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Thun/Bern, 20. Mai 2009 Tiefbauamt des Kantons Bern Pressemappe Eröffnung des Entlastungsstollens Thun Kontakt Bauprojekt Entlastungsstollen: Ernst Spycher, Projektleiter, Tel. 033 225 10 67, [email protected] Tiefbauamt des Kantons Bern Oberingenieurkreis I Schlossberg 20 Postfach 3601 Thun Kontakt Betrieb: Bernhard Schudel, Tel. 031 633 38 62, [email protected] Amt für Wasser und Abfall Reiterstrasse 11 3011 Bern

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Thun/Bern, 20. Mai 2009

Tiefbauamt des Kantons Bern

Pressemappe Eröffnung des Entlastungsstollens Thun

Kontakt Bauprojekt Entlastungsstollen: Ernst Spycher, Projektleiter, Tel. 033 225 10 67, [email protected] Tiefbauamt des Kantons Bern Oberingenieurkreis I Schlossberg 20 Postfach 3601 Thun Kontakt Betrieb: Bernhard Schudel, Tel. 031 633 38 62, [email protected] Amt für Wasser und Abfall Reiterstrasse 11 3011 Bern

884.07 / 22.05.09 / A / Ble/Sw(F) \\thur\c_proj\0884.07_thun_hws_komm_bau\08_prod\eroeffnung\pressemappe\pressemappe_entlastungsstollen20mai.doc

Bearbeitende:

Bea Schwarzwälder, Kommunikationsbeauftragte Hochwasserschutz Thunersee

Christian Schubarth, stv. Kommunikationsbeauftragter, Organisation Eröffnungsfeier

Selina Bleuel, Sachbearbeiterin

IC Infraconsult AG Bitziusstrasse 40 3006 Bern

Bezug von Abbildungen in hoher Auflösung oder Vektor-Datei:

[email protected], tl dir 031 359 24 23

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Inhalt

1 Dokumentation Entlastungsstollen 4

1.1 Geschichte der Hochwasser am Thunersee 4

1.2 Hochwasser ohne Stollen – Hochwasser mit Stollen 6

1.3 Technisches zum Entlastungsstollen 10

1.4 Betrieb und Hochwassermanagement 12

1.5 Grundlegende Messdaten 15

1.6 Unterliegersituation 16

2 Chronologische Zeitachse 1999 – 2009 18

3 Projektorganisation 19

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1 Dokumentation Entlastungsstollen

1.1 Geschichte der Hochwasser am Thunersee

Hochwasser in der Vergangenheit

Überschwemmungen am Thunersee sind nicht singuläre Ereignisse, sondern treffen über Jahrzehnte beobachtet immer wieder ein. Seit der Einleitung der Kander in den Thunersee im Jahr 1714 wurde die Stadt Thun nachweislich immer wieder überschwemmt. Die Überschwemmungsgefahr wurde durch die Erstellung der Äusseren Aare am Ort der alten Stadtbefes-tigung im Jahre 1722 und durch den Bau des Uttigenkanals vor 1870 wesentlich reduziert.

Seit 1869 misst die Landeshydrologie die Pegelstände am Thunersee. Sie geben eine Übersicht über die Höchstwasserstände der letzten 131 Jahre (nach der Realisierung des Uttigenkanals). Seitdem ist der Hochwasserpe-gel von 558.30 m ü. M. in 37 Jahren erreicht oder überschritten worden. Dabei ragt das Ereignis von 1999 aus den üblichen Überschreitungen als einzigartiges Extremhochwasser heraus (Pegel 559.12 resp. 559.17 m ü. M.). Die Überschreitung der Hochwassergrenze ist dabei mehr als doppelt so hoch wie beim höchsten Hochwasser in den gesamten vorangehenden 131 Jahren mit einem Pegel 558.68 m ü. M. im Jahr 1910.

