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ema Kritik Wie soll man denn darauf reagieren? Ausgabe 0 3 / 1 2 | Mai 201 2 | Helios Media Gmbh | ISSN 1612-7668 | w ww.pressesprecher.com presse sprecher Magazin für Kommunikation

PressesprecherMAI2012

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Das Magazin pressesprecher ist die zentrale Plattform der Kommunikationsszene und berichtet exklusiv aus dem Bundesverband deutscher Pressesprecher. Mit aktuellen Berichten, spannenden Reportagen und fundierten Analysen begleitet es Pressesprecher und Kommunikationsbeauftragte in ihrem beruflichen Alltag. pressesprecher porträtiert die Großen der Szene und stellt die Stars von Morgen vor. Das Magazin bietet Orientierung bei Strategie- und Karriereentscheidungen, informiert über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und hilft bei der Auswahl von Agenturen und PR-Instrumenten.

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Thema Kritik

Wie soll

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presse sprecherMagazin für Kommunikation

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presse sprecher 03/ 12INHALT

06 Agenda

06 Meldungen PR-Report Awards, Image der PR-Branche, Gema-Kampagne

0 Viral Der Clip „Kony 202“ von Invisible Children hat neue Maßstäbe in der Social-Media-PR gesetzt.

2 Wütend Bürgerinitiativen formieren sich zum Protest. PR-Verantwortliche scheuen sich vor den Konfliktgegnern.

6 Versenkt Das Unglück der Costa Concordia hat auch die Kommunikation deutscher gefordert.

18 Titel

20 Kritisiert Verbraucher rüffeln Unternehmen und Organisa-tionen schnell. Und diese rea-gieren über – oder gar nicht.

22 Verschwiegen Das Web 2.0

lädt Nutzer dazu ein, Kritik zu äußern. Viele Unternehmen schauen tatenlos zu.

26 Emotional Die Last des Einsteckenmüssens und die Lust, auszuteilen. Kritiker und Kritisierte geben Auskunft.

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6 AgendaNach der „Costa Concordia“: Obwohl das Image der Kreuzfahrtbranche nicht in Schieflage geriet, soll die Krisenkommunikation besser und schneller werden.

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8 TitelUnternehmen und Organisationen müssen sich immer öfter den Fragen kritischer Bürger stellen. Wie man mit dem wachsendem Mißtrauen umge-hen sollte.

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presse sprecher 03/ 12 INHALT

32 Praxis

32 Die Meinungsführer Die meinungsstärksten Blogs über Versicherungs-Themen.

36 Medien 38 Komplex Die PR-Verantwort-

lichen der Johanniter haben einen herausfordenden Job. Ein Einblick.

40 Multimedial Videofilme können Pressemitteilungen aufwerten. Ein Plädoyer für bewegte Bilder in der Kom-munikation.

44 Überzeugt Das Unternehmen Haniel hat ein Unternehmens-magazin gegründet. Trotz anfänglicher Kritik haben sich die Macher durchgesetzt.

48 Karriere

48 Meldungen

50 Ausgebeutet Wer in der PR Karriere machen möchte, muss Praktika absolvieren. Das nutzen Firmen häufig aus.

54 Wechsel

60 Termine

62 Verband

62 Neues aus dem Verband: Profession Pressesprecher,

BdP-Forum

65 Porträts Jasmin Top und Christian

Schnibbe stellen sich dem Fragebogen.

66 Herzlich Willkommen Der Bundesverband begrüßt

seine Neumitglieder.

67 Was war, was kommt Vergangene und künftige

BdP-Veranstaltungen

70 Kein Kommentar

50 KarrierePraxiserfahrung oder Nepp? Ohne Praktika kamen Hochschulabsolventen bislang nicht weit. Immer mehr Hochschulen und Unternehmen setzen nun auf eine praxisnahe Ausbildung.

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38 PraxisEhrenamtliche Mitarbeiter, Krisen und Katastro-phen: Was es bedeutet in der Kommunikations-abteilung der Hilfsorganisation „Die Johanniter“ zu arbeiten.

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AGENDA presse sprecher 03/ 12

Die Havarie der Costa Concordia hat auch die Kommunikation der deutschen Kreuzfahrtunternehmen gefordert. Medien versuchten das Thema aufzubauschen. DieBegeisterung für Kreuzfahrten aber bleibt ungebrochen.

Eine Seefahrt bleibt lustig.TEXT JUDITH SCHULDREICH

Wenn ein Kreuzfahrtschiff havariert, veröffentlichen Me-dien imposante Bilder. Für die Pressestellen der Kreuzfahrt-unternehmen bedeuten sie viel Arbeit. Auch wenn man selbst nicht betroffen ist. Ohne Input der Veranstalter kann in kürzes-ter Zeit das Image der gesamten Kreuzfahrtbranche gefährdet sein. Als am 3. Januar das Kreuz-fahrtschiff Costa Concordia vor der Küste der italienischen Insel Giglio auf Grund lief, war daher nicht nur die Kommunikation der Reederei Costa Cruises ge-fordert. Auch die Pressestellen anderer Veranstalter wurden zu Anlaufstellen für Journalisten. Doch zum Unglück selbst äu-ßerte sich diese zunächst nicht. Die Havarie betreffe lediglich die Reederei Costa Cruises und man wolle zunächst die Ergebnisse der offiziellen Untersuchung ab-warten, bevor man sich eventuell äußere. Die Krisenkommunika-

tion überließ man der betroffe-nen Reederei. Das Vorgehen ist verständlich und nachvollzieh-bar, aber für die Außenwahr-nehmung der Branche proble-matisch. Wenige Informationen zum Unfallhergang und gegen-seitige Schuldzuweisungen zwi-schen der betroffenen Reederei und dem Schiffskapitän ließen viel Raum für Spekulationen. Das Kreuzfahrtenimage drohte ins Wanken zu geraten. Doch die Branche zieht Konsequenzen. Denn in die Organisation der Krisenkommunikation ist nun Bewegung gekommen.

