehrs-schutz problematische Begrundung einer partiellen beschrank-ten Geschaftsfahigkeit in Gutergemeinschaft lebender Ehegat-ten beim Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen hinausliefe,tragt namlich nicht. Das Gesetz sieht mit der ehevertraglichenVorbehaltsgutvereinbarung einen Weg vor, der es den in Guter-gemeinschaft lebenden Ehegatten ermoglicht, eine Komman-ditbeteiligung zu erwerben. Hinzu kommt, dass die Anmeldungdes Beitritts zur Gesellschaft notariell beglaubigt werden muss.Im Rahmen der Entwurfsfertigung oder Unterschriftsbeglaubi-gung erfragt der Notar im Rahmen der Erfassung der Personen-daten auch den Guterstand verheirateter Beteiligter. Kommt indiesem Zusammenhang auf, dass der Kommanditist im Guter-stand der Gutergemeinschaft verheiratet ist, liegt jedenfalls beiEntwurfsfertigung durch den Notar ein Hinweis auf das Erfor-dernis einer Vorbehaltsgutsvereinbarung nahe, so dass es nurhochst selten zur Unwirksamkeit des Erwerbs der Kommandit-beteiligung kommen durfte.

2. �bergang einer Kommanditeinlage durch Erbfolge,registerm�ßige Anmeldeerfordernisse bei gewillk�rterErbfolge und angeordneter Testamentsvollstreckung

Der Entscheidung des OLG Dusseldorf30 lag eine in der Praxishaufige erbrechtliche Konstellation zu Grunde. Der verstorbeneKommanditist B (Beteiligung 10.000 E) einer Publikums-KG, derWindpark H. Nr. 38 GmbH & Co. KG, hatte ein privatschriftli-ches Testament hinterlassen, das auszugsweise lautete:

Im Falle meines Todes setze ich meine Sohne D und E, meine vonmir getrennt lebende Ehefrau F sowie meine Partnerin G als Erbenmeiner Vermogenswerte mit folgender Aufteilung ein:

G erhalt: Restauszahlungen einer Lebensversicherung und 6 Ge-nossenschaftsanteile.

F erhalt: Bausparvertrag, 3 Anteile an Burgersolaranlage, Betei-ligung an Kraftwarmeanlagen-KG sowie meine Beteiligung anWindpark H. Nr. 38 GmbH & Co. KG mit einer Einlage von10.000 E.

25 So fur die Beteiligung an einer OHG und die Beteiligung als Kom-plementar an einer Kommanditgesellschaft: Palandt/Brudermuller,§ 1416 Rn 2.

26 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2003 – 3Z BR 238/02, NJW-RR 2003, 899;Baumbach/Hopt/Roth, HGB, 37. Aufl., § 105 Rn 25.

27 Ebenso MuKo-BGB/Kanzleiter, 7. Aufl., § 1417 Rn 1; Staudinger/Thiele,BGB, 2007, § 1417 Rn 2 f.

28 A. A. Palandt/Brudermuller, § 1416 Rn 2 („Umfang des Sonderguts istgesetzlich erschopfend festgelegt“).

29 Staudinger/Thiele, BGB, 2007, § 1417 Rn 5 § 1416 Rn 14; MuKo-BGB/Schafer § 705 Rn 75 (zum Anteil an einer BGB-Gesellschaft); zweifelnddagegen MuKo-BGB/Kanzleiter, 7. Aufl., § 1416 Rn 9; in Rn 10 fuhrt eraus, dass die Beteiligung in das Gesamtgut fallt; a. A. BGHZ 65, 82 ff.fur eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter ausschließlich dieEhegatten sind: Begrundung von Sondergut durch Rechtsgeschaftnicht moglich. 30 Beschl. v. 9.6.2017 – 3 Wx 90/16, juris.

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Meine Sohne D und E erhalten: je 50 % meines restlichen Ver-mogens einschließlich des Verkaufserloses.

Als Testamentsvollstrecker setze ich meinen Sohn E ein.

Dem E wurde ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt, das aus-weist, dass er zum Testamentsvollstrecker ernannt worden ist.Mit notariell beglaubigter Erklarung wurde zur Eintragung in dasHandelsregister angemeldet, dass der Kommanditist B durch Todaus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Seine Einlage in Hohe von10.000 E ist durch Erbfolge im Wege der Gesamtrechtsnachfolgeauf seine Erben ubergegangen. Es wurde Testamentsvollstre-ckung angeordnet. Testamentsvollstrecker ist Herr E ausweislichdes erteilten Testamentsvollstreckerzeugnisses. B ist hinsichtlichder Kommanditbeteiligung ausweislich des am … eroffnetenTestaments von Frau F beerbt worden. Frau F ist mit einer Einlagein Hohe von 10.000 E im Wege der Gesamtrechtsnachfolge indie Gesellschaft eingetreten.

Im Beschwerdeverfahren ging es unter anderem um die Notwen-digkeit der Vorlage eines Erbscheins als Nachweis der Erbfolge,die Frage, ob zunachst die Erbengemeinschaft in das Registereinzutragen sei, bevor Frau F als Kommanditistin eingetragenwerden kann, und ob dem Testamentsvollstrecker die Anmelde-befugnis zusteht.

Das OLG bestatigte im vorliegenden Fall die herrschende Auf-fassung, dass eine Erbengemeinschaft als solche nicht Gesell-schafter einer KG werden kann. Daher geht der Kommandit-anteil nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf dieErbengemeinschaft uber; vielmehr erwerben die Erben des Kom-manditisten im Wege der Sondererbfolge (Einzelnachfolge au-ßerhalb der Erbengemeinschaft) jeweils eigenstandige Gesell-schaftsanteile im Umfang ihrer Erbquoten. Auch wenn derWechsel eines Kommanditisten auf Grund einer Gesamt- oderSonderrechtsnachfolge eintritt, und auch dann, wenn mehrereWechsel unmittelbar nacheinander erfolgen, sind der Eintritteines Kommanditisten und das Ausscheiden eines solchen ge-maß §§ 161 Abs. 2, 107, 143 Abs. 2, 162 Abs. 1 und 3 HGB ge-sondert anzumelden und in das Handelsregister einzutragen.

Hat der Erblasser nach § 2048 BGB Anordnungen fur die Ausei-nandersetzung der Miterben getroffen, bedarf es daher, so dasOLG Dusseldorf, zunachst der Eintragung samtlicher „Mit-erben“, hernach der Eintragung des letztendlichen Erwerbers derBeteiligung. Gleiches gelte bei der Zuwendung eines Komman-ditanteils im Wege des Vermachtnisses i. S. d. § 2147 BGB. Auchhier bedarf es zunachst wiederum der Eintragung der Erben,hernach des Vermachtnisnehmers als Sonderrechtsnachfolger.

Was den vom Registergericht verlangten Erbnachweis anging,nahm das Gericht auf § 12 Abs. 1 S. 4 HGB Bezug. Danach ist dieRechtsnachfolge bei der Anmeldung zur Eintragung in das Han-delsregister, soweit tunlich, durch offentliche Urkunden nach-zuweisen. Daher ist eine Erbfolge regelmaßig durch Erbschein,§ 2353 BGB, nachzuweisen, soweit sie auf gesetzlicher Erbfolgeoder einer privatschriftlichen Verfugung von Todes wegen be-ruht. Beruht sie auf einer letztwilligen Verfugung in offentlicherUrkunde, kann das Registergericht – in Anlehnung an die imGrundbuchverfahren geltende Vorschrift des § 35 Abs. 1 GBO –diese zusammen mit der Niederschrift uber deren Eroffnungnach pflichtgemaßem Ermessen als ausreichend ansehen. Bedarfdie Verfugung indes der Auslegung, reicht auch sie als Nachweisnicht aus, wenn bei der Auslegung Zweifel verbleiben und eineabschließende Wurdigung nicht moglich ist, namentlich weilErmittlungen in tatsachlicher Hinsicht anzustellen waren; sich

in solchem Fall ein Urteil uber die Erbfolge zu bilden, ist demNachlassgericht vorbehalten, das daruber im Erbscheinsverfah-ren zu befinden hat.31

Zur Frage, ob anstelle der Erben der Testamentsvollstrecker dieAnmeldepflichten wahrzunehmen hat, fuhrte das Beschwer-degericht schließlich aus, dass dies davon abhangt, welcheAufgaben dem Testamentsvollstrecker nach den maßgeblichenletztwilligen Verfugungen ubertragen sind. Zu prufen sei also,ob der Erblasser eine sogenannte Abwicklungsvollstreckungangeordnet hat, bei der der Testamentsvollstrecker nur damitbetraut ist, den Nachlass abzuwickeln und die Auseinander-setzung unter mehreren Erben zu bewirken. Hat er hingegeneine sogenannte Verwaltungsvollstreckung angeordnet, die ins-besondere in der Form der Dauertestamentsvollstreckungvorkommt, § 2209 S. 1 BGB, so kann der Testamentsvollstre-cker anstelle derjenigen Erben, die – wie oben dargestellt – imWege der Sondererbfolge Kommanditisten geworden sind, denGesellschafterwechsel anmelden. Das Registergericht kann dieFrage, welche Aufgaben dem Testamentsvollstrecker im kon-kreten Fall ubertragen sind, wenn bereits ein Testaments-vollstreckerzeugnis erteilt ist, nur aufgrund dieses Zeugnissesbeurteilen; es ist im Registerverfahren (nicht anders als imGrundbuchverfahren) allein maßgeblich. Da nach dem Gesetzder Regeltyp die Abwicklungsvollstreckung ist, wird in einemZeugnis nicht diese vermerkt, sondern nur eine Sonderformangegeben, etwa nach § 2209 BGB. Daher gilt: Enthalt einZeugnis keine Angaben, kommt damit zum Ausdruck, dass demTestamentsvollstrecker nur die nach dem Regeltyp der Abwick-lungsvollstreckung mit seinem Amt verbundenen Aufgabenund Befugnisse (§§ 2203–2206 BGB) zukommen.32

B. Gesetzgebung

I. Erweiterung der notariellen Pr�fungspflichten imRegister- und Grundbuchverfahren

Eine Erweiterung erfuhren die notariellen Prufungspflichten imHandelsregisterverfahren durch das Gesetz zur Neuordnung derAufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des elek-tronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer sowie zurAnderung weiterer Gesetze vom 1.6.2017.33 Darin wird die Pflichtder Notare festgeschrieben, fur die Gerichte eine Vorprufung vonAnmeldungen bzw. Antragen auf ihre Eintragungsfahigkeit vor-zunehmen. So soll eine bereits bis dahin gelebte Praxis einheit-lich fur alle Notare kodifiziert werden, um Qualitat, Effizienz undSchnelligkeit des Handelsregisterverfahrens zu optimieren.34 Andieser Stelle soll nur eine kurze Zusammenfassung der Neu-regelungen erfolgen. Eine detaillierte Darstellung der Auswirkun-gen auf die Praxis findet sich in dem wahrend des Berichtszeit-raums im notar erschienenen Aufsatz von Damm.35

1. Eintragungsf�higkeitspr�fung

Der neu geschaffene § 378 Abs. 3 S. 1 FamFG schreibt vor, dassAnmeldungen zu den Handels-, Vereins- und G�terrechts-registern vor ihrer Einreichung fur das Registergericht durcheinen Notar auf ihre Eintragungsfahigkeit zu uberprufen sind.Im Zusammenspiel mit § 374 FamFG ergibt sich, dass Genossen-

31 KG NJW-RR 2003, 255 ff.; KG NJW-RR 2007, 692 ff.; OLG KolnFGPrax 2005, 41 f.; OLG Bremen NJW-RR 2014, 816 f.; Baumbach/Hopt, HGB, § 12 Rn 5.

32 KG NJW-RR 1991, 835 ff.; ferner OLG Hamm NZG 2011, 437 f.33 BGBl I 2017, 1396.34 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks 18/10607, S. 101, 108.35 notar 2017, 323.

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schafts- und Partnerschaftsregistersachen von der Eintragungs-fahigkeitsprufungspflicht ausgenommen sind. Dies ist bedauer-lich, pruften doch die Notare weithin schon bisher in samtlichenRegisterangelegenheiten vor der Einreichung den Text der An-meldung darauf, ob er der Eintragung entgegenstehende Fehlerenthalt. In den von der Neuregelung ausgenommenen Register-sachen wird sich daran auch kunftig nichts andern, schließlichverbietet die neue Vorschrift nicht, an der bisherigen Praxis fest-zuhalten.

Die Pr�fungspflicht beschr�nkt sich auf den Wortlaut derAnmeldung als solchen. Außerhalb des Textes der Anmeldungliegende Umstande (z. B. Vorliegen erforderlicher Genehmigun-gen oder der Vertretungsbefugnis) muss der Notar nicht prufen.Dies bleibt weiterhin ausschließlich Aufgabe des Registergerichts.Dokumente, die lediglich einzureichen oder der Anmeldungbeizufugen sind, hat der Notar ebenfalls nicht zu prufen.36

§ 378 Abs. 3 FamFG findet nach § 493 Abs. 3 FamFG nur aufAnmeldungen Anwendung, die nach dem 8.6.2017 beglaubigtworden sind.

2. Notar als „Kommunikationsmittler“

Der neu geschaffene § 378 Abs. 3 S. 2 FamFG schreibt vor, dassHandelsregisteranmeldungen bei einem Notar zur Weiter-leitung an das zustandige Registergericht einzureichen sind.Der Bundesrat bezeichnete die Notare wahrend des Gesetz-gebungsverfahrens daher treffend als „externe Rechtsantragsstelledes Gerichts“.37 Dem Notar kommt also die Rolle eines „Kom-munikationsmittlers“38 zu, der die papiergebundenen Antrageder Anmelder in die elektronische Form ubertragt und die fur dieeffiziente Justizarbeit erforderlichen XML-Strukturdaten erzeugt.In den ubrigen Registersachen konnen die Anmeldungen undAntrage weiterhin durch die Beteiligten selbst bei Gericht einge-reicht werden.

3. XML-Daten�bermittlung

Nach dem neu geschaffenen § 378 Abs. 4 FamFG konnen dieLandesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmen, dassNotare neben der elektronischen Registeranmeldung bestimmtedarin enthaltene Angaben in strukturierter maschinenles-barer Form (d. h. z. B. XML-Strukturdaten) zu �bermittelnhaben, sofern dies nicht bereits eine Bundesverordnung nach§ 387 Abs. 2 FamFG vorschreibt. Eine entsprechende Rechts-grundlage fehlte dafur bisher. Praxisrelevante Anderungen sinddurch die neue Vorschrift nicht zu erwarten.

4. Ausnahmen

§ 486 Abs. 3 FamFG n. F. sieht eine Ausnahme fur durch diebaden-wurttembergischen Ratsschreiber, hessischen Ortsge-richtsvorsteher oder rheinland-pfalzischen Ortsburgermeister,Gemeinde- und Stadtverwaltungen vorgenommenen Unter-schriftsbeglaubigungen vor. Diese nach Landesrecht zust�ndi-gen Stellen (vgl. § 68 BeurkG n. F.) brauchen wegen derregelm�ßig nicht vorhandenen juristischen Kenntnisse dieVorschrift des § 378 Abs. 3 FamFG nicht zu beachten.39

Anders als zunachst im Gesetzgebungsverfahren vorgesehen40

gilt der Vorbehalt nicht nur landerbezogen, sondern setzt an derUnterschriftsbeglaubigung als solcher an.41 Eine Vorprufungs-

pflicht besteht daher auch dann nicht, wenn die von einer dervorgenannten, nach Landesrecht zustandigen Stelle beglaubigteErklarung bei einem Gericht in einem anderen Bundesland zurEintragung in das Register eingereicht wird.42

II. Registerverkn�pfung (BRIS) innerhalb der EUund des EWR

Nach dem am 31.12.2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Umset-zung der Richtlinie in Bezug auf die Verknupfung von Zentral-,Handels- und Gesellschaftsregistern in der EU43 wurde unteranderem ein neuer § 9b in das HGB eingefugt, um die Inter-operabilitat des Handelsregisters und des Unternehmensregistersmit einer noch zu schaffenden zentralen Europaischen Plattformnach der Verknupfungsrichtlinie zu gewahrleisten. Hierzu uber-mitteln unter anderem die Landesjustizverwaltungen die Datendes Handelsregisters an die zentrale Europaische Registerplatt-form, soweit die Ubermittlung fur die Eroffnung eines Zugangszu den Originaldaten uber den Suchdienst auf der Internetseitedes Europaischen Justizportals erforderlich ist. Der Beginn derDatenubermittlung soll noch in der Handelsregisterverordnungfestgelegt werden.

Wie bereits im letzten Jahresruckblick berichtet, wurde inzwi-schen durch eine europaische Durchfuhrungsverordnung zurFestlegung technischer Spezifikationen und Verfahren fur dasSystem der Registervernetzung44 geregelt, dass fur die Verknup-fung der Register das Business Register Interconnection System„BRIS“ geschaffen wird. Es ist am 1.8.2017 im europ�ischenJustizportal aktiviert worden, d. h. online verf�gbar.45 Ubereine Online-Plattform kann man nach Informationen aus na-tionalen Unternehmensregistern suchen und auf die entspre-chenden Daten zugreifen. Verknupft sind derzeit die Registervon 20 EU-Mitgliedslandern (Belgien, Danemark, Deutschland,Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland,Litauen, Malta, die Niederlande, Polen, Schweden, die Slowa-kei, Slowenien, Spanien, Ungarn, das Vereinigte Konigreichund Zypern) und Norwegen als Mitglied des EuropaischenWirtschaftsraums. Die weiteren Mitgliedstaaten sowie Islandund Liechtenstein werden zu einem spateren Zeitpunkt in dieRegisterverknupfung einbezogen.

Entsprechend den Vorgaben der Durchfuhrungsverordnungkonnen bei der Suche nach Gesellschaften nicht nur ein, son-dern auch mehrere oder alle Mitgliedstaaten ausgewahlt werden.Als harmonisierte Suchkriterien werden auf der Online-Plattform nur die Firma der Gesellschaft und die Register-nummer im inl�ndischen Handelsregister angeboten. Diegeplante Implementierung weiterer Suchkriterien ist bisher nichterfolgt.

Testweise habe ich den aktuellen Registerauszug der den Gegen-stand eines aktuellen Vorabentscheidungsverfahrens vor demEuGH46 bildenden „POLBUD – WYKONAWSTWO“ sp. z o.o,einer Gesellschaft mit beschrankter Haftung polnischen Rechts,abgerufen. Dies war kostenfrei moglich und funktionierte pro-blemlos. Weniger erfolgreich verlief der Versuch, andere Doku-mente wie den Gesellschaftsvertrag der Polbud sp. z o.o oder den

36 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks 18/10607, S. 101, 109.37 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks 18/10607, S. 101, 106.38 Damm, notar 2017, 323, 324.39 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks 18/10607, S. 101, 104.40 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks 18/10607, S. 101, 111.41 Damm, notar 2017, 323, 325.

42 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks 18/11636,S. 14.

43 BGBl I 2014, 2409.44 DV (EU) 2015/884 v. 8.6.2015, Abl. L 144 vom 10.6.2015, S. 1–9.45 Die Suchmaske ist uber folgenden Link abrufbar: https://e-justice.eu-

ropa.eu/content_find_a_company-489-de.do?init=true.46 EuGH, Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16; Heckschen/Strnad, notar 2017,

390, 391.