Das Ereignis von 2005 war mit einem Pegel von 559.24 m ü.M. das höchste je gemessene Hochwasser. Davor hatte das Hochwasserereignis von 1999 559.12 m ü. M. erreicht. Diese übertrafen das dritthöchste Hochwasser von 1910 um 56 cm, resp. 44 cm!

Anfälligkeit des Thunersees

Der Thunersee ist aus drei Gründen besonders anfällig für Hochwasser: o Der Anteil seiner Seefläche von 50 Quadratkilometern (km2) ist

verglichen mit seinem Einzugsgebiet (2500 km2) mit 2 Prozent sehr klein. Im Schweizer Vergleich ist dieser Anteil sogar Rekord. Dies ist insbesondere auf die Umleitung der Kander in den Thunersee im Jahr 1714 zurückzuführen. Durch diesen Eingriff hat sich das Einzugsgebiet des Thunersees annähernd verdoppelt.

o Die Differenz zwischen dem mittleren Sommerwasserstand und der Hochwassergrenze beträgt nur 50 cm. Mit dem Reglement wird der Thunersee im Sommer auf einem mittleren Wasserstand von 557.80 m ü. M. gehalten. Bis zur Hochwassergrenze kann der Thunersee also nur 50 cm steigen, was im Vergleich zu den meisten übrigen Schweizer Seen sehr wenig ist.

o Die Aare in Thun – der Abfluss des Thunersees – ist sehr seicht und hat damit eine zu kleine Abflusskapazität. Bei der Schadau liegt die Fluss-sohle mit 556.60 m ü. M nur gut einen Meter unter dem mittleren Som-merwasserstand. Die Sohle oberhalb der Scherzligschleuse bildet als engste Stelle im Abfluss den eigentlichen «Tellerrand» des Thunersees. Dies hat zur Folge, dass bei tiefem Seestand nur wenig Wasser aus dem Thunersee abfliessen kann. Erst mit steigendem Seepegel nimmt auch die Abflussmenge zu.

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Abbildung 1-1: Maximale Jahres-Pegel Thunersee 1905 - 2005 (Quelle: bhc)

Abbildung 1-2: Wasserbaumassnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes in und um Thun im 18. und 19. Jahrhundert (Quelle: IC)

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1.2 Hochwasser ohne Stollen – Hochwasser mit Stollen

Hochwasser 1999 und 2005

Im Mai 1999 liessen Niederschläge und die Schneeschmelze Aare, Simme und Kander stark anschwellen. Bis zu 700 Kubikmeter (m3) pro Sekunde brachten die Zuflüsse in den See. Am 11. Mai wurde ein Seepegel von 558.10 m ü. M. gemessen. Innerhalb von vier Tagen stieg der Seespiegel trotz vollständig geöffneter Schleusen auf den Höchststand von 559.12 m ü. M., 82 cm über der Hochwassergrenze. Zu diesem Zeitpunkt standen in Thun rund 350 Gebäude im Wasser. Die Bewohnerinnen und Bewohner konnten ihre Wohnungen zum Teil nur per Boot erreichen. Grundwasserein-brüche legten die Kanalisation lahm, und aus Sicherheitsgründen musste der Strom abgestellt werden.

Das Hochwasser hinterliess Schäden an Gebäuden und Mobiliar (Hausrat, Geschäftsinventar, Fahrzeugkasko) von knapp 60 Mio. Franken.

Am 24. August 2005 liessen intensive Niederschläge im Einzugsgebiet des Thunersees den Thunersee innerhalb von nur 2 Tagen auf 559.24 m ü. M. ansteigen. Der See erreichte damit seine historische Höchstmarke: 94 cm über der Hochwassergrenze von 558.30 m ü. M.