ÜberraschtDass Kreuzfahrtschiffe hava-rieren, ist selten. „Da solch ein Unglück in diesem Ausmaß in Europa bislang noch nicht vor-gekommen ist, hat es die Bran-

che zwar nicht unvorbereitet, aber doch überraschend getrof-fen“, sagt Torsten Schäfer, Leiter Kommunikation des Deutschen Reiseverbands (DRV). Die Cos-ta Concordia ist nur ein Einzel-fall. Doch kurz nach dem Vorfall waren auch die Pressestellen der deutschen Kreuzfahrtunterneh-men gefragt. „Eine so intensive Medienberichterstattung habe ich in unserer Branche noch nicht erlebt. Innerhalb weniger Stunden haben sich bei uns alle deutschen Leitmedien gemel-det und um eine Stellungnahme gebeten“, sagt Hansjörg Kun-ze, Vice President Marketing & Communication der Aida Cruises. Dabei sei zu diesem Punkt noch nicht einmal die Sachlage am Unglücksort ge-klärt gewesen. „Medien haben

sehr schnell neben den offiziel-len Aussagen der Costa Reede-rei und des Schiffskapitäns nach einer dritten Meinung gesucht“, sagt Negar Etminan, Leiterin Unternehmenskommunikation und Pressesprecherin bei Ha-pag-Lloyd Kreuzfahrten. Die Fragen seien dabei oft identisch gewesen: Woran kann das Un-glück gelegen haben? Gibt es nun einen Einbruch bei den Rei-sebuchungen? Was tut Ihr Un-ternehmen, um die Sicherheit der Passagiere zu garantieren? „Wir haben gemerkt, wie wenig die meisten Journalisten über die Sicherheitsbestimmungen bei Kreuzfahrtschiffen wissen. Vie-le wussten nicht, dass es interna-tional verbindliche Regeln und Standards gibt“, sagt Etminan. Dabei sind Sicherheit, Piraterie und Umwelt eigentlich bran-chenübergreifend Dauerthe-

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men in der Kommunikationsar-beit von Reiseveranstaltern. Bei Ereignissen, die mehrere Ver-anstalter betreffen, wie Streiks, Naturkatastrophen oder poli-tische Unruhen, übernimmt dann üblicherweise der DRV die Koordination des Krisen- und Sicherheitsmanagements für die Reiseveranstalter. Speziell für die Kreuzfahrtbranche gibt es eine vergleichbare Organisation bislang nicht. „Das soll sich aber ändern. Die Krisenkommuni-kation der Kreuzfahrtbranche muss weiter verbessert werden, damit demnächst noch profes-sioneller und schneller reagiert werden kann“, sagt Schäfer. Aus diesem Grund wollen Unter-nehmen und Verband die The-men aktiver angehen und nicht mehr anderen die Meinungsho-heit überlassen. „Beim Unglück der Costa Concordia kamen vie-

le vermeintliche Spezialisten in den Medien zu Wort. Doch ein verlässlicher und namhafter Ex-perte zur Sicherheit an Bord von Kreuzfahrtschiffen fehlte“, sagt Schäfer. Die Branche will nun gemeinsame Experten als An-sprechpartner für Journalisten benennen und die Krisenkom-munikation der Kreuzfahrtbran-che unter dem Dach des DRV organisieren. Der DRV-Aus-schuss Schiff, in dem die meisten deutschen Kreuzfahrtveranstal-ter vertreten sind, befinde sich bereits in der Abstimmung.

Signal gesetztEin erstes Signal hat die Bran-che international in Sachen Sicherheit bereits gesetzt. An-fang Februar verpflichtete sie sich freiwillig, die international vorgeschriebenen Sicherheits-übungen an Bord noch vor Abfahrt aus dem ersten Hafen durchzuführen. Bislang hatte

man der jeweiligen Schiffsbe-satzung im Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See ein Zeitfenster von 24 Stun-den nach Reisebeginn gesetzt. Die einzelnen Unternehmen überprüfen jetzt die eigene, kommunikative Aufstellung für den Krisenfall. „In den Tagen nach dem Unglück haben wir erkannt, was wir im Notfall sel-ber leisten müssten. Die Abläufe werden jetzt ausgewertet“, sagt Kunze. Für den Fall der Fälle will man vorbereitet sein. Denn das Unglück kam zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Die deut-sche Kreuzfahrtbranche boomt. Sowohl der Umsatz als auch die Passagierzahl stiegen im letzten Jahr um jeweils mehr als zehn Prozentpunkte. Laut Studie des DRV sind 20 ,4 Millionen Urlauber an Bord eines Hoch-

seekreuzfahrtschiffes gegangen. Tendenz steigend. Von einer Verunsicherung der Gäste und potenzieller Kunden will man bei den Kreuzfahrtveranstal-tern nichts wissen. Das ließe sich noch nicht abschätzen, so der Tenor aus den Presseabtei-lungen. Auch beim DRV glaubt man nicht, dass das Unglück der Costa Concordia langfristig gesehen zu einem Einbruch der Buchungszahlen führen wird. Die Branche schaut nach vorn. Auch in der Kommunikation: „Kurz nach der Havarie haben wir versucht, über Sicherheits-bestimmungen und Vorgänge an Bord aufzuklären und Medi-en und Reisebüros entsprechen-de FAQ mit Experten zur Verfü-gung gestellt. Jetzt müssen wir gegenüber potenziellen Schiff-reisenden das Thema Sicherheit in allen seinen Facetten weiter besetzen. Es muss deutlich wer-den, wie sicher diese Art des Rei-sens ist“, sagt Etminan.

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TITEL

Schmollen, eingrabe n, zurückpoltern:

Es gibt viele Möglic hkeiten, auf Kritik

zu antworten. Weni ge reagieren gelassen.

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Schmollen, eingrabe n, zurückpoltern:

Es gibt viele Möglic hkeiten, auf Kritik

zu antworten. Weni ge reagieren gelassen.

Typologie des Getroffenen [Schne|cke, die]Wird es der Schnecke zu stressig – und das wird es oft – zieht sie sich in ihr Schne-ckenhaus zurück. Und dort kann sie es sehr lange aushalten. Bei Frost verschließt zum Beispiel die Weinbergschnecke ihr Gehäuse mit einem Kalkdeckel, der erst im Frühjahr wieder aufgestoßen wird. Ist es der Schnecke dagegen im Sommer zu trocken, zieht sie sich ebenfalls wieder zurück. Doch nicht alle Schnecken nehmen Ärger lautlos hin. Wird die Grunzschnecke gereizt, presst sie beim Rückzug in ihr Gehäuse Luft mit einem grunzenden Geräusch aus der Mantelhöhle.

