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Polizeistreik © 2004 Copyright by Paul Johann Abart A 5020 Salzburg, Norbert-Brüll-Straße 28/42 Zur unentgeltlichen Weiterverbreitung wird bei Angabe des Copyrights mit Namen und Wohnort des Autors sowie der Internet-Adresse http://members.telering.at/literatur und Verständigung des Autors jegliche Art der Reproduktion frei gestattet. Für jede entgeltliche Verwertung behält sich der Autor die Zustimmung vor. Es sind seltsame Phänomene in der Gesellschaft unserer Zeit zu beobachten. Alle positiven Leistungen werden als selbstverständlich hingenommen. Alle Unzulänglichkeiten werden scharf kritisiert. Und von einigen Berufsständen wird geradezu Vollkommenheit erwartet. Es sind dies zum Beispiel die Ärzte, das Pflegepersonal, die Beamten der Exekutive, die Lokführer, die

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Polizeistreik© 2004 Copyright by Paul Johann AbartA 5020 Salzburg, Norbert-Brüll-Straße 28/42Zur unentgeltlichen Weiterverbreitungwird bei Angabe des Copyrightsmit Namen und Wohnort des Autorssowie der Internet-Adresse http://members.telering.at/literaturund Verständigung des Autorsjegliche Art der Reproduktion frei gestattet.Für jede entgeltliche Verwertungbehält sich der Autor die Zustimmung vor.

Es sind seltsame Phänomene in der Gesellschaft unserer Zeit zu beobachten. Alle positiven Leistungen werden als selbstverständlich hingenommen. Alle Unzulänglichkeiten werden scharf kritisiert.

Und von einigen Berufsständen wird geradezu Vollkommenheit erwartet. Es sind dies zum Beispiel die Ärzte, das Pflegepersonal, die Beamten der Exekutive, die Lokführer, die Busfahrer, die Piloten, die Fluglotsen und mehrere andere.

Die Gesellschaft, deren Durchschnittsleistungen oberflächlich und mit einer relativ hohen Fehlerquote behaftet sind, fordert von gewissen Berufsständen fehlerfreie, vollkommene Leistungen. Nicht nur das, die Berufsstände, von denen Überdurchschnittliches erwartet wird, sollen mit ihren Leistungen auch

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bestimmten Vorstellungen der Gesellschaft entsprechen.

Ich habe mir vorgenommen, mich mit den Erwartungen, die an die Exekutive gestellt werden, auseinanderzusetzen. Und ich habe da manch Absurdes entdeckt. Auf einen einfachen Nenner gebracht könnte man sagen: Die Polizisten und Gendarmen sollen für unsere Sicherheit sorgen, aber sie sollen niemandem weh tun. Sie sollen auch keinem weh tun, der durch Gesetzesverstöße und gewaltsamens Auftreten eine Gefahr verkörpert. Man erwartet von den Sicherheitskräften Durchsetzungsvermögen, untergräbt aber zugleich ihre Autorität.

Und es gilt im besonderen, was ich eingangs allgemein gesagt habe: Daß uns die Exektuivbeamten weitgehend Ordnung und ein relativ friedliches Umfeld sichern, gilt als selbstverständlich. Dafür, daß sie Kriminelle mitunter hart anpacken und daß sich dabei nicht nur für die Beamten, sondern auch für die Kriminellen hohe Risken ergeben, werden die Beamten verurteilt. Wenn es um die Einforderung der Menschenrechte geht, scheint es so, daß die Kriminellen als Menschen gelten, die Beamten aber nicht.

Dabei ist es unklar, ob die Medien in dieser Verurteilung Vorreiter sind, oder ob sie der überwiegenden Meinung der Gesellschaft folgen. Mein

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Eindruck ist, daß die Medien in dieser Hinsicht meinungsbildend wirken.

Ich will dagegen die positiven Leistungen der Exekutive aufzeigen. Ich versuche dies damit, daß ich mit der Kriminalerzählung »Polizeistreik« zeige, wie drei Wochen unseres Alltags ohne Polizei aussehen würden. Darüber sollte man sich einmal Gedanken machen, wenn man einerseits das zu autoritäre Wirken der Polizei, andrerseits ihre zu geringe Durchschlagskraft beklagt.

Ich meine, Vollkommenheit darf nur verlangen, wer selber vollkommen ist.

Noch in meiner Kindheit wurden in Schulbüchern und in Feuilletons Helden der Berufsstände gefeiert. Nach meiner Erinnerung in zur Gegenwart umgekehrten Einseitigkeit. Warum bewegen sich Auffassungen und Haltungen der Gesellschaft immer pendelartig. Warum kann Ausgeglichenheit nie Bestand haben?

Die eigentliche Erzählung »Polizeistreik« ist frei erfunden. Das gilt für sämtliche einzelnen Handlungen wie auch für alle Namen. Übereinstimmungen mit der Wirklichkeit sind Zufall. Allerdings kann auch die lebhafteste Phantasie kaum kriminelle Handlungen hervorbringen, die in der Realität nicht schon vorgekommen wären.

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Inhaltsübersicht

Die einzelnen Abschnitte können mittels des Word-Suchsystems geöffnet werden.

EinleitungstexteVorgeschichte zu dieser GeschichteWiderstand gegen die Staatsgewalt nicht tolerierbarStammtischgesprächeUnzulängliche Hilfe für Exekutive durch GesetzeEigene Probleme mit der PolizeiResümee

Die KriminalerzählungDie GeldübergabeDas VerhörDie GerichtsverhandlungFortsetzung des ProzessesIm Namen der RepublikDer Prozeß gegen den Polizei-InspektorGegensätze zwischen Polizei und MedienDer StreikbeschlußDer Beginn des StreiksDie Sitten werden allmählich »rauer«Psychologische Betreuung»Das ist der Fluch der bösen Tat ...«Die Reaktion der MedienHerausforderung für die Ostbanden

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Brutale Einbrecher und DiebeEinbruch im VillenviertelNach dem ÜberfallDie MedienkonferenzMoldawier besetzen WohnungenChaosRückkehr zur NormalitätEin Hundeleben für AmandaWissen Sie, was Hunger ist?Wer ist für die Folgen des Streiks verantwortlich?Beendigung des StreiksPolizei wieder im EinsatzNeues StreitthemaDie Nachwehen

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Kriminal-ErzählungEinleitungstexte

von Paul Johann Abart

Vorgeschichte zu dieser Geschichte

Ein bekannter Schriftsteller – Gott hab’ ihn selig – wurde in der Salzburger Getreidegasse zu nächtlicher Stunde Zeuge einer Amtshandlung der Polizei. Irgendetwas mißfiel dem Schriftsteller dabei. Er hatte andere Vorstellungen vom freien Verhalten in der Öffentlichkeit als die Polizei. Er mischte sich in die Amtshandlung ein und wurde dadurch natürlich selber Objekt einer Amtshandlung. Ob er sich für einen bedrängten Nobody engagieren wollte, oder ob er aus Publicity-Gründen die Konfrontation suchte, blieb unbekannt. Jedenfalls hatte der Schriftsteller H.C.A. die Medien auf seiner Seite.

Ein Schweizer Manager, der in Salzburg unübersehbar dem Alkohol zugesprochen hatte, wurde von der Polizei beanstandet. Er beschimpfte die Polizisten. Diese forderten die Ausweisleistung, die der Manager verweigerte. Der Manager wurde verhaftet. Er beklagte sodann, daß er mißhandelt worden sei. Es kam schließlich zu einer Gerichtsverhandlung, die zugunsten der Polizisten endete. Aus Medienberichten

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konnte man zwischen den Zeilen herauslesen, daß das Gericht die Polizisten begünstigt, also parteiisch geurteilt habe.

Eine Akademikerin fuhr mit dem Fahrrad in Salzburg auf einem Steg, auf dem Fahrverbot besteht, über die Salzach. Über die Beanstandung durch die Polizei empörte sie sich in einem Leserbrief.

Ein Gesangsstudent der Hochschule Mozarteum in Salzburg lieferte nach Beanstandung durch einen Polizisten eine filmreife Szene. Er radelte die letzten Meter auf dem Weg zur Schule auf dem Gehsteig, und er ignorierte die Aufforderung des Polizisten, stehen zu bleiben. Der Student eilt ins Hochschulgebäude. Der Polizist folgt ihm. Im Gebäude kommt es zu einem Gerangel. Polizist und Student balgen sich auf dem Fußboden. Der Student springt schließlich aus dem Fenster. Medien stellten sich auf Seite des Studenten: Die Amtshandlung sei überzogen gewesen. Vom Gericht wurde der Student aber schließlich verurteilt.

In Saalfelden am Steinernen Meer wollte die Gendamerie in eine Schlägerei, in die 15 Burschen verwickelt waren, beruhigend eingreifen. Zwei der Burschen – sie waren betrunken – pöbelten die Beamten an, einer versetzte einem Beamten Faustschläge ins Gesicht. Die beiden Burschen wurden – so ein kurzer Pressebericht – wegen Körperverletzung und Störung der öffentlichen Ordnung auf freiem Fuß angezeigt. Die Medien gaben Sachberichte.

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Ein Punker-Pärchen, 20 und 18 Jahre alt, randalierte und beschädigte in der Stadt Salzburg ein Polizeiauto. Gegen massiven Widerstand wurden die beiden von Polizisten überwältigt. Da kam den Randalierern ein dritter Punker mit Hund zu Hilfe. Der Hund biß einem Beamten ins Gesäß. Schließlich mußte der Hund erschossen werden. Die meisten Medien gaben urteilsfreie Berichte.

Ein Mann hatte sich vor einem Bankomaten in Wien auffällig verhalten. Bei Anhaltung durch die Polizei habe er renitent reagiert. Er wurde zu Boden gedrückt und starb infoge der Gewaltanwendung. Man stellte Suchtgift und Spritzampullen sicher. Nach Belastung durch Zeugen und einer Anzeige der Schwester des Verstorbenen müssen sich die Beamten verantworten.

In Bergheim bei Salzburg fuhr ein verfolgter Einbrecher auf einen Gendarmen zu und streifte ihn. Der Gendarm schoß auf den Kriminellen und traf ihn tödlich. Der Beamte wurde vom Gericht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

In Stockereau wurden zwei Russen nach einem Raubüberfall auf ein Geschäft von der Gendarmerie verfolgt und gestellt. Einer der Gendarmen schoß in angeblicher Notwehr auf die Räuber. Er wird sich wegen dieser Notwehr-Handlung verantworten müssen.

In Wien versuchte die Polizei Verdächtige festzunehmen, die anscheinend Einbruchsziele auskundschafteten. Einer der Verdächtigen konnte, nachdem die beiden geflüchtet waren, festgenommen

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werden. Zuvor hatte aber einer der Kriminellen einem Beamten die Dienstwaffe entwendet und zwei Polizisten schwere Schußverletzungen zugefügt. Der Mann wies sich als Kroate aus, stammte aber aus Bosnien und war der Polizei überdies durch Drogen- und Einbruchsdelikte bekannt. Bei der Suche nach dem Komplizen geriet ein unbeiligter Tunesier ins Visier der Polizei, dem schließlich ein Polizist ins Bein schoß. Er soll auf die Beamten eingeschlagen haben und davongerannt sein. Die Medien gaben kritische Berichte über das Verhalten der Polizei.

Ein Russe war bereits mehrmals, unter anderem wegen Körperverletzung und Brandstiftung, abgeschoben worden. Zuletzt wurde er von Beamten des Gendarmerie-Einsatzkommandos bis Moskau begleitet. Dennoch gelang es dem Russen erneut, nach Innsbruck zurückzukommen. Wie ist dies möglich? Er war zurückgekommen, um sich zu rächen. Er lauerte dem Leiter der Fremdenpolizei in der Polizeidirektion Innsbruck auf und schlug diesem mit einem Wasserhahn in einem Plastiksack auf den Kopf. Zwei weitere Beamte wurden verletzt. Als er niedergerungen und gefesselt war, fügte er einem Kriminalbeamten noch eine Bißwunde zu. In den Medien gab es Sachberichte.

Nach dem Tod eines Afrikaners infolge angeblicher Mißhandlung durch die Polizei wurden die betreffenden Polizisten durch ein Tribunal des UVS (des Unabhängigen Verwaltungsenats) Wien angezeigt.

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Und es wurde die Plattform »Gerechtigkeit für C.W.« gegründet. Über die Mißhandlung gibt es Viedeoaufnahmen. Solche Folgen sollten tunlichst vermieden werden. Aber der Afrikaner, ein Atomphysiker, soll sich immerhin gegen die begründete Amtshandlung mit Körpergewalt gewehrt haben. Medien berichteten kritisch gegen die Beamten.

Nur ausnahmsweise reagieren die Medien positiv auf Polizeiaktionen, etwa wenn der Exekutive ein Schlag gegen die Ost-Mafia gelingt. Immerhin wurden 1992 nach der Wende in Osteuropa im Westen eine Million Fahrzeuge gestohlen. Seit längerem konzentriert sich die organisierte Kriminalität auf Drogenproduktion und Drogenhandel, Waffenhandel, Schlepperei und Menschenschmuggel. Kleinere Banden auch auf Diebstahl wertvoller Waren. Es wird nächtens in Textilhandlungen, in Schmuck- und Uhrengeschäfte, in Optikerbetriebe, in Computerfachgeschäfte und ähnliche eingebrochen und womöglich ein Großteil des Warenlagers abtransportiert. In Österreich treiben hauptsächlich Banden aus Bulgarien, Rumänien und Polen ihr Unwesen. Verständlicherweise gelingt es der Polizei aber selten, dieser profimäßig arbeitenden Banden, die sich oft aus Angehörigen der ehemaliger Polizeiorganisationen des Ostblocks rekrutieren, habhaft zu werden.

Damit wollte ich einen kleinen Querschnitt über Widerstände gegen das Wirken der Exekutive und der

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Resonanz in den Medien geben. Die Geschehnisse laut den ersten drei Berichten liegen schon länger zurück. Ich schrieb sie aus der Erinnerung – entsprechend unzuverlässig. Für die weiteren Schilderungen liegen mir Presseberichte aus 2002 bis 2004 vor.

Widerstand gegen die Staatsgewaltnicht tolerierbar

Es fällt die Neigung der Medien auf, jene zu unterstützen, die sich unbotmäßig gegenüber der Polizei oder Gendarmerie verhalten. Treffen in Gerichtsverhandlungen gegensätzliche Aussagen von Beamten und von Bürgern, gegen die Amtshandlungen gerichtet waren, aufeinander, dann werden solche Konfrontationen von den Medien oft so dargestellt, als wären die Aussagen aufmüpfiger »Bürger« eher glaubwürdig als die der Beamten. Umgekehrt, wenn Beamte durch den Widerstand gegen ihr Amtshandeln in Bedrängnis geraten und durch verschiedene Risken gefährdet sind, werden darüber nur neutrale Berichte gegeben.

Ich meine, daß das Wirken der Exekutive von den Medien gerechter beurteilt und, soweit Anlaß gegeben ist, anerkannt werden sollte. Widerstand gegen die »Staatsgewalt« sollte als solcher in der öffentlichen Meinung grundsätzlich verurteilt werden. Die

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Reaktionen der Exekutive auf Widerstand dürfen in jedem Einzelfall ja gesondert beurteilt werden. Aber vorab sollte der Widerstand gegen die Staatsgewalt unabhängig von der Amtshandlung im übrigen scharf verurteilt werden. Es gilt auch zu bedenken, daß Polizisten oder Gendarmen oft auch mit rücksichtslosem aggressiven Verhalten konfrontiert sind, wobei sie um ihre Unversehrtheit, ja um ihr Leben fürchten müssen. Und wenn es auf Gewalt gegen Gewalt ankommt, dann sind Emotionen nicht so einfach unterdrückbar und die Reaktion der Exekutive ist nicht immer exakt dosierbar.

Stammtischgespräche

Die Haltung der Medien hat auch Einfluß auf das Verhalten der Bevölkerung. (Oder umgekehrt? Oder sowohl – als auch –?) Wenn Widerstand gegen die Staatsgewalt in den Medien als in gewissen Fällen tolerierbar dargestellt wird, dann wird eine entsprechende Meinung in der Bevölkerung gefördert. Ebenso wie wenn der Exekutive »fragwürdige« Methoden unterstellt werden.

Dieser Einfluß war für mich aus zahlreichen Gesprächen erkennbar. Ich möchte die Eindrücke daraus hier durch Schilderung fiktiver Stammtischgespräche wiedergeben:

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Eine Runde von »Hacklern« sitzt in einem Beisl am Stammtisch beieinander. Biedere Leute, die sich nach einem harten Arbeitstag bei Bier und Unterhaltung zu entspannen suchen. Besonders beliebt sind dabei natürlich ungewöhnliche Beiträge zur Unterhaltung. An diesem Abend wußte einer die Beobachtung einer Polizeiaktion zu erzählen. Zwei Polizisten hätten zwei junge Burschen verfolgt. »Wås dei vabro(u)chn håm, woaß i net.« Die Polizisten hätten jedenfalls die Burschen eingeholt. »Im Lafn sans guat«, bemerkte einer in der Runde. Der Erzähler weiter: »Wia s’ as dawischt håm, håm sie deї gwehrt. Båld san s’ ålle aufm Bo(u)dn gleїgn, d’ Polizisten und die Gängster. Dånn håt auf amoi oana vo deї Falo(u)tn a Messa in da Hånd g’håbt. Wia er deїs aufmåchn håt kinnan, håb i net gseh(g)n. Oana vo die Polizisten håt’s gmerkt und håt in die Luft gscho(u)ssn. Då is der mit ’n Messa davo. Åba då håt ma’s scho ghert, tatü tatü, då is scho Vastärkung kemman. Då håm deї zwoa Polizisten den, den s’ nou g’håbt håm, glei richtig påckt. Oana håt eahm den Arm zruck draht. Åba da åndere hätt fåst no(u) an Håkn kriagt. Da håbn s’ ’n aufn Bo(u)dn gworfn und eahm die Hånd zruckdraht.« »Zwoa gegn oan, åndersch dapåckn s’ as net«, bemerkte einer. Der Erzähler weiter: »Då håm die andern drei, die Vastärkung, den zweiten Gängsta bråcht.« »Fünf Bullen gegen zwoa! Daß sa se net genieren!« bemerkte einer aus der Runde.

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So unsachlich wird oft in der Bevölkerung argumentiert. »Fünf Bullen gegen zwei Festzunehmende.« Allein die Benennung »Bullen« ist für jeden ordnungsliebenden Staatbürger ärgerniserregend. Schließlich üben Polizisten und Gendarmen einen risikoreichen Dienst für unsere Sicherheit aus.

Und inhaltlich zeugt das Argument »fünf gegen zwei« von wenig Kenntnis der Bedingungen der Exekutive. Polizisten und Gendarmen haben Delinquenten möglichst schonend zu behandeln, während jene, die »Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten«, mitunter rücksichtslos vorgehen und – wie sich vereinzelt immer wieder zeigt – auch vor Totschlag und Mord nicht zurückschrecken.

Die Straße, an der ich wohne, die Norbert-Brüll-Straße in der Stadt Salzburg, ist nach einem Polizisten benannt, der bei Verfolgung eines Kriminellen erschossen wurde. Er hinterließ Frau und Kind.

Kriminelle festzunehmen und gleichzeitig zu schonen ist nur durch eine Übermacht der Polizei oder Gendarmerie möglich.

Aus einer fiktiven Stammtischrunde kleiner Unternehmer:

Einmal wöchentlich nimmt sich eine Gruppe kleiner Selbständiger Zeit zu geselligem Zusammentreffen. Streng genommen, fehlte ihnen die Zeit dazu. Aber sie brauchen auch Entspannung und Gelegenheit, sich

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durch Besprechung von Unternehmer-Problemen gegenseitig zu stützen. Allzusehr haben sich in den letzten Jahren die Bedingungen verschlechtert. Der Steuerdruck, die Konkurrenz der Konzerne und anderes mehr machen den kleinen Unternehmern zu schaffen.

»Wås is, Heini, trink ma no(u) a Hålbe?« frägt Franz.»Na, iatz amoi net, i muaß aufpassen«, antwortet Heini.»Jå iatza, aufpassen muaßt? Håt da goa da Do(u)kta ‘s Trinkn vabo(u)ten?«»Na, da Do(u)kta nit, oba i håb gestern zur Polizei müassn.«Man wird aufmerksam in der Runde. Fragen werden durcheinander an Heini gestellt: »Wiaso(u) des?« »Wås håst denn ångstöllt?« »Wås hom denn deї vo dir wo(u)lln?« und so weiter.Und als Heini zu erzählen beginnt, wird es still in der Runde. Alles lauscht gespannt: »Wia i vo insern letzten Ståmmtisch hoamgfahrn bin, bin i bei oana Verkehrskontrolle vorbei kemman. Deї hom mir åba so(u) knåpp zan Ånhåltn gwinkt, daß i fåst notbremsen hätt’ müassn. Ålso bin oafach weitagfåhrn. I hätt net ins Rehrl blåsn mögn. Des kinnt ’s eich denkn. I bin ålso davo. Håt net lång dauert, håb i gmerkt, daß mi deї Kiberer mit an Streifnwågn vafoigt hom. Des wår grod voa da Kurgåssen. Wißt ’s eh, deї is am Ånfång fåst z’schmoi fürn Gegenverkehr. Wia i åbbo(u)gn bin, håb i scho an LKW entgegenkemman g’seh(g)n. ›Des paßt‹, hob i ma denkt. ›Bis deї füranånderkemman, bin

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i dahoam‹, hob i ma denkt. Und i hob s’ dånn scho dahoam vom Fenster aus gseh(g)n, wias auf an Umweg daherkemman san. Sie san am End vo da Kurgåssn nur kurz steh bliebn und san dånn ohne Folgetonhorn weidagfåhrn. Es wird eahna klår gwesn sei, daß der längst weg wår. Oba ’s Kennzeichn hom sa sie do(u) aufgschriem. Wei am zwoatn Tåg danoch håb i a Vorlådung in d’ Polizeidirektion kriagt. Då håb i gnua Zeit g’hob zan Überlegn, wia i des ånpåckn werd. I håb ma a vorgnumman, daß i mi ganz dumm stöll.«»Då wirst di net schwar tå hom«, witzelte Franz.»Gib a Ruah, deї Såch is zu ernst«, ermahnte ihn Richard.»Und wia is da gången bei da Polizei?« fragte Schorsch.Heini erzählte weiter: »Zerscht hom s’ ma vorghåltn, daß i aufs Håltesignal eines Beåmten net reagiert hätt. Då håb i erklärt, daß i gmoat hätt, sie hättn den hinter mir aufhåltn wolln. I hätt jå går nimmer steh bleim kinnan. Dånn hom s’ weiter gfrågt warum i net steh bliebn bin, wia s’ ma mit Blauliacht und Folgetonhorn nåchgfoahrn san. Da håb i gsågt, daß i eh Plåtz gmåcht håb. I bin eh glei in die Kurgåssn einigfåhrn, durch dei i sunst nia hoamfåhr, wei ma oft net durchkimmt. Dånn håt no(u) oana vo die Beåmtn gfrågt, ob i net auf die Idee kumman war, daß der Einsåtz mir gegolten håt. ›Mir?‹ håb i gfrågt. Und dånn håb i recht dumm dreigschaut und gsågt: ›Mir? Na, i hätt ma nit denkn kinnan warum.‹ Dånn homs no(u) überlegt und

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schließlich håt oana a Protokoll gschriebn. Des håb i unterschreim müassn. Dånn håb i geh dürfn. Leider håb i neahma ins Rehrl blåsn dürfen. Des Ergebnis war natürli einwåndfrei gwesn. Und iatz trink i a poar Wo(u)chn neamma. Wißt’s eh, da Teifl schlåft nit.«

Damit wollte ich die öffentliche Meinung, nach der Polizei und Gendarmerie oft zu wenig ernst genommen werden, in eine kleine Geschichte verpacken. Auch die Benennung »Kiberer«, die man oft – wie in diesem Fall falsch angewendet (Kiberer ist in der Gaunersprache ein Kriminalbeamter) – zu hören bekommt, bezeugt die Respektlosigkeit. Allzu oft entschließen sich auch biedere Bürger, die ihrer Meinung nach ein Kavaliersdelikt begangen haben, zur Flucht vor der Exekutive, wenn sie eine Möglichkeit dazu sehen. Aber wenn sie von irgendeinem Delikt, zum Beispiel von einem Diebstahl oder Einbruch, betroffen sind, erwarten sie, daß die Polizei ganze Arbeit leistet. Andrerseits wollen sie aber nicht einsehen, daß Razzien zur Fahrzeugkontrolle und gegen Alkohol am Steuer der allgemeinen Sicherheit dienen. Alkoholisierte Fahrer haben oft schon Schlimmeres angerichtet als Diebe. Aber jeder, der getrunken hat, meint, er würde trotzdem sicher fahren. Mancher behauptet, er würde leicht alkoholisiert sogar besser fahren als nüchtern. Die Statistik der Toten und Verletzten durch Verschulden von »Alkolenkern« belehrt uns aber eines anderen.

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Unzulängliche Hilfe für Exekutivedurch Gesetze

Es hat lange gedauert, bis zum Beispiel das Vermummungsverbot bei öffentlichen Demostrationen in einen Gesetzesbeschluß gefaßt wurde. Durch dieses Zögern hat der Gesetzgeber selbst den Widerstand gegen die Amtsgewalt erleichtert.

Diese Großzügigkeit war nach meiner Meinung demokratiefeindlich. In der Demokratie hat doch jeder das Recht der freien Meinungsäußerung. Er braucht sich also nicht zu vermummen oder im Fall verbaler Kritik hinter der Anonymität zu verbergen. Es darf doch angenommen werden, daß jemand, der ein Versteck sucht, Unredliches vorhat. Das gehört zum Schutz der Demokratie und ihrer ordentlichen Bürger aufgedeckt. Aber eben dies wird erschwert, wenn man »Verstecke« anbietet. Argumente, daß damit der Gewalt erst recht Vorschub geleistet würde, sind nicht gerechtfertigt. Denn dann müßte man in letzter Konsequenz auf Exekutivorgane überhaupt verzichten. Was aber ohne Exekutive geschehen würde, versuche ich hier, in der eigentlichen Kriminalerzählung darzustellen.