Entstehung des Projekts Entlastungsstollen

Nach dem Hochwasser 1999 wurden von den verantwortlichen Stellen verschiedene Studien ausgearbeitet mit dem Ziel, die Abflussverhältnisse des Sees zu verbessern. Parallel dazu erfolgten mehrere politische Vorstösse, besonders aus der am stärksten betroffenen Gemeinde Thun. Im Anschluss an einen Vergleich von 8 verschiedenen Varianten wurde ein Kantonaler Wasserbauplan mit 8 Massnahmen ausgearbeitet. Schutzziel war, dass ein Hochwasser wie dasjenige von 1999 den Pegel 558.80 m ü. M. nicht übersteigen sollte. 2 Massnahmen wurden in der Mitwirkung als die interessantesten bezeichnet: ein kurzer Entlastungsstollen (Schifffahrtska-nal-Äussere Aare) und die Vertiefung der Scherzligschleuse.

Während der Projektierung des Wasserbauplans tauchte die Idee eines langen Entlastungsstollens vom Schifffahrtskanal zum Kraftwerk. Diese Idee wurde in den Variantenvergleich aufgenommen und so auf Herz und Nieren getestet. Im November 2004 entschied sich der Kanton für diese Lösung.

Vorteile des Entlastungsstollens

Die Vorteile des Entlastungstollen sind:

o Besserer Hochwasserschutz für Thun

o Keine negativen Auswirkungen auf die Unterlieger

o Gemeinsamer Nenner aller Beteiligter

o Baurisiken vorhanden, aber kalkulierbar

o Schonung des Stadtbildes

o Schonung alter Bausubstanz

o Kleinere Auswirkungen auf den Schiffsbetrieb

o Kosten zu Schadenpotential bleiben in einem vernünftigen Verhältnis

o Hydraulisch besser nachvollziehbar

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Wirkung des Entlastungsstollens

Am Thunersee Der Entlastungsstollen bewirkt, dass künftig der Pegel des Thunersees bei extremen Hochwassern um bis zu 40 cm weniger hoch steigen wird. Die Schäden in Thun aus den Jahren 1999 und 2005 (total 170 Mio. Franken) wären mit dem Betrieb des Entlastungsstollens nur halb so hoch ausgefal-len.

An der Aare Dank eines ausgeklügelten Systems für die frühzeitige Erkennung von Hochwassergefahren (Teil des Betriebsreglements) kann mit Hilfe des Stollens frühzeitig mehr Wasser aus dem Thunersee abfliessen. Damit kann im Thunersee Rückhaltevolumen für die steigenden Zuflüsse geschaffen werden. Das neue Konzept führt zu einer deutlich höheren Hochwassersi-cherheit rund um den Thunersee. Vorschriften im Betriebsreglement sorgen dafür, dass keine Abflüsse aus dem Thunersee abgeleitet werden, die zusätzlichen Schaden in Bern anrichten würden. In bestimmten Situationen – z.B. wenn der Abfluss aus Zulg, Rotache, Kiese und Gürbe steigt und am Thunersee keine unmittelbare Hochwassergefahr besteht – wird der Abfluss aus dem Thunersee gedrosselt. Die maximale Abflussspitze in der Aare unterhalb von Thun wird trotz Einsatz des Entlastungsstollens nicht erhöht, weil der See als Folge des frühzeitigen Einsatzes des Stollens weniger hoch als ohne Stollen steigt.

Wirkung Entlastungsstol-len mit Betriebsreglement bei einem Extremereignis

Abfluss Thun

0

100

200

300

400

500

600

700

1 12 23 34 45 56 67 78 89 100 111 122 133 144 155

Stunden

Abf

luss

[m3/

s]

THUN IST

THUN mit Stollen

Abbildung 1-3: Vergleich der Abflüsse mit oder ohne Stollen bei einem Extremereignis (Quelle: bhc)

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Simulation anhand Hochwasser 2007

Simulationsbeispiel: wie wäre das Ereignis im August 2007 mit Entlastungs-stollen und Betriebsreglement ausgegangen?

Durch die vielen Niederschläge im Sommer 2007 waren die Böden im Einzugsgebiet gesättigt und konnten kein Wasser mehr aufnehmen. Die nachfolgenden Niederschläge flossen deswegen schneller in die Bäche und Flüsse ab. Am 6. August sagten die Wetterdienste weitere intensive Niederschläge auf der Alpennordseite voraus. Der intensive Regen setzte am 7. August ein und liess erst am 10. August nach.