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presse sprecher 03/ 12TITEL

Das Misstrauen gegen Unternehmen und Organisationen nimmt weltweit zu – ob berechtigt oder nicht, gerät dabei zur Nebensache. Wichtiger ist die Frage, wie Unternehmen und Organisationen mit der Kritik umgehen. Plädoyer für eine ernsthafte Gelassenheit.

Locker bleiben

TEXT SEBASTIAN GÜLDE

Was Uli Hoeneß, Naomi Campbell und Klaus Kinski ge-meinsam haben? Nicht gerade viel. Und dennoch haben sich alle drei durch ihren unverwechselba-ren Umgang mit Kritik unsterblich gemacht. Und immer wieder re-agieren auch andere, unter ihnen bevorzugt Fußballer, Politiker, Schauspieler, aber auch Manager, besonders empfindlich auf Kritik, beschimpfen Journalisten, brechen Interviews bei allzu unangeneh-men Fragen einfach ab. Für Boule-vard und Unterhaltungsindustrie haben solch cholerische Ausfälle einen hohen, wenn auch zweifel-haften Wert. Kommentiert von sogenannten Prominenten, die mit

einem Bein bereits im Dschungel stehen, schaffen es die Wutanfälle gerne in billig produzierte Sen-dungen privater TV-Kanäle mit gehaltvollen Titeln wie „Die Top 0 der schönsten TV-Ausraster“.

Allgemeines Unbehagen In der freien Wirtschaft sind der-artige Ausfälle selten. Der Umgang mit kritischer Berichterstattung aber dennoch gelegentlich alles andere als souverän. Statt verbaler Fehltritte setzt man dort stärker auf Verweigerung. Unangeneh-me Journalistenanfragen werden gerne ignoriert, Kritik sitzt man auch mal aus oder kontert sie mit beschwichtigenden Floskeln.

Auch wenn sich die PR immer stärker professionalisiert, Unter-nehmen Krisenpläne ausarbeiten und potenziell kritische Themen im Rahmen des Issues-Manage-ments frühzeitig identifizieren, trifft Kritik sie oftmals unvorbe-reitet. Und nicht immer liegt der Fehler bei den Unternehmen. Unberechtigte Anschuldigungen können sie meist schnell entkräf-ten. Wie sieht es aber mit diffuser Kritik, einem latenten Unbehagen, beispielsweise gegenüber einem gesamten Wirtschaftszweig, aus? Einige Branchen stehen von Na-tur aus stärker unter öffentlicher Beobachtung und werden häufiger mit Kritik von Verbrauchern und

Interessengruppen konfrontiert. Lebensmittelhersteller, Finanz- und Versicherungsunternehmen, Energiekonzerne, die chemische Industrie und Arzneimittelpro-duzenten haben ihre Krisenkom-munikation professionalisiert und treten verstärkt in einen Dialog mit ihren Kritikern. Immer stärker, so scheint es, weicht aber anlassbezo-gene Kritik einer eher verschwom-menen Skepsis gegenüber Institu-tionen. Es bedarf keines Unfalls, keiner Bestechungsskandale oder Produktmängel mehr, um das Vertrauen der Zielgruppen zu ver-lieren. Das Misstrauen gegenüber Politik und Wirtschaft wächst auch ohne große Skandale kontinuier-

Typologie des Getroffenen Wie gehen Sie mit Kritik um?

[Bie|ne, die]Wer seinen Gegner umarmt, macht ihn bewegungsunfähig. Japanische Honig-bienen kuscheln ihre Gegner regelrecht zu Tode. Nähert sich eine Hornisse dem Nest, wird sie von mehreren hundert Bienen umhüllt. Im Innern des Bie-nenschwarms wird es so heiß, dass der Angreifer überhitzt und erstickt. Der westlichen Honigbiene bleibt nur ihr vergleichsweise profaner Stachel.

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lich, wie beispielsweise der aktuelle Edelman Trust Barometer belegt. Das Vertrauen in Institutionen befindet sich demnach auf einem neuen Tiefststand. Gerade einmal 34 Prozent der Bevölkerung hätten noch Vertrauen in die Wirtschaft. Ein Einsturz um 8 Prozentpunkte gegenüber 20. Gerade einmal ein Fünftel der Befragten schätzte hin-gegen Vorstandschefs, Finanzana-lysten und Regierungsvertreter als glaubwürdig ein. In Deutschland zweifelten demnach zwei Drittel der Bevölkerung am Wahrheits-gehalt der Regierungsaussagen. Selbst die moralische Integrität von Nichtregierungsorganisatio-nen – bislang immer noch als ver-trauenswürdigste Institutionen ge-handelt – wird zunehmend infrage gestellt. „Kapitalismuskritik ist en vogue“, schrieb Markus Spill-mann, Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“. Der Protest sei nicht Mittel, sondern Ziel.

Die zunehmende Kritik aller-dings nur als abstraktes Unbeha-gen, als Modeerscheinung oder gar Stammtischgerede gegen „die da oben“ abzuwiegeln, greift zu kurz, wie die Edelman-Studie ebenfalls zeigt. Im Gegenteil. Die Bevölke-rung hat oft klare Vorstellungen davon, wie sich Firmen verhalten sollten. So sollten Unternehmen sozial mit den eigenen Mitarbei-tern umgehen und Verbraucherin-teressen berücksichtigen.Fo

