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FEUILLETON Freitag, 1. April 2011 17 Die Lebensader für die Armen Zum Artikel von Konstanze Walther, 31. März Es scheint ein altbekann- tes Phänomen zu sein, dass Menschen, welche die Hei- mat verlassen – unerheb- lich, ob sie das tun müssen oder wollen –, in ihrer neu- en Heimat mehr Erfolg ha- ben als in ihrer alten Hei- mat. Jene die müssen, denen gehört mein Mitgefühl. Jene die wollen, haben Gründe, die in ihrer Vielfalt zu hin- terfragen sind. Besonders dann, wenn die Menschen aus den sogenannten EZA- Ländern zu uns kommen. Kann es sein das es Strukturen gibt, welche ent- wicklungsfeindlich sind? Kann es sein das soge- nannte Helfer lokale Struk- turen erhalten wollen, da- mit sie ihre Hilfstätigkeiten weiterhin ausüben können, um noch mehr Spenden zu lukrieren? Leserbriefe Da erhebt sich die Frage nach der Tätigkeit von hun- derten NGOs. Warum wollen sie mit den Menschen in diesen Ländern keine Joint-Ventu- res errichten, noch bevor sie ausreisen? Wieso wollen sie nicht in Entwicklungs- zusammenarbeit jene Ver- änderungen durchführen, welche im Grunde beide Seiten wollen? Alle sprechen von Hilfe zu Selbsthilfe. Wenn die Flüchtlinge bei uns sind, will man sie nicht hier haben, auch wenn sie versuchen, durch Selbsthil- fe sich, ihren Familien und ihren Ländern zu helfen. Gerhard Karpiniec, 2361 Laxenburg * Diese Menschen müssen hier Erfolg haben, denn sie kommen aus Ländern, die von den sogenannten „Ge- berländern“ ausgebeutet werden. Als kleines Almosen be- kommen die Ausgebeuteten einen Bruchteil des Ge- winns in Form von Ent- wicklungshilfe zurück. Sind sie einmal hier, wer- den sie oft erneut ausge- beutet, aber das Wenige, das sie nach Hause schi- cken können, ist oft ein Vielfaches des Verdiensts im Heimatland. Wenn es die Menschheit irgendwann erreicht, dass Gier und damit einherge- hend Macht nicht das Maß der Dinge darstellen, wird es für uns alle besser wer- den, auch für die Menschen in den armen Länder. Ing. Karl Zellnig, per E-Mail Sorgfalt bei Erstellung von Wahl-Listen Zum Leitartikel von Reinhard Göweil, 31. März Grundsätzlich gibt es in der Politik nur eine akzep- table Form von Lobbyis- mus, und das sind die hun- dertprozentige Verpflich- tung für das eigene Land und der entsprechende Ein- satz für die Bevölkerung. Dafür werden Politiker gewählt und bezahlt, wobei für Nebenerwerbspolitiker in solchen Funktionen kein Platz ist. Mag. Martin Behrens, 1230 Wien Wannst mit an Dacia zum Eissalon fahrst Zur Kolumne von Robert Sedlaczek, 23. März Mit dem „österreichisch- bairischen Sprachraum“ meint Robert Sedlaczek of- fenbar den österreichischen Teil des bairischen Sprach- raumes, also den oberdeut- schen Sprachraum in Öster- reich mit Ausnahme des alemannischen Sprachrau- mes in Vorarlberg und Nordwesttirol. Die Begriffe „bairisch“ und „bayerisch“ dürfen nicht miteinander verwech- selt werden. Die meisten Menschen, die einen bairi- schen Dialekt sprechen, le- ben in Österreich. In Bayern werden nicht nur bairische Mundarten gesprochen, sondern auch fränkische und schwäbi- sche Mundarten. Dr. Anton Karl Mally, 2340 Mödling Hypo-Angeklagte siegen vor Gericht Zum Artikel von Stefan Melichar, 30. März Ist dieses Verfahren poli- tisch