Wäre der Entlastungsstollen bereits betriebsbereit gewesen, wäre der Thunersee auf maximal 558.25 m ü. M. (statt 558.45 m. ü. M.) gestiegen. Der Abfluss durch den Stollen wäre – zum Schutz der Unterlieger gemäss Art. 7 des provisorischen Betriebsreglements – am 8. August, um 19 Uhr 30, für circa 12 Stunden gedrosselt worden. Insgesamt wäre der Stollen 85 Stunden in Betrieb gewesen.

Das Beispiel zeigt, dass das Betriebsreglement sowohl für Thun als auch für die Unterlieger einen Hochwasserschutz gewährleisten kann. In Thun wäre der See trotz der Drosselung nicht über die Schadensgrenze gestiegen. In Bern hätte die Aare dank der Drosselung keine höheren Spitzenabflüsse aufgewiesen.

Abbildung 1-4: Ereignis August 2007: der Pegel des Thunersees mit und ohne Entlas-

tungsstollen. Trotz der Drosselung des Abflusses durch den Entlastungsstollen wäre der Pegel nicht über die Hochwassergrenze gestiegen (Quelle: bhc/IC).

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Abbildung 1-5: Ereignis August 2007: der Abfluss der Aare in Bern mit und ohne Entlas-tungsstollen/Betriebsreglement. Auch mit dem Entlastungsstollen wäre die Aare in der Nacht vom 8. auf den 9. August über die Schadensgrenze getre-ten. Dank der Drosselung wäre es aber nicht zu einer höheren Spitze ge-kommen. Ab dem 9. August, Mittag, hätte die Aare insgesamt mehr Wasser geführt, wäre aber nicht mehr über die Hochwassergrenze hinausgegangen (Quelle: bhc/IC).

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1.3 Technisches zum Entlastungsstollen

Kernstück Entlastungs-stollen

Kernstück des Hochwasserschutzes am Thunersee ist der 1129 Meter lange Entlastungsstollen. Er ist eine Art dritter, unterirdischer Arm der Aare und erhöht das Abflussvolumen am Seeende in Thun. Somit können bei Bedarf zusätzliche Wassermengen unter der Stadt hindurch abgeleitet werden.

Das Bauwerk

Das Einlaufbauwerk des Entlastungsstollens befindet sich am Ende des Schifffahrtskanals, gleich beim Bahnhof Thun. Darin wird das Wasser unter dem Bahnhofplatz hindurch und unter den Bahnlinien abgeleitet und unterhalb des Kraftwerks Thun-Aare wieder der Aare zugeführt.

Der Stollen hat einen Durchmesser von 5.5 Metern und verläuft bis zu 15 Meter unter der Erdoberfläche. Die Unterführungen werden mit einem Abstand von 8 Metern unterquert. Mit der gewählten Linienführung tangiert der Stollen keine Werkleitungen. Eine allfällige Strassenverbindung mit der Aarequerung Süd könnte sowohl als Brücke als auch als Tunnel realisiert werden.

Der Stollen, der ausser bei Revisionsarbeiten immer mit Wasser gefüllt bleibt, wird beim Auslaufbauwerk geöffnet und geschlossen. Im Normalfall ist der Stollen zu.

Vom Einlaufbauwerk im Schifffahrtskanal ist nur bei Niedrigwasserstand der Rechen sichtbar. Das Auslaufbauwerk unterhalb des Kraftwerkes Thun-Aare ist überdeckt. Die Öffnung mit Stützmauern sowie der Technikraum sind von der Regiebrücke und dem gegenüberliegenden Ufer aus sichtbar.