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Schnell kommentiertParallel zur Skepsis gegenüber Wirtschaft und Politik wachsen auch die Möglichkeiten, die Kritik zu verbreiten. In sozialen Medien verschafft sich Kritik immer leich-ter und vor allem schneller Gehör. Nahm man sich vor wenigen Jah-ren etwas mehr Zeit, beispielsweise um einen Leserbrief aufzusetzen, kommentieren viele Internetnutzer Nachrichten oder Unternehmens-auftritte impulsiv. Dass Kritik da-bei nicht nur weniger prononciert ausfällt, sondern gerne auch mal in einen beleidigenden Ton ab-driftet, mag PR-Verantwortliche verärgern – ändern lässt sich daran aber vermutlich nur wenig. Dass Facebook, Twitter oder Xing ihren Nutzern es leicht machen, sich be-reits über Banalitäten auszulassen, bringt Agenturen und PR-Exper-ten auf neue Geschäftsmodelle. Der sogenannte Shitstorm geistert seit Monaten durch die Medien-branche – und mit ihm eine latente Furcht vor dem Zorn der Inter-netgemeinde. Vor der „Rückkehr des Pöbels in die gesellschaftliche Diskussion“ warnte Mitte April Handelsblatt-Online-Chefredak-teur Oliver Stock. Wer jedoch die Diskussion lediglich auf „Trolle“ oder den „virtuellen Mob“ lenkt, verkennt nicht nur, dass viele Nut-zer berechtigte Anliegen haben, sondern blendet auch die Chancen des Zielgruppendialogs aus. Sozia-

le Medien geben ihren Nutzern die Möglichkeit, mit Organisationen leichter in Kontakt zu treten sowie veröffentlichte Fakten noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls zu hinterfragen. Soziale Netzwer-ke, schrieb Michele Weldon in der Huffington Post, seien nicht nur Kanäle, über die immer mehr Men-schen ihre Nachrichten beziehen. „Sie sind auch der Weg, über den wir der Welt über die Verfehlungen anderer berichten.“ Ob Facebook und Twitter damit das „ausgela-gerte gesellschaftliche Gewissen“ sind, wie die amerikanische Me-dienwissenschaftlerin sagt, sei da-hingestellt. Viel entscheidender sei die Frage, wie wir künftig mit der Kritik im Web umgehen werden. „Erziehen uns soziale Medien also zu mehr Ehrlichkeit oder machen sie lediglich bessere Lügner aus uns?“, fragte Weldon.

„Wir sagen nichts.“ Selbst wer über ausgefeilte Krisen-pläne verfügt, kritische Themen mittels Issues-Managements recht-zeitig identifiziert hat, ist nicht vor der falschen Reaktion im Ernstfall sicher. Anders als mancher Sport-ler oder Politiker kontern Unter-nehmen Kritik kaum mit Gegen-angriffen – die Standardfloskeln „Kein Kommentar“ oder „Dazu möchten wir im Augenblick nichts sagen“ hören Journalisten dagegen von Wirtschaftsvertretern umso

häufiger. Sicher, Unternehmen oder Personen des öffentlichen Lebens müssen sich nicht alles ge-fallen lassen. Der beleidigte Rück-zug aus einer Debatte, sobald man Kritik fürchten muss, das verein-zelte Löschen von Posts oder das schlichte Nichtreagieren auf kri-tische Äußerungen im Web spre-chen aber für keine gesunde Streit-kultur. PR-Verantwortliche sollten kritische Äußerungen daher nicht nur ernst nehmen, sondern auch den Mut haben, auf sie zu antwor-ten. Dazu benötigen sie vor allem mehr Gelassenheit im Umgang mit Kritikern und gerne auch eine Prise Humor. Wie sich Kritik mit einem Augenzwinkern für die eigene PR einsetzen lässt, bewies Microsoft vor einigen Wochen. Den von vie-len geschmähten, aber inzwischen überarbeiteten neuen Internet Ex-plorer bewarb das Unternehmen mit einem eigenen Film und einer Webseite. Titel: „The browser you loved to hate“.

Dass sich allerdings die Angst vor überhandnehmender Kritik in sozialen Medien ebenfalls gut vermarkten lässt, bewies jüngst eine PR-Agentur aus Bayern. Für Shitstorm-geplagte Unterneh-menssprecher hat sie eine Krisen-Hotline geschaltet. Erreichbar von 8 bis 20 Uhr. Schade nur, dass sich Facebook und Co. um solch be-triebsratsgerechte Öffnungszeiten nicht scheren.

[Cha|mä|le|on, das]Bloß nicht auffallen? Seine Farben wechselt das Chamäleon selten, um sich zu tarnen, sondern eher um Rivalen zu drohen.

[Rin|gel|nat|ter, die]In Gefahrensituationen zeigt die Ringelnatter ihr ganzes schauspielerisches Talent. Ist eine Flucht nicht mehr mög-lich, bäumt sie sich auf und deutet Bisse an. Hilft das nicht weiter, stößt sie eine übelriechende Flüssigkeit aus. Hat der Angreifer immer noch nicht genug, stellt sie sich einfach tot, öffnet das Maul und lässt die Zunge theatralisch raushängen.

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presse sprecher 03/ 12PRAXIS

PR-Manager in Hilfsorganisationen müssen in der internen Kommunikation nicht nur die eigenen Mitarbeiter informie-ren, sondern auch zahlreiche ehrenamtliche Helfer. Für eine starke Bindung an die Organisation sorgt ein Mix aus neuen und traditionellen Kommunikationsinstrumenten.

Das Navi für den HelferTEXT TOBIAS EILERS

Wie informiert und bindet man 4.000 hauptamtliche und 30.000 ehrenamtliche Mitarbei-ter? Wie kommuniziert man mit ,4 Millionen Fördermitgliedern und – vor dem Hintergrund einer ungestützten Bekanntheit von 24 Prozent – mit der Öffentlichkeit? Können ehrenamtliche Helfer Auf-gaben in der Medienarbeit leisten und wie professionalisiert man be-hutsam Interne und Externe Kom-munikation?

Die Pressesprecher der Johan-niter-Unfall-Hilfe (JUH) stehen vor einer komplexen kommuni-kativen Ausgangssituation. Die spannende Herausforderung für die Kommunikationsreferenten ei-ner der größten deutschen Hilfsor-ganisationen wird komplettiert durch vier vertikale Verbands- und Unternehmensebenen (Bundes-, Landes-, Regional- und Ortsver-bände) und horizontale, paralle-le Strukturen in nahegelegenen sozialen Aufgabenfeldern unter dem Dach des 900 Jahre alten Jo-hanniterordens sowie ein großes Maß an Krisenpotenzialen in me-diensensiblen Bereichen wie Ret-tungsdienst, Katastrophenschutz, Pflege, Kindertageseinrichtungen, Fahrdienste oder Spenden.