motiviert? Aufgrund der dürftigen Beweislage gegen die ehe- maligen Manager war mit diesem Freispruch zu rech- nen. Ein Schuldspruch hät- te bedeutet, dass man Ent- scheidungen und Verant- wortung nicht an andere Entscheidungsträger dele- gieren kann, denn es wurde ja niemals behauptet, dass zum Beispiel Herr Kulterer Einfluss auf die Kreditent- scheidungen der entspre- chenden Pouvoirträger ge- nommen hat. Nachdem das An-die- Wand-Fahren der Hypo-Al- pe-Adria Bank während ei- ner Zeit geschah, als die Bayerische Landesbank mit der Geschäftsführung be- traut war, stellt sich die Fra- ge, ob im Interesse des Steuerzahlers mit gleicher Vehemenz gegen die Perso- nen ermittelt wird, die da- mals die Verantwortung hatten, wie gegen die Ex- Vorstände aus der Kärntner Zeit ermittelt wurde. Mag. Robert Cvrkal, per E-Mail Leserbriefe werden nur dann abgedruckt, wenn sie mit vollständiger, nachvollziehbarer Adres- se versehen sind. Wir können auch nur Leser- briefe berücksichtigen, bei denen Kürzungen nicht ausgeschlossen werden. Fahrplan für Europas größte Minderheit. Neid, wenn nur die Roma unterstützt werden. „Arm, aber glücklich“ ist nur ein Klischee. Experten sind skeptisch bezüglich Bemühungen der EU um einen einheitlichen Umgang mit der Minderheit Nur ein weiteres Papier für Roma? Wien. Der internationale Roma- Tag am 8. April 2011 steht aus Sicht der Europäischen Union ganz im Zeichen eines neuen Eu- ropa-Fahrplans für den gesell- schaftlichen Aufstieg der größten europäischen Minderheit. Die un- garische Präsidentschaft hat be- reits angekündigt, einen entspre- chenden Vorschlag der Kommissi- on zu unterstützen. Im Juni wer- den dann die Staatschefs der ein- zelnen Mitgliedsstaaten die end- gültige Version festlegen. Viele Roma-Experten sind aber skep- tisch, vor allem in Bezug auf die Umsetzung, und sehen in dem Aktionsplan nur ein weiteres Pa- pier in der Roma-Frage. „Wir müssen die nationalen Re- gierungen in die Pflicht nehmen“, so Hannes Swoboda, Europa-Ab- geordneter (SPÖ) und Roma-Ex- perte, „es gibt derzeit kein Land mit durchgreifenden Initiativen, sondern nur ein paar Einzelpro- jekte, die positiv wirken.“ Auch Katalin Brenner, Desk Officer für Roma Inclusion in der Europäi- schen Kommission, ist derselben Meinung. Sie steht dem neuen Aktionsplan positiv ge- genüber, betont aber an- hand von fünf Punkten, dass die Voraussetzungen für die Inklusion der Ro- ma von Seiten der Kom- mission bereits gegeben sind. Die Nationalstaaten müssten nur mitmachen: „Erstens bestehen starke Rechtsstruktu- ren, zweitens gibt es genügend Geld im Strukturfonds, das kaum für die Roma-Frage genützt wird. Weiters koordiniert die Kommissi- on Projekte in den Bereichen Bil- dung und Beschäftigung und wir Von Bernd Vasari haben eine Europäische Plattform für die Einbeziehung der Roma geschaffen. Viertens rufen wir die Nationalstaaten immer wieder auf, uns konkrete Strategien zu präsentieren, und fünftens hat die Kommission Pilotprojekte ins Le- ben gerufen. Eines davon küm- mert sich etwa um die Vorschul- bildung von Roma-Kindern ab drei Jahren.