Abbildung 1-6: Entlastungsstollen: Situation (Quelle: IC)

Abbildung 1-7: Entlastungsstollen: Längsschnitt (Quelle: IC)

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Abbildung 1-8: Innenansicht des Stollens während der Bauarbeiten (© ARGE AHT)

Abbildung 1-9: Auslaufbauwerk und Turbulenzen des Wassers bei einem Ausfluss aus dem Stollen von knapp 90 m3/sec (© IC)

Die Wirkung

Der Entlastungsstollen erhöht die Abflusskapazität bereits bei tiefem Wasserstand um 100 Kubikmeter pro Sekunde. Beim Pegelstand von 557.70 m ü. M. entspricht das einer Verdoppelung des Abflusses.

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1.4 Betrieb und Hochwassermanagement

Für einen wirkungsvollen Hochwasserschutz muss der Entlastungsstollen frühzeitig in Betrieb genommen werden. Dies geschieht gemäss dem provisorischen Betriebsreglement. Dieses bezweckt, bevorstehende Hochwasser möglichst früh zu erkennen und den Thunersee in Risikosituati-onen optimal zu regulieren.

Regulierung im Normalbetrieb

Im Normalbetrieb wird der Thunersee mit der Mühle- und der Scherz-ligschleuse reguliert. Dies geschieht heute nach dem Regulierreglement von 1998 und der befristeten Ausnahmebewilligung vom 8. März 2006.

Regulierung mit dem Stollen bei Hochwasserri-siko: das Betriebsregle-ment

Ein Hochwasser droht, sobald die Zuflüsse in den Thunersee mehr Wasser bringen als in Thun abfliessen kann. Bei dieser Ausgangslage bildet der Entlastungsstollen ein zusätzliches Tor für die Thunersee-Regulierung. Der Stollen wird nur in Hochwasser-Risikosituationen in Betrieb genommen, und auch immer erst, wenn die Mühle- und die Scherzligschleuse bereits vollständig geöffnet sind.

Wie ist ein drohendes Hochwasser zu erkennen?

Eine entscheidende Voraussetzung für den effizienten Einsatz des Entlas-tungsstollens ist die möglichst frühe Erkennung eines drohenden Hochwas-sers. Um sie zu gewährleisten, definiert das neue Betriebsreglement die aussagekräftigen Kriterien und Schwellenwerte, die ein drohendes Hoch-wasser anzeigen können (vgl. Schema s.6), und legt die Regulierung in diesen Risikosituationen fest. Das Erreichen von Schwellenwerten führt zu den die Gefahrenstufen ORANGE (Hochwassergefahr erkannt) und ROT (Akute Hochwassergefahr erkannt).

Die Kriterien für die Erkennung einer Hochwassergefahr sind:

o Wassersättigung des Bodens (Beurteilung anhand der Niederschläge der vorangehenden 20 Tage)

o Meteowarnung etwa 2 Tage im Voraus

o Aktuelle Niederschlagsmengen im Einzugsgebiet etwa eineinhalb Tage im Voraus

o Anstieg der Zuflüsse in höheren Lagen des Einzugsgebiets (Lütschine, Kander, Simme) ca. 1 Tag vor der Hochwasserspitze

o Anstieg der Zuflüsse in tiefen Lagen (Aare Ringgenberg, Kander, Simme, Lombach) ca. 12 Stunden vor der Hochwasserspitze

o Veränderung des Seepegels ca. 4 Stunden vor dem Hochwasser

Die Schneeschmelze kann die Hochwassersituation zusätzlich verschärfen. Daher werden im Frühjahr regelmässig die Schneebedeckung, die Schnee-höhe und die im Schnee gespeicherte Wassermenge bestimmt. Das Erreichen der Gefahrenstufen SCHNEE ORANGE und SCHNEE ROT kann sogar zu noch stärkerem Absenken des Sees auf 557.60 m ü. M., respektive 557.45 m ü. M. führen.

Steuerung mit dem Entlastungsstollen

Die Steuerung des Entlastungsstollens erfolgt aus Sicherheitsgründen soweit wie möglich automatisch. Die Schwellenwerte und Kombinationen der Kriterien „Seestand“, „Zuflussmenge“, „Bodensättigung“ und „Steigerung Zuflussmenge“ fliessen in eine Steuerung ein, das seit April 2009 betriebs-bereit ist.