Hohe MedienvielfaltBei wohl kaum einem Unterneh-men muss die interne Kommuni-kation eine solche Bedeutung er-fahren wie in einer Hilfsorgani-sation, die zu zwei Dritteln durch Ehrenamtliche von sechs bis über

80 Jahren geprägt ist, die unent-geltlich für die gute Sache arbeiten. Was können die Johanniter diesen Menschen bieten, mal abgesehen von Dank und Auszeichnungen? „Schnelle Information, gute Kom-munikation, direkte Partizipation“, sagt Claudia Hauptmann, die den Bereich Marketing/Kommunika-tion in der JUH-Bundesgeschäfts-stelle in Berlin leitet. Ein einzelnes Medium wie ein klassischer inter-ner Newsletter reicht nicht aus. Die Johanniter pflegen eine Vielzahl an Medien, vom Magazin „die johan-niter“ für Fördermitglieder, mit ei-ner Auflage von ,4 Millionen Ex-emplaren, über den „aktiv“ und den „express“, einen zweiwöchent-lichen internen pdf-Newsletter, bis hin zu Social-Media-Aktivitäten. Zudem kommunizieren einzelne Bereiche wie Johanniter-Fundrai-sing, -Auslandshilfe und -Jugend über eigene Medien mit ihren Ziel-gruppen.

Die jeweiligen Medien zeich-nen sich durch klare redaktio-nelle Konzepte aus: Während das Fördermitglieder-Magazin in die Sparte Gesundheit/Ratgeber/Info-tainment gehört und dabei über die vielen JUH-Spendenprojekte informiert, ist die eher boulevar-deske Mitarbeiter-Zeitschrift „ak-tiv“ ein journalistisches Kaleidos-kop, das ebenso bunt schillert wie der dargestellte Alltag der Johanni-ter zwischen Kita, Rettungsdienst und Hospiz. Viele Mitmachaktio-nen erhöhen die Leser-Blatt-Bin-dung. Hingegen verbreitet der pdf-

Newsletter Verbandsnachrichten mit Informations- und Nutzwert. An vielen Dienststellen und Ret-tungswachen wird er – ganz ‚old school‘ – ausgedruckt und ans Schwarze Brett gehängt. Diese ‚in-terne Öffentlichkeit‘ in vielen hun-dert Dienststellen in ganz Deutsch-land darf von den Kommunikato-ren keinesfalls unterschätzt und später oder weniger umfassend informiert werden als die exter-nen Zielgruppen – sonst könnten Glaubwürdigkeit, Motivation und Vertrauen verspielt werden.

„Die Johanniter-Medienviel-falt hat ihren Preis, ist aber grund-sätzlich notwendig“, sagt Marco Schauff, Leiter Marketing/Kom-munikation in NRW. „Wenn un-sere ehrenamtlichen Katastro-phenschützer am Wochenende eine Übung veranstalten, wollen sie auch, dass darüber berichtet wird – nicht nur in Lokalzeitung und -radio, sondern auch im je-weiligen ‚Johanniter-Leitmedium‘ der Gruppe.“ Entsprechend häufig kommen die Beiträge von den Eh-renamtlichen selbst. Da die lokale Übung aber nicht zwangsläufig für Johanniter aus anderen Verbänden interessant ist, existieren in der Re-gel auch regionale Medien, die von den jeweiligen Kommunikations-referenten erstellt werden.

Allrounder gefordertDie Kommunikation der Johan-niter mit Interessenten, Kunden, Spendern, Fördermitgliedern, Eh-renamtlichen, Mitarbeitern, Jour-

nalisten, Verwaltung und Politik hat sich in den vergangenen Jahren stark professionalisiert. War es An-fang der 990er Jahre durchaus üb-lich, die Funktion des Pressespre-chers ehrenamtlich mit Laien aus dem Verband zu besetzen, legen heutige Ausschreibungen explizit Wert auf eine professionelle Aus-bildung wie Volontariat und Hoch-schulabschluss. Entsprechend hat sich auch die Pressearbeit gewan-delt: Konnte es durchaus vorkom-men, dass in den 980ern ein Jour-nalist bei einer eiligen Anfrage lan-ge auf den Rückruf warten musste, sind die Kommunikationsrefe-renten mittels Blackberry und Co. mindestens so gut erreichbar wie ihre Kollegen in der freien Wirt-schaft – was angesichts der erhebli-chen Krisenpotenziale in den viel-fältigen sozialen Arbeitsbereichen des gemeinnützigen Vereins auch zwingend notwendig ist.

Die Kommunikationsreferen-ten steuern die gesamte integrierte Kommunikation in den über 300 JUH-Verbänden. Sie verantwor-ten sie eigenständig im Rahmen ei-

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ner festen Corporate Identity mit dem klaren Ziel der Markenprofi-lierung mit dem bekannten Claim: ‚Aus Liebe zum Leben‘. Zugleich sind sie vielfach als Allrounder in leitender Funktion für die Berei-che Fundraising und Spenderbe-treuung sowie Vertrieb von sozia-len Dienstleistungen wie Hausnot-ruf, Menüservice und ambulante Pflege mitverantwortlich. Und sie stimmen bei Großereignissen die Medienarbeit zum einen innerhalb der JUH ab, um eine klare Bot-schaft zu kommunizieren. Zum anderen arbeiten sie eng mit den Pressesprechern der befreundeten Hilfsorganisationen und der Ver-anstalter zusammen, so zum Bei-spiel bei Sanitätsdiensten mit hun-derten Helfern bei Karneval, Love-parade, Bundesliga-Spielen oder Public Viewings.

Orientierung gebenDamit in diesem komplexen Kom-munikationsgefüge kein Wild-wuchs entsteht, haben die Johan-niter 2006 das ‚Navigationssystem‘ geschaffen, ein umfassendes Kom-

munikations-Konzept zu den Be-reichen Externe Kommunikation, Interne Kommunikation, Wer-bung und Fundraising. Erst kürz-lich wurde der dicke rot-weiße Ordner um den einheitlichen Ein-leger ‚Krisen-Kommunikation‘ er-weitert, die zuvor in den einzelnen Verbänden unterschiedlich gere-gelt war. Mit Vorgaben und Check-listen beispielsweise zu Vorbe-reitung, Monitoring, Aufbau von Krisenstäben und Kommunika-tionslinien sowie der Nachbear-beitung soll der Leitfaden für die Krise sensibilisieren und fortbil-den. Übungen, Kameratrainings und ‚mystery calls’ ergänzen und trainieren die Abläufe im Alltag. Im Fall der Fälle greifen die ver-schiedenen Kommunikationsebe-nen aus Region, Land und Bund eng ineinander, damit der Verband mit einer Stimme sprechen kann.

