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RÄTSEL | MAGAZIN © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 5/2009 (39) | Biol. Unserer Zeit | 347 RÄTSEL O Tannenbaum stellen, ist der Muttergang. Bei sei- nem Bau fällt – wie generell beim Tunnelbau – Material an, im Fall unseres Rätseltieres Bohrmehl, welches nach draußen geschafft wird. Das erfolgt durch zwei bis vier Luftlöcher, die Muttergang und Außenwelt miteinander ver- binden. Wie ein Bagger befördern die Weibchen das Bohrmehl mit ihrem schaufelförmigen Hinte- rende nach außen. Jetzt ist auch für den Betrachter etwas zu erken- nen, und Fachleute können mögli- che Schäden abschätzen und ent- sprechende Maßnahmen einleiten. Die Entwicklung des Nachwuchses erfolgt von den Einischen bis ans Ende des Fraßganges der Larven und stellt eine Holometabolie dar. Im Extremfall kann eine Massen- vermehrung unseres Rätseltieres zum Tod des Organismus führen, in dem das bisher Dargestellte abläuft. Dessen sich ablösende äußere Hülle zeigt in geradezu or- namentalem Muster, wo alles ge- schah. Im Fall einer Dreierbe- ziehung sieht man Rammelkam- mer und zwei Mutter- sowie zahlreiche Larvengänge, im Fall einer Viererbeziehung sieht das Ganze wie ein Y aus, ebenfalls mit vielen Larvengängen. Unser Rätseltier ist polygam. Im Allgemeinen lockt ein Männchen zwei, bisweilen auch drei, im Ex- tremfall bis zu sieben Weibchen an und kopuliert mit ihnen in einer eigens dafür geschaffenen Höhle. Waren es zwei Weibchen, verlas- sen diese den Ort der Kopulation in entgegengesetzten Richtungen, das eine strebt meist gen Himmel, das andere gen Erdmittelpunkt. Auf ihrem bis über 10 cm langen Weg legen sie in recht regelmäßi- gem Abstand, mal links, mal rechts, bis einhundert befruchtete Eier ab. Zwischenzeitlich können weitere Kopulationen erfolgen. Am Ende dieser energiezehrenden Tätigkeit können die Weibchen ih- ren Weg verlängern und nehmen dabei in einem Regenerationsfraß Nahrung auf. Aus den befruchte- ten Eiern schlüpfen Larven, die sich rechtwinklig zum Weg der Mutter, die eine Hälfte nach links, die andere nach rechts, orientie- ren, heranwachsen und sich bald verpuppen. Nach einiger Zeit schlüpfen aus diesen Imagines, die in der Nähe einen Reifungsfraß durchmachen, und dann beginnt abermals, was bisher geschildert wurde. Das Ganze läuft im Regel- fall in Mitteleuropa zweimal im Jahr ab, es kann aber auch dreimal erfolgen. Personen, die sich berufsmäßig mit unserem Rätseltier auseinan- dersetzen, würden das Geschehen in einer etwas anderen Nomenkla- tur darstellen. Den Ort der Kopula- tion, den die Männchen erst mit ihren Kiefern geschaffen haben und der kurz unter der Oberfläche liegt, nennen sie Rammelkammer. Sie bleibt unserem Blick verbor- gen, Weibchen werden durch Phe- romone angelockt, die das Männ- chen produziert. Der Weg, den sich die begatteten Weibchen bah- nen und den sie sich beißend her- Unser Rätseltier ist ein kleiner, walzenförmiger Organismus von 4–5 mm Länge, dunkelbraun ge- färbt und dicht behaart. Das raster- elektronenmikroskopische Bild zeigt ihn im Portrait. Er kann flie- gen, bleibt aber meist in der Nähe seines Schlüpfortes. Er befällt fast ausschließlich einen Wirt, der über lange Zeit bei uns der Weihnachts- baum war, unter dem das Kinder- lied „O Tannenbaum“ gesungen wurde und wird. Wie heißt das Rätseltier, wie der Baum, den er fast ausschließlich aufsucht und den er bei uns schon hektarweise vernichtet hat? Volker Storch, Universität Heidelberg Schicken Sie bitte Ihre Lösung bis zum 25. November 2009 an die Redaktion “Biologie in unserer Zeit”, Föhrenweg 6, D-68305 Mannheim. Bitte keine Postfach-Anschriften angeben! Verlost wird dreimal... In Heft 4/2009 suchten wir: 1. Süßkartoffel (Ipomoea batatas) 2. Windengewächse (Convolvulaceae) Gewonnen haben Klaus Schöpfer, Wilhelmshaven Isolde Kamptmann, Oberrot Friedrich J. Zeller, Freising Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. ABB. Das Rätseltier mag Weihnachtsbäume.