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Handelsregisterauszug einer deutschen Gesellschaft abzurufen.In diesen Fallen erscheint nur der kurze Hinweis, dass der Kaufvon Registerdokumenten �ber das europ�ische Justizportalnicht unterst�tzt wird.

Das bedeutet, dass kostenpflichtige Abrufe von Registerauszugenund Dokumenten auf dem E-Justiz-Portal der Kommission nichtmoglich sind. Dies uberrascht, schreibt doch die europaischeDurchfuhrungsverordnung im Detail vor, dass Registerauszugeund andere im nationalen Register hinterlegte Dokumente on-line per Kreditkarte, Bankuberweisung und PayPal & Co. bezahltwerden konnen. Hier stellt sich die EU-Kommission selbst einArmutszeugnis aus, bleibt doch die Realitat weit hinter selbstgesteckten Zielen zuruck. Solange sich an diesem Zustandnichts �ndert, wird dem europ�ischen Registerportal prak-tisch keinerlei Bedeutung zukommen.

III. Referentenentwurf f�r eine Verordnung �ber dieAusgestaltung der Gesellschafterliste

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwascherichtlinie,zur Ausfuhrung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisa-tion der Zentralstelle fur Finanztransaktionsuntersuchungen47 wurdedas bisherige Geldwaschegesetz (GwG) vollstandig durch eineNeuregelung ersetzt. Dabei sieht § 18 GwG nun die Errichtungeines Transparenzregisters vor, durch das Angaben zu wirtschaft-lich Berechtigten (§ 19 GwG) von Vereinigungen und sonstigenRechtsgestaltungen (§§ 20 und 21 GwG) nach der Maßgabe des§ 23 GwG zuganglich gemacht werden sollen. Dieses Registervermittelt unter anderem den Zugang zu Daten betreffend denwirtschaftlich Berechtigten, die bereits in anderen Registern vor-handen sind. Um diese Daten, soweit sie die GmbH betreffen, furden Nutzer noch besser aufzubereiten und es ihm damit zuerleichtern, „gewichtige“ Beteiligungen zu ermitteln, wurdenauch die inhaltlichen Vorgaben f�r die Erstellung vonGmbH-Gesellschafterlisten erweitert.48 Zugleich sieht § 40Abs. 4 GmbHG nunmehr eine Ermachtigung des Bundesjustiz-ministeriums zum Erlass einer Rechtsverordnung uber die na-here Ausgestaltung der Gesellschafterliste vor. Bei Redaktions-schluss lag ein Referentenentwurf fur diese Verordnung vom8.9.2017 vor.49

Die Verordnung verfolgt das Ziel, die GmbH-Gesellschafter-listen in inhaltlicher und struktureller Hinsicht zu vereinheitli-chen. Zwar hat sich in vielen Fragen zu Struktur und Aufbau derListe inzwischen eine gefestigte Praxis herauskristallisiert. Den-noch sind viele Fragen weiterhin streitig. Das OLG Munchen50

hatte sich z. B. schon mit der Frage zu beschaftigen, ob sich auseiner systematisch-teleologischen Auslegung der Schluss ergebe,dass es der Angabe des Prozentsatzes pro Anteil nicht bedurfe,sofern das Stammkapital der Gesellschaft in Geschaftsanteile zuje 1,00 E eingeteilt sei. Es trifft zwar zu, dass ein solcher Prozent-satz keinen nennenswerten Erkenntniswert fur das Transparenz-register bringen kann, dennoch entschied das OLG Munchen zuRecht unter Berufung auf den Gesetzeswortlaut und die -begrun-dung gegen die Auffassung des Notars, dass es in diesen Falleneiner Prozentangabe nicht bedurfe. Weiter klarungsbedurftig istdie Frage der Gliederungskontinuit�t, d. h., wie im Detail dielaufenden Nummern den einzelnen Gesellschaftsanteilen zuge-ordnet werden durfen. Dies wird vor allem bei Teilungen vonAnteilen, ihrer Ubertragung oder nach Kapitalmaßnahmen der-zeit ganz verschieden gehandhabt. Streitig sind aber auch dieFragen, in welcher Weise die Prozentangaben in der Listegerundet werden konnen und welche Moglichkeiten es gibt,mit einer sogenannten Ver�nderungsspalte zu arbeiten. Indiesem Bereich hat sich teilweise eine heterogene Praxis etabliert.Diese Uneinheitlichkeit widerspricht aber den Zielen der ein-fachen Identifikation der Gesellschafter und der Sicherstellungtransparenter Gesellschafterverhaltnisse und droht damit dieGeldwaschebekampfung zu erschweren.

Der notar wird uber den Fortgang des Verfahrens berichten.

Dr. Thomas Kilianist Notar in Aichach, Lehrbeauftragter derLudwig-Maximilians-Universitat Munchenund Fachredakteur fur das Registerrecht.E-Mail: [email protected]

47 BGBl I 2017, 1822.48 Ausfuhrlich dazu Wegener, notar 2017, 299.49 Abrufbar unter http://www.gmbhr.de/49801.htm, siehe die Stellung-

nahme des Deutschen Notarvereins, abrufbar unter: http://www.dnotv.de/stellungnahmen/verordnung-ueber-die-ausgestaltung-der-gesellschaf-terliste/. 50 Beschl. v. 12.11.2017 – 31 Wx 299/17, juris.

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rechtsprechung

BGH

Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages

Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sitten-widrigkeit eines Ehevertrags aufgrund einer Gesamtschau derzu den Scheidungsfolgen getroffenen Regelungen im Fall dersog. Unternehmerehe (im Anschluss an Senatsbeschluss vom29. 1. 2014 – XII ZB 303/13 – FamRZ 2014, 629 und Senatsurteilvom 31.10 2012 – XII ZR 129/10 – FamRZ 2013, 195). (…)(amtlicher Leitsatz)

BGH, Beschl. v. 15.3.2017 – XII ZB 109/16BGB §§ 138 Abs. 1, 1408; FamFG § 117 Abs. 1 S. 1

Entscheidung:Im Marz 1993 gingen die Beteiligten die Ehe ein. Am 3.12.1995wurde die gemeinsame Tochter geboren. Der Ehemann war imUnternehmen seiner Mutter angestellt, die Ehefrau, die bis zurEheschließung in ihrem erlernten Beruf als Burokauffrau gear-beitet hatte, wechselte mit Heirat in das Unternehmen derMutter des Ehemannes.

In diesem Unternehmen erfolgte eine Umstrukturierung, eswurde von einem Einzelunternehmen in eine GmbH & Co. KGumgewandelt. 12 % der Geschaftsanteile der KG sollten auf denEhemann ubertragen werden. Nach Angaben des Ehemannesmachte seine Mutter die Ubertragung der Geschaftsanteile vomAbschluss eines Ehevertrags abhangig.

Am 28.12.1995 schlossen die Eheleute einen notariellen „Ehever-trag und Erbverzicht“, in dem sie den Zugewinnausgleich und denVersorgungsausgleich ausschlossen. Weiter verzichteten die Ehe-leute wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt, ausgenom-men den sog. Betreuungsunterhalt, der langstens bis zur Voll-jahrigkeit des jungsten Kindes befristet und auf monatlich3.000,00 DM gedeckelt wurde, u. a. mit den Worten:

Ausgenommen hiervon ist der Fall, dass ein Ehegatte nach dengesetzlichen Vorschriften … Unterhalt wegen der Betreuung einesKindes verlangen konnte. Mit dem Abschluss der Kinderbetreuungtritt der Verzicht wieder in Kraft. Im Anschluss an die Kindesbe-treuung kann der Unterhalt aus anderen gesetzlichen Grundennicht verlangt werden.

Weiter wurde ein Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbart.

Die Ehefrau arbeitete im Unternehmen zunachst bis 1995 sowievon 1998 bis 2008 uberwiegend in Teilzeit als Sekretarin. Nachder Geburt des Kindes und im Zeitpunkt des Vertragsabschlusseswar sie nicht berufstatig.

2008 ubertrug die Mutter des Ehemannes ihrem Sohn weitere33 % der Geschaftsanteile sowie 45 % seiner Schwester.

Erstmals 1997 wurde bei der Ehefrau Multiple Sklerose diagnos-tiziert. Infolgedessen wurde sie 100 % schwerbehindert undletztlich in Pflegestufe II eingestuft. Sie bezieht seit 2008 eineErwerbsminderungsrente von 777,00 E.

2011 trennten sich die Eheleute, der Scheidungsantrag erfolgte2012.

Die Ehefrau begehrte unter Berufung auf die Unwirksamkeit desEhevertrages Ehegattenunterhalt wegen Krankheit sowie Durch-fuhrung des Versorgungsausgleichs.

Das AG lehnte beides ab.

Das OLG fuhrte auf die Beschwerde der Ehefrau hin den Ver-sorgungsausgleich durch und verpflichtete den Ehemann zugestuften Unterhaltszahlungen. Aus der Begrundung des OLGzitiert der BGH wie folgt:

Neben der fur sich genommen nicht ausreichenden objektivenBenachteiligung liege im Sinne der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs auch eine subjektive Imparitat infolge der Ausnut-zung der sozialen und wirtschaftlichen Abhangigkeit der Ehefrauvor. Diese sei in die Verhandlungen, die dem Abschluss derVertrage vorausgingen, nicht mit eingebunden gewesen. Diesehatten der Ehemann und seine Verwandten unter sich gefuhrt,ohne die Ehefrau hierin einzubeziehen. Sie habe keinen Einflussauf die Vertragsgestaltung gehabt und ihr sei vor dem Abschlussdes Ehevertrages kein Vertragsentwurf zur Durchsicht und Pru-fung zugeleitet worden. Zum Notartermin sei sie mitgenommenworden mit der Begrundung, sie musse mit. Im Termin sei derVertrag vorgelesen worden. Sie habe diesen unterschrieben, ohne

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den Vertrag zum Durchlesen in der Hand gehabt zu haben. DieEhefrau sei gegenuber dem Ehemann in einer unterlegenen Ver-handlungsposition gewesen, sie sei in einer lediglich passivenRolle gewesen. Diese Konstellation habe letztlich auf der wirt-schaftlichen und sozialen Uberlegenheit des Ehemanns beruht,die dieser bei Vertragsschluss ausgenutzt habe. Beim Notarterminsei das noch nicht einen Monat alte Kind dabei gewesen. DieEhefrau habe befurchtet, dass das Kind schreien wurde, und habeden Beurkundungstermin moglichst schnell hinter sich bringenwollen.

Vom BGH verlangt der Ehemann die Wiederherstellung desamtsgerichtlichen Beschlusses. Der BGH aber bestatigt dieEntscheidung des OLG und erachtet den Ehevertrag fur un-wirksam.

Anmerkung:Wieder einmal ein Ehevertrag, der mit seiner Gesamtwirkunguber das eigentlich notwendige Ziel hinausschießt, deshalbunwirksam ist und am Ende dem Verzichtsempfanger nichtsmehr von dem bietet, was er sich erhofft hat. Das Urteil hat inmehrfacher Hinsicht erzieherische Wirkung. Und es beunru-higt etwas!

Zunachst vermittelt es uns Vertragsgestaltern eine gewisse Ent-spannung, wenn der BGH ausdrucklich feststellt:

Der Ausschluss der einzelnen Scheidungsfolgen vermag (…) jeweilsfur sich genommen (…) den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zubegrunden.

Im konkreten Fall ging die Problematik weniger vom Versor-gungsausgleich aus, da die Ehefrau im Zeitpunkt des Vertrags-schlusses uber hohere Versorgungsanwartschaften in der gesetz-lichen Rentenversicherung verfugte als der Ehemann.

In der Einzelbetrachtung bestatigt der BGH auch den Unter-haltsverzicht (Rn 30 ff. der Entscheidung), weil er weder dieKindesinteressen beeintrachtige noch bei Vertragsschluss ab-sehbar war, wann und warum ein Ehegatte wegen Alters oderKrankheit unterhaltsbedurftig werden konnte. Die Erkrankungwurde erst 1997 festgestellt, der Ehevertrag datiert vom28.12.1995. Insoweit ist also noch einmal bestatigt, dass es aufden Zeitpunkt der Vereinbarung ankommt und das Risiko einerVerschlechterung der wirtschaftlichen Situation etwa durchErkrankung vom Verzichtenden selbst getragen werden kann.Damit lasst sich feststellen: Der maßgeschneiderte, jedenfallsder nicht uber das Ziel hinausschießende, Unterhaltsverzichtauch des kinderbetreuenden Ehegatten ist gerichtsfest moglich.Stellt sich spater heraus, dass die wirtschaftlichen Verhaltnissedes Verzichtenden sich unverschuldet verschlechtern, machtdies den Verzicht fur sich gesehen nicht unwirksam und dieBerufung auf diesen Verzicht nicht unrechtmaßig. Es gibt kei-nen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen, wieder BGH erneut ausdrucklich bestatigt. Allerdings kann dieGesamtschau dieses Einzelergebnis noch „uberholen“ und denVertrag insgesamt zu Fall bringen.

Isoliert betrachtet erachtet der BGH auch den Verzicht auf denZugewinnausgleich fur wirksam. Fur mich etwas uberraschendwird mit keinem Wort erwahnt, dass der Verzicht, was diesittliche Berechtigung dieses Interesses angeht, eigentlich etwasuber das Ziel hinausschießt, denn zur Berucksichtigung derInteressen des Ehemannes auf Sicherung seiner Unterneh-mensbeteiligung hatte auch der partielle Verzicht auf Ausgleich

fur die Unternehmensbeteiligung oder die Vermogensgegen-stande i. S. d. § 1374 BGB ausgereicht. Stattdessen wurde derZugewinn umfassend ausgeschlossen.

Fur mich alarmierend liest man allerdings in Rn 41 den Satz:

Im Unterschied zu einem vor Eheschließung abgeschlossenenEhevertrag verzichtete die Ehefrau im vorliegenden Fall auf in derbestehenden Ehe bereits erlangte Rechtspositionen, ohne dass ihrhierfur von Seiten des Ehemanns eine Kompensation geleistetwurde.

Ich will, obwohl dieser Ansatz auch in anderen Entscheidungenanklingt,1 nicht glauben, dass der BGH nach Eheschließungeingegangene Ehevertrage strenger behandeln will, als die vorEhebeginn geschlossenen Vertrage. Der erst nach Eheschließunggeschlossene Verzichtsvertrag spricht doch in der Regel fur diebessere Vertrauensgrundlage der Eheleute. Es kann nicht damitgedroht werden: „Ohne Vertrag keine Ehe!“ Der Verzicht in beste-hender Ehe ist eher freiwillig, als der davor.2 Manch ein Ehever-trag ist wohl auch erst nach Eheschließung geschlossen worden,weil der Berater dies empfohlen hat, um den Vertrag von demMakel einer alternativlosen Paketlosung von Ehe und Verzichtzu befreien. Oder soll etwa, so lasst der BGH vermuten, dieEheschließung bereits einen Anspruch auf Teilhabe am Zuge-winn des Ehegatten vermitteln, der kompensationslos nichtverzichtbar ist?3 Muss man nun in der Praxis gleich den Ehegat-ten kritisch beaugen, der in bestehender Ehe auf Zugewinnaus-gleich ohne Gegenleistung verzichtet? Wo bleibt da die Privat-autonomie? In der Praxis zeigt sich, dass gerade in derUnternehmerehe der Nicht-Unternehmer oft den Wunsch desUnternehmers nach Freistellung seines Unternehmens vom Zu-gewinnausgleich respektiert, ob der Vertrag nun vor oder in derEhe geschlossen wird. Dasselbe gilt fur Freiberufler. Es geht ebenbei der Freistellung des Unternehmens vom Zugewinn nichtunbedingt um personliche Bereicherung oder einseitige Benach-teiligung, sondern um Unternehmenskontinuitat, Schutz vonArbeitsplatzen und Liquiditat etc. Oft ist es auch der Respekt vorder Tradition des (Familien-)Unternehmens, fur das sich unterUmstanden bereits Generationen zuvor opferbereit eingesetzthaben; zuweilen ist es gar die Achtung vor der Leistung oder denbesonderen Fahigkeiten des Partners, die den anderen Ehegattenverzichten lasst, ohne dass er uberhaupt auf die Idee kommt,dafur eine Kompensation zu verlangen. Im konkreten Fall ist vorallem irritierend, dass bis zum Ehevertragsabschluss noch keineUnternehmensteile ubertragen waren, sich die Frage der Kom-pensation demnach nur auf den Zeitraum von der Eheschlie-ßung im Marz 1993 bis zum Vertragsabschluss Ende 1995 undeigentlich nur auf den unternehmensfremden Vermogensbe-reich der Ehegatten beziehen konnte. Oder will der BGH nochweiter gehen und auch den nach Vertragsschluss eintretendenzukunftigen Zugewinn einem Teilhabeanspruch unterstellenoder wenigstens fur kompensationspflichtig erachten? Hatte dieMutter ihrem Sohn das Unternehmen nicht ubertragen, warendie ehelichen Lebensverhaltnisse sicher nicht verbessert worden.Die Ubertragung selbst hatte man unter Umstanden auch sokonzipieren konnen, dass die Mutter sich ein Ruckubertragungs-recht fur den Fall der Scheidung der Ehe ihres Sohnes hatte

1 BGH, 29.1.2014 – XII ZB 303/13 Rn 32 = DNotZ 2014, 361, 366.2 Vgl. Bergschneider, Vertrage in Familiensachen, Rn 145; von Munch,

Ehebezogene Rechtsgeschafte, 4. Aufl. 2015, Rn 892.3 Befurwortend scheinbar Born, NJW 2017, 1883, 1887; zur Diskussion

um Teilhabegerechtigkeit in der Ehe Munch, Ehebezogene Rechts-geschafte, Rn 960 ff. m. w. N.

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vorbehalten konnen. Vertragsfreiheit muss doch auch heißen,dass man fur sich nachteilige Regelungen treffen kann.4

Aber zur Beruhigung und bevor man die Felle der Privatautono-mie in bestehender Ehe dahinschwimmen sieht, muss man sichin Erinnerung rufen, dass der BGH in isolierter Betrachtung denVerzicht auf den Ausgleich des Zugewinns nicht als sittenwidrigangesehen hat. Die meines Erachtens kritisch zu sehende Be-grundung in Rn 41 fallt erst im Rahmen der Gesamtwurdigungund Feststellung der einseitigen Benachteiligung der Ehefrau:Der Ehevertrag verlangte dem Ehemann nichts ab. Der befristetund in der Hohe gedeckelt vereinbarte Ehegattenunterhalt bleibthinter dem zuruck, was das Gesetz der Ehefrau bieten wurde.Insoweit ist es, wenn man alle Verzichte und deren Wirkungenzusammennimmt, ein einseitig sich zu Lasten der Ehefrau aus-wirkender Ehevertrag. Aber selbst die in der Gesamtschau fest-zustellende einseitige Benachteiligung des die Kinderbetreuungund Haushaltsfuhrung ubernehmenden Ehegatten macht lautBGH allein den Vertrag nicht sittenwidrig; es muss die subjektiveKomponente der Imparitat hinzutreten.

