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278 | Pharm. Unserer Zeit | 4/2006 (35) www.pharmuz.de © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |
(Abb. 1), beide aus einer 4,6-Hexahy-droxy-biphenyl-(HHBP) und einer2,3,5-Nonahydroxyterphenyleinheit(NHTP) bestehend. Interessant sindihr Gerüst aus offenkettiger Glucoseund ihre gute Wasserlöslichkeit. DieGruppe um Quideaux fand nun her-aus, dass Vescalin, welches ebenfallsin der Eichenrinde vorkommt, ausVescalagin in 10%iger HCl/Wasser-Mi-schung nach einigen Stunden bei60 °C entsteht.
Interessanterweise behält die Hy-droxygruppe am C-1 ihre sterischeKonfiguration bei, wenn man Vesca-lagin bei 60 °C mit Ethanol versetzt.Es entsteht durch nucleophile Substi-tution an der C-1-Hydroxygruppe einVescalaginethyletherderivat mit β-Orientierung. Bemerkenswert ist,dass Castalagin unter denentsprechenden Bedingungen fastüberhaupt nicht reagiert. Als Begrün-dung führen die Forscher die nachinnen gerichtete Stellung der α-OH-Gruppe am C-1 an, was die Basizitätherabsetzt und intramolekulare H-Brückenbindungen begünstigt. Wohlkann aber Castalin zu Vescalin epi-merisieren und aus Castalin entstehtnach einigen Tagen neben Vescalindurch Elimination auch die SubstanzVescalen.Vor allem Vescalin und Vescalen, aber auch das Vescalagin-ethyletherderivat sowie verschiedeneandere, hier unerwähnt bleibendeVerbindungen zeigten eine vielfachstärkere Topoisomerase-II-Inhibitionals Etoposid. So führt Vescalaginschon in Konzentrationen von 10 µMzu einer 100 %igen Inhibition. Nunbleibt abzuwarten, was aus den viel
Die Topoisomerase II ist ein En-zym, welches das Ausmaß derSuperhelixbildung der DNA
bei der Zellteilung durch Spaltenund Wiederzusammenfügen derStränge reguliert. Etoposid be-
wirkt die Bildungeines stabilenKomplexes
zwischender DNA
und derTopoisomerase-II;
in der Folgekommt es zu definier-ten Doppelstrangbrü-
chen der DNA und da-mit zum Zelltod. Den Forschern ginges hier um die Gruppe der Ellagitan-nine, die bei einem pH von etwa 3-4aus Eichenfässern extrahiert werdenund anschließend entweder konden-siert, hydrolysiert und oxidiert wer-den.
Besonders untersucht wurde vorallem das von der Gallussäure ab-stammende Ellagitannin (-)-Vescalaginund sein C-1-Epimer (-)-Castalagin
versprechenden Ergebnissen wird –vielleicht ja deutlich besser verträgli-che und wirksamere Chemothera-peutika.
[1] Quideau, S. Jourdes, M., Lefeuvre, D., Mon-taudon, D., Sauceir, C., Glories, Y., Pardon,P., Pourquier, P. (2005) The Chemistry ofWine Polyphenolic C-Glycosidic Ellagitann-ins Targeting Human Topoisomerase II.Chem. Eur. J. 11: 6503-6513
E. Bennack, U. Holzgrabe, Würzburg
M E D IZ I N |Pathogenität desVogelgrippe-VirusH5N1Neue Studien beleuchten ein bis-lang wenig beachtetes Proteinvon Influenza-Viren, das aber erheblich zur Pathogenität des Virus beizutragen scheint.
Das derzeit weltweit verbreitete Vo-gelgrippe-Virus H5N1 verursachtzwar primär eine Tierseuche, aller-dings ist das Virus auch für Men-schen nicht ungefährlich. Zwar istdie Infektiösität des H5N1 für Men-schen gering, doch ist das Virus imMenschen hoch virulent: Von derderzeit registrierten 177 H5N1-Infek-tionen bei Menschen verliefen 98tödlich (= 55 %).
Das Genom des Influenza-A-Virusbesteht aus acht RNA-Segmenten, diefür insgesamt elf Proteine kodieren(Abb. 1). Die Virulenz des Influenza-Virus wird durch mehrere Viruspro-teine bestimmt, darunter Hämaggluti-nin (HA) und PB2, eine Untereinheitder Virus-spezifischen RNA-Poly-merase. Aminosäure-Polymorphismenim HA-Gen sind für den Tropismusder Viren verantwortlich, tragen aberauch zur Virulenz der Viren bei. Se-quenzvergleiche der PB2-Proteine ha-ben zu der Hypothese geführt, dassbestimmte Mutationen eine Adapta-tion eines Vogelgrippe-Virus an eineeffiziente Replikation in humanenZellen erleichtern könnte.