Zu beanstanden ist auch, daß man Bedenken gegen Videoüberwachung sicherheitspolitisch neuralgischer

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Treffpunkte hat und daß Videoaufzeichnungen nicht gegen Delinquenten verwertet werden dürfen. Warum so zaghaft? Warum hat man Bedenken, Rowdys aufzudecken? Wer nicht gewillt ist, sich korrekt zu verhalten, soll doch aufgedeckt werden. Man mutet lieber ordentlichen Bürgern zu, sich von Rowdys anpöbeln oder attackieren zu lassen. Wer sich ordentlich verhält, wird durch die Videoüberwachung keine Probleme bekommen, und wer nicht, soll sie doch bekommen. Freilich könnten durch Ähnlichkeit im Aussehen auch Schuldlose eines strafwürdigen Verhaltens verdächtigt werden. Aber wenn man dies befürchtet, dürften auch keine Fahndungsfotos oder –zeichnungen zulässig sein.

Berechtigte Bedenken gegen die Videoüberwachung wären allenfalls, daß sich Rowdys und Randalierer von überwachten Zonen fernhalten und sich andere Treffs suchen. Dagegen wäre eine flexible Überwachung wie etwa die Geschwindigkeitsüberprüfung mittels Radar hilfreich.

Anders verhält es sich zum Beispiel mit dem Lauschangriff gegen (seriöse) Zeitungen. Durch Zeitungen wurde schon manche Unlauterkeit von Personen aufgedeckt, die Macht über öffentliche Gelder und öffentliche Einrichtungen ausüben. Was tut ein Insider, dem Malversationen durch mächtige Vorgesetzte bekannt werden, die im öffentlichen Interesse aufgedeckt gehören. Sich an eine Zeitung zu

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wenden, war oft die einzige mögliche und wirksame Initiative. Solche Aktionen könnten durch Lauschangriffe erschwert werden.

Andrerseits wurden durch Lauschangriffe bereits kriminelle Banden aufgedeckt.

Eigene Probleme mit der Polizei

Wenn ich kritisieren will, daß die Exekutive in der Gesellschaft zu wenig respektiert wird, dann muß ich wohl darauf verweisen können, daß ich es selbst nie am nötigen Respekt ermangeln habe lassen.

Allerdings war es während meiner Kindheit und in meiner Jugendzeit ein allgemein verbreiteter Grundsatz, daß man Polizei und Gendarmerie Respekt entgegenzubringen hat. Das mag noch eine gewisse Nachwirkung aus der Nazizeit gewesen sein. Verglichen mit den Verhältnissen der Gegenwart hatte dieser grundsätzliche Gehorsam aber auch sein Gutes. Die Zeit der Willkür war vorbei, Polizisten und Gendarmen verstanden sich aber als Ordnungskräfte, deren Weisungen zu befolgen waren. Es wäre – vielleicht von einzelnen Asozialen abgesehen – undenkbar gewesen, Polizisten oder Gendarmen zu beschimpfen oder gar, sich mit Körperkraft gegen eine Amtshandlung zur Wehr zu setzen oder einen Polizisten oder Gendarmen körperlich zu attackieren.

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1.) Meine erste Beanstandung durch einen Gendarmen erfuhr ich als Lehrling im Alter von fünfzehn Jahren (im Jahr 1951) in Hartberg in der Oststeiermark. Ich hatte mein erstes Fahrrad, ein »Waffenrad« Marke Puch, erworben und eine große Urlaubsfahrt mit einem Freund geplant. Vor dieser Fahrt wollte ich die Fahrradbeleuchtung ausprobieren. Das war aber im Sommer, als es erst spät dunkel wurde, erst zu später Stunde möglich. Ich mußte also erst die Dunkelheit abwarten und wollte sodann meine Versuchsfahrt auf einige Kilometer außerhalb der Stadtgrenze ausdehnen. Knapp außerhalb der Stadt wurde ich von einem Gendarmen angehalten. Er belehrte mich, daß ich als Jugendlicher zu so später Stunde den Wohnort ohne Begleitung durch einen Erwachsenen nicht verlassen dürfe. Ich teilte dem Beamten noch mit, daß ich vor kurzem mittels Ersparnissen aus der Lehrlingsentschädigung das Rad erworben und daß ich gerne einmal die Beleuchtung ausprobiert hätte. Der Beamte belehrte mich, daß ich die Vorschriften einzuhalten hätte. Dieses kleinliche Beharren auf den Vorschriften erregte in mir zwar einen gewissen Unmut, denn ich hatte auf meinem Lehrplatz hart zu arbeiten wie ein Erwachsener, aber unter schlimmeren Bedingungen (Beschreibung in dieser Homepage: »Hinter dem Ofen« und »Deprimierend«), und ich mußte nun eine solche Einschränkung hinnehmen. Trotzdem war für mich klar, daß ich der Anordnung widerspruchslos zu folgen

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hatte. Ich hätte anderenfalls mit schlimmen Folgen rechnen müssen. Von der gesetzlich vorgesehenen Reaktion abgesehen, hätte sich der Beamte in dem kleinen Städtchen privat bei meinen Vorgesetzten auf dem Lehrplatz beschweren können. Damit hätte er mir dort nachhaltig Unannehmlichkeiten verursacht. Er hätte mir aber auch einfach eine Ohrfeige geben und mich rüde heimschicken können – dagegen hätte es damals kein »Rechtsmittel« gegeben.

2.) Mein nächster Verstoß gegen Vorschriften wurde von der US-Militärpolizei beanstandet. Ich hatte im Urlaub 1951 gemeinsam mit einem Freund per Fahrrad die geplante Österreich-Rundfahrt, für die ich die Fahrradbeleuchtung ausprobieren hatte wollen, unternommen. (Während man sich auf meinem Lehrplatz ansonsten kaum um arbeitsrechtliche Vorschriften kümmerte, wurde mir der Urlaub jeweils in vollem Maß gewährt.) Auf der Strecke Unken – Salzburg kamen wir an der Abzweigung nach Berchtesgaden vorüber. Angesichts des Wegweisers erinnerte ich mich, daß ich im Dezember 1939 während der Umsiedlung aus Südtirol mit meiner Mutter in einer Unterkunft in Berchtesgaden interniert war. Als Vierjähriger konnte ich damals zum letzten Mal einige Wochen gemeinsam mit meiner Mutter verbringen. Dann erkrankte sie schwer. Ich hätte diese Stätte gerne aufgesucht, und ich trennte mich daher von meinem Freund mit der Absicht, daß wir uns in Salzburg wieder treffen würden. Als ich Berchtesgaden erreichte, mußte

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ich einsehen, daß es zu spät geworden wäre, wenn ich diese Unterkunft, die einer Pension geglichen hatte, aufgesucht hätte. Ich fuhr also weiter. An der Grenze wurde ich von einem gut deutsch sprechenden amerikanischen Militärpolizisten belehrt, daß ich von der Strecke über Reichenhall nicht abweichen hätte dürfen. Ich erläuterte den Grund, aus dem ich über Berchtesgaden gefahren war. Er prüfte meinen Identitätsausweis (den damals in Österreich von den Besatzungsmächten anerkannten Personalausweis) und erklärte mir, daß es Schwierigkeiten geben werde. Er ging mit dem Ausweise ins Gebäude. Nach geraumer Weile kehrte er zurück und deutete mir, daß ich weiterfahren dürfe. Vielleicht war man wegen meines armseligen Aufzuges, und auch, weil ich die weite Strecke aus der Oststeiermark mit dem Rad gekommen war, nachsichtig. Die Oststeiermark war zunächst »russische« Besatzungszone gewesen. Mir war daher geläufig, daß man sich gegen die Besatzer devot zu verhalten hatte.

3.) Die nächste Beanstandung traf mich etwa drei Jahre später in Innsbruck. Ich besuchte damals die Maturaschule in Stams (nachzulesen in dieser Homepage auf der HTM-Seite »Wer ist der Abart II?«) und war mit dem Fahrrad zu einer Zahnbehandlung in der Universitätsklinik nach Innsbruck gefahren. Es war für mich ungewohnt, im Verkehr der Stadt zurechtzukommen. Es war mir zwar bekannt, daß man bei Rot nicht über die Kreuzung fahren durfte, aber ich

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wußte nicht, wie es sich mit dem Rechts-Abbiegen verhielt. Ich war unsicher, weil ich beobachtet hatte, daß bei Grün Linksabbieger aus der Gegenrichtung die Fahrspur, in die ich abbiegen wollte, beanspruchten. Also bog ich bei Rot rechts ab. Ich achtete darauf, daß ich dabei niemanden behinderte. Und der Polizist, der die Ampelschaltung betätigte, beanstandete dies nicht. Nach dem nächsten Rechts-Abbiegen hielt mich aber ein Polizist an. »Woasch net ...?« fragte er mich. Ich konnte nur einwenden, daß der »Gendarm« an der vorigen Kreuzung dies nicht beanstandet habe. »Sou, der Gendarm!« meinte er verwundert. Woher ich komme, fragte er weiter. Aus der Maturaschule Stams, der Schulbesuch würde mir durch Stipendien ermöglicht, und ich müsse aus Kostengründen die Universitätsklinik zur Zahnbehandlung aufsuchen. Ich nahm den Schal von meiner stark angeschwollenen Backe. Mit spöttischem Lachen machte sich der Beamte darüber lustig, daß ich als Maturaschüler den Unterschied zwischen einem Gendarm und einem Polizisten nicht kannte und außerdem über die einfachsten Verkehrsregeln nicht Bescheid wußte. Darauf hin konnte ich natürlich nur betroffen schweigen. Die vorgesehene Organmandats-Strafe mußte ich zahlen. Wie hoch sie war, ist mir nicht in Erinnerung. Ich hatte gerade genug Geld bei mir. Die Blöße, die ich mir gegeben hatte, »wurmte« mich noch lange. Zugleich tröstete ich mich damit, daß ich ja nie Gelegenheit hatte, die Wissenslücken, über die sich der

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Polizist lustig gemacht hatte, auszufüllen. Ich war auf dem Land aufgewachsen und eine Reise in die Landeshauptstadt wäre viel zu teuer und zu langwierig gewesen.

4.) Im Dezember 1954 ergab es sich, daß ein Beamter ausgetrickst wurde. Das war allerdings kein Beamter der Exekutive, sondern ein Tiroler Landesbeamter, der die Führerscheinprüfung abnahm. Ich war vorübergehend in Kufstein, damals noch als Konditor, beschäftigt und hatte dort die Fahrschule besucht und die Führerscheinprüfung abgelegt. Ich war daher mit den örtlichen Gegebenheiten noch zu wenig vertraut. Ich fuhr auf einer Nebenstraße, die leicht ansteigend in eine Hauptstraße einmündete. Es war bereits dunkel. Neben mir saß der Fahrlehrer, der im Fahrschulwagen auch über Kupplungs- und Bremspedal verfügte. Der Prüfer saß im Fond. Langsam, auf den Querverkehr achtend, fuhr ich auf die Hauptstraße zu. Ich hatte bereits abgebremst und rollte die letzten Meter im Dosierungs-Spiel von Gas und Kupplung auf die Einmündung zu, als der Wagen plötzlich zum Stillstand kam. Gleichzeitig entdeckte ich eine Stop-Tafel. Der Fahrlehrer hatte also unauffällig gestoppt. Ich trat dankbar und ebenso unauffällig auf Kupplung und Bremse. Eigentlich hätte der Prüfer hören müssen, daß drei Füße am Werk gewesen waren. Je einer auf Kupplung, Bremse und dem Gaspedal. Denn einen Augenblick war der Motor zu laut. Aber der Prüfer beachtete es nicht. Als ich

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dann auf der Hauptstraße unterwegs war, fragte ich mich, warum mir der Fahrlehrer geholfen habe. Ich nahm an, weil ich sowohl im Unterricht als auch in der Theorieprüfung alle Fragen bestens beantwortet hatte. Und der Fahrlehrer wußte auch, daß ich noch nicht lange in Kufstein lebte. Oder vielleicht hatte ihn erst meine schnelle Reaktion bewogen, den Fehler nicht aufzudecken. Hätte ich die Situation nicht sofort richtig erfaßt, so hätte sich ja auf jeden Fall herausgestellt, daß der Fahrlehrer den Wagen gestoppt hatte. Die Sache nachher bei irgendeiner Gelegenheit zur Sprache zu bringen, hielt ich für unangebracht.

5.) Eine Konfrontation mit der Polizei ergab sich erst wieder, als ich in der Stadt Salzburg lebte, und als die Besatzungsmächte bereits abgezogen waren. Ich besaß zwar einen Führerschein aber kein Motorfahrzeug. Ich war mit dem Rad unterwegs, und zwar am Morgen zur Arbeit – nun bereits im Büro. Als ich auf den Miralbellplatz und die Abbiegung Paris-Lodron-Straße zuradelte, fiel mir ein, daß ich etwas vergessen hatte. Es war früh genug und ich konnte daher zurück nach Hause fahren. Wärend der Grünphase, während der ich keinen Gegenverkehr hatte, wendete ich nach entsrechendem Handzeichen durch enge Kurvenfahrt um. Die Ampeln wurden damals von Polizisten von kleinen metallenen Häuschen als Unterstand aus geschaltet. Der Polizist pfiff mich mit seiner Trillerpfeife zu sich. Es wäre unangebracht gewesen, den Pfiff zu ignorieren.

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Es ergab sich folgendes Gespräch, das mir im wesentlichen noch wortgetreu in Erinnerung ist:»Warum drehen Sie auf der Kreuzung um?«»Mir ist kurz vor der Kreuzung eingefallen, daß ich etwas vergessen habe. Und nach meinem Wissen darf man bei Grün auch voll wenden, wenn niemand behindert wird.«Der Polizist überlegte einen Augenblick und erklärte dann: »Das geht vielleicht auf einer der großen Kreuzungen in Wien, aber nicht hier auf der engen Kreuzung.«Er verlangte einen Ausweis.Ich hatte nur den Führerschein bei mir.»Ah, an Führerschein haben S’ a. Den werd ma Ihnen abnehmen.«Ich schwieg.Er machte sich eine Notiz und ließ mich weiterfahren.Ich war davon überzeugt, daß ich im Recht war. Grundstäzlich entsprach meine Meinung der damaligen Rechtslage, und für einen Radfahrer war auch der Kurvenradius auf dieser Kreuzung zum Wenden nicht zu klein. Aber ich hätte mir nur Schwierigkeiten verursacht, wenn ich mich etwa auf einen Streit mit dem Polizisten eingelassen hätte. Nach dem Motto, »der Klügere gibt nach«, hatte ich also geschwiegen. Die Sache hatte keine Folgen. Hätte man wirklich ein Verfahren zur Abnahme des Führerscheins eingeleitet, so hätte ich natürlich im Rechtsweg meine Interessen geltend gemacht.

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6.) Einige Jahre später, zu Anfang der sechziger Jahre, fuhr ich – immer noch mit dem Fahrrad – durch die Wartelsteinstraße, um in die Aiglhofstraße einzubiegen. Die Stopptafel beachtend, blieb ich stehen. Ein Polizist, der anscheinend hinter der Hecke an der Ecke »gelauert« hatte, kam auf mich zu: »Warum haben Sie nicht an der Stopplinie angehalten?« »Von dort hätte ich keine Sicht auf die Vorrangstraße gehabt.« »Dann müssen Sie eben zweimal anhalten.« Er zückte seinen Strafverfügungs-Block und ich hatte zu zahlen. »Kleinlich, Auslegung nach den Buchstaben, nicht nach dem Sinn und Zweck«, dachte ich mir und, »er könnte trotzdem recht haben, die Auslegung könnte dem Gesetz entsprechen.« Ich zahlte.

7.) Weitere Beanstandungen hatte ich als PKW-Fahrer hinzunehmen. Kleine Parksünden und Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Beanstandungen stimmten. Zu langes Parken in Kurzparkzonen war eindeutig nachweisbar. (Im Parkverbot hatte ich nie bewußt geparkt.) Auch die beanstandeten Geschwindigkeitsüberschreitungen stimmten. Es kam dazu, weil manche Beschränkungen zu rigoros sind, weil sie auf die ungünstigsten Fahrverhältnisse, etwa bei Regen oder Eis abgestimmt sind. Oder aus Unachtsamkeit. Welcher Fahrer hat schon ständig ein Auge auf dem Tachometer. Im Fall der Beanstandung war mir aber doch bewußt, daß ich zu schnell gefahren war, daß die Radargeräte der

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Polizei schon richtig anzeigten. Ich zahlte also schuldbewußt ohne wenn und aber.

8.) Einmal erhielt ich eine Strafvorschreibung ein halbes Jahr nach dem Fehlverhalten. Ich war von meiner Wohnung in der Stadt Salzburg aus nach Tamsweg gefahren, um dort einen Lohnverrechnungs-Kurs zu halten. Die gerade Straße durch Pöham, einem Straßendorf auf der Strecke Bischofshofen – Radstadt, verleitet dazu, mit unverminderter Geschwindigkeit durch das Ortsgebiet zu fahren. Aus meinen Aufschreibungen konnte ich feststellen, daß ich am Tag, auf den sich die Strafe bezog, tatsächlich dort unterwegs gewesen war. Und daß ich gewiß immer zu schnell durch Pöham gefahren war, war mir auch bewußt. Einwendungen wären daher unangebracht gewesen. Zu prüfen, ob es »Verjährungsbestimmungen« gäbe, die die Verhängung einer Strafe ein halbes Jahr nach dem Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung ausschlossen, war mir zu umständlich. Also zahlte ich ohne Widerspruch.

9.) In den siebziger Jahren war ich mit meiner Familie zum Schilanglaufen in Faistenau. Die Parkplätze dort waren knapp. Ich schloß mich an eine parkende Kolonne am Straßenrand der Straße in Richtung Ortsmitte an. Wegen der anderen parkenden Fahrzeuge achtete ich nicht darauf, ob sich dort eine Parkverbotstafel befand. Einige Zeit später erreichte mich eine Strafvorschreibung wegen Parkens in einer

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Parkverbotszone in Faistenau. Ich zahlte, nahm mir aber vor, bei nächster Gelegenheit nachzuprüfen, ob sich an dem Straßenabschnitt eine Verbotstafel befand. Ich konnte mich davon überzeugen, daß dort Parkverbot galt. Daß auch andere gegen ein Verbot verstoßen, ist kein Entschuldigungsgrund.

10.) Als ich nach einer Besprechung im Finanzamt Salzburg-Stadt, damals noch an der Ecke Kapitelgasse-Kaigasse zu meinem Wagen zurückkehrte, fand ich ein Strafmandat wegen Parkens in der Kurzparkzone ohne Parkuhr an der Windschutzscheibe. Ich fand nirgends einen Hinweis auf eine Kurzparkzone, weder in Form einer Verbotstafel noch durch die blaue Markierung. In der Rathaus-Wachstube fragte mich ein Beamter im Rang eines Bezirksinspektors, ob mir als Salzburger nicht bekannt sei, daß die ganze Innenstadt zur Kurzparkzone erklärt worden sei. Ich wendete ein, daß man doch erkennen können müsse, wie weit sich die Zone erstrecke. Es seien an allen Zufahrten am Beginn der Zone Tafeln angebracht, belehrte er mich. Ich wendete weiter ein, daß man solche Tafeln zu leicht übersehen könne und daß es nicht zumutbar sei, daß man sich nach einigen huntert Metern Fahrt noch an die Tafel erinnere. Als Einheimischer würde man sich daran gewöhnen, aber es suchten auch viele Fremde Parkplätze. Der Inspektor belehrte mich, daß die Zulässigkeit solcher Kennzeichnung bereits durch ein Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis klargestellt sei. Ich hätte mir allenfalls noch das Erkenntnis des

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Höchstgerichtes zeigen lassen können. Ich bezweifelte aber, daß es Aufgabe der Polizei sei, in Gerichtshoferkenntnisse Einblick zu gewähren. Es könne ja nicht jede Wachstube alle einschlägigen Erkenntnisse bereithalten. Ich wollte auch nicht den Eindruck eines Querulanten erwecken und zahlte.

11.) Wegen des Staus und des Parkplatzmangels fuhr ich oft auch mit dem Fahrrad. Ich fuhr durch die Saint-Julien-Straße und in der Fortsetzung durch die Ignaz-Harrer-Straße stadtauswärts. Ich hatte mich korrekt eingereiht, um an der Abbiegung Schießstattstraße gerade weiterzufahren. Ein Kastenwagen überholte mich vom rechten Fahrstreifen kommend und streifte mich mit seiner halben Fahrzeuglänge am rechten Arm. Da der Wagen glatt war, vermochte ich mich aufrecht zu halten. An der Ampel Ignaz-Harrer-Straße – Gaswerkgasse holte ich den Fahrer ein und stellte ihn zur Rede. Er grinste mich blöde an. Das veranlaßte mich, in der nächsten Wachstube (damals noch an der Ignaz-Harrer-Straße) eine Anzeige zu erstatten. Der Beamte riet mir, von der Anzeige Abstand zu nehmen. Ich würde mir nur »Scherereien« einhandeln. Ich erklärte ihm, daß es nicht angehe, daß eine solche Gefährdung und ein so unverschämtes Verhalten ungeahndet blieben, während man bei kleinen Parksünden bestraft werde, und ich bestand auf der Anzeige. Ich hatte in der Sache nie mehr etwas gehört. Ob die Anzeige etwa gar nicht bearbeitet wurde, ist mir

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nicht bekannt. Meine Arbeitsüberlastung hinderte mich daran, der Sache später noch nachzugehen.

12.) Ich wollte in Nonntal als Fußgänger auf dem Zebrastreifen, der zur Josef-Preis-Allee führte, die Nonntaler-Hauptstraße überqueren, als ich gerade noch einen Kastenwagen bemerkte, der mir den Weg abschnitt. Meine Sicht war an dieser Stelle durch die Kurve und durch eine Mauer begrenzt. Daß ich ihn nicht gesehen hatte und der Bremsweg, als der Fahrer nach dem Schutzweg anhielt, ließen darauf schließen, daß er zu schnell gefahren war. Ich hatte die Mitte des Schutzweges erreicht, als der Fahrer die Tür öffnete und herausschrie: »Wenns d’ no(u) amoi so knåpp drüber gehst, fahr i die z’amm.« Und als er dann zu bemerken schien, daß ich auf sein Fahrzeug-Kennzeichen sah, hielt er nocheinmal an und schrie: »Zåmmfoahrn tua i di!« Als Zeugen waren zwei Mädchen in der Nähe, die sich offenbar über die rüde Art empörten. Aber auch ein Polizist kam des Weges. Er mußte die lauten Drohungen des Fahrers gehört und die zu hohe Geschwindigkeit gewahrt haben. Ich fragte ihn danach. Er verneinte und verwies mich an das nahe Bezirksgericht. Ich überlegte, ob ich ihn belehren sollte, daß ich vier Möglichkeiten zu einer Anzeige hätte, nämlich außer beim Bezirksgericht auch bei der Staatsanwaltschaft, beim Untersuchungsrichter oder bei der Polizei (§ 86 Abs 1 Strafprozeßordnung). Aber welchen Sinn hätte dies gehabt, wenn er bestritt, die Drohung des Fahrers gehört zu haben? Ich sagte ihm

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nur, daß eine Anzeige ohne Zeugen keinen Sinn habe. Die Mädchen waren noch im Kindesalter, und ich konnte sie daher auch nicht bitten, als Zeugen zur Verfügung zu stehen.

13.) Die markanteste Begegnung mit amtshandelnden Polizisten hatte ich aber erst vor kurzem, im Dezember 2003, als Achtundsechzigjähriger. Ich war um vier Uhr morgens in der Dr.-Gmelin-Straße unterwegs zur Arbeit. Ich übe nämlich als Pensionist in den frühen Morgenstunden eine »geringfügige Beschäftigung« aus, Verladearbeiten bei einer Spedition. Ich hatte diesen »Frühjob« angenommen, weil ich mit dem frühen Aufstehen als alter Mann keine Probleme habe und weil mir sodann der ganze Tag für private Betätigungen verfügbar blieb. Ich ging also in der dunklen Dezember-Nacht schnellen Schrittes durch die Dr.-Gmelin-Straße, als ich in größerem Abstand hinter mir rufen hörte: »Halt, Polizei!« Ich nahm zuerst an, daß sich irgendwelche Betrunkene einen Scherz erlaubten oder gar einen Überfall im Schilde führen würden. Ich reagierte daher nicht, stellte mich aber darauf ein, mich zu wehren oder laut um Hilfe zu rufen. Doch als sich Laufschritte näherten, der Ruf, »halt, Polizei«, wiederholt und der Lichtkegel einer grell leuchtenden Taschenlampe sichtbar wurde, wendete ich mich um und mußte erkennen, daß ich tatsächlich von zwei Polizisten verfolgt wurde. »Wir suchen einen Einbrecher«, sagten sie. Ich erklärte, daß

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ich unterwegs zur Arbeit sei und nannte den Namen der bekannten Spedition. Sie wollten das Profil meiner Schuhe sehen. »Ich wirke gerne mit«, sagte ich, und hob einen Fuß nach vorne. »Nach hinten geht’s besser«, meinten sie. »Pferde schlagen auch nach hinten aus«, dachte ich und streckte den Fuß nach hinten. Ob ich niemanden gesehen habe, fragten sie noch. Ich hatte kurz zuvor jemanden über die Straße laufen gesehen und gab das an. Sie ließen von mir ab, ohne sich noch für die alte Tasche zu interessieren, in der ich einige Utensilien für die Arbeit mittrug. Mancher würde sich vielleicht über eine solche Anhaltung empört und die Polizisten beschimpft haben. Ich hatte aber Verständnis dafür, daß sie einen, der zu dieser Stunde unterwegs war, noch dazu in abgetragener Kleidung, die ich nur noch zur Arbeit anhatte, kontrollieren mußten. Und ich war auch grundsätzlich gewillt, an der Aufklärung eines Einbruchs mitzuwirken, auch wenn sich dies auf die Klarstellung beschränkte, daß ich nicht der gesuchte Täter war.

Habe ich mich allgemein zu devot verhalten? Ich glaube nicht. Vielmehr dürfte mein Verhalten dem Willen zur Korrektheit entsprochen haben. Und wo es angebracht war, habe ich meine Einwendungen vorgebracht. Aber so sachlich, daß dies nie zu Problemen geführt hat. Ich kann daher im Alter von 68 Jahren sagen, daß ich nie eine eskalierende Konfrontation mit der Exekutive hatte. Jeder

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Vernünftige wird der Ansicht sein, daß solches Verhalten vernünftig ist.