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Abbildung 1-10: Systematik der Entscheidungskriterien (Grafik: Felix Frank)

Prüfen des Betriebsreglements

Aufgrund der Daten der Jahre 1999 bis 2005 war es auch möglich, den Betrieb des Entlastungsstollens anhand der bereits vergangenen Hochwas-ser zu beurteilen. Dementsprechend wurde das Betriebsreglement auf seine Zuverlässigkeit hin geprüft.

Folgende Ziele wurden dabei verfolgt:

o Das Warnsystem muss ein drohendes Hochwasser rechtzeitig erkennen

o Der Thunersee darf nicht über die Hochwassergrenze von 558.30 m ü. M. steigen

o Der Abfluss der Aare darf in Bern nicht mehr als 440 m³/s betragen

o Das System soll möglichst keinen Fehlalarm auslösen

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Diese Simulationen ergaben für die Jahre 1999 bis 2005 folgende Erkennt-

nisse:

o Der Stollen wäre pro Jahr durchschnittlich während 312 Stunden (oder 13 Tagen) in Betrieb gewesen

o Der Stollen wäre pro Jahr durchschnittlich 2.6 Mal geöffnet worden

o Alle fünf Hochwasserereignisse zwischen 1999 und 2005, bei denen die Hochwassergrenze des Thunersees überschritten worden ist, wären zuverlässig angekündigt worden

o Mit dem Entlastungsstollen wäre der Thunersee nur bei den Extremer-eignissen von 1999 und 2005 über die Hochwassergrenze von 558.30 m ü. M. gestiegen

o Mit dem Entlastungsstollen wäre die Abflusskapazität der Aare in Bern von heute 440 m³/s ebenfalls nur bei den Extremhochwasserereignissen 1999 und 2005 in gleichem Ausmass wie ohne Stollen überschritten worden

o Von 1999 bis 2005 wäre es pro Jahr 1 bis 2 Mal zu Fehlalarmen gekommen

Regulierung in der Praxis Von der Zentrale in Bern aus reguliert das AWA den Einsatz des Entlas-tungsstollens. Dort laufen die Messdaten der Wetter-, Abfluss- und Pegel-überwachung zusammen.

Abbildung 1-11: Die Betriebszentrale des AWA (© AWA)

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1.5 Grundlegende Messdaten

In der Schweiz werden Wetterdaten wie Niederschlags- und Abflussmengen sowie Pegelstände seit vielen Jahren systematisch erhoben. Diese Daten dienen dazu, die Witterung und deren Folgen zu verstehen. Die Kenntnisse werden u.a. verwendet, um am Thunersee die Kriterien und deren Schwel-lenwerte für die Wechsel von der Gefahrenstufe GRÜN in die Gefahrenstu-fen ORANGE und ROT festzulegen.

Messstellen…

Die automatische Regulierung nach dem Betriebsreglement ist nur möglich, wenn die Messwerte von Pegeln, Abfluss- und Niederschlagsmengen laufend zur Verfügung gestellt und verarbeitet werden können.

…für Pegel und Abfluss

Je drei Messstellen wachen über die Pegel des Thuner- und des Brienzer-sees. Weitere 18 Messstellen liegen an den Fliessgewässern im Einzugsge-biet und halten die Abflussmengen fest. Die Messstellen werden vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und durch das Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern (AWA) betrieben. Einige Messstellen sind mit zwei Mess-, Aufzeichnungs- und Datenübertragungssystemen ausgerüstet. Damit ist gewährleistet, dass die zur Steuerung notwendigen Daten auch beim Ausfall eines Systems zur Verfügung stehen.