M E D IZ I N I S C H E C H E M I E |Ellagitannine als Topoisomerase- II-Hemmstoffe
Nachdem schon dem in Rotwein vorkommenden Resveratrol lebens-verlängernde Eigenschaften zugeschrieben werden, fand eine For-schergruppe um Stephane Quideaux vom Research Center for Molecu-lar Chemistry der Universität Bordeaux nun heraus, dass grundsätzlichWein, der in Eichenfässern lagert, bioaktive Komponenten enthält, diestärkere Topoisomerase-II-Inhibitoren sein sollen als das in der Krebs-therapie eingesetzte Etoposid [1].
OH
OHHO
OO
OH
HO
HO
O
O
HO
OH
OH
OO
O
O
OH
HO
HO
OH
OH
OH
O
O
R1
HHBP-Einheit
6 41
1'
III
II
I3'
6'
R1 = β-OH, VescalaginR1 = α-OH, Castalagin
NHTP-Einheit
G E R B S TO F F E |Ellagitannine gehören zu den so genannten Gerbstoffen, die –wie der Name schon andeutet – zum Gerben von Tierhäutenverwendet werden können. Gerbstoffe bilden dabei nicht-kovalente Komplexe mit Proteinen und denaturieren diese.Für den Biologen stellt sich hier die Frage nach der Abgren-zung zwischen spezifischer und unspezifischer Inhibition eines streng intrazellulären Enzyms durch ein wasserlöslichesGerbstoffmolekül.
Anmerkung der Redaktion
A B B . 1 Struktu-ren von Vescalaginund Castalagin.Beide Substanzenunterscheiden sichnur in der Stellungder OH-Gruppe amC1.
278_PHA_forschung_Ellagitanine 19.06.2006 8:09 Uhr Seite 278
| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G
Nun wurde möglicherweise eineweitere Komponente der hohen Vi-rulenz des H5N1-Virus im Menschenentdeckt. Obenauer et al. [1] habenin einem kleinen Genomprojektmehr als 2.000 einzelne Gene und169 komplette Genome von Vogel-grippe-Viren des Typs H5N1 sequen-ziert. Dabei fiel neben den bekann-ten Aminosäure-Variabilitäten in denHA- und NA-Proteinen ein weitererPolymorphismus auf, der lediglichvier Aminosäuren am C-Terminus desProteins NS1 betrifft. NS1 ist ein Pro-tein, das nur in infizierten Zellen ex-primiert wird und das nicht in das Virus eingebaut wird. Man wusste be-reits, dass NS1 verschiedene zelluläreMechanismen stört, die eine effektiveantivirale Antwort der Zelle ermög-lichen, darunter die Unterdrückungder Expression von Interferonen,NFκB und der durch Doppelstrang-RNA aktivierten Proteinkinase PKR.Nun wurde ein Sequenzmotiv am C-Terminus von NS1 identifiziert, dasals potenzieller Ligand für Proteinemit so genannten PDZ-Domänen fun-giert. Solche Proteine bilden durchdie Bindung ihrer PDZ-Domänen anandere Proteine Multiproteinkom-plexe, die in vielen zellulären Funk-tionen wie Signaltransduktion unddem intrazellulären Transport vonProteinen wichtige Rollen spielen.Obwohl die genauen Mechanismen,wie NS1 in die PDZ-Protein-vermittel-ten zellulären Vorgänge eingreift,nicht bekannt sind, könnte NS1 ent-scheidend zur Virulenz der Influenza-Viren beitragen. Sequenzvergleicheder in Vögeln hoch virulenten H5N1-Viren haben ergeben, dass der C-Ter-minus von NS1 fast immer die Se-quenz ESEV, ESKV, ESEI oder EPEVträgt. In menschlichen Influenza-Vi-ren findet man dagegen fast immerdie Sequenz RSKV. Die genannten fürH5N1 typischen Peptide binden anPDZ-Domänen, die in humanen Influ-enza-Viren dominierende SequenzRSKV jedoch nicht. Bemerkenswertist nun, dass es 21 Isolate von H5N1-Infektionen bei Menschen gibt, diedas NS1-Motiv EPEV tragen, und die-se Isolate stammen von den im Men-
schen hoch virulenten Stämmen derAusbrüche in Hong Kong 1997 bis1999. Weitere 12 Isolate mit demMotiv ESEV stammen von Patientenmit hoch virulenten H5N1-Stämmender Ausbrüche in Hong Kong, Thai-land und Vietnam in den Jahren2003/2004.