Devot war ich grundsätzlich gewiß nicht. Ich war in Bereichen, in denen es mir zustand, sogar auffallend kritikwillig. Ich habe einmal, als ich mit einem Finanzamt-Vorstand auf ungerechte Bedingungen des Steuerrechts zu sprechen kam, geäußert, daß dies veröffentlicht gehörte. Der Herr Hofrat warnte mich: »Wenn Sie weiterhin mit uns zusammenarbeiten wollen, dann lassen S’ das lieber bleiben.« Ich ließ das nicht bleiben, und arbeitete weiterhin mit den Finanzbehörden »zusammen«. Ich fand nämlich Gelegenheit, einmal monatlich einen Fachbeitrag in den »Salzburger Nachrichten«, Seite »Der Staatsbürger«, zu veröffentlichen. Ich durfte diese Veröffentlichungen von 1986 bis 2002, also 17 Jahre lang, betreiben, bis mein Fachwissen und die Verbindung zur Praxis nach dem Pensionsantritt allmählich abbröckelten und ich daher aufgeben mußte. Meine Beiträge waren mit mutiger Kritik durchsetzt. Wie könnte man auf Kritik verzichten, wenn’s ums Steuerrecht geht. Aber ich habe die Bedingungen und nicht Personen kritisiert. Und ich war dabei stets auf Sachlichkeit bedacht. Man konnte mir daher nichts anhaben.

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Resümee

Grundsätze der Sachlichkeit und der Diplomatie sollten allgemein im Umgang mit Exekutivbeamten beachtet werden. In allen Beispielfällen, die eingangs angeführt wurden, und die zu mehr oder weniger heftiger, vielleicht auch überzogener Eskalation geführt hatten, hatten Bürger oder Kriminelle die Beamten provoziert. Sie waren offenbar unfähig, sich in die Situation der Beamten hineinzudenken. Und sie waren unfähig zu bedenken, daß auch ihnen selbst der allgemeine Respekt vor Polizisten und Gendarmen in gewissen Situationen zugute kommen könnte. Der Slogan, »die Polizei, dein Freund und Helfer«, hat gewiß einen Wahrheitsgehalt, wenn wir »den Freund« nicht brüskieren. In allen diesen Fällen leisteten die Angehaltenen heftigen Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verstößte gegen die Bestimmungen des Paragraphen 269 oder 270 des Strafgesetzbuches.

Viele zeitgenössische Schriftsteller neigen leider dazu, jegliches Eintreten für Ordnung in Frage zu stellen. Damit werden sie aber ihrer Verantwortung in einer Gesellschaft, die immer mehr der Ordnungsgrundsätze entbehrt, nicht gerecht.

Eine Akademikerin, die die Polizei in einem Leserbrief kritisiert, weil sich ein Polizist erlaubt hatte, sie wegen Mißachtung einer Gesetzesbestimmung zu beanstanden, verdreht die richtige Perspektive. Das

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Fahrverbot auf dem Steg über einen Fluß, auch für Radfahrer, ist keine Schikane, sondern dient dem Schutz vor allem der Radfahrer. In einer kritischen Situation könnte nämlich ein Radfahrer, der mit dem Lenker ans Geländer gerät, in den Fluß katapultiert werden. Solches könnte für die Frau Doktor eine kurze Strecke vor der Sohlstufe der Salzach schlimm ausgehen. Aber so weit zu denken, fällt offenbar selbst manchen Akademikern schwer.

Und Polizisten zu beschimpfen oder gar tätlich gegen sie vorzugehen, sollte überhaupt tabu sein. Nicht ohne Grund gilt dies auch nach dem Gesetz als Widerstand gegen die Staatsgewalt, also als strafbarer Tatbestand. Und es ist sehr bedauerlich, wenn sich nicht nur Chaoten, sondern auch Bürger von Stand solcher Entgleisungen schuldig machen. Sie schaden damit nicht nur ihrem eigenen Ansehen, sondern auch dem der Polizei. Sie verstoßen damit in noch stärkerem Maß gegen die notwendige Ordnung als mancher kleine Dieb oder Randalierer. Sie geben damit den Rabauken jeglichen Kalibers eine unerträgliche Ermutigung und untergraben den allgemein wichtigen Respekt vor der Exekutive.

Wenn jemand unschuldig ins Visier der Polizei gerät, dann sollte er bedenken, daß ein wichtiger Grund dahinter steht und daß sich seine Unschuld herausstellen wird. Wäre ich zum Beispiel an jenem finsteren Dezember-Morgen festgenommen worden, so hätte ich es trotz Unschuld geschehen lassen – in der

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Gewißheit, daß sich meine Unschuld bald herausgestellt hätte. Aber für jene, für die sich keine Unschuld herausstellen kann, ist das eben anders.

Und den Vertretern der Medien sollte bewußt sein, daß sie der Gesellschaft einen schlechten Dienst erweisen, wenn sie zum Untergraben der Polizei-Effizienz und Aushöhlen des Ansehens der Exekutive beitragen. In jedem Fall sollte jeglicher Widerstand gegen die Staatsgewalt als gesetzwidrig, unzulässig und schädlich für den Dienst der Exekutive und nachteilig für die Sicherheit der Gesellschaft verurteilt werden. Das hindert nicht daran, sich in Einzelfällen mit Übergriffen von Beamten auseinanderzusetzen. Aber auch dabei sollte man sich besser in die Situation von Beamten, die Gewalttäter zur Räson bringen sollen, hineindenken. Es hat den Anschein, daß die Beamten nun wegen eines Todesfalles einen Delinquenten nicht mehr in Bauchlage festhalten dürfen. Jene, die dies verwehren, sollten erst selber einmal versuchen, einen kräftigen, Widerstand leistenden Mann in anderer Lage oder stehend festzuhalten. Ein auf dem Rücken Liegender vermag sich sehr wirksam zu wehren. Ich selbst war als Kind und Jugendlicher oft das Ziel von Raufbolden. Wahrscheinlich, weil ich wehrhafter war, als es den Anschein hatte. Das war für gewisse Typen anscheinend immer wieder eine Herausforderung. Später habe ich mehrere Jahre einem Judoklub

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angehört und hatte daher Gelegenheit, eine Reihe von einschlägigen Erfahrungen zu sammeln. Freilich decken sich diese sportlichen Erfahrungen nicht mit denen einer ernsten Kampfsituation. Umso größer ist mein Verständnis für Beamte, die die Grenze des Zulässigen nicht einzuhalten vermochten. Wenn die Beamten über die nötige Übermacht verfügen, etwa drei gegen einen, dann wird eine gewisse Rücksichtnahme möglich sein. Wenn sich Beamte aber selber gefährdet fühlen müssen, kann man nicht erwarten, daß sie ihr Handeln exakt und kühl distanziert abwägen, wie es etwa für den Redakteur vor dem Computer oder für den Richter vom Richtertisch aus möglich ist. Kriminelles Handeln sollte vor allem für den Kriminellen das größere Risiko sein, nicht für Polizisten oder Gendarmen. Jeder, der gewaltsam gegen Exekutivbeamte vorgeht, könnte das Risiko, verletzt zu werden, ja einfach dadurch vermeiden, daß er keinen Widerstand leistet. Aber Kriminelle folgen diesen Gesetzen der Vernunft natürlich nicht.

Alle diese Überlegungen haben mich auf die Idee gebracht, in einer Kriminal-Erzählung darzustellen, welche Auswirkungen es haben könnte, wenn die Exekutive ihren Einsatz für die allgemeine Ordnung auf längere Dauer, etwa auf drei Wochen, einstellen würde. Diese nachfolgende Erzählung möge zum Erwägen anregen, wie wichtig für uns alle der Schutz durch die Exekutive ist.

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Die Kriminal-Erzählung

Polizeistreik

Sämtliche in dieser Erzählung vorkommenden Handlungen und Namen sind frei erfunden. Übereinstimmungen mit der Wirklichkeit sind Zufall. Allerdings kann auch die lebhafteste Phantasie kaum kriminelle Handlungen hervorbringen, die in der Realität nicht schon vorgekommen wären.

Die geplante Vereinheitlichung der Exekutive ist hier bereits vorweggenommen. In dieser Erzählung ist daher nur von der Polizei die Rede.

Die Geldübergabe

Sie machten sich im Morgengrauen auf den Weg. Inspektor Resch, Inspektor Gruber und Inspektor Gebharter. Es war vier Uhr morgens. Um neun Uhr sollte die geforderte Geldübergabe stattfinden. Sie näherten sich im Gebüsch der beschriebenen Stelle auf dem ehemaligen Müllplatz. Sie erreichten eine kleine, vom Gebüsch getarnte Erhöhung, von der aus sie auf die etwas tieferliegende kleine Lichtung, auf der der

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unauffällige Plastiksack nach der Forderung des Erpressers oder der Erpresser um neun Uhr deponiert werden sollte.

Der Plan, den sie vorbereitet hatten, paßte für das Gelände. Sie bestätigten sich dies, indem sie einander zunickten. Sie würden hier ausharren und sich gegenseitig Feuerschutz geben. Zu dritt konnten sie das gesamte Umfeld beobachten, soweit nicht das Gebüsch das hinderte. Um neun Uhr würden sie den Geldsack auf die Lichtung hinabschleudern und sich zu weiterem Agieren bereithalten.

Aber schon nach einer halben Stunde hörte Inspektor Gruber ein Knacksen, und er erblickte im Gebüsch undeutlich einen Mann, der die Pistole auf ihn gerichtet hatte. Er selber hatte die MP im Anschlag und schoß. Der Angreifer brach mit einem Schrei zusammen. Es fiel ein weiterer Schuß, durch den Inspektor Resch am Oberarm verwundet wurde.

Geräusche verrieten, daß mindestens zwei Leute durch das Gebüsch flüchteten. Resch forderte seine Kollegen auf, sich nicht von der Verfolgung abhalten zu lassen. Seine Verletzung sei nicht so arg, daß sie ihn betreuen müßten. Rettung, Verstärkung und der Einsatz des bereitstehenden Hubschraubers waren bereits angefordert.

Die Inspektoren Gruber und Gebharter nahmen die Verfolgung in der Richtung der Geräusche der Flüchtenden auf. Durch die eigenen Geräusche, die sie beim Laufen durch das Gebüsch verursachten, verloren

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sie aber die Spur. Wahrscheinlich hatten die Kriminellen die Richtung geändert. Aber sie hörten über sich den Haubschruber und konnten darauf vertrauen, daß er die bereits im Einsatz befindlichen Streifen zu den Flüchtenden dirigeren werde.

Gruber und Gebharter führten die eingetroffenen Rettungsleute zu ihrem verletzten Kollegen und zum von der MP-Salve getroffenen Kriminellen. Der Kriminelle war tot. Inspektor Resch wurde nach einer Notverarztung ins Krankenhaus gebracht. Aber auch Gruber und Gebharter mußten verarztet werden. Sie hatten beim Laufen durch das Gebüsch nicht auf sich geachtet und sich Schürfwunden an den Händen und im Gesicht zugezogen.

Das Verhör

Die Erpresser hatten von einer Unternehmerin die Übergabe von 500.000 Euro am beschriebenen Ort gefordert. Die beiden Überlebenden wurden festgenommen und in der Polizeidirektion verhört.

Sie gaben an, mit der Sache nichts zu tun zu haben. Sie könnten ihr Quartier nicht mehr bezahlen und seien daher im Auwald auf Quartiersuche umhergestreift. Warum sie dann geflüchtet seien. Aus Angst. Sie hätten die Schüsse gehört und hätten daher Angst gehabt, getroffen zu werden. Sie hätten auch gesehen,

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wie ein Mann in etwa dreißig Meter Entfernung von einem Polizisten niedergeschossen worden sei.

Woher sie wissen würden, daß es ein Polizist war, der auf den Mann geschossen habe. Die drei Polizisten waren nämlich in Zivilkleidung in Aktion. Sie beantworteten die Frage, daß sie annähmen, die drei Männer, die nahe beieinandergestanden seien, seien Polizisten, weil sie mit MP bewaffnet waren.

Sie wurden weiter befragt, wie sie sich erklärten, daß ein Polizist angeschossen worden sei, nachdem ihr Kumpane bereits erschossen gewesen wäre. Sie stellten zuerst heftig in Abrede, daß der Erschossene ihr Kumpan sei. Und zur Schußverletzung des Polizisten gaben sie an, daß sie dies nicht erklären könnten. Vielleicht war der Erschossene nicht tot und habe noch einen Schuß abgegeben. Sie selbst hätten jedoch gar keine Waffe gehabt.

Tatsächlich hatte man bei ihnen keine Waffe finden können. Es wurde ihnen aber vorgehalten, daß sie lange genug Gelegenheit gehabt hätten, sich der Waffe zu entledigen. Sie seien ja auch über einen Steg über den Fluß geflüchtet. Es wäre ein leichtes gewesen, eine Pistole über das Geländer zu werfen. Das habe vom Hubschauber aus nicht gesehen werden müssen.

Wesentliche Fragen blieben offen. So gründlich auch das Protokoll überprüft wurde, es ließen sich keine Beweise für die Mittäterschaft der beiden Überlebenden an der Erpressung und an der Attacke gegen die Polizisten finden.

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Der Verdacht, daß die beiden Mittäter an der Erpressung beteiligt waren und einer von ihnen den Polizisten angeschossen hatte, wurden aber erhärtet. Sowohl vom Hubschrauber aus, als auch durch ein entsprechend ausgebildetes Team zur Spurensuche und Beamten mit Polizeihunden konnte niemand ausgekundschaftet werden, der sich außer den beiden im für eine solche Suche begrenzten Auwald aufgehalten hätte. 1)

Die Gerichtsverhandlung

Wenige Wochen später begann die Gerichtsverhandlung. Die Sachverständigen hatten inzwischen festgestellt, daß der Schuß, durch den der Polizist verletzt worden war, nicht aus der Waffe des erschossenen Verdächtigen gekommen war. Es war aber auch festgestellt worden, daß der Schuß, der den Polizisten am Oberarm schwer verletzt hatte, nicht aus der Richtung des getöteten Verdächtigen gekommen war. Außerdem war vom Gerichtsmedizinischen Institut festgestellt worden, daß der Getötete nach der Art der Treffer sofort tot gewesen sein mußte.

Der Verdacht blieb also auf den beiden Geflüchteten haften. Nach Beobachtungen aus dem Hubschrauber und der Spurenüberprüfung hatten sie die Flucht von der Stelle aus begonnen, von der auf den Polizisten

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geschossen worden war. Der Verdacht stützte sich zudem darauf, daß sich nach dem Ergebnis der gründlichen Spurensuche sonst niemand im Auwald aufgehalten habe.2) Die Angeklagten blieben aber hartnäckig bei der Behauptung, daß sie mit der Sache nichts zu tun hätten.

Die Verhandlung dauerte vom frühen Nachmittag bereits bis gegen Mitternacht. Es wurden die Unternehmerin, die erpreßt worden war, alle beteiligten Polizisten und einige Zeugen, die die Schlußphase der Verfolgung der Flüchtenden und deren Festnahme beobachtet hatten, einvernommen. Alle Details wurden immer wieder unter den neuen Gesichtspunkten aus den Angaben der Zeugen überprüft. Inspektor Gruber, der einen der Verdächtigen erschossen hatte, erklärte, es würde nicht stimmen, daß der Mann, der ihn mit der Pistole bedroht habe, dreißig Meter entfernt gewesen sei. Auf diese Entfernung hätte er ihn im Gebüsch nicht sehen können. Die Entfernung habe zehn Meter betragen. Das schien aber dem Richter für die Verhandlung nicht wesentlich. Der Staatsanwalt notierte sich die Aussage aber gesondert.

Einer der beiden Angeklagten tat im weiteren Verlauf der Verhandlung, wohl infolge der Ermüdung durch die lange Dauer, eine unbedachte Äußerung: »Wie haben Sie feststellen können, wie der Polizist gestanden ist, als ihn der Schuß getroffen hat?« stellte er dem Staatsanwalt eine Gegenfrage, und er erklärte: »Es kann leicht sein, daß doch der Ingo geschossen

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hat.« Ingo war der Vorname des erschossenen Verdächtigen. Dieser Vorname war im ganzen Prozeß nie genannt worden. Im Polizeiprotokoll, das anfangs verlesen worden war, war nur von einem erschossenen Beteiligten die Rede gewesen. Zur Zeit des Polizeiverhörs war dessen Name noch nicht bekannt. Die Ergebnisse inzwischen polizeilich druchgeführter Recherchen waren aber nicht verlesen worden. Der Untersuchungsrichter hatte dieses Detail mit der Formulierung im Polizeiprotokoll beschrieben.

Dem Angeklagten, der nun diesen Vornamen genannt hatte, war ebenso plötzlich bewußt, daß er sich verraten hatte, wie allen noch hellwachen an dem Prozeß verantwortlich Beteiligten. Die beiden Angeklagten sprangen auf. Die drei Justizwachebamten, die zu ihrer Bewachung neben ihnen saßen, einer zwischen den beiden, konnten nur einen der überaus kräftigen Burschen festhalten. Dem zweiten gelang die Flucht. Er sprang über die Zuschauerreihen zum Ausgang, verletzte dabei einen Zuschauer leicht, schlug den am Saalausgang diensttuenden Justizwachebeamten nieder, entwand sich auf dem Gang einem alarmierten Polizisten, gelangte ins Erdgeschoß und sprang dort durch ein geschlossenes Fenster ins Freie. Der Prozeß mußte vertagt werden.

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Fortsetzung des Prozesses

Der entflohene Angeklagte konnte nicht aufgegriffen werden. Der Prozeß wurde daher gegen den weiterhin inhaftierten Angeklagten allein fortgesetzt.

Dieser hatte es nun leichter, da er nicht darauf zu achten brauchte, zu den Aussagen seines Kumpans in Widerspruch zu geraten.

Er blieb bei den Aussagen, die die beiden beim Polizeiverhör und in der ersten Verhandlung gemacht hatten. Auf die Frage, ob er – wie sein entflohener Kumpan – auch den Ingo gekannt habe, gab er eine verneinende Antwort. Er wisse nicht, woher sein Kumpel den Ingo kenne. Warum er dann, nachdem sich sein Kumpan verplappert habe, auch zu fliehen versucht habe. Da sein Kumpel aufgesprungen sei, wollte auch er die Gelegenheit zur Flucht nutzen. Es sehe doch so aus, als ob er zu Unrecht verurteilt werden könnte. Er sei mit seinem Kumpel nur zufällig im Wald herumsparziert und sei unschuldig in die Sache hineingeraten. »Und Ihre Vorstrafen, haben Sie die auch zu Unrecht bekommen?« fragte der Richter. »Ich kann mich nicht mehr erinnern. Im Häfn vergißt man so leicht alles, was war«, antwortete der Angeklagte.

Im weiteren wurde dann untersucht, ob man dem Angeklagten die Teilnahme an der Erpressung nachweisen könne.

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Der Verteidiger wendete ein, daß die Geldübergabe im Zusammenhang mit der Erpressung um neun Uhr vorgesehen war. Sein Mandant sei aber um 4,30 Uhr im Auwald umherflaniert. Das spreche dafür, daß die Aussagen seines Mandanten stimmen würden.

Der Staatsanwalt fragte dagegen, wie es zu erklären sei, daß Ingo Frettmann zur gleichen Zeit die entsicherte Pistole auf Herrn Inspektor Gruber gerichtet hätte. »Ich will Ihnen den Grund sagen«, erklärte der Staatsanwalt, seine Frage selbst beantwortend, »die drei hatten natürlich damit gerechnet, daß die erpreßte Unternehmerin die Polizei eingeschaltet haben könnte. Sie haben daher ebenso wie die Polizei frühzeitig mit ihren Beobachtungen begonnen. Und als sie die drei Polizisten entdeckt hatten, wollten sie sie mit drei gleichzeitig abgefeuerten Schüssen niederstrecken. Sie wollten damit zeigen, daß sie die Stärkeren seien. Vielleicht hatten sie auch vor, hernach die erpreßte Unternehmerin zu töten, um auf künftige Opfer vorweg Druck auszuüben.« »Schwein!« schrie der Angeklagte. Der Richter verwarnte ihn.

Der Prozeß dauerte noch lange an. Es wurden noch viele Details erörtert.

Im Namen der Republik

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Nach den Plädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers sprach der Richter das Urteil, richtiger, im wesentlichen einen Freispruch mangels an Beweisen. Lediglich wegen Beleidigung des Staatsanwaltes, dem er »Schwein« zugerufen hatte, wurde der Angeklagte zu einer geringfügigne Geldstrafe, im Fall der Nichteinbringung zu einer Ersatz-Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ergehe schriftlich.

»Esel!« sagte der soeben Freigesprochene mit seiner rauhen Stimme. »Was soll das?« fragte empört der Staatsanwalt. Der Richter gab den Justizwachebeamten Weisung, den Mann noch festzuhalten.

»Mei Kumpl is a Esel«, sagte dieser, »er hätt auf die Gerechtigkeit vertrauen solln, dann brauchat er si hiatz net vasteckn.«

»Kommt darauf an, wie er die Frage beantwortet hätte, warum er Herrn Ingo Frettmann kenne«, schloß der Staatsanwalt.

Der Prozeß gegen denPolizei-Inspektor

Inspektor Gruber wurde wegen des Verdachtes auf fahrlässige Tötung bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Der Untersuchungsrichter stellte die Fakten fest und forderte ein Gutachten an, das ihm zur Klärung der Schuldfrage erforderlich schien. Der

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Prozeß gegen Inspektor Gruber fand zwei Monate später unter einem anderen Richter und anderen Staatsanwalt als gegen den inzwischen freigesprochenen Angeklagten statt.

Es ging in der Verhandlung vor allem um die Frage, ob Inspektor Gruber tatsächlich gesehen haben konnte, daß er mit einer Pistole bedroht worden war. Die Angeklagten des früheren Verfahrens hatten ausgesagt, daß der Abstand zwischen dem Polizisten und Ingo Frettmann dreißig Meter betragen habe. Der Gutachter hatte auf Grund des tödlichen Treffers am Leichnam festgestellt, daß der Schuß aus mindestens zwanzig Metern Entfernung abgegeben worden sein müsse. Bei dieser Entfernung habe Inspektor Gruber den aus seiner Waffe Getöteten durch das Gebüsch nicht sehen können.

Es kam zu einem Lokalaugenschein. Auch der freigesprochene mutmaßliche Erpresser war als Zeuge zugegen. Der seinerzeitige Standort der Polizisten wurde übereinstimmend lokalisiert. Doch über die Stelle, an der Ingo Frettmann tödlich getroffen worden war, gingen die Angaben auseinander. Unmittelbar nach dem Ereignis waren in diesem Bereich mehrere Spuren festgestellt worden. Wahrscheinlich hatte sich Ingo beim Anschleichen an die Polizisten mehrmals auf längere Dauer niedergelassen. Blutspuren hatten vor dem Abtransport des Getöteten nicht festgestellt werden können.3) Die Polizei-Inspektoren Resch, der inzwischen von der Schußverletzung geheilt worden

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war, Gruber und Gebharter bezeichneten eine zehn Meter entfernte Stelle. Der gegnerische Zeuge blieb bei dreißig Metern Entfernung. Es stellte sich die Frage, wie dieser Zeuge dann die Polizisten und Ingo Frettmann gleichzeitig sehen habe können. Er wußte einen Standort anzugeben, von dem aus dies tatsächlich möglich gewesen wäre. Diese erhärtete Aussage und das Gutachten sprachen also für die größere Entfernung. Man diskutierte dann noch, ob im Mai, als der Polizeieinsatz stattgefunden hatte, die Belaubung dieselbe gewesen sei, wie nun während des Lokalaugenscheins im September. Man kam zum Schluß, daß der Zustand der Belaubung ungefähr gleich gewesen sein dürfte. Fußspuren waren nicht mehr erkennbar. Die gegenerische Zeugenaussage und das Gutachten sprachen also gegen Inspektor Gruber.

Vor der Fortsetzung des Prozesses sahen sich Inspektor Gruber, der auf freiem Fuß angezeigt worden war, und sein Verteidiger das Gelände noch einmal an. Nach langer Untersuchung konnten sie feststellen, daß ein etwa eineinhalb Zentimeter dicker Ast vom tödlichen Geschoß abgetrennt worden war. Der Ast hatte also den Schuß abgebremst, sodaß sich für den Gutachter der Anschein ergab, der Schuß wäre aus größerer Entfernung abgegeben worden.

In der Fortsetzung des Prozesses stellte der Verteidiger daher den Antrag auf einen neuerlichen Lokalaugenschein und auf Laboruntersuchung des

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Astes, von dem ein Teil durch den Schuß abgetrennt worden war.

Die Anträge wurden aber mit der Begründung abgelehnt, daß man nun nach vier Monaten nicht mehr feststellen könne, wodurch der Ast abgetrennt worden sei. Der Gutachter erklärte, daß man nach vier Monaten auch durch eine Untersuchung im Labor nicht mehr feststellen könne, wodurch der Zweig abgetrennt worden sei.

Inspektor Gruber wurde daher wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Strafe verurteilt.

Die Medien berichteten kritiklos über das Urteil. Wäre Inspektor Gruber freigesprochen worden, so hätten die Medien ein solches Urteil erfahrungsgemäß wahrscheinlich als parteiisch zu Gunsten der Polizei dargestellt.

Gegensätze zwischenPolizei und Medien

Die Personalvertretung der Polizei war empört. Sie beanstandete, daß die Anträge auf neuerlichen Lokalaugenschein und auf Laboruntersuchung des Aststumpfes abgewiesen worden waren. Es wurde auch eingewendet, daß der Gutachter, der gemeint hatte, man könne nach vier Monaten an einem Ast die Ursache der Abtrennung nicht mehr feststellen, seine

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Kompetenz überschritten habe. Diese Beurteilung lag nicht in seinem Fachbereich.

Die Personalvertretung beschloß nicht nur, den Einspruch des Verteidigers gegen das Urteil zu unterstützen, sondern sie leitete auch einen Bericht über die festgestellten Mängel an die Medien weiter. Allgemein stellte sie dazu fest, es gehe nicht an, daß in Gerichtsverhandlungen den Aussagen der einer Tat Verdächtigen, Vorbestrafter oder von Personen, die Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet hätten, eher Glauben geschenkt würde als den Aussagen der Beamten. Und die Personalvertretung der Polizei kritisierte auch, daß durch die Medienberichte diese Einseitigkeit gutgeheißen oder gar unterstützt würde.

Die Polizei werde in der Erfüllung ihrer Aufgaben wesentlich behindert, wenn sie in zahlreichen Fällen Ihres Einschreitens auf Widerstand treffe. Immer mehr Bürger versuchen, was objektiv festgestellt wurde, etwa eine Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Kraftfahrzeug oder die mittels Meßgeräten festgesstellte Alkoholisierung zu leugnen. Das allein erschwere den Einsatz der Polizei. Manche, die auf objektive Weise einer Gesetzesverletzung überführt würden, seien außerstande, ihr Mütchen im Zaum zu halten und ließen sich zu gewaltsamem Widerstand hinreißen.