O Tannenbaum

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R Ä T S E L | M AG A Z I N

© 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 5/2009 (39) | Biol. Unserer Zeit | 347

R Ä T S E L

O Tannenbaum

stellen, ist der Muttergang. Bei sei-nem Bau fällt – wie generell beimTunnelbau – Material an, im Fallunseres Rätseltieres Bohrmehl,welches nach draußen geschafftwird. Das erfolgt durch zwei bisvier Luftlöcher, die Muttergangund Außenwelt miteinander ver-binden. Wie ein Bagger beförderndie Weibchen das Bohrmehl mitihrem schaufelförmigen Hinte-rende nach außen. Jetzt ist auchfür den Betrachter etwas zu erken-nen, und Fachleute können mögli-che Schäden abschätzen und ent-sprechende Maßnahmen einleiten.Die Entwicklung des Nachwuchseserfolgt von den Einischen bis ansEnde des Fraßganges der Larvenund stellt eine Holometabolie dar.Im Extremfall kann eine Massen-vermehrung unseres Rätseltiereszum Tod des Organismus führen,in dem das bisher Dargestellte abläuft. Dessen sich ablösende äußere Hülle zeigt in geradezu or-namentalem Muster, wo alles ge-schah. Im Fall einer Dreierbe-ziehung sieht man Rammelkam-mer und zwei Mutter- sowiezahlreiche Larvengänge, im Fall einer Viererbeziehung sieht dasGanze wie ein Y aus, ebenfalls mitvielen Larvengängen.

Unser Rätseltier ist polygam. ImAllgemeinen lockt ein Männchenzwei, bisweilen auch drei, im Ex-tremfall bis zu sieben Weibchen anund kopuliert mit ihnen in einereigens dafür geschaffenen Höhle.Waren es zwei Weibchen, verlas-sen diese den Ort der Kopulationin entgegengesetzten Richtungen,das eine strebt meist gen Himmel,das andere gen Erdmittelpunkt.Auf ihrem bis über 10 cm langenWeg legen sie in recht regelmäßi-gem Abstand, mal links, malrechts, bis einhundert befruchteteEier ab. Zwischenzeitlich könnenweitere Kopulationen erfolgen.Am Ende dieser energiezehrendenTätigkeit können die Weibchen ih-ren Weg verlängern und nehmendabei in einem RegenerationsfraßNahrung auf. Aus den befruchte-ten Eiern schlüpfen Larven, diesich rechtwinklig zum Weg derMutter, die eine Hälfte nach links,die andere nach rechts, orientie-ren, heranwachsen und sich baldverpuppen. Nach einiger Zeitschlüpfen aus diesen Imagines, diein der Nähe einen Reifungsfraßdurchmachen, und dann beginntabermals, was bisher geschildertwurde. Das Ganze läuft im Regel-fall in Mitteleuropa zweimal imJahr ab, es kann aber auch dreimalerfolgen.

Personen, die sich berufsmäßigmit unserem Rätseltier auseinan-dersetzen, würden das Geschehenin einer etwas anderen Nomenkla-tur darstellen. Den Ort der Kopula-tion, den die Männchen erst mitihren Kiefern geschaffen habenund der kurz unter der Oberflächeliegt, nennen sie Rammelkammer.Sie bleibt unserem Blick verbor-gen, Weibchen werden durch Phe-romone angelockt, die das Männ-chen produziert. Der Weg, densich die begatteten Weibchen bah-nen und den sie sich beißend her-

Unser Rätseltier ist ein kleiner,walzenförmiger Organismus von 4–5 mm Länge, dunkelbraun ge-färbt und dicht behaart. Das raster-elektronenmikroskopische Bildzeigt ihn im Portrait. Er kann flie-gen, bleibt aber meist in der Näheseines Schlüpfortes. Er befällt fastausschließlich einen Wirt, der überlange Zeit bei uns der Weihnachts-baum war, unter dem das Kinder-lied „O Tannenbaum“ gesungenwurde und wird. Wie heißt dasRätseltier, wie der Baum, den erfast ausschließlich aufsucht undden er bei uns schon hektarweisevernichtet hat?

Volker Storch, Universität Heidelberg

Schicken Sie bitte Ihre Lösung bis zum 25. November2009 an die Redaktion “Biologie in unserer Zeit”, Föhrenweg 6, D-68305 Mannheim. Bitte keine Postfach-Anschriften angeben! Verlost wird dreimal...

In Heft 4/2009 suchten wir:1. Süßkartoffel (Ipomoea batatas)2. Windengewächse (Convolvulaceae)

Gewonnen haben • Klaus Schöpfer, Wilhelmshaven• Isolde Kamptmann, Oberrot• Friedrich J. Zeller, Freising

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

A B B . Das Rätseltier mag Weihnachtsbäume.