“ Valeriu Nicolae, Gründer und Präsident des Policy Centers für Roma und Minderheiten in Buka- rest, kritisiert die Heran- gehensweise der Kommis- sion. Das Hauptproblem sind seiner Ansicht nach die fehlenden Experten im Exekutivorgan der Union: „Das wäre so, als würden die Roma aus den Ghettos über Atompolitik ent- scheiden“, so Nicolae während ei- ner Diskussionsveranstaltung am Dienstag im Wiener Haus der EU. Auch Hannes Swoboda ist gegen eine Politik von oben: „Wenn wir Roma-Kinder in die Schule brin- gen wollen, dann sollten Roma, die die Situation kennen und ein- schätzen können, mit Roma-El- tern reden.“ Gegenüber der „Wie- ner Zeitung“ verweist er auf ein gut funktionierendes Schulprojekt des Bukarester Bezirksbürger- meisters Marian Vanghelie, der selber Roma ist. Neben der Politik von oben tritt laut den beiden Soziologinnen Dragana Antonijevic und Ana Ba- ni-Grubiši auch immer wieder das Roma-Klischee der Mehrheitsge- sellschaft „arm aber glücklich“ auf. In ihrer Studie „Vicious circle of identity – Romani Hip Hop in Serbia between inclusion and ex- clusion“, die kürzlich im Rahmen einer vidc-Veranstaltung im Wie- ner Ostklub präsentiert wurde, haben die beiden serbischen For- scherinnen die kulturelle Praxis des „Roma Hip Hop“ in Serbien unter die Lupe genommen. „Seit 2006 engagiert sich die britische NGO ‚R-Point‘ und versucht eine Musikkultur von außen auf die Roma-Kids zu übertragen“, er- zählt Bani-Grubiši. „Das Leben der Kids hat dabei weder etwas mit dem Inhalt der Texte zu tun, noch hören sie die Musik in ihrer Freizeit.“ Dragan Ristic, Frontman der Belgrader Roma-Band „Kal“, bestätigt dies: „Außerhalb dieser NGO gibt es keinen Roma-Hip Hop.“ Antonijevic: „Unter 8000 Einträgen im angesagtesten Hip- Hop-Forum in Serbien (www.radi- vizija.com) handeln nur eine Handvoll von Roma-Rap.“ Teil der Armutsbekämpfung Für Barbora Cernušáková, Gene- ralsekretärin von Amnesty Inter- national, ist die Segregation der Roma ein Dorn im Auge: „In der Slowakei gehen die Roma-Schüler in separate Schulen, getrennt von der Mehrheitsgesellschaft.“ Es gibt bereits konkrete Strategien in einzelnen Ländern, doch es fehlt an der Umsetzung, so Cernušáko- vá. Auch die Gewalt gegen Roma darf vom Staat nicht toleriert wer- den. Das würde sonst ein gefährli- ches Signal an die Gesellschaft senden. Eine entscheidende Frage für Valeriu Nicolae stellt sich hier auch im Hinblick auf den EU- Fahrplan: „Wie will die Kommissi- on die Nationalstaaten zur Umset- zung bewegen? Werden Sanktio- nen kommen oder bleibt es bei der Devise ‚sitzen und reden‘?“ Er verweist auf die im Jahr 2005 in- stallierte Dekade zur Inklusion der Roma, für die 12 europäische Nationalstaaten mit erheblichen Roma-Minderheiten unterschrie- ben haben. „Seitdem ist nichts passiert.“ Hannes Swoboda sieht ein wei- teres Problem in der Eifersucht von anderen armen Menschen der Europäischen Union, die im Ge- gensatz zu den Roma weniger im Blickpunkt stehen: „Es herrschen katastrophale hygienische Zustän- de in den Roma-Siedlungen. Durch die Wirtschaftskrise sind die Roma noch stärker unter Druck geraten. Man sollte aber nicht den Fehler begehen und nur die Roma unterstützen. Es besteht ein generelles Armutsproblem. Man sollte die Verbesserung der Lage der Roma als Teil der Ar- mutsbekämpfung in Europa se- hen.“ Roma auf einem selbstgebauten Elektrofahrrad in Tirana, Hauptstadt des EU-Beitrittskandidaten Albanien. Foto: epa