Das koste die Beamten Zeit und Nerven. Ihr Dienst werde ihnen dadurch erschwert. Das Leistungspotential der Polizei, das der Sicherheit aller dienen soll, werde

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dadurch zum Teil auf unsinnige Durchsetzungsmanöver gegen eine rechthaberische Gesellschaft verlagert. Die Medien unterstützten diese untragbare Haltung und Entwicklung.

Gleichzeitig werde über die Ineffizienz polizeilicher Einsätze und eine zu niedrige Aufklärungsquote gegen die Kriminalität geklagt.

Gegen Kriminelle gelte es nicht selten, einen regelrechten Kampf mit Waffengewalt zu führen. Von der Polizei werde erwartet, daß sie den gewaltsamen Widerstand dabei überwindet und Täter festnimmt, gleichzeitig aber, daß sie keinen Kriminellen zu hart anfaßt. Wenn dabei ein Schwer-Krimineller oder einer, der sich gegen die Polizei wie ein solcher gebärdet, verletzt oder gar getötet wird, dann würden die Beamten zur Verantwortung gezogen. Redakteure und Richter mutmaßten dann oft, daß die Polizisten die Notwehr überschritten hätten, daß sie in unzulässiger Weise autoritär aufgetreten seien. Und Gängster-Witwen und -Bräute würden dann mit Unterstützung von allerlei Vereinen, die den Schwachen helfen wollen, und mit Unterstützung der Medien gegen die Polizisten vor Gericht ziehen. Es werde dabei übersehen, daß die Polizisten in solchen Aktionen oft die Schwächeren sind, weil Ihnen möglichste Schonung der Delinquenten geboten ist.

Redakteure und Richter mögen selbst beweisen, ob sie bei einer Festnahme von Delinquenten gegen Widerstand mit Körperkraft oder gegen bewaffneten

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Widerstand, anders gesagt, in einer Balgerei oder Schießerei frei von Emotionen agieren könnten. Wir, die Personalvertretung der Polizisten, würden gerne versuchen, entsprechende Genehmigungen durch das Innenministerium – allenfalls nach Schaffung nötiger gesetzlicher Grundlagen zu erreichen. Es gäbe genügend sportliche Redakteure und Richter, die in Polizeiuniform eine gute Figur abgeben würden. Allerdings käme ihnen dabei zugute, daß es ein Unterschied ist, ob man harte Einsätze ausnahmsweise oder unter aufreibender Häufigkeit durchzustehen habe. Es wird unter den Beamten der Exekutive nur einzelne, nur Ausnahmen geben, die an ernstem »Räuber- und Gendarm-Spiel« gefallen finden. Die meisten wünschten, ihnen blieben solche Einsätze erspart. Das alles sollten Redakteure und Richter, vielleicht auch Anwälte, unter eigener physischer und psychischer Herausforderung erfahren. Zu mehr Verständnis für die Anforderungen an die Polizei und ihre Bedingungen würde dies auf jeden Fall führen.

Die Medien ignorierten aber diese Aussendung der Polizei-Personalvertretung. Nur ein Inseratenblatt veröffentlichte die Kritik, die von der Polizei ausging.

Die Personalvetretung beschloß daher, ein eigenes Informationsblatt unter dem Titel »Die Polizei, dein Freund und Helfer« herauszugeben und über den Zeitschriftenhandel entgeltlich zu vertreiben. Weiters wurde ein mehrwöchiger Streik der Polizei erwogen.

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Die neue Zeitschrift der Polizei erreichte schon nach einigen Ausgaben eine ungewöhnlich hohe Auflage. Man baute sie daher zu einem fixen wöchentlichen Periodikum aus. Manche Medien ätzten, daß es die Polizei notwendig habe, ihre mitunter mangelhafte Dienstauffassung auf diese Weise zu rechtfertigen.

Aber der »reißende« Absatz des neuen Polizeiblattes bestätigte, daß der Kampf der Polizei um ihr Image in einer großen Mehrheit der Öffentlichkeit Zustimmung fand. Diese Zustimmung wurde auch in zahlreichen im Polizeiblatt veröffentlichten Leserbriefen bestätigt. Die übrige Presse unterdrückte solche Leserbriefe.

Der Streikbeschluß

Da die Medien nicht zu einem Einlenken bereit waren, sondern im Gegenteil die Angriffe auf die Polizei verstärkten, rang sich die Personalvertretung der Polizei in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten zu einem – gesetzwidrigen4)

– Streikbeschluß durch.Die Medien wurden über diesen Beschluß nicht

informiert, sondern die Personalvertretung der Polizei gab in Zusammenarbeit mit der Masseverwaltung eines in Insolvenz geratenen Tagesblattes auf zunächst unbegrenzte Dauer ihre eigene Tageszeitung heraus.

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Dieses neue Medium der Polizei-Personalvertretung unter dem Titel

SPRACHROHR DER POLIZEIwurde in der letzten Ausgabe des wöchentlichen Periodikums »Die Polizei, dein Freund und Helfer« groß angekündigt. In der ersten Ausgabe des SPRACHROHRS DER POLIZEI werde ein ungewöhnlicher Beschluß angekündigt. Schon am nächsten Tag konnte man also die angekündigte Verlautbarung lesen: In der ersten Ausgabe wurde also der Streikbeschluß verlautbart. Der Streik werde bereits tags darauf beginnen.

Aus den übrigen Printmedien erfuhr man die Nachricht über den Streik erst am Morgen, als der Streik bereits begann. Nur in den Internet-Ausgaben der Tageszeitungen konnten aktuelle Berichte angeboten werden, die aber Großteils aus dem »Sprachrohr der Polizei« stammten. Einige Abendblätter konnten noch am Abend vor dem Streikbeginn darüber informieren, wobei auch sie auf die Berichte im »Sprachrohr der Polizei« angewiesen waren. In der Bevölkerung herrschte Unklarheit über Art des Polizeistreiks, über Auswirkungen und Folgen dieses Streiks.

Medienvertreter versuchten daher in den Polizeidirektionen nähere Informationen zu bekommen. Polizeibeamte, die in den Direktionsgebäuden nicht gerade eine Aufgabe zu erfüllen hatten, standen beieinander und diskutierten, nicht hinter vorgehaltener

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Hand, aber doch mit verhaltener Stimme. Es ging um jenen Fall, der sich ausgeweitet hatte und der in seiner Ausweitung vieles aufgewirbelt hatte. Und es ging um Konsequenzen aus diesem und vielen neu diskutierten Fällen.

Auf den Gängen waren anscheinend ebensoviele Medienvertreter wie Polizisten unterwegs. Aber sie erhielten keinen Zutritt zu den Direktionen, und in anderen Dienststellen wurden sie brüsk abgewiesen. »Wir sind nicht zuständig«, hieß es. Sie versuchten daher, von den Beamten auf den Gängen das eine oder andere aufzuschnappen, aber vergeblich. Sobald ein Medienvertreter in die Nähe kam, verstummten die Diskussionen der Beamten. Immerhin hatte eine Mehrheit der Medien die höchst angespannte Situation erst heraufbeschworen.

Wer auf einem Wachposten zu tun hatte, mußte erst warten, bis ein Beamter aus dem Hinterzimmer kam und erklärte, daß gestreikt werde. Es gebe zur Zeit keinen Polizeidienst. Dabei konnte durch einen flüchtigen Blick durch die Tür beobachtet werden, daß mehrere Polizisten im Hinterzimmer versammelt waren. Und scharfen Beobachtern war auch aufgefallen, daß weder Beamte zu Fuß noch Einsatzwagen auf den Straßen anzutreffen waren.

Eine Tageszeitung hatte in Erfahrung gebracht, daß eine Kommission des Innenministeriums die einzelnen Polizeidirektionen besuchte. Es blieb aber verborgen, worum es ging. Und wie üblich, wenn die Medien auf

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Spekulationen angwiesen waren, erhoben sie die Spekulationen zu Fast-Tatsachen. Eine Kommission des Innenministeriums würde den »Fall« untersuchen, hieß es. Aber der Fall war sicherheitsintern fürs erste abgeschlossen. Dazu war der Polizeidirektor mit weiteren ranghohen Beamten der zuständigen Landesdirektion und dem hauptbetroffenen Beamten als Zeugen schon vor einigen Tagen ins Ministerium vorgeladen worden.

Die Verwirrung verstärkte sich in den nächsten Tagen noch durch die auf Spekulationen aufgebauten Berichte, die abermals in Einzelheiten gehende Erörterungen des »Falles« enthielten und die Mißstimmung zwischen Polizei und Medien anheizten.

Politiker und Betroffene gaben sich gelassen. Nur einige Gemeindepolitiker befürchteten, daß es zu schlimmen Eskalationen kommen könnte.

Der Beginn des Streiks

Der erste Streiktag verlief relativ ruhig. Es schien, als wollten die Bürger zeigen, daß die Polizei eigentlich entbehrlich sei. Auch der Straßenverkehr ohne Ampeln verlief relativ geordnet. Für den Einmündungsverkehr hielten sich die Verkehrsteilnehmer überwiegend an das Reißverschluß-System. Und wenn sich nach einer Kreuzung ein Stau abzeichnete, hielten die

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Kraftfahrzeuglenker zumeist vor der Kreuzung an, um dem Querverkehr die Durchfahrt zu ermöglichen. Geduld brauchten jene Fahrer, die auf einer wenig befahrenen Straße eine stark frequentierte Straße überqueren wollten. Es dauerte oft lange, bis ein Fahrer zu Gunsten des Querverkehrs anhielt. Oft konnte dann das erste Fahrzeug aus der Querstraße nur bis zur Kreuzungsmitte fahren, da der von rechts kommende Verkehrsstrom auf der anderen Straßenseite weiterfloß. An solchen Kreuzungen kam es wiederholt zum Chaos.

Mancherorts gab es auch Probleme mit randalierenden Jugendlichen, ansonsten verlief alles ruhig.

Das »Sprachrohr der Polizei« lobte die vernünftige Haltung der Bevölkerung. Es wies aber auch darauf hin, daß die Einsätze der Polizei ja hauptsächlich durch den kleinen Teil der Bevölkerung notwendig seien, dem Vernunft fremd sei. Es wurde frei nach Goethe (Faust) formuliert: »Es sind jene, die immer wieder die Unsicherheit verursachen, denen Vernunft als Unsinn und Wohltat als Plage gelten.« Von diesen Menschen sei noch einiges zu befürchten, hieß es im »Sprachrohr der Polizei«.

Die übrigen Medien höhnten nach den Erfahrungen des ersten Tages, daß sich die Polizei mit ihrem Streik eine Blöße gebe. Die Vernunft der Menschen sei ein besserer Garanat für die Ordnung als das überbetont autoritäre System der Polizei. In einer Tageszeitung wurde ein solcher Bericht mit einer Aufnahme eines

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breitspurig dastehenden, amtshandelnden Polizisten illustriert. In einer anderen ließ ein Karikaturist die Menschen in einiger Entfernung zwischen gespreizten Polizeibeinen klein erscheinen.

Man ließ auch Psychologen über diese oft zu beobachtende, typische Haltung amtshandelnder oder beobachtender Polizisten zu Wort kommen. Sie deuteten dieses Auftreten als eine psychische Mixtur von Machtbewußtsein und Unsicherheit. Der gewöhnliche Mensch im Polizisten sei sich zwar bewußt, daß ihm vom Gesetz große Macht verliehen ist, er müsse aber oft durch das Bewußtsein, daß es auf seine persönliche Bewährung ankomme, um diese Macht durchzusetzen, eine gewisse Hemmung überwinden.

Das »Sprachrohr der Polizei« ging darauf nicht ein. Es befaßte sich zum Teil nur nochmals mit den Gründen für den Streik, und berichtete, wie der Streik zustande gekommen sei.

Die Sitten werden allmählich »rauer«

Am zweiten Streiktag ergaben sich bereits nicht zu übersehende Probleme im Straßenverkehr. Das lag offenbar an der geringeren Bereitschaft der Verkehrsteilnehmer zur Rücksicht und am Nachlassen der Geduld. Kam der Verkehr durch Stau zum

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Stillstand, so wurden die Kreuzungen blockiert. In solcher Situation drängte der Querverkehr gegen die die Kreuzung Blockierenden. PKW oder auch LKW standen dann Frontseite gegen Frontseite schräg gegenüber, sodaß aus keiner Richtung ein Weiterfahren möglich war. Die Fahrer stiegen aus, diskutierten und beschimpften einander. In mehreren Fällen kam es zu Tätlichkeiten. Das waren die Hauptgründe, aus denen es zu Behinderungen kam.

Die Stadtverwaltungen forderten von der Polizei, daß ihnen durch von ihnen beauftragte Techniker der Zutritt zu den Schaltsystemen gestattet werde. Sie wurden dabei von den Medien unterstützt. Sie mußten sich jedoch erklären lassen, daß es nicht genüge, die Ampeln einfach einzuschalten und dem Automatik-Betrieb zu überlassen. Die Beamten der Stadtverwaltungen wirkten an der von den Politikern betriebenen Initiative auch nur halbherzig mit. Sie brachten den streikenden Polizeibeamten ein gewisses Maß an Solidarität entgegen. Schließlich war auch Ihnen aus Informationen älterer Kollegen bewußt, daß die Beamten im Dienst früher in allen Bereichen mehr respektiert wurden.

Manche warnten auch vor der Inbetriebnahme der Ampeln, weil dies ohne Polizeiüberwachung mehr und mehr zu einer Mißachtung der Ampelphasen führen könne. Man würde dann, wenn die Polizei wieder im Einsatz sei, nur schwer die nötige Disziplin zurückgewinnen können.

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Das Verkehrschaos blieb daher bestehen und verschärfte sich ohne Ampelbetrieb von Tag zu Tag mit allen eskalierenden Begleiterscheinungen.

Das »Sprachrohr der Polizei« forderte zur Besonnenheit auf. Es gab Ratschläge, wie der Verkehr auch ohne Polizei und Ampeln flüssig gehalten werden könne. Die Ratschläge wären sicher hilfreich gewesen, wenn sie beachtet worden wären. Es erweist sich immer wieder, daß die Menschen für ihr Tun einfach eines gewissen Maßes nicht nur an Hilfe sondern auch an Kontrolle bedürfen.

Am beweglichsten reagierten naturgemäß Jugendliche auf die neue, polizeifreie Zeit. Jene, die zu Ausschreitungen neigten, witterten nun, da niemand die Polizei rufen könne, unbegrenzte Freiheit. Sie hatten aber nicht damit gerechnet, daß auch die Erwachsenen nun größere Freiheit hatten, sie gehörig in die Schranken zu weisen.

Eine der markantesten Eskapaden, die bekanntgeworden waren, ereignete sich an der Bushaltestelle vor dem Kiesel. Zwei Jugendliche begannen, offenbar aus Übermut, an einem Abfallbehälter hin- und herzurütteln. Eine alte Frau wies sie zurecht: »Låßt ’s des bleibn. Wenn ’s des kaputt måchts, müssen des jå ålle zåhln, deï oarbaten und Steuern zåhln. Vielleicht a eichere Öltarn.« Einige andere der Wartenden stimmten ihr zu. Die Burschen lachten. Man merkte nun, daß sie zu dritt waren. Einer antwortete der Frau: »Ruaf die Polizei, wånn da wås

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net paßt!« Sie konterte: »Ihr müaßats so(u) oarbaten, wie mir’s tuan håm müassen, dånn tät eich des scho vageh.« Einer der Burschen – sie dürften vierzehn bis fünfzehn Jahre gewesen sein – schrie die alte Frau an: »Hålt die Pappn, Oide!« Und er gab ihr einen »Haken«, daß sie zu Boden sank. Da wandte sich ein sportlicher Mann mittleren Alters dem Burschen zu, bemerkte, »du glaubst wohl, du bist der Stärkste da«, und gab nun ihm einen Haken, daß er zu Boden ging. »Des is recht«, »ånders vastehn deї des net«, »iatz håt er wås eahm gheat«, bemerkten einige der Wartenden. Die beiden anderen Burschen wollten nicht einsehen, daß ihnen ein kräftiger, vielleicht sogar in einem Kampfsport geübter Erwachsener in den besten Jahren weitaus überlegen ist. Einer faßte den Mann, der seinen Kumpel zu Boden gestreckt hatte, am Revers seines Sakkos. Dieser umklammerte dessen Handgelenk, drückte ihn zu Boden und stieß ihm mit dem Knie gegen das Kinn, daß er zurücktaumelte und liegen blieb. Auch der dritte der Burschen wollte nicht glauben, daß er es mit einem Überlegenen zu tun hatte. Er schickte sich an, auf ihn einzuboxen. Der Mann hielt ihn einfach an seinem Hosenbund fest und ohrfeigte ihn mehrmals, daß ihm offenbar Hören und Sehen verging. Ein alter Sandler, der auf der Bank saß, lachte herzhaft dazu und meinte, den Mann anfeuern zu müssen. Das störte einen ebenso wartenden »Skinhead«. Er schrie auf den Sandler ein: »Misch du di net ei, du Schwein!« Der Sandler erhob sich und

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schrie unaufhörlich dasselbe: »Wås sågst? I daschlåg di! ...« Und er versuchte mit seiner Flasche auf den Skinhead einzuschlagen. Der Skinhead entwand ihm die Flasche und warf sie an die Wand, daß sie zerbrach. Es verbreitete sich ein viel intensiverer Schnapsgeruch, als er bisher schon vom Sandler ausgegangen war. Der Sandler fiel zu Boden. Der Skinhead packte ihn, sagte, »Iatz spül net den Toten«, hob ihn empor und warf ihn auf die Bank, daß er in sitzender Stellung röchelnd und jammernd dort verharrte. Der Bursche, der zuerst zusammengeschlagen worden war, hatte sich inzwischen ein wenig erholt. Er zog auf dem Gehsteig liegend ein Messer aus der Tasche, krümmte sich zur Seite und versuchte, es zu öffnen. Dem sportlichen Mann, der den Burschen die Lektion erteilt hatte, entging dies nicht. Er trat dem Burschen in blitzartiger Reaktion auf die Hände, daß er laut aufschrie und das Messer losließ. Der Mann steckte das Messer ein.

Im selben Moment traf ein Bus ein. Die, die nicht verletzt waren, stiegen ein und ließen die wüste Szene hinter sich. Auffallend war, daß alle, die konnten, einstiegen, obwohl, wie sich später herausstellte, dies nicht der Bus war, der sie an ihr Ziel brachte. Sie diskutierten im Bus noch über das Vorgefallene. »Die werden sich das für ihr Leben merken«, war der Tenor – auf die aggressiven Burschen gemünzt. Allgemein wurde der Mann, der so wirksam eingegriffen hatte, gelobt. Eine Frau meinte, daß »der net auf den Sandler

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losgehn« hätt’ müssn. Sie hatte nicht bedacht, daß der Skinhead auch im Bus war und dies hören konnte. Doch bevor er reagierte, äußerte ein älterer Mann: »Des woar scho recht, mit dem versoffenen Gsindl g’hörat eh längst aufgramt.« Der Skinhead klopfte ihm auf die Schulter und sprach: »Recht so.«

Nur eine Frau war auf der Kampfstätte verblieben. Sie rief mittels ihres Handys die Rettung an. Sie war von Beruf Krankenschwester, wie sich herausstellte. Die Rettungsleute erkundigten sich, um welche Verletzungen es sich handle. Es werde etwa eine Stunde dauern, bis sie kommen könnten, entschieden sie dann. Sie seien nun unentwegt im Einsatz. Verkehrsunfälle und Opfer von Tätlichkeiten gäbe es neben den üblich Erkrankten zu transportieren. Die Krankenschwester betreute die Verletzten bis zum Eintreffen der Rettung. Die alte Frau begleitete sie dann in einem der Rettungsfahrzeuge in die Landeskrankenanstalten, in denen sie beschäftigt war. Auch alle anderen Verletzten wurden in die Landeskrankenanstalten eingeliefert.

Psychologische Betreuung

Schwester Dorothea, die Krankenschwester, die Zeugin der Ausschreitungen beim Kiesel war, meldete ihre Zeugenschaft dem Primarius der zuständigen

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Abteilung. Der Primar-Arzt ließ sich die Geschehnisse genau schildern. Und er hielt es für angebracht, die Psychologie der Krankenanstalten einzuschalten und die Psychiatrie zu benachrichtigen. Die Polizei konnte ja nicht verständigt werden. Jugendpsychiater Dr. Bernhard Liebl und die junge Psychologin Dr. Herma Wender nahmen sich der Sache an.

Zunächst mußte der Zustand der Patienten festgestellt werden. Die alte Frau hatte durch den Aufprall auf dem Gehsteig eine Platzwunde am Kopf und eine Gehirnerschütterung erlitten. Man mußte noch einige Tage warten, bis sie gesprächsfähig war. Jenem Jugendlichen, der die Frau verletzt hatte, war beim Sturz die Schulter verletzt worden. Er klagte auch über Schmerzen im Kiefer und an den Zahnwurzeln. Man hatte aber keine erkennbare Verletzung feststellen können. Sein Kumpan hatte durch den Schlag mit dem Knie eine Kiefersprengung erlitten und es waren ihm zwei Zähne ausgebrochen. Den dritten der Jugendlichen, der die Ohrfeigen bekommen hatte, hatte man mit einer geschwollenen Backe in häusliche Pflege entlassen können. Das Krankenhaus war ohnedies bereits überfüllt.

Dr. Liebl schlug vor, zuerst die verletzte alte Frau anzuhören, sobald sie weit genug genesen sei. Er überließ das erste Gespräch der jungen Psychologin.Dr. Wender ließ sich das Geschehene darlegen. Und sie meinte dann, es wäre besser gewesen, die Jugendlichen nicht zu rügen. Sie seien in einem Alter,

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in dem sie eine gewisse Abreaktion brauchen. Das gibt sich dann später von selbst. Spätestens wenn sie eine Partnerschaft eingehen und Kinder haben, werden sie von alleine vernünftig.Damit kam sie aber bei der energischen alten Frau schlecht an. »Sie manen, junge Frau, ma soll zuaschaun, wia dei Flegel ois kaputtmåchn? Na. Des siach i net ei. Meine Buam und a mei Schwiegersohn, deї müassn ålle hårt oabatn. Sie vadienen net vü, und es wird eahna do(u) a Menge Steuer åzougn. Mei zweite Tochta is Alleinerzieherin. Neben ihrn Beruf als Verkäuferin geht s’ zwoamoi in da Wo(u)chn putzn, daß s’ ihre Kinda durchbringt. Dann muaß sie si in da Schui vo ana Lehrerin no(u) dumm åredn låssn, weil s’ koa I-Meїl håt. Sie muaß jå vo dem, wås s’ mit n Putzn dazuavadeant, a Drittel dem Finanzåmt zoin, und da Gebietskrånknkassa a no(u) wås. Und vo dem hoart daoarbatn Steuergeld muaß dann deїs zoit wern, wås soichi Rowdys aus Übamuat kaputtmochn. Da müasn S’ zerscht a amoi so(u) hårt goabat hom, junge Frau, bevor S’ so(u)wås sogn derfn.«Dr. Liebl mußte schmunzeln.»Aber schaun Sie, Frau Grimberger: So, wie das ausgegangen ist, hat sich das doch nicht gelohnt. Sie sind schwer verletzt. Und die jungen Burschen ändern sich ja doch nicht. Ist ’s nicht besser, wegzuschaun? Das tun auch die meisten andern. Und Sie als wehrlose Frau haben am ehesten ein Recht dazu.«

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»So(u)wås is ma zum erschten Moi passiert. Dås wår nur, wei die Polizei streikt. Sunst hättn si deї des net traut. Ån deїs håb i net denkt. Då war’s jå wirkli gscheida gweїn, wenn i a Station zruck gångan war. Dann war da Zorn verracht, und i hätt an späїtan Bus dawischt. Dånn hätt i deї Klachln neahma gseh(g)n.« Sie seufzte. »Oba ’s nexti moi, wånn die Polizei wieda Dienst mocht, dånn wer i mi wieda eimischn. Es schaun eh z’vü Leit weg.«Dr. Liebl schmunzelte wieder. »Frau Grimberger«, meldete er sich sodann zu Wort, »Sie haben nun Gelegenheit, an der Belehrung der Burschen mitzuwirken. Die sind auch im Krankenhaus.«»Wås? Deї san a då? Wiaso(u) denn deїs?«»Ein kräftiger Mann mittleren Alters hat sie verprügelt, nachdem Sie von den Burschen verletzt worden waren.«»A deїs is gscheit. Dånn hom s’ eh kriagt, wås vadeant hom. Seh(g)n S’, ‘s woa do(u) guat, daß i wos g’sågt håb.«»Aber es hätte für Sie noch schlimmer ausgehehen können.«»A, wo(u) kemm ma denn hi, wenn sie koana aus Ångst mehr wås sågn traut?«»Wie schon angedeutet, hätte ich nun noch eine Bitte an Sie, Frau Grimberger. Ich stelle mir vor, es wäre sinnvoll, wenn die Burschen – zwei sind hier in Behandlung – wenn diese Burschen einiges über Sie erfahren würden. Etwas aus ihrem Leben, über die

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harten Bedingungen, was Sie alles leisten haben müssen. Wären Sie bereit, denen in meinem Beisein etwas zu erzählen?«»A jå, denen dazöh i scho wås.«»Aber ruhig, Frau Grimberger, die sollen ja angeregt werden, darüber nachzudenken.«»Jå, is scho recht.«

Man traf sich am runden Tisch in der Ordiantion von Dr. Liebl.Dr. Liebl eröffnete, sich an die beiden Burschen wendend, das Gespräch. »Wenn man jung ist, verhält man sich oft so, daß man es nachher selber nicht verstehen kann. Ihr setzt Aggressionen gegen Leute, die ihr nicht kennt. Ich glaube, ihr hättet das nicht getan, wenn ihr die Frau gekannt hättet. Ich habe Frau Grimberger nun gebeten, daß sie etwas aus ihrem Leben erzählt. Das soll euch zum Nachdenken anregen. Du, Jürgen, solltest darüber nachdenken, ob du die Frau auch zusammengeschlagen hättest, wenn du sie gekannt hättest. Nun, Frau Grimberger, erzählen Sie bitte!«

Auch die junge Psychologin war zugegen. Ihr war gestattet, Zwischenfragen an Frau Grimberger zu stellen. Auch die beiden Burschen hatte Dr. Liebl eingeladen, Fragen an Frau Grimberger zu stellen, falls sie etwas nicht verstanden hätten, oder wenn sie etwas näher interessiere.