Die Inhalte des ‚Navigations-systems‘ kommen im Wesentlichen von den Kommunikationsreferen-ten vor Ort und werden im Fach-bereich Marketing/Kommunika-tion auf Landes- und Bundesebe-

ne aufbereitet. Hier werden auch Kampagnen- und Jahresplanung geleistet sowie die Zusammenar-beit mit Agenturen koordiniert.

Vorteil: FöderalismusHier erweist sich die födera-le Struktur als klarer Vorteil: Von der durchschnittlichen Gesam-treichweite von 373 Millionen pro Quartal alleine durch redaktionel-le Beiträge – also ohne zigtausende Terminhinweise für Erste-Hilfe-Kurse oder Anzeigen –, entfallen rund die Hälfte auf Bundes- und Landesthemen, während die an-dere Hälfte der Kontakte aus den Regionen kommt, beispielsweise durch eigene Medien-Aktivitäten oder den Versand von Muster-Me-dieninformationen an die Lokal-medien.

Besonders in strukturschwa-chen Gebieten bleibt eine enge Zu-sammenarbeit zwischen fachlich hoch qualifizierten, ehrenamtli-chen Führungskräften und Kom-munikationsreferenten unabding-bar: Wenn bei einer Großscha-denslage wie einem nächtlichen

Tobias Eilers ist seit Januar Pressesprecher der Johanni-ter-Unfall-Hilfe in Nordrhein-Westfalen. In der Position verantwortet er die externe Kommunikation der Hilfsor-

ganisation. Davor war er unter anderem als Pres-sesprecher der Aktion Deutschland Hilft tätig. Eilers studierte Germanistik, Skandinavistik, Ge-schichte und Politikwissenschaften.

Massenunfall auf einer Autobahn mindestens ein Helfer vor Ort über grundlegende Kenntnisse der Me-dienarbeit verfügt, erleichtert dies dem Pressesprecher seine Arbeit ungemein – nicht zuletzt durch die Übersetzung des medizinisch-technischen Fachvokabulars. Die Landespressesprecher bieten hier-für regelmäßig Schulungen und Fortbildungen wie die ‚Basiskur-se Presse- und Öffentlichkeitsar-beit‘ an.

Die eingangs erwähnte unge-stützte Bekanntheit von 24 Prozent – die drittbeste aller deutschen Hilfsorganisationen – ist daher ein steter Ansporn für alle Johanniter-Pressesprecher, in Zukunft noch besser zu kommunizieren.

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KARRIERE presse sprecher 03/ 12

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KARRIEREpresse sprecher 03/ 12

Während Kritiker schon nach einer Reform der Bachelor- und Masterausbildung rufen, drängeln sich Studenten um attraktive Praktikumsplätze. In der PR-Branche denken deshalb viele um.

Ausbildung statt AusbeutungTEXT ACHIM BAUM

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Als die europäischen Bil-dungsminister im Juni 999 in Bologna eine ‚gemeinsame Erklärung‘ für einen ‚europä-ischen Hochschulraum‘ formu-lierten, wollten sie mit einem „System leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse“ zuallererst die „arbeitsmarktre-levanten Qualifikationen der europäischen Bürger ... för-dern“. Doch die Geburtsstunde eines zweigliedrigen Studiums mit Bachelor- (BA) und Master-abschluss in ganz Europa trieb alle Beteiligten, vor allem die Stu-dierenden und deren Hochschul-lehrer, in die Enge. Eine paradoxe Entwicklung: Denn die seitdem zum Dogma erhobene ‚Emplo-yability’, die Berufsfähigkeit der Absolventen, ist nun oft schwerer zu erreichen denn je. Verkürzte Studienzeiten gerade im Bache-lorstudium lassen meistens nur in der vorlesungsfreien Zeit genü-gend Raum für Praxiserfahrun-gen. Der Einblick in später mög-liche, berufliche Tätigkeiten wird für die Studenten zum enormen Stressfaktor: Sie wollen Praxisluft schnuppern, sich orientieren und vernetzen. Dafür sind sie durchaus leistungsbereit, wollen sich jedoch keinesfalls unter Wert verkaufen. Viele Wirtschaftsunternehmen aber akzeptieren erst zögerlich, dass sie mit der von ihnen selbst

forcierten Reform Teil eines Aus-bildungsmodells geworden sind, in dem Studenten Praktikums-plätze benötigen, in denen gelernt und nicht billig oder umsonst gearbeitet wird. Manche Persona-ler sogar, denen die BA-Absolven-ten zu unreif erscheinen, vertrös-ten Bewerber gleich ganz auf ein Praktikum nach dem Bachelorab-schluss; oder, wie die „Süddeut-sche Zeitung“ im Mai 20 süffisant feststellte: „Jahrzehntelang hat die Wirtschaft den 23-jährigen Akade-miker gefordert. Nun hat sie ihn“ – mit der Konsequenz: „Bachelor bestellt und nicht abgeholt.“

Das bringt Probleme gerade für die so genannten weichen Fächer mit sich, deren Studenten ihre spätere Tätigkeit aus einem brei-ten, teils diffusen Berufsspektrum wählen können. Bestes Beispiel

»Der Einblick in berufliche Tätig-keiten wird für Studenten, dank verkürzter Stu-dienzeiten, zum Stressfaktor.«

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KARRIERE presse sprecher 03/ 12

So fand gerade im Kommunika-tionssektor mit der Gründung neuer Bachelor- und Masterstudi-engänge eine Ausdifferenzierung statt, die den Markt inzwischen sehr unübersichtlich hat werden lassen. Wer im Hochschulkom-pass der Hochschulrektorenkon-ferenz allein nach grundständigen Studiengängen für die Kommu-nikationsbranche sucht, kommt auf erstaunliche 73 Treffer, grob geschätzt lassen sich dort weit über 20.000 junge Menschen für die Kommunikationsgesellschaft aus-bilden. Und alle drängeln sich um die begehrten Praktikumsplätze in Wirtschaftsunternehmen, Agen-turen und öffentlichen Einrich-tungen. Wen wundert es da, dass mittlerweile zahlreiche Studien-gänge – trotz der ohnehin knappen Bachelorstudienzeit von meist nur drei Jahren – zu den Praxissemes-tern zurückkehren, die es ihren Studierenden erlauben, mehr als nur zwölf Wochen während der Semesterferien zu hospitieren.