…für Niederschlag

Die Niederschlagsmesser liefern die Daten über die Niederschlagsmenge und -intensität sowie zur Abschätzung der Bodensättigung. Ausgehend vom bestehenden Messnetz der MeteoSchweiz wurde das Messnetz verdichtet. Zusätzlich zu den automatischen Stationen der MeteoSchweiz in Adelboden, Interlaken und auf der Grimsel liefern heute Niederschlagsmesser an folgenden Stellen regelmässig Daten: Untere Gantrischhütte, Zweisimmen, Kiental, Habkern, Kleine Scheidegg, Grindelwald, Hasliberg/Bidmi und Gadmen. Diese wurden bis auf eine neu gebaut.

Abbildung 1-12: Karte der Messstellen für Seepegel und Abflüsse (Quelle: AWA)

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1.6 Unterliegersituation

Der Entlastungsstollen in Thun schützt die Anwohnerschaft am Thunersee und die Bevölkerung von Thun vor Hochwasser und hat keine negativen Auswirkungen auf die Unterlieger, resp. auf die Bevölkerung in Bern. Das Betriebsreglement sorgt dafür, dass der Abfluss durch die Aare mit dem Entlastungsstollen in Thun in bestimmten Situationen gedrosselt wird.

Die Berechnungen mit den Beispieljahren 1999-2005 haben ergeben, dass es in bestimmten Fällen nötig ist, den Stollendurchfluss zu drosseln, solange die Abflusskapazität der Aare bei Bern nicht ausgebaut ist. Die Stadt Bern lässt zurzeit ein eigenes Hochwasserprojekt erarbeiten, mit dem die Kapazität auf 600 m3/s ausgebaut werden soll. Laut Berechnungen werden dann kaum noch Drosselungen nötig sein.

Regulierung heute

Mit der aktuellen Regulierung werden bei drohendem Hochwasser in Thun alle Schleusentore geöffnet. Steigt der Thunersee weiter an, bleiben die Schleusen geöffnet, so dass gleichzeitig der Abfluss ansteigt. Wenn der Seepegel in Thun über 558.30 m ü. M. und der Abfluss in Bern über 440 m³/s steigen, kann das sowohl in Thun als auch in Bern zu Überschwem-mungen führen.

Sind die Schleusen in Thun wegen drohenden Hochwassers geöffnet (Seepegel 558.00 m ü. M. und Abfluss ca. 290 m³/s) und es ereignet sich im Zwischeneinzugsgebiet ein grösseres Unwetter (zum Beispiel ein Abfluss von 200 m³/s aus der Zulg), so kann dies in Bern zu Überschwemmungen führen.

Anliegen der Unterlieger

Die Gesetzgebung schreibt vor, dass Wasserbauprojekte den Unterliegern keine Nachteile verursachen dürfen. Es darf somit in Bern zu keinen Stollen bedingten Überschreitungen der Kapazitätsgrenzen kommen. Diese Grenze ist heute 440 m³/s und nach Abschluss der Hochwasserschutzmassnahmen in Bern 600 m³/s.

Situation mit dem Entlastungsstollen

Der Entlastungsstollen erhöht die Abflusskapazität der Aare in Thun um 100 m³/s. Dies hat keinen Einfluss auf die Abflussspitzen bei extremen Hoch-wasserereignissen wie 1999 und 2005, weil der See dank des Stollens weniger hoch ansteigt. Es fliesst also dank des Stollens frühzeitig mehr Wasser aus dem See, was zu tieferen Maximalständen im See und zu einem schnelleren Anstieg der Abflussmengen in Bern führt. Die maximalen Abflussmengen in Bern erhöhen sich aber dadurch nicht.

Betriebsreglement, Artikel 7

Der Artikel 7 des Betriebsreglements sorgt für den Schutz der Unterlieger, indem er bei bestimmten Situationen eine Drosselung des Abflusses in Thun durch den Entlastungsstollen verlangt. Dafür wurden 2 Prognoseprogramme entwickelt, die die aktuellen Messwerte laufend verarbeiten. Sie berechnen

o den wahrscheinlichen Höchststand des Thunersees im Vorfeld des aktuellen Hochwassers anhand der Daten der Zuflüsse Aare, Kander, Simme und Lombach in den Thunersee;

o die zu erwartende Abflussmenge der Aare in Bern anhand der Daten von Aare, Zulg, Rotache, Kiese und Gürbe, deren Trends sowie der Dauer, bis die Wassermengen Bern erreichen.