Interessanterweise trägt dashumane Influenza-Virus, das dieverheerende Pandemie 1918 aus-gelöst hatte, das NS1-SequenzmotivKSEV, die der Epidemien 1997 und2003 tragen die Sequenzmotive EPEVbzw. ESEV. Das bedeutet, dass die mitstarker Virulenz der Viren assoziier-ten Ausbrüche der humanen Influen-za von Viren verursacht wurden, diedas aviäre NS1-Motiv trugen.
Die Studie von Obenauer et al.[1] gibt wahrscheinlich einen weite-ren wichtigen Hinweis auf Eigen-schaften, die ein Influenza-Virus ha-ben muss, um im Menschen als hochvirulent aufzufallen. Die Kenntnis dernotwendigen Adaptationen kanndurch konsequente Seqenzierungvon Neuinfektionen verursachendenH5N1-Viren dazu beitragen, einenTrend zu Adaptationen an den WirtMensch frühzeitig zu erkennen undfür eine Epidemie oder gar Pandemiefrüher gerüstet zu sein.
Zwei andere, vor kurzem publi-zierte Studien bieten eine möglicheAntwort auf die Frage, warum dasVogelgrippe-Virus H5N1 (bislang)nicht effizient von Mensch zuMensch weitergegeben werden kann.Das humane Influenza-Virus bindetüber so genannte α2,6-Galactose-Re-zeptoren an die infizierten Zellen.Zellen mit diesem Rezeptor gibt es inden menschlichen Atemwegen über-all von der Nase bis in die Lungen.Das H5N1-Virus dagegen bevorzugtα2,3-Galactose-Rezeptoren. Bis vorkurzem war man der Meinung, dasses diesen Rezeptor im Menschenkaum gäbe. Die Teams um Shinya [2]und van Riel [3] konnten zeigen,dass wir den α2,3-Galactose-Rezepto-ren in der Lunge haben, und zwarnur in den Alveolen. Das H5N1-Viruskann also nur sehr tief gelegene Bereiche der Lunge infizieren und das
könnte eine Erklärung dafür sein,warum das H5N1-Virus nicht leichtüber Tröpfcheninfektion von Menschzu Mensch übertragen werden kann.Es sagt aber nichts darüber aus, wiewahrscheinlich es ist, dass das H5N1-Virus derart mutiert, dass es auchüber α2,6-Galactose-Rezeptoren denoberen respiratorischen Trakt desMenschen befallen kann und somiteine Eigenschaft gewinnt, die dasAuftreten einer Pandemie erheblichwahrscheinlicher machen würde.
[1] Obenauer, J.C., et al.: Large-scale sequenceanalysis of avian influenza isolates
[2] Shinya, K., et al.: Avian flu:Influenza virusreceptors in the human airway. Nature 440(2006), 435-436.
[3] van Riel, D., et al.: H5N1 Virus Attachmentto Lower Respiratory Tract. Science Mar 23(2006) [Epub ahead of print].
Thomas Winckler, Jena
© 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 4/2006 (35) | Pharm. Unserer Zeit | 279
Gensegmente:Nr. Länge codiertes Protein1 2.341 Basen PB2
2 2.341 Basen PB1, PB1-F2
3 2.233 Basen PA
4 1.778 Basen HA
5 1.565 Basen NP
6 1.413 Basen NA
7 1.027 Basen M1, M2
8 890 Basen NS1, NS2
Nucleoprotein(NP)
M1-Protein
Polymerase
PB2PB1PA
3'
M2-Tetramer
HA-Trimer
NA-Tetramer
(–)-RNA Nucleokapsid-Segment
(8)
1
2
3
4
5
6
7
8
5'
A B B . 1 Aufbau und Genom des Influenza-Virus. Die ProteineHämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA) bilden die we-sentlichen antigenen Determinanten des Virus. M1 bildet dieMatrix des Virus, in die ein Ionenkanal (M2) eingebettet ist.Die Proteine PA, PB1 und PB2 bilden die RNA-abhängige RNA-Polymerase, die binden im Viruspartikel an die 3’-Enden deracht RNA-Segmente. Das Nucleoprotein (NP) gedeckt die RNA-Segmente. NS1 und NS2 sind regulatorische Proteine, dienicht in das Viruspartikel aufgenommen werden.
278_PHA_forschung_Ellagitanine 19.06.2006 8:09 Uhr Seite 279