Frau Grimberger begann über ihre entbehrungsreiche Kindheit zu erzählen. Über ihre Schulzeit während des

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zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit. Daß es damals nicht einmal Schulbücher gegeben habe. Schreibhefte, in die sie alles einschreiben hatten müssen, das die Kinder heute aus den Büchern lesen und lernen können. Natürlich viel kürzer. Geschrieben hatten sie mit einem Federsstiel mit Metallfedern daran, die sie immer wieder in ein Tintenglas eintauchen hatten müssen. Dabei hatten sie achtgeben müssen, daß sie nicht Tintenkleckse ins Heft machten oder gar auf die Kleidung. Die Finger waren ohnedies meistens voll Tinte.

Der Vater hatte, als er vom Krieg heimgekommen war, wenig verdient, und es hat auch wenig zu kaufen gegeben. Einkaufen konnte man schon im Krieg und nachher nur gegen Lebensmittelmarken. Die Mutter hat viel selber genäht und geflickt und gestrickt. Dadurch waren sie besser dran, als wenn sie fertige Kleidung eingekauft hätten. Das hätte zuviel von den Lebensmittelmarken – es hat auch für Kleidung und anderes Marken gegeben – verbraucht. Außerdem hat es kaum fertige Kleidungsstücke gegeben. Sie mußten als Kinder auf alle ihre Sachen sehr Acht geben. Wenn etwas aus Unachtsamkeit kaputt ging, oder wenn im Haushalt etwas beschädigt wurde, gab’s Schläge.

Da hakte die Psychologin Dr. Wender ein und es ergab sich folgender Dialog zwischen der Psychologin und Frau Grimberger: »Wie haben Sie das erlebt? Hat Sie das nicht auch seelisch geschmerzt.«

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»A wo. Mir wårn dåmåls überhaupt net empfindlich. Dåmåls wår ålls vü oafocha. Des wår jå da Brauch. Ålle håbn eahnare Watschn kriagt, wann s’ schlimm wårn, vo da Muata, vom Vota, in da Schui, aba a vo åndere Erwåchsene, wånn ma wo(u) z’frech woan.«»Und haben Sie dann auch ihre Kinder geschlagen?«»Na, des håt ’s net braucht, deї hom a so(u) gfolgt. A jå, amoi hob i da Öltern a Watschn geїbn, weil s’ mi åglo(u)gn håt.«»Das hat ihrer Tochter und ihrer Beziehung zu ihr sicher geschadet. Wann ...«Frau Grimberger ließ die junge Psychologin nicht ausreden, sondern erklärte sogleich entschieden: »A, überhaupt net. I woaß des aus meina eigenen Kindheit. Wenn ma gschlågn worn san, wei uns wås passiert is, wei uns zum Beischpü beim Gschirr Åtrocknen a Tassn obigfoin is, dann hom ma uns scho gärgert. Und wånn dann da Muatta amoi wås obigfoin is, hom ma gsogt, ›di schlåg neamd‹, oba wånn i a Watschn kriagt håb, wei i zum Beispü glo(u)gn håb, dånn wår i froh, daß mit da Watschn ålls vorbei wår.«»Inzwischen hat sich die Situation für die Kinder sehr verbessert. Es ist einfach unwürdig, die Kinder zu schlagen, und es schadet den Kindern. Wie kann man die schlagen, die man liebt?«»Mia kå neamd nåchsågn, daß i meine Kinda net gern g’hobt hätt. Oba i hob schaun müassn, daß orntliche Menschen aus eahne worn san. Wås tatn Sie, wenn

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eahna eahna Kind åliagt? Oba wahrscheinlich håbns jå no(u) kane Kinder.«»Ich würde dem Kind erklären, daß es auch von mir erwartet, daß ich ihm immer die Wahrheit sage, und daß wir nicht zusammenleben könnten, wenn wir nicht darauf vertrauen könnten, daß man wenigstens in der Familie und im Freundeskreis ehrlich ist.«»Månchmal håb i den Kindern und Enkeln a wås erklärt. Oba wenn i des dauernd tå hätt, hättn s’ gar neahme zughört. Wenn ma eahna dauernd Vorträge hålt, kau des für die Kinder unangenehmer sei als Ohrfeigen. Des ist kurz und dann wieda vorbei, und sie merkn si ’s. Mei Enkelin håt Kinda kennt, denen die Muatta immer Vorträge ghålten håt. Deї Kinda hom des net möїgn. Kinder vo ana Psychologin kennt s’ a, des san recht vazo(u)gene Bengel. Und zu meina Zeit hätt ’s so(u)wås net gebn, daß a so(u) a Hålbstårka a oide Frau gschlågn hätt. Gånz gleich wås s’ gsågt hätt.«

Dr. Liebl fragte Jürgen: »Was würdest du tun, wenn du von deiner Mutter ›a gsunde Watschn‹ kriegn würdest«.»Dånn kriagats vo mir a a Watschn.«»Seh(g)ns! So(u) weit is kemman«, bemerkte Frau Grimberger.Die Psychologin: »Wenn die Mutter nicht schlägt, schlägt der Sohn auch nicht zurück.«Frau Grimberger: »Då san S’ schlecht informiert. I kenn etliche Fälle, wo(u) die Müatta vo ihre Kinda

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g’schlogen wern, ohne daß sie die Kinda gschlågn hätten.«Die Psychologin: »Daran sind andere Erziehungsfehler schuld.«

Dr. Liebl empfahl, Frau Grimberger sollte die Erzählung aus ihrem Leben fortsetzen. Darum gehe es ja jetzt. Und Frau Grimberger erzählte weiter: »Mia hom ålso unsare Watschn kriagt und san trotzdem gsund aufgwåxn. Nåch da Schui håb i nix lernen derfn. (Nach dem Schulabshcluß hat sie keinen Beruf erlernen dürfen.) Da Vota håt g’sågt, a Diandl braucht nix lernen, für sie is ’s am besten, wenn s’ in Haushalt tüchtig is. So bin i in an Haushålt vo ana Metzgerei kemman. Des wår ma net recht, des håb i in Votta vorghåltn, so lång er glebt håt. In da Metzgerei håb i dåmåls hårt oabatn müassn. Jeden Tåg bis in d’ Nocht eini. Nur am Sunntåg Nåchmittåg håb i frei ghåbt. Zoit håb i fåst nix kriagt. Gråd so vü, daß i mia des nötigste Gwånd kafn hob kinna. Oba i håb dånn an liabn Freind gfunden. Am Ånfång, wia ma verheirat wårn, håb i in da Metzgerei no(u) weitergorbat. Åba wia dånn die Kinda kemman san, bin i dahoam bliebm. Då håb i dånn in da Metzgerei nur mehr zeitweise ausghulfn, daß i a bissl wås dazu vadeant håb. Mei Vota håt amoi, wia er auf Besuch bei uns wår, gmoat, daß do(u) guat wår, daß i a richtige Ausbüldung fürn Haushålt durchgmåcht håb. Oba då håt eahm mein Mau(n) scho geїbn. Wie die Kinda groß worn san, hob i wieder mehr im Haushålt in da Metzgerei gorbat. I hätt går net

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åndersch kinnan. I wårs orbaten so(u) gwohnt. Mia hom frücha überhaupt vü fleißiger oabatn müassn. Davon profitiert die heutige Generation no(u). Oba es is guat, daß ’s heit ålle besser hom. Nur wird’s eahna heit går z’ leicht g’måcht, und si nehmans a z’ leicht. A bei meine Kinda is a neamma ålls in Ordnung. Die jüngere ist mit zwoa Kinda gschiedn. Vo ihrn Gschiedenen kriagst koa Göld. Der is a Fallout, vo dem is nix z’ huln. I hülf hålt nou mit, so(u) guat’s geht. ’s erschte Enkerl is überhaupt bei mir aufg’wåchsn, und auf deї vo da Gschiedenen paß i hålt hiatz auf, daß oabatn geh kå. I håb ålso dauernd hårt gorbat. Und weil i net zuaschaun håb kinnan, daß deї Burschn was kaputt måchn, wås vo hårt erorbate Steuergölda zoit wern muaß, håt mi der« – sie zeigte auf Jürgen – »afoch zsåmmgschlågn.«

Jürgen erhob sich, ging auf Frau Grimberger zu und sprach: »Entschuldign S’ bitte, i siach iatz eh ei, daß ’s net recht wår.«»Wenn(st) es eisiachst, is a guats Zeichen. Dann wirst di, wie die junge Frau g’sågt håt, scho no(u) bessern.«Jürgen blickte betroffen zu Boden.

»Danke, Frau Grimberger,« sprach Dr. Liebl nun erfreut und erleichtert. Und er fügte an, ich würde gerne noch mit den Burschen allein sprechen. Frau Grimberger kündigte er noch an, daß er sie im Haus noch besuchen werde. Auch die Psychologin verabschiedete sich, ein wenig indigniert, wie es den Anschein hatte. Sie wäre offenbar beim Gespräch mit

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den Burschen noch gerne dabeigeblieben. Dr. Liebl sagte ihr noch: »Wenn Sie wünschen, Frau Kollegin, können wir gerne noch über den Fall sprechen.«

Dr. Liebl wandte sich nun Jürgen zu: »Ich glaube, es ist so, wie ich gesagt habe. Wenn du Frau Grimberger gekannt hättest, hättest du sie sicher nicht geschlagen. Ich brauche daher, glaube ich, gar nicht mehr viel zu sagen. Du wirst Dir sicher merken, daß hinter jedem Menschen ein unbekanntes Schicksal steht, und daß daher jeder eine gewisse Achtung verdient. Und wenn jemand etwas beanstandet, sollte man immer überlegen, ob er nicht vielleicht recht hat. In dem Fall hatte die Frau ja recht. Es soll nichts mutwillig kaputtgemacht werden, weil wir das ja tatsächlich alle zahlen müssen. Da du dich entschuldigt hast, hast Du bei mir an Achtung gewonnen.« Dr. Liebl nickte ihm zu.Er fragte sodann den anderen: »Wenn nicht Jürgen die Frau niedergeschlagen hätte, hättest du sie geschlagen?«»I woaß net.«»Das ganze war ja auch für dich eine Lehre.« Und beide ansprechend gab Dr. Liedl noch einen Hinweis: »Auf noch etwas möchte ich euch aufmerksam machen: Alte Leute haben oft Enkel, die in eurem Alter sein könnten. Es könnte sein, daß sich eine Freundschaft zu den Enkeln ergibt oder daß ihr vielleicht sogar mit den Enkeln befreundet seid, ohne zu wissen, daß ihr es bei alten Leuten mit den

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Großeltern eurer Freunde zu tun haben könntet. Wäre es nicht peinlich, wenn ihr den Großvater oder die Großmutter eines Freundes oder einer Freundin schmäht oder ihr gar Gewalt antut. Ihr solltet in dem Zusammenhang noch manches überdenken. Ich glaube, die Erfahrung wird euch vor weiteren schweren Fehlern bewahren. Ich wünsche euch alles Gute. Und falls ihr einmal Rat brauchen solltet, könnt ihr euch gerne an mich wenden.« Damit entließ Dr. Liebl die Burschen.

»Das ist der Fluch der bösen Tat ...«

Zwei Tage später kam Jürgen von sich aus zu Dr. Liebl. »Derf i wås frågn, Herr Dokta?« fragte er kleinlaut.»Bitte, setz dich.«»Sie håbn gsågt, daß ’s sei kunnt, wenn ma ana Åltn wås tuat, daß ihr Enkelin die Freundin is. Håbn Sie gwußt, daß die Enkelin vo da Frau Grimberger mei Freundin is?«»Das ist delikat. Ich habe das nicht gewußt. Mir ist nur bewußt, daß sich eine solche Situation ergeben könnte, und ich wolte dich für die Zukunft darüber belehren. Was ist nun geschehen?«»Mei Freundin is gestern zu mir ins Zimmer kumman und håt gsågt: ›I bin sehr enttäuscht vo dir, du håst

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mein Oma zsåmmgschlågn‹, und weg is. I bin ihr nåchgrennt und håb ihr gruafn: ›Dani, låß dir des erklärn‹, åba sie wollt nix mehr hean. Kunntn Sie mir bitte höfn, Herr Dokta?«Dr. Liebl blickte den Burschen eindringlich an und sprach dann: »Ob ich dir helfen kann, hängt von dir ab. Ich kann nur mit gutem Rat helfen. Zuerst eine Frage, hast du schon mit deiner Dani geschlafen?«»Na, sie wollt net.«»Das ist recht so. Ich meine, das sollte erst bei einer gewissen geistigen Reife geschehen. Ich bin ja oft mit solchen Verhältnissen konfrontiert und muß miterleben, wie oft so frühe Liebschaften mit ernsten Problemen enden. Was die gar zu Jungen für Liebe halten, ist meistens nur Schwärmerei. Liebe muß auch vom Bewußtsein getragen sein, wieviel einem eine Partnerschaft abfordern kann, und sie muß ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein einschließen. Partner sind in vielem füreinander verantwortlich. Und das erfordert Reife, Lebenserfahrung oder wenigstens Intuition aus Liebe. Du hast aber, indem du eine alte Frau krankenhausreif geschlagen hast, gezeigt, daß es dir an Reife und Verantwortungsgefühl fehlt. Von den Scherereien, die eine solche Entgleisung zur Folge hat, ist auch eine Partnerin in mehrfacher Weise mitbetroffen. Es fehlt also an Reife zur echten Liebe. Und ohne Liebe und ohne Reife sollte es auch keinen Sex geben. Das war früher einmal ein selbstverständlicher Grundsatz.«

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»Früher vielleicht, åba hiatz nimma. Dånn suacht sie si an åndern.«»Es kann sein, daß sie sich einen andern sucht, weil du ihre Großmutter geschlagen hast. Du mußt erst überhaupt ihr Vertrauen zurückgewinnen. Und du mußt erst erreichen, daß sie dich wirklich liebt. Dann sucht sie sich keinen anderen. Da würde sie dir eher zu verstehen geben, daß sie nicht warten will. Hast du keine Idee, wie du ihr Vertrauen zurückgewinnen kannst?«»I könnt s’ anrufen und ihr sagn, daß mir des sehr lad tuat. Daß sowås sicher nimmer vorkommen wird.«»Ja, tu das. Aber du mußt darauf gefaßt sein, daß damit noch lange nicht alles in Ordnung ist. Vielleicht wird sie dir antworten, daß sie mit so einem brutalen Typ nichts mehr zu tun haben will. Vielleicht wäre es gut, wenn du danach die Frau Grimbacher am Krankenbett besuchst, ihr Blumen bringst, und dich bei ihr noch einmal entschuldigst. Vielleicht solltest du ihr erklären, daß du das nicht wirklich wolltest, daß das dumm war, daß ihr oft den Freunden zeigen wollt, was ihr euch alles traut. Und wenn die Stimmung gut genug ist, kannst du ihr sagen, daß Dani deine Freundin ist, daß das nie passieren hätte können, wenn du gewußt hättest, daß sie ihre Oma ist. Sie wird dich dann noch hart zurechtweisen. Sie wird wahrscheinlich sagen, daß es sowas überhaupt nicht geben darf, ob Oma der Freundin oder nicht. Dann kannst du beteuern, daß so etwas sicher nie mehr vorkommen wird – wenn das

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wirklich dein Vorsatz ist. Dann bittest du nochmals um Entschuldigung und verabschiedest dich.«»Jå, des måch i.«»Einige Tage später könntest du Dani wieder anrufen, sagen, wie leid dir das alles tut. Wenn sie noch nicht einlenkt, mußt du dich mit Geduld weiter bemühen, sie zu versöhnen, aber du darfst auch nicht aufdringlich sein. Du mußt damit rechnen, daß es ganz aus. Auch das mußt du akzeptieren. Es ist oft so im Leben, daß ein Fehler nicht wieder gutzumachen ist. Ich wünsch’ dir jedenfalls alles Gute.«Jürgen bedankte sich. Dr. Liebl ermutigte ihn, wieder zu kommen, wenn er meine, daß ihm ein Gespräch guttue.

Die Reaktionen der Medien

Die Medien sahen im aggressiven Verhalten der Jugendlichen Gründe dafür, daß der Polizeistreik unverantwortlich sei, und daß die Klagen, die Autorität der Polizei werde durch die mediale Kritik am Fehlverhalten einzelner Beamter untergraben, absurd sei. Es zeige sich ja, daß allein das Bewußtsein der Polizei-Präsenz vor allem die Jugendlichen im Zaum halte. Das aber, sollte nicht der Grund dafür sein. Die Jugendlichen sollten nicht eingeschüchtert, sondern

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von der Notwendigkeit, sich korrekt zu verhalten, überzeugt sein.

Der »Fall Jürgen« wurde von den Medien dahingehend interpretiert, daß sich die im Grunde guten Anlagen in den Jugendlichen gezeigt hätten, daß sie nur aus Gründen wie mangelnde Betreuung und Langeweile auf die schiefe Bahn geraten würden.

Jürgen wurde im Fernsehen interviewt, und er benützte die Gelegenheit, seine Freundin Dani und ihre Großmutter öffentlich um Verzeihung zu bitten und zu versichern, daß dies eine einmalige Entgleisung, eine Jugenddummheit gewesen sei. Der Appell blieb nicht ohne Erfolg, wie sich später herausstellte.

Das »Sprachrohr der Polizei« erläuterte, es sei eine untragbare Fehlentwicklung in der Gesellschaft, daß Jugendliche gewalttätig würden, nur weil keine Polizei-Intervention zu erwarten sei. Und es setzte sich mit der Perversion der gesellschaftlichen Werte ausführlich auseinander.

Den konkreten »Fall Jürgen« behandelten die Redakteure des SdP nachsichtig.

Das »Sprachrohr der Polizei« hatte aus dem insolventen Zeitungsverlag etwa die Hälfte der Mitarbeiter übernommen, sodaß die neue Zeitung professionell betreut werden konnte. Die Redakteure gaben sich größte Mühe um ein gehobenes Niveau bei leichter Verständlichkeit. Irgendwie hofften sie, daß sich vielleicht eine Basis für die Weiterführung des eingestellten Blattes oder eine neue Zeitung finden

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lasse. Mit der Vorgabe der Blattlinie durch die Personalvertretung der Polizei hatten die Redakteure keine Probleme. Wenn auch zu erwarten war, daß das »Sprachrohr der Polizei« zu keiner Dauereinrichtung werden könnte, so zeigte sich doch bereits deutlich, daß ein Blatt mit solchen Grundsätzen Chancen hätte. Man befaßte sich bereits intensiv mit Ideen für die Weiterführung unter neuem Titel.

Herausforderung für die Ostbanden

Den Ostbanden, die sich schon bald nach »der Wende« zu organisierter Kriminalität gerüstet hatten und seitdem äußerst ertragreiche »Diebstahls- und Einbruchsreisen« in den Westen unternahmen, war der Polizeistreik in Österreich nicht entgangen. Sie kamen nun in schwer bewaffneten Gruppen am hellichten Tag zu dreisten Überfällen. Es schien, als würden sich alle, die sich ansonsten auf den ganzen Sprachraum verteilten, nun auf Österreich konzentrieren.

Sie kamen mit unauffälligen LKW mit österreichischen Kennzeichen angefahren, parkten an möglichst unauffälliger Stelle bei Geschäften, die wertvolle Waren anboten, sie hielten mit ihren MP alle Anwesenden in Schach und zwangen die im Geschäft Tätigen das ganze Warenlager auf ihre LKW zu verladen. Die österreichischen Kennzeichen waren, wie

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nachträgliche Überprüfungen ergaben, nicht von österreichischen Behörden ausgegeben. Nach ihren dreisten Coups fuhren sie unbehelligt Richtung Osten davon.

Die Schäden, die auf die Weise angerichtet wurden, drohten ins Unermeßliche anzusteigen. Das Innenministerium ordnete an, daß sich die Polizei wenigsten zum Eingreifen in diesen Fällen von Schwerkriminalität durch ausländische Täter bereitzuhalten habe. Das Streikkommitee der Polizei wendete ein, daß es nicht möglich sei, den Dienst für einen Teilbereich aufzunehmen. Man werde solange auf dem Streik beharren, bis sich ein neues Verständnis über das Wirken der Polizei druchsetze und sich auch auf gesetzliche Begleitmaßnahmen stützen könne. Die Polizei brauche im Interesse aller für ihren Dienst ein besseres Image und bessere Bedingungen. Es gehe nicht an, daß die Risken, die bei der gewaltsamen Abwehr von Gewalt alle Beteiligten treffen, der Polizei angelastet würden. Diese Probleme waren natürlich nicht in wenigen Tagen zu lösen.

Die Regierung wandte sich ans Verteidigungsministerium. Es sei vielleicht ohnedies zweckmäßiger, wenn gegen schwerbewaffnete Banden größere Einheiten – wenn nötig mit schwerem Gerät – zum Einsatz kommen würden. Die für diesen Zweck zusammengestellten Truppen trafen jedoch mit ihren schwerfälligen LKW jeweils zu spät an den Tatorten ein. Die Banden waren offenbar auch auf diese

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Möglichkeit eingestellt. Wahrscheinlich hatten sie auch Beobachter im Einsatz, die sie rechtzeitig warnten. Sie fuhren jedenfalls immer rechtzeitig vor dem Bundesheereinsatz davon. Sie verstanden es sogar, den Kontrollstellen des Heeres auf der Autobahn und auf den Bundesstraßen geschickt auszuweichen.

Verschiedene gefährdete Großmärkte wurden von Angehörigen des Bundesheeres in Zivil überwacht, und man hatte schnelle und massive Einsätze vorbereitet. Als eine Bande einen Großmakrt in Autobahnnähe überfiel, rollten die Panzer des Bundesheeres an und sperrten der Bande alle Fluchtwege.

Die Bande trieb mit den MP im Anschlag alle Kunden des Marktes – es waren etwa dreihundet – auf einem Platz im Freien zusammen und verlangten die ungehinderte Abfahrt, anderenfalls würden sie die Geiseln der Reihe nach erschießen. Sie waren sogar mit einem Megaphon ausgerüstet und brachten ihre Forderung unüberhörbar vor. Ins Megaphon sprach einer, der die deutsche Sprache gut beherrschte.

Die Heerestruppe hatte einen Lautsprecherwagen der Militärpolizei im Einsatz und stellte den Gängstern, es waren etwa zwanzig an der Zahl, die ultimative Bedingung: »Ergebt Euch! Kommt einzeln im Abstand von je einer Minute auf den Panzer, hinter dem der Omnibus wartet, zu und legt die Waffen ab. Ihr werdet verhaftet und kommt in ein österreichisches Gefängnis. Wenn ihr euch nicht ergebt, habt ihr keine Chance, lebend zu entkommen.« Der Sprecher der Bande

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entgegnete: »Wir fordern freien Abzug.« Die Aufforderungen wechselten in zunehmenden Abständen hin und her.

Die Soldaten der Bundesheertruppe bekamen von Offizieren ihre Weisungen über Kopfhörer. Damit war bestens für den zu erwartenden Nervenkrieg vorgesorgt.

Nach zwei Stunden erschossen die Gängster die erste Geisel, einen alten Mann. In den Panzern hielten sich Scharfschützen bereit. Der Scharfschütze in günstigster Position wurde sofort vom Offizier, der den Einsatz leitete, mit Namen aufgefordert, den Täter zu erschießen. Man hatte Geschoße gewählt, die eine Person zu töten vermochten, ohne sie zu durchdringen und dahinter stehende Personen zu gefährden.

Es verging eine weitere Stunde angespannten Wartens. Dann verkündete der Sprecher der Gängster, sie seien bereit, sich zu ergeben, wenn dreien von ihnen, die keine Gewalttaten verübt hätten, freier Abzug gewährt würde. Der Sprecher des Bundesheeres antwortete, daß man darüber verhandeln könne. Es verging nochmals eine halbe Stunde, dann erklärten die Gängster, sie seien bereit, die Bedingung anzunehmen. Sie konnten ohne weiteren Zwischenfall verhaftet werden.

Die Banden verlagerten ihr Aktivitäten nun wieder auf die Nachtstunden und schränkten ihre Brutalität ein. Die österreichische Regierung war aber nicht mehr bereit, den heimischen Unternehmen und den

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Versicherungsanstalten die erheblichen Schäden, die letztlich über die Preiskalkulation die ganze Bevölkerung treffen mußte, zuzumuten. In Zusammenarbeit mit den künftigen EU-Staaten an den Grenzen wurden an allen Grenzübergängen strenge Kontrollen eingeführt. Man konnte damit zahlreicher Bandenmitglieder habhaft werden, und die Raubzüge der Banden gingen spürbar zurück.

Die Medien bedachten das Bundesheer mit höchstem Lob, kritisierten aber nach wie vor die Polizei, der man das Recht zu einem so umfassenden Streik absprach. Man setzte sich erneut mit der Forderung der Polizei auseinander, die diese von Anfang an präzisiert hatte. Den Medien waren die Depesche, mit der das Innenministerium die Polizei zum teilweisen Abbruch des Streiks aufgefordert worden war, und die Antwort der Depesche mit bereits erwähntem Wortlaut, »man werde solange auf dem Streik beharren, bis sich ein neues Verständnis für das Wirken der Polizei druchsetze und sich auch auf gesetzliche Begleitmaßnahmen stütze. Die Polizei brauche im Interesse aller für ihren Dienst ein besseres Image und bessere Bedingungen. Es gehe nicht an, daß die Risken, die bei der gewaltsamen Abwehr von Gewalt alle Beteiligten treffen, allein der Polizei auferlegt und angelastet würden«.

Auch das »Sprachrohr der Polizei« lobte das Bundesheer, unterzog die Aktionen einer fachlichen Beurteilung und anerkannte die Leistungen. Es hob

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aber auch hervor, daß beim Bundesheer-Einsatz, ebenso wie es bei Polizeieinsätzen mitunter unvermeidlich ist, ein Bandenmitglied getötet werden mußte. Für Überfälle von so großen schwerbewaffneten Banden, die es bisher nicht gegeben habe, müsse übrigens entweder die Polizei mit schwerem Gerät und Personalreserven ausgerüstet, oder es müsse – als weniger aufwendige Lösung – eine Zusammenarbeit von Polizei und Heer gesetzlich ermöglicht werden.

Eine »Inseratenzeitung« setzte sich noch wiederholt mit dem Thema auseinander und brachte es mit der geplanten Reform des Vorverfahrens nach der Strafprozeßordnung (und Novelle einzelner Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes und bezughabender Verordnungen) in Zusammenhang. Sie brachte dabei Festnahme und Vernehmung durcheinander und sie forderte, daß es endlich gestattet werde, beim Einschreiten der Polizei einen Anwalt beizuziehen.