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Abbildung 1-13: Karte des Zwischeneinzuggebiets (dunkel) in Bezug zu demjenigen des Thunersees (hellblau) (Quelle: IC)

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2 Chronologische Zeitachse 1999 – 2009

Mai 1999 Hochwasser 1999

Bis 2001 Ausarbeiten mehrerer Studien mit dem Ziel, die Abflussverhältnisse des Sees für den Fall eines Extremereignisses zu verbessern.

Mehrere politische Vorstösse, insbesondere aus Thun.

2002 Beschluss des Oberingenieurkreises I in Absprache mit der kantonalen Bau-, Energie- und Verkehrsdirektion, die Problematik im umfassenden Sinn anzugehen, verschiedene Lösungsvarianten zu entwickeln und einem objektiven Vergleich zu unterziehen.

2003 Wahl der besten Variante: Entlastungskanal vom Schifffahrtskanal zur Äusseren Aare und zusätzliche Vertiefung der Scherzligschleuse.

Juni 2004 Öffentliche Mitwirkung des Kantonalen Wasserbauplans mit 8 Massnahmen

2004 Idee und Integration des „Entlastungsstollen Schifffahrtskanal – Kraftwerk“ in den Variantevergleich, Planungsarbeiten

November 2004 Entscheid für Entlastungsstollen

Ab 2004 Erarbeiten UVB

Juli 2005 Auflage Bauprojekt Entlastungsstollen

August 2005 Hochwasser 2005

11.1.2006 Genehmigung Wasserbauplan durch BVE

15. Dezember 2006 Spatenstich

Januar 2007 Baubeginn Auslaufbauwerk Selveareal

12. Juli 2007 Inbetriebnahme Tunnelbohrmaschine Aarabella

8.-10. August 2007 Hochwasser 2007

August 2007 – April 2008 Stollenvortrieb mit Tunnelbohrmaschine

September 2007 Baubeginn Einlaufbauwerk Bahnhofplatz

15. April 2008 Durchstichfeier

März 2008 Auflage des Betriebsreglements

Herbst 2008 Bauabschluss Ein- und Auslaufbauwerk

29. Mai 2009 Offizielle Eröffnung und Inbetriebnahme Entlastungsstollen

Herbst 2009 Voraussichtliche Genehmigung des Betriebsreglements

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3 Projektorganisation

Bauherrschaft

• Kanton Bern, vertreten durch die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion

BVE

• Stadt Thun, vertreten durch den Gemeinderat

• Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch das Bundesamt für Umwelt BAFU

Tiefbauamt des Kantons Bern, Oberingenieurkreis I

Planung und Projektie-rung

Ingenieurgemeinschaft Thuner See Aare (IG TSA)

• Kissling + Zbinden AG, Spiez

• IUB Ingenieur-Unternehmung AG, Bern

• Bächtold + Moor AG, Thun

bhc-Projektplanung, Wimmis

Aquavision, Ecublens

VAW ETH, Zürich

Hunziker, Zarn und Partner, Aarau

Geotechnisches Institut, Spiez

geo7 AG, Bern

BKW FMB Energie AG, Bern

IC Infraconsult AG, Bern

Projektmanagement/ Support Oberbauleitung

Marchand + Partner AG, Bern

Bauleitung Ingenieurgemeinschaft Thuner See Aare (IG TSA)

Ausführung Stollen Arbeitsgemeinschaft Hochwasserentlastungsstollen Thun

• Walo Bertschinger AG, Zürich

• PraderLosinger AG, Zürich und Sion

Ausführung Stahlwasser-bau

Wiegert & Bähr GmbH, Deutschland

Überwachung Riesen & Stettler AG, Urtenen-Schönbühl

Regulierung Kanton Bern, Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern (AWA)