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FEUILLETON Freitag, 1. April 2011 17

Die Lebensaderfür die ArmenZum Artikel von KonstanzeWalther, 31. März

Es scheint ein altbekann-tes Phänomen zu sein, dassMenschen, welche die Hei-mat verlassen – unerheb-lich, ob sie das tun müssenoder wollen –, in ihrer neu-en Heimat mehr Erfolg ha-ben als in ihrer alten Hei-mat.

Jene die müssen, denengehört mein Mitgefühl. Jenedie wollen, haben Gründe,die in ihrer Vielfalt zu hin-terfragen sind. Besondersdann, wenn die Menschenaus den sogenannten EZA-Ländern zu uns kommen.

Kann es sein das esStrukturen gibt, welche ent-wicklungsfeindlich sind?

Kann es sein das soge-nannte Helfer lokale Struk-turen erhalten wollen, da-mit sie ihre Hilfstätigkeitenweiterhin ausüben können,um noch mehr Spenden zulukrieren?

■ LeserbriefeDa erhebt sich die Frage

nach der Tätigkeit von hun-derten NGOs.

Warum wollen sie mitden Menschen in diesenLändern keine Joint-Ventu-res errichten, noch bevorsie ausreisen? Wieso wollensie nicht in Entwicklungs-zusammenarbeit jene Ver-änderungen durchführen,welche im Grunde beideSeiten wollen?

Alle sprechen von Hilfezu Selbsthilfe.

Wenn die Flüchtlinge beiuns sind, will man sie nichthier haben, auch wenn sieversuchen, durch Selbsthil-fe sich, ihren Familien undihren Ländern zu helfen.

Gerhard Karpiniec,2361 Laxenburg

*Diese Menschen müssenhier Erfolg haben, denn siekommen aus Ländern, dievon den sogenannten „Ge-berländern“ ausgebeutetwerden.

Als kleines Almosen be-kommen die Ausgebeuteteneinen Bruchteil des Ge-winns in Form von Ent-wicklungshilfe zurück.

Sind sie einmal hier, wer-den sie oft erneut ausge-beutet, aber das Wenige,das sie nach Hause schi-cken können, ist oft einVielfaches des Verdienstsim Heimatland.

Wenn es die Menschheitirgendwann erreicht, dassGier und damit einherge-hend Macht nicht das Maßder Dinge darstellen, wirdes für uns alle besser wer-den, auch für die Menschenin den armen Länder.

Ing. Karl Zellnig,per E-Mail

Sorgfalt bei Erstellungvon Wahl-ListenZum Leitartikel vonReinhard Göweil, 31. März

Grundsätzlich gibt es inder Politik nur eine akzep-table Form von Lobbyis-mus, und das sind die hun-

dertprozentige Verpflich-tung für das eigene Landund der entsprechende Ein-satz für die Bevölkerung.

Dafür werden Politikergewählt und bezahlt, wobeifür Nebenerwerbspolitikerin solchen Funktionen keinPlatz ist.

Mag. Martin Behrens,1230 Wien

Wannst mit an Daciazum Eissalon fahrstZur Kolumne von RobertSedlaczek, 23. März

Mit dem „österreichisch-bairischen Sprachraum“meint Robert Sedlaczek of-fenbar den österreichischenTeil des bairischen Sprach-raumes, also den oberdeut-schen Sprachraum in Öster-reich mit Ausnahme desalemannischen Sprachrau-mes in Vorarlberg undNordwesttirol.

Die Begriffe „bairisch“und „bayerisch“ dürfennicht miteinander verwech-selt werden. Die meisten

Menschen, die einen bairi-schen Dialekt sprechen, le-ben in Österreich.

In Bayern werden nichtnur bairische Mundartengesprochen, sondern auchfränkische und schwäbi-sche Mundarten.

Dr. Anton Karl Mally,2340 Mödling

Hypo-Angeklagtesiegen vor GerichtZum Artikel von StefanMelichar, 30. März

Ist dieses Verfahren poli-tisch motiviert?