Da diese Inseratenzeitung eine breite Öffentlichkeit erreichte, gab das »Sprachrohr der Polizei« eine Klarstellung: Die Polizei habe nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Festgenommener zu seiner Vernehmung einen Anwalt beiziehen darf. Es würde dadurch zwar manches Geständnis verhindert und die Protokollaufnahme würde komplizierter sein – zur Vereinfachung sollte wie bei Gericht die Verwendung von Tonträgern gestattet werden – andrerseits würden

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aber die Argumente von Angeklagten vor Gericht entfallen, ihr Geständnis vor der Polizei sei unter Druck zustande gekommen. Es würden damit jene Mißstände abgeschafft, die das Image der Polizei schädigen: Der Angeklagte behauptet vor Gericht, er sei von der Polizei unter Druck gesetzt oder gar mißhandelt worden, und man glaubt ihm. Der wahre Sachverhalt ist oft nicht zu beweisen.

Davon zu unterscheiden sei die Festnahme. Das »Sprachrohr der Polizei« richtete an den Chefredakteur des Inseratenblattes, der den Artikel verfaßt hatte, die Frage, wie er sich die Beiziehung eines Rechtsanwaltes durch eine nach den §§ 24, 45, 81 oder 84 des Sicherheitspolizeigesetzes festzunehmende Person vorstelle, wie sich der Anwalt verhalten solle, wenn der Festzunehmende massiven Widerstand leiste und zu fliehen versuche, wie überhaupt die Beiziehung eines Anwaltes vor sich gehen solle, solange ein Verdächtiger noch nicht festgenommen sei. Soll die Polizei den Verdächtigen ersuchen, er möge warten, bis sein Anwalt eintrifft?

Das alles betraf aber gar nicht den Polizeieinsatz gegen die Ostbanden, sondern das Nebenthema, in dem die Streikgründe allgemein zu Sprache kamen.

Brutale Einbrecher und Diebe

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Der Streik ging in die zweite Woche und auch die »kleinen« Einbrecher und Diebe und kleinere Einbrecherbanden wurden immer dreister. Wie sollte man ihrer ohne Polizei Herr werden? Man erwog zwar auch dagegen den Einsatz des Bundesheeres und errichtete versuchsweise in verschiedenen Gegenden einige »Wachtrupps«, wie die Truppen mit Polizeiaufgaben nun genannt wurden, aber in diesem Bereich bewährte sich das Bundesheer nicht.

Es gelang den Soldaten viel weniger oft, Täter aufzugreifen, als der Polizei. Und wenn es zu einem Eingreifen kam, eskalierten die Einsätze viel häufiger als jene der Polizei. Jene »unnötige Härte« mit Verletzungs- und Todesfolgen, die man der Polizei angelastet hatte, war bei Heereseinsätzen an der Tagesordnung. Sei es daß die Aggressionsbereitschaft der Kriminellen gegen die »Jungmänner« des Heeres wesentlich größer war, sei es daß die jungen Soldaten viel stärker von Emotionen bewegt wurden als die routinierten Polizisten, es kam jedenfalls in viel höherem Maß zu Verletzungen und Todesfällen auf beiden Seiten.

Die Medien führten dies vor allem auf die höhere Aggressionsbereitschaft gegen die jungen Soldaten, die Einbrecher aufgreifen und verhaften sollten, zurück. Die Kritik an der streikenden Polizei und den Beamten, denen man überzogenes Eingreifen vorgewerfen hatte, ging aber allmählich zurück.

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Das »Sprachrohr der Polizei«, das nun kurz SdP genannt wurde, gab beide Meinungen, sowohl die höhere Bereitschaft der Kriminellen, das Einschreiten der »jungen Bundesheerler« mit Gewalt abzuwehren, als auch die höheren Emotionen der jungen Soldaten, als Gründe an. Es kritisierte, daß bei geringer Effektivität das Leben junger Männer aufs Spiel gesetzt werde.

Das SdP forderte nun Journalisten, Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte auf, sich an den Einsätzen der Jungmänner des Bundesheeres zu beteiligen. Dabei hätten sie noch besser Gelegenheit, die Probleme der Konfrontation mit Gewalt kennenzulernen, als bei Beteiligung an Polizeieinsätzen, die sie durch Übergehen der Einladung abgelehnt hätten.

In der Bevölkerung, die ohne staatlichen Schutz dastand, bildeten sich verschiedene Formen der Selbsthilfe heran. Diese waren aber noch problematischer als die Einsätze der jungen Wehrmänner der Bundesheeres. Denn in der unmittelbaren Konfrontation zwischen Einbrechern und Einbruchsopfern ging es stets hart auf hart. Im Laufe der Streiktage gab es auf beiden Seiten zahlreiche Tote.

Besonders die Bewohner der Regionen von Reihenhäusern, Einfamilienhäusern und Villen hatten schon nach wenigen Tagen Vorsorge zur Selbsthilfe getroffen. Die Villenbewohner hatten durchwegs schon früher Alarmanlagen installieren lassen. Diese waren

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aber, wenn keine Polizei gerufen werden konnte, nur in Ausnahmefällen hilfreich, nur wenn sich mehrere Personen im Haus aufhielten und zur Waffe greifen konnten, wenn sie andringende Einbrecher mit Schüssen in die Luft empfangen konnten. Die meisten ergriffen sodann die Flucht. Sie mußten ja erkennen, daß die im Haus über Deckung verfügten, während sie selbst als lebende Zielscheiben den Garten durchqueren hätten müssen.

Aber nicht in jedem Haus waren genügend mit der Waffe erfahrene Bewohner zugegen. In diesem Fall baute man auf die Nachbarschaftshilfe. Man hatte Signalanlagen, die fünf bis sechs Nachbarn erreichten, einbauen lassen. Die Auslösung des Notsignals erfolgte sowohl über unterirdische Leitungen als auch über Funk. Entsprechende Taster waren in jedem Raum des Hauses angebracht, und die Bewohner hatten je ein Funkgerät bei sich, mit dem der Alarm ebenso ausgelöst werden konnte. Auf Tastendruck wurden also mehrere Nachbarn alarmiert. Im Haus, in dem sich der Überfall ereignete, wurde kein Alarm ausgelöst. Das Signal sollte ja nur dazu dienen, die Nachbarn um überraschendes Eingreifen zu bitten. Für sie war erkennbar, von welchem Nachbarhaus der Alarm ausging. Wie dieses Eingreifen am besten geschehen sollte, war nach der Lage der Gebäude, der Bäume und Sträucher rings um das Haus und nach der Situation im Einzelfall zu beruteilen. Und man hatte sich auch durch Übungen auf den Ernstfall vorbereitet.

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Einbruch im Villenviertel

Ein Beispiel riskanter Nachbarschaftshilfe sei hier geschildert: Das Ehepaar Warner wurde in der Abenddämmerung von Räubern überrascht. Eine Bande von vier Männern kam auf das Haus zu. Die Eheleute waren sogleich durch die Licht-Warnanlage auf die Zudringlinge aufmerksam geworden. Sie sahen die Männer mit Pistolen in den Händen im gleißenden Licht der Alarmscheinwerfer. Sie hätten die Heranrückenden erschießen können, aber das kam erst in Frage, wenn es auf Notwehr ankam. Sie betätigten die Alarmtaste, um die Nachbarn herbeizurufen, schalteten die Scheinwerfer aus, um den Nachbarn das Agieren im Dunkeln zu ermöglichen, entsicherten ihre Pistolen und harrten der Dinge.

Die Einbrecher – es handelte sich zweifellos um solche – pochten an die Haustüre und schrieen: »Aufmachen!« Dem Ehepaar Warner war klar, daß sie aufmachen müßten. Anderenfalls würden diese Burschen die Türe demolieren. Um Zeit für das Anrücken der Nachbarn zu gewinnen, sagte Herr Warner aber, er müsse erst den Schlüssel holen. »Sofort aufmachen!« schrie wieder einer und trat, um der Aufforderung Nachdruck zu verleihen, mit dem Fuß gegen die Türe.

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Herr Warner sperrte auf. Ein zu langes Zögern wäre auch nicht sinnvoll gewesen, denn dann hätten die Einbrecher womöglich das Eintreffen der Nachbarn bemerkt. Die Nachbarn sollten aber von draußen die Ereignisse durch die Fenster unauffällig beobachten und erst eingreifen, wenn sich die Lage zuspitzte.

»Geld und Schmuck!« schrie einer der Kriminellen. Herr Warner erklärte ihm ruhig: »In solcher Zeit haben wir natürlich nichts im Haus, alles im Banksafe.«»Macht nichts, Sie haben ja die Schlüssel der Bank und zum Safe-Raum«, behauptete einer der Kriminellen. »Sie werden uns in Ihrem Mercedes hinbringen«, setzte der zweite fort. Und der dritte bestimmte: »Aber zuerst werden wir uns hier noch ein wenig umsehen.«

»Die haben ja alles gut ausspioniert«, dachte Herr Warner, »die wissen also, daß ich der Direktor der Bank bin und anderes mehr. Immerhin reden sie mich per Sie an. Für Gastarbeiter übrigens ein zu gutes Deutsch. Nach dem Akzent dürften sie aus Rußland kommen.«

Da begann einer, ihn abzutasten. Er suchte wohl nach einer Waffe, und hatte bald gefunden, was er suchte. »Ein gutes Stück«, meinte er, »und entsichert«, und er nahm die Pistole an sich.Direktor Warner hatte sich überlegt, daß Gegenwehr keinen Sinn gehabt hätte. Ein zu früh einsetzender Tumult hätte nur das Eingreifen der Nachbarn erschwert. Er wußte ja, wie die Nachbarn eingreifen würden. Es war alles bis ins Detail vorbereitet. Für die

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jetzige Situation bestand ein exakter Plan. Der Direktor war sicher, daß ihn die Nachbarn nach dieser Vorbereitung nicht im Stich lassen würden.

Die anderen Kriminellen begannen, das Wohnzimmer zu durchsuchen. Sie wählten dazu eine wüste Methode. Sie schmissen den Inhalt aus Laden und Regalfächern auf den Fußboden. Einer wollte auch das Kristallglas aus der Vitrine werfen. »Halt dich damit nicht auf«, ermahnte ihn ein anderer. Und er fügte in offenbar russischer Sprache noch einiges hinzu. Das Glas blieb dadurch verschont.

Jener, der dem Herrn Direktor die Waffe abgenommen hatte, wendete sich nun Frau Warner zu. »Haben Sie auch eine Waffe?« fragte er zynisch grinsend, und er begann die Frau abzutasten. Sie hätte ihm am liebsten einen Handkantenschlag an seinen fetten kurzen Hals versetzt. Obwohl erkennbar gewesen wäre, daß unter dem eng anliegenden Kleid keine Waffe verborgen sein konnte – Frau Warner hatte die Pistole im letzten Augenblick in einer Vase versteckt –, intensivierte er das Abtasten zu einem unverschämten Grapschen, und schließlich begann er, der Frau die Kleider vom Leib zu reißen. Ein anderer befahl währenddessen Herrn Direktor Warner, sich zur Wand zu drehen, indem er ihn mit der Pistole bedrohte. Seine Frau fürchtete, daß er ungeachtet der Gefahr losschlagen könnte. Sie hatte an einem Fenster bereits den flüchtigen Schein eines Gesichts gesehen. »Folg ihm, es ist bald zu Ende«, rief sie daher ihrem Mann

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zu. »Was ist zu Ende?« schrie sie der Kriminelle an, der in unverschämter Weise gegen sie zudringlich war. »Was ist zu Ende?« schrie er noch lauter und gab ihr mit dem Handrücken einen Schlag ins Gesicht. Ihren Mann durchzuckte es, als wollte er losspringen.

Im selben Augenblick barsten fast gleichzeitig die fünf Fensterscheiben an den beiden Außenwänden des Wohnzimmers. »Verschwindet«, »aber sofort«, »sonst machen wir euch kalt«, ertönten laute Stimmen. Die Ganoven hielten das offenbar für eine nicht ernst zu nehmende Inszenierung. Sie schossen in Richtung Fenster. »Das ist das Ende! Dein Ende!« schrie der Räuber, der Frau Warner bedrängt hatte und richtete mit schneller Bewegung die Pistole gegen sie. Im selben Moment fiel er durch einen gut gezielten Schuß. Der, der Herrn Direktor Warner bewachte, schoß nun auf ihn, fiel aber auch gleichzeitig durch einen oder mehrere Schüsse. Die beiden überlebenden Gängster suchten nun Deckung, fanden aber keine ausreichende und schossen daher wild gegen die Fenster. Sie schrieen dabei: »Bestien« und russische Flüche. Die Nachbarn der Warners schossen nun auf ihre Arme, bis sie zur Türe torkelten. Sie konnten aber wegen der Schußverletzungen die Türe nicht mehr öffnen.

Die Nachbarn drangen nun in die Wohnung. Neun an der Zahl. Zwei Opas, drei Männer mittleren Alters, zwei Frauen und zwei junge Burschen. Sie trugen Schutzhelme mit übergittertem Visier. Damit sahen sie furchterregend aus. Sie drängten nun die beiden

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überlebenden Ganoven an die Wand. Dort brachen sie infolge ihrer Verwundungen zusammen.

»Vorsicht!« schrie einer der Nachbarn. Ein Wagen war vorgefahren, aus dem sechs Männer heraussprangen. Offenbar hatte die Bande noch Verstärkung angefordert. Schon waren die Scheinwerfer wieder eingeschaltet. Die Gängster begannen auf die Scheinwerfer zu schießen ohne zu bemerken, daß sie als hilflose Ziele unter Beschuß genommen werden konnten.

Die Jungen unter den wehrhaften Nachbarn forderten, man möge sie erschießen, sie würden sonst irgendwann Rache üben. Der Rechtsanwalt, der dieser Nachbarschaftshilfe angehörte, griff zum Mikrophon und richtete an die neuerliche Bande folgende Ansprache: »Hier Rechtsanwalt Gerhard B. Von der Bande, der ihr anscheinend zu Hilfe kommen wolltet, wurden zwei in Notwehr erschossen, die beiden anderen sind schwerverletzt und drohen zu verbluten, wenn ihr weiterhin unsere Aufmerksamkeit beansprucht und verhindert, daß wir die Rettung rufen. Wenn nun auch ihr uns zur Notwehr zwingt, dann werdet ihr erfahren, daß ihr hoffnungslos unterlegen seid.« Hierauf wurden an allen Häusern dieser Nachbarschaftshilfe die Scheinwerfer eingeschaltet und aus allen Häusern in die Luft geschossen. An den Fenstern des überfallenen Hauses zeigten sich die Schützen mit Ihrem Kopf- und Gesichtsschutz, Pistolen oder Gewehre auf die Ankömmlinge gerichtet. Der

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Anwalt fuhr fort: »Ein Arzt wartet bereits darauf, daß ihr abzieht, damit er eure schwerverletzten Kumpels erstversorgen kann. Ihr helft ihnen jetzt am meisten, wenn ihr abzieht.«

Die neue Bande zog tatsächlich ab. Während sie langsam davonfuhren, schaltete auch die angrenzende Selbsthilfegemeinschaft die Scheinwerfer ein und gab zahlreiche Warnschüsse in die Luft ab. Diese Demonstration geballter Verteidigungskraft reichte aus, daß die Straße fortan von Überfällen verschont blieb.

Nach dem Überfall

Der angrenzenden Selbsthilfegemeinschaft gehörte ein Arzt an, der sich nach der Schießerei eingefunden und nun Herrn Direktor Warner versorgt hatte. Er konnte feststellen, daß die Verletzung nicht lebensgefährlich war. Direktor Warner wurde von der Rettung ins Krankenhaus gebracht. Seine Gattin begleitete ihn.

In der zweiten Hälfte der ersten Streikwoche hatte man stundenlang auf die Rettungsfahrzeuge warten müssen. Auch die Rettung war durch den Stau absolut behindert. Inzwischen ließen aber zumindest alle, die Gelegenheit hatten, ihren Wagen in der Garage. Die Gefahr, daß der Wagen mutwillig beschädigt oder gar geraubt würde, war zu groß geworden. Wer sein

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Fahrzeug nur auf öffentlichen Verkehrsflächen abstellen konnte, setzte es ohnedies allen Risken aus. Für Herrn Warner war es jedenfalls wichtig, daß er sogleich in Krankenhausbehandlung kam.

Die beiden verletzten Kriminellen konnten nicht ins Krankenhaus gebracht werden, weil dort unvorstellbare Überfüllung herrschte. Aber der Arzt, der sie inzwischen notversorgt hatte, erklärte sich bereit, sie in seiner Ordinantion unterzubringen und gesund zu pflegen, wenn ihm von einem Krankenhaus die nötige Unterstützung, zum Beispiel durch Röntgenaufnahmen, gewährt würde.

Bevor die beiden verwundeten Kriminellen versorgt wurden, mußten sie sich mit einer Leibesvisitation einverstanden erklären. Sie hatten aber nichts einzuwenden, daß sie sich erst nach eventuellen Waffen und sonstigen unerwünschten Gegenständen durchsuchen lassen mußten. Sie wunderten sich mehr über die Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit, die ihnen entgegengebracht wurde. Sie wüßten nicht, wohin sie gehen könnten. Sie wüßten ja nicht einmal, ob sie überhaupt gehen könnten. Die Verstärkung, die gekommen war, hätte sie wahrscheinlich erschossen.

Die Leibesvisitation nahmen der Arzt und der Rechtsanwalt gemeinsam vor. Die Visitation sollte zugleich auch der medizinischen Untersuchung dienen. Es galt zunächst die Verwundungen vollständig festzustellen. Die Durchsuchung und die Untersuchung wären aber ohne Lokalanästhesie nicht möglich

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gewesen, da jede Berührung und Bewegung des Körpers heftigste Schmerzen verursachte. Die beiden räumten ein, daß sie daheim nicht mit soviel Rücksichtnahme rechnen könnten. Eine Lokalanästhesie gäbe es nur, wenn zufällig gerade genügend Medikamente vorhanden seien. Beim Umkleiden würde auf Schmerzen überhaupt keine Rücksicht genommen. Und bei Operationen würden sie unter Vollnarkose gesetzt. Der Arzt erläuterte ihnen, daß man hier eben mehr Menschlichkeit beachte. Man sei aber auch empört, daß Kriminelle aus dem Osten auf Raubzüge und, um sonstige Verbrechen zu begehen, hierher kämen. Mafiabosse hätten sie hergeschickt. Sie hätten ihr Leben selber in Gefahr gebracht, wenn sie dem Befehl nicht Folge geleistet hätten. Wo sie hergekommen seien, fragte der Rechtsanwalt. Sie gaben Moskau an. Der Anwalt befragte sie noch weiter über ihre Organisation und nahm das Gespräch auf Datenträger auf.

Die Durchsuchung brachte noch eine Pistole, je ein Taschenmesser und je ein Handy zutage. Die Verwundeten hätten aber auf absehbare Zeit nichts von all dem gebrauchen können. Dennoch war die Sicherstellung der Gegenstände wichtig.

Der Arzt sorgte noch vor, daß die Verwundeten von Wundfieber verschont bleiben würden und verhandelte dann mit dem Allgemeinen Krankenhaus, daß ihm dort die nötigen Röntgenaufnahmen gemacht würden. Alles weitere würde er selbst übernehmen, auch die

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Operationen, die er ohne Röntgenaufnahmen aber nicht beginnen könne.

Der Rechtsanwalt veranlaßte die amtliche Erfassung der Toten.

Anschließend lud er die Beteiligten zu einer Besprechung, die eine halbe Stunde später stattfinden sollte, in seine Kanzlei ein. Vorher wollten alle die eigenen Angehörigen, die sich zur eventuellen Verteidigung der eigenen Häuser bereitgehalten hatten, über das Geschehene informieren und den Bewachern und sich selbst Entspannung ermöglichen.

In der anschließenden Besprechung mußte der Anwalt großes Lob über sich ergehen lassen. Daß alles so profimäßig organisiert war und gut verlief, sei sein Verdienst. Er stellte aber klar, daß nicht alles gut verlaufen sei. Zwei Tote und drei Schwerverletzte seien kein gutes Ergebnis. Die Nachbarn stellten aber die Frage, zu welchem Ergebnis der Überfall geführt hätte, wenn kein Selbstschutz organisiert worden wäre. Der Anwalt schlug vor, eine Medienkonferenz einzuberufen. Dieser Fall wirksamer Gegenwehr sollte publik werden. Es könne vielleicht abschreckend wirken, wenn den kriminellen Banden bekannt wird, daß sie mit solch vehementem Widerstand zu rechnen haben. Er müsse aber vorher noch in Erfahrung bringen, was vor dem Eingreifen der Nachbarschaft geschehen ist. Dazu müsse er erst Gelegenheit haben, mit Frau Warner und wenn möglich auch mit Direktor Warner zu sprechen.

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Der Arzt hatte inzwischen eine beachtliche Leistung verbracht. Obwohl kein Chirurg, hatte er mit einfachsten Mitteln, unterstützt nur von seiner Ordinationshilfe, die Arme der beiden Kriminellen soweit wiederhergestellt, daß sie diese nach dem Heilungsprozeß voraussichtlich wieder gebrauchen können. »Hoffentlich nie mehr zu kriminellem Handeln!« warnte der Arzt.

Die Medienkonferenz

Die Medien nahmen das Angebot von Rechtsanwalt Dotkor Gerhard B. zu einer Konferenz gerne an. Stand doch die in diesen Tagen ungewöhnliche Gelegenheit in Aussicht, einen solchen Kriminalfall mit einer größeren Zahl von Beteiligten zu erörtern und objektive Daten zu bekommen. Ungewöhnlich war auch, daß Vertreter des »Sprachrohrs der Polizei« gemeinsam mit den Vertretern anderer Medien teilnehmen würden.

Herr Direktor Warner war deutlich auf dem Weg der Besserung. Es waren weder Lunge noch Herz verletzt worden. Der Rechtsanwalt konnte Frau Warner daher überreden, an der Medienkonferenz teilzunehmen. Nachdem er erfahren hatte, daß die Kriminellen Herrn Direktor Warner zwingen wollten, sie in den Safe-Raum der Bank zu führen, stellte sich für ihn ernsthaft

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die Frage, was ohne den Selbstschutz geschehen wäre. Direktor Warner hätte die Gängster sicher nicht in die Bank geführt.

Die Medienkonferenz wurde für den nächsten Abend in der Kanzlei des Rechtsanwaltes angesetzt. Sein Besprechungsraum konnte die zahlreichen Beteiligten ohne große Probleme fassen. Das Fernsehen drängte darauf, daß die Ereignisse nachgestellt würden. Man war sich darüber einig, daß von solchem Bildbericht eine abschreckende Wirkung auf die Kriminellen Banden ausgehen würde. Und die Pressevertreter würden dadurch einen wichtigen Teil der Informationen anschaulich vorgeführt bekommen. Auch die Pressefotografen kämen auf einfache Weise zu ihrem Teil.

Anschließend schilderte Rechtsanwalt Doktor Gerhard B., unterstützt von den Nachbarn, den Hergang. Was die Redakteure zusätzlich erfragten, fügte sich widerspruchslos in die Informationen.

Es entspann sich schließlich, wie erwartet, eine Diskussion zwischen den Vertretern des SdP und den Vertretern der übrigen Medien. Dabei ging es um zwei Fragenbereiche. Um die Zahl der durch die Selbstverteidigung Verletzten und Getöteten. Und darum, welche Folgen die nun einmal organisierten Gruppen der Selbstverteidigung auf die weitere Entwicklung der Kriminalität haben werde.

Zum Erstaunen der Redakteure des SdP hatte sich die Position der Vertreter der übrigen Medien stark

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verändert. Während sie früher die Polizei, wenn es Tote gab, wiederholt unzulässiger Übergriffe oder gar einer unzulässigen Schießfreudigkeit bezichtigten, sahen sie nun die Toten und Verletzten auf Seite der Kriminellen als unvermeidliche Folge von Notwehr. Die Vertreter des SdP versuchten sich zu vergewissern, ob sie auch richtig gehört hätten. »Haben Sie statistische Daten über die Zahl der Toten und Verletzten auf beiden Seiten?« fragten sie.»Sie werden doch nicht erwarten, daß wir Ihnen statistische Daten geben, die wir selber erarbeitet haben.«SdP: »Aus Ihren Berichten ergeben sich allein aus Raubüberfällen 57 getötete Kriminelle und 153 Tote unter den Opfern.«»Sie haben anscheinend einen guten Buchhalter.«SdP: »57 getötete Kriminelle. Das sind mehr als in den letzten zehn Jahren durch die Polizei Getötete.«»Diesen 57 stehen 153 tote Opfer gegenüber. Sagt Ihnen diese Relation etwas?«SdP: »Natürlich. Die Polizei verhindert – von den zehn Streiktagen ungefähr hochgerechnet – jährlich den Tod von 2027 Kriminellen und von 5580 Opfern.«»Rechnen ist anscheinend nicht Ihre Stärke.« Dem Redakteur, der diese Behauptung vorgebracht hatte, waren die Zahlen zu hoch. Er meinte, sein Kollege vom SdP müsse sich verrechnet haben.Der Redakteur des SdP drückte seinem Gesprächsgegner einen Taschenrechner in die Hand.

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»Ist das ein Geschenk?«SdP: »Sind sie es gewohnt, bei jeder Gelegenheit Geschenke anzunehmen?«»Wenn die Zahlen stimmen, beweist das, daß sich die Polizei unverantwortlich verhält.«SdP: »Solange Ihnen die Zahl der toten Polizisten gleichgültig ist, sind Sie mitverantwortlich. Wann wird Ihnen klar werden, daß selbst die Polizei überfordert ist, wenn sie gewaltlos gegen Gewalt kämpfen soll?«»Tote Polizisten gleichgültig –. Das sind nichts als gehässige Unterstellungen.«SdP: »Möchten Sie wissen, wie oft diese ›Unterstellungen‹ in ihrem Blatt zu finden sind?«»Kommen sie mir nicht damit. Sie kennen doch den Ausspruch: ›Es gibt nichts Älteres als eine Zeitung von gestern.‹«SdP: »Dann wenden wir uns der Zukunft zu.«

Es mußte erst wieder allgemeine Aufmerksamkeit erreicht werden. Ein Redakteur mit Stentorstimme warf irgendwann die Frage in den Raum: »Und wie soll das nun weitergehen, wenn die Polizei ihren Streik beendet? Wird sie dann die Selbstverteidigungsgruppen entwaffnen?«Die Vertreter des SdP hatten zwar eine klare Position. Aber sie warteten, ehe sie sich an der Diskussion beteiligten, erst einmal ab, welche Meinungen sich heranbilden würden.