Es bleibt also festzuhalten: Hier war nicht der Inhalt des Ehever-trages als solcher sittenwidrig. Nicht das allgemeine Lebensrisiko,das sich durch einen Verzicht im Nachhinein schicksalhaft ein-seitig nachteilig auswirkt, noch nicht einmal die im Zusammen-wirken der Verzichte einseitige Lastenverteilung auf die Schul-tern des kindes- und haushaltsbetreuenden Ehegatten machendiesen Vertrag unwirksam. Erst der Weg zum Ehevertrag, die Artund Weise wie er zustande kam, macht ihn sittenwidrig! Erst diemit Unausgewogenheit gepaarte Imparitat versetzt dem Vertragden Todesstoß.5

Der zur Begrundung der Imparitat geschilderte Sachverhalt haltuns die Lebens- und unsere Beratungswirklichkeit vor Augen:

Wer von uns erlebt es nicht, dass Beteiligte die Entwurfe nichtlesen, die man ihnen zugeschickt hat, dass Besprechungster-mine nicht von beiden Seiten oder nur zogerlich und mitUnverstandnis wahrgenommen werden? Wer kennt sie nicht,die von Interessenvertretern einer Seite6 vorentworfenen Ver-trage, fur die der notarielle Segen erwartet wird, und zwar kurz-fristig? Fordert man eine Seite auf, sich anwaltliche und damitnur ihrer Interessenwahrnehmung verpflichtete Rechtsbera-tung einzuholen, fangt man sich eine Ablehnung meist mitdem Hinweis auf die Kosten ein. Wer kennt nicht den BlickBeteiligter, die wie Lammer vor der Schlachtbank auf Nachfragehochstens zu sagen wissen: „… hab’ ich nicht daruber nach-gedacht …“, „... wenn mein Partner das so will …“, „ich dachte, dassei Standard, meine Unterschrift nur Formsache!“, „Meine Schwieger-eltern wollen das so …“, „Ich versteh das alles nicht …“! Wennunsere Rechtsordnung dieses Verhalten schutzt, kommt dannder Ignorante in dieser nicht besser weg als der Engagierte? Undwer von uns machte sich nicht zum Kinderfeind, wenn erdarauf hinweist, dass die Komplexitat der Beurkundungsver-handlung die Anwesenheit von Kleinkindern eigentlich nichtzulasst?

Man muss sich an dieser Stelle an die gesetzlichen Aufgaben desNotars und den Sinn der Beurkundungspflicht erinnern. Ziel derunparteilichen Vertragsgestaltung kann es nicht sein, die Gren-zen des Verzichtbaren auszuloten, fur den wirtschaftlich Starke-

ren die Belastbarkeit des Schwacheren bis zur gerade noch zu-lassigen Grenze auszutarieren und dann auf die Gegenwehr desSchwachen zu warten.

Wo Unausgewogenheit besteht, ist es gesetzliche Aufgabe desNotars, die Vertragsparteien miteinander auf Augenhohe zubringen. Privatautonomie ist nur zwischen den Rechtssubjektengerechtfertigt, die ihre Interessen auch wahrnehmen. Der Fallmacht deutlich, dass es nicht ausreicht, dem Benachteiligten dieChance zu geben, seine Rechte wahrnehmen zu konnen; ermuss sie auch tatsachlich wahrnehmen! Dem Notar darf es nichtgenugen, dass ein Beteiligter sie aus Ignoranz, Nachlassigkeit,intellektueller Uberforderung oder warum auch immer nichtwahrnimmt. Hier kann der Schutz des notariellen Beurkun-dungsverfahrens seine Uberlegenheit gegenuber der angeblichverbraucherschutzenden Rechtstechnik befristeter Widerrufs-rechte unter Beweis stellen. Der Unterlegene, der Benachteiligteund Unbedarfte ist der besondere Schutzbefohlene des Notars!Der Notar ist damit nicht parteiisch (zugunsten des Schwachen),sondern Garant der Paritat, des Verbraucherschutzes und recht-fertigt damit letztlich Privatautonomie.

PRAXISTIPP„Weniger ist mehr!“:Fur jeden Ehevertrag gilt: „Weniger ist mehr!“ SogenannteTotalverzichte stehen bereits unter dem Anfangsverdacht,uber das Ziel hinauszuschießen. Dieser Uberschuss bringteinen Gesamtvertrag zu Fall, den man in Teilen rechtswirksamhatte vereinbaren konnen. Deshalb sollten sich die Beteiligtenmoglichst auf das wesentliche Vertragsziel konzentrieren. Mitjedem weiter hinzutretenden Verzichtselement ist zu uberpru-fen, inwieweit es den Verzichtenden „uberlastet“ und damitden Vertrag in die Gefahr der Gesamtunwirksamkeit bringt.Insbesondere ehebedingte Versorgungsnachteile des kindes-und haushaltsbetreuenden Ehegatten sollten vermieden undihm die Opferrolle mit entsprechenden Kompensationsleis-tungen erspart werden.

Besonders bei erheblichen Einkommens- und Vermogensunter-schieden sollte bei der Ehevertragsanbahnung sorgfaltig daraufgeachtet werden, dass der Schwachere nicht aus unterlegenerVerhandlungsposition heraus verzichtet. In Vorbereitung desEhevertrages und in der Beurkundungsverhandlung sollte nichtnur jedes mogliche Defizit in Gestaltung, Belehrung und kon-kreter Beurkundungssituation vermieden, das Beurkundungs-verfahren sollte zum Ausgleich der Schwache optimiert werden.Jede Ablenkung, und sei es die eines anwesenden Kindes, sollteunterbleiben, damit nicht unnotig Angriffspunkte geschaffenwerden.

Wird der Ehevertrag in bestehender Ehe geschlossen, sollteman prufen, ob es notig ist, dass kompensationslos verzichtetwird. Weil der BGH scheinbar den in bestehender Ehe geschlos-senen Verzichtsvertrag kritischer sieht, muss wohl doch der Raterteilt werden, den Vertrag vorsorglich vor Ehebeginn zu schlie-ßen. Und zwar rechtzeitig vor Ehebeginn, nicht kurz davor!

Das Ehevertragsthema ist eines der sensibelsten der notariellenBerufsausubung. In ihm haben sich die notariellen Berufspflich-ten zu beweisen. Wir sollten mit der fast uberobligatorischenAufgabe7 nicht hadern, sondern sie als Daseinsrechtfertigungunseres Amtes begreifen. Im Familienrecht haben wir mehr undmehr die Aufgabe, Verpflichteter ausgewogener Verhaltnisse zusein. Der Notar ist hier Rechts-Coach des Schwachen und Unbe-darften, Personaltrainer fur Privatautonomie.

4 Vgl. Munch, Ehebezogene Rechtsgeschafte, 4. Aufl. 2015, Rn 914m. w. N.

5 Zur sog. subjektiven Imparitat Munch, NZFam 2015, 243, 244 f.6 In die Richtung ruckt den sog. Hausnotar Graba, NZFam 2017, 413,

414.

7 Der Notar hat sicher die richterliche Inhaltskontrolle vorwegzuneh-men, aber solange die Meinungen der „Kontrolleure“ schwer voraus-sehbar sind und dem Vertragsschluss meist noch ein gutes StuckLeben nachfolgt, ist das wahrlich ein Drahtseilakt.

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Aber wie holt man den Passiven aus seiner Rolle heraus? Washatte man im konkreten Fall tun konnen? Man hatte das Kindaus der Verhandlung heraushalten konnen, man hatte der Ehe-frau mehr Moglichkeiten geben mussen, sich mit dem Urkunds-text und seiner Anbahnung auseinanderzusetzen. Man hatte ihrempfehlen konnen, sich anwaltlich beraten zu lassen. Hatte siedann den Vertrag nicht geschlossen? Der vernunftigste Rat waregewesen, den Unterhaltsverzicht auszulassen und die Versor-gungsnachteile der Ehefrau, die sie durch Haushaltsfuhrung undKinderbetreuung gegenuber eigener Berufstatigkeit hat, durchKompensation auszuschließen.

Dann ware weniger mehr gewesen, fur beide Seiten.

Michael Uerlings, Bonn

OLG Hamm

Makler als Auftraggeber des Notars II

Zur Frage, ob ein Kaufinteressent einen von ihm eingeschalte-ten Makler dazu bevollm�chtigt hat, einem Notar einen kosten-pflichtigen Auftrag f�r einen notariellen Vertragsentwurf zuerteilen. F�r einen nicht mit Grundst�cks- und Notargesch�ftenvertrauten Kaufinteressenten ist es nicht ohne weiteres offen-kundig, dass ein vom Makler angeforderter Kaufvertragsent-wurf f�r ihn auch dann kostenpflichtig ist, wenn der Kaufver-trag sp�ter nicht abgeschlossen wird. Es kann dem Maklerobliegen, hier f�r die nçtige Klarheit beim Kaufinteressentenzu sorgen, und dem Notar, einen mit ihm zusammen arbeiten-den Makler �ber diese Zusammenh�nge zu unterrichten. (amt-licher Leitsatz)

OLG Hamm, Beschl. v. 29.6.2016 – 15 W 367/15GNotKG § 29 Nr. 1; BGB §§ 133, 157, 164, 167

Entscheidung:Der Beschluss des OLG Hamm hat die Frage zum Gegenstand,wer Schuldner der Notarkosten ist, wenn ein Makler beim Notardie Anfertigung eines Vertragsentwurfs in Auftrag gibt. Zugrundelag folgender Sachverhalt: Ein Makler bot einem Interessenteneine Immobilie zum Kauf an. Der Makler bat den Notar telefo-nisch um Erstellung eines Vertragsentwurfs. Unklar ist, ob zwi-schen dem Kaufinteressenten und dem Eigentumer des Objektseine Einigung uber den abzuschließenden Kaufvertrag zustandegekommen war. Der Kaufinteressent war damit einverstanden,dass der Makler einen Notar mit der Anfertigung eines Vertrags-entwurfs beauftragte, hatte ihm jedoch keinen mit einer all-gemeinen Handlungsvollmacht gegenuber dem Notar ver-bundenen Makleralleinauftrag erteilt. Nach dem Erhalt desVertragsentwurfs außerte der Kaufinteressent gegenuber demMakler Anderungswunsche, die dieser dem Notar ubermittelte.Zu einer Beurkundung des entworfenen Vertrags kam es nicht.Der Notar verlangte von dem Kaufinteressenten die Bezahlungder fur die Entwurfserstellung angefallenen Gebuhren. Hierzufuhrte er aus, der Kaufinteressent habe den Entwurf uber denMakler bei ihm angefordert. Eine entsprechende Vollmacht anden Makler habe der Kaufinteressent zumindest konkludenterteilt.

Anmerkung:Nach der Entscheidung des OLG Hamm haftet der Kaufinteres-sent fur diese Kosten nicht, wenn er den Makler nicht zurAuftragserteilung bevollmachtigt hat und die Auftragserteilungin seinem Namen auch nicht nachtraglich genehmigt. Das bloße

Einverstandnis eines Beteiligten damit, dass der Makler den vonihm vorgeschlagenen Notar mit der Anfertigung eines Entwurfsbeauftragt, konne keine konkludente Vollmacht begrunden. Einnicht mit Grundstucks- und Notargeschaften vertrauter Kauf-interessent musse nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass einvom Makler angeforderter Kaufvertrag fur ihn kostenpflichtig ist.Vielmehr konne er regelmaßig davon ausgehen, dass fur ihn dieTatigkeit des Maklers kostenfrei bleibt, solange es nicht zumVertragsschluss kommt. In der Mitteilung von Anderungswun-schen gegenuber dem Makler konne keine nachtragliche Geneh-migung des Entwurfsauftrags liegen, weil dem Kaufinteressentenauch hierbei in der Regel das Bewusstsein fehle, damit eineKostenhaftung gegenuber dem Notar einzugehen. Dem ist imErgebnis nicht zuzustimmen.

Kommt es nicht zum Abschluss eines Kaufvertrags, kommt eshaufig daruber zum Streit, wer die Kosten fur die vom Maklerbeantragte Entwurfserstellung zu tragen hat.

Der Makler selbst wird nur in den seltensten Fallen Kosten-schuldner sein. Regelmaßig beauftragt er zwar den Notar mit derEntwurfserstellung, tut dies jedoch meistens nicht im eigenenNamen. Auch wenn sich aus der Bitte um einen Entwurf die Per-son des Auftraggebers nicht ausdrucklich ergibt, muss der No-tar im Regelfall davon ausgehen, dass ein Makler die Entwurfs-erstellung nicht im eigenen Namen veranlassen mochte. Daseine Aufgabe lediglich in der Vermittlung des Vertrags besteht,will er nicht fur die Notarkosten haften, was fur den Notar auchersichtlich sein wird.1 Der Makler handelt aus Empfangersicht imZweifel nur im Namen seiner Auftraggeber.2 Allein sein wirt-schaftliches Interesse am Zustandekommen des beabsichtigtenVertrags kann keine Auftragserteilung im eigenen Namen mitder Folge der Kostenschuld nach § 29 Nr. 1 GNotKG begrunden.3

Erteilt der Makler also den Entwurfsauftrag im Namen einesBeteiligten (Kaufer oder Verkaufer), kommt es darauf an, ob erhierzu von dem Beteiligten bevollmachtigt wurde. Der Auftragim Sinne des § 4 GNotKG begrundet zwar ein offentlich-recht-liches Verhaltnis zwischen Auftraggeber und Notar, jedoch gel-ten fur die Beauftragung die Vorschriften des BGB uber die Stell-vertretung entsprechend.4 Der Beteiligte ist Kostenschuldnergemaß § 29 Nr. 1 GNotKG, wenn ihm der Auftrag des Maklerszuzurechnen ist. Teilweise enthalten die von den Maklern ver-wendeten Auftragsformulare oder Reservierungsvereinbarungenausdrucklich die Vollmacht zur Erteilung von Beurkundungsauf-tragen an Notare. Unterzeichnet ein Beteiligter ein solches For-mular, ist die Vertretungsmacht des Maklers eindeutig gegeben.Die entsprechende Vollmacht kann jedoch auch mundlich oderkonkludent erteilt werden. Der bloße Auftrag an den Makler zurVermittlung eines Kaufvertrags allein reicht hierfur jedoch nichtaus. Zutreffend hat das OLG Hamm festgestellt, dass ein mitGrundstucks- und Notargeschaften nicht vertrauter Beteiligterdie Anforderung eines Vertragsentwurfs als fur ihn kostenneu-trale Leistung des Maklers ansehen konne. Er darf grundsatzlichdarauf vertrauen, dass die Beauftragung des Maklers fur ihnkostenfrei bleibt, solange es nicht zum Abschluss des Vertragskommt. Aus diesem Grund ist nach dem maßgeblichen objekti-ven Empfangerhorizont auch das bloße Einverstandnis des Be-teiligten mit der Beauftragung des Notars durch den Makler

1 OLG Frankfurt RNotZ 2013, 563.2 OLG Munchen MittBayNot 2015, 72.3 OLG Dresden BeckRS 2003, 17815; LG Freiburg NJOZ 2016, 988, 989.4 Bormann/Diehn/Sommerfeld/Neie, Gesetz uber die Kosten der freiwil-

ligen Gerichtsbarkeit, § 29 Rn 9.

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nicht als Bevollmachtigung mit der Folge der Kostenhaftung zuverstehen.

Erteilt der Makler den Beurkundungsauftrag im Namen derBeteiligten, ohne von ihnen hierzu bevollmachtigt zu sein,haften diese fur Notargebuhren nur, wenn sie den vollmachtloserteilten Auftrag nachtraglich genehmigen. Eine konkludenteGenehmigung des Entwurfsauftrags liegt vor, wenn sich einBeteiligter den Entwurf zu eigen macht, etwa indem er ihn andie andere Vertragspartei weiterleitet oder den Notar um Uber-sendung an die andere Partei bittet.5 Fur die Kosten haftet auchein Beteiligter, der außerhalb des Anwendungsbereichs des § 17Abs. 2a BeurkG einen zunachst vom Makler in Auftrag gegebe-nen Entwurf entgegennimmt und sodann Anderungswunschegegenuber dem Notar erklart, die zu einem weiteren Entwurffuhren.6

Die Außerung von Anderungswunschen gegenuber dem Maklerließ das OLG Hamm jedoch nicht als Genehmigung des Ent-wurfsauftrags bzw. Vollmacht fur den Auftrag zur Erstellungeines neuen Entwurfs ausreichen. Dem ist nicht zuzustimmen.Mit der Außerung von Anderungswunschen gibt der Beteiligtezu verstehen, dass er selbst einen – geanderten – Entwurfwunscht. Dies kann er bei verstandiger Wurdigung nicht mehrals fur ihn kostenfreie Leistung des Maklers ansehen. Vielmehrveranlasst er selbst eine konkrete notarielle Leistung. Es erscheintnicht sinnvoll, kostenrechtlich danach zu unterscheiden, ob derBeteiligte unmittelbar beim Notar einen geanderten Entwurf inAuftrag gibt oder seinen Wunsch den Makler ubermitteln lasst.Die Außerung konkreter Anderungswunsche gegenuber demMakler ist als Vollmacht auszulegen, beim Notar eine Anderungdes Entwurfs zu veranlassen.

PRAXISTIPPAuftragskl�rung:Erbittet ein Makler die Erstellung eines Kaufvertragsentwurfs,sollte der Notar klaren, wer Auftraggeber im Sinne des § 29Nr. 1 GNotKG ist. Lasst die Anfrage des Maklers den Auftrag-geber nicht erkennen, kann es empfehlenswert sein, die Betei-ligten selbst um Erteilung des Auftrags zu bitten. Zudem kannein Hinweis an den Makler angezeigt sein, dass er sich vonseinem Vertragspartner ausdrucklich zur Beauftragung einesNotars mit der Fertigung eines Vertragsentwurfs bevollmachti-gen lassen sollte.

Dr. Jens Neie, Wurzburg

5 Vgl. LG Aachen BWNotZ 2011, 84 m. Anm. B. Schmitz.6 OLG Munchen MittBayNot 2015, 72.

OLG Dusseldorf

Zur Firma der Zweigniederlassung ausl�ndischerUnternehmen im deutschen Handelsregister

1. Der Eintragung der Verlegung der Zweigniederlassung einesniederl�ndischen Unternehmens innerhalb Deutschlands in dasHandelsregister steht nicht entgegen, dass die Zweignieder-lassung identisch mit dem Unternehmen firmiert, das seinenSitz und seine Hauptniederlassung in den Niederlanden hat.

2. Solange f�r die Zweigniederlassung eine eigene Firma nichtgebildet wurde, ist bei der Registereintragung ein Zusatz, der dieEinordnung als Zweigniederlassung ermçglicht, – insoweit sindan ausl�ndische Unternehmen keine strengeren Anforderungen

zu stellen als an inl�ndische – weder wegen einer sonst fehlen-den Kennzeichnungskraft noch aus dem Gesichtspunkt einer zuvermeidenden Irref�hrung des Rechtsverkehrs erforderlich.