Aufgrund der dürftigenBeweislage gegen die ehe-maligen Manager war mitdiesem Freispruch zu rech-nen. Ein Schuldspruch hät-te bedeutet, dass man Ent-scheidungen und Verant-wortung nicht an andereEntscheidungsträger dele-gieren kann, denn es wurdeja niemals behauptet, dasszum Beispiel Herr KultererEinfluss auf die Kreditent-scheidungen der entspre-

chenden Pouvoirträger ge-nommen hat.

Nachdem das An-die-Wand-Fahren der Hypo-Al-pe-Adria Bank während ei-ner Zeit geschah, als dieBayerische Landesbank mitder Geschäftsführung be-traut war, stellt sich die Fra-ge, ob im Interesse desSteuerzahlers mit gleicherVehemenz gegen die Perso-nen ermittelt wird, die da-mals die Verantwortunghatten, wie gegen die Ex-Vorstände aus der KärntnerZeit ermittelt wurde.

Mag. Robert Cvrkal,per E-Mail

Leserbriefe werden nurdann abgedruckt, wennsie mit vollständiger,nachvollziehbarer Adres-se versehen sind. Wirkönnen auch nur Leser-briefe berücksichtigen,bei denen Kürzungennicht ausgeschlossenwerden.

■ Fahrplan für Europasgrößte Minderheit.■ Neid, wenn nur die Roma unterstützt werden.■ „Arm, aber glücklich“ist nur ein Klischee.

Experten sind skeptisch bezüglich Bemühungen der EU um einen einheitlichen Umgang mit der Minderheit

Nur ein weiteres Papier für Roma?

Wien. Der internationale Roma-Tag am 8. April 2011 steht ausSicht der Europäischen Unionganz im Zeichen eines neuen Eu-ropa-Fahrplans für den gesell-schaftlichen Aufstieg der größteneuropäischen Minderheit. Die un-garische Präsidentschaft hat be-reits angekündigt, einen entspre-chenden Vorschlag der Kommissi-on zu unterstützen. Im Juni wer-den dann die Staatschefs der ein-zelnen Mitgliedsstaaten die end-gültige Version festlegen. VieleRoma-Experten sind aber skep-tisch, vor allem in Bezug auf dieUmsetzung, und sehen in demAktionsplan nur ein weiteres Pa-pier in der Roma-Frage.

„Wir müssen die nationalen Re-gierungen in die Pflicht nehmen“,so Hannes Swoboda, Europa-Ab-geordneter (SPÖ) und Roma-Ex-perte, „es gibt derzeit kein Landmit durchgreifenden Initiativen,sondern nur ein paar Einzelpro-jekte, die positiv wirken.“ AuchKatalin Brenner, Desk Officer fürRoma Inclusion in der Europäi-schen Kommission, ist derselbenMeinung. Sie steht dem neuenAktionsplan positiv ge-genüber, betont aber an-hand von fünf Punkten,dass die Voraussetzungenfür die Inklusion der Ro-ma von Seiten der Kom-mission bereits gegebensind. Die Nationalstaatenmüssten nur mitmachen: „Erstensbestehen starke Rechtsstruktu-ren, zweitens gibt es genügendGeld im Strukturfonds, das kaumfür die Roma-Frage genützt wird.Weiters koordiniert die Kommissi-on Projekte in den Bereichen Bil-dung und Beschäftigung und wir

Von Bernd Vasari

haben eine Europäische Plattformfür die Einbeziehung der Romageschaffen. Viertens rufen wir dieNationalstaaten immer wiederauf, uns konkrete Strategien zupräsentieren, und fünftens hat dieKommission Pilotprojekte ins Le-ben gerufen. Eines davon küm-mert sich etwa um die Vorschul-bildung von Roma-Kindern abdrei Jahren.“

Valeriu Nicolae, Gründer undPräsident des Policy Centers fürRoma und Minderheiten in Buka-

rest, kritisiert die Heran-gehensweise der Kommis-sion. Das Hauptproblemsind seiner Ansicht nachdie fehlenden Expertenim Exekutivorgan derUnion: „Das wäre so, alswürden die Roma aus den