Von einem rechts der Mitte positionierten Blatt kamen die ersten Wortmeldungen. Man plädierte dafür,

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daß die, die jetzt legal bewaffnet seien, auch nach Streik-Ende ihre Waffen behalten sollten. Es werde sicher längere Zeit dauern, bis sich die Polizei wieder den nötigen Respekt verschaffe. Es wird weiterhin ungewöhnlich viel Kriminalität geben. Die Polizei werde daher nicht überall präsent sein können. Die Bevölkerung müsse sich daher selber schützen können.»Dann wird es weiterhin Tote wie in einem Krieg geben«, kam es von anderer Seite.»Wenn eine Seite unbewaffnet ist, dann wird auch auf der anderen nicht so schnell geschossen.«»Bedenken Sie, wieviel Brutalität in den letzten Tagen geschehen ist. Und nehmen wir den Fall Warner. Wir haben doch glaubhaft erfahren, daß die Gängster nichts und niemanden geschont hätten. Die hätten doch beim geringsten Widerstand und bis zum Schluß geschossen, wenn sie nicht zuerst getroffen worden wären.«»Wie ist das mit dem, der den Bedränger von Frau Warner niedergeschossen hat? Gilt das als Notwehr, wenn ein Dritter zu Hilfe kommt?«»Ja freilich. Es heißt im Gesetz, wer den Angriff von sich oder einem anderen abwehrt ...«»Und gilt die Abwehr einer Vergewaltigung auch als Notwehr, Herr Doktor?«»Kollege, sie wer’n noch a saftige Honorarnota kriegn.«»Macht ’s ’n net nervös. Er is ja net vom Gerichtsressort.«

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»Notwehr ist gegeben, wenn ein Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und sogar auf Vermögen abgewehrt wird. Allerdings muß die Abwehr angemessen sein. Es kann also in solchen Fällen immer Probleme geben.«Inzwischen traf auch, ziemlich erschöpft, der Arzt ein. Er hatte mit nur kurzen Unterbrechungen die beiden Kriminellen operiert. Er zitierte sie: »Besser in Österreich eingesperrt sein als daheim ohne Arbeit.«Das löste einen allgemeinen Tumult und Gelächter aus. »Da ham mir’s ja. Die kommen zu uns ins Gfängnis auf Urlaub.« »Entweder sie machn große Beute und san dann dran beteiligt, oder sie lassn si einsperrn.« »Die Strafn san für die viel zu mild.« »Mir können net verschiedene Strafn für die Einheimischen und für die Häfngäst aus ’m Osten einführn.« »Warum net, bei unseren normalen Strafbedingungen fühln si die wie auf Urlaub. Die Strafn müßten daher relativiert wern.«»Jetzt san vü Neue daherkemman. Die wern des jetzt immer wieder probieren. Mir ham ’s ja ghert, dei ham da ja nix zum Fürchten.«

»Die Polizei wird es dann erst recht nicht vermeiden können, schneller nach der Waffe zu greifen. Dann stecken wir von vornherein wieder im Dilemma«, meldete sich nun ein Vertreter des SdP zu Wort.

Irgendwann nach Mitternacht bei leeren Gläsern und vollen Aschenbechern fand man dann zu einer Einigung. Die Medienvertreter sahen ein: ohne Polizei geht es nicht. Das jetzige Chaos sei ein Horror. Es

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müsse beendet werden. Und wenn’s anders nicht geht, dann eben mit Weihrauch an die Polizei. »Ein Horror!« sagte ein Redakteur, der seine Kippe so heftig in den Aschenbecher gedrückt hatte, daß Asche und Tabakreste auf den Tisch regneten.

Die Medien berichteten dann ausführlich über den Fall Warner und einen Tag später stimmten sie versöhnliche Töne in Richtung Polizei an.

Rechtsanwalt Doktor Gerhard B. kamen hohe Verdienste an der Einigung zu. Bis der Streik aber endgültig abgebrochen werden konnte, hatte die Bevölkerung noch die dritte Streikwoche zu Ende durchzustehen.

Moldawier besetzen Wohnungen

Familie Gstattner saß gerade beim Abendessen. Gesprächsthemen waren wie allgegenwärtig die Auswirkungen des Polizeistreiks.

Gudrun berichtete – dem Vater war das noch nicht bekannt – daß in ihre Schulklasse des Mädchengymnasiums eine Rotte Burschen eingedrungen sei und sich wüst aufgeführt habe. Es hatte schließlich so ausgesehen, als hätten sie einige Mädchen vergewaltigen wollen. Aber für die Schule sei die Nachbarschaftshilfe bereits bestens organisiert gewesen. Einige benachbarte Bauern und Unternehmer

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mit ihren Arbeitern seien sorfort eingetroffen. Sie hätten die Burschen ohne Waffeneinsatz gehörig verprügelt, bis eine Soldatentruppe aus der nahen Kaserne eingetroffen sei. Diese hätte die Burschen schließlich festgenommen. »Wenn ihr glaubt, ihr könnt jetzt Anarchisten spielen, habts euch getäuscht!« sagte ein Militärpolizist. Und er habe einem, der sich wehren wollte, den Arm an den Rücken gedreht, »und ab ging’s.«

Die Mutter klagte, daß es bereits zu Versorgungs-Engpässen komme. Im Großmarkt seien Durchsagen zu hören gewesen, daß Produktion und Zulieferung nicht mehr klaglos funktionieren. Die Kunden mögen aber von Hamsterkäufen Abstand nehmen. Es sei nicht zu befürchten, daß die Versorgung ganz zusammenbrechen werde. Tatsächlich gebe es von allem Wichtigen genug. Man müsse eben ein wenig improvisieren. »Hast du da schon improvisieren müssen?« fragte Sohn Wernhard die Mama. Und er deutete auf das Püree. »O, ich hab auf das Salz vergessen«, entschuldigte sich die Mutter, nachem sie das Püree gekostet hatte. »Salz gibt es aber noch genug zu kaufen.« Und sie fügte an, quasi als ob das Salz im Püree unwichtig wäre: »Übrigens ist der ganze Markt von einem privaten schwerbewaffneten Wachdienst bestens geschützt.«

Der Sohn berichtete, daß bei ihnen an der Schule das allgemeine Chaos zu mehr Zusammenhalt geführt habe. Man diskutiere und übe, wie man sich für den

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Ernstfall schützen wolle. Er glaube, daß dies auch wirksam sein würde. Zwei Mädchen, die nach dem Unterricht nicht abgeholt werden könnten, würde jeweils von einer Gruppe von Burschen heimbegleitet. Sie würden schon so martialisch aussehen, daß sie bisher unbehelligt geblieben sind. »In deinem Alter überschätzt man gern die eigene Kraft. Wenn du doch einmal Schwierigkeiten haben solltest, ruf sofort an, es wird nicht an Hilfe fehlen«, ermahnte ihn der Vater.

»Hat es bei Euch im Betrieb noch keinen Überfall gegeben?« richtete der Sohn eine Frage an den Vater. Und der Vater berichtete: »Wir haben auch ein paar große Schweißgeräte. Die sind nun neben der Tür aufgestellt. Zweimal wollten sich schon kleine Banden Zutritt verschaffen. Aber die großen Schweißgeräte wirken wie Flammenwerfer. Die haben gleich kehrt gemacht.« Der Sohn erkundigte sich noch: »Sind diese Geräte größer als das Gerät, das du heimgebracht hast?«

Da pochte es mit einem harten Gegenstand an die Tür. Das verhieß nichts Gutes. Aber in solchem Fall blieb nichts anderes übrig als zu öffnen. Es standen drei ungepflegte Ausländer vor der Türe, Pistolen auf Herrn Gstattner gerichtet: »Hitler hat meine Großvater aus Wohnung gejagt. Jetzt ich dich jagen aus Wohnung.« Sie machten ein wenig Platz zum Durchgehen und riefen: »Alles raus, schnell!« Sie fuchtelten dabei mit den Pistolen. »Was erwartet ihr euch davon?« fragte der Vater, »es kann ja nicht mehr

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lange dauern, bis die Polizei den Streik beendet. Dann müßt ihr ja doch wieder raus.« »No future«, sagte einer. »Raus!« schrie ein anderer.

Der Sohn hatte in aller Ruhe das Schweißgerät herangeschleppt. »Kennt ihr das?« fragte Herr Gstattner. »Was ist das?« fragte einer, ohne daß sie näher kamen. »Das werdet ihr gleich sehen«, sagte Herr Gstattner und schaltete die Zündautomatik ein. Eine Stichflamme fuhr zwischen die Kriminellen. Sie liefen davon.

»Das hast du gut gemacht«, lobte der Vater seinen Sohn. Die Familie lachte zunächst, diskutierte dann aber über den Ernst der Lage. Wenn sie nicht das Schweißgerät bereit gehabt hätten, wäre ihnen womöglich nichts übrig geblieben, als die Wohnung zu verlassen. Wo wären sie jetzt, wo würden sie übernachten. Sie hätten wahrscheinlich gar nichts mitnehmen können. »Es is a Wahnsinn, was jetzt alles passiert. Ma hat net amal mehr die Wohnung sicher«, klagte die Mutter.»Es war gut, daß die uns Platz g’macht habn zum Hinausgehn. Wenn s’ direkt vor der Tür g’standen wären, hätt i net amal einschaltn können. Die Flamme war nämlich auf höchste Stärke eingestellt. Wenn einer direkt davor gstanden wär, wär er sofort a lebende Fackel gwesen«, erläuterte der Vater.»Wär a net schad gwesen. Unverschämt, wie die sind«, meinte die Tochter.»Was werdn die jetzt machen?« fragte der Sohn.

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»Wahrscheinlich versuchen sie, anderswo Leute aus der Wohnung zu vertreiben«, mutmaßte der Vater.

Am nächsten Tag stand im »Sprachrohr der Polizei« zu lesen:

»Wohnungsraub durch MoldawierBürger aus ihren Wohnungen getrieben

Höhepunkte im chaotischen Geschehen setzten einige Gruppen von Moldawiern, die Bewohner aus ihren Wohnungen vertrieben und sich kurzerhand einnisteten. Diese Aktionen geschahen offenbar nach Verabredung der kleinen Gruppen untereinander, aber ohne gründliche Vorbereitung. Drei bis vier jeweils mit Pistolen, teils auch mit Maschinenpistolen Bewaffnete verschafften sich Zutritt zu Wohnungen. Sie erklärten, Hitler habe ihre Großeltern in Moldawien aus den Wohnungen vertrieben, und sie begründeten damit ihr Recht, hier zwei Generationen später Revanche zu verüben.

In einem Fall wurden sie durch die Flamme eines Schweißgerätes vertrieben. In anderen Fällen wurden sie von ebenso mit Pistolen bewaffneten Bewohnern zurückgewiesen.

Mehrere Wohnungsinhaber ließen sich aber einschüchtern und vertreiben. Sie kamen in den Abend- und Nachtstunden, Hilfe erbittend, in unsere Redaktion. Die Hilfe wurde ihnen in der Form zuteil, daß Einsatztruppen des Bundesheeres die Wohnungsbesetzer festnahmen.

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Zu Schießereien oder zu Verletzungen durch Gewalt und Gegengewalt war es in keinem der Fälle gekommen.

Es konnte noch nicht festgestellt werden, ob diese Banden in naivem Glauben, sich auf die Weise Wohnungen aneignen zu können, handelten, oder ob sie kriminelle Abenteuer gesucht hatten. Nachdem die Einheimischen vertrieben waren, zogen jeweils auch Frauen und Kinder der Banden in die Wohnungen ein. Das spricht eher für die Variante der Naivität. In keinem der Fälle konnten Besetzer auch nur eine Nacht in den Wohnungen zubringen. Obwohl die ›Wohnungsräuber‹ also nur einige Stunden in den besetzten Wohnungen gehaust hatten, richteten sie große Schäden und arge Verschmutzungen an.

Dass damit Diebstähle verbunden worden wären, wurde durch das rasche Einschreiten des Bundesheeres verhindert.«

Chaos

Die Kriminalität und die Aggressionen, denen die Bevölkerung ausgesetzt war, hatten ein unerträgliches Ausmaß angenommen.

Die vorhin aufgezählten Beispiele waren nur wenige von vielen in verschiedenster Abwandlung. Die Raubüberfälle auf Geschäfte und Wohnungen schienen

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aber rückläufig zu sein. Die massive Verteidigungsvorsorge der Beschölkerung schien abzuschrecken.

Die spontane Kriminalität, die Kleinkriminalität und absurde Abreaktionshandlungen hatten aber katastrophale Ausmaße angenommen.

Die Fußgänger und die Fahrgäste in öffentlichen Verkehrsmitteln waren von immer dreisteren Überfällen bedroht. Taschendiebe trieben ihr Unwesen. Räuber ergriffen Fußgänger und Fahrgäste und verlangten Geld oder Wertgegenstände. Im Straßenverkehr herrschte das Recht des Stärkeren. Je größer und stärker der Wagen, desto größer die Durchsetzungskraft. Schaufelbagger, überdimensionierte Hubstapler und schwere LKW wurden am meisten respektiert. Es kam vor, daß ein Bagger- oder Staplerfahrer unbotmäßige PKW auf die Schaufel oder die Gabeln nahm und aus dem Verkehr setzte. Auch schwere LKW bahnten sich ihren Weg mitunter mit Crash-Methoden. Und es gab auch immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen.

Die Folge war, daß Straßen und Wege immer mehr leer blieben. Die Leute schlossen sich zu wehrhaften Gruppen zusammen, um ihre Einkäufe im nächsten Markt, den sie zu Fuß erreichen konnten, zu besorgen. Besorgungen, die irgendwie aufgeschoben werden konnten, schob man auf.

Den Weg zur Arbeit am frühen Morgen konnten die Berufstätigen relativ unbehelligt zurücklegen. Da

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waren die Chaoten noch nicht in Aktion. Beim Rückweg am Abend mußte man auf Zwischenfälle gefaßt sein. Man schloß sich aber so gut wie möglich und oft spontan zu selbstschützenden Gruppen zusammen.

PKW-Fahrten wurden soweit wie möglich vermieden. Eine große Zahl der PKW waren ohnedies nicht mehr betriebsfähig. Reifen waren beschädigt oder abmontiert, die Karosserien waren vielfach beschädigt.

Ausländerfamilien beeilten sich, anstehende Fälle von Blutrache in diesen Wochen auszuüben. Ehefrauen, die von ihren Ehemännern mißhandelt wurden, waren in dieser Zeit ohne Schutz. Familiendramen häuften sich.

Kinder, ehedem frech und aufsäßig, waren nun eher eingeschüchtert. Das Benehmen hatte sich aber nicht verbessert. Die Unart, durch die Gegend oder in öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Boden zu spucken, hatten sie beibehalten. Ebenso ungenierte zotenhafte Redensweisen.

Wesentlich verstärkt hatten sich aber die Probleme, daß größere Kinder kleinere, die stärkeren also die schwächeren unterdrückten und erpreßten. Die Eltern waren oft ratlos und ließen die Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Das war aber gesetzwidrig und und es war daher mit Problemen seitens der Schulbehörden zu rechnen.

Hin und wieder fanden sich größere Kindergruppen zu ausgeklügelten Streichen zusammen. In einer

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Siedlung in Großmarktnähe waren stets zahlreiche Einkaufswagen abgestellt. Die Leute fuhren aus Bequemlichkeit mit den Einkaufswagen vor die Haustüre und ließen die Wagen dort einfach stehen. In der Folge verwendeten die Kinder die Wagen für ihre Spiele. In dieser chaotischen Zeit hatten sie einen besonderen Einfall. Sie organisierten eine regelrechte Spaßfahrt. Etwa hundert Kinder taten sich zusammen und fuhren mit ebensovielen Einkaufswagen von der Siedlung ins Stadtzentrum. Man kann sich vorstellen, daß das einiges Aufsehen erregte und natürlich auch Verkehrsbehinderungen. Aber der Verkehr war nicht sehr dicht und die meisten Kraftfahrer nahmen das gelassen hin. In der Stadtmitte mutierte der Spaß, wie bei Kindern oft üblich, zu unverantwortlichem Tun. Sie schubsten die Einkaufswagen über die Uferböschung in den Fluß. Natürlich war ihnen nicht bewußt, daß dies schlimme rechtliche Folgen für ihre Eltern haben würde. Und ein zehnjähriger Bub ertrank. Er wollte einen Wagen, der auf der Böschung hängen geblieben war, anstoßen, wurde aber von schwungvoll nachkommenden Einkaufswagen in den Fluß mitgerissen. Niemand half.

Oft kam es vor, daß Jugendliche aus Übermut Hunde reizten. Wer einen großen Hund besaß, führte ihn in dieser Zeit zum persönlichen Schutz mit. Meistens ordnungsgemäß an der Leine. Aber es hatte sich andrerseits eingeführt, jegliche Ordnung außer Acht zu lassen. Jugendliche reizten die Hunde, um schließlich

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mit Messern gegen sie zu kämpfen. Einfach so zur Abwechslung. Oft erwiesen sich aber die Hunde als stärker und geschickter. Es kam zu schweren Bißverletzungen. Andrerseits wurde aber auch mancher Hund erstochen.

Es kam auch immer wieder zu Übergriffen auf Sandler, Skinheads und Punks. Jene, die die Polizisten beargwöhnten und als Kiberer oder Bullen beschimpften, mußten nun erfahren, daß auch für sie der Schutz durch die Ordnungshüter wichtig war. Allerdings setzten Skinheads und Punks, die angegriffen worden waren, auch Racheaktionen. Sie taten sich zusammen – anscheinend organisierten sie auch Verstärkung aus dem Ausland – und terrorisierten Passanten. Mit ihrer Racheaktion erreichten sie aber nicht jene, die sie verprügelt hatten, sondern Unbeteiligte. Auf eine Punk-Unterkunft wurde hierauf ein Brandanschlag verübt. Die Punks standen dadurch ohne Unterkunft da.

Scheidungswaisen waren zu dieser Zeit den Launen der streitenden Eltern ausgesetzt und wurden hin und her »gezerrt«.

Es kam auch vermehrt zu Fällen von Kindesmißbrauch durch Fremde. Kinder wurden in Wagen gelockt oder gezerrt und an abgelegenen Orten mißbraucht.

Es gab einzelne Fälle, in denen im Gedränge im Bus Frauen Heroin ins Gesäß gespritzt wurde. Miniröcke machten dies möglich. Die Betroffenen schrieen zwar

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auf, bis sie aber erkannten, was mit ihnen geschah und reagieren konnten, hatte der Attentäter die Spritze längst wieder verborgen. Er konnte allenfalls verdächtigt werden, man konnte ihm aber die Tat nicht beweisen. Es blieb unklar, warum solche Drogenattentate verübt wurden.

Es führte sich auch ein, daß Fahrgästen im öffentlichen Verkehrsmittlen die Kleidung mit roter Farbe beschmiert wurde. Es sah dann aus, als wären sie blutbeschmiert.

Manche übten solche Attentate auch mit Sprühdosen aus. Einer wurde dabei einmal ertappt, überwältigt und selbst von oben bis unten mittels seiner Sprühdose besprüht.

Kriminelle betrieben Handel mit gestohlenen oder gefälschten Kunstwerken und sonstigen Gegenständen.

Grafitti-Sprüher hatten Hochsaison. Sie übten ihr »Handwerk« am hellichten Tag in aller Öffentlichkeit und meist unbehelligt aus.

Kinder zündelten im Bus und setzten eine der hinteren Bankreihen in Brand. Sie hatten aber vergeblich damit gerechnet, daß sie durch den Polizeistreik unbehelligt bleiben würden. Einige Fahrgäste hielten sie fest, während der Busfahrer den Brand löschte. Die Kinder wurden dann in die Zentrale der Verkehrsbetriebe gebracht. Von dort aus verständigte man die Eltern, daß sie die Kinder gegen Ausweisleistung abholen sollen.

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Im Tiergarten wurden in der Nacht Raubtier- und Affenkäfige geöffnet. Ein Mann wurde getötet. Anscheinend jener, der die Tiere freigelassen hatte. Es kam zu keinen weiteren Unfällen. Es war nur mühsam, die Tiere, die sich verborgen hielten, aufzufinden und wieder einzufangen.

Bei Bankomaten wurden solange Überfälle verübt, bis es niemand mehr wagte, dort Geld abzuheben.

Die Liste könnte noch mit zahlreichen Kriminalfällen und Kuriosa fortgesetzt werden. Es schien unglaublich, wieviel Phantasie zum destruktiven Verhalten aufgewendet wurde.

Rückkehr zur Normalität

Die Titelseite des »Sprachrohrs der Polizei«, Wochenendausgabe der dritten und letzten Streikwoche, war ungewöhnlich gestaltet. Sie zeigte offenbar drei Leserbriefe. Streikten nun auch die Redakteure des SdP?

Die Leserbriefe waren links und rechts vom Titelbild, und ein fünfspaltiger unterhalb des Bildes, der wie ein richtiger Leitartikel aussah, gesetzt.

Bilder kann ich in meiner Homepage, wie Sie wissen, sehr verehrte Leserinnen, sehr geschätzte Leser, leider nicht wiedergegeben, sondern nur beschreiben. Das Titelbild zeigte Polizisten im Dienst. Also ein Bild

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älteren Datums. Der Bildtext: »Wann kommen sie wieder?« Während schon Gewissheit darüber bestand, wurde damit zunächst nur Hoffnung geweckt, daß der Polizeistreik endlich beendet wird? Ein wenig ironisch, nicht?

Die Leserbriefe seien hier aber im vollen Wortlaut wiedergegeben. Der Brief links vom Titelbild:

Ein Hundeleben für Amanda

Liebe Freunde, ich muß Euch sagen, seit mein Alter ständig zu Hause ist, ist das kaum mehr auszuhalten.

Er hält nun dauernd meinen Fauteuil besetzt und auch meine anderen Lieblingsplätze auf der Couch sind sehr oft besetzt, nämlich immer, wenn seine Kollegen und sogar Kolleginnen auf Besuch da sind. Ich mußte schon wiederholt auf dem Teppich schlafen. Das probiere einmal einer aus, nach anstrengendem Nachtdienst auf dem Teppich schlafen.

Worin mein Nachtdienst besteht? Patrouillen in der ganzen Wohnung, ob nicht irgendwo ein Silberfischchen eindringt. Diese Silberfischchen sind mein sehr dürftiger Ersatz für Mäuse. Sie kennen ja die Definition einer Wohnungskatze: »Eine Wohnungskatze ist eine Katze, die nie im Leben einer Maus begegnet ist.«

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Außerdem muß ich die Fliegen vom Bett meines Alten abhalten. Das ist ganz schön anstrengend. Das eine oder andere Mal bin ich dabei nach einem kräftigen Sprung auf der Bettdecke über dem Körper meines Alten gelandet. Können Sie sich sein Geschimpfe vorstellen? Dann sehe ich eben zu, wie ihm die Fliegen den Schlaf rauben. Sie kennen das ja, wenn immer wieder eine kommt und um die Ohren summt. Kaum hofft man, in des Morpheus Arme zu sinken, geht’s los: »S-s-s-s-s-suuummm, s-s-s-s-s-suuummm!« Dann macht er Licht, und versucht die Fliege zu erwischen. Am Ende schmeichelt er mir dann meistens: »Amanda, fang sie!« Das tue ich ja gern. Aber nun, da ich am Tag auf dem Teppich schlafen soll.

Und seit er nun Streik hält und dauernd daheim ist, ist eine große Unordnung eingerissen. Das Damespiel liegt seit Tagen offen auf dem Couch-Tisch. Ich habe versucht, die Steine mit den Pfoten in die Schachtel einzuräumen. Denn daß ich sie in die Schnauze nehme, will er nicht. Da werden sie voll Speichel. Und die runden Dinger in die Pfote zu nehmen, ist gar nicht einfach. Wissen Sie, wie er mir das gelohnt hat? Er hat mich ausgelacht.

Und das Geschirr stellt er einfach auf dem Küchenkasten ab, anstatt es in die Geschirrspüle zu stellen – obwohl er nun so viel Zeit hat. Sie können sich nicht vorstellen, welch große Versuchung das für mich ist. Neulich habe ich einen Teller abgeleckt, auf

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dem noch kleine Bratenreste verteilt waren. Da hat er mich mit der Dienstwaffe bedroht und geschrieen: »Dich erschieß ich noch einmal!« »Erschieß die Silberfischchen«, maunzte ich zurück.

Und sogar das Futter gibt er mir nun unregelmäßig.Sagen Sie selbst, ist das nicht ein richtiges

Hundeleben? Sorgen Sie bitte dafür, daß der Streik bald endet. Sie brauchen den Herrn Polizisten, mir ist er dagegen entbehrlich.

Katze Amanda5020 Salzburg

Und hier nun der Leserbrief auf der rechten Seite vom Bild:

Wissen Sie, was Hunger ist?

Kaum jemand von uns hat jemals echten Hunger verspürt. Was ist Hunger eigentlich? Wie lange müßten wir totalfasten, bis sich ausgeprägtes Hungergefühl einstellen würde?

Es sind nur Ausnahmesituationen, in denen Angehörige unserer modernen Gesellschaft wirklichen Hunger kennenlernen.

Da sind doch im letzten Winter Tourengeher, die nicht genug Proviant mithatten, von einer lange

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anhaltenden Schlechtwetterperiode im Winterlager einer im Winter nicht bewirtschafteten Hütte festgehalten worden. Nachdem sie einen Tag nichts gegessen hatten und eine Wetterbesserung nicht zu erwarten war, schlugen sie mit ihren Handys Alarm. Da eine leichte Wetterbesserung zu erwarten war, vertröstete man sie und stellte ihnen in Aussicht, daß sie tags darauf mit dem Hubschrauber abgeholt würden. Wetter- und geländebedingt konnte der Hubschrauber aber weder landen noch war eine Seilbergung möglich. Es wurden daher Lebensmittelpakte abgeworfen. Die Leute hatten, wie später zu erfahren war, in zwei Tagen ohne Verpflegung Hunger kennengelernt.

Vor mehreren Jahren ist in einem Wald im Stadtgebiet von Salzburg ein Sandler verhungert. Hierauf hieß es allgemein, das wäre in unserer Gesellschaft nicht notwendig gewesen, das hätte nicht geschehen dürfen.

Das sind, wie angedeutet, seltene Ausnahmeerscheinungen.

Ich bin Lebensmittelhändler. Welche Folgen hätte es, wenn unsere Branche einmal drei Wochen streiken würde? Wieviele, die nicht ausreichend Vorräte bereit hätten, müßten dann hungern? Ich will damit nur sagen, daß in gewissen Berufen Streiks einfach nicht zulässig sind. Das gilt auch für die Polizei. Denn in den nun fast drei Wochen Streik haben viele Schlimmeres als Hunger erlebt.