(amtliche Leits�tze)

OLG Dusseldorf Beschl. v. 22.2.2017 – 3 Wx 145/16HGB §§ 13d, 18 Abs. 1 und 2, 30 Abs. 3

Entscheidung:Streitgegenstandlich war die Verlegung des Sitzes der deutschenZweigniederlassung einer niederlandischen B.V. aus dem Bezirk desRegistergerichts Frankfurt am Main nach Dusseldorf. Die Zweignie-derlassung und die Hauptniederlassung fuhrten identische Firmen.Das dortige Registergericht erließ eine Zwischenverfugung und teiltedarin mit, dass sich aus der einzutragenden Firmierung zweifelsfreiergeben muss, dass nur eine Zweigniederlassung eingetragen sei.Dies war aus Sicht des Gerichts nicht der Fall, da die bestehendeFirmierung den Eindruck erwecke, im deutschen Handelsregister seieine „B.V.“ eingetragen, was nicht zutreffe; diese sei vielmehr in denNiederlanden eingetragen. Zur Vermeidung von Verwechslungensei es notwendig, der auslandischen Bezeichnung einen Zusatz bei-zufugen, der eine Einordnung als Zweigniederlassung ermogliche.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG pruftin seiner Entscheidung kurz einen Verstoß gegen die §§ 30 Abs. 3(Unterscheidbarkeit von anderen Firmen am Ort) und 18 Abs. 1HGB (ausreichende Kennzeichnungskraft der Firma) und stelltdie Unbedenklichkeit unter beiden Gesichtspunkten fest. So-nach wendet es sich der Prufung der Irrefuhrungsgefahr gemaߧ 18 Abs. 2 HGB zu. Eine solche sieht das Gericht ebenfalls nicht.Zur Begrundung, dass ein Zweigniederlassungszusatz nicht erfor-derlich sei, rekurriert es zum einen auf den Wortlaut des § 13dAbs. 2 HS 2 HGB. Diese Vorschrift bestimmt, dass, falls der Firmader Zweigniederlassung ein Zusatz beigefugt ware, auch diesereinzutragen ware. Ware stets ein Zusatz einzutragen, ergabe diekonditionale Fassung dieser Vorschrift zum anderen keinenSinn. Es erscheint schwerlich ein Fall denkbar, in dem die Uber-nahme der Firma der Gesellschaft mit Hauptniederlassung oderSitz im Ausland in die Handelsregistereintragung der inlandi-schen Zweigniederlassung nicht den Eindruck hervorrufenkonnte, eingetragen sei hier die auslandische Gesellschaft alssolche (und nicht lediglich deren Zweigniederlassung).

Eine weitere Begrundung findet das OLG in der europarechtlichdurch Art. 49 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit. Furinlandische Gesellschaften wird ein solcher Zusatz im Grundsatznamlich nicht gefordert. Nur falls fur die Zweigniederlassungeine andere Firma als fur die Hauptniederlassung gewahlt wurde,muss uber einen solchen Zusatz die Zugehorigkeit der Zweig-niederlassung zu jener Gesellschaft zum Ausdruck gebracht wer-den. Es steht daher ein Verstoß gegen das Diskriminierungsver-bot im Raum. Zudem wird die europarechtlich vorgegebeneNiederlassungsfreiheit maßgeblich auch dadurch verwirklicht,unter derselben Firma im gesamten europaischen Raum tatig zusein. Dies bedeutet, dass ein auslandischer Rechtstrager grund-satzlich seine Firma unverandert und ohne Zusatze auch fur imInland eingerichtete Zweigniederlassungen verwenden darf.

Anmerkung:Die fur Zweigniederlassungen inlandischer Rechtstrager geltendenFirmenbildungsregeln gelten im Grundsatz auch dann, wenn dieHauptniederlassung außerhalb Deutschlands ansassig ist oderwenn es sich um eine Scheinauslandsgesellschaft handelt. Es istjedoch zu beachten, dass sich die Zul�ssigkeit der Firma desausl�ndischen Unternehmens nach dem f�r dieses geltenden

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Personal- oder Gesellschaftsstatut richtet. Zunachst ist also fest-zustellen, dass nur die Firma der Zweigniederlassung den deutschenRechtsvorschriften unterliegt. Bei der Errichtung einer Zweignieder-lassung oder deren Sitzverlegung ist jedoch zu bedenken, dass sichdas Prufungsrecht des Registergerichts auf beide Bereiche erstreckt.1

Zul�ssigkeit der ausl�ndischen Firma: Bei der Errichtung einerZweigniederlassung eines auslandischen Rechtstragers hat dasRegistergericht auch die nach dem auslandischen Recht beste-henden Grundungsvoraussetzungen zu pr�fen, denn die §§ 13dbis 13g HGB bestimmen, dass die Zweigniederlassung wie eineHauptniederlassung zu behandeln ist. Deshalb muss die auslan-dische Firma gemessen am Maßstab des Heimatrechts zulassigsein. Dies gilt z. B. fur den beigefugten Rechtsformzusatz. Wirdz. B. einer englischen Limited statt der Kurzbezeichnung „Ltd.“der fur die englische public limited company vorgesehene Kurz-formzusatz „plc“ beigefugt, kann das Registergericht die Eintra-gung einer Zweigniederlassung unter dieser Firma verweigern.2

Daruber hinaus gebietet insoweit das Europarecht fur Rechts-trager mit Sitz in einem EU/EWR-Mitgliedstaat eine Einschr�n-kung des registerrechtlichen Pr�fungsrechts. Zunachst ist dasaus Art. 49 AEUV herzuleitende Verbot der Doppelbelastung zubeachten. Danach ist eine Prufung der Firma durch das deutscheRegistergericht nur noch eingeschrankt moglich, wenn undsoweit sie bereits durch eine Behorde des Heimatstaates gepruftwurde.3 Zum anderen schrankt Art. 30 Abs. 1 lit. d) der EU-Richt-linie 2017/11324 die Prufungsbefugnis ein. Danach ist die Firmaeiner Zweigniederlassung nur dann „offenlegungspflichtig“, wennsie von der Firma der Hauptniederlassung abweicht. Aus demabschließenden Charakter der Vorgaben der Zweigniederlas-sungsrichtlinie wird eine grundsatzliche Berechtigung zur Fuh-rung der Firma nach Heimatrecht abgeleitet.5

Zul�ssigkeit der Zweigniederlassungsfirma: Von der vorste-hend erorterten Problematik ist die Frage zu unterscheiden, ob diegegebenenfalls mit der auslandischen Firma identische Firma derZweigniederlassung registergerichtliche Bedenken hervorrufenkann. Maßstab hierfur ist das deutsche Firmenrecht, das allerdingseuroparechtskonform auszulegen ist, wenn sich der Sitz derHauptniederlassung im EU- oder EWR-Ausland befindet.6

Die Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 49 AEUV gew�hrteinem Unternehmen grundsatzlich das Recht, unter derselbenFirma im gesamten europ�ischen Raum t�tig zu sein. Nochnicht ganz geklart ist, inwieweit sich Einschrankungen diesesRechts rechtfertigen lassen. So geht es sicher zu weit, bei Firmen-identitat des auslandischen Unternehmens mit der Zweignieder-lassung stets die Beifugung eines Zusatzes zu verlangen, dererkennbar macht, dass es sich um die Firma der Zweignieder-lassung eines auslandischen Unternehmens handelt (z. B. „Nie-derlassung Deutschland“).7 Ebenso unzulassig ware es, zu ver-langen, der auslandischen Gesellschaftsbezeichnung stets einengeographischen Zusatz beizufugen, um die Zweigniederlassungeindeutig einem bestimmten auslandischen Rechtstrager zuord-nen zu konnen,8 z. B. „Sonnenstudio Smile sp. z o o. – War-schau“. Die Gegenansicht lasst sich auch nicht auf die Formulie-rung in den Gesetzesmaterialien zum heutigen § 13d HGBstutzen,9 wonach der Firma der Zweigniederlassung „in jedemFall“ ein Zusatz beigefugt werden musse, der zum Ausdruckbringe, dass es sich um die Firma einer Zweigniederlassunghandelt, denn diese Außerung steht in Zusammenhang mit derErorterung der Zulassigkeit eines unterschiedlichen Firmenkernsvon Haupt- und Zweigniederlassung, was aber in Fallen wie demvorliegenden nicht in Rede steht.

Dr. Thomas Kilian, Aichach

1 MuKo-HGB/Krafka, § 13d Rn 18.2 Suß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, § 2

Rn 157; Krafka/Willer/Kuhn, Rn 272 b.3 Schmidt-Kessel/Leutner/Muther/Schmidt-Kessel, § 13d Rn 96.4 Vom 14.6.2017, Abl. L 169/46, bisher: Art. 2 Abs. 1 lit. d) der

europaischen Zweigniederlassungsrichtlinie.5 Schmidt-Kessel/Leutner/Muther/Schmidt-Kessel, § 13d Rn 95; Baum-

bach/Hopt, § 17 Rn 49; Krafka/Willer/Kuhn, Rn 272.

6 MuKo-HGB/Krafka, § 13d Rn 20; Staub/Koch, § 13d Rn 25.7 MuKo-HGB/Krafka, § 13d Rn 20; Koller u. a./Roth, HGB, 8. Aufl. 2015,

§ 13d Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Pentz, HGB, 3. Aufl. 2014,§ 13d Rn 21; Staub/Koch, HGB, 5. Aufl. 2009, § 13d Rn 24 f; Wachter,BB 2005, 1289/1290 f.; Modl, RNotZ 2008, 1/9; a. A. MuKo-BGB/Kindler, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rn 252.

8 So aber Krafka/Willer/Kuhn, Rn 272.9 BT-Drucks 12/3908, 15.

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praxisforum

Volker Heinze

Notariatsverwaltung und AktenverwahrungKostenrechtliche Fragen rund um die Amtsnachfolge

Im Nur-Notariat ist jeder Notar zumindest im Zusammenhangmit seinem Amtsende mit Fragen dazu konfrontiert, ob und inwelchem Umfang ihm noch Kosten f�r unerledigte Vorg�ngezustehen. Die gleichen Fragen stellen sich einem Aktenverwah-rer und einem Notariatsverwalter in Bezug auf unerledigt �ber-nommene Gesch�fte. Der Beitrag systematisiert die Fragen undordnet sie berufs- und kostenrechtlich ein.

I. Allgemeines

Endet das Amt eines hauptberuflichen Notars oder eines Notari-atsverwalters, werden kostenrechtlich mehrere Fragen aufgewor-fen, die nachstehend beantwortet werden sollen:

* Wem stehen die Kostenforderungen fur Geschafte oderHandlungen zu, die der Amtsvorganger nicht mehr been-den konnte?

* Muss der Amtsnachfolger Zahlungen des Kostenschuldnersan den Amtsvorganger gegen sich gelten lassen?

* Muss der Amtsvorganger von ihm eingenommene Gebuh-ren dem Amtsnachfolger erstatten, wenn dieser ein vomAmtsvorganger begonnenes Geschaft beendet?

* Kann der Amtsvorganger vom Amtsnachfolger eine Ver-gutung fur Entwurfe verlangen, die er dem Amtsnachfolgerhinterlasst?

* Wer stellt die Kostenberechnung nach § 19 GNotKG auf,wenn der Amtsvorganger dies nicht mehr selbst erledigthat?

* Wer versieht die Kostenberechnung fur Vollstreckungszwe-cke mit der Vollstreckungsklausel?

* Wer treibt die Kostenforderungen eines ausgeschiedenenNotars bzw. eines Notariatsverwalters nach dessen Amts-ende zwangsweise bei?

* Muss ein Amtsnachfolger eine Abhilfehandlung zur Behe-bung der falschen Sachbehandlung seines Amtsvorgangersnach den Grundsatzen des § 21 GNotKG vornehmen?

II. Grundlagen zur Amtsnachfolge

Die Amtsnachfolge ist kein gesetzlicher Begriff1 und ihr Bestehenals solche wird unterschiedlich beurteilt.2 Sie fasst folgende Er-scheinungen zusammen: die Aktenverwahrung nach § 51 Abs. 1

S. 2, 2. Alt. BNotO3 und die Notariatsverwaltung nach den§§ 56 ff. BNotO. Nach dem Ausscheiden eines Notars sind dreitypische Szenarien denkbar:

* Nahtlos an das Ausscheiden des Notars wird ein neuerNotar bestellt und ihm wird nach § 51 Abs. 1 S. 2, 2. Alt.BNotO die Aktenverwahrung ubertragen.

* Nach dem Ausscheiden des Notars wird ein Notariats-verwalter bestellt, dessen Amt nach Neubesetzung derNotarstelle endet, wobei dem neu bestellten Notar dieAktenverwahrung fur die Akten des ausgeschiedenen No-tars wie auch diejenigen des Notariatsverwalters ubertra-gen wird.

* Wie der zuvor erwahnte Fall, jedoch kommt es nicht zurNeubesetzung, sondern zur Einziehung der Notarstelleund einem anderen Notar wird die Aktenverwahrungubertragen.

Auch wenn der Begriff der Aktenverwahrung zunachst ver-muten lasst, dass sich die Tatigkeit des mit ihr betrauten Notarsdarauf beschrankt, die Akten des Vorgangers zu verwahren,entspricht es der allgemeinen Rechtsuberzeugung, dass deraktenverwahrende Notar uber die Inverwahrungnahme derAkten hinaus die noch nicht beendeten Amtsgeschafte desausgeschiedenen Notars bzw. Notariatsverwalters fortfuhrt. Da-bei wird vermutet, dass erteilte Vollzugsvollmachten und -an-weisungen auf den Amtsnachfolger bezogen weitergelten.4

Diese normativ kaum unterlegte Rechtsuberzeugung findet ihreParallele bei der Notariatsverwaltung selbst bzw. bei der Akten-verwahrung nach einer Notariatsverwaltung: Die §§ 58 Abs. 2S. 1 und 64 Abs. 3 S. 1 BNotO bestimmen, dass der Amtsnach-folger die vom ausgeschiedenen Notar bzw. Notariatsverwalter

1 Vgl. Kindler, RNotZ 2015, 465.2 Terner, RNotZ 2014, 523.

3 Durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Aufbewahrung vonNotariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkunden-archivs bei der Bundesnotarkammer und zur Anderung weiterer Gesetze v.1.6.2017, BGBl I, S. 1396 ff., wird § 51 BNotO eine Anderung erfahrenund durch § 51a BNotO erganzt werden. Diese Anderungen tretenaber erst am 1.1.2022 in Kraft (vgl. Art. 11 des Gesetzes) und fuhrenim Kern zu keiner Anderung der Rechtslage, wenn einem Notar dieAktenverwahrung ubertragen wird.

4 Allg. M., vgl. Schippel/Bracker/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 51 Rn 54;Arndt/Lerch/Sandkuhler/Lerch, BNotO, 8. Aufl., § 51 Rn 16; Eylmann/Vaasen/Bremkamp, BNotO, 4. Aufl., § 51 Rn 1 und 12; Diehn/Dahl-kamp, BNotO, § 51 Rn 29; Baumler, notar 2012, 3, 9; Kindler, RNotZ2015, 465, 471 f.

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begonnenen Amtsgeschafte fortfuhrt.5 An diese Vorstellungknupft auch das GNotKG an, wenn es in der Vorbemerkung 2Abs. 1 KV GNotKG den Aktenverwahrer und den Notariats-verwalter mit dem ausgeschiedenen Notar kostenrechtlichidentifiziert, soweit es kostenrechtlich in irgendeinem Belangauf die Person des ausgeschiedenen Notars ankommt.

III. Kostenforderungen bei Amtsnachfolgen

1. Kostengl�ubigerschaftDem Notar bzw. Notariatsverwalter steht die Gebuhr fur solcheVerfahren bzw. Geschafte zu, die er selbst vollstandig erledigthat, also vom Anfang bis zum Ende. Bei Gebuhren fur dieVollzugstatigkeit, fur die Betreuung und bei der Treuhand-gebuhr sowie bei der Verwahrungsgebuhr kann es vorkommen,dass der Amtsvorganger das Geschaft zwar begonnen, aber derAmtsnachfolger das Geschaft beendet hat. Hier stellt sich dieFrage, wem von beiden die entsprechende Gebuhr zusteht.Nach den §§ 58 Abs. 3 S. 2 BNotO gilt fur den Notariatsver-walter und nach § 63 Abs. 3 S. 2 BNotO fur den aktenverwah-renden Notar nach Notariatsverwaltung, dass dem Amtsnach-folger die Gebuhr zusteht, die wahrend seines Amtes fallig wird.Eine Gebuhrenteilung erfolgt also nicht.6 Fur den Aktenver-wahrer, der ohne Zwischenschaltung eines Notariatsverwaltersmit der Aktenverwahrung eines Amtsvorgangers betraut wird,kann nichts anderes gelten.7 Ob Notarkammerrichtlinien zurBerufsausubung dies abweichend regeln oder den beteiligtenAmtstragern die Moglichkeit eroffnen konnen, diese Frageunter sich abweichend zu regeln, ist zweifelhaft: § 67 Abs. 2BNotO gibt den Notarkammern eine Richtlinienaufstellungs-kompetenz „im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften“. Soweit dieBNotO also eine abschließende Regelung getroffen hat, kanneine Richtlinie dies nicht andern. Von solch einer abschließen-den Regelung ist bei der gesetzlichen Zuordnung der Gebuhrenunter den beteiligten Amtstragern aber auszugehen, insbeson-dere handelt es sich bei dieser Frage nicht um in § 67 Abs. 2 S. 3Nr. 11 BNotO angesprochene Angelegenheiten (kollegiale Be-rufspflichten).8

2. F�lligkeitZentrale Frage fur die Zuordnung, wem die entsprechende Ge-buhr zusteht, ist demnach die Falligkeit. Diese liegt nach § 10GNotKG bei Beendigung des Geschafts vor. Beendigung ist dieletzte Handlung im Rahmen des begonnenen Amtsgeschafts, beider Beurkundungsverhandlung also die Unterschrift des Notars,beim Vollzug der letzte Akt der beantragten Vollzugstatigkeit,9

bei der Betreuungsgebuhr die Vornahme der letzten diesbezug-lichen Handlung und bei der Treuhandgebuhr die Erledigungbzw. der Wegfall der Treuhandauflage. Dies ergibt sich nicht nuraus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern entspricht auch der

Rechtslage zur KostO, die der Gesetzgeber nicht andern wollte.10

Hiervon abweichend wird fur die Vollzugsgebuhr in der Literaturdurch eine Mindermeinung vertreten, die Falligkeit trete bereitsmit der ersten Verwirklichungshandlung der ersten (von mehre-ren) Vollzugstatigkeiten ein;11 dem ist aus vorgenannten Grun-den nicht zu folgen.12 Endet der Vollzug vorzeitig – etwa wegenVertragsaufhebung – fallt die Beendigung der Vollzugstatigkeitmit der Vertragsaufhebung zusammen. Zugleich tritt damit dieFalligkeit der Vollzugsgebuhr ein.