Neben breit aufgestellten Initia-tiven wie dem, von „Handelsblatt“ und „Wirtschaftswoche“ ins Leben gerufenen Label ‚fair company‘, deren Regeln sich immerhin mehr als .800 Unternehmen verpflichtet fühlen, gibt es für die Kommuni-kationsbranche „keine Blaupause“, wie Philip Müller, Mitbegründer und Geschäftsführer des PR Career Centers feststellt. Die in Düsseldorf etablierte Initiative kümmert sich – in Partnerschaft unter anderem mit der DPRG, der GPRA und dem BdP – speziell um die Zukunfts-chancen von Nachwuchskräften in PR und Kommunikationsma-nagement. Müller betont, dass der Quereinstieg in die Branche bisher zwar immer noch möglich sei, der Queraufstieg sei aber ohne ent-sprechendes Studium heute nur noch schwer zu erreichen. „Klu-ges Erwartungsmanagement“ von allen Beteiligten sei also nötig.

Auch viele Studiengänge wäl-zen darum inzwischen die Pra-xisausbildung ihrer Studierenden nicht mehr blind in die PR-Praxis ab, sondern schneiden sie auf die

dafür sind die Kommunikations-berufe, deren Professionalisierung schon aufgrund ihrer Bedeutung für die Öffentlichkeit einer plura-listischen Gesellschaft nie abge-schlossen sein wird. Wer heute ein Fach studiert, das mit öffentlicher Kommunikation zu tun hat, weiß eben nur sehr bedingt, wie sich Medien, Themen und Instrumente entwickeln, die schon in naher Zukunft unsere gesellschaftlichen Debatten bestimmen. Jahr für Jahr produzieren Internet und Social Media neue Berufsperspektiven, Trends wie Globalisierung, Nach-haltigkeit und Energiewende machen alte Kommunikationsbe-rufe überflüssig und schaffen im Nu neue Berufsbilder. Und war beispielsweise das Gesundheits-wesen – historisch gesehen – bis vor kurzem noch eine riesige Wirt-schaft ohne freien Markt, so haben sich hier binnen weniger Jahre zahlreiche neue Möglichkeiten für alle Formen der strategischen Kommunikation entwickelt.

Wie sollen sich in diesem dyna-mischen Umfeld die künftigen Kommunikationsexperten ori-entieren, wie den Einstieg in ein sich rasant wandelndes Berufsfeld

finden, wenn nicht über Praktika? Sicher gilt im Groben auch für die Kommunikationsbranche, was die Hans-Böckler-Stiftung in der Studie ‚Generation Praktikum 20‘ herausfand, dass nämlich während des Studiums jeder Stu-dent durchschnittlich vier Prak-tika absolviert. Trotzdem müssen nach ihrem Abschluss 28 Prozent der Befragten noch einer weiteren praktikumsähnlichen Beschäfti-gung nachgehen oder ein weiteres Praktikum absolvieren. 27 Prozent gehen direkt nach dem Studium in eine befristete Beschäftigung und nur 9 Prozent gelingt es, eine unbefristete Arbeitsstelle anzutre-ten.

Auf Seiten der Jobanbieter herrschte, wie Branchenken-ner hinter vorgehaltener Hand munkeln, dazu lange betrete-nes Schweigen. Und nicht alle können wie Christian Blömer, Leiter der Unternehmenskom-munikation bei EWE Energie in Oldenburg, guten Gewissens sagen: „EWE ist sich der Verant-wortung gegenüber Praktikanten bewusst. Studentische Praktika werden bei uns angemessen ver-gütet. Gehalt, Arbeitszeit und der

Umgang mit Überstunden werden in einem Arbeitsvertrag festgehal-ten. Zudem ist uns der wertschät-zende Umgang mit Praktikanten sehr wichtig. Jedem Praktikanten wird im Kommunikationsbereich ein Jobpate zur Seite gestellt und regelmäßige Feedback-Gespräche sichern den Entwicklungspfad des Praktikanten ab.“ Und sein Resümée: „Von diesem wertschät-zenden Umgang profitiert das Unternehmen letztlich am meis-ten. Denn durch einen solchen Umgang mit studentischen Prakti-kanten können wir uns im Buhlen um engagierte, gut ausgebildete und loyale Arbeitskräfte von ande-ren Unternehmen abheben.“

Mittlerweile ist auch in Sachen Praktika viel in Bewegung geraten. Das gilt für die Hochschulinstitute, deren Studenten und die Prakti-kumsanbieter in Unternehmen und Agenturen gleichermaßen.

CHECKLISTE FÜR GUTE PRAXISAUSBILDUNG

Gute Praxiserfahrungen für Studierende müssen • Theorie und Praxis sinnvoll und

systematisch verknüpfen, • die Aneignung fachlichen

Wissens ermöglichen, • soziale Fähigkeiten vermitteln und • durch den Einblick in die

Berufspraxis direkt oder indirekt zu einem Berufseinstieg beitragen.