Ghettos über Atompolitik ent-scheiden“, so Nicolae während ei-ner Diskussionsveranstaltung amDienstag im Wiener Haus der EU.Auch Hannes Swoboda ist gegeneine Politik von oben: „Wenn wirRoma-Kinder in die Schule brin-gen wollen, dann sollten Roma,

die die Situation kennen und ein-schätzen können, mit Roma-El-tern reden.“ Gegenüber der „Wie-ner Zeitung“ verweist er auf eingut funktionierendes Schulprojektdes Bukarester Bezirksbürger-meisters Marian Vanghelie, derselber Roma ist.

Neben der Politik von oben trittlaut den beiden SoziologinnenDragana Antonijevic und Ana Ba-ni-Grubiši auch immer wieder dasRoma-Klischee der Mehrheitsge-sellschaft „arm aber glücklich“auf. In ihrer Studie „Vicious circleof identity – Romani Hip Hop inSerbia between inclusion and ex-clusion“, die kürzlich im Rahmeneiner vidc-Veranstaltung im Wie-ner Ostklub präsentiert wurde,haben die beiden serbischen For-scherinnen die kulturelle Praxisdes „Roma Hip Hop“ in Serbienunter die Lupe genommen. „Seit2006 engagiert sich die britischeNGO ‚R-Point‘ und versucht eineMusikkultur von außen auf dieRoma-Kids zu übertragen“, er-zählt Bani-Grubiši. „Das Lebender Kids hat dabei weder etwas

mit dem Inhalt der Texte zu tun,noch hören sie die Musik in ihrerFreizeit.“ Dragan Ristic, Frontmander Belgrader Roma-Band „Kal“,bestätigt dies: „Außerhalb dieserNGO gibt es keinen Roma-HipHop.“ Antonijevic: „Unter 8000Einträgen im angesagtesten Hip-Hop-Forum in Serbien (www.radi-vizija.com) handeln nur eineHandvoll von Roma-Rap.“

Teil der ArmutsbekämpfungFür Barbora Cernušáková, Gene-ralsekretärin von Amnesty Inter-national, ist die Segregation derRoma ein Dorn im Auge: „In derSlowakei gehen die Roma-Schülerin separate Schulen, getrennt vonder Mehrheitsgesellschaft.“ Esgibt bereits konkrete Strategien ineinzelnen Ländern, doch es fehltan der Umsetzung, so Cernušáko-vá. Auch die Gewalt gegen Romadarf vom Staat nicht toleriert wer-den. Das würde sonst ein gefährli-ches Signal an die Gesellschaftsenden. Eine entscheidende Fragefür Valeriu Nicolae stellt sich hierauch im Hinblick auf den EU-

Fahrplan: „Wie will die Kommissi-on die Nationalstaaten zur Umset-zung bewegen? Werden Sanktio-nen kommen oder bleibt es beider Devise ‚sitzen und reden‘?“ Erverweist auf die im Jahr 2005 in-stallierte Dekade zur Inklusionder Roma, für die 12 europäischeNationalstaaten mit erheblichenRoma-Minderheiten unterschrie-ben haben. „Seitdem ist nichtspassiert.“

Hannes Swoboda sieht ein wei-teres Problem in der Eifersuchtvon anderen armen Menschen derEuropäischen Union, die im Ge-gensatz zu den Roma weniger imBlickpunkt stehen: „Es herrschenkatastrophale hygienische Zustän-de in den Roma-Siedlungen.Durch die Wirtschaftskrise sinddie Roma noch stärker unterDruck geraten. Man sollte abernicht den Fehler begehen und nurdie Roma unterstützen. Es bestehtein generelles Armutsproblem.Man sollte die Verbesserung derLage der Roma als Teil der Ar-mutsbekämpfung in Europa se-hen.“ ■

Roma auf einem selbstgebauten Elektrofahrrad in Tirana, Hauptstadt des EU-Beitrittskandidaten Albanien. Foto: epa