3. Vorsch�sseDie §§ 58 Abs. 2 S. 3 und 64 Abs. 3 S. 3 BNotO verpflichten denNotariatsverwalter einer Notarstelle bzw. den nach Ende derNotariatsverwaltung gemaß § 51 Abs. 1 S. 2 BNotO mit derAktenverwahrung betrauten Notar, dem Amtsvorganger ge-zahlte Vorschusse gegen sich gelten zu lassen, auch wenn dieGebuhr eigentlich dem Amtsnachfolger zusteht. Auch diese Vor-schriften sind entsprechend anzuwenden, wenn es nach demAusscheiden eines Notars unmittelbar zur Amtsnachfolge imSinne einer Aktenverwahrung durch einen Notar kommt.13

Vorschusse sind Zahlungen auf Gebuhren und Auslagen, dienoch nicht fallig sind. Der Notar ist zur Vereinnahmung vonVorschussen berechtigt (§ 15 GNotKG), was auch regelmaßigerfolgt, um in einer Sache nicht mehrere Kostenberechnungenstellen zu mussen.

Hat nun ein Notar die Kosten etwa fur die Betreuungsgebuhrund/oder die Vollzugsgebuhr vorschussweise erhoben und ein-genommen, steht ihm die Gebuhr nur zu, wenn er das be-treffende Geschaft auch abgeschlossen hat, er bei Falligkeit derGebuhr also (noch) Amtstrager war. Hat hingegen der Amts-nachfolger das Geschaft abgeschlossen, steht diesem die Gebuhrzu. Zwar muss der Amtsnachfolger nach den §§ 58 Abs. 2 S. 3und 64 Abs. 3 S. 3 BNotO an den Amtsvorganger gezahlteBetrage gegen sich gelten lassen und darf den Kostenschuld-ner nicht nochmals heranziehen. In einem solchen Fall hatder ausgeschiedene Notar aber Betrage eingezogen, die ihmnicht zustehen. Die BNotO regelt eine entsprechende Erstat-tungspflicht des Amtsvorgangers an den Amtsnachfolger nichtausdrucklich, jedoch ist die Erstattungspflicht dieser Regelungimmanent, so dass aus ihr ein offentlich-rechtlicher Erstattungs-anspruch des nachfolgenden Notariatsverwalters gegen denAmtsvorganger abzuleiten ist.14 Fur diesen Erstattungsanspruchist analog § 62 BNotO der ordentliche Rechtsweg gegeben.15

Die vorstehenden Grundsatze gelten auch fur die Fallgestaltung,dass ohne Zwischenschaltung eines Notariatsverwalters eine Ak-tenverwahrung erfolgt wie auch fur die Treuhandgebuhr nachNr. 22201 KV GNotKG, die regelmaßig nicht bereits mit einerdaneben anfallenden Beurkundungsgebuhr abgerechnet wird,weil der Geschaftswert der Treuhandgebuhr (§ 113 Abs. 2GNotKG) oft erst feststeht, wenn die Treuhandauflage erteilt5 Hierauf abstellend Schippel/Bracker/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 51

Rn 56. Fur den nach Notariatsverwaltung mit der Aktenverwahrungbetrauten Notar bezieht sich die Fortfuhrungszustandigkeit nicht nurauf die Vorgange aus der Notariatsverwaltung, sondern auch auf dienoch nicht abgeschlossenen Vorgange des Amtsvorgangers des Nota-riatsverwalters, vgl. Eylmann/Vaasen/Wilke, § 64 Rn 18.

6 A. A. ohne nahere normative Begrundung Eylmann/Vaasen/Wilke,BNotO, 4. Aufl., § 58 Rn 12, dort auch inkonsequent in Bezug auf dieHinterlegungsgebuhr.

7 Schippel/Bracker/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 51 Rn 54; Eylmann/Vaa-sen/Bremkamp, BNotO, 4. Aufl., § 51 Rn 18; Diehn/Dahlkamp, BNotO,§ 51 Rn 34; Kindler, RNotZ 2015, 465, 476.

8 Eylmann/Vaasen/Frenz, BNotO, 4. Aufl., § 31 Rn 12; anders offenbardie Praxis vgl. Kindler, RNotZ 2015, 465, 476.

9 BeckOK-KostR/Toussaint, 17. Ed. 13.2.2017, § 10 GNotKG Rn 13.1;Renner/Otto/Heinze/Klingsch, GNotK, 2. Aufl., § 10 Rn 7.

10 Regierungsbegrundung, BT-Drucks 17/11471, S. 156.11 Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Diehn, 2. Aufl., § 10 Rn 25; Korinten-

berg/Hey’l, 20. Aufl., § 10 Rn 5.12 Wie hier Renner/Otto/Heinze/Klingsch, 2. Aufl., § 10 Rn 7; Fackel-

mann/Heinemann/Hering, § 10 Rn 8.13 Baumler, notar 2012, 3, 9; Schippel/Bracker/Bracker, BNotO, 9. Aufl.,

§ 51 Rn 60.14 So auch ohne nahere Begrundung Schippel/Bracker/Bracker, BNotO,

9. Aufl., § 58 Rn 21; BGH, Beschl. v. 20.3.2000 – NotZ 17/99, DNotZ2000, 714; Eylmann/Vaasen/Wilke, BNotO, 4. Aufl., § 58 Rn 13.

15 BGH, Beschl. v. 20.3.2000 – NotZ 17/99, DNotZ 2000, 714, 716;Schippel/Bracker/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 62 Rn 5.

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wurde. Wird die Gebuhr aber vor Abschluss der Treuhandtatig-keit bereits abgerechnet, handelt es sich um einen Vorschussund die Gebuhr steht demjenigen der beteiligten Amtstrager zu,der bei Abschluss der Treuhandtatigkeit (Beendigung des Treu-handauftrags – das ist je nach Sachlage der Eintritt objektiverBedingungen bzw. die ausdruckliche Entlassung aus dem Treu-handauftrag durch den Treugeber) Amtsinhaber ist.

4. Verh�ltnis des neuen Notars zum ausgeschiedenenNotar bei zwischengeschalteter Notariatsver-waltung

Schließlich kann es vorkommen, dass der nach § 51 Abs. 1 S. 2BNotO mit der Aktenverwahrung betraute Notar Geschafte be-endet, die ursprunglich der ausgeschiedene Notar begonnenhatte, der Notariatsverwalter gleichfalls fortfuhrte, aber nichtbeenden konnte, und deren Falligkeit nunmehr in die Amtszeitdes aktenverwahrenden Notars fallt. Auch hierfur gelten dieWertungen der §§ 58 Abs. 2 und 64 Abs. 3 BNotO entsprechend.Die entsprechende Gebuhr steht dem aktenverwahrenden Notarzu. Vom ausgeschiedenen Notar bzw. vom Notariatsverwaltereingenommene Vorschusse muss er gegen sich gelten lassen, hatdafur aber einen Erstattungsanspruch gegen denjenigen Vorgan-ger, der die Gebuhr tatsachlich vereinnahmt hat.

5. Entw�rfe des Amtsvorg�ngers, die vomAmtsnachfolger beurkundet werden

a) Allgemeines

Fraglich ist nun, ob ein ausgeschiedener Notar eine Gebuhr furdie von ihm noch verantworteten Entwurfe von den Beteiligtenbzw. vom Amtsnachfolger verlangen kann, sollten diese bis zuseinem Ausscheiden noch nicht beurkundet worden sein.

Wenngleich die Regelungen aus den §§ 58 Abs. 2 S. 2 und 64Abs. 3 S. 2 BNotO eher auf die Vollzugs- und Betreuungsgebuhrsowie die Treuhandgebuhr gemunzt zu sein scheinen, so sprichtdie jeweilige Norm doch von „Kostenforderungen“. Es kommt alsoim Rahmen einer Entwurfsabrechnung darauf an, welche Kos-tenforderung fur welches notarielle Geschaft genau in Rede stehtund wann diese fallig wird. Zu differenzieren ist zwischen Ent-wurfsauftrag und Beurkundungsauftrag.

b) Entwurfsauftrag

Wurde einem Notar ein Entwurfsauftrag erteilt, so erhalt er furdie Fertigung des Entwurfs die Entwurfsgebuhr nach denNrn. 24100 ff. KV GNotKG. Fallt die Fertigstellung des Entwurfsin die Amtszeit des Amtsvorgangers, so wird sie auch in dieserZeit fallig (§ 10 GNotKG – Beendigung des Geschafts) und stehtdem Amtsvorganger zu. Fertigt der Amtsnachfolger den Entwurfoder stellt er den begonnenen fertig, tritt die Falligkeit wahrendseiner Amtszeit ein und steht die Gebuhr ihm zu.

Nach Vorbem. 2.4.1 (Abs. 6) KV GNotKG wird eine Entwurfs-gebuhr auf die Gebuhr fur das Beurkundungsverfahren angerech-net, wenn der Notar demnachst nach Fertigung des Entwurfsauf der Grundlage dieses Entwurfs ein Beurkundungsverfahrendurchfuhrt. Diese Vorschrift soll den Auftraggeber, der zunachst –um Dinge abstimmen zu konnen – nur einen Entwurfsauftragerteilt, nicht doppelt belasten, wenn der Entwurf Gegenstandder Beurkundung des Entwurfsverfassers wird. Nach Vorbem. 2Abs. (1) KV GNotKG tritt der Amtsnachfolger in die Fußstapfen desAmtsvorgangers, so dass der Amtsnachfolger die Entwurfsgebuhrauf die Beurkundungsgebuhr anrechnen muss.16 Die vom

Gesetzgeber getroffene Anrechnungsregelung ist vor allem deshalbsinnvoll, weil sich infolge des Gebuhrensatzrahmens nach denNrn. 24100 ff. KV GNotKG i. V. m. § 92 GNotKG der Gebuhrensatzvom fur die Beurkundung bestimmten Gebuhrensatz unterschei-den kann und nur dann nicht unterscheidet, wenn der Entwurfvollstandig erstellt war, § 92 Abs. 2 GNotKG.

Grundsatzlich ist der Amtsnachfolger an den vom Amtsvorgan-ger innerhalb des Gebuhrensatzrahmens festgesetzten Gebuh-rensatz fur den Entwurf gebunden. Andert das Gericht nach den§§ 127 ff. GNotKG (insbes. § 128 Abs. 2 S. 1 GNotKG) denGebuhrensatz auf Antrag eines Kostenschuldners ab, gilt diesnach Vorbem. 2 Abs. (1) KV GNotKG fur und gegen den Amts-nachfolger. Ob dem Amtsnachfolger entgegen dem engen Wort-laut des § 127 GNotKG ein eigenes Antragsrecht auf Uberpru-fung der Kostenberechnung des Amtsvorgangers in Bezug aufden Entwurf insbesondere im Hinblick auf den dort angenom-menen Gebuhrensatz (§ 128 Abs. 2 S. 1 GNotKG) zuzubilligenist, ist fraglich. Zwar kann durch die Anrechnung eine unbilligeVerkurzung des Gebuhrenanspruchs des Amtsnachfolgers ein-treten. In diesem Fall kann der Amtsnachfolger jedoch aufdienstrechtlichem Wege vorgehen und um eine Weisung nach§ 130 Abs. 2 GNotKG ersuchen, um eine Entscheidung desLG herbeizufuhren. Dieser Filterfunktion wohnt zugleich dieChance inne, in dem Streit zu vermitteln bzw. mehrere Verfah-ren zu bundeln und damit die Gerichte zu entlasten.

c) Beurkundungsauftrag

Wurde hingegen dem Notar ein Beurkundungsauftrag erteilt, sowird die Gebuhr fur dieses Verfahren erst mit dem Ende der Beur-kundungsverhandlung fallig. Die Gebuhr steht also bei eingetre-tener Amtsnachfolge dem beurkundenden Amtstrager zu, selbstwenn die Entwurfsfertigung – als Zwischenstadium – bereits vorEintritt der Amtsnachfolge auf Grund der Leistungen des Amts-vorgangers abgeschlossen war. Eine Zwischenabrechnung des Ent-wurfs durch den Amtsvorganger gegenuber den Beteiligten warenur zulassig, wenn ein Fall der vorzeitigen Beendigung des Beur-kundungsverfahrens vorlage, Nrn. 21300 ff. KV GNotKG. NachVorbem. 2.1.3 Abs. (1) KV GNotKG muss der Beendigungsgrundaußerhalb der Person des Notars liegen, damit eine Gebuhr aufdieser Grundlage berechnet werden kann. Diese Voraussetzungwird hier aber gerade verfehlt: Die Amtsnachfolge ist der Paradefallfur einen in der Person des Notars liegenden Grund. Damit ist eineZwischenabrechnung des Entwurfs durch den Amtsvorgangernicht moglich, die Gebuhr steht ausschließlich dem Amtsnach-folger zu.

Fraglich ist aber, ob dem Amtsvorganger gegen den Amtsnach-folger in Bezug auf die von ihm (noch) gefertigten Entwurfe, furdie ein Anspruch gegen den Auftraggeber auf Zahlung einerEntwurfsgebuhr aber nicht gegeben ist, ein Erstattungsanspruchzusteht. Diese Frage stellt sich deshalb, weil dem Amtsvorgangerin der Konstellation, dass ein Entwurfsauftrag erteilt war, beiEntwurfsfertigung durch ihn und Beurkundung durch denAmtsnachfolger die Entwurfsgebuhr beim Amtsvorganger ver-bleibt und dem Amtsnachfolger durch die Anrechnungsregelunginsoweit entgeht (s. o. 5. b)). Es hinge damit also von der eherzufalligen Antragstellung durch die Beteiligten (oder der diesbe-zuglichen Steuerung durch den Amtsvorganger) ab, ob demAmtsvorganger fur seine Entwurfsleistung ein Vorteil erwachst.Bejahte man bei reinem Beurkundungsauftrag einen solchenAnspruch, wurde dem Amtsnachfolger je nach dem Grad derVollstandigkeit der Erstellung des Entwurfs (vgl. § 92 GNotKG)trotz des Haftungsrisikos fur die Beurkundung nur ein geringer,im außersten Fall kein Gebuhrenanteil verbleiben. Genau diese

16 Renner/Otto/Heinze/Heit/Schreiber, GNotKG, 2. Aufl., Vorbem. 2.4.1.GNotKG Rn 46.

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Konsequenz nimmt der Gesetzgeber in der oben unter 5. b)diskutierten Konstellation auch hin. Zur Vermeidung von Wer-tungswiderspruchen lage daher die Annahme eines solchenErstattungsanspruchs an sich nahe. Umgekehrt stunde eine sol-che Annahme aber in einem Wertungswiderspruch zu den Rege-lungen zur vorzeitigen Beendigung des Beurkundungsverfah-rens. Die Beendigung erfolgt aus einem in der Person des Notarsliegenden Grund. Ferner gabe es weitere Abgrenzungsschwierig-keiten, weil infolge des Gebuhrensatzrahmens der Fertigstel-lungsgrad des Entwurfs festgestellt und – wohl dann auch imNachhinein – der Gebuhrensatz bestimmt werden musste. Andieser Stelle unterscheidet sich der Sachverhalt ganz wesentlichvon der oben in 5. b) besprochenen Konstellation, in der dasGeschaft durch Herausgabe des Entwurfs beendet wurde unddamit ein formaler Abschluss der Tatigkeit des Amtsvorgangersauch feststellbar ist. Dies alles spricht gegen die Annahme einesErstattungsanspruchs.

Wenn nun der ausgeschiedene Notar in einem solchen Fallbereits einen Vorschuss auf die Beurkundungsgebuhr eingenom-men hat, muss der Amtsnachfolger dies nach den in AbschnittIII. 3. erorterten Grundsatzen gegen sich gelten lassen. Denn ausden §§ 51 Abs. 1 S. 2, 58 Abs. 2 und 64 Abs. 3 BNotO sowieVorbem. 2. Abs. 1 KV GNotKG ist der allgemeine Satz abzuleiten,dass Amtsnachfolgen kostenrechtlich nicht auf dem Rucken derBeteiligten ausgetragen werden durfen. Allerdings hat der Amts-nachfolger gleichfalls nach den vorstehenden Grundsatzen ei-nen entsprechenden offentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchgegen den ausgeschiedenen Notar.

d) Serienentwurf des Amtsvorg�ngers, Beurkundungen desAmtsnachfolgers

Hat ein Notar einen Serienentwurf gefertigt (vgl. Vorbem. 2.4.1Abs. 5 KV GNotKG), ermaßigt sich die darauf erhobene Gebuhrnach Nr. 24103 KV GNotKG um die Gebuhr des jeweils aufGrundlage dieses Serienentwurfs durchgefuhrten Beurkundungs-verfahrens. Anders als bei der Anrechnung kommt es hier also zurErmaßigung. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass es sich beiden Anrechnungsfallen immer um denselben Kostenschuldnerhandelt; bei der hier vorliegenden Konstellation fallen die Kos-tenschuldner aber (meistens) auseinander.17 Beim klassischenAnwendungsfall des Serienentwurfs fur einen Bautragervertragfur ein konkretes Bauprojekt wird also die Kostenschuld desBautragers als Serienentwurfsauftraggeber gegenuber dem Notarmit jedem danach von diesem Notar beurkundeten Bautrager-vertrag, dessen Kosten in aller Regel der Kaufer tragt, gemindert.Fur den Notar ist dies hinnehmbar, weil sich sein Gebuhren-anspruch nicht verkurzt, sondern sich nur die Kostenschuldner-schaft auf den Kaufer verschiebt.

Ubertragt man diese Regelung auf den Fall einer Amtsnachfolge,kommt es fur den Amtsvorganger nicht lediglich zu einer Ver-schiebung der Kostenschuldnerschaft, sondern zu einer Verkur-zung seiner Serienentwurfsgebuhr. Gleichwohl tritt diese Rechts-folge ein, weil Vorbem. 2 Abs. 1 KV GNotKG dies so vorsieht.Fraglich ist nun, ob dem Amtsvorganger in Hohe der (jeweiligen)Ermaßigung ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Amts-nachfolger zustehen kann. Dies ist aus den in Abschnitt 5. c)angestellten Erwagungen zu verneinen: Dass dem Amtsvorgan-ger die Beurkundungsgebuhr entgeht, liegt in seiner Personbegrundet, denn das Ermaßigungsrisiko ist er bereits mit Ent-gegennahme des Serienentwurfsauftrags eingegangen.

e) Unterschriftsbeglaubigung des Amtsnachfolgers aufEntwurf des Amtsvorg�ngers

Steht einem Notar die Entwurfsgebuhr zu und beglaubigt erdemnachst eine Unterschrift unter dem Entwurf, so ist die ersteUnterschriftsbeglaubigung gebuhrenfrei, vgl. Vorbem. 2.4.1.Abs. 2 KV GNotKG. Nach Vorbem. 2 Abs. 1 KV GNotKG giltdiese Gebuhrenfreiheit auch dann, wenn der Entwurf vomAmtsvorganger gefertigt (und abgerechnet) wurde, die Unter-schriftsbeglaubigung aber vom Amtsnachfolger durchgefuhrtwird.

6. Anrechnung der Beratungsgeb�hr desAmtsvorg�ngers auf Gesch�fte desAmtsnachfolgers

Wurde dem Notar ein (isolierter) Beratungsauftrag erteilt, soerfolgt eine Anrechnung der Beratungsgebuhr auf eine andereGebuhr des Verfahrens oder Geschafts, soweit sich die Gegen-stande des Beratungsauftrags und des anderen Verfahrens bzw.Geschafts decken, Nr. 24200 KV GNotKG.18 Nach Vorbem. 2Abs. 1 KV GNotKG macht es fur die Anrechnung keinen Unter-schied, ob der Notar, dem der Beratungsauftrag erteilt wordenwar, auch das Folgegeschaft ubernimmt oder ob dies sein Amts-nachfolger ist. Die in Abschnitt 5. b) angestellten Erwagungengelten fur diesen Sachverhalt entsprechend: War die Beratungvor Eintritt der Amtsnachfolge abgeschlossen (außeres Merkmalhierfur kann eine erfolgte Kostenberechnung fur die Beratungsein), muss der Nachfolger anrechnen.