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Bedürfnisse der Studenten zu. So hat etwa das Institut für Kommu-nikationsmanagement der Hoch-schule Osnabrück für seine rund 200 Studenten im BA-Studiengang Kommunikationsmanagement, die während ihrer drei Pflichtprak-tika gleich von zwei Professoren betreut werden, vor einigen Jah-ren die Deklaration Praktikum als eigenes Instrument der Qualitäts-sicherung entwickelt. Ziel war es, sich in Zeiten eines verschärften Wettbewerbs vom larmoyanten Mediengetöse über die Genera-tion Praktikum abzuheben und exzellente Praktikumsgeber durch den Dialog über eine für alle Sei-ten gelingende Ausbildung an den Studiengang zu binden. Alle drei Parteien – Studenten, Lehrende und Praktikumsgeber – verpflich-ten sich mit ihrer Unterschrift unter der Deklaration zur freiwil-ligen Beachtung von Kriterien, die allen Seiten zur Wertschöpfung durch Praktika in Kommunika-tionsberufen dienen: Die Praxis verpflichtet sich zu einem fairen Umgang mit den Studierenden und bietet ihnen einen vielseiti-gen und betreuten Einblick in die Berufspraxis. Die Studierenden verpflichten sich zum engagierten Einsatz ihrer Arbeitsleistung und passen sich den Regeln der Praxis an. Die Hochschule schließlich verpflichtet sich zu einem auf die Berufspraxis abgestimmten Lehr-programm. Seit 2007 werden all-jährlich ausgewählte und von den Fo

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Studenten selbst als vorbildlich vorgeschlagene Unternehmen, Agenturen und öffentliche Ein-richtungen zum gemeinsamen Praktikums-Workshop an den Hochschulstandort Lingen einge-laden. Zu diesem Anlass werden herausragende Praktika von den Praktikanten und ihren Betreuern vorgestellt und aktuelle Fragen der

Ausbildung und Professionalisie-rung von Kommunikationsmana-gern diskutiert. 60 Unternehmen und Agenturen wurden so bereits gewonnen, die Deklaration Prakti-kum zu unterzeichnen. Für sie sind die Praktika vor allem im Bereich Personalbeschaffung interessant. Eine gezielte Zusammenarbeit mit Hochschulinstituten bietet ihnen die Möglichkeit, ihren ‚Talent Pool‘ zu erweitern und so den Einstel-lungsbedarf an jungen PR-Kräften zu decken. Christian Schwägerl, Praktikumsbeauftragter an der Hochschule Osnabrück, beob-

achtet darüber hinaus sogar, „dass zunehmend schon Personalbe-rater, die sich auf die PR-Branche und aufs Marketing spezialisiert haben, ihre Kunden bei der Suche nach Berufseinsteigern unter-stützen.“ Für die Studierenden sind Praktika damit nicht mehr nur erste Orientierung im diffu-sen Berufsfeld Kommunikation, sondern immer mehr auch Teil der aktiven Berufsplanung. „Stu-dierende profitieren davon“, sagt Schwägerl, „sich erste Referenzen zu erarbeiten und die Grundlage für die Bildung eines Netzwerks mit Akteuren aus der Praxis zu schaffen.“ Bei allem Netzwerken bleibt der erste Anspruch jedoch die Qualifizierung für den künfti-gen Beruf. Und Praktika würden ein falsches Bild von der Tätigkeit in Kommunikationsberufen ver-mitteln, wenn die Studierenden während dieser Zeit vom operati-ven Handeln völlig befreit wären. Dazu gehört dann eben auch ein-mal das viel geschmähte Erstellen von Clippings oder simple Tätig-keiten am Kopierer. Ausbildung ist eine Bringschuld der Praktikums-geber und der Hochschulen und eine Holschuld der Praktikanten. Mehr und mehr erkennen auch die Studierenden ihre Pflicht, sich in einer Zeit, in der zunehmend von der Eigenverantwortung des Einzelnen die Rede ist, sich als eigenverantwortlich für die Quali-tät ihrer Ausbildung zu sehen. Um ihnen dieses Lernen zu ermögli-chen, müssen Unternehmen Prak-tika als Ausbildung anerkennen und dürfen Praktikanten nicht als Werkstudenten ausbeuten – und die Hochschulen müssen erken-nen, dass diese Effekte nur entste-hen können, wenn auch ihre Prak-tikumsbetreuung sich um hohe qualitative Standards bemüht.

Daraus erwachsen Verpflich-tungen für alle beteiligten Seiten, um die Qualität guter Praxiserfah-rungen zu gewährleisten: • Aus der Perspektive der Prak-

tikanten heißt das: Sie müssen ihre Praxisphasen als Ausbil-dung auf praktischem Niveau

begreifen, in die sie alle Fähig-keiten und ihr ganzes Wissen aktiv einbringen. Das verlangt Offenheit gegenüber den Anfor-derungen des Unternehmens und die Bereitschaft, sich den Erfordernissen und Konditio-nen ihres zeitweiligen Arbeitge-bers professionell anzupassen.

• Aus der Perspektive der Prakti-kumsgeber bedeutet das, Prak-tika vorrangig als Ausbildungs-situation zu erkennen und zu organisieren. Dazu sollten sie die Praktika planen und sorg-fältig betreuen, unter anderem durch regelmäßige Feedback-Gespräche. Faire Zeugnisse und eine angemessene Entlohnung für die Praktikanten sind unver-zichtbar.

• Aus der Perspektive der Hoch-schulen, die Praktika als inte-grativen Teil ihrer Ausbildung betrachten, heißt das: Sie ver-mitteln zwischen den Studie-renden und ihren Praktikums-gebern, indem sie auch durch die Lehre einen dauerhaften Wissenstransfer in die Praxis initiieren, die Studierenden auf ihre Praxiserfahrungen vorbereiten und die Praktika gemeinsam mit ihnen und den Praktikumsgebern reflektie-ren. Dazu muss eine dauerhafte Betreuung – auch während der Praxisphasen – gewährleistet sein. Den Dialog über die Qua-lität der Praktika inhaltlich zu organisieren, ist die Pflicht der Hochschulen.

Achim Baum lehrt seit zehn Jahren als Professor Kom-munikationsmanagement an der Hochschule Osnabrück. Nach seinem Studium an der Universität Münster war er

als Redakteur bei Rias-TV und der Deutschen Welle tätig, arbeitete als Medienjournalist für „taz“, „Berliner Zeitung“ und den Branchendienst Funkkorrespondenz. Von 1995 bis 1996 war er Leiter des Referats für Publizistik und Öffentlich-keitsarbeit am Adolf-Grimme-Institut. Seit 1997 berät er unter anderem den Deutschen Presserat, IBM, den WDR und die WGZ-Bank in PR-Fragen. Von 2001 bis 2002 vertrat er die Professur für Kommunikationswissenschaft an der Westfäli-schen Wilhelms-Universität Münster.

»Ausbildung ist Bringschuld der Praktikumsgeber und Hochschulen und eine Hol-schuld der Praktikanten.«

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NEUE REGELN

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PR hat sich verändert. Und Sie?

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