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Die Polizei hätte doch nur zu tun brauchen, was man von ihr forderte: Kriminelle human behandeln. Das hätte so vor sich gehen können:Ein Drogen-Dealer wurde ertappt.Der Inspektor stellt sich vor: »Rottweiler mein Name, Inspektor Rottweiler.«Der Dealer schaut ihn verdutzt an.Der Inspektor freundlich: »Wie heißen Sie?«Der Dealer: »I bin da Motzerer. Mi kennt eh jeder.«Der Inspektor: »Ich habe Sie soeben beim Dealen beobachtet. Sie werden verstehen, ich muß Sie leider festnehmen. Würden sie bitte ihren Arm da an die Handschelle halten!«Wie eine solche Festnahme weiterginge, kann sich jeder ausmalen. Die Medien mögen dann ihre Kommentare abgeben und Ratschläge geben, wie auf diese Weise eine Festnahme gelingen sollte. Was geschehen würde, wenn Delinquenten nicht mehr festgenommen werden könnten und so weiter.

Wäre das etwa für ernste Probleme zu wenig ernsthaft?

Franz Kornbeisser5431 Kuchl

Und nun der Leserbrief, der die Stelle eines Leitartikels einnahm:

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Wer ist für die Folgen des Streiks verantwortlich?

Lassen sich die Schäden, die den Österreichern durch den nun fast drei Wochen andauernden Polizeistreik entstanden sind beziffern? Gewiß. Es kommen hiefür zwei Methoden in Frage.

Die erste: Man erhebt die Gesamtschäden, die durch kriminelle Handlungen während der Streikdauer entstanden sind, und vergleicht sie mit der durchschnittlichen Schadenshöhe im gleichen Zeitraum unter sogenannten Normalbedingungen. Die Differenz sind die Schäden infolge des Polizeistreiks.

Die zweite Methode: Man addiert sämtliche an Versicherungsanstalten oder andere zuständige Stellen gemeldeten und überprüften einzelnen Schadensbeträge, und scheidet jene, die mutmaßlich auch ohne Polizeistreik geschehen wären, aus der Rechnung aus.

Die Ergebnisse aus beiden Ermittlungsmethoden müßten annähernd übereinstimmen.

Es können hier nun nicht die komplizierten Rechtsgrundlagen für Entschädigungen erörtert werden. Es geht aber um die politische Verantwortung. Hätte und wie hätte die Bundesregierung auf den Streik oder schon auf die Streikdrohung reagieren müssen? Es war ja zu erwarten, daß ein Alltag ohne Sicherheitskräfte zu einem Chaos führen würde, daß

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ein sprunghaftes Ansteigen der Kriminalität die Folge sein würde und daß daraus entsprechend hohe Schäden an der körperlichen Integrität, an Vermögenswerten und auch an kulturellen Werten – hauptsächlich im Privatbereich – entstehen würden.

Diese Gefahren hätten die Regierung zu frühzeitigem Handeln veranlassen müssen. Es hätte überprüft werden müssen, inwieweit die Tendenz, daß immer öfter Beamte der Exekutive für unabsehbare und unkontrollierbare Folgen von Amtshandlungen zur Verantwortung gezogen werden, tatsächlich zu untragbaren Bedingungen für die Polizei führt.

In jedem einzelnen Fall, in dem der Polizei unangemessen hartes Vorgehen, Überschreitung der Notwehr und ähnliches vorgeworfen wurde, ist erwiesen, daß Widerstand gegen die Staatsgewalt vorangegangen ist.

Solcher Widerstand ist zunächst einmal mit aller Entschiedenheit zu verurteilen. Es muß für jedes Mitglied unserer zivilisierten Gesellschaft selbstverständlich sein, daß es auf eine Anhaltung oder Festnahme durch Exekutivorgane nicht mit Gewalt oder Gegengewalt reagieren darf. Wenn sich jemand selbst außerhalb der Zivilisation ansiedelt, so darf man ihn wohl draußen lassen.

Es kann natürlich vorkommen, daß jemand zu Unrecht verdächtigt, angehalten oder festgenommen wird. In solchem Fall wird er sachlich auf den Irrtum hinweisen. Gibt er einen solchen Hinweis, so ist dies

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für die Beamten umso eher ein Grund, bei der Befragung oder trotzdem notwendig erscheinenden Festnahme jedes Aufsehen zu vermeiden. Der Irrtum wird sich im Normalfall während der Vernehmung herausstellen.

Auf keinen Fall ist ein Widerstand gegen die Beamten ein probates Mittel, die Situation eines Angehaltenen zu verbessern. Durch den Widerstand setzt er ja auf jeden Fall einen Tatbestand, der allein seine Festnahme rechtfertigt. Und er setzt damit von sich aus ein Verhalten, das Aufsehen erregt.

Es stellt sich auch die grundsätzliche Frage, wie die Exekutive ihren Aufgaben gerecht werden soll, wenn sie es immer öfter mit renitenten Personen zu tun hat?

Jeder Widerstand gegen die Staatsgewalt ist daher von vornherein grundsätzlich zu verurteilen. Das Bemühen eines Angehaltenen, verbal sachlich einen Irrtum aufzuklären, gilt nicht als Widerstand. Gelingt solche Aufklärung nicht, so würde dies aber keinesfalls einen gealtsamen Widerstand rechtfertigen.

Früher, als Höflichkeit allgemein noch einen höheren Stellenwert hatte, als auch die Kriminalitätsrate noch weitaus niedriger war, hat Widerstand gegen die Staatsgewalt in der Gesellschaft noch allgemein als untragbares Fehlverhalten gegolten. Es bestand ohne Zweifel ein wichtiger Zusammenhang zwischen allgemeiner Wertegesinnung und Anerkennung des polizeilichen Dienstes.

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Von besonderer Bedeutung ist auch die Frage, wem die moralische Beurteilung eines Fehlverhaltens von Exekutivorganen zukommt. Kann dies jemand beurteilen, der nie in der Situation war, körperliche Gewalt oder Waffengewalt überwinden zu müssen? Auch einer, der überwunden scheint, der reglos auf dem Rücken oder auf dem Bauch liegt, kann unberechenbar sein, kann einen günstigen Augenblick abwarten, um einen Befreiungsschlag auszuführen. Einer, der sich scheinbar mit angezogenen Beinen vor Schmerzen auf dem Rücken windet, kann simulieren. Wenn sich einer über ihn beugt, kann er ihn mit enormer Kraft wegschleudern. In den Beinen hat man wesentlich mehr Kraft als in den Armen. Auch wer auf dem Bauch liegt, kann sich kraftvoll erheben. Der Beamte muß auch damit rechnen, daß sein Gegner bereit ist, ihn zu töten, um zu entkommen. Daß ein solcher Kampf emotionsgeladen vor sich geht, ist selbstverständlich.

Wenn nun jemand, dem solche Erfahrung fehlt, dies theoretisch beurteilt – sei er ein Richter, ein Arzt, ein Psychologe – so kann es sehr leicht zu einem Fehlurteil kommen. Für die Exekutivbeamten wird ein solches Urteil nicht nahvollziehbar sein.

Es wird dabei die einfache, eingangs erwähnte Bedingung außer Acht gelassen, daß jeder von der Exekutive Angehaltene jedes Risiko von sich abwenden kann, wenn er sich auf keinen Widerstand einläßt. Dem Beamten wird dagegen, wenn er auf

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gewaltsamen Widerstand trifft, das Risiko für seine körperliche Unversehrtheit oder für sein Leben zwangsläufig aufgebürdet. Hinzu kommt für den Beamten das Risiko der Heimtücke.

Er muß auch damit rechnen, daß sich ein Delinquent scheinbar widerstandslos festnehmen läßt, aber einen überraschenden Befreiungsschlag plant und bei Gelegenheit ausführt.

Man wird also für Bedingungen vorsorgen müssen, die Vorverurteilungen und Verurteilungen der Polizeibeamten auf unzulänglichen theoretischen Grundlagen ausschließen.

Wenn nun gesichert wird, daß schon bei der polizeilichen Vernehmung ein Verteidiger beigezogen werden kann, dann werden damit die skurrilen Gründe Angehaltener für den Widerstand gegen die Staatsgewalt entkräftet. Das Delikt des Widerstands gegen die Staatsgewalt wird daher im Gegenzug schärfer zu ahnden sein. Wer dann noch Widerstand gegen eine Anhaltung oder Festnahme leistet, wird kriminelle Gründe haben. Allerdings wird in wichtigen Fällen die Verfahrenshilfe schon bei der behördlichen Vernehmung einsetzen müssen.

Die ganze Problematik hat auch einen außenpolitischen Aspekt. Wie ist es möglich, daß immer wieder einmal oder sogar mehrmals abgeschobene Kriminelle wieder hier auftauchen und hier Schäden anrichten und Kosten verursachen.

Peter Schlüssler

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1010 Wien

Beendigung des Streiks

Auf Seite zwei des SdP stand zu lesen, daß der Streik am Sonntag dieses Wochenendes beendet werde. Die verbesserten Bedingungen für die Polizeibeamten konnten nur mündlich vereinbart werden, da sie einer Änderung des Strafgesetzes bedürfen. Eine Gesetzesänderung kann aber nicht binnen wenigen Tagen bewirkt werden.

Die Verbesserung der Bedingungen der Beamten der Exekutive besteht vor allem darin, daß der Strafrahmen bei Widerstand gegen die Staatsgewalt wesentlich erhöht werden wird.

Bisher lautete § 269, Absatz 1, des Strafgesetzbuches (StGB): »Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und einen Beamten mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ... zu bestrafen.«

Dieser Strafrahmen wird auf das Doppelte, also auf sechs Jahre erhöht werden. Die Alternative einer Geldstrafe wird eingeführt werden.

Die Strafandrohung des § 270 lautete bisher: »Wer einen Beamten während einer Amtshandlung tätlich angreift, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten

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oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.«

Der Strafrahmen nach dieser Bestimmung wird ebenso auf sechs Jahre erhöht werden. Der Höchstbetrag der Geldstrafe wird entsprechend angeglichen werden. Es war nicht einzusehen, daß Tätlichkeiten gegen Polizisten im Dienst milder zu bestrafen seien, als solche, wenn sie eine Amtshandlung behinderten. Der Polizist als Mensch sei mindestens ebenso schützenswert wie amtliches Handeln.

Die Personalvertretung der Polizei hatte eine Änderung der Bedingungen mit folgenden Argumenten verlangt:

Der Respekt vor den Sicherheitskräften ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr zurückgegangen. Wenn die Polizei gerufen wird, um in eine Wirtshausrauferei schlichtend einzugreifen, so ist es geradezu üblich geworden, daß die Kontrahenten, oft gmeinsam, die Beamten tätlich angreifen.

Drogendealer, besonders jene aus Schwarzafrika, wehren sich nach bisherigen Erfahrungen grundsätzlich mit Körpergewalt gegen die Festnahme, aber auch gegen die Anhaltung.

Einbrecher oder Einbrecherbanden wehren sich immer öfter mit Waffengewalt gegen polizeiliches Eingreifen.

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Diese Mißstände verursachen beiden Seiten hohe Risken: Verletzungsgefahr bis hin zur tödlichen Verletzung. Rufschädigung der Polizei.

Wenn Polizisten einen gewaltsamen Widerstand zu brechen haben, so läßt sich das Agieren nicht immer exakt dosieren. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es zu schweren Verletzungen, auch mit Todesfolge kommt. Die Medien sorgen dafür, daß in solchen Fällen den Beamten Fehlreaktionen und Überreaktionen angelastet werden. Von der Bevölkerung werden diese Vorwürfe unterschiedlich aufgenommen. Derzeit steht noch eine Mehrheit auf Seiten der Polizei. (Das schadet nicht, wenns einen solchen Verbrecher erwischt. Die Strafen sind eh zu niedrig.) Die Tendenz ändert sich aber in die Richtung der Auffassungen der Medien, der Meinungsbildung durch die Medien. Sicher ist die Beachtung der Menschenrechte geboten. Aber es gilt auch zu bedenken, daß jeder, der gewaltsam Widerstand gegen die Staatsgewalt setzt, eine Risiko nicht nur für sich selbst heraufbeschwört, sondern auch den Beamten einen peinlichen Handlungszwang mit unberechenbaren Folgen aufbürdet.

Die Polizisten sind außerdem bei solchen Aktionen dem gleichen, wenn nicht einem größeren Risiko, verletzt oder gar getötet zu werden, ausgesetzt. Beim Kampf gegen Einbrecherbanden müssen sie nämlich mit gezielten Schüssen aus dem Hinterhalt rechnen. Wenn aber ein Polizist schwer verletzt oder getötet

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wird, dann wird nicht lange über die Unmenschlichkeit oder menschenverachtende Einstellung der Kriminellen diskutiert, sondern der Fall der Verletzung oder der Todesfall wird gewissermaßen als Berufsrisiko abgetan. Solche Risken wurden dem Berufsstand übrigens durch keinen Vorteil irgendeiner Art ausgeglichen.

Völlig ignoriert wird dabei auch, daß die Ost-Banden aus den Relikten der dortigen Diktaturen hervorgegangen sind. Sie vertreten eine völlig andere bis keine Rechtsauffassung. Der »Kapitalismus« des Westens gilt ihnen nach ihrer Indoktrinierung als Feindbild. »Eigentum ist Diebstahl.« Hat man das alles vergessen, das jahrzehntelang aus dem Raum kommunistischer Diktaturen medial zu uns herübergedrungen ist? Unsere Beamten müssen dem mit rechtsstaatlicher, humaner Einstellung begegnen.

Man kam schließlich überein, durch eine bedeutende Erhöhung des Strafrahmens bei Widerstand gegen die Staatsgewalt deutliche Zeichen zu setzen. Und man war sich nach längeren Diskussionen darüber einig, daß die Risken auf beiden Seiten die Erhöhung des Strafrahmens rcchtfertigen würden. Wenn die Medien dies als inhuman darstellen würden, so könne nun die durch das SdP erweiterte Medienvielfalt aufklärend entgegenwirken.

Die Ost-Banden und Täter aus ehemaligen kommunistischen Staaten betreffend einigte man sich darauf, daß gesetzliche Möglichkeiten geschaffen

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würden, während der Strafgefangenschaft Unterricht über das westliche Gesellschafts- und Rechtssystem zu erteilen. Dies könnte als Gehirnwäsche kritisiert werden, man kann es aber auch als Relavation deuten.

Abschließend wurde erklärt, es stimme also nicht, daß die Regierung dem Streik untätig zugesehen habe. Es wurde eifrig nach Lösungen gesucht, ja gerungen.

Polizei wieder im Einsatz

Die Polizei hatte für ihren Dienstbeginn nach dem dreiwöchigen Streik nicht ohne Grund den Sonntag gewählt. Verkehr und Verhalten der Bürger würden am Sonntag ruhiger verlaufen als an Wochentagen. Das gebe beiden Seiten bessere Gelegenheit, sich wieder aneinander zu gewöhnen.

Alle Anständigen hatten damit ja keine Schwierigkeiten, sie hatten die Präsenz der Polizei ja vom ersten Streiktag an herbeigesehnt. Aber das entstandene Chaos sprach dafür, daß doch ein Umgewöhnen notwendig sein könnte. Außerdem wollte die Polizei nicht schon am ersten Einsatztag dem Ansturm mit nachzuholenden Anzeigen ausgesetzt sein. An den Türen zu den Wachzimmern fand sich ein Aushang, daß Anzeigen erst am Montag entgegengenommen würden.

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In schweren Fällen hätte zwar während des Polizeistreiks die Gelegenheit bestanden, sich an das Bezirksgericht, an den Untersuchungssrichter oder an die Staatsanwaltschaft zu wenden. Aber das war zu wenig bekannt oder die Leute hatten eine gewisse Scheu, sich an diese Ämter zu wenden. In der Polizeiwachstube vorzusprechen, erschien ihnen einfacher. Man hatte also alles für die Polizei aufgespart. Dieser Ansturm stand also erst für den Montag bevor.

Zum Erstaunen aller Beobachter – die Medien hatten Großeinsatz – verlief der Sonntag völlig ruhig. Die Verkehrsampeln waren wieder in Betrieb und die Verkehrsteilnehmer hielten sich strikt an die Ampelphasen. Da der Innendienst gewissermaßen aufgeschoben war, sah man überdurchschnittlich viele Polizisten auf der Straße. Sie verhielten sich eher strenger als gewohnt, und das wurde akzeptiert.

Am Nachmittag tauchten wohl einige Rowdy-Gruppen auf, die sich von der Polizei aber ohne großen Widerstand zurechtweisen ließen.

Das schien unglaublich. Man hatte erwartet, daß die Polizei größte Schwierigkeiten haben werde, die notwendige Disziplin wieder einigermaßen herzustellen. Aber es verhielten sich nun alle unerwartet diszipliniert.

Man versuchte nun, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Medien beauftragten Psychologen. Die

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Ergebnisse von deren Analysen fielen recht unterschiedlich aus.

Die Meinung eines bekannten und führenden Psychologen setzte sich schließlich durch: Das ist, wie wenn Kinder einen sehr bösen Streich vollendet haben. Ihr Gewissen plagt sie, und sie sehnen sich danach, daß alle Probleme irgendwie überwunden und alle Folgen überstanden seien.

Die meisten, die sich destruktiv verhalten hatten, haben sich ausgetobt. Die drei Wochen waren ihnen genug. Viele haben selber irgendwelche Blessuren physischer oder psychischer Art davongetragen. Und sie wünschen nun selbst, daß das Chaos beendet sei, daß alles wieder normal und friedlich vonstatten gehe.

Der Vergleich mit den Kindern ist auch deshalb naheliegend, weil die meisten Destruktiven ja irgendwie geistig zurückgeblieben sind.

Die harten Kriminellen werden ihre Aktivitäten nun in den ersten Tagen nach dem Ende des Polizeistreiks wieder erhöhen. Sie rechnen damit, daß die Polizei nun überlastet ist und daß die Bereitschaft zur Selbstverteidigung nachlasse.

Damit waren aber alle, die das Interview des Psychologen im Fernsehen gesehen hatten, gewarnt, und sie hielten ihre Bereitschaft zur Selbstverteidigung aufrecht.

Die Bevölkerung atmete auf. Die Wiederkehr zu Ordnung und Sicherheit war für sie wie das Erwachen

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aus einem bösen Traum, den sie hinter sich zurückließ, den sie verdrängte.

Neues Streitthema

Die Auseinandersetzungen zwischen Medien und Polizei verlagerten sich nun auf eine andere Ebene. Das sah eher nach einem Alibi-Streit denn nach einer ernsthaften Auseinandersetzung aus, wenngleich auch einige ernsthafte Probleme diskutiert wurden.

Die Sache betraf auf Medienseite eigentlich nur die Printmedien. Es ging nun um die Frage, was aus der neuen Tageszeitung »Sprachrohr der Polizei« werden würde.

Einige Zeitungen preschten mit Belehrungen vor, daß weder die Personalvertretung der Polizei noch die Behörde selbst eine Rechtskörperschaft darstelle, die zur Herausgabe einer Tageszeitung nach wirtschaftlichen Grundsätzen berechtigt sei. Hinter diesen Argumenten gaben die Zeitungen aber die Sorge zu erkennen, daß es bedenklich sei, wenn eine so mächtige Behörde über ihr eigenes Medium verfüge. Daran könnten auch weder das übergeordnete Innenministerium noch die Bundesregierung Interesse haben.

Die Redaktion des SdP konterte, daß sich das Problem der Rechtsgrundlage des Herausgebers bisher

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nicht gestellt habe. Rechtsträger war bisher der Masseverwalter des insolventen Blattes, dessen sich die Personalvertretung der Polizei bedient habe. Und die Redakteure des SdP, das sich in den drei Streikwochen zur auflagenstärksten Tageszeitung des Landes entwickelt hatte, fragten, ob die Journaille der übrigen Printmedien ihre Kollegen von der SdP um ihre ohnedies unsicheren Jobs bringen möchte. Es habe sich auch gezeigt, daß ein eigenes Medium der Polizei der Sicherheitsleistung durchaus förderlich sei. Im übrigen habe man die Rechtsgrundlagen für die Weiterführung des Blattes längst vorbereitet. Sie würden umgesetzt werden, sobald der Konkurs des bisherigen Herausgebers abgewickelt sei.

Tatsächlich wurde im Zug der Konkursabwicklung der Betrieb von einer neuen Gesellschaft mit beschränkter Haftung übernommen. Die Mehrheit der Gesellschaftsanteile erwarben die Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten sowie ein Verein, in dem die Angehörigen der Personalvertretung der Polizei den Vorstand bildeten und in den Mitglieder der Exekutive eintreten konnten. Der Verein war auf Gewinn ausgerichtet und verzichtete daher korrekterweise von vornherein auf den Status der Gemeinnützigkeit. Die weiteren Anteile wurden von anderen Medien erworben.

Damit war Friede in die Medienlandschaft eingekehrt. Der Titel der Zeitung wurde auf »Das

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Sprachrohr« vereinfacht und durch ein gefälliges Logo ergänzt.

Die Nachwehen

Die größten Schäden während des Polizeistreiks waren durch die Raubüberfälle durch das Bandenunwesen entstanden. Und es ergab sich alsbald die Diskussion, ob diese Schäden durch die Einbruchversicherung gedeckt seien. Die Versicherungsanstalten legten das Entstehen der Schadensfälle so aus, daß die Zustände während des Polizeistreiks einem Aufruhr gleichgekommen seien und daher durch die ausgestellten Polizzen und die damit bedingten Prämienleistungen keine Deckung fänden.

Die Regierung drängte aber auf Entschädigungsleistungen, da anderenfalls die Wirtschaft zusammenzubrechen drohte. Die Versicherungsanstalten versuchten dagegen nachzuweisen, daß sie gar nicht in der Lage seien, für die riesigen Schadenssummen aufzukommen. Sie wollten zumindest die Handelskonzerne aus der Entschädigungsleistung ausgenommen wissen.

Diese drohten wiederum damit, die Republik wegen des Polizeistreiks auf Entschädigung zu verklagen. Es war nicht absehbar, wie ein Gerichtsurteil nach einer

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solchen Klage aussehen würde. Möglichweise hätte die Republik, wäre sie dazu verklagt worden, die Entschädigung durch eine neue Sondersteuer aufbringen müssen.

Man spielte den Ball wieder zurück an die Versicherungsanstalten. Da die Schäden nicht nur die Einbruchversicherung betrafen, sondern quer durch alle Versicherungssparten gingen, wurde den Versicherungen zugestanden, solange sämtliche Prämien zu verdoppeln, bis ihre Kapitalsituation nach den Entschädigungsleistungen wieder den Stand vor dem Polizeistreik erreicht hätte. Ausländische Rückversicherer lehnten die Beteiligung ab. Es wurde daher weiters zugestanden, daß die Leistungen der verschiedenen Anstalten egalisiert würden, sodaß die Kapitalsituation vor dem großen Streik für alle zur gleichen Zeit errreicht werden würde.

Die Belastung traf also die Bevölkerung. Sie hatte die Entschädigungen durch doppelt hohe Prämienvorschreibung für alle Sachversicherungen von der Haushaltsversicherung bis zur Kfz-Haftpflicht-Versicherung selber aufzubringen. Am empfindlichsten traf dies die Kraftfahrzeughalter. So mancher konnte sich allein wegen der hohen Versicherungsprämien kein Fahrzeug mehr leisten.

Natürlich versuchte man, soweit möglich, auf die Schadensverursacher zurückzugreifen. Dabei war es von enormem Vorteil, wenn die Geschädigten über ein gutes Personengedächtnis verfügten. Die Abteilungen

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in der Polizei, die durch Skizzen und Computer-Technik Fahndungsbilder herstellten, wurden erweitert und hatten Hochbetrieb. Die Bilder wurden im »Sprachrohr« veröffentlicht, aber auch allen anderen Medien zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe dieser Fahndungsbilder konnten zahlreiche Täter ausgeforscht werden. Die Hälfte der Ausgeforschten konnte zum Schadensersatz herangezogen werden. Von einem Viertel der Täter, die jugendlich waren, wurden die Eltern zur Haftung für die Schäden herangezogen. Ein weiteres Viertel waren Sozialhilfeempfänger oder deren Kinder und Unterstandslose. Über sie konnten nur Freiheitsstrafen verhängt werden.

Auch die Modawier, die Wohnungsinhaber aus ihren Wohnungen vertrieben und die Wohnungen beschädigt hatten, waren zahlungsunfähig. Sie wurden zu Haftstrafen verurteilt.

Hart traf es die Eltern jener Kinder, die die Einkaufswagen in den Fluß gestoßen hatten und derer, die die Busbank in Brand gesteckt hatten. Die Eltern versuchten vergeblich sich zu wehren. Sie hatten wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht für die hohen Kosten der Bergung und Säuberung der Einkaufswagen aufzukommen. Man konnte aus Umweltschutzgründen die Wagen nicht im Fluß verrotten lassen. Und man wunderte sich allgemein über den hohen Preis von Busbänken.

Man beharrte auch deshalb auf der Schadensgutmachung, weil es längst an der Zeit war,

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Exempel zu statuieren. Die teueren Einkaufswagen wurden in bestimmten Gegenden immer wieder als Spielzeug mißbraucht und beschädigt. Und auch die häufige Beschädigung von Busbänken durch Bekritzeln und Zerschneiden hatte längst skandalöse Ausmaße angenommen. Man hoffte, daß das Bewußtsein des Schadensausmaßes in beiden Fällen von weiteren Beschädigungen abhalten werde.

Nachwehen ergaben sich auch für die Polizei durch die Bewältigung der Anzeigenflut. Aber insgesamt ergab sich auf längere Sicht eine positive Einstellung zum Wirken der Polizei. Und als die wesentlich härteren Strafen bei Widerstand gegen die Staatsgewalt beschlossen und von den Medien nun positiv kommentiert wurden, gingen auch die Übergriffe auf Polizisten wesentlich zurück.

Die folgenden Textteile habe ich auf Grund einer Kritik des Germanisten Mag. Markus Fischer, Salzburg, nachträglich eingefügt:1) Der ganze Absatz wurde eingefügt.2) Hier wurde ein Satz eingefügt.3) Es wurden die drei vorangehenden Sätze eingefügt.4) Hier wurde der Begriff „gesetzwidrigen“ eingefügt.

Es läßt sich natürlich darüber diskutieren, ob die Folgen eines Polizeistreiks, wie sie in meiner Phantasie-Erzählung dargestellt sind, zutreffen würden. Ich glaube aber, ohne Polizei würden sich auf jeden Fall verheerende Zustände ergeben, unter denen

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wir alle noch viel stärker betroffen wären als von der gegenwärtigen relativ hohen Kriminalitätsrate.

Wir sollten also besonders verantwortungsvolle Berufsstände nicht nur kritisieren, sondern viel mehr deren wertvolle Leistungen anerkennen. Daß es wie überall auch unter ihnen schwarze Schafe gibt, darf nicht für das Image des Berufsstandes bestimmend sein.

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