Liegt hingegen ein Beurkundungsauftrag fur den Amtsvorgangervor und endet seine Tatigkeit infolge seines Ausscheidens imBeratungsstadium, steht ihm eine Gebuhr wegen vorzeitigerBeendigung genauso wenig zu wie ein Erstattungsanspruch ge-gen den Amtsnachfolger; die Grundsatze aus Abschnitt 5. c)gelten entsprechend.

7. Abhilfehandlungen des Amtsnachfolgers beifalscher Sachbehandlung des Amtsvorg�ngers

Aus Vorbem. 2 Abs. 1 KV GNotKG ist abzuleiten, dass der Amts-nachfolger fur Abhilfehandlungen zur Behebung der falschenSachbehandlung des Amtsvorgangers die Vorschrift des § 21GNotKG anzuwenden hat. Fur die § 21 GNotKG unterfallendeAmtshandlung durfen keine Kosten erhoben werden; die Abhil-fehandlung ist nach den Bestimmungen des GNotKG abzurech-nen. Das ist unproblematisch, wenn der Amtsvorganger seineKosten noch nicht erhoben hat oder wenn sie noch nichtbezahlt sind. Sind nun aber vom Amtsvorganger fur die § 21GNotKG unterfallende Amtshandlung Kosten nicht nur erho-ben, sondern auch gezahlt worden, kann – das ergibt sich aus derVorbem. 2 Abs. 1 KV GNotKG – dies nicht auf dem Rucken desKostenschuldners ausgetragen werden.19 Vielmehr gilt, dass derAmtsnachfolger vom Kostenschuldner allenfalls zutreffend be-rechnete Mehrkosten erheben darf (die also bei von vornhereinrichtiger Sachbehandlung ohnehin angefallen waren), nichtaber die Gesamtkosten der Abhilfehandlung. Allerdings ist we-gen der Differenz ein Erstattungsanspruch gegen den Amtsvor-ganger zu bejahen, weil dieser Kosten eingenommen hat, dieihm nicht zustehen, und damit „auf Kosten“ des Amtsnachfol-gers bereichert ist. Der Erstattungsanspruch grundet seinerseitswiederum auf der Rechtsfigur der Amtsnachfolge (s. o.).

17 Renner/Otto/Heinze/Heit/Schreiber, GNotKG, 2. Aufl., Nr. 24105 KVGNotKG, Rn 1.

18 Kindler, RNotZ 2015, 465, 477.19 Im Ergebnis gl. A., aber mit widerspruchlicher Begrundung Korinten-

berg/Tiedtke, GNotKG 20. Aufl., § 21 Rn 33.

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IV. Zust�ndigkeiten f�r die Erstellung der Kos-tenberechnung und die Kostenerhebungim �brigen nach Erlçschen des Amtes

1. Notaramt ist erloschenBei Amtssitzverlegung kann der Notar auch die am bisherigenAmtssitz entstandenen Kostenforderungen nach § 19 GNotKGberechnen und nach den §§ 88 ff. GNotKG beitreiben, § 58Abs. 3 S. 2 BNotO. Erlischt hingegen das Amt eines Notars, soendet damit seine Stellung als Kostenglaubiger nicht und auchnicht seine Beitreibungszustandigkeit. Was ihm fehlt, ist dieoffentlich-rechtliche Stellung zur Erstellung der Kostenberech-nung und zur Titulierung derselben. Dieses Manko wird durchdie Zustandigkeit des Notariatsverwalters ausgeglichen, der nach§ 58 Abs. 3 S. 1 BNotO die Kostenberechnung fertigt20 und auchtituliert.

Gesetzlich nicht ausdrucklich geregelt ist, was gilt, wenn es zurEinziehung oder zur sofortigen Wiederbesetzung der Notarstellekommt. Ist einem Notar die Aktenverwahrung nach § 51 Abs. 1S. 2, 2. Alt. BNotO ubertragen, kann man aus der ZPO in Ver-bindung mit dieser Aktenverwahrung dessen Befugnis ableiten,eine bereits erstellte Kostenberechnung zu titulieren, § 797 Abs. 2S. 1 ZPO. Nach ganz herrschender Me

inung kann er erst recht die Kostenberechnung nach § 19GNotKG erstellen,21 was insoweit auch deckungsgleich ist mitder Auffassung, der Aktenverwahrer fuhre die Amtsgeschaftedes Amtsvorgangers fort (s. o.).

2. Amt des Notariatsverwalters ist erloschenIst das Amt des Notariatsverwalters erloschen, liegt die Erhe-bungs- und Beitreibungszustandigkeit fur die ihm zustehendenKostenforderungen bei der Notarkammer bzw. – soweit nach§ 113 Abs. 5 BNotO ubertragen – bei der Notarkasse (Munchen)bzw. der Landernotarkasse (Leipzig), wenn diese Zustandigkeitnicht auf den neu (bzw. wieder) bestellten Notar ubertragenwurde (§ 64 Abs. 4 S. 2 BNotO). Zur Erhebungszustandigkeitgehort selbstverstandlich die Befugnis zur Erstellung der Kosten-berechnung und zu deren Titulierung.22

3. Beitreibungszust�ndigkeitZur Beitreibung der Kostenforderungen des Amtsvorgangers istweder der Notariatsverwalter noch der aktenverwahrende Notarzustandig oder gar befugt.23

4. Tabelle

V. Ergebnis

Die Rechtsstellung des Aktenverwahrers, der ohne Zwischen-schaltung einer Notariatsverwaltung zum Amtsnachfolger wird,lasst sich nur aus den zur Notariatsverwaltung selbst getroffenenRegelungen ableiten. Es gilt der Grundsatz des Verbots der Dop-pelerhebung: Der Amtsnachfolger darf eine bereits erhobeneGebuhr kein zweites Mal vom Kostenschuldner erheben, selbstwenn ihm diese Gebuhr zusteht. Offentlich-rechtliche Erstat-tungsanspruche wegen Kosten konnen je nach Lage des Falleszwischen Amtsnachfolger und Amtsvorganger bestehen; fur siegilt der ordentliche Rechtsweg. Der Amtsnachfolger erstellt gege-benenfalls die Kostenberechnung des Amtsvorgangers und titu-liert sie; die Beitreibungszustandigkeit liegt aber beim Kosten-glaubiger.

Volker Heinzeist Notar in Glauchau.E-Mail: [email protected]

Aktion Bei Amtssitz-verlegung

Nach Erlçschendes Notaramts

Nach Erlçschen desAmts des Notariats-verwalters

Kostenberech-nung erstelltund tituliert

Notariatsver-walter (§ 58Abs. 2, S. 1BNotO) oderNotar selbst(§ 58 Abs. 2BNotO)

Notariatsverwal-ter (§ 58 Abs. 2S. 1 BNotO) oderaktenverwahren-der Notar (§ 51Abs. 1 S. 2 2. Alt.BNotO)

Notarkammer/Notar-kasse oder jeweilsvon dieser beauftrag-ter Notar, §§ 64Abs. 4, 113 Abs. 5BNotO

Kostenberech-nung voll-streckt

Notar, arg. e§ 58 Abs. 3BNotO

ausgeschiedenerNotar bzw. des-sen Erben, arg. e§§ 58 Abs. 3, 64Abs. 4 BNotO

Notarkammer bzw.(L�ndernotarkasse)oder von jeweils die-ser beauftragter No-tar, §§ 64 Abs. 4, 113Abs. 5 BNotO

20 Eylmann/Vaasen/Bremkamp, BNotO, 4. Aufl., § 58 Rn 14: Die Befug-nis zur Erstellung der Kostenberechnung sei ein Minus zur Titulie-rung.

21 Schippel/Bracker/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 51 Rn 54; Eylmann/Vaa-sen/Bremkamp, BNotO, 4. Aufl., § 51 Rn 33; Diehn/Dahlkamp, BNotO,§ 51 Rn 34 (bereits fur das Amtsgericht als Urkundenverwahrer) undDiehn/Dahlkamp, BNotO, § 58 Rn 17 zur Befugnis des Notariatsver-walters, die Rechnung zu erstellen. Korintenberg/Tiedtke, GNotKG,20. Aufl., § 89 Rn 21 m. w. N.; a. A. Arndt/Lerch/Sandkuhler/Lerch,BNotO, 8. Aufl., § 51 Rn17 und § 58 Rn 14: Der Aktenverwahrer kannweder die Kostenberechnung erstellen noch sie titulieren.

22 A. A. Arndt/Lerch/Sandkuhler/Lerch, BNotO, 8. Aufl., § 64 Rn 26.23 Eylmann/Vaasen/Wilke, BNotO, 4. Aufl., § 58 Rn 16; § 64 Rn 19.

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rückblick

Michael Haußner

Drei Jahre als IRZ-Berater in Montenegro

Montenegro – im Namen klingt das Me-diterrane nach und der Orient an. DieBerge des Landes sind nicht dunkel, son-dern hell oder gar gleißend von scharf-kantigem Kalk und manchmal erschre-ckender Schçnheit; die K�ste, eine derschçnsten des Mittelmeers, wird jedochzunehmend verbaut. Das Land ist sogroß wie Schleswig-Holstein, hat einViertel dessen Bevçlkerung, also 620.000Einwohner und ist nun im elften Jahrnach einem Jahrhundert wieder selb-st�ndig. Der Autor schildert seine Erfah-rungen als IRZ-Berater in Montenegro.

I. Einleitung

Was erwartet einen deutschen Juristen,der fur drei Jahre als Berater des montene-grinischen Justizministers in Sachen For-derung der Justizreform und Unterstut-zung der EU-Beitrittsverhandlungen beider Deutschen Stiftung fur internationa-le rechtliche Zusammenarbeit e. V. (IRZ),gefordert mit Mitteln des AuswartigenAmtes unter Vertrag steht?

Ihn erwartet einmal ein vom Projekt-bereichsleiter der IRZ und seiner Mitarbei-terin, zweier der Landessprache fließendkundiger deutscher Volljuristen, gut be-stelltes Feld. Man hat Ruckhalt „in derHeimat“.

Den zukunftsfrohen IRZ-Berater erwar-tete in meinem Fall das dritte Ministeri-um, das er von innen kennenlernte:

Nachdem ich „bei Dienstantritt“ nachfreundlicher Begrußung und Vorstellungbeim Minister und den drei Abteilungs-leiterinnen meinen Schreibtisch in Be-sitz genommen hatte, wurde mir einzweiseitiges Blatt mit Telefonnummerngegeben. Ich konne jeden und jede an-rufen, wann immer ich etwas brauche.Das stimmte. Die Hilfsbereitschaft istgroß, die Abgrenzung von Zustandigkei-ten ist es weniger, die Verstandigung aufEnglisch klappt meist. Das Ministeriumist klein. Es macht jeder fast alles: hier

Gesetzgebungsarbeit, dort Gerichtsorga-nisation und da Strafvollzug. Mit denEU-Reformen haben viele zu tun: Da istMultitasking ein oft gebrauchter Stoß-seufzer.

II. Andere L�nder – andereSitten

Sehr viel von dem, was wir als selbstver-standlich voraussetzen ist es dort nicht.

Das fangt an bei der mitunter schwachenPersonalausstattung, die die Arbeitspro-zesse verlangsamt. Außerdem konnengleichlautende Begriffe ungleichen Ge-halt haben, was die Kommunikation er-schwert. Der personelle Unterbau, sit ve-nia verbo, scheint so gut wie keine eigenenKompetenzen zu haben, und was der Mi-nister nicht ausdrucklich gebilligt hat,findet nicht statt.

Im Ministerium arbeiten uberwiegendFrauen, Manner sind rar. Bei Gerichtenund Staatsanwaltschaften ist das Zahlen-verhaltnis der Geschlechter ausgeglichen.

Die Bereitschaft zu Reform und Ver-anderung ist da – Gesetze sind freilichschneller geandert als die Mentalitat.Damit meine ich auch die Juristenmen-talitat.

III. Arbeitsfelder

Womit habe ich mich beschaftigt? Eineganz beschrankte Auswahl soll genugen:

Die Qualitat einer Richterschaft hangtz. B. auf Dauer davon ab, ob qualifizierteAnwarter „ins System hineinkommen“ odernicht. Fur Montenegro heißt das, ob siebei Gericht oder der StaatsanwaltschaftPraktikanten werden konnen.

Die Abschlusszeugnisse der drei juristi-schen Fakultaten werden fur eine Besten-auslese nur beschrankt als geeignet ange-sehen. Ich schlug mit Erfolg eine juristi-

sche Eingangsprufung vor, ein Curricu-lum fur die Praktikanten und auch eineReform des Examens fur die Bewerber umRichterstellen. Seither ist es ein Novum,dass – unter anderem – die Klausurenanonym, unter Codenummer geschrie-ben werden, und nicht wie bis dato untervollem Namen – und das in einem Land,wo sprichwortlich jeder jeden kennt, je-denfalls unter denen, auf die es an-kommt.

Ich schlug weiter vor, die Zahl der Klau-suren von zwei – Entwurf eines Zivil- undeines Strafurteils – auf drei zu erhohen,um den Anspruch an die Kenntnisse zusteigern und die Ergebnisse weiter zuspreizen. Ja, was ich denn da prufen wol-le? Fur unsereins die naheliegende Ant-wort: etwa Offentliches Recht, Verwal-tungsrecht und Verfassungsrecht. Damitwurde ich nicht gehort. Nun, auch Romist nicht an einem Tag erbaut worden.Die Zeit wird lehren, wofur auch ein Rich-ter Offentliches Recht und Verfassungs-recht brauchen kann.

IV. Und nun zum Strafrecht

Ein absolut notwendiger und kunftig hof-fentlich Ertrag bringender Schritt wardie Schaffung einer Schwerpunktstaats-anwaltschaft zur Verfolgung von Korrup-tion und organisierter Kriminalitat. Ander Erarbeitung der erforderlichen Gesetz-entwurfe habe ich mitgearbeitet. Hierging es u. a. um Fragen der Zustandigkeit– und: Wer hat bei der Besetzung derStellen was und wie viel mitzureden? Der-artiges ist nicht in einem allgemeinenGesetz geregelt.

Die Konzentration dieser neuen Behordeauf die sogenannte hohe Korruption wardie von der EU-Kommission ausgegebeneMaxime. Ausschließlich Verfahren ge-gen Regierungsmitglieder, Behordenchefs,Burgermeister etc. und wenn es ummehr als 10.000 E geht. Solche Falle

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sind in Montenegro zahlreich, auf-gekommene und noch unentdeckte.

Ich pladierte dafur, eine nicht nur landes-weite, sondern auch generelle Zustandig-keit der Schwerpunktstaatsanwaltschaftfur Korruptionsermittlungen zu schaffen,mit der Moglichkeit, nach Prufung undGewinnung eines Uberblicks (bei gut ei-ner halben Million Einwohner!) nicht-systemische Falle an die allgemeineStaatsanwaltschaft abzugeben und sichdann auf dicke Fische, auch wenn siegegebenenfalls klein angefangen haben,und auf das Netz zu konzentrieren. Nichtjeder Rat dringt durch. Als ich mich Ende2016 beim Leiter der Schwerpunktstaats-anwaltschaft verabschiedete, kam dernochmal auf eben diesen Punkt zu spre-chen und meinte nach den Erfahrungenzweier Jahre: Hatte man doch auf Siegehort!

Das ist ein strukturelles Problem: AlleBeitrittskandidaten und vergleichbarenLander werden mit einer Fulle von Bera-tung und Vorschlagen konfrontiert. Oftreichen schlicht die personellen Ressour-cen nicht aus, dies alles aufzunehmenund zum Teil sind die angebotenen Mo-delle, Ideen, Grundsatze wie Details wi-derspruchlich. Dies kommt nicht unbe-dingt uberraschend: Wenn man einenDeutschen und einen Niederlander nachZwangsvollstreckung und Gerichtsvoll-ziehern fragt, werden dem Fragendenbzw. dem Beitrittskandidaten zwei ver-schiedene Welten geschildert, die erbeide nicht kennt. Es herrscht ein aus-gepragter Wettbewerb der EU-Alt-Mit-glieder und ihrer Beratungsorganisatio-nen.

Die US-Amerikaner haben stets Interesse,ein kontradiktorisches, auf der Partei-maxime aufbauendes Strafprozessrechtdurchzusetzen, was in den kontinental-europaisch gepragten Landern des Bal-kans zu Systembruchen fuhrt. Das fuhrtnicht nur zu dogmatischen Spannungenim Strafprozess: Als problematisch erweistsich beispielsweise das plea bargaining,das Aushandeln noch tolerabler Strafeund zur Not akzeptablem Schadenersatzzwischen Delinquenten und der Staats-anwaltschaft mit gerichtlichem Segen.

Fur einen Berater vor Ort auf dem Balkanbedeutet das: Es gibt keine klare Leitlinie,anders als wir das bei der Schaffung derRechtseinheit und dem Aufbau rechts-staatlicher Strukturen nach der deut-schen Wiedervereinigung durch den Ei-nigungsvertrag hatten. Die erarbeitetenJustizreform-Strategien und die dazuge-horigen Aktionsplane enthalten hoheWorte und Ziele. Die mussen abgearbei-tet und falls notig wegen zwischen-zeitlich eingetretener Anderungen oderauch auf der Zeitschiene angepasst wer-den. Bildlich gesprochen: Der Straßen-verlauf kann sich wahrend der Bauarbei-ten deutlich andern. Die so beliebte Mes-sung von Erfolgen mit Maßband undSchublade wird damit nochmal einenGrad schwieriger.

In allen Ministerien der Welt wird auchfur die Schublade und auch fur den Pa-pierkorb gearbeitet. Das ist auf dem Bal-kan nicht anders. Was heute abgelehntwird, kann vielleicht ubermorgen Ober-wasser gewinnen. Ideen, die vom Chefheute als zu weitgehend oder nicht pas-send abgelehnt werden, konnen von den„Jungen“ gehort, bemerkt, gemerkt undmorgen oder ubermorgen wieder heran-gezogen werden. Manche Saat geht nichtgleich auf, hat aber bei den Jungen eineChance.

V. Woher ich diesenOptimismus nehme?

Wenn ein Chef mit seiner Mannschaft,meist Frauschaft, ich nenne sie die „Jun-gen“, zu einer Besprechung, Arbeits-gruppe etc. kommt, spricht zuallermeister – oder sie. Alle anderen schweigen undschreiben mit. Wenn man mit diesenJungen dann bei einem Kaffee unter vierAugen spricht, hort man erstmals deutli-cher, was ihre Ansicht ist, und staunt oftgenug uber Weitblick und Klarsicht. Siesind es, die oft wie ein Schwamm auf-saugen, was man uber richterliche Ethik,Verantwortung und Dienst an der Ge-sellschaft sagt. Einiges von dem, was derMisserfolg von heute ist, kann die Saatfur morgen und die Frucht von ubermor-gen sein. Wer soll sich einen langenAtem leisten konnen wenn nicht wir?

Auch in Deutschland und der deutschenJustiz haben manche Veranderungspro-zesse Jahrzehnte gebraucht.

VI. Fazit

Wenn ich versuche, eine kurze Bilanz zuziehen, konnte sie wie folgt ausfallen:

* Das Zusammenspiel der landes-,rechts- und sprachkundigen IRZ-Mitarbeiter mit einem Experten vorOrt erhoht die Fahigkeit festzustel-len, was dort wirklich gebrauchtwird. So kann man die Felder bear-beiten, die andere, gehemmt durchenormen burokratischen und zeitli-chen Projektvorlauf, brachliegen las-sen.

* Gut, dass die IRZ nicht im großenUmfang „Top-Leute“ aus den Lan-dern nach Berlin karrt. Die Wurzelnbrauchen das Wasser, nicht dieBaumkrone.

* Was schatzen unsere Partner? Pra-senz, Nahe und Partnerschaftlich-keit.

Was kann ich empfehlen? Wenn Siegefragt werden, ob Sie als Experte, Refe-rent oder Betreuer fur eine Tatigkeit aufdem Balkan oder fur den Balkan zur Ver-fugung stehen, sagen Sie Ja. Es lohnt;diese Lander und ihre Menschen habenes verdient. Und fur Sie wird es sich auchlohnen, das ist versprochen. Solche Er-fahrungen macht und Bereicherungenerfahrt man nur außerhalb des oftzu wohlvertrauten „eigenen Systems“. Esmussen ja nicht gleich drei Jahre sein.Aber wenn Sie als Jurist Ihren Ruhestandplanen: Warum nicht? Diese Zeit hat alleChancen, die Kronung ihres Berufs-lebens zu werden.

Und: Seien wir gelassen. Denken wiran den tiefen Sinn folgender Rechenauf-gabe:

Hundert Lehrer bringen ein Kind in neunJahren zum Abitur. Wie viele Lehrerbraucht man, um das in einem Jahr zuschaffen?

Michael Haußner, Staatssekretar imThuringer Justizministerium a. D.

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Michael Lightowler, David Wheatley

Der Notarberuf in England und Wales –Zusammenfassung seiner Geschichte,seines Status sowie der beruflichenVoraussetzungen und Praxis

I. Geschichtlicher Hintergrund

Notare gehoren seit vielen Jahrhundertenin England und Wales zur juristischen„Szene“. Der erste Notar, der diese Funk-tion in England ausubte, war Swardius,der einen Grundstucksubertragungsver-trag mit Auflassung zwischen dem eng-lischen Konig Eduard dem Bekenner(1042–1066) und dem Abt von West-minster beurkundete.1

Die Entwicklung eines unabhangigenNotarberufs in England begann im Jahr1279. Papst Nikolaus III. gewahrte demErzbischof von Canterbury die Befugnisinnerhalb eines Jahres drei Notare zu be-stellen. Eine Reihe dieser papstlichen No-tare wurde anschließend bestellt.

Durch ein vom Parlament im Jahr 1533infolge der englischen Reformation erlas-senes Gesetz ubertrug Heinrich VIII. diepapstliche Bestellungsbefugnis auf denErzbischof von Canterbury. Die Regulie-rung des Notarberufs erfolgt seitdemdurch das Faculty Office des Erzbischofs,2

das seinen Sitz im Londoner StadtteilWestminster hat und vom Prasidentendes obersten Kirchengerichts der Diozesevon Canterbury in seiner Eigenschaft alsMaster of the Faculties kraft seines Amtesgeleitet wird. Das Notariat ist daher deralteste der rechtsberatenden Berufe inEngland.

Die Bedeutung des englischen Notars be-ruht nicht so sehr auf den Funktionen,die er in seinem eigenen Rechtssystemausubt, sondern eher auf der Verbindung,die er zwischen den Institutionen des

Common Law und denjenigen des Zivil-rechts3 herstellt. Die notariellen Urkun-den eines englischen Notars finden weit-reichende Anerkennung:

Ein Notar, der eine gultige, den Notaries(Practising Certificates) Rules von 2012entsprechend ausgestellte Erlaubnis zurAusubung des Notarberufs besitzt, darfBeglaubigungen und Beurkundungen jed-weder Art, die zur Verwendung in Englandund Wales bzw. in jedem anderen Ge-richtsstand bestimmt sind, vornehmen.4

II. Bestellungsbefugnis

Die Befugnis zur Bestellung und Zulas-sung neuer Notare sowie zur Erstellungneuer Regeln, die Durchfuhrung von Pru-fungen und die Regulierung des Berufssind gesetzlich geregelt. Die wichtigstenPrimargesetze sind:

* der Ecclesiastical Licences Act von1533 (Gesetz uber die kirchlichenBestellungsrechte),

* der Public Notaries Act von 1801 (No-targesetz),

* der Public Notaries Act von 1843 (No-targesetz),

* der Courts and Legal Services Act von1990 (Gesetz uber Gerichte und ju-ristische Dienstleistungen),

* der Legal Services Act von 2007 (Ge-setz uber juristische Dienstleistun-gen), kurz: „LSA“.

Der Master of the Faculties5 ubt die Berufs-aufsicht uber die in England und Wales

zugelassenen Notare aus und hat die imLSA enthaltenen Befugnisse. Dabei hat erdie dienstrechtlichen Notaries Practice Rulesvon 2014 erlassen. Es ist wichtig anzumer-ken, dass Notare gesetzlich bestellt werdenund daher als unabhangige Trager einesoffentlichen Amts anzusehen sind. Unmit-telbar vor seiner Bestellung hat der Notarzwei Eide zu leisten, namlich den Treueid,der fur andere offentliche Amtstrager beiihrem Amtsantritt gemaß dem PromissoryOaths Act von 1868 vorgeschrieben ist, undden Berufseid, wonach er sich dazu ver-pflichtet, die rechtspflegende Funktion derJustiz zu gewahrleisten sowie Rechtsge-schafte getreu dem Willen der Beteiligtenzu beurkunden.6 Fur Notare in Schottlandund Nordirland gelten andere Vorschriftenhinsichtlich deren Bestellung und Praxis.

III. Verschiedene Notararten

In England und Wales gibt es etwa 850praktizierende Notare, von denen diemeisten unabhangig und auf eigeneRechnung arbeiten. Sie sind in vielenStadten Englands und Wales zu finden.

Etwa 30 Notare, die hauptsachlich in derCity of London arbeiten, fuhren historischbedingt eine andere Berufsbezeichnung7

1 Robert Turner M. A. (Cantab) LL.D., FCIM„The English Notary“.

2 Siehe www.facultyoffice.org.uk.

3 N.P. Ready, Brooke’s Notary, 14. Ausgabe,Abschnitt 1.01.

4 Regel 3.2 der Notaries Practice Rules von2014 (Dienstordnung fur die Notare).

5 Derzeit ist dies Charles George, QC.

6 Siehe Regel 3.2 der Notaries Practice Rulesvon 2014 sowie § 7 des Public Notaries Actvon 1843.

7 Grund dafur war eine Verordnung des Lord-kanzlers von 1619, die die Zuweisung vonAmtssitzen, die sich in einem Umkreis vondrei Meilen um die Bank of England befan-den, lediglich einem Mitglied der mittelalter-lichen Zunft der „Worshipful Company ofScrivener Notaries“ erlaubte (vgl. Ziff. 20 derOrdinances der Worshipful Company of Scrive-ner Notaries von 1619). Diese territoriale Ein-schrankung wurde endlich durch den Accessto Justice Act von 1999 aufgehoben.

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und werden Scrivener Notaries genannt. Siehaben sich zu Kanzleien verschiedener Artund Große zusammengeschlossen. Scrive-ner Notaries sind zwangsweise Mitgliederder im Mittelalter gegrundeten WorshipfulCompany of Scrivener Notaries8 und mussenvor ihrem Vereinsbeitritt zusatzliche Pru-fungen ablegen,9 z. B. Fremdsprachen-kenntnisse. Diese zusatzlichen Prufungenhaben aber keinen Einfluss auf die recht-liche Stellung, diese ist heutzutage gleich(siehe unten). Gemaß § 15 der NotariesPractice Rules von 2014 ist der Titel „Scrive-ner Notary“ gesetzlich geschutzt. Ein Notardarf diesen Titel nur fuhren, wenn er dieAnforderungen der Scriveners (Qualificati-ons) Rules von 1998 erfullt. Diese Regelnwerden aufgrund der Satzung der Worship-ful Company of Scrivener Notaries erlassenund bilden die Grundlage fur den Vereins-beitritt, sie sind jedoch kein Gesetz.

Im Zuge verschiedener Gesetzesreformenwurde die rechtliche Stellung der beidenNotararten angeglichen, sodass es heutepraktisch keinen Unterschied mehr gibt.Man spricht inzwischen vom Amt desnotary public, der dieselben Befugnisseund Funktionen in ganz England undWales ausuben darf.10 Es ist daher wich-tig anzumerken, dass die Amtshand-lungen und Urkunden aller Notare(gleichg�ltig ob Scrivener Notary odernicht) nach den Gesetzen von Englandund Wales nunmehr dieselbe Aner-kennung, G�ltigkeit und Wirkung ge-nießen. Die Annahme, dass lediglich einScrivener Notary aufgrund seiner juristi-schen Ausbildung und unabhangigenStellung befugt ist, eine Existenz- undVertretungsbescheinigung zu erstellen,11

ist nicht mehr korrekt. In der Rechtspre-chung geht man davon aus, dass derNachweis in der Form einer Bescheini-gung von einem englischen Notar er-bracht werden darf, solange diese Be-scheinigung den strengen Anforderun-gen der Registergerichte12 entspricht.

Alle Notare sind fur ihre Zulassung dem-selben Prufungssystem unterworfen, ste-

hen unter der Dienstaufsicht des FacultyOffice und haben dasselbe Verfahrens-recht13 zu beachten.

Es gibt weder Beschrankungen hinsicht-lich der Anzahl der Notare, die sich beruf-lich qualifizieren konnen und damitbestellt werden durfen, noch besteht eineobere Altersgrenze, bei deren Erreichendas Amt des Notars erlischt. Weiterhingibt es auch keine Gebuhrenordnung,nach der Notarkosten zu erheben bzw.zu berechnen sind.

IV. Ausbildung und Zulassung

Die Voraussetzungen fur die beruflicheZulassung sind in den Notaries (Qualifica-tion) Rules von 2017 festgelegt. Bewerberum das Notaramt mussen entweder be-reits zu einem der anderen rechtsberaten-den Berufe zugelassen sein oder ubereinen Universitatsabschluss einer aner-kannten Universitat verfugen.14 Außer-dem sind angemessene Kenntnisse in sie-ben Kernbereichen nachzuweisen:15 (i)offentliches Recht und Verfassungsrecht,(ii) Sachen- und Immobilienrecht, (iii)Vertragsrecht, (iv) das Recht der Europa-ischen Union, (v) das Recht der Equity(Billigkeitsrecht) und Trust-Recht, (vi) Ge-sellschaftsrecht sowie (vii) Erbrecht.

Eine Befreiung von der Prufung in diesenFachbereichen steht dem Bewerber zu,wenn er innerhalb der letzten funf Jahreunmittelbar vor seinem Antrag auf Zulas-sung ein Jurastudium erfolgreich abge-schlossen hat oder bereits als Rechts-anwalt in einer Anwaltskanzlei tatig war.

Sobald diese akademischen Grundvoraus-setzungen erfullt sind, durfen Bewerberdie nachste Phase der Berufsausbildungangehen. Diese besteht aus der zweijahri-gen notariellen Fachprufung an der Lon-doner Hochschule, dem University Collegeof London (UCL).16 Im ersten Jahr umfasstder Prufungsstoff das romische Recht unddas internationale Privatrecht, im zweitenJahr geht es um den gesamten Bereich dernotariellen Amtstatigkeit.17

Nach Abschluss der akademischen undberuflichen Ausbildungsphasen muss einBewerber den sogenannten Office PracticeCourse (die Praxisausbildung) absolvieren,damit gewahrleistet ist, dass er mit dernotariellen Berufspraxis hinreichend ver-traut ist.18

Die Bestellung erfolgt auf Antrag.19 DemAntrag beizufugen sind ein certificate offitness (Unbedenklichkeitsbescheinigung)und ein certificate of good character (Fuh-rungszeugnis), die dazu dienen, die Eig-nung des Bewerbers fur das Amt des No-tars zu belegen. Neu bestellte Notare sindverpflichtet, eine zweijahrige SupervisionPeriod (ahnlich dem nach § 7 BNotO vor-geschriebenen Anwarterdienst) unter derBetreuung eines Notars, der mindestensfunf Jahre Berufserfahrung hat, zu absol-vieren.20

Notare sind verpflichtet, sich standig fort-zubilden. Dies kann z. B. durch die Teil-nahme an notarspezifischen Veranstal-tungen (bspw. Vortrage, Seminare, Work-shops oder Online-Kurse, die von der No-taries Society oder anderen Anbieternorganisiert werden), das Lesen/Schreibenvon Artikeln oder den Besuch von Kon-ferenzen erfolgen. Die Aufsichtsbehordehat in den Notaries (Continuing Professio-nal Education) Regulations von 2010 Rege-lungen uber den erforderlichen Umfangder Fortbildung festgelegt.

V. Amtst�tigkeiten

Notare in England und Wales haben eineausschließliche Zustandigkeit im Urkun-denverkehr fur Wechselproteste (§ 51Abs. 7 des Bills of Exchange Act von 1882)und fur die Beglaubigung von Uberset-zungen (vgl. § 103 der Merchant Shipping(Registration of Ships) Regulations (Verord-nung uber die Eintragung von Handels-schiffen) von 1993 und § 3.1(b) derPractice Direction 7A der Family ProcedureRules (Zivilprozessordnung in Familien-angelegenheiten)). Zudem kann die Beur-kundung von Vollmachten und Willens-erklarungen, die im Ausland verwendetwerden sollen, ausschließlich durch ei-nen Notar vorgenommen werden.

Neben dieser ausschließlichen Zustandig-keit im Urkundenverkehr sind Notare ge-maß dem LSA auch gemeinsam mit so-licitors (Rechtsanwalten) berechtigt, fol-

8 Regel 15 der Notaries Practice Rules von2014.

9 Die Studien- und Prufungsordnung ist inden Scriveners (Qualifications) Rules von1998 enthalten.

10 Vgl. § 57 Abs. 1 des Courts and Legal ServicesAct von 1990.

11 So zu Unrecht DNotI-AbrufgutachtenNr. 118674, Nr. 123756 und Nr. 127353;LG Berlin, Beschl. v. 22.6.2004 – 102 T48/04 = ZIP 2004, 2830.

12 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.7.2006 – 15W 27/06; KG Berlin, Beschl. v. 20.4.2010 –1 W164-165/10, Rn 15; OLG Nurnberg,Beschl. v. 25.3.2014 – W 381/14.

13 http://www.facultyoffice.org.uk/notary/the-faculty-office-as-regulator-of-the-notarial-pro-fession.

14 Regel 3.3 der Notaries (Qualification) Rules2017; in diesem Zusammenhang ist dieZulassung als barrister-at-law, solicitor oderChartered Legal Executive gemeint.

15 Regel 7.1 der Notaries (Qualification) Rules2017.

16 Diese wird von der juristischen Fakultat derUCL durchgefuhrt; siehe https://www.laws.ucl.ac.uk/study/continuing-professional-de-velopment/notarial-practice-course.

17 Vgl. Abs. 9 ff. von Anh. 2 zu Regel 2 derNotaries (Qualification) Rules von 2017.

18 Regel 10.5 der Notaries (Qualification) Rulesvon 2017.

19 Regel 9.1 der Notaries (Qualification) Rulesvon 2017.

20 Regel 3(3) i. V. m. 4(1) der Notaries (Post-Admission) Rules von 2009.

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gende Tatigkeiten vorzunehmen: dieNachlassverwaltung, die Ubertragungvon Grundstucken und die Abnahmevon Eiden und eidlichen Vernehmun-gen. Aufgrund seiner Unabhangigkeitund Unparteilichkeit ist es einem Notarjedoch untersagt, vor dem Gericht imNamen eines Prozessbeteiligten aufzutre-ten (Prozessfuhrung).

Unparteilichkeit ist eines der wichtigstenMerkmale der notariellen Tatigkeiten undstellt eine direkte Verbindung zu den Ur-sprungen des Berufs im Zivilrecht/romi-schen Recht dar, die sich in unseremRechtssystem, d. h. dem durch richterli-che Entscheidungen weiterentwickeltenCommon Law, bewahrt haben. Bei derAusfuhrung seiner Amtstatigkeiten hatder Notar den allgemeinen Grund- undSorgfaltspflichten21 gegenuber allen Rech-nung zu tragen, die sich berechtigterweiseauf die von ihm beurkundeten Vorgangeverlassen konnten.22

Den Großteil ihrer Arbeit leisten Notareaber im grenzuberschreitenden Rechts-verkehr und in der Authentifizierungmehrsprachiger Dokumente, die im Aus-land verwendet werden sollen. Der Nota-rial Practice Course ist also speziell ent-wickelt worden, um Notare auf die inter-nationale Rechtspraxis vorzubereiten. Da-rum wird eine starke Betonung auf dasromische Recht, die Anforderungen anoffentliche Urkunden in verschiedenenLandern und das internationale Privat-recht gelegt.

Im Notarial Practice Course werden Notareauch in Bezug auf die Bedeutung der per-sonlichen Anwesenheit der Beteiligtengeschult und darin, sich von der Identitatder vor ihnen Erschienenen, deren Ge-schaftsfahigkeit und gegebenenfalls de-ren Vertretungsbefugnis sowie deren Ver-standnis und Willensfreiheit gewissen-haft zu uberzeugen.

VI. Pr�fung und �berwachungder Amtsf�hrung

Alle Notare mussen sich der regelmaßi-gen Prufung und Uberwachung unter-ziehen23 und konnen jederzeit von ei-nem oder mehreren vom Master of theFaculties mit der Durchfuhrung der Pru-fung Beauftragten uberwacht werden.

Notare, die Geldbetrage auf einem Man-danten- bzw. Notaranderkonto verwah-ren, sind verpflichtet, jedes Jahr der Auf-sichtsbehorde geprufte Jahresabschlussevorzulegen.

Fur die Ausstellung der Berufausubungs-erlaubnis ist zu Beginn des neuen Dienst-jahres ein Nachweis uber die gemaß Regel6.1 der Notaries (Practising Certificate) Rulesvon 2012 vorgeschriebene Berufshaft-pflichtversicherung vorzulegen.24

VII. Urkundssprache undFremdsprachenkenntnisse

Grundsatzlich sind alle Urkunden in derenglischen Sprache zu errichten,25 es seidenn, dem Notar scheint die Ausstellungder Urkunde in einer Fremdsprache gebo-ten und er ist dieser Sprache hinreichendkundig. Ein Notar darf außerdem einenBeglaubigungsvermerk zu einer Privatur-kunde, die nicht auf Englisch abgefasstwurde, nur ausstellen, wenn er sich vonderen Bedeutung uberzeugt hat.26 Dennnur dadurch kann abgewogen werden,ob Grunde fur die Verweigerung derAmtstatigkeit bestehen.

Diese Vorschriften bedeuten naturlich,dass Notare in der Lage sein mussen, dieSprache zu verstehen, in der das Doku-ment abgefasst ist, damit es erklart werdenkann. Ist dies nicht der Fall, muss in derRegel eine professionelle Ubersetzung ein-geholt werden. Viele Notare in Englandund Wales verfugen aber uber Fremdspra-chenkenntnisse, was fur den grenzuber-schreitenden Rechtsverkehr von großemVorteil ist.

VIII. Englische notarielle Ur-kunden in Deutschlandund deren Beweiskraft

Eine notarielle Urkunde begrundet nachden Gesetzen von England und Walesden vollen Beweis der beurkundeten Vor-gange bzw. bescheinigten Tatsachen.27

Diese Beweiskraft erstreckt sich nicht aufUrkunden, die von anderen Mitgliedernder juristischen Berufe erstellt werden.Nach deutschem Recht gilt die Urkunde

eines englischen Notars als eine „aus-landische offentliche Urkunde“ i. S. d. § 415ZPO, wenn sie gemaß § 438 Abs. 2 ZPOlegalisiert worden ist. Da das Vereinig-te Konigreich und die BundesrepublikDeutschland das Haager Ubereinkom-men vom 5.10.1961 zur Befreiung aus-landischer offentlicher Urkunden von derLegalisation ratifiziert haben, genugt es,anstelle der Legalisation durch einenKonsul oder Gesandten des Bundes dieenglische Urkunde mit einer Apostille zuversehen.28

IX. Commissioners for Oaths(Eidesabnahmeberech-tigte)

Die Abnahme eines Eides gilt als „reser-ved legal activity“ (gesetzlich geschutztesRechtsgebiet) im Sinne des LSA.29 Zu-standig dafur sind lediglich die nach§ 12 Abs. 1 lit. f LSA befugten Amtstrager,darunter fallen insbesondere sowohl dersolicitor als auch der notary public.30 His-torisch bedingt sind diese berechtigt,auch den Titel „Commissioner for Oaths“zu fuhren.31 Neben seiner Vereidigungs-befugnis als „Commissioner for Oaths“ist der englische oder walisische Notarselbst kraft seiner Stellung berechtigt,weil die Abnahme eines Eides oder einereidesstattlichen Versicherung als nota-rielle Tatigkeit gilt.32 Hierbei gelten ver-schiedene Verfahrensordnungen, jenachdem, in welcher Eigenschaft derAmtstrager handelt.33

Der Affidavit wird uberwiegend alsBeweismittel in einem gerichtlichenVerfahren gebraucht, um Wahrneh-mungen oder Umstande zu beweisen,die sonst durch Vernehmung im Verfah-ren bewiesen werden mussten. Eine Ver-sicherung an Eides statt (statutory declara-

21 Siehe Regel 4.2 der Notaries Practice Rulesvon 2014 in Bezug auf allgemeine Prinzi-pien.

22 Siehe Regel 7.6 der Notaries Practice Rulesvon 2014.

23 Notaries Inspections Regulations von 2014(Regeln zur Inspektion von Notaren).

24 Die Mindestversicherungssumme betragtderzeit 1 Mio GBP.

25 Regel 12.1 der Notaries Practice Rules von2014.

26 Regel 12.3 der Notaries Practice Rules von2014.

27 Regel 32.20 der Civil Procedure Rules (Zivil-prozessordnung) von 2005; die Anfechtungwegen Nichteinhaltung der anwendbarenBeurkundungsvorschriften ist dennoch zu-lassig.

28 Art. 3 Abs. 1 Haager Ubereinkommen.29 Ziff. 8, Anh. 2 zu § 12 LSA.30 Vgl. Ziff. 1 Abs. 2, Anh. 4 zu § 20 LSA

i. V. m. § 20 Abs. 6 LSA.31 Bis vor einer Gesetzesreform im Jahr 1990

bestellte der britische Lordkanzler Per-sonen, die ihm geeignet erschienen bzw.bereits als Rechtsanwalte zugelassen waren,zum Amt des „Commissioner for Oaths“.Eine unmittelbare Bestellung gibt es nichtmehr. Die nach § 12 Abs. 1 lit. f LSA befug-ten Personen bekleiden das Amt nun exofficio.

32 Vgl. Ready, Brooke’s Notary, 14. Aufl., Kap. 9.33 Ein Notar hat die Vorschriften der Notaries

Practice Rules von 2014 und den offiziellenVerhaltenskodex zu beachten. Der „Com-missioner for Oaths“ folgt den Bestimmun-gen des Commissioner for Oaths Act von1889 bzw. 1891 sowie der englischen CivilProcedure Rules von 2005.

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tion) dient eher der Glaubhaftmachungbestimmter Tatsachen oder Gegebenhei-ten, die sonst nicht nachgewiesen wer-den konnten (z. B. der Personenstand).

Ob im Fall eines fur das Ausland be-stimmten Eides die Vereidigung durcheinen „Commissioner for Oaths“ oder ei-nen Notar vorzunehmen ist, richtet sichin der Regel nach der lex fori. Im sudafri-kanischen Verfahrensrecht sind z. B. dieAufgaben der im Inland zur Abnahmeeines Eides berechtigten Behorde des„Commissioner of Oaths“34 durch jeman-den zu erfullen, der nach Vorbildungund Stellung im eigenen Rechtslebeneine der Tatigkeit des sudafrikanischenNotars entsprechende Funktion ausubt.35

X. Die Notaries Society

Die Notaries Society (1882 gegrundet) ver-tritt etwa 800 Notare in England undWales und ist mit einer deutschen No-tarkammer zu vergleichen. Ein Anspruchauf Mitgliedschaft steht allen ordnungs-gemaß bestellten Notaren zu. Der Aufga-benkreis der Society umfasst die Fortbil-dung von Notaren, die Vertretung derMitglieder im internationalen Raum,die Erstellung von Gutachten und Pra-xishinweisen sowie das Aussprechenvon Empfehlungen fur die von derAufsichtsbehorde erlassenen Richtlinienund Verhaltenskodexe. Die Organe derSociety sind die Generalversammlungund der Rat, an dessen Spitze ein/e Pra-

sident/in steht, der/die das Amt zweiJahre bekleidet. Außerdem gibt es nochdrei Schriftfuhrer/innen und eine/nSchatzmeister/in.36

Michael Lightowler, LL.B., ist Notar mitAmtssitz in Brentwood, FANZCN, Rats-mitglied und ehemaliger Prasident derNotaries Society von England und Wales.E-Mail: [email protected]

David Wheatley, BA (Hons.), Pg.Dip. Law,ist Notar mit Amtssitz in London.E-Mail: [email protected]

34 Trotz des fast gleichlautenden Namens istdieses Amt nicht mit dem englischen undwalisischen „Commissioner for Oaths“ zuverwechseln.

35 Vgl. Government Notice R1872 vom12.9.1980; in England und Wales kommtdaher lediglich der Notar in Betracht. 36 Siehe www.thenotariessociety.org.uk.

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nachrichten

NachrichtenEU-Kommission: Company LawPackageDie Kommission hatte die Veroffentli-chung ihres „EU Company Law Package“ursprunglich fur den 29.11.2017 ange-kundigt. Die Veroffentlichung wurde nunauf den 16.1.2018 verschoben.

Studienreise zur Modernisierung(insbes. Digitalisierung undSelbstverwaltung) des usbeki-schen NotariatsVom 11. bis 15.12.2017 fand eine von derIRZ organisierte Studienreise einer usbeki-schen Delegation nach Berlin und Dres-

den statt. Neben dem maßgeblich von derBundesnotarkammer gestalteten Fachpro-gramm stand auch ein Besuch beim Deut-schen Notarverein an, bei dem insbeson-dere uber die berufspolitische Arbeit einesVerbandes gesprochen wurde.

TermineAktuelle Entwicklungen undFragestellungen bei derPatientenverf�gungKolloquium und Neujahrsempfang desInstituts f�r Notarrecht an derFriedrich-Schiller-Universit�t Jena

Zeit: 19.1.2018, 16:00 Uhr

Ort: Rosensale der Friedrich-Schiller-Uni-versitat Jena, Furstengraben 27, 07743 Jena

Referent: Notar Dr. Thomas Renner, Erfurt

Kontakt: Institut fur Notarrecht an derFriedrich-Schiller-Universitat, Carl-Zeiss-Str. 3, 07743 Jena, Tel.: 03641 9-42510,Fax: 03641 9-42512, E-Mail: [email protected]

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literatur

Erbbaurecht fur Praktiker

Harald Wilsch, NotarFormulare Erbbau-recht, Muster – Vertr�ge – Erl�ute-rungen, Deutscher Notarverlag, 1. Aufl.2016, 384 Seiten, 79,00 EUR, ISBN978-3-940645-96-8.

Das Erbbaurecht ist ein in der zivilrecht-lichen Literatur nur wenig beachtetesRechtsgebiet. Dies gilt umso mehr fur For-mularbucher zum Thema. Das ist misslich,da Erbbaurechte in Zeiten eines knappenWohnungsmarktes zunehmend an Bedeu-tung gewinnen. Umso erfreulicher ist es,dass in der Reihe NotarFormulare desDeutschen Notarverlags ein Werk von Ha-rald Wilsch, Bezirksrevisor am Grundbuch-amt Munchen, erschienen ist.

Das Werk ist mit 384 Seiten in DIN A5angenehm ubersichtlich und kompakt,behandelt das Thema aber gleichwohl furden Praktiker umfassend.

Nach einem kurzen historischen undwirtschaftlichen Uberblick zum Erbbau-recht, einschließlich einer kurzen Uber-sicht zum altrechtlichen Erbbaurechtnach den §§ 1012 ff. BGB a. F. folgenKapitel zur Begrundung, Ubertragung, In-haltsanderung, Verlangerung, Belastung,Erbbauzinsanpassung, Teilung, Vereini-

gung und Beendigung von Erbbaurech-ten sowie ein Kapitel zur Begrundung vonWohnungs-/Teilerbbaurechten.

Die einzelnen Kapitel enthalten jeweils aus-fuhrliche Erlauterungen, kurze Formulie-rungsbeispiele und ausfuhrliche Muster so-wie je eine Checkliste und Kostenhinweise.

Die Muster umfas-sen alle relevantenBereiche des Erb-baurechts, sogar furdie Gestaltung desGrundbuchblattesfinden sich ent-sprechende Mus-ter. Meist sind ver-schiedene alternati-ve Formulierungs-

vorschlage und Klauseln dargestellt, sodass die Muster unterschiedlichste Falle ab-decken.

Zusatzlich sind alle Muster als Dateien aufder beiliegenden CD gespeichert (durchCD-Symbol auch im Text neben dem Mus-ter gekennzeichnet). Eine zusatzliche Uber-sicht uber alle Muster erleichtert dasschnelle Auffinden.

Die Erlauterungen sind durchwegschlussig strukturiert und treffen den furdie Praxis richtigen Grad an Tiefgang.Man findet sich im Buch daher sehrschnell zurecht. Zahlreiche Beispiele, oftstichpunktartig aufgezahlt, erleichterndie Subsumtion des eigenen Falles. Sowird etwa aufgezahlt, was alles unter denerbbaurechtlichen Begriff des Bauwerksfallt, von B wie Bergwerksschacht uber Fwie Flusswehr, K wie Kanalisationsanla-gen, V wie Viadukte bis W wie Wohn-hauser.

Der Autor zeigt Probleme und deren Lo-sungen auf, verliert sich aber nicht in weit-schweifenden Diskussionen. Mit durch-gehend verwendeten Fußnoten sindgleichwohl alle relevanten Aussagen wis-senschaftlich belegt und entsprechendauch Vertiefungsmoglichkeiten aufge-zeigt. Denn als allumfassendes Nachschla-gewerk zum Erbbaurecht ist das Formular-buch nicht konzipiert.

Insgesamt ein gelungenes Werk, das je-dem Notar, der mit Erbbaurechten in Be-ruhrung kommt, ans Herz gelegt sei.

Notar Christian Esbjornsson, Rosenheim

Gesellschaftsrecht von Praktikernfur Praktiker

Sebastian Herrler (Hrsg.), Gesellschafts-recht in der Notar- und Gestaltungspra-xis, C. H. Beck, 2017, 2432 Seiten,249,00 EUR, ISBN 978-3-406-65171-7.

Zugegeben, meine erste Reaktion war:„Noch eins?“ Denn neben diversen Kom-mentaren, Hand- und Formularbuchernzum Gesellschaftsrecht sind mit dem„Notarhandbuch Gesellschafts- und Unter-nehmensrecht“ (Hrsg. Hauschild/Kallrath/Wachter), dem „Kolner Handbuch Gesell-schaftsrecht“ (Hrsg. Eckhardt/Hermanns)

sowie „Praxis des Handels- und Gesell-schaftsrechts“ (Hrsg. Wachter) bereits dreiauf die notarielle Praxis zugeschnitteneWerke auf dem Markt. Gleichwohl kannich die Anschaffung des „Herrler“ Notarenund allen im Gesellschaftsrecht tatigenPraktikern nur empfehlen. Meine Ant-wort auf die eingangs gestellte Frage lau-tet also: „Ja, das auf jeden Fall noch!“

Das fast zweieinhalbtausend Seiten starkeWerk startet klassisch mit Uberlegungen

zur Rechtsformwahl. Auf den ersten Blicksystematisch etwas deplatziert wirken diehier verorteten Ausfuhrungen zu den Fol-gen des Brexit. Indes liegt dies sicher daran,dass dieser Teil angesichts des unerwarte-ten Ausgangs des Referendums erst „in letz-ter Minute“ (so Herrler in seinem Vorwort)aufgenommen worden ist. Inhaltlich sinddie Ausfuhrungen eine wertvolle Hilfe inder Praxis bei der Beratung vom Brexit be-troffener Unternehmen, u. a. aufgrund derDarstellung der Behandlung der im Ver-

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einigten KonigreichvorzunehmendenSchritte bei dergrenzuberschreiten-den Umwandlungsowie der zur Ver-fugung gestelltenMuster.

Generell sind dieMuster, die uber ei-

nen Link heruntergeladen werden kon-nen, eine der großen Starken des Buches.Einzelne Formulierungsbeispiele findensich zum einen direkt im Zusammen-hang der systematischen Darstellung, wo-bei kaum einmal ein paar Seiten ohneMuster „vergehen“ – die „Musterdichte“ist erfreulicherweise sehr groß. Zum ande-ren finden sich am Ende auf uber drei-hundert Seiten Gesamtmuster, die dasgesamte Spektrum des Buches abdecken.

An die Fragen der Rechtsformwahlschließt sich in den folgenden Kapitelneine Darstellung der einzelnen Rechtsfor-men an, die ca. die Halfte des Buchesausmacht. Darin finden sich nach einerkurzen Behandlung der Charakteristikader jeweiligen Rechtsformen (einschließ-lich der ebenfalls kursorisch dargestelltensteuerlichen Grundzuge) und den typi-schen Einsatzgebieten der Gesellschafts-form in der Praxis ausfuhrliche Darstel-lungen zu samtlichen Themen, mit de-nen der Notar im Gesellschaftsrecht inBeruhrung kommt. In den weiteren Kapi-teln finden sich Ausfuhrungen zum Kon-zernrecht, zum Umwandlungsrecht, zumUnternehmenskauf und zur Unterneh-mensnachfolge, zum Verfahrensrecht, zuSachverhalten mit Auslandsberuhrungsowie zur Bilanzierung. Angesichts diesesUmfangs kann eine Besprechung natur-

gemaß nur ein Schlaglicht auf einzelnePunkte werfen.

Herausgegriffen sei zunachst die relativbreiten Raum einnehmende Bespre-chung der GbR. Diese beschrankt sichnicht auf die reinen gesellschaftsrecht-lichen Kernthemen, es wird z. B. – ent-sprechend dem in der notariellen Praxiswohl am haufigsten vorkommenden Ber-uhrungspunkt mit dieser Gesellschafts-form – ausfuhrlich auf die grundbesit-zende GbR eingegangen. Bei samtlichenGesellschaftsformen werden u. a. auchdie erbrechtlichen Implikationen ange-sprochen und die dazu entwickeltenLosungen anschaulich dargestellt. DasGmbH-Recht ist ausfuhrlich besprochenmit einer Vielzahl von Mustern nicht nurfur die notarielle Praxis: Neben den nota-riell zu beurkundenden Beschlussen auchMuster rund um die Gesellschafterver-sammlung (Einladungen etc.), zudem fin-det sich ein Muster eines Anstellungsver-trags eines Fremdgeschaftsfuhrers. Bei derAG werden die Themen der notariellenTatigkeit gekonnt und auch fur den An-fanger geeignet dargestellt.

Besonders hilfreich ist aus meiner Sichtdas Kapitel zum Verfahrensrecht, in demdie Themengebiete „Beurkundungsverfah-ren“, „Registerrecht“, „Insolvenzrecht“ so-wie „Minderjahrige, Genehmigung undVollmachten“ behandelt werden. Als klas-sische Querschnittsmaterien finden sichhier selbstverstandlich einige Punkte, diebereits im Rahmen der anderen Kapitelangesprochen werden (z. B. Muster Grun-dungsvollmacht, Geschaftsfuhrerversiche-rung). Den Preis der Doppelung uberwiegtaber der Vorteil, zeitraubendes Blatternund Suchen nach anderen Stellen im Buch

zu sparen. In dem Block „Beurkundungs-verfahren“ finden sich u. a. die wesent-lichen Fragen der notariellen Praxis zuAnlagen (insbesondere zu Unternehmens-kaufvertragen, Datenraum-DVDs), fremd-sprachige Beurkundungen, die Problema-tiken rund um § 181 BGB sowie zur Form-bedurftigkeit und Mehrheitserfordernissenbeim Abschluss von Unternehmensvertra-gen beantwortet. Auch der Teil zu Minder-jahrigen bietet einen einfachen Zugriff aufdiesen Themenkomplex, der sich sonsthaufig erst nach einigem Suchen er-schließt.

Angesichts der zunehmenden Interna-tionalisierung ebenfalls hilfreich ist dasKapitel zur Auslandsberuhrung, in demeinerseits das Internationale Privatrechtund andererseits Grundzuge auslandi-scher Gesellschaften dargestellt werden.

Ausbaufahig sind aus meiner Sicht dieQuerverweise innerhalb des Buches. Sokonnte haufiger in den Einzeldarstellun-gen auf die Gesamtmuster verwiesenwerden, dasselbe gilt auch fur die ver-schiedenen Kapital untereinander (z. B.konnte aus der Darstellung der GAV im„Konzernrecht“ auf das Kapitel „Beur-kundungsrecht“ verwiesen werden, indem Mehrheitserfordernisse und Form-bedurftigkeit ubersichtlich dargestelltsind).

Zusammenfassend ist der „Herrler“, einBuch von Praktikern fur Praktiker, der sichsowohl fur Einsteiger als auch fur erfahre-nere Berater eignet und uneingeschranktzum Kauf empfohlen werden kann.

Notarassessor Dr. Stefan Daniel JosefSchmitz, Berlin

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